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Berliner Salonbronzen am Beispiel des Lauchhammer Bildgusses ...

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<strong>Berliner</strong> <strong>Salonbronzen</strong> <strong>am</strong> <strong>Beispiel</strong> <strong>des</strong> Lauchh<strong>am</strong>mer <strong>Bildgusses</strong><br />

museal und s<strong>am</strong>melwürdig 1<br />

Als Peter Bloch 1979 konstatierte, „ein Gladenbeckscher Guß wäre in einem Kunstmuseum nicht akzeptabel“ 2 ,<br />

stand die kunsthistorische Forschung zur Bildhauerei <strong>des</strong> 19. Jahrhundert noch <strong>am</strong> Anfang. Doch gerade Bloch<br />

war es, der sich in seiner Eigenschaft als Direktor der Skulpturengalerie SMPK, Berlin der Erforschung dieser<br />

„Quantité négligeable“ 3 verschrieb und mit seiner Skulpturenausstellung „Ethos & Pathos“ die Bildwerke <strong>des</strong><br />

19. Jahrhunderts in ein neues Licht rücken konnte. Galt zu Beginn seiner Amtszeit (1967) diese Epoche <strong>des</strong><br />

eklektizierenden Historismus noch als unschöpferisch, ja unfähig, einen eigenen Stil geprägt zu haben; So hatte<br />

sich zwei Jahrzehnte später das Bild wesentlich gewandelt. Monographien waren zu <strong>Berliner</strong> Bildhauer<br />

entstanden, Ausstellungen, Kataloge und Dissertationen vermittelten einen Ges<strong>am</strong>tüberblick, und beleuchteten<br />

Teilaspekte, wie die Sepulkralkultur und den Denkmalskult. Kleinbronzen der <strong>Berliner</strong> Bronzegießereien<br />

Gladenbeck, Martin & Piltzig, Schäfer & Walker und ganz vereinzelt auch von Lauchh<strong>am</strong>mer tauchten vermehrt<br />

im Kunstmarkt auf, nicht nur auf Flohmärkten, sondern auch in seriösen Auktionshäusern und im Kunsthandel.<br />

Mit dem Ende der DDR ging zudem eine Veränderung der Bewertung der „Kellerschätze“ der Nationalgalerie<br />

einher, die seit Gründung <strong>des</strong> Museums (1861) erworbenen Werke bedeutender <strong>Berliner</strong> Bildhauer waren nach<br />

1939 in den Kellergewölben <strong>des</strong> Museums verschollen 4 - z.B. Ernst Moritz Geygers „K<strong>am</strong>pf zwischen Krokodil<br />

und Flußpferd“. Die politische Wende brachte eine Renaissance dieser Bildhauerarbeiten, in Ausstellungen und<br />

Katalogen wurde dieser bislang vernachlässigte Bestand der Nationalgalerie einer breiten Öffentlichkeit<br />

vorgestellt 5 . Seit der Wiedereröffnung der Nationalgalerie (2001) befinden sich die Skulpturen <strong>Berliner</strong><br />

Bildhauer in den für sie ursprünglich vorgesehenen Räumlichkeiten.<br />

Der Begriff der <strong>Berliner</strong> Bildhauerschule umfaßt im wesentlichen den Zeitraum von etwa 1786 (Tod Friedrichs<br />

<strong>des</strong> Großen) bis 1914 (Beginn <strong>des</strong> ersten Weltkrieges). Natürlich gab es auch vor dieser Zeit Künstler, die als<br />

Bildhauer in Berlin tätig waren, doch waren diese aus fremden Residenzen zugereiste Künstler, die schließlich<br />

nach getaner Arbeit weiterzogen. Von <strong>Berliner</strong> Bildhauern kann man erst seit dem späten 18 Jahrhundert<br />

sprechen.<br />

Mit Johann Gottfried Schadow (1764-1850) k<strong>am</strong> ein Künstler 1788 in die Leitung der königlichen<br />

Bildhauerakademie, dem es wie keinem Bildhauer zuvor gelang, ein Menschenbild in Skulpturen dergestalt<br />

umzusetzen, dass die Erhöhung der Wirklichkeit in reiner Form zeigte. Höhepunkt seines Schaffens stellte die<br />

Marmorgruppe der Prinzessinnen Luise und Fredericke (1795-1797) dar, ein lebensgroßes Denkmal<br />

klassizistischer Kunstgesinnung, die die <strong>Berliner</strong> Bildhauerei auf einem Niveau zeigt, das internationalen<br />

