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Installation und Konsolidierung des<br />

Bundesgrenzschutzes 1949 bis 1972


David Parma<br />

Installation und<br />

Konsolidierung des<br />

Bundesgrenzschutzes<br />

1949 bis 1972<br />

Eine Untersuchung der<br />

Gesetzgebungsprozesse<br />

unter besonderer Betrachtung<br />

der inneradministrativen und<br />

politischen Vorgänge<br />

123


David Parma<br />

Neubiberg, Deutschland<br />

Zugl.: Dissertation, Universität der Bundeswehr München, 2015<br />

ISBN 978-3-<strong>658</strong>-10927-1<br />

DOI 10.1007/978-3-<strong>658</strong>-<strong>10928</strong>-8<br />

ISBN 978-3-<strong>658</strong>-<strong>10928</strong>-8 (eBook)<br />

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Vorwort<br />

Die Entwicklungsgeschichte der Bundespolizei (ehemals Bundesgrenzschutz)<br />

war für mich seit dem Beitritt zu dieser Behörde von besonderem Interesse. Die<br />

hier vorgelegte Untersuchung ist ein vorläufiges Ergebnis meiner Beschäftigung<br />

mit der Thematik, wie sich der Bundesgrenzschutz im föderalen<br />

Sicherheitssystem zur Bundespolizei gewandelt hat.<br />

Die Arbeit wurde im Februar 2015 von der Universität der Bundeswehr<br />

München als Dissertation angenommen. Rechtsentwicklung und Literatur sind<br />

bis Ende Oktober 2014 berücksichtigt.<br />

Mein ganz besonderer Dank gilt an dieser Stelle meiner Doktormutter Frau<br />

Universitätsprofessorin Dr. jur. habil. Kathrin Groh für die umfassende fachliche<br />

Betreuung, für ihr wissenschaftliches Vorbild und nicht zuletzt für die Gewährung<br />

der notwendigen Freiheiten, ohne welche diese Arbeit nicht hätte<br />

entstehen können. Sie hat meine Tätigkeit stets kritisch und zugleich<br />

wohlwollend begleitet.<br />

Bedanken möchte ich mich bei Herrn Universitätsprofessor Dr. jur. habil.<br />

Daniel-Erasmus Khan für die Übernahme und Anfertigung des Zweitgutachtens<br />

sowie für seine wertvollen Hinweise und Anregungen.<br />

Mein herzlicher Dank geht außerdem an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

des Benutzungsteams im Referat B1a des Bundesarchivs. Diese haben mich bei<br />

der Suche von Archivgut und der Reproduktion tatkräftig unterstützt. Ferner an<br />

die Mitarbeiter des Archivs der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-<br />

Stiftung, des Instituts für Zeitgeschichte München, des Parlamentsarchivs des<br />

Deutschen Bundestages, des Bayerischen Hauptstaatsarchivs und der Konrad-<br />

Adenauer Stiftung für die zuverlässige Beschaffung, bzw. Bereitstellung des von<br />

mir benötigten Archivgutes.<br />

München<br />

David Parma


Inhaltsübersicht<br />

Inhaltsverzeichnis .............................................................................................. IX<br />

Abkürzungsverzeichnis ................................................................................... XV<br />

Einleitung ............................................................................................................. 1<br />

Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte ............................................. 9<br />

§ 1 Polizei und Staatlichkeit ............................................................................ 10<br />

§ 2 Ursprung der Polizeikompetenzen des Bundes im Grundgesetz ............... 49<br />

Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954 ................................................... 113<br />

§ 3 Gesteigertes Sicherheitsbedürfnis im Zuge politischer Ereignisse ......... 114<br />

§ 4 Die Bundespolizei-Kontroverse im Jahr 1949/50 ................................... 139<br />

§ 5 Erstes Gesetz über den Bundesgrenzschutz ............................................. 186<br />

§ 6 Der Bundesgrenzschutz als neuer Akteur im<br />

föderalen Sicherheitssystem ........................................................................... 207<br />

Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966 ........................................................ 243<br />

§ 7 Zweites Gesetz über den Bundesgrenzschutz ........................................... 244<br />

§ 8 Kombattantenstatus für den Bundesgrenzschutz ..................................... 288<br />

Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972 ............................................ 347<br />

§ 9 Einführung der Grenzschutzdienstpflicht ................................................ 348<br />

§ 10 Bundesgrenzschutzgesetz 1972 .............................................................. 377<br />

Zusammenfassende Bewertung ...................................................................... 429<br />

Dokumente ....................................................................................................... 439<br />

Literaturverzeichnis ........................................................................................ 459<br />

Quellenverzeichnis........................................................................................... 503<br />

Personen- und Sachverzeichnis ...................................................................... 511


Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort ............................................................................................................... V<br />

Inhaltsübersicht ............................................................................................... VII<br />

Abkürzungsverzeichnis ................................................................................... XV<br />

Einleitung ............................................................................................................. 1<br />

Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte ............................................. 9<br />

§ 1 Polizei und Staatlichkeit ........................................................................... 10<br />

A. Historische Entwicklung des Polizeibegriffs ........................................... 10<br />

B. Aufspaltung des Polizeibegriffs ............................................................... 16<br />

I. Polizei im materiellen Sinn .................................................................... 18<br />

II. Polizei im institutionellen Sinn ............................................................. 21<br />

III. Polizei im formellen Sinn .................................................................... 23<br />

IV. Einordnung des Bundesgrenzschutzes ................................................ 23<br />

C. Polizei als Attribut des Staates ................................................................ 24<br />

D. Historische Betrachtung der Polizeiorganisation ................................... 35<br />

I. Deutsches Kaiserreich ........................................................................... 35<br />

II. Weimarer Republik ............................................................................... 38<br />

III. NS-Zeit ................................................................................................ 46<br />

E. Zusammenfassung .................................................................................... 48<br />

§ 2 Ursprung der Polizeikompetenzen des Bundes im Grundgesetz ............ 49<br />

A. Einleitung ................................................................................................. 49<br />

B. Polizei auf Bundesebene in Entwürfen für die neue<br />

deutsche Verfassung ..................................................................................... 49<br />

C. Einflüsse der Alliierten Hohen Kommission ............................................ 54<br />

I. Memoranden .......................................................................................... 56<br />

1. Memorandum vom 22. November 1948 ............................................ 57<br />

2. Memorandum vom 2. März 1949 ...................................................... 58<br />

3. Memorandum vom 14. April 1949 (Polizeibrief) .............................. 60<br />

II. Genehmigungsschreiben vom 12. Mai 1949 ........................................ 65<br />

D. Beratungen im Parlamentarischen Rat ................................................... 65<br />

I. Streit um Kompetenzverteilungen im Bereich Bundeskriminalwesen ... 66<br />

II. Polizeiliche Exekutivbefugnisse für den Bund ..................................... 70<br />

III. Die Grenzschutz-Kompetenz als Nachtrag ......................................... 74<br />

IV. Bundeseigene Verwaltung im Bereich Bundesgrenzschutz ................ 77


X<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

E. Weitergehende Interpretation des Regelungsbereiches Polizei auf<br />

Bundesebene ................................................................................................. 78<br />

I. Begriffsbestimmung „Grenzschutz“ ...................................................... 78<br />

II. Bundesgrenzschutzbehörden gemäß Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG............ 81<br />

III. Weitere Polizeiaufgaben in bundeseigener Verwaltung ..................... 84<br />

1. Bahnpolizei ........................................................................................ 85<br />

a) Historische Entwicklung ................................................................ 85<br />

b) Einordnung der Bahnpolizei in der Entstehungsphase des GG .... 89<br />

c) Verfassungsrechtliche Verankerung der Bahnpolizei ................... 90<br />

aa) Entwicklung des Bahnpolizeirechts bis 1992 ........................... 91<br />

bb) Begrenzung der Aufgabe Bahnpolizei ...................................... 94<br />

2. Strom- und Schifffahrtspolizei ........................................................... 97<br />

3. Hauspolizei des Bundestages .......................................................... 100<br />

4. Bundeskriminalamt .......................................................................... 102<br />

5. Bundeszollverwaltung ...................................................................... 106<br />

F. Fazit........................................................................................................ 107<br />

Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954 ................................................... 113<br />

§ 3 Gesteigertes Sicherheitsbedürfnis im Zuge politischer Ereignisse ...... 114<br />

A. Einleitung ............................................................................................... 114<br />

B. Kalter Krieg ........................................................................................... 115<br />

C. Deutsche Teilung ................................................................................... 121<br />

D. Koreakrieg ............................................................................................. 123<br />

E. Folgen für Innen- und Sicherheitspolitik ............................................... 125<br />

I. Innere Sicherheit .................................................................................. 126<br />

II. Äußere Sicherheit ............................................................................... 129<br />

III. Präzedenzlose Ausnahmesituation geteiltes Deutschland ................ 132<br />

§ 4 Die Bundespolizei-Kontroverse im Jahr 1949/50 .................................. 139<br />

A. Einleitung ............................................................................................... 139<br />

B. Erste Rechtsfindungsphase .................................................................... 140<br />

C. Erste Initiativphase der Bundesregierung ............................................. 152<br />

D. Zweite Rechtsfindungsphase .................................................................. 158<br />

E. Erste Reaktionsphase der Alliierten ...................................................... 162<br />

F. Zweite Initiativphase der Bundesregierung ........................................... 166<br />

G. Zweite Reaktionsphase der Alliierten .................................................... 168<br />

H. Parlamentarische Debatte um die Bundespolizei ................................. 172<br />

I. Streitpunkt Verwaltungsabkommen über die Bereitschaftspolizei ...... 174<br />

II. Verfassungsmäßigkeit des Verwaltungsabkommens .......................... 175<br />

III. Scheitern der Bundespolizei .............................................................. 179<br />

I. Entscheidung der Bundesregierung für den Bundesgrenzschutz ............ 183<br />

J. Fazit ........................................................................................................ 184


Inhaltsverzeichnis<br />

XI<br />

§ 5 Erstes Gesetz über den Bundesgrenzschutz ........................................... 186<br />

A. Einleitung ............................................................................................... 186<br />

B. Begründung des Gesetzentwurfes .......................................................... 187<br />

C. Bayerische Gegenposition ..................................................................... 191<br />

D. Lesungen im Gesetzgebungsverfahren .................................................. 195<br />

I. Erste Verhandlung des Bundesrates .................................................... 196<br />

II. Erste Beratung des Bundestages ........................................................ 199<br />

III. Zweite und Dritte Beratung des Bundestages ................................... 201<br />

IV. Zweite Verhandlung des Bundesrates ............................................... 202<br />

E. Bewertung des Gesetzgebungsvorgangs ................................................ 203<br />

§ 6 Der Bundesgrenzschutz als neuer Akteur im<br />

föderalen Sicherheitssystem ......................................................................... 207<br />

A. Einleitung ............................................................................................... 207<br />

B. Polizei oder Militär? .............................................................................. 207<br />

I. Charakter der zugewiesenen Aufgabe ................................................. 208<br />

II. Bedeutung der Kasernierung ............................................................. 209<br />

III. Militärische Bewaffnung ................................................................... 210<br />

C. Aufstellung der ersten Grenzschutzeinheiten ........................................ 216<br />

D. Konflikt um die Polizeihoheit im Raum Bonn ....................................... 219<br />

E. Politischer Schlagabtausch um den Passkontrolldienst ........................ 222<br />

F. Erhöhung der Sollstärke des Bundesgrenzschutzes ............................... 228<br />

G. Heranziehung zu polizeilichen Aufgaben in den Ländern .................... 234<br />

H. Fazit ....................................................................................................... 240<br />

Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966 ........................................................ 243<br />

§ 7 Zweites Gesetz über den Bundesgrenzschutz ......................................... 244<br />

A. Einleitung ............................................................................................... 244<br />

B. Wiederbewaffnung und die Folgen für den Bundesgrenzschutz ............ 245<br />

I. Memorandum von Graf Schwerin ....................................................... 250<br />

II. Ablehnung des Bundesgrenzschutz durch das Amt Blank .................. 256<br />

III. Entscheidung der Bundesregierung .................................................. 258<br />

C. Gesetzgebungsverfahren ........................................................................ 262<br />

I. Ausschusssitzung zu allgemeinen Fragen ........................................... 263<br />

II. Begründung des Gesetzentwurfs ........................................................ 266<br />

III. Erste Verhandlung im Bundesrat ...................................................... 269<br />

IV. Erste Beratung im Bundestag ........................................................... 272<br />

V. Ausschusssitzung zum Bundesgrenzschutzgesetz ............................... 274<br />

VI. Abschließende Behandlung in Bundestag und Bundesrat ................ 275<br />

D. Konsequenzen aus der Aufbauhilfe für die Bundeswehr ....................... 278<br />

E. Fazit........................................................................................................ 279


XII<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

§ 8 Kombattantenstatus für den Bundesgrenzschutz .................................. 288<br />

A. Einleitung ............................................................................................... 288<br />

B. Kriegsvölkerrechtlicher Bezugspunkt .................................................... 288<br />

C. Vorentwürfe für ein Gesetz .................................................................... 292<br />

D. Kombattantenstatus für die Polizeien der Länder ................................. 295<br />

E. Erste Parlamentarische Debatte ............................................................ 297<br />

F. Widerstand gegen den Gesetzentwurf .................................................... 299<br />

I. Rechtsgutachten Berber ....................................................................... 301<br />

II. Rechtsgutachten Ermacora ................................................................ 306<br />

III. Rechtsgutachten Hamann ................................................................. 308<br />

IV. Rechtsgutachten Scheuner ................................................................ 313<br />

V. Erwiderung Berber auf Scheuner ....................................................... 317<br />

G. Modifizierter Gesetzesentwurf ............................................................... 319<br />

H. Parlamentarische Behandlung und Entscheidung ................................ 321<br />

I. Widerstand nach Inkrafttreten des BGSErgG ........................................ 330<br />

I. Rechtsgutachten Zippelius ................................................................... 331<br />

II. Verfassungsbeschwerde ..................................................................... 333<br />

J. Fazit ........................................................................................................ 338<br />

Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972 ............................................ 347<br />

§ 9 Einführung der Grenzschutzdienstpflicht ............................................. 348<br />

A. Einleitung ............................................................................................... 348<br />

B. Erste Entwürfe für eine Grenzschutzdienstpflicht ................................. 349<br />

I. Pläne zur verfassungsrechtlichen Verankerung .................................. 353<br />

II. Aufgabenakkumulation durch die Notstandsverfassung .................... 354<br />

1. Art. 35 GG ....................................................................................... 356<br />

2. Art. 91 GG ....................................................................................... 363<br />

3. Art. 115f GG .................................................................................... 365<br />

C. Umsetzung der Grenzschutzdienstpflicht............................................... 366<br />

D. Fazit ....................................................................................................... 370<br />

§ 10 Bundesgrenzschutzgesetz 1972 ............................................................. 377<br />

A. Einleitung ............................................................................................... 377<br />

B. Konsolidierungsbedarf des BGSG ......................................................... 378<br />

C. Veränderte Lage im Bereich der inneren Sicherheit ............................. 379<br />

D. Gesetzentwurf ........................................................................................ 382<br />

I. Vorüberlegungen ................................................................................. 383<br />

II. Entwurf ............................................................................................... 389<br />

III. Begründung ....................................................................................... 392<br />

E. Parlamentarische Behandlung des Gesetzentwurfs............................... 395<br />

I. Erste Behandlung im Bundesrat .......................................................... 396<br />

II. Erste Behandlung im Bundestag ........................................................ 405


Inhaltsverzeichnis<br />

XIII<br />

III. Ausschüsse Bundestag ...................................................................... 408<br />

IV. Abschließende Behandlung im Bundestag ........................................ 414<br />

V. Abschließende Behandlung im Bundesrat .......................................... 415<br />

F. Gewerkschaftliche Stellungnahmen ....................................................... 416<br />

G. Synoptische Darstellung ........................................................................ 418<br />

H. Fazit ....................................................................................................... 427<br />

Zusammenfassende Bewertung ...................................................................... 429<br />

Dokumente ....................................................................................................... 439<br />

Literaturverzeichnis ........................................................................................ 459<br />

Quellenverzeichnis........................................................................................... 503<br />

Personen- und Sachverzeichnis ...................................................................... 511


Abkürzungsverzeichnis<br />

a.A.<br />

andere Auffassung<br />

a.F.<br />

alte Fassung, alte Folge<br />

AA<br />

Auswärtiges Amt<br />

ABl. BB Amtsblatt für Brandenburg<br />

ABl.<br />

Amtsblatt<br />

Abs.<br />

Absatz<br />

Abschn. Abschnitt<br />

ACDP Archiv für Christlich-Demokratische Politik der Konrad-<br />

Adenauer-Stiftung<br />

AdG<br />

Archiv der Gegenwart (Zeitschrift)<br />

AdsD<br />

Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung<br />

AHK<br />

Alliierte Hohe Kommission<br />

AJIL<br />

American Journal of International Law<br />

ALR Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten 1794<br />

Alt.<br />

Alternative<br />

Anl.<br />

Anlage<br />

Anm.<br />

Anmerkung<br />

AnwBl Anwaltsblatt<br />

AöR<br />

Archiv des öffentlichen Rechts<br />

APO<br />

Außerparlamentarische Opposition<br />

APuZ<br />

Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung<br />

„Das Parlament“<br />

ArchEBW Archiv für Eisenbahnwesen<br />

Art.<br />

Artikel<br />

ASOG Bln. Allgemeines Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit<br />

und Ordnung in Berlin<br />

Az.<br />

Aktenzeichen<br />

BADW Bayerische Akademie der Wissenschaften<br />

BArch Bundesarchiv<br />

BArch-MA Bundesarchiv-Militärarchiv<br />

BayHStA Bayerisches Hauptstaatsarchiv<br />

BayORH Bayerischer Oberster Rechnungshof<br />

BBAW Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften<br />

bearb.<br />

Bearbeitet


XVI<br />

Abkürzungsverzeichnis<br />

BePo<br />

Bereitschaftspolizei<br />

BFH<br />

Bundesfinanzhof<br />

BFHE<br />

Entscheidungen des Bundesfinanzhofs<br />

BGB<br />

Bürgerliches Gesetzbuch<br />

BGS´<br />

Bundesgrenzschutz<br />

BGSErgG Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über den Bundesgrenzschutz<br />

und die Einrichtung von Bundesgrenzschutzbehörden<br />

v. 11. Juli 1965<br />

BGSG 1951 Gesetz über den Bundesgrenzschutz v. 16. März 1951<br />

BGSG 1956 Zweites Gesetz über den Bundesgrenzschutz v. 30. Mai 1956<br />

BGSG 1972 Gesetz über den Bundesgrenzschutz v. 18. August 1972<br />

BGSZ<br />

Zeitschrift des Bundesgrenzschutzes<br />

BGV<br />

Bundesgrenzschutz-Verband e.V. im DBB<br />

BHP<br />

Bundeshaushaltsplan<br />

BKAmt Bundeskanzleramt<br />

BMVg Bundesministerium der Verteidigung<br />

BO 1928 Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (BO) v. 17. Juli 1928<br />

