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Berliner Salonbronzen am Beispiel des Lauchhammer Bildgusses ...

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Reduktion von Form und Inhalt ging der Verlust an Individualität einher, das Bild vom fortschrittsgläubigen<br />

Menschen wird ästhetisch stilisiert. Der Weg war frei geworden für individuelle Formulierungen einzelner<br />

Künstler, oder gar Verweigerungen dem offiziellen Kunstmarkt gegenüber.<br />

Die Auftraggeber wechselten und die Größe der Skulpturen verringerte sich, der Aufstellungsort wurde privater,<br />

was vornehmlich in Genreszenen Ausdruck fand. Aus dem Topos <strong>des</strong> monumentalen Reiterdenkmales wurden<br />

allgemeingültige „Sieger“, „Amazonen“, „Eselsreiter“ in Statuettenformat, aus mythologisch definierten Sujets,<br />

wie „Venus und Amor“, werden allgemeinere antikisierende Zitate, wie „Kranzwerfer“, „Bogenschütze“,<br />

„Sandalenbinder“. Die junge Künstlergeneration suchte sich jenseits der akademischen vom Staat getragenen<br />

Betätigungsfläche neue Auftraggeber. Industrielle und das selbstbewußte, aufstrebende Bürgertum standen nun<br />

verstärkt im Interesse der Bildhauer. Einerseits als wohlwollende Abnehmer von Kleinplastiken, die zum<br />

Ausschmücken <strong>des</strong> eigene Salons dienten; Andererseits wandelte sich durch diese breite Bevölkerungsschicht<br />

der inhaltliche und stilistische Bedarf. Viele Bildhauer fanden sich plötzlich gefangen zwischen dem eigenen<br />

künstlerischen Anspruch und den zu befriedigenden Ansprüchen <strong>des</strong> Marktes.<br />

Diese Bedürfnisse <strong>des</strong> Marktes befriedigten vornehmlich Gips-, Zink- und Bronzegießereien mit<br />

Niederlassungen und Ladengeschäften im Zentrum Berlins: Micheli, Schäfer & Walker, Martin und Piltzing,<br />

jeweils Berlin, die Kunstgußabteilung der Eisenhütte Lauchh<strong>am</strong>mer, die Aktiengesellschaft vormals Hermann<br />

Gladenbeck & Sohn, Berlin und die Württembergische Metallwarenfabrik (WMF), Geislingen. 8<br />

Neben der wohl bekanntesten <strong>Berliner</strong> Bronzegußf<strong>am</strong>ilie Gladenbeck, deren wechselvolle und nicht untragische<br />

Firmengeschichte in den zurückliegenden Jahren intensiv erforscht und publiziert wurde 9 , prägte eine zweite<br />

Firma das Ansehen <strong>des</strong> Eisen- und Kunstguß im 19. und frühen 20. Jahrhundert in Deutschland: Die<br />

Kunstgußabteilung der Eisenhütte Lauchh<strong>am</strong>mer, der ältesten Eisen- und Bronzegußstätte Deutschlands 10 .<br />

Gegründet 1725 von der Freifrau von Löwendahl, war die Produktion zunächst auf die Verhüttung von Rasenerz<br />

ausgerichtet und die Herstellung von Gebrauchsgegenständen <strong>des</strong> Alltags aus Eisen. Mit der Übernahme <strong>des</strong><br />

Werkes durch den kunstsinnigen Grafen Detlev Carl von Einsiedel hielt der Kunstguß Einzug in Lauchh<strong>am</strong>mer.<br />

1784 entstand der erste Kunstguß, eine Bacchantin aus Eisen; weitere Aufträge folgten in kurzer Folge, u.a. die<br />

Illdefonso-Gruppe für Weimar und das Victor Moreau-Denkmal für Dresden.<br />

Das Werk empfahl sich mit diesen großformatigen Güssen bei weiteren Auftraggebern, da der Eisenguß die<br />

allergrößte Sorgfalt in der Herstellung verlangt, zumal beim Eisenguß Gußfehler durch Ziselieren oder das<br />

Einsetzen von Ergänzungsstücken – wie dies bei Bronze der Fall ist – nicht beseitigt werden können.<br />

Mit dem Gußauftrag für Christian Daniel Rauchs Doppelstandbild für die Polenkönige Mieszko und Boleslaw<br />

im Dom zu Posen (1838/39) war der künstlerische Durchbruch erzielt. Von der Gußqualität war Rauch derart<br />

begeistert, dass er in seinem Tagebuch notierte, er habe „nie zuvor einen solch dünnen und an der Oberfläche so<br />

schönen Guß gesehen“, weshalb er beschloß, „die Figuren nicht zu ciselieren, sondern nur das Nötigste daran mit<br />

Punzen und Feile zu tun.“ 11 Durch diesen Erfolg ermutigt, übergab Rauch dem Werk weitere Aufträge und<br />

andere Künstler, wie zunächst August Kiss und Ernst Rietschel folgten dem <strong>Beispiel</strong>. Das seinerzeit größte<br />

Denkmalanlage der Welt wurde in Lauchh<strong>am</strong>mer gegossen: Das Luther und der Reformation gewidmete<br />

Denkmal in Worms von Ernst Rietschel (1868).<br />

Die Konkurrenz auf dem Bronzegußsektor wuchs mit der wachsenden Zahl an öffentlichen Denkmalen in<br />

deutschen Städten. Der gräfliche Besitz wurde in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, um die Verluste <strong>des</strong><br />

Ges<strong>am</strong>twerkes aufzufangen. Den Vorsitz übernahmen Dresdner und Leipziger Bankhäuser. Dennoch arbeitete<br />

das Werk nicht gewinnbringend. Besonders der Bronzeguß, der nur einen verschwindend kleinen Teil in der<br />

Produktion der Lauchh<strong>am</strong>mer Werken darstellte, arbeitete nicht rentabel 12 .<br />

GESCHICHTE<br />

Um eine Vorstellung von der handwerklichen Leistung, die zur Herstellung einer Bronzestatuette nötig ist zu<br />

gewinnen, sei auf eine von Ursel Berger veröffentlichte Aufstellung der Arbeitszeiten der Firma Gladenbeck<br />

zurückgegriffen – vergleichbares Material hat sich in Lauchh<strong>am</strong>mer offensichtlich nicht erhalten.<br />

8 Vgl. Lurz, Rupp, Schmoll, Trier<br />

9 Niggl, Berger, Kießhauer<br />

10 Nicht vergessen werden darf natürlich die Gießerei von Miller in München. Vgl.:<br />

11 zitiert nach Luer, Hermann, Technik <strong>des</strong> Bronzegusses, Leipzig, o.J. (1902), S. 107<br />

12 Der Maschinen- und Brückenbau, Glockenguß und emaillierte Altagswaren, wie Töpfe und Badewannen<br />

bildeten den Schwerpunkt der Produktion. Vgl.: Streubel, Helmut, Aus der Geschichte der Stadt Lauchh<strong>am</strong>mer,<br />

275 Jahre Eisenwerk Lauchh<strong>am</strong>mer, Heft 19, Lauchh<strong>am</strong>mer 2001

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