Maßstäben standhält. Schadows Werke sind geprägt vom Widerspruch der Suche nach klassischer Idealität und<br />

der Formulierung eines krassen Realismus, der sich über seinen Lehrer Tassaert aus dem Pariser Kunstkreis<br />

Houdons herleitet. Schadows Schüler blieben im wesentlichen dem reinen Klassizismus treu: Karl Friedrich<br />

Wichmann , Emil Wolff, Friedrich Tieck.<br />

Mit Beginn <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts sah sich die Bildhauerei mit neuen Anforderungen konfrontiert. Der deutsche<br />

Idealismus entwickelte ein Bild menschlicher Würde, das mit Anmut und Grazie eines Rokoko-Klasssizismus<br />

oder der Momentanaufnahme eines spontanen Realismus nicht mehr umzusetzen war.<br />

Nach den Befreiungskriegen (1813/15) war die wichtigste Aufgabe, die an die Skulptur gestellt wurde, die<br />

Errichtung öffentlicher Denkmäler. Monumentale Reiterstandbilder, lebensgroße Statuen und Büsten-Denkmäler<br />

waren d<strong>am</strong>als wichtige Ereignisse und gehören zur eigenständigen und schöpferischen Leistung <strong>des</strong> 19.<br />

Jahrhunderts. Individuelle Vorbilder und kollektive Identifikationsmuster boten die auf einen Sockel gestellten<br />

Personen, geehrt für große Taten, zur Erinnerung für das vorbei flanierende Publikum. Eingebunden in den<br />

1<br />

Berger, 1984, „Aus den <strong>Berliner</strong> Gießereien <strong>des</strong> 19. und 20. Jahrhunderts sind viele meisterhafte Bronzen ganz<br />

verschiedener Art hervorgegangen; es lohnt sich, auf diesem Gebiet zu s<strong>am</strong>meln.“<br />

2<br />

Bloch, 1979, S. 60. Bloch irrt hier, die Erwerblisten der Nationalgalerie verzeichnen seit ihrer Gründung<br />

Gladenbeckbronzen u.a.: Louis Sussmann-Hellborns „Trunkener Faun“, Max Kruses „Siegesbote von<br />

Marathon“, Johannes Götz´s „Balancierender Knabe“, Otto Lessings „Gotthold Ephraim Lessing“, Gustav<br />

Eberleins „ Gottvater haucht Adem den Odem ein“, Emil Cauers d.J. „Wasserschöpfen<strong>des</strong> Mädchen“, Ferdinand<br />

Lepckes „Bogenspannerin“, Robert Korns „Reh mit zwei Kitzen“, Louis Tuaillons „Friedrich der Große zu<br />

Pferde“; Und selbst eine originalgroße galvanoplastische Reproduktion von Andreas Schlüters Reiterstandbild<br />

<strong>des</strong> Großen Kurfürsten befindet sich seit 1905 im Treppenhaus <strong>des</strong> Kaiser-Friedrich-Museums – heute Bode-<br />

Museum – hergestellt von der Württembergischen Metallwarenfabrik (WMF) in Geislingen Steige.<br />

3<br />

Bloch, 1990, Katalogteil, S. 5<br />

4<br />

Bloch, 1990, Auftragsfreie Kunst, S. 295f.<br />

5<br />

Maaz, 2001


Machtapparat <strong>des</strong> königlichen und später kaiserlichen Hofes, wurde das öffentliche Denkmal zur Domäne der<br />

<strong>Berliner</strong> Skulptur.<br />

Grob umrissen ist dies das Betätigungsfeld <strong>des</strong> Christian Daniel Rauch (1777-1857), die zentrale Gestalt der<br />

<strong>Berliner</strong> Kunstgeschichte <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts. Gefördert durch Wilhelm von Humboldt, konnte sich Rauch<br />

schnell gegen den Hofbildhauer Schadow durchsetzen. Mit seinem Frühwerk, dem „Grabmal der Königin Luise“<br />

(1811-1815) schuf Rauch gleichs<strong>am</strong> die Inkunabel <strong>des</strong> neuen <strong>Berliner</strong> Denkmalstils. In ihm ist Rauch die<br />

Überhöhung der Idealität durch Klassizismen, wie sie seit Winkelmann zum Ethos <strong>des</strong> Menschenbil<strong>des</strong> gehörten,<br />

geglückt. Das Grabmal bringt eine neue Qualität menschlicher Größe zur Anschauung. Noch deutlicher wird<br />

diese Tendenz bei den beiden Denkmälern von Scharnhorst und Bülow (1816-1822). Die Denkmalwürdigkeit<br />

der Militärs wird <strong>am</strong> <strong>Beispiel</strong> menschlicher Größe festgemacht; Am Denkmalssockel erscheinen personifizierte<br />