BP<br />

Bayernpartei<br />

BStBl<br />

Bundessteuerblatt<br />

BT-Drs. Bundestagsdrucksache<br />

BT-Prot. Plenarprotokoll Bundestag<br />

BVerfG Bundesverfassungsgericht<br />

BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts<br />

BVerfGG Bundesverfassungsgerichtsgesetz<br />

BVerwG Bundesverwaltungsgericht<br />

BVerwGE Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts<br />

BVP<br />

Bayerische Volkspartei<br />

BVW<br />

Bundeswehrverwaltung (Zeitschrift)<br />

BW<br />

Bundeswehr<br />

DA<br />

Dienstanweisung<br />

DB<br />

Die Bundesbahn (Zeitschrift)<br />

DBB<br />

Deutscher Beamtenbund<br />

DBP<br />

Die Bahnpolizei (Zeitschrift)<br />

DDP<br />

Deutsche Demokratische Partei<br />

DDR<br />

Deutsche Demokratische Republik<br />

ders.<br />

derselbe<br />

DFI<br />

Deutsch-Französisches Institut


Abkürzungsverzeichnis<br />

XVII<br />

DGB<br />

Deutscher Gewerkschaftsbund<br />

DGVR Deutsche Gesellschaft für Völkerrecht<br />

DKK<br />

Deutsche Kriminalpolizeiliche Kommission<br />

DÖD<br />

Der öffentliche Dienst (Zeitschrift)<br />

Dok.<br />

Dokumente<br />

DÖV<br />

Die Öffentliche Verwaltung<br />

(Zeitschrift für Verwaltungsrecht)<br />

Drs.-PR Drucksachen des Parlamentarischen Rates<br />

DV<br />

Deutsche Verwaltung (Zeitschrift für Verwaltungsrecht)<br />

DVBl. Deutsches Verwaltungsblatt<br />

DWJ<br />

Deutsches Waffen-Journal<br />

DzD<br />

Dokumente zur Deutschlandpolitik<br />

ebd.<br />

Ebenda<br />

EBO<br />

Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung<br />

EG<br />

Europäische Gemeinschaften<br />

EVG<br />

Europäische Verteidigungsgemeinschaft<br />

f. folgende<br />

FdK<br />

Freie demokratische Korrespondenz<br />

ff.<br />

fortfolgende<br />

Fn.<br />

Fußnote<br />

FRUS<br />

Foreign relations of the United States by the<br />

Department of State<br />

FS<br />

Festschrift<br />

GA I<br />

I. Genfer Abkommen v. 12.08.1949 zur Verbesserung des<br />

Loses der Verwundeten und Kranken der Streitkräfte im<br />

Felde<br />

GA II<br />

II. Genfer Abkommen v. 12.08.1949 zur Verbesserung des<br />

Loses der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der<br />

Streitkräfte zur See<br />

GA III III. Genfer Abkommen v. 12.08.1949 über die Behandlung<br />

der Kriegsgefangenen<br />

GA IV IV. Genfer Abkommen v. 12.08.1949 zum Schutze von<br />

Personen in Kriegszeiten<br />

GB/BHVE Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und<br />

Entrechteten<br />

GBl. DDR Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik<br />

GBl. HB Gesetzblatt der Freien Hansestadt Bremen


XVIII<br />

GDA<br />

GdP<br />

GMBl. SL<br />

GMH<br />

GO-BT<br />

GS<br />

GVBl. BW<br />

GVBl. BY<br />

GVBl. HE<br />

GVBl. Nds.<br />

GVBl. SH<br />

h.L.<br />

HChE<br />

HLKO<br />

HPR<br />

HuV-I<br />

i.d.F.<br />

i.V.m.<br />

IFZ<br />

IMK<br />

JfAP<br />

JöR<br />

JöR n.F.<br />

JR<br />

KJ<br />

LAV NRW<br />

LDP<br />

LuftVG<br />

m.w.N.<br />

MBl. NRW<br />

MBliV<br />

MdB<br />

MdL<br />

MDR<br />

MEPolG<br />

Abkürzungsverzeichnis<br />

Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns<br />

Gewerkschaft der Polizei<br />

Gemeinsames Ministerialblatt Saarland<br />

Gewerkschaftliche Monatshefte des DGB<br />

Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages<br />

Preußische Gesetzessammlung<br />

Gesetz- und Verordnungsblatt für Baden-Württemberg<br />

Gesetz- und Verordnungsblatt Bayern<br />

Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen<br />

Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt<br />

Gesetz- und Verordnungsblatt Schleswig-Holstein<br />

herrschende Lehre<br />

Entwurf eines Grundgesetzes (Verfassungskonvent Herrenchiemsee)<br />

Haager Landkriegsordnung<br />

Die Zeitschrift der hessischen Polizei<br />

Humanitäres Völkerrecht, Informationsschriften<br />

in der Fassung<br />

in Verbindung mit<br />

Institut für Zeitgeschichte<br />

Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren<br />

der Länder<br />

Jahrbuch für Auswärtige Politik<br />

Jahrbuch des öffentlichen Rechts<br />

Jahrbuch des öffentlichen Rechts, neue Folge<br />

Juristische Rundschau<br />

Kritische Justiz , Vierteljahresschrift für Recht und Politik<br />

Landesarchiv Nordrhein-Westfalen<br />

Liberal-Demokratische Partei Hessen (Vorläufer der FDP)<br />

Luftverkehrsgesetz<br />

mit weiteren Nachweisen<br />

Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen<br />

Ministerialblatt für die preußische innere Verwaltung<br />

Mitglied des Bundestages<br />

Mitglied des Landtages<br />

Monatsschrift für Deutsches Recht<br />

Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes


Abkürzungsverzeichnis<br />

XIX<br />

MGFA Militärgeschichtliches Forschungsamt<br />

MGM<br />

Militärgeschichtliche Mitteilungen<br />

MhAP Monatshefte für Auswärtige Politik<br />

Nds. MBl. Niedersächsisches Ministerialblatt<br />

NJW<br />

Neue Juristische Wochenschrift<br />

NK<br />

Neue Kriminalpolitik (Zeitschrift)<br />

NVA<br />

Nationale Volksarmee<br />

NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht<br />

NZZ<br />

Neue Züricher Zeitung<br />

o.V.<br />

ohne Verfasser<br />

OMGUS Office of Military Government for Germany (USA)<br />

ÖTV<br />

Gewerkschaft Öffentliche Dienste Transport und Verkehr<br />

PA-DBT 4000 Parlamentsarchiv des Deutschen Bundestages,<br />

Bestand 4000: Gesetzesdokumentation<br />

PAG BY Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen<br />

Staatlichen Polizei<br />

PDV<br />

Polizeidienstvorschrift<br />

PersR<br />

Der Personalrat, Zeitschrift für das Personalrecht im öffentlichen<br />

Dienst<br />

PK<br />

Polizeikurier, Zeitschrift der Hauptabteilung Polizei der ÖTV<br />

PrMDI Preußisches Ministerium des Inneren<br />

RAF<br />

Rote Armee Fraktion<br />

RGBl. Reichsgesetzblatt<br />

RGSt.<br />

Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen<br />

RHO<br />

Reichshaushaltsordnung<br />

Rn.<br />

Randnummer<br />

Rspr.<br />

Rechtsprechung<br />

RT-Drs. Drucksachen des Reichstages<br />

RuP<br />

Recht und Politik (Zeitschrift)<br />

RV Verfassung des Deutschen Reiches von 1871<br />

SBZ<br />

Sowjetische Besatzungszone<br />

SJZ<br />

Süddeutsche Juristenzeitung<br />

Slg<br />

Sammlung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes<br />

und des Gerichts Erster Instanz<br />

SMAD Sowjetische Militäradministration in Deutschland<br />

SMBl. NRW Sammlung geltender Erlasse Land Nordrhein-Westfalen<br />

SP<br />

Sozialdemokratischer Pressedienst


XX<br />

Abkürzungsverzeichnis<br />

StAB<br />

Staatsarchiv Bremen<br />

StAH<br />

Staatsarchiv Freie und Hansestadt Hamburg<br />

StBA<br />

Statistisches Bundesamt<br />

StBKAH Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus Rhöndorf<br />

StW<br />

Steuer-Warte (Zeitschrift)<br />

UZwG Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher<br />

Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes v. 10.03.1961<br />

VdM<br />

Verfassungsausschuss der Ministerpräsidentenkonferenz der<br />

westlichen Besatzungszonen<br />

VerkMitt Verkehrsrechtliche Mitteilungen<br />

VerwArch Verwaltungsarchiv (Zeitschrift)<br />

VfZ<br />

Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte<br />

VO<br />

Verordnung<br />

VVDStRL Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer<br />

VwGO Verwaltungsgerichtsordnung v. 21.01.1960<br />

WK<br />

Europäische Wehrkunde (Zeitschrift)<br />

WPflG Wehrpflichtgesetz v. 21.07.1956<br />

WRV (Weimarer-)Verfassung des Deutschen Reiches v. 11.08.1919<br />

WStG Wehrstrafgesetz v. 30.03.1957<br />

ZBR<br />

Zeitschrift für Beamtenrecht<br />

ZDdVMEV Zeitung des Vereins Mitteleuropäischer<br />

Eisenbahnverwaltungen<br />

ZfG<br />

Zeitschrift für Geschichtswissenschaft<br />

ZfH<br />

Zentrale für Heimatdienst<br />

ZfP<br />

Zeitschrift für Politik<br />

ZfVR<br />

Zeitschrift für Völkerrecht<br />

ZfZ<br />

Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern<br />

Ziff.<br />

Ziffer<br />

zit.<br />

zitiert<br />

ZK<br />

Zentralkomitee<br />

ZP I I. Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen v. 12.08.1949<br />

über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte<br />

v. 08.06.1977<br />

ZRP<br />

Zeitschrift für Rechtspolitik


Einleitung<br />

Zielsetzung der Arbeit ist es, einen Beitrag zur rechtshistorischen Entwicklung<br />

des Bundesgrenzschutzes unter Berücksichtigung der geschichtlich-politischen<br />

Gesamtsituation zu leisten. Besondere Betrachtung finden hierbei die Gesetzgebungsprozesse<br />

sowie die internen Vorgänge der Bundesadministration.<br />

Die vorliegende Analyse beschränkt sich auf den Zeitraum bis in das Jahr 1972.<br />

Die Errichtungsphase von der Inkraftsetzung des Grundgesetzes 1949 bis zur<br />

Verabschiedung des Bundesgrenzschutzgesetzes 1972 bildet einen geschlossenen<br />

Themenkomplex, der die Installation und Festigung einer Bundespolizei im<br />

föderalen Sicherheitssystem der Bundesrepublik beschreibt. Mit dem Bundesgrenzschutzgesetz<br />

1972 wurde der Bundesgrenzschutz zur „Polizei des Bundes“<br />

mit erweitertem Aufgabenspektrum sowie einer bedeutenderen Stellung in der<br />

deutschen Sicherheitsarchitektur. Zudem versucht die Arbeit dem Anspruch<br />

gerecht zu werden, die Gesetzgebungsprozesse und inneradministrativen Vorgänge<br />

so genau wie möglich zu rekonstruieren und zu untersuchen, was nur<br />

unter Zuhilfenahme freigegebener Aktenbestände der Parlaments-, Bundes- und<br />

Landesarchive möglich ist. Hierfür bildet der Zeitraum bis 1972 eine geeignete<br />

Grundlage, da zahlreiche Dokumente, die diese Zeitspanne betreffen, zum<br />

Zeitpunkt der Erstellung der Arbeit einsehbar und freigegeben waren 1 .<br />

Einen Schwerpunkt der Arbeit liegt in den detaillierten Untersuchungen zu den<br />

internen Vorgängen der Bundesregierung im Zusammenhang mit der Errichtung<br />

und Konsolidierung der geplanten Bundespolizei. In diesem Kontext wurden<br />

umfangreiche Aktenbestände im Bundesarchiv, dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv,<br />

dem Institut für Zeitgeschichte, der Konrad-Adenauer-Stiftung, der<br />

Friedrich-Ebert-Stiftung und verschiedener sonstiger Landesarchive ausgewertet.<br />

Die Verwendung dieser Dokumente, die teilweise erst vor wenigen Jahren<br />

freigegeben wurden und zum Teil zur damaligen Zeit der Geheimhaltung unterlagen,<br />

soll nicht nur eine höchstmögliche Transparenz der inneradministrativen<br />

Vorgänge gewährleisten, sondern neue Erkenntnisse in Bezug auf die Entwicklungsgeschichte<br />

des Bundesgrenzschutzes (heute Bundespolizei) liefern.<br />

1<br />

Die Nutzung von Archivgut des Bundes aus einer mehr als 30 Jahre zurückliegenden<br />

Zeit ist auf Antrag möglich, vgl. § 5 Abs. 1 BArchG; die Schutzfristen können im Einzelnen<br />

jedoch bis zu 60 Jahre betragen, vgl. § 5 Abs. 2 BArchG.


2 Einleitung<br />

Besonders für die Darstellung der Vorgänge im Jahr 1949/50, als Adenauer<br />

versuchte, bei den Alliierten die Genehmigung für eine Bundesexekutivtruppe<br />

zu erhalten, war die Auswertung der Aktenbestände des Bundeskanzleramtes<br />

und des Bundesinnenministeriums im Bundesarchiv sehr ergiebig. Die Untersuchung<br />

wird in diesem Zusammenhang einerseits zeigen, dass die Installation des<br />

Bundesgrenzschutzes als Bundespolizei und nicht als Grenzpolizei beabsichtigt<br />

war sowie andererseits, dass erhebliche verfassungsrechtliche und politische<br />

Differenzen zu überwinden waren, um überhaupt den Bund im Bereich der<br />

inneren Sicherheit mit polizeilichem Vollzugspersonal ausstatten zu können.<br />

Ferner wird sich herausstellen, dass sich die Installation sowie die weiteren<br />

Entwicklungsschritte des Bundesgrenzschutzes in Korrelation mit bedeutsamen<br />

politischen Ereignissen befinden – mit anderen Worten, die Evolution des<br />

Bundesgrenzschutzes durch Ereignispolitik bestimmt wurde. Ereignispolitik<br />

beschreibt hier die politische Umsetzung von Prozessen kausal nachweisbar<br />

zurückgehend auf ein bestimmbares politisches Ereignis.<br />

Das Bundesverfassungsgericht hatte auf Antrag der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen<br />

gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG i.V.m. § 13 Nr. 6 BVerfGG zu<br />

überprüfen, ob die Vorschriften, durch welche dem Bundesgrenzschutz polizeiliche<br />

Aufgaben auf den Bahnanlagen und der Schutz vor Angriffen auf die<br />

Sicherheit des Luftverkehrs auf Flugplätzen übertragen wurden, mit dem<br />

Grundgesetz vereinbar sind. Am 28. Januar 1998 entschied der zweite Senat,<br />

dass die Übertragung der Aufgaben der Bahnpolizei und der Luftsicherheit<br />

verfassungskonform gewesen war. Die sogenannte Geprägeformel („Der Bundesgrenzschutz<br />

darf nicht zu einer allgemeinen, mit den Landespolizeien<br />

konkurrierenden Bundespolizei ausgebaut werden und damit sein Gepräge als<br />

Polizei mit begrenzten Aufgaben verlieren.“ 2 ) war eindeutig, hatte den Zuwachs<br />

der Aufgaben Bahnpolizei und Luftsicherheit gerade noch geduldet und schien<br />

einem weiteren Ausbau den Riegel vorgeschoben zu haben. Seit der Entscheidung<br />

des Bundesverfassungsgerichts hat sich der Bundesgrenzschutz jedoch in<br />

vielfacher Form verändert. Beginnend von der Übertragung neuer Aufgaben 3<br />

2<br />

3<br />

BVerfGE 97, 198 (218) = NVwZ 1998, 495 (495 Ls. 2, 497).<br />

U.a. Änderung § 2 BGSG, Einfügung § 4a BGSG, vgl. Art. 6 TerrorBekämpfG (BGBl.<br />

I 2002, S. 365).


Einleitung 3<br />

und der Übernahme neuer internationaler Engagements 4 bis hin zur Umbenennung<br />

in „Bundespolizei“ 5 erfuhr die Bundespolizei tiefgreifende Veränderungen.<br />

Maßgeblich beeinflusst wurde diese Forcierung durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz<br />

von 2002, welches eine Reaktion auf den internationalen<br />

Terrorismus und die Anschläge vom 11. September 2001 war. Die Übertragung<br />

der Aufgaben „Bahnpolizei“ und „Luftsicherheit“ wurde im Zuge der deutschen<br />

Wiedervereinigung vollzogen 6 . Die nachfolgenden Untersuchungen werden<br />

zeigen, dass bereits die Forderung Adenauers nach einer Bundespolizei, die<br />

Überführung von Teilen des Bundesgrenzschutzes in die Bundeswehr, die<br />

Einführung des Kombattantenstatus und der Grenzschutzdienstpflicht sowie<br />

letztlich die Verabschiedung des Bundesgrenzschutzgesetzes 1972 ohne bestimmte<br />

politische Ereignisse schwer denkbar gewesen wären. Es besteht ein<br />

sichtbarer Zusammenhang zwischen signifikanten politischen Ereignissen wie<br />

dem Ost-West-Konflikt, der Frage nach der Wiederbewaffnung, der Notstandsgesetzgebung<br />

1968 und dem Auftreten des linksgerichteten Terrorismus in<br />

Deutschland mit der Errichtung und Konsolidierung des Bundesgrenzschutzes<br />

im Zeitraum von 1949 bis 1972.<br />

Die Wirkungszusammenhänge zwischen politischer Dimension als Ursache und<br />

praktischer Umsetzung in Form von Gesetzen werden mithilfe des Verfahrens<br />

der historischen Prozessanalyse untersucht. Die historische Prozessanalyse sucht<br />

„nach Evidenz für einen möglichst lückenlosen Verursachungsprozess zwischen<br />

den korrelierten Variablen und für den von der Theorie behaupteten Verursachungsmechanismus“<br />

7 . Die Prozessanalyse erklärt „das Phänomen als Endpunkt<br />

einer konkreten Verursachungskette“ 8 .<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7<br />

8<br />

Entsendung von grenzpolizeilichen Verbindungsbeamten und Dokumentenberatern, vgl.<br />

Wagner, Die Polizei 2011, 97 (104); Beteiligung im Rahmen operativer FRONTEX-<br />

Einsätze (franz. Frontières extérieures, Gemeinschaftsagentur der Europäischen Union<br />

für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen), vgl. Mrozek, DÖV 2010,<br />

886 ff.<br />

Gesetz zur Umbenennung des Bundesgrenzschutzes in Bundespolizei (BGBl. I 2005,<br />

S. 1818).<br />

Vgl. Gesetz zur Übertragung der Aufgaben der Bahnpolizei und der Luftsicherheit auf<br />

den Bundesgrenzschutz v. 23.01.1992 (BGBl. I 1992, S. 178).<br />

Schimmelfennig, in: Behnke/Gschwend/Schindler/Schnapp, Methoden der Politikwissenschaft,<br />

S. 263.<br />

Ebd., S. 265.


4 Einleitung<br />

X<br />

Y<br />

X<br />

a b c<br />

d<br />

e<br />

Y<br />

Abbildung 1: Prozessanalyse öffnet die Black Box 9<br />

Der „kausale Mechanismus“, der von X ausgeht und Y hervorbringt, wird durch<br />

die Prozessanalyse mit den Zwischenschritten a bis e offengelegt. Es werden<br />

hierbei mehrere Variablen, wie etwa die politischen Akteure und deren Handlungen<br />

sowie die rechts- und verwaltungswissenschaftliche Perspektive im<br />

Zeitverlauf analysiert. In Bezug auf die vorliegende Untersuchung ist die Ursache<br />

das gesteigerte Sicherheitsbedürfnis Westdeutschlands (X), welches den<br />

Erlass des ersten Bundesgrenzschutzgesetzes (Y) zur Folge hatte. Der Anspruch<br />

der Arbeit besteht darin, mithilfe der bisher ungenutzten Archivmaterialien eine<br />

möglichst detaillierte und theorietestende Analyse vorzulegen, die den bisherigen<br />

Forschungsstand vervollständigt sowie den Blick auf die politischen und<br />

inneradministrativen Aktionen in Zusammenhang mit dem vorliegenden Forschungsgegenstand<br />

freilegt. Die Arbeit folgt einem historisch-chronologischen<br />

Aufbau. Der Analyse und Offenlegung der Gesetzgebungsvorgänge kommt<br />

hierbei besondere Bedeutung zu; diese bilden den Kernpunkt der Arbeit.<br />

Zusammenfassend werden in Bezug auf den vorliegenden Forschungsgegenstand<br />

folgende Thesen formuliert:<br />

Der Ost-West-Konflikt äußerte sich in Form einer virulent gewordenen<br />

Bedrohung für die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik, was<br />

zu dem Erlass des ersten Bundesgrenzschutzgesetzes führte.<br />

Der Bundesgrenzschutz war nicht als Vorläufer oder Kader einer Armee<br />

errichtet worden. Grund für den Erlass des zweiten Bundesgrenzschutzgesetzes<br />

waren organisatorische Schwächen während des Wiederbe-<br />

9<br />

Abbildung nach Schimmelfennig, in: Behnke/Gschwend/Schindler/Schnapp, Methoden<br />

der Politikwissenschaft, S. 265.


Einleitung 5<br />

waffnungsprozesses. Die Begründung des Gesetzes basierte nicht auf einer<br />

Argumentation bezugnehmend zur inneren Sicherheit.<br />

Die Eingliederung der DDR-Grenzpolizei in die NVA führte zu dem Vorhaben,<br />

dem Bundesgrenzschutz den Kombattantenstatus zu verleihen und<br />

entzündete damit eine wirkungsmächtige Debatte um die Frage, ob dem<br />

Bundesgrenzschutz noch polizeilicher Charakter zukommt.<br />

Die Ursache für die Einführung der verfassungsrechtlich bedenklichen<br />

Grenzschutzdienstpflicht lag ausschließlich im Personalmangel beim<br />

Bundesgrenzschutz begründet.<br />

Die Ausflüsse der Notstandsgesetzgebung und die Bedrohung der inneren<br />

Sicherheit durch den linksgerichteten Terrorismus führten zum Erlass des<br />

Bundesgrenzschutzgesetzes 1972.<br />

Mit der Prozessanalyse verknüpft ist die generelle Fragestellung, inwieweit sich<br />

die einzelnen Entwicklungsschritte auf den polizeilichen Charakter des Bundesgrenzschutzes<br />

ausgewirkt haben. Hierzu wird die These formuliert, dass dem<br />

Bundesgrenzschutz der polizeiliche Charakter nicht abgesprochen werden kann.<br />

Dies gilt auch im Zusammenhang mit der Verleihung des Kombattantenstatus<br />

und der Einführung der Grenzschutzdienstpflicht. Es wird darüber hinaus in<br />

Anknüpfung an Vorgesagtes die Hypothese aufgestellt, dass der Bundesgrenzschutz<br />

mit dem Gesetz 1972 seine Entwicklung zur Polizei des Bundes materiell<br />

abgeschlossen hat. Der Maßstab hierfür sind der im Gegensatz zum Zeitpunkt<br />

der Gründung 1951 gewachsene originäre Aufgabenbereich sowie die gewonnene<br />

Bedeutung des Bundesgrenzschutzes für die Gewährleistung der inneren<br />

Sicherheit im föderalen Polizeisystem.<br />

Der Untersuchung vorangestellt ist ein theoretischer Teil, der Aufschluss darüber<br />

geben soll, was unter „Polizei“ zu verstehen ist und welche Bedeutung<br />

diese für den modernen (Bundes-)Staat hat. Da der Bundesgrenzschutz eine<br />

Polizeibehörde des Bundes ist, wird zudem die historische Entwicklung der<br />

Polizeigeschichte auf Bundesebene knapp dargestellt. Diese Prämissen sind von<br />

Bedeutung dafür, wie der Verfassungsgeber 1948/49 die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen<br />

zwischen Bund und Ländern auf dem Gebiet der<br />

Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit vorgenommen hat. Schwerpunktmäßig<br />

wird hier zu untersuchen sein, wie die Gesetzgebungskompetenz über den<br />

Grenzschutz und andere Polizeikompetenzen im Grundgesetz Verankerung<br />

gefunden haben.


6 Einleitung<br />

Für die erste These, dass der Ost-West-Konflikt ursächlich für die Errichtung<br />

des Bundesgrenzschutzes war, ist eine umfangreiche Analyse der Bedrohungsperzeption<br />

einschließlich der theoretischen Anbindung, was unter innerer und<br />

äußerer Sicherheit zu verstehen ist, erforderlich. Anschließend folgt die Untersuchung<br />

der hier als „Bundespolizei-Kontroverse“ bezeichneten Vorgänge im<br />

Jahr 1949/50. Die Analyse der Interaktion der politischen Akteure soll die<br />

Prozessstationen herausarbeiten, die von der Bedrohungsperzeption zur Vorstellung<br />

von eigenen Sicherheitskräften auf Bundesebene geführt haben. Zentraler<br />

politischer Akteur im beschriebenen Prozess war Bundeskanzler Konrad<br />

Adenauer. Seine Initiativen und Forderungen nach einer Bundespolizei werden<br />

den Ursache-Wirkung-Zusammenhang zwischen dem Ost-West-Konflikt und<br />

der geplanten Bundespolizei bestätigen. Es wird sich jedoch weiter zeigen, dass<br />

der Wirkungsmechanismus nicht zur gewünschten Bundespolizei führt, sondern<br />

die Kausalkette aufgrund einer Vielzahl von darzulegenden Einzelereignissen im<br />

Erlass des ersten Gesetzes über den Bundesgrenzschutz endet.<br />

Für die zweite These, dass der Bundesgrenzschutz nicht als Kader für eine<br />

westdeutsche Armee gedacht war und die Ursache für die Überführung in die<br />

Bundeswehr organisatorische Schwierigkeiten beim Streitkräfteaufbau waren,<br />

ist primär die knappe Betrachtung des Remilitarisierungsprozesses von Bedeutung.<br />

Es wird sich nicht nur zeigen, dass der Bundesgrenzschutz nicht als<br />

Vorläufer einer Streitkraft beabsichtigt war, sondern vielmehr, dass das Amt<br />

Blank einer Übernahme des Bundesgrenzschutzes in die Bundeswehr ablehnend<br />

gegenüberstand. Die Darstellung der kausalen Mechanismen, welche ausgehend<br />

von dieser ablehnenden Haltung dennoch eine Überführung in die Bundeswehr<br />

ermöglichten, ist geknüpft an die hier als „Prioritätstheorie“ bezeichnete Argumentation<br />

des zentralen politischen Akteurs, Bundesinnenminister Gerhard<br />

Schröder. Die Prioritätstheorie, eine auf Opportunität und Bündnispolitik gründende<br />

Argumentationslinie der Bundesregierung, wird die Hypothese bestätigen,<br />

dass nicht Überlegungen der inneren Sicherheit die Überführung in die Bundeswehr<br />

notwendig machten, sondern grundsätzliche sicherheitspolitische<br />

Überlegungen – losgelöst von der Frage nach polizeilichen Notwendigkeiten.<br />

Die dritte These geht davon aus, dass militärorganisatorische Umgliederungen in<br />

der DDR zu einer Neubewertung von fürsorgerechtlichen Gesichtspunkten in<br />

Bezug auf den Status der Bundesgrenzschutzbeamten führten. Diese Überlegungen<br />

mündeten darin, dass dem Bundesgrenzschutz der Kombattantenstatus


Einleitung 7<br />

verliehen werden sollte, was ihm auf den ersten Blick den polizeilichen Charakter<br />

entzieht und ihn in den paramilitärischen Sektor drängt. Hierbei wird die<br />

Annahme vorangestellt, dass es gesellschaftliche Gruppen geben wird, die<br />

Einfluss auf die Entscheidung nehmen wollen, ob dem Bundgrenzschutz der<br />

Kombattantenstatus rechtswirksam verliehen werden kann. Zu denken ist hierbei<br />

besonders an Berufsvertretungsverbände. Die Untersuchung wird zeigen, dass<br />

unterschiedliche Berufsvertretungsverbände, einmal diejenigen, welche schwerpunktmäßig<br />

die Landespolizeibeamten und anderseits diejenigen, welche<br />

überwiegend die Bundesgrenzschutzbeamten vertreten, divergierende Zielsetzungen<br />

verfolgten und maßgeblich Einfluss auf die Prozesse und die Gestaltung<br />

des Gesetzgebungsvorganges nahmen. Die Gewerkschaften bedienten sich<br />

mehrerer renommierter Völkerrechtsexperten, welche in Form von Gutachten<br />

Gegenstandpunkte zur Auffassung der Bundesregierung herausarbeiteten. Im<br />

Archiv der Friedrich-Ebert-Stiftung, die den Nachlass der mittlerweile aufgelösten<br />

Gewerkschaft ÖTV verwaltet 10 , fanden sich diesbezüglich zahlreiche<br />

wichtige, bisher unveröffentlichte Dokumente, die in der Arbeit Verwendung<br />

finden. Es wird sich ferner herausstellen, dass die Verleihung des Kombattantenstatus<br />

dem Bundesgrenzschutz den polizeilichen Charakter nicht<br />

abgesprochen hat.<br />

Fortgang findet die Gesamtuntersuchung in der Analyse der Vorgänge um die<br />

Einführung der Grenzschutzdienstpflicht sowie der verfassungsändernden<br />

Gesetze im Rahmen der Notstandsgesetzgebung. Die Vorgänge um die Einführung<br />

der Grenzschutzdienstpflicht können mithilfe zahlreicher Dokumente aus<br />

dem Bundesarchiv, Abteilung Bundeskanzleramt und Bundesinnenministerium,<br />

hinreichend rekonstruiert werden. Die vierte These geht davon aus, dass die<br />

Grenzschutzdienstpflicht ausschließlich deswegen eingeführt wurde, weil der<br />

Bundesgrenzschutz nicht die erforderliche Sollstärke erreichte. Es wird sich<br />

zeigen, dass diese Argumentation erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken<br />

aufwirft und schwer in Einklang mit dem Sinn und Zweck von Art. 12a Abs. 1<br />

GG zu bringen ist. Darüber hinaus wird sich zeigen, dass die Grenzschutzdienstpflicht,<br />

ebenso wenig wie die Verleihung des Kombattantenstatus,<br />

Einfluss auf den polizeilichen Charakter des Bundesgrenzschutzes hatte.<br />

10<br />

Im Jahr 2001 fusionierte die ÖTV mit mehreren anderen Gewerkschaften zur Vereinten<br />

Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), vgl. Kruber, in: May, Handbuch zur ökonomischen<br />

Bildung, S. 169.


8 Einleitung<br />

Abschließend wird der Gesetzgebungsprozess um das Bundesgrenzschutzgesetz<br />

1972 untersucht. Die fünfte These geht davon aus, dass Veränderungen im<br />

Lagebild der inneren Sicherheit zu einem gesteigerten Bedürfnis an Polizeikräften<br />

führten. Es wird sich herausstellen, dass der Bundesgrenzschutz eine Neu-<br />

Neuausrichtung im föderalen Sicherheitssystem der Bundesrepublik erfuhr. Das<br />

neue Bundesgrenzschutzgesetz bildet einen Abschlusspunkt in der Entwicklung<br />

hin zur Polizei des Bundes. Besonderes Augenmerk liegt in diesem Zusammenhang<br />

auch auf der Darstellung des Widerstandes der Landesregierungen und von<br />

Seiten der Gewerkschaft der Polizei gegen eine Verpolizeilichung des Bundesgrenzschutzes.<br />

Abschließend werden die Ergebnisse der Arbeit in einer<br />

zusammenfassenden Bewertung dargestellt.


Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

Die Untersuchung der Entwicklungsgeschichte des Bundesgrenzschutzes kann<br />

nur unter Einschluss einer historischen Betrachtung, besonders der Phase zwischen<br />

1945 und 1949, erfolgen. Einleitend ist darüber hinaus die Skizzierung der<br />

Polizeigeschichte auf Bundesebene seit 1871 zweckmäßig, da während den<br />

Beratungen des Parlamentarischen Rates im Jahr 1949/50 wiederholt Bezug auf<br />

die Organisationsstruktur der Polizei in der Weimarer Republik genommen<br />

wurde, wenn die Kompetenzen des Bundes im Bereich Polizei Gegenstand von<br />

Diskussionen waren. Dem vorausgehend werden in einem theoretischen Teil die<br />

Entstehungsgeschichte des Polizeibegriffs sowie die Bedeutung der Polizei für<br />

das Bestehen eines Staates erläutert. Schwerpunkt der historischen Betrachtung<br />

bilden der sogenannte Polizeibrief der Alliierten aus dem April 1949 sowie die<br />

Umsetzung desselben in das Grundgesetz. Ebenso werden die Beratungen des<br />

Parlamentarischen Rates detailliert dahingehend untersucht, inwieweit dem<br />

Bund polizeiliche Zuständigkeiten gegeben werden sollten und welche Reservatrechte<br />

diesbezüglich beim Bund entstanden sind.


10 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

§ 1 Polizei und Staatlichkeit<br />

A. Historische Entwicklung des Polizeibegriffs<br />

Das erste Gesetz über den Bundesgrenzschutz aus dem Jahr 1951 gab über die<br />

Frage, ob der Bundesgrenzschutz unter den Begriff der Polizei subsumiert<br />

werden kann, wenig Aufschluss. Der ersten Dienstanweisung des Bundesministeriums<br />

des Inneren über die Aufgaben und Befugnisse des Bundesgrenzschutzes<br />

aus dem Jahr 1952 konnte entnommen werden, dass es sich bei den<br />

gesetzlichen Aufgaben des Bundesgrenzschutzes um sonderpolizeiliche Ermächtigungen<br />

handele, die den „allgemeinen landesrechtlichen polizeilichen<br />

Ermächtigungen“ entsprechen 11 . In der amtlichen Begründung zum zweiten<br />

Gesetz über den Bundesgrenzschutz aus dem Jahr 1956 ist erstmals erwähnt,<br />

dass es sich beim Bundesgrenzschutz um eine „Sonderpolizei des Bundes“<br />

handele 12 .<br />

Es stellte sich besonders in der Gründungsphase des Bundesgrenzschutzes die<br />

Frage, ob diesem eher ein militärischer als ein polizeilicher Charakter zukam.<br />

An anderer Stelle wird diese Thematik ausführlich behandelt 13 . Grundsätzlich ist<br />

anzumerken, dass der Begriff „Polizei“ einem weitreichenden Wandel unterzogen<br />

war und eine nähere Bestimmung des Polizeibegriffs notwendig ist 14 . Die<br />

nachfolgende Darstellung der Entwicklungsgeschichte des Polizeibegriffs soll<br />

einleitend an die Herausbildung des heute gültigen, eigenständigen Polizeibegriffs<br />

hinführen, unter welchem auch der Bundesgrenzschutz eingeordnet<br />

werden kann 15 .<br />

Bezugspunkt für das heute im Sprachgebrauch verwendete Substantiv „Polizei“<br />

ist das griechische Wort politeia (πολιτεία), welches, zurückgehend auf<br />

Aristoteles, den gesamten (Stadt-)Staat umschreibt. Da der griechische Polisstaat<br />

die „Urzelle des Staates war, war stadtstaatliche Verwaltung gleichbedeutend<br />

11<br />

12<br />

13<br />

14<br />

15<br />

Ziff. II der DA des BMI über Aufgaben und Befugnisse des BGS v. 05.06.1953, GMBl.<br />

1953, S. 194.<br />

Begründung des Entwurfes zum zweiten Gesetz über den Bundesgrenzschutz, S. 1, in:<br />

PA-DBT 4000, II/260.<br />

Siehe hierzu S. 207 ff.<br />

Ausführlich zum etymologischen Ursprung und zur geschichtlichen Entwicklung des<br />

Wortes „Polizei“, Knape/Kiworr, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht für Berlin,<br />

S. 35 ff.<br />

Siehe hierzu S. 23 f.<br />

D. Parma, Installation und Konsolidierung des Bundesgrenzschutzes 1949 bis 1972,<br />

DOI 10.1007/978-3-<strong>658</strong>-<strong>10928</strong>-8_1, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2016


§ 1 Polizei und Staatlichkeit 11<br />

mit der Ordnung des gesamten Staatswesens“ 16 . Die Römer übernahmen diese<br />

Vorstellung durch das ins Lateinische übertragene Wort „politia“. Über das<br />

römische Recht und die lateinische Sprache gelangte das ursprüngliche „politia“<br />

durch „Aussprache des T wie Z“ 17 als das Wort „Policey“ – „auch polizei,<br />

pollicey, pollicei, policei, pollizey, pollizei, [oder] polluzey“ 18 in die deutsche<br />

Kanzleisprache. Erste Verwendungen in deutschen Texten lassen sich bis ins 15.<br />

Jahrhundert zurückgehend nachweisen 19 . Herauszustellen ist in diesem Zusammenhang<br />

die 1530 unter Karl V. erschienene „Reichspoliceyordnung“. In 39<br />

Titeln sind dort u.a. Strafvorschriften, Kleidungsvorschriften, Vorschriften über<br />

das Bettelwesen, Vorschriften über Sach- und Geldwucher, gewerbepolizeiliche<br />

Regelungen über Qualitätsnormen, Preis- und Angebotsvorschriften und Bestimmungen<br />

zu Handwerksmissbräuchen enthalten 20 . Diese Mannigfaltigkeit<br />

zeigt, dass der Begriff „Polizei“ im 16. Jahrhundert noch nicht hinreichend<br />

definiert war, sondern den „Zustand eines geordneten Zusammenlebens in der<br />

Gemeinschaft“ umschrieb 21 . In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts etablierten<br />

Johann von Justi 22 und Joseph von Sonnenfels 23 die Polizeiwissenschaft mit der<br />

Errichtung der ersten kameralistischen Lehrstühle 1727 als wissenschaftliche<br />

Lehre 24 . Der Ausdruck „gute policey“ hielt Einzug in die deutsche Rechtssprache.<br />

Dieser Begriff fungierte als Polysem und inkludierte die „gute Ordnung des<br />

Gemeinwesens, die darauf bezogenen Normsetzungen und Erhaltung der Ordnung“<br />

25 einschließlich des Wohlfahrtsgedankens 26 . Johann von Justi definierte<br />

16<br />

17<br />

18<br />

19<br />

20<br />

21<br />

22<br />

23<br />

24<br />

25<br />

26<br />

Niggemeyer, in: Sievert/Schneider, Handwörterbuch der Kriminologie, Bd. 2, S. 19.<br />

Medicus, in: Bluntschli/Brater, Deutsches Staats-Wörterbuch, S. 128.<br />

Grumbach, Kurmainzer Medicinalpolicey 1650-1803, S. 3.<br />

Harnischmacher/Semerak, Deutsche Polizeigeschichte, S. 18 m.w.N.; Hähnchen,<br />

Rechtsgeschichte, 4. Aufl., § 8 Rn. 471 ff.; Ebel/Thielmann, Rechtsgeschichte,<br />

S. 229 ff.<br />

Vgl. Härter, Ius Commune 20/1993, 77.<br />

Harnischmacher/Semerak, Deutsche Polizeigeschichte, S. 17.<br />

Johann Heinrich Gottlob von Justi (1717-1771), Staatsdenker, Professor für „deutsche<br />

Beredsamkeit und Kameralistik“ am Theresianum Wien, von Friedrich dem Großen<br />

1762 als Oberaufseher der preußischen Bergwerke berufen, vgl. Beyme von, Geschichte<br />

der politischen Theorien, S. 171.<br />

Joseph von Sonnenfels (1733-1817), Professor für Policey- und Kameralwissenschaft an<br />

der Universität Wien, Hofrat, vgl. Beyme von, Geschichte der politischen Theorien,<br />

S. 172.<br />

Wimmer, Dynamische Verwaltungslehre, S. 6.<br />

Härter, Das Recht des Alten Reiches, in: Wendehorst/Westphal, Lesebuch altes Reich,<br />

S. 89.<br />

Ebel/Thielmann, Rechtsgeschichte, S. 229.


12 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

die „Policey“ als „Grundfeste zu der Glückseeligkeit der Staaten“ 27 – Johann<br />

Daniel Höck 28 als „die Wissenschaft, durch öffentliche Anstalten und Verordnungen<br />

das physische und moralische Wohl der Einwohner zu befördern“ 29 .<br />

Auch Robert von Mohl 30 als Vertreter des liberalen Rechtsstaates übernahm<br />

„einen guten Teil des Arsenals der alten Wohlfahrtspolizei des 18. Jahrhunderts“<br />

31 . In seinem erstmals 1832 erschienenen Werk „die Polizei-Wissenschaft<br />

nach den Grundsätzen des Rechtsstaates“ definiert er die Polizei als den „Inbegriff<br />

aller jener verschiedenartigen Anstalten und Einrichtungen, welche dahin<br />

abzwecken, durch Verwendung der allgemeinen Staatsgewalt diejenigen Hindernisse<br />

der allseitigen erlaubten Entwicklung der Menschenkräfte zu<br />

beseitigen, welcher der Einzelne gar nicht, oder wenigstens nicht so vollständig<br />

zweckmäßig wegräumen könnte“ 32 . Der Staatsrechtslehrer Johann Stephan<br />

Pütter 33 trennte schließlich die Förderung der Wohlfahrt vom Polizeibegriff.<br />

Demnach sei die eigentliche Aufgabe der Polizei die Abwendung vorstehender<br />

Gefahren und nicht die Förderung der Wohlfahrt 34 . Pütter subsumierte somit den<br />

Begriff der Polizei maßgeblich unter die Gefahrenabwehr 35 .<br />

27<br />

28<br />

29<br />

30<br />

31<br />

32<br />

33<br />

34<br />

35<br />

Justi von, Die Grundfeste zu der Macht und Glückseligkeit der Staaten, § 6, S. 7;<br />

Bergius, Policey- und Cameral-Magazin, Bd. 7, § 1, S. 89: „Heute zu Tage verstehet<br />

man durch das Wort Policey, solche innerliche Verfassungen des Staates, wodurch die<br />

Wohlfahrt der einzeln Familien mit dem allgemeinen Besten in Verbindung und Zusammenhang<br />

gesetzt wird“.<br />

Johann Daniel Albrecht Höck (1763-1839), Professor für Philosophie und Kameralwissenschaften<br />

in Erlangen, preußischer Polizeidirektor, preußischer Finanzrat, vgl. Pauly,<br />

Die Entstehung des Polizeirechts, S. 124.<br />

Höck, Grundlinien der Polizeiwissenschaft, § 1, S. 1.<br />

Robert von Mohl (1799-1875), Staatswissenschaftler, Professor der Rechte in Heidelberg,<br />

Mitglied im Vorparlament 1848, Mitglied des Reichstages, vgl. Beyme von,<br />

Geschichte der politischen Theorien, S. 319.<br />

Habermann, Der Wohlfahrtsstaat, S. 129.<br />

Mohl von, Die Polizei-Wissenschaft nach den Grundsätzen des Rechtsstaates, S. 10.<br />

Johann Stephan Pütter (1725-1807), bedeutender Staatsrechtslehrer des 18. Jahrhunderts;<br />

vgl. Link, Johann Stephan Pütter, in: Loos (Hrsg.), Rechtswissenschaft in<br />

Göttingen, S. 75 ff.<br />

Pütter, Institutiones iuris publici Germanici, 3. Aufl., § 331, S. 353: „Ea supremae<br />

potestatis pars, qua exercetur cura avertendi mala futura in statu reipublicae interno in<br />

commune metuenda, dicitur ius politiae. […] Promovendae salutis cura proprie non est<br />

politiae.“<br />

Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 13. Aufl., § 2 Rn. 10; ebenso ausführlich<br />

zum Begriff der Polizei: Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 407 ff.