Allegorien: Minerva und Viktoria, die nicht mehr auf einzelne gewonnene Schlachten verweisen, sondern<br />

Symbol der Handlungen <strong>des</strong> geehrten Individuums in idealisierter Form sind. Die Denkmalaufträge gehen nach<br />

den Freiheitskriegen an der Hofbildhauerwerkstatt vorbei direkt zu Rauch. Das Francke-Denkmal für Halle<br />

(1825-1828), das Dürer-Denkmal für Nürnberg (1828-1840), das Reiterstandbild Friedrichs <strong>des</strong> Großen Unter<br />

den Linden (1840-1851), das Kant-Denkmal in Königsberg. Rauch schuf zudem eine Vielzahl von Bildnissen,<br />

die das Menschenbild der Epoche prägten, besonders mit seiner Goethe-a-tempo-Büste, die er im gemeins<strong>am</strong>en<br />

Wettstreit mit Friedrich Tieck 1820 innerhalb von drei Tagen schuf. Während Tieck den zerquälten Denker,<br />

Schadow (1823) den distanzierten Höfling zeigt, so gelingt Rauch in der kraftvollen Wendung <strong>des</strong> Kopfes und<br />

der großflächigen Spannung der Physiognomie die adäquate Erfassung geistiger Größe 6 .<br />

Zwischen 1840 und 1880 wurde die <strong>Berliner</strong> Kunstszene von der Rauch-Schule beherrscht. Bei der Vielzahl der<br />

von Rauch geschaffenen Werke war seine Kunstsprache doch normierbar – nicht so wechselhaft suchend, wie<br />

zum <strong>Beispiel</strong> bei Schadow – und d<strong>am</strong>it schulbildend. Nahezu alle Bildhauer dieser Zeit, die später Rang und<br />

N<strong>am</strong>en hatten, gingen als Gehilfen durch die Werkstatt Christian Daniel Rauchs: Ludwig Wichmann, August<br />

Kiss, Theodor Kalide, Ernst Rietschel, Friedrich Drake, Gustav Bläser, Carl Johann Steinhäuser, Bernhard<br />

Afinger, Hugo Hagen, Albert Wolff, Hermann Schievelbein, Emil und Carl Cauer.<br />

Doch das vom Deutschen Idealismus geprägte Menschenbild hatte sich inzwischen gewandelt. Eine<br />

positivistische Auffassung setzte sich durch, kraß realisitische Elemente fanden in den Bildfindungen Eingang,<br />

und der Kreis derer, die nun auf einen Denkmalssockel Aufnahme fanden wurde stark erweitert. In dieser<br />

sogenannten „Gründerzeit“ herrschte, angefacht durch die Reparationszahlungen die nach dem deutschfranzösischen<br />

Krieg von 1870/71 dem Deutschen Reich zur Verfügung standen, eine regelrechte<br />

Denkmalsinflation in Berlin und Deutschland. „Eine <strong>Berliner</strong> Denkmäler-Statistik besagt: Nach dem Stand vom<br />

1. Juli 1905, sechs Uhr morgens, gibt es in der Reichshauptstadt 165 Einzeldenkmäler in Stein oder Erz, 232<br />

Denkmäler überhaupt, darunter 716 dargestellte Personen, 128 Tiere.“ 7 Der daraus entstandene Bedarf an<br />

Bildhauerwerken wurde durch die Schüler der Rauch-Schule und wiederum deren Schüler gedeckt. Bei Bläser<br />

lernen Ernst Herter, Anton Werres und Gustav Eberlein, bei Drake Alexander Calandrelli, bei Schievelbein Otto<br />

Geyer, bei Hagen Wilhelm Albermann, bei Wolff Friedrich Reusch, Fritz Schaper, Ludwig Cauer, Otto Lessing<br />

um nur einige wenige zu nennen. So zieht sich der rote Faden von Rauchs nüchterner Formensprache zunächst<br />

unbeirrt durch das Bild der <strong>Berliner</strong> Schule vom Biedermeier über die Reichsgründung bis hin zum<br />

Regierungsantritt <strong>des</strong> letzten Hohenzollern, Wilhelms II.<br />

Erst der von Reinhold Begas (1831-1911) vertretene Neubarock macht die <strong>Berliner</strong> Kunstszene „Rauch-frei“.<br />

Begas war der jüngste der Rauch Schüler. Er entfernte sich schon früh von den blutleer gewordenen Realismen<br />

und Positivismen und setzte diesen ein vitales Menschenbild gegenüber, das er in kontrastreich<br />

psychologisierenden Sujets entwickelte. Bereits mit seinem Schiller-Denkmal für den <strong>Berliner</strong> Gendarmenmarkt<br />

zeigte Begas der Konkurrenz seinen Entwurf Schillers als der eines Visionärs, eines Übermenschen. Mit dem<br />