§ 1 Polizei und Staatlichkeit 13<br />

Das preußische Allgemeine Landrecht aus dem Jahr 1794 enthielt in diesem<br />

Sinne eine allgemein gehaltene Umschreibung der polizeilichen Aufgaben, die<br />

als „polizeiliche Generalvollmacht“ bezeichnet werden kann 36 :<br />

„Die nöthigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit<br />

und Ordnung, und zur Abwendung der dem Publiko, oder<br />

einzelnen Mitgliedern desselben bevorstehenden Gefahr zu treffen, ist<br />

das Amt der Polizei“ 37 .<br />

Mit § 10 II 17 ALR war jedoch keine preußische staatliche Polizei geschaffen<br />

worden. Dieses Ziel verfolgten nach den Niederlagen der preußischen Armee in<br />

den Koalitionskriegen 1806/07 die Reformer Stein 38 und Hardenberg 39 , die den<br />

preußischen Staat durch Verwaltungsreformen stärken wollten. Vorbild Steins<br />

und Hardenbergs war der französische Staat mit einer zentralisierten Justiz und<br />

Verwaltung. In Preußen und auch in den anderen souveränen deutschen Staaten<br />

war allerdings noch das System der Patrimonialgerichtsbarkeit vorherrschend.<br />

Gutsbesitzer sprachen unabhängig von einem staatlichen Justizsystem Recht und<br />

verfügten über eine eigene gutsherrliche Polizei. Unter den Begriff Gutsherren<br />

waren auch die Stadträte zu subsumieren, welche gleichermaßen Patrimonialgerichtsbarkeit<br />

ausübten 40 . Die „Verstaatlichung der Polizeigewalt in Preußen“ und<br />

die Zentralisation des Justizsystems wurden mit der Steinschen Städteordnung<br />

1809 und dem Gendarmerieedikt 1812 vorangetrieben 41 . Die Beseitigung der<br />

alten gewachsenen Strukturen gestaltete sich jedoch mühselig und traf auf<br />

Widerstand, vor allem seitens der Städte, die sich ihrer hergebrachten Rechte<br />

beraubt sahen 42 . Auch die Gutsbesitzer wehrten sich gegen das Reformvorhaben.<br />

36<br />

37<br />

38<br />

39<br />

40<br />

41<br />

42<br />

Riege, Die preußische Polizei, S. 16.<br />

§ 10 II 17, (Teil II, Titel 17, § 10), abgedruckt in: Allgemeines Landrecht für die<br />

Preussischen Staaten, zweiter Theil, zweiter Band, Berlin 1835.<br />

Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein (1757-1831), Reformpolitiker,<br />

Staatsbeamter, 1804 Minister für Steuer- und Handelswesen, 1807 „Leiter aller<br />

Civilangelegenheiten Preußens“, Entlassung 1808 auf Druck Napoleons, vgl.<br />

Hähnchen, Rechtsgeschichte, 4. Aufl., § 11 Rn. 633.<br />

Karl August Freiherr von Hardenberg (1750-1822), Staatsminister, Reformpolitiker,<br />

1807 auf Druck Napoleons aus dem Staatsdienst entfernt, 1810 als Staatskanzler wiederberufen,<br />

vgl. Hähnchen, Rechtsgeschichte, 4. Aufl., § 11 Rn. 634.<br />

O.V., Die Patrimonialgerichtsbarkeit, in ihrer, dem Gemeinwohle nachtheiligen Vernunft-<br />

und Rechtswidrigkeit, S. 48.<br />

Funk, Polizei und Rechtsstaat, S. 43.<br />

Vgl. hierzu: Petschke, Zur Geschichte der allgemeinen Städteordnung, in: Zeitschrift für<br />

Rechtspflege und Verwaltung zunächst für das Königreich Sachsen, n.F., Bd. 7, S. 229;


14 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

Seit Jahrhunderten übten diese auf dem Lande in feudaler Prägung die Polizeigewalt<br />

aus. Durch die Gendarmerie sollte die „ständisch-junkerliche<br />

Herrschaftsstruktur in den ländlichen Provinzen Preußens aufgebrochen werden“<br />

43 . Gutsherrenpolizei und Patrimonialgerichtsbarkeit, auch in den Städten 44 ,<br />

wurden schließlich erst mit der Preußischen Verfassung von 1850 endgültig<br />

beseitigt 45 . Das kurz darauf erlassene Gesetz über die Polizeiverwaltung stellte<br />

schließlich die „Einheit der Polizeigewalt“ in Preußen her 46 . Nach § 6 des Gesetzes<br />

gehörten zu den Aufgaben der Polizei der „Schutz der Person und des<br />

Eigentums“, die „Ordnung, Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen<br />

Straßen, Wegen und Plätzen“, der „Marktverkehr“, die „Ordnung und<br />

Gesetzlichkeit bei dem öffentlichen Zusammensein einer größeren Anzahl von<br />

Personen“, die Fremdenpolizei, die Gewerbepolizei, die Gesundheitspolizei, die<br />

Feuerpolizei, der „Schutz der Felder, Wiesen, Weiden, Wälder“ und „alles<br />

andere, was im besonderen Interesse der Gemeinden und ihrer Angehörigen<br />

polizeilich geordnet werden muss“ 47 . Eine strikte Trennung von reiner Gefahrenabwehr<br />

und Wohlfahrtspolizei (Verwaltung) war im Preußischen<br />

Polizeiverwaltungsgesetz von 1850 somit nicht enthalten. Vielmehr beruhte es<br />

„auf der Idee einer unbeschränkten Polizeigewalt“ und der Vorstellung, „wonach<br />

das Gebiet der Polizei ein ‚fast unbegrenztes‘ sei“ 48 – im Rückblick auf die<br />

oben skizzierten Probleme der Justiz- und Polizeiverwaltung und die damit<br />

einhergehenden Reformbestrebungen wurde es von Preuß als die „völlige<br />

Beseitigung patrimonialer Obrigkeit“ bezeichnet 49 .<br />

43<br />

44<br />

45<br />

46<br />

47<br />

48<br />

49<br />

auch Hugo Preuß kritisierte die Städteordnung, Preuß, Staat, Recht und Freiheit: Aus<br />

vierzig Jahren deutscher Politik und Geschichte, S. 52; zur Abschaffung der Patrimonialgerichtsbarkeit,<br />

Wienfort, Patrimonialgerichte in Preussen, S. 90 ff.; Werthmann, Vom<br />

Ende der Patrimonialgerichtsbarkeit, S. 21 ff.<br />

Funk, Polizei und Rechtsstaat, S. 29.<br />

Diesbezüglich kann den Verhandlungen der konstituierenden Versammlung entnommen<br />

werden, dass zwar formal die Patrimonialgerichtsbarkeit in den Städten aufgehoben sei,<br />

diese „Last dennoch fortbesteht“, vgl. Verhandlungen der constituierenden Versammlung<br />

für Preußen 1848, Bd. 7, S. 4745.<br />

Vgl. Art. 42 der Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat v. 31.01.1950.<br />

Naas, Die Entstehung des Preussischen Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931, S. 67.<br />

Gesetz über die Polizei-Verwaltung v. 11.03.1850 (GS 1850, S. 265 ff.).<br />

Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 13. Aufl., § 2 Rn. 11.<br />

Preuß, Die Junkerfrage (1897), in: ders. Gesammelte Schriften, hrsg. von<br />

Lehnert/Müller, Bd. 1, S. 248.


§ 1 Polizei und Staatlichkeit 15<br />

Die Begrenzung des ausgedehnten Polizeibegriffs erfolgte durch das oft zitierte<br />

Kreuzberg-Urteil 50 aus dem Jahr 1882, welches den Polizeibegriff neu justierte<br />

und ihn auf die eigentliche Gefahrenabwehr in Abgrenzung zu anderen Aufgaben<br />

der öffentlichen Verwaltung beschränkte 51 . Eine Polizeiverordnung, gestützt<br />

auf § 10 II 17 ALR, sollte die Bebauung der Sicht auf das Kreuzbergdenkmal 52<br />

untersagen. Das PrOVG entschied jedoch, dass die Verordnung unwirksam sei,<br />

da § 10 II 17 ALR die Polizei nur zur Gefahrenabwehr, aber nicht „zur Wahrung<br />

ästhetischer oder wohlfahrtspflegerischer Belange“ ermächtige 53 . Das PrOVG<br />

hatte mit seiner Entscheidung „das Ruder im Polizeirecht herumgerissen und der<br />

sogenannten polizeilichen Generalklausel erhebliche Schranken gesetzt“ 54 . Dass<br />

die Entscheidung besondere Beachtung fand und ein Novum darstellte, lässt sich<br />

auch den Protokollen des Preußischen Staatsministeriums entnehmen. Reichskanzler<br />

Bismarck war von der Entscheidung des PrOVG nicht angetan und<br />

erwog, „Regreßklage gegen diese Richter“ zu erheben 55 – was gleichwohl nicht<br />

erfolgte. Die Reichsregierung echauffierte sich zu Unrecht über die Aufhebung<br />

der Polizeiverordnung zum Bebauungsverbot. Denn der Telos der Entscheidung<br />

des PrOVG war nicht, den Staat von der Regelung wohlfahrtsbezogener Materie<br />

zu verdrängen, sondern lag vielmehr darin, ihn dazu zu zwingen für die Gebiete<br />

außerhalb des Gefahrenabwehrrechts Eingriffe in die Freiheit der Bürger auf<br />

(spezial-)gesetzliche Grundlage zu stellen 56 . Mit dieser Dogmatik war der „liberal-rechtsstaatliche<br />

materielle Polizeibegriff etabliert“ 57 . In § 14 des Preußischen<br />

Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931 ist schließlich die polizeiliche Generalklausel,<br />

auch zurückgehend auf die Rechtsprechung des PrOVG, enthalten, wie<br />

sie bis heute in den Polizeigesetzen der Länder fortwirkt:<br />

50<br />

51<br />

52<br />

53<br />

54<br />

55<br />

56<br />

57<br />

PrOVGE 9, 353 ff. = DVBl. 1985, 219 ff. (Nachdruck und Kommentar); zum Kreuzbergurteil:<br />

Kroeschell, VBlBW 1993, 268 ff.; Rott, NVwZ 1982, 363 ff.<br />

Bezug nehmend auch auf § 10 II 17 des Allgemeinen Landrechts für die preußischen<br />

Staaten (ALR) von 1794: „Die nöthigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe<br />

und Ordnung, und zur Abwendung der dem Publico, oder einzelnen Mitgliedern desselben,<br />

bevorstehenden Gefahr zu treffen, ist das Amt der Polizei“.<br />

Das 66 Meter hohe Kreuzbergdenkmal wurde 1820 nach Schinkels Entwurf errichtet<br />

und soll an die siegreichen Schlachten der Befreiungskriege erinnern, vgl. Lorenz, in:<br />

Knobloch, Wissenschaft, Technik, Kunst, S. 26 ff.<br />

Battis, Öffentliches Baurecht, S. 112.<br />

Sendler, in: Wilke (Hrsg.), FS 125 Jahre juristische Gesellschaft zu Berlin, S. 760.<br />

Protokolle des Preußischen Staatsministeriums, Bd. 7, Nr. 76/1881, S. 81 f.<br />

Schwegel, Der Polizeibegriff im NS-Staat, S. 25.<br />

Schoch, in: Schmidt-Aßmann/Schoch, BesVerwR, 14. Aufl., 2. Kap., Rn. 5.


16 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

„Die Polizeibehörden haben im Rahmen der geltenden Gesetze die<br />

nach pflichtmäßigem Ermessen notwendigen Maßnahmen zu treffen,<br />

um von der Allgemeinheit oder dem einzelnen Gefahren abzuwehren,<br />

durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird.“ 58<br />

B. Aufspaltung des Polizeibegriffs<br />

Obgleich der näheren Bestimmung des Begriffes der Polizei durch das Kreuzberg-Urteil<br />

und § 14 des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes 1931 war es<br />

Wissenschaft und Rechtsprechung bis 1945 nicht gelungen, einen einheitlichen<br />

Polizeibegriff zu erarbeiten 59 . Als Beispiel kann hier die Gliederung und Geschäftsverteilung<br />

der Preußischen Polizei während der Weimarer Republik<br />

angeführt werden. Die staatliche Polizeiverwaltung in Preußen war einheitlich in<br />

die Verwaltungspolizei, die Schutzpolizei und die Kriminalpolizei gegliedert.<br />

Der erstgenannte Bereich, die Verwaltungspolizei, umfasste, strukturiert in<br />

sechs Abteilungen, nahezu alle Bereiche der öffentlichen Verwaltung. So gehörten<br />

zur Abteilung I (politische Polizei) u.a. das Pressewesen, Vereins- und<br />

Versammlungsangelegenheiten, Waffen- und Schießsportwesen und der Staatsschutz<br />

60 . Der Abteilung II (Fremdenpolizei) waren das Meldewesen, Passwesen,<br />

Staatsangehörigkeitssachen und die Ausländersachen nachgeordnet 61 . Zur<br />

Abteilung III (Verkehr, Wasser, Feuerschutz) gehörten die Verkehrspolizei, der<br />

Städtebau, das gesamte Verkehrswesen zu Lande, auf dem Wasser und in der<br />

Luft, die Feuerpolizei und die Wasserpolizei 62 . Die Abteilung IV (Gewerbepolizei)<br />

umfasste u.a. den gesamten Vollzug der Reichsgewerbeordnung und die<br />

Bekämpfung des Wuchers und des unzulässigen Handels 63 . Die Zuständigkeit<br />

der Abteilung V (Strafverfügungen) erstreckte sich auf Übertretungen 64 , Rechts-<br />

58<br />

59<br />

60<br />

61<br />

62<br />

63<br />

64<br />

Preußisches Polizeiverwaltungsgesetz v. 01.06.1931 (GS 1931, S. 77).<br />

Galette, DVBl. 1955, 276 (280).<br />

Ziff. 8 des Geschäftsverteilungsplans für die Dienststellen der staatlichen Polizeiverwaltung,<br />

Anlage zum RdErl. des PrMDI v. 12.12.1928, Az. II C I 86 Nr. 97/28, in: MBliV<br />

1928, S. 1190 (1192).<br />

Ebd., Ziff. 9 (1195).<br />

Ebd., Ziff. 10 (1195).<br />

Ebd., Ziff. 11 (1196).<br />

Eine Übertretung war gem. § 1 Abs. 3 StGB i.d.F. von 1871 (RGBl. 1871, S. 127 ff.)<br />

„eine mit Haft oder mit Geldstrafe bis zu fünfzig Thalern bedrohte Handlung“, der Unrechtsgehalt<br />

der Übertretung bestand vor allem in der Zuwiderhandlung gegen<br />

behördliche Anordnungen. Die Polizeibehörden wurden ermächtigt, wegen Übertretun-


§ 1 Polizei und Staatlichkeit 17<br />

hilfe und Glücksspielangelegenheiten 65 . Die Abteilung VI (Gesundheits- und<br />

Veterinärpolizei) umfasste die Gesundheitspolizei, Veterinärpolizei, Feld- und<br />

Forstpolizei einschließlich des Natur-, Tier- und Vogelschutzes, Jagd- und<br />

Wildangelegenheiten und Fischereiwesen und Versicherungsangelegenheiten<br />

u.a. nach der Reichsversicherungsordnung 66 . Alle vorbezeichneten Aufgaben<br />

lassen sich unter den Begriff Verwaltungspolizei subsumieren. Rekurrierend<br />

hierauf wurde im Parlamentarischen Rat der universelle Polizeibegriff reduziert,<br />

wie er noch in § 6 des Gesetzes über die Polizeiverwaltung von 1850 vorherrschend<br />

war und sich auch noch im Aufbau der staatlichen preußischen<br />

Polizeiverwaltung während der Weimarer Zeit zeigte. Deutlich wird dies an den<br />

Diskussionen über das Gesundheits- und das Veterinärwesen sowie den Brandschutz<br />

(im Kaiserreich und während der Weimarer Republik auch als<br />

„Gesundheitspolizei“, „Veterinärpolizei“ und „Feuerpolizei“ bezeichnet 67 ). Die<br />

Mitglieder des Parlamentarischen Rates waren übereinkommend der Auffassung,<br />

dass man in diesem Sinne den „Begriff ‚Polizei‘“ nicht mehr haben<br />

wolle 68 . Für eine weitere, differenzierte Betrachtung lässt sich diesbezüglich der<br />

Begriff der Polizei im materiellen, im institutionellen und im formellen Sinn<br />

unterscheiden 69 .<br />

65<br />

66<br />

67<br />

68<br />

69<br />

gen statt oder neben der Verhängung einer Kriminalstrafe durch polizeiliche Strafverfügung<br />

ohne Rücksicht auf das Einverständnis des Täters eine polizeiliche<br />

gebührenpflichtige Verwarnung zu erlassen (§ 59 Abs. 1 Satz 4 prPVG i.d.F. des Gesetzes<br />

zur Änderung des prPVG v. 27.12.1933), vgl. Mitsch, Recht der<br />

Ordnungswidrigkeiten, 2. Aufl., § 4 Rn. 2.<br />

Ziff. 12 (1196) des GVPl. (Fn. 60).<br />

Ebd., Ziff. 13 (1197).<br />

So bspw. in Art. 4 Ziff. 15 RV; siehe hierzu auch: Walther/Zeller, Die Medizinalpolizei<br />

in den Preußischen Staaten, S. 123 ff.; Doehl, Die Veterinär-Polizei des Preußischen<br />

Staates, S. 3 ff.; Grundmann, Der Begriff der Medizinalpolizei und die geltenden medizinalpolizeilichen<br />

Bestimmungen des Reichs und der Länder unter Berücksichtigung<br />

ihrer Entwicklung; Cavallo, Sammlung der die Feuer-Polizei betreffenden Verordnungen<br />

im Königreiche Bayern.<br />

Der Parl. Rat, Bd. 3, Dok. Nr. 5, S. 194.<br />

Vgl. hierzu Schroeder, Polizei- und Ordnungsrecht NRW, S. 8 ff.; ausführlich zum<br />

Wandel des Polizeibegriffs seit 1945: Berner, DVBl. 1957, 810 ff.; Wentz, AnwBl<br />

1988, 264 ff.


18 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

I. Polizei im materiellen Sinn<br />

Nach 1945 erfolgte eine deutliche Rückbesinnung auf die Entwicklung des<br />

Polizeibegriffs, wie sie durch das Kreuzberg-Urteil und auch § 14 des Preußischen<br />

Polizeiverwaltungsgesetzes geprägt war. Der materielle Polizeibegriff ist<br />

„das Ergebnis“ 70 der oben dargestellten historischen Entwicklung. Unter materieller<br />

Polizei ist „die mit Zwangsgewalt verbundene Funktion der öffentlichen<br />

Verwaltung, Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren<br />

und bereits eingetretene Störungen zu beseitigen“ zu verstehen 71 . Auf diese<br />

Weise ist der materielle Polizeibegriff „funktionell bestimmt“ 72 , also auf das<br />

gerichtet, was „inhaltliche Qualifikation einer staatlichen Tätigkeit ist“ 73 . Die<br />

öffentliche Sicherheit bedeutet im Sinne der Gefahrenabwehr die Unverletzlichkeit<br />

der objektiven Rechtsordnung, der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des<br />

Einzelnen sowie der Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates und der<br />

sonstigen Träger der öffentlichen Gewalt 74 . Die öffentliche Ordnung umfasst<br />

„die Gesamtheit der im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung liegenden<br />

ungeschriebenen Regeln für das Verhalten des Einzelnen in der Öffentlichkeit,<br />

deren Beachtung nach den jeweils herrschenden Anschauungen als unerlässliche<br />

Voraussetzung eines geordneten staatsbürgerlichen Zusammenlebens betrachtet<br />

wird“ 75 . In Abgrenzung zur öffentlichen Sicherheit schließt die öffentliche<br />

Ordnung aus „Sitte und Moral einer Gemeinschaft abgeleitete Sozialnormen“<br />

ein 76 . Der Begriff der öffentlichen Ordnung als legitimes Schutzgut ist nicht in<br />

allen Polizeigesetzen der Länder enthalten 77 . Geschuldet ist dies der Frage<br />

danach, ob „die Polizei, unter Umständen sogar mit Zwangsmitteln, gegen den<br />

Bürger vorgehen können [soll], wenn er gegen Regeln verstößt, die er nirgends<br />

geschrieben vorfindet“ 78 . Dennoch ist der unbestimmte Rechtsbegriff der öffentlichen<br />

Ordnung durch höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend bestimmt<br />

70<br />

71<br />

72<br />

73<br />

74<br />

75<br />

76<br />

77<br />

78<br />

Schröder, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 8.<br />

Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 13. Aufl., § 2 Rn. 17.<br />

Keidel, Polizei und Polizeigewalt im Notstandsfall, S. 26.<br />

Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 7. Aufl., § 1 Rn. 1.<br />

Wehr, Polizeirecht, 2. Aufl., § 2 Rn. 28.<br />

§ 3 Nr. 2 SOG LSA.<br />

Wehr, Polizeirecht, 2. Aufl., § 2 Rn. 57.<br />

Vgl. § 1 Abs. 1 BremPolG; § 162 Abs. 1 LVwG SH.<br />

Ipsen, in: Berger (Hrsg.), FS Sandrock, S. 416.


§ 1 Polizei und Staatlichkeit 19<br />

und präzisiert 79 , sodass auch in einzelnen Bundesländern der Begriff der öffentlichen<br />

Ordnung, teilweise nach vorheriger Herausnahme, wieder eingeführt<br />

wurde 80 .<br />

Der materielle Polizeibegriff umfasst nicht nur die Gefahrenabwehr, sondern<br />

auch die Gefahrenvorsorge und die „vorbeugende Bekämpfung von Straftaten“<br />

81 . Die Gefahrenvorsorge zielt auf die Verhinderung der Realisation einer<br />

noch nicht konkret drohenden Gefahr durch staatliches Tätigwerden im Vorfeld<br />

ab 82 . Von besonderer Aktualität ist in diesem Zusammenhang, dass die sogenannte<br />

„Informationsvorsorge […] ein zentrales Element der Gefahrenvorsorge“<br />

ist 83 . Durch das Sammeln von Informationen in polizeilichen Datenbanken, wie<br />

beispielsweise der „Rechtsextremismus-Datei“ 84 , der Verbunddatei „Gewalttäter-Sport“<br />

85 oder der „Antiterrordatei“ 86 wird eine gründliche Datenerhebung<br />

durchgeführt. Schlink bemerkte bereits 1989 zutreffend, dass die „Aufgabe der<br />

Gefahrenvorsorge […] keinen vergleichbaren Fixpunkt“ biete, „informationell<br />

unersättlich“ und eine „spezifische Gefahr für den Rechtsstaat“ sei 87 . Das<br />

BVerfG musste sich bereits im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde im Jahr<br />

2013 mit der Antiterrordatei befassen. Es hat zwar grundsätzlich die Datei<br />

gebilligt, welche den Austausch von Daten zwischen Polizeibehörden und<br />

Nachrichtendiensten zulässt, aber die gesetzliche Ausgestaltung dieser bemän-<br />

79<br />

80<br />

81<br />

82<br />

83<br />

84<br />

85<br />

86<br />

87<br />

So etwa durch BVerfGE 54, 143 (144); ausführlich zur Legitimität des Schutzgutes<br />

öffentliche Ordnung: Tettinger/Erbguth/Mann, Besonderes Verwaltungsrecht, 11. Aufl.,<br />

§ 13 Rn. 455 f.<br />

Bspw. in Niedersachsen im Jahr 2003, vgl. NDS LT-Drs. 15/240, S. 9; in Nordrhein-<br />

Westfalen im Jahr 2010 durch Art. 1 des Gesetzes vom 09.02.2010, GV. NRW, S. 132.<br />

So die Legaldefinition, bspw. § 1 Abs. 3 ASOG Bln.<br />

Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, 8. Aufl., S. 179.<br />

Würtenberger, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 3,<br />

3. Aufl., § 69 Rn. 14.<br />

Vgl. Gesetz zur Errichtung einer standardisierten zentralen Datei von Polizeibehörden<br />

und Nachrichtendiensten von Bund und Ländern zur Bekämpfung des gewaltbezogenen<br />

Rechtsextremismus, BGBl. I 2012, S. 1798.<br />

Rechtsgrundlage für die Führung der Datei „Gewalttäter Sport“ sind § 7 Abs. 1, § 8<br />

Abs. 1, 2, 4 und 5 des BKAG, § 9 BKAG i.V.m. der Errichtungsanordnung (EAO) der<br />

Datei „Gewalttäter Sport“, vgl. BT-Drs. 16/5549, S. 2.<br />

Vgl. Gesetz zur Errichtung einer standardisierten zentralen Antiterrordatei von Polizeibehörden<br />

und Nachrichtendiensten von Bund und Ländern, BGBl. I 2006,<br />

S. 3409.<br />

Schlink, VVDStRL 48 (1990), 258 (264).