Regierungsantritt Kaiser Wilhelm II. wurde diese neue Pathos zum offiziellen Regierungsstil. Das Begas´sche<br />

Kaiser-Wihelm-Denkmal ehemals vor dem <strong>Berliner</strong> Schloß und die Siegesallee mit ihren 114 Einzeldenkmalen<br />

in Marmor sind Dokumente gewaltiger nationaler Inszenierungen.<br />

Jüngere Bildhauer in Berlin suchten in eigenen Ateliers dieser vitalen und im Detail krass veristischen<br />

Formensprache nachzueifern: Carl Begas, Gustav Eberlein, Max Klein, Joseph Uphues, Adolf Brütt, Walter<br />

Schott. Wenn auch nicht in Berlin geschulte Bildhauer Begas´ Denkmalsstil übernahmen, schulbildend hat Begas<br />

nicht gewirkt. Seine besten Gehilfen Peter Breuer, Louis Tuaillon, Nikolaus Friedrich, Reinhold Felderhoff,<br />

August Kraus und August Gaul gingen etwa ab 1890 in Opposition zu ihrem Lehrer und folgten dem in Rom von<br />

Adolf von Hildebrand entwickelten tektonisch haptischen Neuklassizismus. Mit der hiermit einhergehenden<br />

6<br />

Peter Bloch: Goethe und die <strong>Berliner</strong> Bildhauerkunst, Studienhefte der Skulpturengalerie, SMPK, Berlin 1976<br />

7<br />

Zitiert nach Kießhauer, Inge und Rolf Kießhauer , Bronzenes für Berlin, Friedrichshagener Hefte Nr. 38 – 40,<br />

Berlin 2001, S. 5


Reduktion von Form und Inhalt ging der Verlust an Individualität einher, das Bild vom fortschrittsgläubigen<br />

Menschen wird ästhetisch stilisiert. Der Weg war frei geworden für individuelle Formulierungen einzelner<br />

Künstler, oder gar Verweigerungen dem offiziellen Kunstmarkt gegenüber.<br />

Die Auftraggeber wechselten und die Größe der Skulpturen verringerte sich, der Aufstellungsort wurde privater,<br />

was vornehmlich in Genreszenen Ausdruck fand. Aus dem Topos <strong>des</strong> monumentalen Reiterdenkmales wurden<br />

allgemeingültige „Sieger“, „Amazonen“, „Eselsreiter“ in Statuettenformat, aus mythologisch definierten Sujets,<br />

wie „Venus und Amor“, werden allgemeinere antikisierende Zitate, wie „Kranzwerfer“, „Bogenschütze“,<br />

„Sandalenbinder“. Die junge Künstlergeneration suchte sich jenseits der akademischen vom Staat getragenen<br />

Betätigungsfläche neue Auftraggeber. Industrielle und das selbstbewußte, aufstrebende Bürgertum standen nun<br />

verstärkt im Interesse der Bildhauer. Einerseits als wohlwollende Abnehmer von Kleinplastiken, die zum<br />

Ausschmücken <strong>des</strong> eigene Salons dienten; Andererseits wandelte sich durch diese breite Bevölkerungsschicht<br />

der inhaltliche und stilistische Bedarf. Viele Bildhauer fanden sich plötzlich gefangen zwischen dem eigenen<br />

künstlerischen Anspruch und den zu befriedigenden Ansprüchen <strong>des</strong> Marktes.<br />

Diese Bedürfnisse <strong>des</strong> Marktes befriedigten vornehmlich Gips-, Zink- und Bronzegießereien mit<br />

Niederlassungen und Ladengeschäften im Zentrum Berlins: Micheli, Schäfer & Walker, Martin und Piltzing,<br />

jeweils Berlin, die Kunstgußabteilung der Eisenhütte Lauchh<strong>am</strong>mer, die Aktiengesellschaft vormals Hermann<br />

Gladenbeck & Sohn, Berlin und die Württembergische Metallwarenfabrik (WMF), Geislingen. 8<br />

Neben der wohl bekanntesten <strong>Berliner</strong> Bronzegußf<strong>am</strong>ilie Gladenbeck, deren wechselvolle und nicht untragische<br />

Firmengeschichte in den zurückliegenden Jahren intensiv erforscht und publiziert wurde 9 , prägte eine zweite<br />

Firma das Ansehen <strong>des</strong> Eisen- und Kunstguß im 19. und frühen 20. Jahrhundert in Deutschland: Die<br />

Kunstgußabteilung der Eisenhütte Lauchh<strong>am</strong>mer, der ältesten Eisen- und Bronzegußstätte Deutschlands 10 .<br />

Gegründet 1725 von der Freifrau von Löwendahl, war die Produktion zunächst auf die Verhüttung von Rasenerz<br />

ausgerichtet und die Herstellung von Gebrauchsgegenständen <strong>des</strong> Alltags aus Eisen. Mit der Übernahme <strong>des</strong><br />

Werkes durch den kunstsinnigen Grafen Detlev Carl von Einsiedel hielt der Kunstguß Einzug in Lauchh<strong>am</strong>mer.<br />

1784 entstand der erste Kunstguß, eine Bacchantin aus Eisen; weitere Aufträge folgten in kurzer Folge, u.a. die<br />

Illdefonso-Gruppe für Weimar und das Victor Moreau-Denkmal für Dresden.<br />

Das Werk empfahl sich mit diesen großformatigen Güssen bei weiteren Auftraggebern, da der Eisenguß die<br />

allergrößte Sorgfalt in der Herstellung verlangt, zumal beim Eisenguß Gußfehler durch Ziselieren oder das<br />

Einsetzen von Ergänzungsstücken – wie dies bei Bronze der Fall ist – nicht beseitigt werden können.<br />

Mit dem Gußauftrag für Christian Daniel Rauchs Doppelstandbild für die Polenkönige Mieszko und Boleslaw<br />

im Dom zu Posen (1838/39) war der künstlerische Durchbruch erzielt. Von der Gußqualität war Rauch derart<br />

begeistert, dass er in seinem Tagebuch notierte, er habe „nie zuvor einen solch dünnen und an der Oberfläche so<br />

schönen Guß gesehen“, weshalb er beschloß, „die Figuren nicht zu ciselieren, sondern nur das Nötigste daran mit<br />

Punzen und Feile zu tun.“ 11 Durch diesen Erfolg ermutigt, übergab Rauch dem Werk weitere Aufträge und<br />

andere Künstler, wie zunächst August Kiss und Ernst Rietschel folgten dem <strong>Beispiel</strong>. Das seinerzeit größte<br />

Denkmalanlage der Welt wurde in Lauchh<strong>am</strong>mer gegossen: Das Luther und der Reformation gewidmete<br />

Denkmal in Worms von Ernst Rietschel (1868).<br />

Die Konkurrenz auf dem Bronzegußsektor wuchs mit der wachsenden Zahl an öffentlichen Denkmalen in<br />

deutschen Städten. Der gräfliche Besitz wurde in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, um die Verluste <strong>des</strong><br />

Ges<strong>am</strong>twerkes aufzufangen. Den Vorsitz übernahmen Dresdner und Leipziger Bankhäuser. Dennoch arbeitete<br />

das Werk nicht gewinnbringend. Besonders der Bronzeguß, der nur einen verschwindend kleinen Teil in der<br />

Produktion der Lauchh<strong>am</strong>mer Werken darstellte, arbeitete nicht rentabel 12 .<br />

GESCHICHTE<br />

Um eine Vorstellung von der handwerklichen Leistung, die zur Herstellung einer Bronzestatuette nötig ist zu<br />

gewinnen, sei auf eine von Ursel Berger veröffentlichte Aufstellung der Arbeitszeiten der Firma Gladenbeck<br />

zurückgegriffen – vergleichbares Material hat sich in Lauchh<strong>am</strong>mer offensichtlich nicht erhalten.<br />

8 Vgl. Lurz, Rupp, Schmoll, Trier<br />

9 Niggl, Berger, Kießhauer<br />

10 Nicht vergessen werden darf natürlich die Gießerei von Miller in München. Vgl.:<br />

11 zitiert nach Luer, Hermann, Technik <strong>des</strong> Bronzegusses, Leipzig, o.J. (1902), S. 107<br />

12 Der Maschinen- und Brückenbau, Glockenguß und emaillierte Altagswaren, wie Töpfe und Badewannen<br />

bildeten den Schwerpunkt der Produktion. Vgl.: Streubel, Helmut, Aus der Geschichte der Stadt Lauchh<strong>am</strong>mer,<br />