20 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

gelt 88 . Das OVG Lüneburg hatte im Jahr 2008 der Klage einer in der Datei<br />

„Gewalttäter Sport“ gespeicherten Person auf Löschung ihrer Personalien aus<br />

dieser stattgegeben, da keine Rechtsgrundlage für die Datei bestehe 89 . Die Datei<br />

„Gewalttäter Sport“ wurde durch Beschluss der Innenministerkonferenz vom 14.<br />

Mai 1993 eingerichtet 90 . Der Erlass einer entsprechenden Verordnung über die<br />

Art der Daten, die nach den §§ 8 und 9 des BKAG gespeichert werden dürfen,<br />

erfolgte zunächst nicht. Dies wurde auch vom Datenschutzbeauftragten des<br />

Bundes mehrfach moniert 91 . Erst als erneut eine Klage, diesmal beim BVerwG,<br />

auf Löschung aus der Datei anhängig war, erließ die Bundesregierung mit<br />

Zustimmung des Bundesrates eine entsprechende Errichtungsanordnung 92 ,<br />

sodass die Datei „Gewalttäter Sport“ nicht für rechtswidrig erklärt wurde 93 . Die<br />

Gefahrenvorsorge beinhaltet besonders im Hinblick auf die Datensammlung und<br />

den damit verbundenen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung<br />

ein nicht unerhebliches Spannungsfeld. Unter dem Aspekt der technischen<br />

Entwicklung sind jedoch die Datensammlung und beispielsweise die Videoüberwachung<br />

für Polizeibehörden ein äußerst dienliches Mittel zur zeitgemäßen<br />

Gefahrenvorsorge, welche als „Ausdruck eines Paradigmenwechsels von der<br />

traditionellen, singulären, retrospektiven Gefahrenabwehr hin zu einer modernen,<br />

umfassenden, prospektiven Risikosteuerung“ angesehen werden kann 94 .<br />

Im Rahmen der oben genannten vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten<br />

sollen mögliche künftige Taten verhütet (Straftatenverhütung), aber auch Maßnahmen<br />

zur zukünftigen Strafverfolgung getroffen werden (Strafverfolgungsvorsorge).<br />

Die Verhütung von Straftaten zählt zur Gefahrenabwehr 95 , während<br />

88<br />

89<br />

90<br />

91<br />

92<br />

93<br />

94<br />

95<br />

BVerfG, Az. 1 BvR 1215/07 v. 24.04.2013 = NJW 2013, 1499-1518 (Leitsatz und<br />

Gründe); zur Entscheidung des BverfG: Frenz, DVBl. 2013, 788 ff.; Sachs, JuS 2013,<br />

952 ff.; Arzt, NVwZ 2013, 1328 ff.; Gärditz, JZ 2013, 633 ff.<br />

OVG Lüneburg, Az. 11 LC 229/08 v. 16.12.2008 = NdsVBl 2009, 135-137 (Leitsatz<br />

und Gründe).<br />

Vgl. Hecker, in: Roggan/Kutscha, Handbuch zum Recht der Inneren Sicherheit, S. 366;<br />

zu den Aufgaben und Befugnissen der Polizei bei Sportgroßveranstaltungen: Nolte,<br />

NVwZ 2001, 147 ff.<br />

BfDI, 22. Tätigkeitsbericht 2007-2008, S. 58 f.; die Bundesregierung erließ auch nach<br />

Urteil des OVG Lüneburg keine Errichtungsanordnung, es wurde lediglich geprüft, ob<br />

diese „rechtlich erforderlich“ sei, vgl. BT-Drs. 16/13563, S. 3.<br />

BR-Drs. 329/10.<br />

BVerwGE 137, 113 ff.; kritisch zur Entscheidung, Spiecker gen. Döhmann/Kehr, DVBl.<br />

2011, 930 ff.<br />

Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, S. 31.<br />

Götz, Leitgedanken des Rechts, § 41 Rn. 7.


§ 1 Polizei und Staatlichkeit 21<br />

die Strafverfolgungsvorsorge hingegen nicht mehr zu dieser gerechnet werden<br />

kann 96 .<br />

Zusammengefasst beinhaltet der materielle Polizeibegriff also alle Behörden,<br />

deren Aufgaben inhaltlich darauf abzielen, Gefahren für die öffentliche Sicherheit<br />

und Ordnung abzuwehren.<br />

II. Polizei im institutionellen Sinn<br />

Zur Polizei im institutionellen (oder organisatorischen) Sinn werden unabhängig<br />

von dem Inhalt der Aufgabenwahrnehmung alle Behörden gezählt, die der<br />

staatlichen Einrichtung der Polizei angehören. Die Polizei im institutionellen<br />

Sinn unterscheidet sich in den alten Bundesländern nach den ehemaligen Besatzungszonen.<br />

Die Länder der vormals französischen Besatzungszonen Baden-<br />

Württemberg und Saarland folgen dem sogenannten Einheitssystem, welches<br />

auch in Bremen und Sachsen eingeführt wurde 97 . In den Ländern des Einheitssystems<br />

umfasst die Polizei im institutionellen Sinn „sämtliche Behörden, die<br />

polizeiliche Aufgaben im Sinne des materiellen Polizeibegriffs wahrnehmen“ 98 .<br />

Die übrigen alten Bundesländer der früheren britischen und amerikanischen<br />

Besatzungszonen haben das Trennungs- oder Ordnungsbehördensystem eingeführt,<br />

welches auch in Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern,<br />

Sachsen-Anhalt und Thüringen übernommen wurde. Im Trennungssystem wird<br />

die Aufgabe der Gefahrenabwehr überwiegend oder auch von Ordnungs- und<br />

Verwaltungsbehörden wahrgenommen 99 . Das Ziel der alliierten Militärverwaltung<br />

war es, die verwaltungspolizeilichen Aufgaben von den Polizeibehörden<br />

abzutrennen und die Polizei auf die „Vollzugspolizei und die vollzugspolizeili-<br />

96<br />

97<br />

98<br />

99<br />

Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, 8. Aufl., S. 179; strittig auch: Wehr,<br />

Polizeirecht, 2. Aufl., § 1 Rn. 10; Thiel, Die „Entgrenzung“ der Gefahrenabwehr,<br />

S. 102 f.<br />

Kugelmann, in: Härtel, Handbuch Föderalismus, Bd. III, § 52 Rn. 42.<br />

Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 7. Aufl., § 2 Rn. 15.<br />

Für bspw. Hessen, § 1 Abs. 1 HS 1 HSOG: „Die Gefahrenabwehrbehörden (Verwaltungsbehörden,<br />

Ordnungsbehörden) und die Polizeibehörden haben die gemeinsame<br />

Aufgabe der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung (Gefahrenabwehr)“.


22 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

chen Aufgaben“ zu beschränken 100 . Dieser Vorgang wird auch als „Entpolizeilichung“<br />

bezeichnet, der die „Abkoppelung anderer Ordnungsbehörden von der<br />

Institution der Polizei“ 101 oder die „Reduktion des polizeilichen Wirkungsbereiches“<br />

102 beschreibt. In den Ländern mit Trennungssystem beschränkt sich die<br />

Zuständigkeit der Polizei „grundsätzlich auf die Gefahrenabwehr in Eilfällen,<br />

die Mitwirkung bei der Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten<br />

sowie sonstige der Polizei ausdrücklich gesetzlich zugewiesene Aufgaben“ 103 .<br />

Der institutionelle (organisatorische) Polizeibegriff lässt sich weiterhin in einen<br />

weiten institutionellen und einen engeren institutionellen Polizeibegriff unterteilen.<br />

Der weitere institutionelle Begriff umfasst hierbei, wie eingangs<br />

beschrieben, alle staatlichen Behörden, die der Einrichtung der Polizei angehören.<br />

Als Beispiel eignet sich hier das bayerische Polizeirecht. Im Sinne Art. 1<br />

Abs. 1 des bayerischen Polizeiorganisationsgesetzes (POG) ist Polizei „die<br />

gesamte Polizei des Freistaates Bayern“. Hierzu zählen die Schutzpolizei, die<br />

Bereitschaftspolizei, das Landeskriminalamt und das Polizeiverwaltungsamt.<br />

Das POG geht in Art. 1 Abs. 1 von einem weiten (oder uneingeschränkten)<br />

institutionellen Polizeibegriff aus 104 . Demgegenüber sind nach Art. 1 des Polizeiaufgabengesetzes<br />

Bayern (PAG) Polizei nur die „im Vollzugsdienst tätigen<br />

Dienstkräfte der Polizei des Freistaates Bayern“. Der engere institutionelle<br />

Polizeibegriff umfasst somit nur die „uniformierte Vollzugspolizei“ 105 . Diese<br />

Einordnung kann als allgemeingültig angesehen werden, wenn es darum geht,<br />

den Polizeibegriff aus gegenwärtiger Sicht zu definieren. Der heutige Sprachgebrauch,<br />

spätestens gefestigt seit der Inkraftsetzung des Grundgesetzes, „zielt<br />

eindeutig dahin, unter Polizei nur noch rein institutionell die Beamten und<br />

Dienststellen der Polizeiexekutive zu verstehen“ 106 .<br />

100<br />

101<br />

102<br />

103<br />

104<br />

105<br />

106<br />

Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 13. Aufl., § 2 Rn. 21; zur organisatorischen<br />

Abtrennung der Verwaltungspolizei: Bastian, Westdeutsches Polizeirecht unter<br />

alliierter Besatzung (1945-1955), S. 120 ff.<br />

Winter, Politikum Polizei, S. 48.<br />

Tettinger/Erbguth/Mann, Besonderes Verwaltungsrecht, 10. Aufl., § 12 Rn. 385.<br />

Schenke, Leitgedanken des Rechts, § 75 Rn. 6.<br />

Berner/Köhler/Käß, Polizeiaufgabengesetz, 20. Aufl., Art. 1 Rn. 4.<br />

Schroeder, Polizei- und Ordnungsrecht NRW, S. 9.<br />

Galette, DVBl. 1955, 276 (282).


§ 1 Polizei und Staatlichkeit 23<br />

III. Polizei im formellen Sinn<br />

Unter dem formellen Polizeibegriff sind diejenigen Aufgaben zu verstehen,<br />

welche die Polizei im institutionellen Sinn wahrnimmt. Hierbei kommt es nicht<br />

darauf an, ob die Aufgaben dem materiellen Polizeibegriff zugeordnet sind.<br />

Vielmehr stehen der materielle und formelle Polizeibegriff „im Verhältnis<br />

zweier sich schneidender Kreise [zueinander]: Deckung besteht bei der Gefahrenabwehr<br />

durch Beamte der Polizeiorganisation“ 107 . Darüber hinaus umfasst<br />

der formelle Polizeibegriff die sonstigen Aufgaben der Polizei, wie etwa die<br />

Strafverfolgung gemäß § 163 StPO und die Erforschung von Ordnungswidrigkeiten<br />

gemäß § 53 StPO. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die<br />

Polizei im formellen Sinn den sachlichen Zuständigkeitsbereich der Polizei im<br />

institutionellen Sinn meint, „unabhängig davon, wie polizeiliches Handeln in<br />

diesem Zuständigkeitskreis materiell zu qualifizieren ist“ 108 .<br />

IV. Einordnung des Bundesgrenzschutzes<br />

Die Darstellung der Entwicklungsgeschichte hat gezeigt, dass im Laufe der Zeit<br />

eine Reduktion des Polizeibegriffs von der Gesamtheit der Verwaltungstätigkeit<br />

auf die reine Gefahrenabwehr stattgefunden hat. Scheuner hat figurativ zutreffend<br />

beschrieben, dass der Polizeibegriff „am Ende, als sein Gebiet, so etwa wie<br />

bei einem Eisbecher, der in der Sonne steht, dahingeschmolzen ist“ 109 . Die<br />

Entpolizeilichung nach 1945 trennte die Verwaltungsstruktur weiter auf und<br />

„beschränkte die Polizei auf die Vollzugspolizei und die vollzugspolizeilichen<br />

Aufgaben“ 110 . Heute gibt es eine einheitliche Nomenklatur, die unter der Polizei<br />

nur „die Beamten und Dienststellen der Polizeiexekutive“ versteht 111 . Der bisher<br />

nicht erläuterte Begriff der „Sonderpolizei“ spielt bei der Einordnung des Bundesgrenzschutzes<br />

eine wichtige Rolle. Die Sonderpolizei im formellen Sinn<br />

meint die Übertragung der Polizeigewalt auf besondere Polizeibehörden, deren<br />

materieller Aufgabenbereich sich aus besonderen Gesetzen ergibt 112 . Zu den<br />

107<br />

108<br />

109<br />

110<br />

111<br />

112<br />

Schoch, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 13. Aufl., 2. Kap., Rn. 7.<br />

Ebd.<br />

Scheuner, VVDStRL 35 (1977), 294 (311).<br />

Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 13. Aufl., § 2 Rn. 21.<br />

Galette, DVBl. 1955, 276 (282).<br />

Ule/Rasch, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, S. 10; Merk, Deutsches Verwaltungsrecht,<br />

S. 1095.


24 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

Sonderpolizeien in Deutschland können auf Bundesebene u.a. seit der Weimarer<br />

Republik die Bahnpolizei und auf Länderebene die Steuerfahndung gezählt<br />

werden 113 . Sonderpolizeibehörden sind dadurch gekennzeichnet, dass sie außerhalb<br />

der allgemeinen Polizeiverwaltungsbehörden stehen und ihnen (nur)<br />

bestimmte polizeiliche Aufgaben zugewiesen sind. Mit dem BGSG 1951 wurde<br />

dem Bundesgrenzschutz die Aufgabe zugewiesen, das Bundesgebiet gegen<br />

verbotene Grenzübertritte, insbesondere durch Ausübung der Passnachschau, zu<br />

sichern 114 . Ebenso hatten die Bundesgrenzschutzbehörden das Bundesgebiet<br />

gegen sonstige, die Sicherheit der Grenzen gefährdende Störungen der öffentlichen<br />

Ordnung zu sichern. Es erfolgte also durch besonderes Gesetz eine<br />

Aufgabenübertragung zum polizeilichen Grenzschutz (Überwachung der Grenzen,<br />

Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs) und zur besonderen<br />

Gefahrenvorsorge (Sicherung des Bundesgebietes). Die Bundesgrenzschutzbehörden<br />

nahmen somit die sonderpolizeiliche Aufgabe des polizeilichen<br />

Grenzschutzes des Bundesgebietes wahr. Der Bundesgrenzschutz kann im<br />

Ergebnis unter den seit Inkraftsetzung des Grundgesetzes gültigen (Sonder-)<br />

Polizeibegriff subsumiert werden 115 . Im weiteren Verlauf der Untersuchung wird<br />

in diesem Zusammenhang zu ergründen sein, ob bestimmte Merkmale (u.a.<br />

Bewaffnung, Organisation) sowie weitere Aufgabenübertragungen (u.a. Kombattantenstatus)<br />

Einfluss auf den polizeilichen Charakter des Bundesgrenzschutzes<br />

gehabt haben und dieser möglicherweise unter „polizeilichem<br />

Deckmantel“ faktisch Aufgaben der militärischen Landesverteidigung wahrnahm<br />

und somit als Teil der Streitkräfte einzuordnen gewesen wäre 116 .<br />

C. Polizei als Attribut des Staates<br />

Es stellt sich weiterhin die Frage, welche Bedeutung die Polizei für den Staat,<br />

insbesondere für den Bundesstaat, hat. Zunächst muss der Begriff „Staat“ einer<br />

als gültig angesehenen Definition unterworfen werden. Max Weber hat den<br />

113<br />

114<br />

115<br />

116<br />

Wolff/Gönnenwein, VVDStRL 9 (1952), 134 (178); Lange/Frevel, in:<br />

Lange/Ohly/Reichertz (Hrsg.), Auf der Suche nach neuer Sicherheit, S. 127.<br />

Vgl. § 2 BGSG 1951, BGBl. I 1051, S. 201.<br />

Ab 1994 ausdrücklich so in § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Neuregelung der Vorschriften<br />

über den Bundesgrenzschutz bezeichnet: „Der Bundesgrenzschutz wird in bundeseigener<br />

Verwaltung geführt. Er ist eine Polizei des Bundes im Geschäftsbereich des<br />

Bundesministeriums des Inneren“, BGBl. I 1994, S. 2979.<br />

Siehe hierzu S. 207 ff.


§ 1 Polizei und Staatlichkeit 25<br />

Staatsbegriff entscheidend mitgeprägt. Er versteht unter dem Staat „diejenige<br />

menschliche Gemeinschaft, welche innerhalb eines bestimmten Gebietes […]<br />

das Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit für sich (mit Erfolg) beansprucht“<br />

117 . Auch die sogenannte Drei-Elemente-Lehre von Georg Jellinek<br />

(Staatsvolk, Staatsgebiet und Staatsgewalt) geht davon aus, dass der Staat physische<br />

Herrschaftsgewalt besitzt 118 . Bei Weber kommen in der Konzeption des<br />

Staates als Machtstaat den Begriffen „Macht“ und „Herrschaft“ besondere<br />

Bedeutungen zu. Macht ist nach Weber „jede Chance, innerhalb einer sozialen<br />

Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel<br />

worauf diese Chance beruht“ 119 . Unter Herrschaft versteht Weber „die<br />

Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam<br />

zu finden“ 120 . Für den Staat „entscheidende Kategorie ist der Verwaltungsstab,<br />

ohne den üblicherweise Herrschaft nicht stattfindet“ 121 . Erst die<br />

„erfolgreiche Monopolisierung der legitimen Zwangsanwendung macht den<br />

Staat zum Staat“ 122 . Das Monopol „legitimer physischer Gewaltsamkeit“ nach<br />

Weber kann auch als Gewaltmonopol bezeichnet werden, welches in seinem<br />

Wesensgehalt bereits auf die politischen Theorien von Thomas Hobbes und Jean<br />

Bodin zurückgeht. Seither gilt das Gewaltmonopol als „zentrale Entstehungsbedingung<br />

des modernen Staates“ 123 . Der Polizei kommt hierbei eine<br />

entscheidende Rolle zu. Sie ist im Hinblick auf die physische Gewaltsamkeit<br />

(Gewaltmonopol) „als ein zentraler Bestandteil des Staates zu betrachten“ 124 .<br />

Die Polizei übt im Staat das Monopol der legitimen Anwendung physischer<br />

Gewalt nach innen aus 125 . Die Polizei verkörpert somit im modernen Staat die<br />

Staatsgewalt und ist mit ein Bestandteil der Voraussetzung für dessen Existenz.<br />

117<br />

118<br />

119<br />

120<br />

121<br />

122<br />

123<br />

124<br />

125<br />

Weber, Politik als Beruf, S. 6; unter dem modernen Staat versteht Weber einen „anstaltsmäßigen<br />

Herrschaftsverband […], der innerhalb eines Gebietes die legitime<br />

physische Gewaltsamkeit als Mittel der Herrschaft zu monopolisieren mit Erfolg getrachtet<br />

hat und zu diesem Zweck die sachlichen Betriebsmittel in der Hand seiner<br />

Leiter vereinigt“, vgl. ebd., S. 13.<br />

Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 413 ff.; bei Jellinek heißt es in Bezug auf die<br />

Polizei: „Die Polizei- und Strafrechtspflege schützt nicht nur individuelle und soziale<br />

Güter, sondern auch den Staat selbst“, vgl. ebd., S. 249.<br />

Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 28.<br />

Ebd.<br />

Luedtke, in: Willems, Lehr(er)buch Soziologie, Bd. 1, S. 423.<br />

Ebd.<br />

Weller, Die Vertragstreue, S. 173; vgl. hierzu auch: Di Fabio, Risikoentscheidungen im<br />

Rechtsstaat, S. 43 ff.<br />

Knöbl, Polizei und Herrschaft im Modernisierungsprozess, S. 29.<br />

Reinhard, Geschichte des modernen Staates, S. 13.


26 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

Die Staatsgewalt wird in einem Zentralstaat (Einheitsstaat) nur von einem<br />

Träger ausgeübt. Die untergeordneten Ebenen (Verwaltungseinheiten) besitzen<br />

im Einheitsstaat keine eigenen „Kompetenzpositionen“, sondern sind vielmehr<br />

der obersten Hierarchie nachgeordnet 126 . In Bundesstaaten ist die Ausübung der<br />

Staatsgewalt zwischen Bund und Gliedstaat aufgeteilt 127 . Für die Polizeiorganisation<br />

hat dies zur Folge, dass diese in Einheitsstaaten, beispielsweise in<br />

Frankreich und Italien, zentral organisiert ist, während hingegen in Bundesstaaten,<br />

wie in den USA oder Australien, auch eine dezentrale Organisation<br />

vorzufinden ist. Die Bundesrepublik Deutschland ist gemäß Art. 20 Abs. 1 GG<br />

ein Bundesstaat. Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der<br />

staatlichen Aufgaben ist gemäß Art. 30 GG Sache der Länder. Ebenso kommt<br />

das Recht der Gesetzgebung gemäß Art. 70 GG den Ländern zu, soweit dem<br />

Bund nicht entsprechende Gesetzgebungsbefugnis verliehen worden ist. Der<br />

Bund besitzt keine allgemeine Gesetzgebungszuständigkeit auf dem Gebiet des<br />

Polizeirechtes. Der oft verwendete Ausspruch „Polizei ist Ländersache“ ist aus<br />

vorbezeichneten Art. 30, 70 GG abgeleitet. Der Grundsatz der Zuständigkeit der<br />

Länder auf dem Gebiet der Polizei ist jedoch durch verschiedene Kompetenzzuweisungen<br />

an den Bund durchbrochen. Es ist hierzu zwischen Gesetzgebungskompetenzen<br />

und Vollzugskompetenzen zu unterscheiden. Der Bund<br />

hat gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG die Gesetzgebungskompetenz für den Zollund<br />

Grenzschutz, gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 6a GG für die Bahnpolizei 128 , gemäß<br />

Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG für die Abwehr von Gefahren des internationalen<br />

Terrorismus durch das Bundeskriminalpolizeiamt in besonderen Fällen und<br />

gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG für die Einrichtung eines Bundeskriminalamtes,<br />

die internationale Verbrechensbekämpfung und die Zusammenarbeit des<br />

Bundes und der Länder in der Kriminalpolizei. Für die Ausführung der Bundesgesetze<br />

sind gemäß Art. 83 GG grundsätzlich die Länder zuständig, soweit das<br />

Grundgesetz keine abweichenden Regelungen trifft. Der Bund kann jedoch über<br />

Art. 87 Abs. 1 GG auch die Vollzugskompetenz an sich ziehen. Hiernach können<br />

Bundesgrenzschutzbehörden, Zentralstellen für das polizeiliche Auskunftsund<br />

Nachrichtenwesen, für die Kriminalpolizei und zur Sammlung von Unterlagen<br />

für Zwecke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen<br />

126<br />

127<br />

128<br />

Wilms, Staatsrecht I, S. 79 Rn. 233.<br />

Katz, Staatsrecht, 18. Aufl., § 4 Rn. 54.<br />

Die Zuständigkeit für die Bahnpolizei ergibt sich nicht aus dem Verfassungstext,<br />

sondern aus der Annexzuständigkeit zu Art. 73 Abs. 1 Nr. 6a GG (Eisenbahnen des<br />

Bundes), vgl. hierzu S. 90 ff.


§ 1 Polizei und Staatlichkeit 27<br />

im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete<br />

Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange gefährden, eingerichtet werden.<br />

Polizeibehörden auf Bundesebene sind folglich nicht explizit ausgeschlossen.<br />

Vielmehr ist nach der Verfassungsordnung das Vorhandensein von Bundespolizeibehörden<br />

davon abhängig, ob der Bund über die entsprechenden Gesetzgebungs-<br />

und Vollzugskompetenzen verfügt. Es wird schwerpunktmäßig unter<br />

Einschluss der politischen und administrativen Vorgänge zu untersuchen sein,<br />

wie die Bundesregierung von der Gesetzgebungskompetenz über den Grenzschutz<br />

aus Art. 73 Ziff. 5 GG a.F. Gebrauch machte und schließlich den<br />

Bundesgrenzschutz als Sonderpolizei des Bundes errichten konnte.<br />

Bedeutung kommt weiterhin dem Souveränitätsbegriff zu. Es ist in der Staatslehre<br />

umstritten, ob die Souveränität mit der Staatsgewalt gleichgesetzt werden<br />

kann oder ob diese nur ein Merkmal der Staatsgewalt ist 129 . Unterscheiden lässt<br />

sich die Souveränität in eine „innere“ und „äußere“. Die äußere Souveränität<br />

bezeichnet die „‘Völkerrechtsunmittelbarkeit‘ des Souveräns (Staates, Verbandes)<br />

in dem Sinne, dass der Staat keiner Herrschaft oder Rechtsordnung<br />

unterworfen ist“ 130 . Grundsätzlich verfügen Staaten über innere und äußere<br />

Souveränität, wobei Konstellationen auftreten können, bei denen zwar Staatsgewalt<br />

ausgeübt wird, aber eine Anerkennung als Völkerrechtssubjekt teilweise<br />

versagt wird (beispielsweise Taiwan) oder ein Staat sich zwar nach außen hin als<br />

souverän ansehen kann, aber keine Herrschaftsgewalt über sein Staatsgebiet<br />

besitzt (sogenannter „failed state“, beispielsweise Somalia) 131 . Die innere Souveränität<br />

drückt aus, dass es neben der Staatsgewalt keine andere Gewalt geben,<br />

bzw. diese auch unbestreitbar durchgesetzt werden kann 132 . Hugo Preuß versuchte<br />

bereits 1889 in seiner Habilitationsschrift eine Herauslösung des<br />

Souveränitätsbegriffs aus der Dogmatik des Staatsrechts: „Im Gespinst des<br />

Souveränitätsbegriffs hat sich die Staatsrechtslehre verfangen wie die Fliege im<br />

Gewebe einer Spinne“ 133 . Preuß war der Auffassung, dass die Souveränitätsmerkmale,<br />

wie das Gewaltmonopol, nur noch in den Gliedstaaten vorhanden<br />

129<br />

130<br />

131<br />

132<br />

133<br />

Gamper, Staat und Verfassung, S. 49; für die Auffassung, dass die Souveränität eine<br />

Eigenschaft der Staatsgewalt ist: Schliesky, Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt,<br />

S. 138 m.w.N.<br />

Grimmer, Demokratie und Grundrechte, S. 91.<br />

Hailbronner/Kau, in: Vitzthum, Völkerrecht, S. 179.<br />

Vgl. hierzu ausführlich m.w.N., Schliesky, Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt,<br />

S. 37 ff.<br />

Preuß, Gemeinde, Staat, Reich als Gebietskörperschaften, Vorbemerkung, S. VI.


28 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

und somit „entweder den Gliedstaaten oder dem Reich“ der Staatscharakter<br />

abzusprechen, oder, „im Widerspruch zur Definition der Souveränität, eine<br />

Teilbarkeit der Souveränität anzunehmen, oder, im Widerspruch zur Definition<br />

des Staates, auch nichtsouveräne Staaten anzuerkennen“ seien 134 . Gleichwohl<br />

konnte Preuß die „Demontage des Souveränitätsbegriffs“ 135 nicht in der Verfassungsarbeit<br />

für die neue deutsche Verfassung durchsetzen 136 . Es bestand nach<br />

1919 Einigkeit über den beiderseitigen Staatscharakter von Reich und Ländern.<br />

Bezüglich der Frage nach der Souveränität standen sich zwei Auffassungen<br />

gegenüber: Die „unitarische Lösung sah die Souveränität allein beim Reich“,<br />

während hingegen die „föderalistische Auffassung von der geteilten Souveränität<br />

im Bundesstaat“ ausging 137 . Carl Schmitt war der Vertreter einer starken<br />

Zentralgewalt. Seine Souveränitätslehre soll für die weitere Erläuterung der<br />

inneren Souveränität herangezogen werden. Schmitt prägte seine Souveränitätslehre<br />

mit der Herausstellung des Ausnahmezustandes: „Souverän ist, wer über<br />

den Ausnahmezustand entscheidet“ 138 . Schmitt verknüpfte Rechts- und Staatslehre<br />

miteinander und vollendete die „Gesamtheit des Normenmaterials […] mit<br />

dem Willen dessen, der den Ausnahmezustand souverän beherrscht“ 139 . Mit<br />

seinem Souveränitätsbegriff stellte sich Schmitt gegen den Rechtspositivismus,<br />

da er nicht danach fragte, ob der Souverän überhaupt über den Ausnahmezustand<br />

entscheiden dürfe, sondern nur maßgeblich sei, ob er es könne – Schmitts<br />

Souverän entscheidet im „Ausnahmezustand ‚über‘ das Recht“ 140 .<br />

Ohne auf die Kritik an Schmitts Souveränitätslehre näher einzugehen, liegt ihre<br />

„positive Bedeutung“ darin, dass sie daran erinnert, dass „auch die staatliche<br />

Ordnung Ausnahmesituationen kennt, die nicht mit den gewöhnlichen rechtsstaatlichen<br />

Mitteln gemeistert werden können“ 141 . In diesem Sinne lässt sich<br />

Schmitts Entscheidungsgewalt über den Ausnahmezustand auf folgende Formel<br />

bringen: „Souverän ist, wer sich damit durchsetzt, dass sein Wille […] das<br />

134<br />

135<br />

136<br />

137<br />

138<br />

139<br />

140<br />

141<br />

Lehnert/Müller (Hrsg.), Hugo Preuss, Gesammelte Schriften, Bd. 2, S. 10.<br />

Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 3, S. 82.<br />

Die ersten Entwürfe Preuß´ spiegeln tatsächlich seine staatstheoretischen Standpunkte<br />

wieder – erfuhren jedoch erhebliche Abänderung im föderalistischen Sinn durch den<br />

Staatenausschuss, vgl. hierzu ausführlich: Heitsch, Die Ausführung der Bundesgesetze<br />

durch die Länder, S. 70 ff.<br />

Gusy, Die Weimarer Reichsverfassung, S. 227.<br />

Schmitt, Politische Theologie, S. 13.<br />

Korb, Kelsens Kritiker, S. 142.<br />

Mehring, Carl Schmitt, Aufstieg und Fall, S. 125 f.<br />

Hennis, Das Problem der Souveränität, S. 43.


§ 1 Polizei und Staatlichkeit 29<br />

Gesetz aufrechterhält oder an seine Stelle tritt“ 142 . Der Ausnahmezustand, wie<br />

Schmitt ihn begrifflich verwendet, ist ein Synonym für „Staatsnotstand“ oder<br />

„Verfassungsnotstand“. Die Weimarer Reichsverfassung, wie auch das Grundgesetz,<br />

sehen diese Fälle des Notstandes vor – gleichwohl ohne gerade auch in<br />

staats- und verfassungsrechtlichen Krisenzeiten ein Handeln extra legem zu<br />

autorisieren. Nach Art. 48 Abs. 2 WRV konnte der Reichspräsident, wenn im<br />

Deutschen Reich die öffentliche Sicherheit und Ordnung erheblich gestört oder<br />

gefährdet war, die zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung<br />

notwendigen Maßnahmen treffen und erforderlichenfalls mithilfe der<br />

bewaffneten Macht einschreiten. Mit „gesteigerte[r] und außerordentliche[r]<br />

Polizeigewalt“ sollte die Republik durch Art. 48 WRV vor Angriffen von innen<br />

geschützt werden 143 . Schmitt legte Art. 48 WRV extensiv aus. Er ging im Sinne<br />

seiner Souveränitätslehre davon aus, dass der Reichspräsident gesetzesvertretende<br />

Notverordnungen erlassen konnte, welche auch Grundrechte, über diejenigen<br />

in Art. 48 Abs. 2 S. 2 WRV genannten hinaus, einschränken konnten 144 .<br />

Schmitts „Durchbrechungslehre“ 145 bezeichnete in Bezug auf Art. 48 WRV die<br />

Vollmachten des Reichspräsidenten als „kommissarische“ Diktatur 146 . In der<br />

Fachsprache hat sich der Begriff „Präsidialdiktatur“ für die Ausübung der<br />

Vollmachten nach Art. 48 WRV durch Hindenburg zwischen den Jahren 1930<br />

bis 1933 durchgesetzt 147 . Allein die Ausübung dieser Vollmachten kann jedoch<br />

nicht als einziger Grund für das Scheitern der Weimarer Republik angesehen<br />

werden, wenngleich in der „Abhängigkeit der Verfassungspraxis von persönlichen<br />

Faktoren […] eine normative Schwäche“ liegen mochte 148 . Darüber hinaus<br />

lässt es sich nicht leugnen, dass Art. 48 WRV nach der Machtergreifung der<br />

Nationalsozialisten die sogenannte „Gleichschaltung“ unterstützte, in dem<br />

Verordnungen erlassen wurden, welche beispielsweise den Eingriff in die Ho-<br />

142<br />

143<br />

144<br />

145<br />

146<br />

147<br />

148<br />

Simson von, Die Souveränität im rechtlichen Verständnis der Gegenwart, S. 145.<br />

Gusy, Die Weimarer Reichsverfassung, S. 108.<br />

Schmitt, VVDStRL 1 (1924), 70 ff.<br />

So bezeichnet bei: Berthold, C. Schmitt und der Staatsnotstandsplan am Ende der<br />

Weimarer Republik, S. 48.<br />

Schmitt, Die Diktatur, Von den Anfängen des modernen Souveränitätsgedankens bis<br />

zum proletarischen Klassenkampf, S. 240; Schmitts Auslegung von Art. 48 WRV dahingehend,<br />

verfassungsdurchbrechende Vollmachten ausüben und weitere Grundrechte<br />

einschränken zu können, war nicht zutreffend, vgl. m.w.N., Groh, Demokratische<br />

Staatsrechtslehrer in der Weimarer Republik, S. 540 f.<br />

So, Ebel/Thielmann, Rechtsgeschichte, S. 410; Hähnchen, Rechtsgeschichte, 4. Aufl.,<br />

§ 16 Rn. 814; Weber-Fas, Lexikon Politik und Recht, S. 224.<br />

Wirsching, Die Weimarer Republik, S. 61.


30 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

heitsrechte der Länder ermöglichte (Reichstagsbrandverordnung) 149 . Zurückblickend<br />

auf Goebbels nachfolgend zitierte perfide Wortwahl in Bezug auf die<br />

Weimarer Verfassung und auch deren umfassenden Notstandsrechte erscheint es<br />

nur umso eindrücklicher, dass der Verfassungsgeber 1949 nicht das Notverordnungsrecht<br />

aus Art. 48 WRV in gleicher Form übernahm, sondern die<br />

Notstandsrechte im Grundgesetz in einem System der wehrhaften Demokratie<br />

ihrerseits beschränkt und an besondere Voraussetzungen geknüpft hat:<br />

„Wir gehen in den Reichstag hinein, um uns im Waffenarsenal der<br />

Demokratie mit deren eigenen Waffen zu versorgen. Wir werden<br />

Reichstagsabgeordnete, um die Weimarer Gesinnung mit ihrer eigenen<br />

Unterstützung lahmzulegen. Wenn die Demokratie so dumm ist,<br />

uns für diesen Bärendienst Freifahrkarten und Diäten zu geben, so ist<br />

das ihre eigene Sache […]. Uns ist jedes gesetzliche Mittel recht, den<br />

Zustand von heute zu revolutionieren.“ 150<br />

Auch das Grundgesetz sieht den Fall des inneren Notstandes vor. Der Polizei<br />

kommt hier als Verkörperung der Staatsgewalt eine außerordentlich wichtige<br />

Funktion – die Existenzsicherung des Staates – zu. Die Bundesregierung kann<br />

gemäß Art. 91 GG Polizeikräften der Länder Weisungen erteilen, soweit dies<br />

zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche<br />

demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes notwendig ist.<br />

Nach Beseitigung der Gefahr, oder im Übrigen jederzeit auf Verlangen des<br />

Bundesrates, sind die Anordnungen jedoch aufzuheben 151 . Wesentliches Unterscheidungsmerkmal,<br />

neben dem Suspendierungsrecht des Bundesrates, ist<br />

weiterhin, dass Art. 48 Abs. 2 WRV den Reichspräsidenten bei einer Gefahr für<br />

die öffentliche Sicherheit und Ordnung ermächtigte, tätig zu werden, während<br />

Art. 91 GG hingegen von einer Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche<br />

demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes spricht. Der Begriff<br />

des inneren Notstandes in Art. 91 GG ist ein qualitativ anderer als in Art. 48<br />

WRV. Zwar ist in Art. 48 WRV von „erheblicher Gefahr“ für die öffentliche<br />

Sicherheit „und“ Ordnung die Rede, jedoch wurde dies äußerst weit ausgelegt.<br />

149<br />

150<br />

151<br />

Vgl. Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat, v. 28.02.1933<br />

(Reichstagsbrandverordnung), erlassen auf Grund des Art. 48 Abs. 2 WRV, RGBl. I<br />

1933, S. 83.<br />

Goebbels, Was wollen wir im Reichstag?, in: ders., Der Angriff, Aufsätze aus der<br />

Kampfzeit, S. 71.<br />

Art. 91 Abs. 2 S. 2 GG.


§ 1 Polizei und Staatlichkeit 31<br />

So umfasste nach der Staatspraxis Art. 48 WRV auch Maßnahmen bei „finanziellen<br />

Schwierigkeiten, Funktionsstörungen des parlamentarischen Regierungssystems,<br />

letztlich sogar die Unmöglichkeit, die notwendige Mehrheit im<br />

Parlament zu bilden“ 152 . Diese Auslegung führte zu einer „Neuinterpretation der<br />

Diktaturvoraussetzungen“ 153 . Art. 91 GG hingegen schützt die freiheitlichdemokratische<br />

Grundordnung 154 und den Bestand eines Landes oder des Bundes,<br />

das heißt in Bezug auf letzteres die „existentiellen Grundlagen seiner<br />

Gesamtstaatlichkeit“ 155 . Instrument jedes inneren Notstandsrechts ist die Polizei<br />

und gegebenenfalls sogar das Militär 156 . Zur Zeit der Weimarer Republik konnte<br />

der Reichspräsident auf die Reichswehr zugreifen, um diese i.S.v. Art. 48 Abs. 2<br />

WRV einzusetzen. Durch die „Verordnung des Reichspräsidenten betreffend die<br />

Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Gebiete des<br />

Landes Preußen“ vom 20. Juli 1932 erlangte der Reichspräsident sogar direkten<br />

Zugriff auf die Preußische Polizei (sogenannter „Preußenschlag“) 157 . Die Weimarer<br />

Reichsverfassung sah für das Reich also umfangreiche Machtmittel vor,<br />

um auf einen inneren Notstand, gegebenenfalls auch mit Gewaltanwendung,<br />

152<br />

153<br />

154<br />

155<br />

156<br />

157<br />

Hilger, Rechtsstaatsbegriffe im Dritten Reich, S. 45 f.; ebenso zur extensiven Interpretation:<br />

Krenzler, An den Grenzen der Notstandsverfassung, S. 53 f.<br />

Gusy, Die Weimarer Reichsverfassung, S. 108.<br />

Das BVerfG definiert die freiheitlich-demokratische Grundordnung i.S.v. Art. 21 Abs. 2<br />

GG als eine Ordnung „die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine<br />

rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des<br />

Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt.<br />

Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die<br />

Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem<br />

Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die<br />

Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung,<br />

die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die<br />

Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige<br />

Bildung und Ausübung einer Opposition“, vgl. BVerfGE 2, 1 (12); ausführlich zur freiheitlich-demokratischen<br />

Grundordnung: Schmitt, DÖV 1965, 433 ff.; Leibholz, DVBl.<br />

1951, 554 ff.; Hamann, ArbuR 1962, 321 ff.<br />

Haratsch, in: Sodan, GG, 2009, Art. 91 Rn. 4.<br />

Während nach Art. 48 Abs. 2 WRV der Begriff „bewaffnete Macht“ die Reichswehr mit<br />

einschloss, ist ein Einsatz der Streitkräfte nach Art. 91 GG im Inneren nicht möglich.<br />

Dieser kann nur über Art. 87a Abs. IV GG erfolgen, insofern die Polizeikräfte zur Abwehr<br />

der Gefahr nicht ausreichen.<br />

RGBl. I 1932, S. 377 f.; ebenso wurde zeitgleich die „Verordnung des Reichspräsidenten,<br />

betreffend die Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Groß-<br />

Berlin und Provinz Brandenburg“ erlassen, gem. § 2 ging die vollziehende Gewalt auf<br />

einen Militärbefehlshaber über, dem die gesamte Schutzpolizei des bezeichneten Gebietes<br />

unmittelbar unterstellt war.