275 Jahre Eisenwerk Lauchh<strong>am</strong>mer, Heft 19, Lauchh<strong>am</strong>mer 2001


Die ges<strong>am</strong>te Oberfläche der aus dem Sandguß hervorgehenden Bronzen muß überarbeitet werden. Das bedeutet,<br />

dass nicht der größte Teil der Produktionskosten für Material oder Gußvorgang anfiel, sondern für die mühevolle<br />

und bis ins kleinste Detail sorgfältigst ausgeführte Nachbearbeitung, der Ziselierung und Patinierung. Eine<br />

genaue Aufstellung der notwendigen Arbeiten und der anfallenden Arbeitszeit geben Karteikarten aus dem<br />

Firmennachlaß der Aktiengießerei Gladenbeck: Für den Guß der kleinen Büste „Pfeifender Faun“ von Heinz<br />

Hoffmeister – Modellnummer 1257, Katalog B 158 13 - Höhe 12 cm, werden 170 g Bronze benötigt. Die<br />

Tätigkeit der Former und Putzer werden mit 0,95 Stunden veranschlagt, für Ziseleure 1,67 Stunden, für die<br />

Patineure 0,84 Stunden. Mit einem Verkaufspreis von 45,- Mark stand das Bronzeköpfchen 1926 zum Erwerb<br />

frei. 14<br />

Leicht läßt sich anhand dieser Zahlen hochrechnen, dass nur eine Massenproduktion, quasi in Fließbandarbeit<br />

eine rentable Produktion bei entsprechend hohen Verkaufszahlen ermöglicht. Aber genau dies stand der<br />

Firmenphilosophie der Lauchh<strong>am</strong>mer Werke di<strong>am</strong>etral entgegen.<br />

Der Beginn <strong>des</strong> 20. Jahrhunderts brachte für die Lauchh<strong>am</strong>mer-Werke einen ungeahnten Aufschwung. In dem<br />

riesigen Werk, zu dem weitere Werke in Riesa, Gröditz, Torgau und Burgh<strong>am</strong>mer mit stellenweise über 8000<br />

Beschäftigten gehörten, trat die Bedeutung der Bronzegießerei weit hinter die prosperierenden hüttentechnischen<br />

Abteilungen, insbesondere der Stahlproduktion zurück.<br />

Besonders der Eisenkunstguß hatte seit den Befreiungskriegen an Ansehen verloren. Erst mit den Auswirkungen<br />

<strong>des</strong> 1. Weltkrieges trat der Eisenguß wieder in den Vordergrund 15 . Bronze konnte zu Kriegszeiten nicht gegossen<br />

werden, da die Rohmaterialien Kupfer und Zinn ausschließlich dem Heeresbedarf vorenthalten blieb. An die alte<br />

Tradition anknüpfend, fertigte man hochwertige Eisenplastiken mit hohem Stellenwert für den Kunsts<strong>am</strong>mler.<br />

Und eine weitere Veränderung stellte sich ein: Hatte man in Lauchh<strong>am</strong>mer in der fast 200jährigen<br />

Firmengeschichte immer wieder Einzelaufträge für fremde Rechnung, vornehmlich monumentale Denkmäler der<br />

wichtigsten Bildhauer der jeweiligen Zeit ausgeführt. So besann sich die Leitung der Aktiengesellschaft<br />

Lauchh<strong>am</strong>mer in den ersten Kriegsjahren aus patriotischer Gesinnung heraus der Vielzahl deutscher Bildhauer,<br />

deren Einkommen durch den Krieg geschmälert, beziehungsweise deren Projekte durch den Einzug zum<br />

Kriegsdienst unterbrochen wurden, Unterstützung zukommen zu lassen, in dem sie Modelle von Bildhauern<br />

erwarben oder in Kommissionierung vertrieben.<br />

Das „Bronzegiesserei Verzeichnis der erworbenen Modelle 1914 – 1947“ listet, beginnend mit dem 29.6.1914<br />

unter der laufenden Nummer 1001 auf 26 Seiten 782 Modelle auf; das letzte Datum ist der 29.10. 1947. Aus der<br />

Vielzahl der Bildhauer seien genannt: Else Fürst, Robert Cauer, Wilhelm Haverk<strong>am</strong>p, Wilhelm Wandschneider,<br />

Peter Breuer, Reinhold Karl Felderhoff, Ferdinand Lepcke, Gustav Eberlein. Neben der „Bezeichnung <strong>des</strong><br />

Modells“ und dem N<strong>am</strong>en sowie dem Wohnort <strong>des</strong> Bildhauers, sind genaue Angaben zum Urheberrecht<br />

verzeichnet: „Das Urheberrecht ist erworben – durch eine einmalige Zahlung von (X) Mark – durch eine Abgabe<br />

für je<strong>des</strong> verkaufte Stück von (X) – hierauf Vorschuß (X) Mark“. So wurde z.B. die Urheberrechte für Ernst<br />