32 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

reagieren zu können. Anschütz hielt nach Art. 48 Abs. 2 WRV sogar eine Übertragung<br />

der vollziehenden Gewalt „als Ganzes“ an reichseigene Organe für<br />

zulässig 158 . Also hätte im Ergebnis jede Landespolizeivollzugsbehörde einem<br />

Reichskommissar unterstellt werden können.<br />

Die tatsächlichen Begebenheiten 1919 und 1949 im Hinblick auf das Vorhandensein<br />

von Machtmitteln waren unterschiedlich. Der Verfassungsgeber fand im<br />

Jahr 1919 eine funktionierende Berufsarmee des Reiches als Machtmittel und<br />

tatsächlich präsente Exekutivgewalt vor, welche er zum Instrument nach Art. 48<br />

WRV machen konnte. Der preußische Gliedstaat war, auf Fläche und Einwohnerzahl<br />

bezogen, im Reich dominierend, sodass im Notstandsfalle, wie auch<br />

durch oben genannte Verordnung geschehen, unabhängig von der Frage nach<br />

der Verfassungsmäßigkeit des Preußenschlages, die schlagkräftigste und personalstärkste<br />

Polizeitruppe der Befehlsgewalt des Reiches unterstellt werden<br />

konnte. Die Situation 1949 war eine völlig andere als 1919. Weder eine Militärmacht<br />

noch eine starke Polizei, organisiert im größten Flächenstaat, welcher<br />

Kraft des alliierten Kontrollratsgesetzes 1947 aufgelöst worden war 159 , standen<br />

zur Verfügung. Der Rückgriff auf staatliche Gewaltressourcen im Bereich des<br />

Bundes war nicht möglich. Dies allein musste nicht zwangsläufig zur Annahme<br />

eines Souveränitätsdefizits, weder auf der Ebene des Bundes noch auf der Ebene<br />

der Gliedstaaten führen, da auf Länderebene seit Kriegsende wieder Polizeien<br />

organisiert und somit ausgeprägte Staatsgewalt vorhanden war. Versteht man in<br />

diesem Zusammenhang konträr zu Schmitt unter innerer Souveränität nicht die<br />

Letztentscheidung über den Ausnahmezustand, sondern, wie mittlerweile überwiegend<br />

im Schrifttum angenommen, die Verfassungsautonomie, „also die<br />

Fähigkeit, die innere Ordnung des Staates autonom zu bestimmen“, wird dies<br />

umso deutlicher 160 . Im Übrigen ist die Souveränitätslehre Schmitts, die unverrückbar<br />

auf der Entscheidung über den Ausnahmezustand fixiert ist, „mit dem<br />

demokratischen Verfassungsstaat des Grundgesetzes kaum vereinbar […],<br />

158<br />

159<br />

160<br />

Anschütz, Kommentar WRV, 14. Aufl., S. 290.<br />

Kontrollratsgesetz Nr. 46 v. 25.02.1947, Amtsblatt des Kontrollrates, S. 262; GVBl. BY<br />

1947, S. 89 f.<br />

Puttler, in: Mellinghoff/Palm (Hrsg.), Gleichheit im Verfassungsstaat, S. 220; ebenso,<br />

Schwacke/Schmidt, Staatsrecht, 5. Aufl., S. 14, Rn. 40; Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht,<br />

S. 214; Funke, Umsetzungsrecht, S. 350; Schneider, Die Rechte- und<br />

Pflichtenstellung des Unionsbürgers, S. 21; Seiler, Der souveräne Verfassungsstaat zwischen<br />

demokratischer Rückbindung und überstaatlicher Einbindung, S. 50; Gamper,<br />

Staat und Verfassung, S. 98; Talmon, Kollektive Nichtanerkennung illegaler Staaten,<br />

S. 223 m.w.N.


§ 1 Polizei und Staatlichkeit 33<br />

sondern pure, blanke Macht, die mit legitimer Herrschaftsgewalt des Normalzustandes<br />

regelmäßig nichts mehr gemein haben wird“ 161 .<br />

Die Summe der Polizeikräfte als Macht und Attribut des Staates bleibt zum<br />

einen zwischen dem modernen, im Rechtsstaat eingefassten, nicht über alles<br />

Recht erhabenen Souveränitätsbegriff und zum anderen der Schmitt´schen<br />

Souveränitätsvorstellung beweglich interpretierbar. Wie viel Polizei- oder<br />

Militärmacht braucht ein Staat? Muss es im Bundesstaat neben der Polizei auf<br />

Länderebene überhaupt eine Bundespolizei geben? Auch der moderne Souveränitätsbegriff<br />

zielt darauf ab, dass die durch Verfassungsautonomie gesetzte<br />

Ordnung faktisch durchsetzbar sein muss. Der zeitgemäße demokratische<br />

Rechtsstaat will die Anwendung von Gewalt vermeiden, „handelt aber stets mit<br />

letztverbindlicher Bestimmungsmacht und Durchsetzungskraft“ – „er wird<br />

fordern und bei Nichterfüllung vollstrecken; er beansprucht Gefolgschaft, die er<br />

bei Verweigerung erzwingt“ 162 . Es müssen also auch im modernen Rechtsstaat<br />

ausreichend Vollstreckungsorgane vorhanden sein. Grundsätzlich bietet eine auf<br />

Länderebene organisierte Polizei hierfür genügend Gewähr. Anders kann es<br />

liegen, wenn die Durchsetzung der verfassungsmäßigen Ordnung von weiteren<br />

Faktoren, von einer besonderen Gefährdung, abhängt, welche dazu führen, dass<br />

durch eine organisatorisch zersplitterte und unterschiedlich geführte Polizei eine<br />

Störung der inneren Ordnung nicht mehr wirksam beseitigt werden kann. Zu<br />

nennen sind hier beispielsweise gewalttätige Ausschreitungen oder sonstige<br />

bundesweite (länderübergreifende) polizeiliche Großlagen, die besondere geschlossene<br />

Polizeieinheiten zur Störungsbeseitigung voraussetzen. Es wird sich<br />

also an der konkreten Bedrohungslage der inneren Sicherheit messen lassen,<br />

welche Summe und Kapazität an Machtmitteln ein Staat bereitstellen muss,<br />

insofern er noch nicht über die ausreichende Anzahl verfügt. Rekapitulierend<br />

auf das Gründungsjahr der Bundesrepublik war die Bedrohung der inneren<br />

Sicherheit als erhöht einzustufen 163 , während hingegen weder auf Glied- noch<br />

auf Bundesstaatsebene übermäßige Reserven an Machtmitteln in Form von<br />

Polizei- oder Militäreinheiten bereitstanden. Der Drang des Staates, mehr<br />

Machtmittel zu schaffen, wird dann verstärkt, wenn in einer Regierung das<br />

„Dogma“ vorherrscht, „staatliche Herrschaft und Souveränität basiere in erster<br />

161<br />

162<br />

163<br />

Schliesky, Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt, S. 126 f.<br />

Kirchhof, HStR V 3, § 99 Rn. 83.<br />

Vgl. hierzu ausführlich S. 114 ff.


34 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

Linie auf staatlichen Gewaltkapazitäten“ 164 . Bundesinnenminister Robert Lehr<br />

äußerte sich während der Debatte um die Erhöhung der Stärke des Bundesgrenzschutzes<br />

1953 im Sinne dieses Bekenntnisses:<br />

„[…] es ist in staatsrechtlicher und staatspolitischer Beziehung ganz<br />

klar, dass ein Land umso weniger Polizei braucht, je stärker seine Autorität<br />

in seinem Militär verankert ist. Je stärker das Militär, umso<br />

weniger Polizei ist nötig. Je weniger Militär, umso stärker müssen wir<br />

uns mit dem helfen, was wir für den inneren Frieden durch Polizei<br />

schaffen können“ 165 .<br />

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Polizei als Teil der Verkörperung<br />

der Staatsgewalt mit ein Garant für die innere Souveränität eines Staates ist<br />

und somit auch zugleich Voraussetzung für das Bestehen eines Staates schlechthin.<br />

In Bundesstaaten besteht die Polizei durch geteilte Staatsgewalt entweder<br />

nur auf Länderebene oder zugleich auf Bundesebene. Das Grundgesetz schließt<br />

jedoch per se nicht aus, dass der Bundesstaat im Rahmen der Aufteilung der<br />

Staatsgewalt sonderpolizeiliche Bereiche für sich in Anspruch nehmen kann,<br />

soweit er für diese verfassungsrechtliche Kompetenzen hat. Genese und Umsetzung<br />

der Gesetzgebungskompetenz über den sonderpolizeilichen Bereich des<br />

Grenzschutzes sind Gegenstand und Schwerpunkt dieser Arbeit 166 . Weiterhin<br />

nahm im Parlamentarischen Rat die Debatte über die Notstandsgesetzgebung<br />

und die damit verbundene Frage, ob dem Bund eigene Polizeikräfte für den Fall<br />

des inneren Notstandes zugestanden werden sollen, eine wichtige Rolle ein 167 .<br />

Anhand der Bundespolizei-Kontroverse wird ausgehend vom Jahr 1949 untersucht,<br />

welche Bedeutung die Forderung einer Bundespolizei für den Aufbau des<br />

Bundesstaates hatte, welchem Zweck sie dienen sollte und wie diese verfassungsrechtlich<br />

zu verankern war.<br />

164<br />

165<br />

166<br />

167<br />

Winter, Politikum Polizei, S. 54.<br />

BT-Prot. vom 04.02.1953, 249. Sitzung, S. 11903D.<br />

Vgl. hierzu S. 49 ff.<br />

Vgl. hierzu S. 70 ff.


§ 1 Polizei und Staatlichkeit 35<br />

D. Historische Betrachtung der Polizeiorganisation<br />

Die Skizzierung der Polizeiorganisation auf Bundesebene seit 1871 stellt den<br />

verfassungshistorischen Bezug her. Gegenstand der Untersuchung sind die<br />

Verfassungen, die dem Grundgesetz seit 1871 vorausgingen sowie der Blick auf<br />

die Polizeiorganisation während der NS-Zeit. Für die nachfolgende Untersuchung<br />

ist von Bedeutung, ob überhaupt in den Reichsverfassungen seit 1871<br />

polizeiliche Exekutivbefugnisse auf das Reich übertragen waren – also ob eine<br />

Vollzugspolizei des Bundesstaates existierte. Besondere Betrachtung soll der<br />

Frage zukommen, in welcher Form der polizeiliche Grenzschutz ausgeübt wurde<br />

und ob die Gesetzgebungskompetenz hierüber bei den Gliedstaaten oder dem<br />

Bundesstaat lag.<br />

I. Deutsches Kaiserreich<br />

Die Reichsverfassung von 1871 folgte dem Gedanken, nur diejenigen Funktionen<br />

auf das Reich zu übertragen, die unerlässlich waren, um „die militärische<br />

Macht des neuen Reichs und seine wirtschaftliche Einheit sicherzustellen“ 168 .<br />

Alle anderen Staatsaufgaben, auch die Polizei, blieben den Einzelstaaten grundsätzlich<br />

erhalten. In der Reichsverfassung findet sich jedoch relativ häufig das<br />

Wort „Polizei“. Dem Abschnitt der Gesetzgebung des Reiches können der<br />

Reichsverfassung in Art. 4 Wörter wie „Fremdenpolizei, Medizinal- und Veterinärpolizei“<br />

entnommen werden. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde der<br />

Begriff Polizei jedoch noch inflationärer gebraucht als bis Mitte des 20. Jahrhunderts.<br />

Die damit verbundenen verwaltungsrechtlichen Regelungen hätten<br />

sich auch ohne das Wort „Polizei“ umschreiben lassen. Denn so meint Fremdenpolizei<br />

„nichts anderes als die Regelung des Aufenthalts der Ausländer im<br />

Bundesgebiet“ 169 . Heute wird diese Materie vergleichbar in Art. 74 Abs. 1 Nr. 4<br />

GG unter der Bezeichnung „Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer“<br />

geregelt.<br />

Ebenso den Polizeibegriff verwendend, war in Art. 43 der Reichsverfassung<br />

vorgesehen, dass reichsweit gleiche „Bahnpolizei-Reglements“ eingeführt<br />

wurden. Diese Reglements enthielten tatsächlich materiell und formell polizeili-<br />

168<br />

169<br />

Dambitsch, Verfassung des Deutschen Reiches, S. 98.<br />

Ebd., S. 121.


36 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

chen Charakter und waren Vorläufer der Exekutivbefugnisse für die Bahnpolizeibeamten.<br />

Jedoch war zur Zeit des Kaiserreiches die Materie Eisenbahn Sache<br />

der Einzelstaaten, sodass es zwar reichsweit Bahnpolizei-Reglements gab, die<br />

auch polizeiliche Befugnisse enthielten, jedoch die ausführenden Organe, die<br />

Bahnpolizeibeamten im Nebenamt, nicht Reichsvollzugsbeamte, sondern<br />

Staatsbeamte der jeweiligen Staatseisenbahnen der Länder waren. Vom Reich<br />

sind allerdings Mindestanforderungen für die Befähigung der Eisenbahn(polizei)beamten<br />

festgelegt worden 170 . Dennoch wurde in der zeitgenössischen<br />

Fachliteratur diskutiert, ob das Reich hier überhaupt ohne spezielle<br />

Ermächtigung zum Erlass von Rechtsvorschriften ermächtigt sei 171 . In der<br />

heutigen Rechtsdogmatik wäre die Auseinandersetzung in Zusammenhang mit<br />

einem derartigen Kompetenzproblem wohl etwas kritischer und möglicherweise<br />

„reichsunfreundlicher“ verlaufen, anstelle letztlich zu dem Ergebnis zu kommen,<br />

dass es sich bei Art. 43 RV nur um eine „stilistische Ungenauigkeit“ handele 172 .<br />

Neben dem klassischen Ressort Bahnpolizei, welches heute in bundeseigener<br />

Verwaltung bei der Bundespolizei geführt wird, stellt sich die Frage nach der<br />

Verankerung des polizeilichen Grenzschutzes in der Reichsverfassung von<br />

1871. Nach Art. 35 RV hatte das Reich die ausschließliche Gesetzgebung über<br />

das gesamte Zollwesen sowie über Maßregeln, welche in den Zollausschüssen<br />

zur Sicherung der gemeinsamen Zollgrenze erforderlich waren. Mit der Gründung<br />

des Deutschen Kaiserreiches war ein langer zoll- und wirtschaftspolitischer<br />

Prozess verbunden, der nahezu über die erste Hälfte des 19.<br />

Jahrhunderts maßgeblich die mitteleuropäische Machtpolitik mitbestimmt hat.<br />

Ausgehend von der Einführung der Handelsfreiheit über Zollvereine bis hin zur<br />

Gründung des Norddeutschen Bundes war es die entscheidende Bestrebung<br />

Preußens und anderer deutscher Staaten, ein gemeinsames Zollgebiet zu schaffen<br />

und so die wirtschaftliche Einigung voranzutreiben. In diesen Zielen liegt<br />

der Umstand begründet, dass das Deutsche Kaiserreich eine umfangreiche und<br />

detaillierte Zoll- und Handelsgesetzgebung geschaffen hat, die in Europa beispiellos<br />

war und mit zum Aufstieg des Reiches zur wirtschaftlichen Großmacht<br />

beitrug. Die Gesetzgebung über das Zollwesen war jedoch strikt von der Erhe-<br />

170<br />

171<br />

172<br />

Hue de Grais, Handbuch der Verfassung und Verwaltung, 20. Aufl., S. 672.<br />

Ausführliche Darstellung des Problems bei: Arndt, Staatsrecht des Deutschen Reiches,<br />

S. 308 ff.<br />

Dambitsch, Verfassung des Deutschen Reiches, S. 534.


§ 1 Polizei und Staatlichkeit 37<br />

bung und Verwaltung der Zölle zu trennen 173 . Die Zoll- und Steuerbehörden<br />

waren in den einzelnen Staaten angesiedelt und die Zollbeamten waren Landesbeamte.<br />

Wörter wie „Grenzschutz“, „Grenzaufsicht“ oder „Grenzkontrolle“<br />

sucht man in der RV 1871 vergeblich. Der polizeiliche Grenzschutz nach heutigem<br />

Muster war im Kaiserreich nicht von entscheidender Bedeutung.<br />

Klassifizieren lässt sich eine Abgrenzung des Begriffs „Grenzschutz“ für die<br />

damalige Zeit in dem sogenannten „militärischen Grenzschutz“ einerseits und<br />

die Sicherung der Zollgrenze im Hinblick auf die Sicherstellung der Erhebung<br />

von Zöllen und Abgaben andererseits. In der Präambel der RV ist bereits vom<br />

„Schutze des Bundesgebietes“ 174 die Rede. Indigenat 175 , Kollektivbestandsgarantie<br />

und das Recht des Kaisers, Krieg ohne Zustimmung des Bundesrates zu<br />

erklären 176 , wenn ein Angriff auf das Reichsgebiet erfolgte, sind Ausdruck einer<br />

starken verfassungsmäßigen und ideologischen Verankerung des Gebietsschutzes<br />

des Kaiserreiches, welcher von der Reichswehr gewährleistet wurde. Im<br />

Bundesgebiet war das Reich befugt, aufgrund der „Schutzpflicht die zur Verteidigung<br />

und Sicherung erforderlichen Maßregeln anzuordnen, ohne Rücksicht<br />

auf die Gebietshoheit des Einzelstaates“ 177 . In Abgrenzung zu diesem militärischen<br />

Grenzschutz ist der Schutz der Zollgrenze zu sehen. Hierunter ist die<br />

Bewachung der Grenze zu verstehen, welche vorwiegend der Erhebung der<br />

Zölle dient. In der Literatur ist in diesem Zusammenhang vereinzelt auch von<br />

„Grenzschutz“ die Rede, aber dennoch nur in Bezug auf den Schutz und die<br />

Erhebung der Zölle 178 . Die Wahrnehmung des Zollschutzes war Aufgabe der<br />

Einzelstaaten. Diese waren darüber hinaus auch berechtigt, finanzielle Aufwendungen<br />

für den Schutz und die Erhebung der Zölle vom Reich geltend zu<br />

173<br />

174<br />

175<br />

176<br />

177<br />

178<br />

Vgl. Art. 35 Abs. 1 RV.<br />

Präambel RV 1871: „Seine Majestät der König von Preußen im Namen des Norddeutschen<br />

Bundes, Seine Majestät der König von Bayern, Seine Majestät der König von<br />

Württemberg, Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Baden und Seine Königliche<br />

Hoheit der Großherzog von Hessen und bei Rhein für die südlich vom Main<br />

gelegenen Theile des Großherzogtums Hessen, schließen einen ewigen Bund zum<br />

Schutze des Bundesgebietes und des innerhalb desselben gültigen Rechtes, sowie zur<br />

Pflege der Wohlfahrt des Deutschen Volkes. Dieser Bund wird den Namen Deutsches<br />

Reich führen und wird nachstehende Verfassung haben.“<br />

Vgl. Art. 3 Abs. 1 RV.<br />

Vgl. Art. 11 Abs. 2 RV.<br />

Laband, Staatsrecht, Bd. 1, § 23, S. 187 (z.B. durch die Anlage von Festungen und die<br />

kriegsbereite Aufstellung des Reichsheeres in Form von Grenzgarnisonen).<br />

Arndt, Staatsrecht des Deutschen Reiches, S. 394.


38 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

machen 179 . Der polizeiliche Grenzschutz, soweit zu der damaligen Zeit überhaupt<br />

ein vergleichbares Bedürfnis für diesen bestand, war Angelegenheit der<br />

Landespolizeien. So konnten die Einzelstaaten Staatsservitute mit angrenzenden<br />

(auswärtigen) Staaten abschließen, die z.B. der grenzüberschreitenden Verfolgung<br />

von Schmugglern oder Forstfrevlern dienten 180 . Weiterhin konnte die<br />

Landespolizeibehörde Ausländer aufgrund eines Reichsgesetzes aus dem Bundesgebiet<br />

ausweisen 181 . Beide Instrumente, grenzüberschreitende Abkommen<br />

und ausländerrechtliche Maßnahmen wie Abschiebung oder Ausweisung, sind<br />

heute fester Bestandteil der grenzpolizeilichen Arbeit, die auf Bundesebene<br />

wahrgenommen wird 182 .<br />

Zusammenfassend kam dem Reich im Regelungsbereich der Vollzugspolizei<br />

selbst keine Kompetenz zu. Es kann festgehalten werden, dass „alles was in das<br />

Gebiet der inneren Polizeiverwaltung fällt, […] Sache der Einzelstaaten [war],<br />

auch wenn es sich um die Ausführung von Reichsgesetzen“ handelte 183 . Dies<br />

gilt auch für den Bereich des polizeilichen Grenzschutzes, welcher im Kaiserreich<br />

durch die Landeszollbeamten wahrgenommen wurde.<br />

II. Weimarer Republik<br />

Die Weimarer Reichsverfassung (WRV) sah in der sicherheitsrechtlichen Materie<br />

einige Änderungen gegenüber der noch föderalistischer geprägten RV von<br />

1871 vor. Mit dem Übergang der Wasserstraßen und der Länderbahnen in das<br />

Eigentum des Reiches wurden in diesen beiden Bereichen auch polizeiliche<br />

Vollzugsorgane des Reiches geschaffen. Die Strom- und Schifffahrtspolizei war<br />

Angelegenheit des Reiches 184 und wurde durch den Reichswasserschutz wahrgenommen<br />

185 . Ebenso bildete sich die Bahnpolizei der Reichsbahn, welche aus<br />

179<br />

180<br />

181<br />

182<br />

183<br />

184<br />

185<br />

Gem. Art. 38 Abs. 1 RV ist nur vom Ertrag der Zölle die Rede, die an das Reich fließen;<br />

hierzu auch: Laband, Staatsrecht, Bd. 2, § 45, S. 291.<br />

Laband, Staatsrecht, Bd. 1, § 23, S. 185.<br />

Ebd., S. 189.<br />

So z.B. das „Mondorfer-Abkommen“ vom 09.10.1997 zwischen Deutschland und<br />

Frankreich über die Zusammenarbeit der Polizei- und Zollbehörden in den Grenzgebieten<br />

(BGBl. II 1998, S. 2479).<br />

Hue de Grais, Handbuch der Verfassung und Verwaltung, 20. Aufl., S. 164.<br />

Art. 97 Abs. 5 WRV.<br />

Siehe S. 97.