Waegeners „Sandalenbinderin“ <strong>am</strong> 26. 1. 1918 mit der laufenden Nummer 1157 vom Künstler, wohnhaft in der<br />

Gützowstraße 123 in Berlin durch eine einmalige Zahlung von 800,- Mark von der Lauchh<strong>am</strong>mer AG erworben.<br />

13 Auktionskatalog Spik, KatNr. 2508, S. 12<br />

14 Berger, Ursel, 1988, S. 3501<br />

15 Als der 1. Weltkrieg ausbrach mußte die Produktion von Kunstguß auf Kanonen- und Glockenguß umgestellt<br />

werden, nur so konnte die Fertigkeiten der Kunstgußtechnik aufrechterhalten bleiben. Gleiches ereignete sich<br />

während <strong>des</strong> 2. Weltkrieges. Viele Fachkräfte waren im Fronteinsatz gefallen, so stand auch bei Lauchh<strong>am</strong>mer<br />

nach 1945 ein schwieriger Neuanfang bevor, zunächst wurde in Eisen Gebrauchsgüter hergestellt. Großaufträge<br />

der sowjetischen Armee ließen die Tradition <strong>des</strong> Bronzegusses in Lauchh<strong>am</strong>mer fortbestehen. In den fünfziger<br />

Jahren waren es vornehmlich Mahn- und Gedenkstätten, in den sechziger folgten Tierplastiken und schließlich<br />

lebensgroße Bronzeplastiken zur Verschönerung von Plätzen, Parks und Straßen. Restaurierungen bildeten einen<br />

wichtigen Bestandteil der Arbeiten, so an dem 1898 gegossenen Neptunbrunnen von Begas in Berlin und der<br />

Mendebrunnen in Leipzig. Vgl.: Kunstguß aus dem VEB Schwermaschinenbau Lauchh<strong>am</strong>mer, Lauchh<strong>am</strong>mer,<br />

o.J. (wohl 1955)<br />

Der Teilbereich Kunstguß wurde nach der Wende von der Glocken- und Kunstgießerei Rincker in Sinn (Hessen)<br />

übernommen, dadurch wurde sichergestellt, dass mit einer kleinen Belegschaft alte Traditionen <strong>am</strong> bewährten<br />

Standort in Lauchh<strong>am</strong>mer weiter gepflegt werden.<br />

Dem detektivischen Spürsinn und dem ausdauerndem Einsatz von Jutta Broschek und Ernst Jüttner (Galerie<br />

Kunst+, Wetzlar) ist es zu verdanken, dass auf den Speichern <strong>des</strong> Gußbetriebes in Lauchh<strong>am</strong>mer Karteikarten,<br />

Modellbücher und eine Vielzahl originaler Bildhauermodelle wiedergefunden und sichergestellt werden konnten.<br />

Von diesen Modellen werden heute nach Anfrage Neugüsse hergestellt, ganz der Tradition und dem Anspruch<br />

<strong>des</strong> Lauchh<strong>am</strong>mer Kunstgusses der Zeitspanne von 1914 –1947 verpflichtet.


Bei anderen Modellen sind prozentuale Abgaben vorgesehen, hier bietet Lauchh<strong>am</strong>mer eine Abgabenspanne<br />

zwischen 10% und 20%, die offensichtlich in Abhängigkeit zur Modellgröße stehen. Entsprechend erhält der<br />

<strong>Berliner</strong> Bildhauer Ernst Seger bei Verkauf seiner Statuette „Marathonläufer“ in der Größe von 56 cm 20%, in<br />

der Größe von 28 cm noch 15% und in der Größe von 14 cm lediglich noch 10% vom Bruttoverkaufspreis.<br />

Die zugehörigen Karteikarten geben über weitere Einzelheiten Auskunft. Als <strong>Beispiel</strong> dient die Karteikarte zu<br />

Prof. Oskar Lepkes Modell „Badende“, Adresse: Berlin-Zehlendorf-Mitte, Diethoffstraße. Die Maße <strong>des</strong><br />

Modells ist mit 65cm Höhe angegeben, der Durchmesser der Plinthe mit 22,5 cm. Das Modell trägt die Nr. 1174.<br />

Neben einem s/w-Photo <strong>des</strong> Modells enthält die Karte nachfolgende: „Abmachungen über den Modellerwerb:<br />

Erwerb <strong>des</strong> alleinigen Vertrieb- und Vervielfältigungsrechts in Eisenguß für alle Größen gegen 20% <strong>des</strong><br />

Nettoverkaufpreises für jeden verkauften Abguß. Abrechnung im Juli jeden Jahres.<br />

Wir verpflichten uns, den Vertrieb in kaufm. Weise zu betreiben und entsprechende Rekl<strong>am</strong>e zu machen, sobald<br />

die wirtschaftl. Verhältnisse dies gestatten. Jede Figur ist in sorgfältiger künstlerischer Ausführung herzustellen.<br />

Geschieht dies nicht, so hat L. das Recht, die Abmachung <strong>am</strong> 1.I. und 1. VII. jeden Jahres zu kündigen mit<br />

halbjähriger Kündigungsfrist. Bei Erfüllung der Abmachung ist Kündigung bis 31.XII. 22 ausgeschlossen. L. ist<br />

berechtigt, Herstellungs- und Verkaufspreis durch Bücherrevisor einsehen zu lassen. – Verkauf zum<br />

Herstellungspreis oder Verschenken der Abgüsse ist ohne L.s Erlaubnis nicht gestattet; im Übertretungsfall M<br />

1000,- Vertragsstrafe für jeden Einzelfall. – L. darf Abgüße zu (?)...perspreisen verkaufen lt.... von<br />

Test<strong>am</strong>entsvollstrecker Hans Bastanier <strong>am</strong> 11.7.30. gegen Zahlung von Rm. 6000,- für sämtliche Lepeckschen<br />

Modelle fest übernommen. Weitere Lizenzzahlungen haben also nicht mehr zu erfolgen!“<br />

Auf der Kartenrückseite ist Raum für die Notierung von Bestellungen und deren Auslieferung vorgesehen. Die<br />

Regel sind weniger als 10 Güsse. Bei Lepckes Badenden ist lediglich ein (!) Guß zur Ausführung gekommen:<br />

„Lepcke - Werk: Badende 65cm, Eisen - ModellNr. 1174 - Stück: 1 - Empfänger Buenos Aires - FakturDatum<br />

1.5.21 - Bestellwert 6162,- - Bemerkungen: ausgegeben 12.3.28“<br />

Die 32cm hohe und d<strong>am</strong>it um die Hälfte reduzierte Version in Bronzeguß wurde zweimal hergestellt und<br />

verkauft: <strong>am</strong> 22.9.27 (Auftrags Nr. 37264) für Prof. Lepcke selbst. FakturDatum 4.1.28. Bestellwert 143,-<br />

Und <strong>am</strong> 24.11.38 (Auftrags Nr. 7101062) für Wittig. FakturDatum 31.12.38. Bestellwert 60,-<br />

Vorgesehen war in der Kunstgußabteilung <strong>des</strong> Lauchh<strong>am</strong>merwerks zunächst (1914) die Herstellung von<br />

Kleinplastiken im Eisenguß. Nach Freigabe der Sparmetalle durch die Regierung aber auch in Bronze. Dass der<br />

Lauchh<strong>am</strong>mer Bildguß einen positiven Widerhall erfuhr, belegen die Verkaufsangaben der Karteikarten. Bei der<br />

Herstellung der Kleinplastiken verfolgte die AG den Grundsatz „... je<strong>des</strong> einzelne herausgehende Stück mit einer<br />

bis ins Kleinste gehenden künstlerischen Sorgfalt zu behandeln und von jedem Bildwerk nur eine beschränkte<br />

Anzahl Abgüsse herauszubringen, so daß je<strong>des</strong> Stück in vollem Maße seinen S<strong>am</strong>mlerwert behält. Es wird streng<br />

vermieden, die Fabrikation auf die Stufe der fabrikmäßigen Herstellung herabzudrücken.“ 16<br />

Hier liegt der Grund für die zahlenmäßig geringe Auftreten von Lauchh<strong>am</strong>mer Bildgüssen im Kunsthandel und<br />

auf Auktionen. Eine Erhebung bezogen auf die Jahre 1990 bis 2000 hat ergeben, dass im internationalen<br />

Auktionsmarkt 52 Gladenbeck-Güssen nur 2 Lauchh<strong>am</strong>mer-Güsse gegenüberstehen (WMF-Galvanogüsse waren<br />

nicht vertreten) 17 .<br />

Abbildungen:<br />

1.) Karteikarte: Lepcke „Badende“ – Vorderseite<br />

2.) Karteikarte: Lepcke „Badende“ – Rückseite<br />

3.) Auszug aus Verzeichnis der erworbenen Modelle<br />

4.) Historische Aufnahme der Werkstatt mit „Gertraudengruppe“ von Siemering.<br />

5.) Julius Haehnel<br />

6.) Heinrich Kiesewalter<br />

16 Lauchh<strong>am</strong>er Bildguß, o.J., S. 30<br />

17 Quelle: Art Sales Index CD 2001

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