§ 1 Polizei und Staatlichkeit 39<br />

nachkriegsbedingten Notwendigkeiten etabliert wurde 186 . Darüber hinaus konnte<br />

das Reich gemäß Art. 9 Ziff. 2 WRV Gesetze über den Schutz der öffentlichen<br />

Ordnung und Sicherheit erlassen, sofern hierfür ein Bedürfnis bestand. Im<br />

Rahmen der sogenannten Bedarfsgesetzgebung machte das Reich mehrmals<br />

Gebrauch davon 187 . Zu Beginn der Zwanzigerjahre wurde das Reichskriminalpolizeigesetz<br />

188 und das Gesetz über die Schutzpolizei der Länder 189 verabschiedet.<br />

Beide Gesetze entfalteten jedoch wenig Wirkung, bzw. wurden wenige Jahren<br />

nach Inkrafttreten wieder aufgehoben 190 .<br />

Dem Gesetz über die Schutzpolizei der Länder gingen sicherheitsrechtliche<br />

Überlegungen voraus, die in der Dezimierung der Streitkräfte nach Ende des<br />

ersten Weltkrieges lagen. Durch das 100.000-Mann-Heer war ein verändertes<br />

und erweitertes Sicherheitsbedürfnis entstanden, das mit der Schaffung einer<br />

„Sicherheitspolizei“ kompensiert werden sollte. Die Sicherheitspolizei operierte<br />

als paramilitärische Polizeitruppe und war hauptsächlich zur Bekämpfung<br />

bürgerkriegsähnlicher Zustände vorgesehen gewesen 191 . Organisiert war die<br />

Sicherheitspolizei auf Länderebene, obwohl das Reich zwei Drittel der Kosten<br />

trug. Aufgrund dieser Begebenheit forderte der damalige Reichsfinanzminister<br />

Matthias Erzberger 192 in der Kabinettssitzung vom 28. November 1919, dass die<br />

Sicherheitspolizei aus Gründen der Praktikabilität und des Ausgleichs von<br />

Ungleichheiten mit der Reichswehr als reichseigene Organisation ausgestaltet<br />

werden sollte 193 . Ähnliches kann einer Denkschrift des Reichinnenministeriums<br />

vom 12. Januar 1920 entnommen werden, in welcher manifestiert ist, „[…] ob<br />

nicht die eigentliche Sicherheitspolizei Angelegenheit des Reichs werden muss.<br />

Gerade die ganz verschiedenen politischen Zustände in den Ländern machen das<br />

erwünschter als je.“ 194 Die Organisation verblieb dennoch auf Landesebene.<br />

186<br />

187<br />

188<br />

189<br />

190<br />

191<br />

192<br />

193<br />

194<br />

Siehe zur historischen Entwicklung der Bahnpolizei, S. 85 ff.<br />

Weitere Nachweise über ergangene Regelungen bei: Poetzsch-Heffter, Handkommentar<br />

der Reichsverfassung, 3. Aufl., Art. 9, S. 115.<br />

RGBl. I 1922, S. 593.<br />

RGBl. I 1922, S. 597.<br />

So das Gesetz über die Schutzpolizei der Länder durch Gesetz vom 10.07.1926, vgl.<br />

Fn. 201.<br />

Historischer Überblick zur Berliner Sicherheitspolizei: Sauer, ZfG 1/2005, 26 ff.<br />

Matthias Erzberger (1875-1921), Mitglied der Zentrumspartei, Staatssekretär im<br />

Kabinett Max von Baden, Unterzeichner des Waffenstillstandsvertrages vom<br />

11.11.1918, Reichsfinanzminister, am 26.08.1921 von Anhängern der politischen Rechten<br />

ermordet, vgl. Benz, in: ders., Handbuch des Antisemitismus, S. 216 f.<br />

BArch, Kabinett Bauer, Bd. 1, Dok. 117, S. 436 ff.<br />

Ebd., S. 515.


40 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

Allerdings forderten Politiker auf Reichsebene den weiteren Ausbau sowie die<br />

Aufstockung der Sicherheitspolizei 195 , obwohl bereits zu diesem Zeitpunkt<br />

bekannt war, dass die Entente der Sicherheitspolizei generell kritisch gegenüberstand<br />

196 . In einer Note der alliierten Mächte vom 22. Juni 1920 197 wurde sogar<br />

die Auflösung der Sicherheitspolizei gefordert 198 . Die Alliierten sahen in dem<br />

militärischen Gepräge der Sicherheitspolizei eine Aufstockung der 100.000-<br />

Mann-Grenze, sodass diese in die Schutz- und Ordnungspolizei der Länder<br />

umgegliedert wurde. Auch diese blieb nicht ohne kritische Betrachtung, vor<br />

allem aus Frankreich. Die Franzosen wollten in der Ordnungspolizei der Länder<br />

ebenso eine zahlenmäßige Überschreitung der Mannstärken aus dem Versailler<br />

Vertrag erkannt haben, was letztlich die Reichsregierung dazu veranlasste, sich<br />

u.a. zu verpflichten, die Zahl der festen Verbände zu verringern, die Kasernierung<br />

der Polizeibeamten des Einzeldienstes aufzuheben, militärische Ausrüstung<br />

abzugeben und die Uniformfarbe der Schutzpolizei in eine nicht feldmäßige<br />

Farbe zu ändern 199 .<br />

Nach Auflösung der Sicherheitspolizei trat 1922 das Gesetz über die Schutzpolizei<br />

der Länder, gestützt auf Art. 9 Ziff. 2 WRV, in Kraft. Das Gesetz diente vor<br />

allem der Sicherstellung der Aufstellung von Polizeiverbänden in den Ländern<br />

und der versorgungsrechtlichen Angleichung der Angehörigen der Schutzpolizei<br />

an die Reichswehrangehörigen, da der Dienst in der Schutzpolizei mit einer<br />

zwölfjährigen Verpflichtungszeit verbunden war 200 . Das Reich hatte an diesen<br />

Regelungen besonderes Interesse, da es den Hauptteil der Kosten der Schutzpolizei<br />

trug. Das Gesetz hatte jedoch nicht lange Bestand. Es wurde am 24. Juni<br />

1926 wieder aufgehoben, da sich die versorgungsrechtlichen Bedürfnisse geändert<br />

hatten und die Schutzpolizeiangehörigen nach Maßgabe freier Stellen in den<br />

lebenslangen Polizeidienst der Länder übernommen wurden, sodass das Reich<br />

195<br />

196<br />

197<br />

198<br />

199<br />

200<br />

BArch, Kabinett Fehrenbach, Bd. 1, Dok. 8, S. 23.<br />

Nach dem Versailler Vertrag stand dem Deutschen Reich eine Polizei in der Höhe der<br />

Stärke von 1913 einschließlich dem seither anteiligem Bevölkerungszuwachs zu; vgl.<br />

Art. 162 des Versailler Vertrages, RGBl. 1919, Nr. 140, S. 921.<br />

Note des Präsidenten der Friedenskonferenz vom 22.06.1920, abgedruckt in: RT-Drs.,<br />

Bd. 363, Nr. 187, Anlage 4, S. 36 ff.<br />

Die Sicherheitspolizei wurde in der Note als „verbotene militärische Formation“<br />

bezeichnet, welche innerhalb von drei Monaten aufzulösen sei; vgl. RT-Drs., Anlagen<br />

zu den stenographischen Berichten, Bd. 363, Dok.-Nr. 187, Anlage 4, S. 37.<br />

RT-Prot. vom 04.04.1922, 202. Sitzung, S. 6860D.<br />

Begründung zum Gesetzentwurf, vgl. RT-Drs., Anlagen zu den stenographischen<br />

Berichten, Bd. 374, Nr. 4516, S. 3.


§ 1 Polizei und Staatlichkeit 41<br />

keine Notwendigkeit mehr darin sah, einheitliche versorgungsrechtliche Regelungen<br />

aufzustellen 201 .<br />

Einfluss auf die Schutzpolizei der Länder nahm das Reich fortan nicht mehr per<br />

Gesetz, sondern durch eine im Jahr 1928 in Kraft tretende Vereinbarung mit den<br />

Ländern, die als „Grundsätze für Gewährung eines Reichszuschusses für polizeiliche<br />

Zwecke“ 202 bezeichnet wurde. Das Reich sicherte sich über diese<br />

Vereinbarung Einfluss u.a. über Ausbildung, Bewaffnung und Dienstbekleidung<br />

sowie Auskunftsrechte zu. Gleichzeitig verpflichteten sich darin die Länder aber<br />

auch dazu z.B. geeignete Maßnahmen zu treffen, damit „der unpolitische Charakter<br />

der Schutzpolizei“ 203 gewährleistet blieb. Im Jahr 1930 erhielten dennoch<br />

Funktionäre der NSDAP in Thüringen die Leitung über die Landespolizei. Das<br />

Reich stellte daraufhin, mit Hinweis auf den Verstoß gegen die Grundsätze des<br />

unpolitischen Charakters, die Zahlungen an Thüringen ein 204 . Der Zuschuss von<br />

jährlich 190 Mio. Reichsmark ermöglichte dem Reich ein „bedeutsames Mitspracherecht<br />

hinsichtlich der Länderpolizeien“ 205 . Ebenso können das Gesetz<br />

über die Schutzpolizei der Länder und die „Grundsätze für Gewährung eines<br />

Reichszuschusses für polizeiliche Zwecke“ als historische Vorläufer der Verwaltungsabkommen<br />

über die heutige Bereitschaftspolizei gesehen werden,<br />

welche erstmals 1950 zwischen Bund und Ländern 1950 geschlossen wurden 206 .<br />

Die gleichen Grundgedanken, die bei der Errichtung der Sicherheitspolizei zum<br />

Tragen kamen, stärkten nach deren Auflösung die Rufe nach einer zentralen<br />

201<br />

202<br />

203<br />

204<br />

205<br />

206<br />

Begründung zur Aufhebung des Gesetzes, vgl. RT-Drs., Anlagen zu den stenographischen<br />

Berichten, Bd. 409, Nr. 2448.<br />

Die Grundsätze sind abgedruckt bei: Kaestl, Die Polizei 1962, 302 (303 f.).<br />

Ziff. 1 Nr. 6 der Grundsätze; gemeint ist hier vor allem, dass die Führungspositionen<br />

nicht mit Führungspersönlichkeiten der rechts- oder linksextremen Parteien besetzt<br />

werden, vgl. hierzu: Schulz, Zwischen Demokratie und Diktatur, Von Brüning zu Hitler,<br />

S. 142 f.<br />

Näheres zu den Vorgängen um den Thüringer Polizeizuschuss (das Land Thüringen rief<br />

auf den Streit hin sogar den Staatsgerichtshof mit dem Antrag an, dass das Reich den<br />

Zuschuss weiterzuzahlen habe), bei: Schulz, Zwischen Demokratie und Diktatur, Von<br />

Brüning zu Hitler, S. 142 ff.; Koellreutter, AöR n.F. 20 (1931), 75 ff.<br />

Kaestl, Die Polizei 1962, 302 (305).<br />

Verwaltungsabkommen zwischen der Bundesregierung und den Landesregierungen<br />

über die Errichtung von Bereitschaftspolizeien der Länder vom 18.05.1951, abgedruckt<br />

in: GVBl. SH 1951, S. 105-107.


42 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

Kriminalpolizeibehörde 207 . Der damalige Reichsinnenminister Erich Koch-<br />

Weser 208 (DDP) bewertete in seiner Reichstagrede vom 9. März 1921 das Fehlen<br />

einer Reichspolizei besonders drastisch:<br />

„Wir haben keine Polizei von Reichs wegen, und ich glaube, dass wir<br />

auch nach dieser Richtung in kurzer Zeit spüren werden, wie groß die<br />

Gefahr ist, dass unsere Reichseinheit und die Ordnung im Reich auseinanderfällt,<br />

wenn dem Reich nicht ein gewisses Maß von<br />

Mitwirkung in polizeilichen Angelegenheiten eingeräumt wird.“ 209<br />

Das Anliegen der Reichsregierung bestand darin, eine Kriminalpolizeibehörde<br />

auf Reichsebene zu errichten. Das kurze Zeit später verabschiedete Reichskriminalpolizeigesetz<br />

sah den Aufbau eines Reichskriminalpolizeiamtes vor,<br />

welches u.a. für die einheitliche Geschäftsführung der ebenso nach dem Gesetz<br />

einzurichtenden Landeskriminalpolizeiämter und die einheitliche Ausbildung<br />

der dort diensttuenden Landesvollzugsbeamten zuständig war. Neben der koordinierenden<br />

Aufgabe sah das Reichskriminalpolizeigesetz auch Ermittlungshandlungen<br />

der Reichsvollzugsbeamten vor. Besonders erwähnenswert ist, dass<br />

§ 7 Abs. 3 des Gesetzes die Vollzugsbeamten des Reiches ermächtigte, auf<br />

eigene Veranlassung im gesamten Reichsgebiet Ermittlungshandlungen anzustellen<br />

und in Einzelfällen allen Polizeibehörden Weisungen zu erteilen, wenn es<br />

sich um unmittelbare Reichsinteressen handelte. In der amtlichen Begründung<br />

zum Gesetzentwurf wurde insgesamt darauf verwiesen, dass die Polizei dem<br />

„mit allen Hilfsmitteln der Technik arbeitenden Verbrechertum nicht mehr<br />

gewachsen sei“ und die „Bekämpfung des interlokalen Verbrechertums nur<br />

durch eine Zentralbehörde erfolgen“ könne 210 . Zur Errichtung eines Reichskriminalpolizeiamtes<br />

kam es nie, auch wenn das Gesetz formal in Kraft getreten<br />

207<br />

208<br />

209<br />

210<br />

Auch die Morde an den Reichsministern Erzberger und Rathenau werden als Grund für<br />

die Errichtung des Reichskriminalpolizeigesetzes genannt, vgl. Wehner, Kriminalistik<br />

1984, 330.<br />

Erich Koch-Weser (1875-1944), geb. als Erich Koch, Namensänderung um Verwechslungen<br />

zu vermeiden angelehnt an seinen Reichstagswahlkreis Weser-Ems, Jurist,<br />

Mitglied der DDP, Oberbürgermeister von Kassel, Reichsinnen- und Reichsjustizminister,<br />

nach Berufsverbot 1933 nach Brasilien emigriert, vgl. Schumacher (Hrsg.), Die<br />

Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik, 3. Aufl., S. 807.<br />

RT-Prot. vom 09.03.1921, 79. Sitzung, S. 2788B.<br />

RT-Drs., Anlagen zu den stenographischen Berichten, Bd. 374, Aktenstück Nr. 4759,<br />

S. 5205.


§ 1 Polizei und Staatlichkeit 43<br />

war. Der Widerstand der föderalistischen Kräfte war zu groß 211 . Der bayerischer<br />

Gesandte Konrad von Preger 212 formulierte in seiner Rede vor dem Reichstag<br />

im Juli 1922, wie auch später in Zusammenhang mit der Errichtung des Bundeskriminalamtes<br />

und des Bundesgrenzschutzes in ähnlicher Form geäußert wurde,<br />

dass die Bestimmungen über das Reichskriminalpolizeiamt ein „kaum mehr<br />

erträglicher Eingriff in die verfassungsmäßigen Rechte der Länder auf dem<br />

Gebiete der Polizeihoheit“ 213 seien. Vorgenannte Äußerung ist ein sinnbildliches<br />

Beispiel für das erstarkende Selbstbewusstsein der Länder gerade im Bereich der<br />

Polizei, welches in den ersten Jahren der Weimarer Republik auch anhand der<br />

Beispiele von Reichskriminalpolizeigesetz und dem Gesetz über die Schutzpolizei<br />

der Länder sichtbar wurde. Die WRV, welche den Gliedstaaten nicht mehr<br />

dieselbe Verwaltungshoheit wie während der Zeit der RV 1871 ließ, drängte die<br />

Länder dazu, im Bereich der inneren Sicherheit ihre Staatsqualität zu behaupten.<br />

Das BVerfG formulierte es in einer seiner ersten Entscheidungen 1951 für den<br />

Fall des Grundgesetzes treffend. Die Länder sind demnach Staaten mit „eigener<br />

Hoheitsmacht“ 214 .<br />

Ein ähnliches Schicksal wie das Reichskriminalpolizeiamt erfuhr auch der<br />

Reichswasserschutz, die Schifffahrtspolizei des Bundes, welche 1919 gegründet<br />

wurde und tatsächliche Vollzugsaufgaben auf den Reichswasserstraßen wahrnahm<br />

215 . Durch den Widerstand der Länder und die Tatsache, dass die Länder<br />

innerhalb ihrer Gebiete „größten Wert auf uneingeschränkte Polizeihoheit“ 216<br />

legten, wurde 1931 der Reichswasserschutz wieder aufgelöst und seine Aufgabe<br />

durch neu eingerichtete Wasserschutzpolizeien der Länder wahrgenommen.<br />

Andere polizeirechtliche Regelungen von Bedeutung wurden gestützt auf Art. 9<br />

WRV nicht erlassen. Dennoch war der Wesensgehalt von Art. 9 WRV neu in<br />

211<br />

212<br />

213<br />

214<br />

215<br />

216<br />

Als zentrale Koordinierungsstelle fungierte in den zwanziger Jahren auch die DKK<br />

(Deutsche Kriminalpolizeiliche Kommission), die auf freiwilligem Zusammenschluss<br />

der Länder basierte. Zur DKK und der Rolle des Reichskriminalpolizeigesetzes während<br />

der Beratungen im Parlamentarischen Rat siehe S. 67.<br />

Konrad von Preger (1867-1933), Jurist, von 1919 bis 1932 bayerischer außerordentlicher<br />

Gesandter und bevollmächtigter Minister bei der Reichsregierung und den<br />

Staatsregierungen in Preußen und Sachsen, vgl. Vierhaus, Deutsche Biographische Enzyklopädie,<br />

Bd. 8, S. 61.<br />

RT-Prot. vom 17.07.1922, 253. Sitzung, S. 8663A.<br />

BVerfGE 1, 14 (34).<br />

Näheres zur Entwicklung der Strom- und Schifffahrtspolizei, S. 97.<br />

Pioch, PolR, 2. Aufl., S. 54.


44 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

der Systematik des deutschen Verfassungsrechtes, dessen Terminus „so weitreichend<br />

und dehnbar“ verstanden werden konnte, dass er einer „durch den Artikel<br />

erteilten Ermächtigung den Charakter einer Generalklausel verleihen“ würde 217 .<br />

Ebenso wie in der RV 1871 ist der „Grenzschutz“ in der WRV expressis verbis<br />

nicht genannt. In direktem Zusammenhang mit der Entstehung der Weimarer<br />

Republik sei an dieser Stelle erwähnt, dass im historischen Kontext der Begriff<br />

„Grenzschutz“ nicht unbekannt ist. Er taucht in Form des sogenannten „Grenzschutzes<br />

Ost“ erstmals 1918 auf. Es handelte sich hierbei um Freikorps- und<br />

sonstige militärische Verbände, die in den Ostprovinzen des Deutschen Reiches<br />

bis zur abschließenden völkerrechtlichen Grenzziehung den Schutz des betreffenden<br />

Reichsgebietes übernahmen. Diese Verbände führten jedoch keinen<br />

polizeilichen, sondern militärischen Grenzschutz durch. Die grenzpolizeiliche<br />

Komponente war, nachdem kurzzeitig auch die Reichswehr und die Schutzpolizei<br />

als Grenzpolizei eingesetzt worden waren 218 , wie in der RV 1871 ab 1922<br />

dem Zoll übertragen – mit dem Unterschied, dass durch die „Erzberger´schen<br />

Finanzreformen“ 219 das Reich über eine eigene Finanzverwaltung verfügte und<br />

die Vollzugsangehörigen der Reichszollverwaltung im sogenannten Zollgrenzdienst<br />

zusammengefasst waren. Die Regelung der Grenzverhältnisse an sich war<br />

im Sinne des Art. 78 WRV, bspw. zur Sicherung der Grenzzeichen, weiterhin<br />

Landessache 220 . Die Anfangszeit der Weimarer Republik war im Zusammenhang<br />

mit dem polizeilichen und militärischen Grenzschutz durch die enorme<br />

Erweiterung der Gesamtlänge der Landgrenzen geprägt. Durch die Abtrennung<br />

des Korridors zwischen dem Reichskernland und Ostpreußen entstand insgesamt<br />

eine Kontrolllinie von 8112 km 221 . Einhergehend mit der wirtschaftlichen Situation<br />

des Reiches zu dieser Zeit entstand an der Reichsgrenze ein besonderer<br />

217<br />

218<br />

219<br />

220<br />

221<br />

Anschütz, Verfassung des Deutschen Reiches, 14. Aufl., Art. 9, S. 86; ähnlich auch<br />

Giese, Verfassung des Deutschen Reiches, 7. Aufl., S. 72: „praktische Kompetenzerweiterung<br />

der Reichsgesetzgebung ins nahezu Ungemessene“.<br />

Vgl. Nakata, Der Grenz- und Landesschutz in der Weimarer Republik 1918 bis 1933,<br />

S. 107.<br />

Benannt nach dem Reichsfinanzminister Matthias Erzberger. Unter dem Einfluss der<br />

Nachkriegszeit, der wirtschaftlichen Lage und den hohen Reparationsforderungen erhielt<br />

das Reich die Hoheit über entscheidende Steuern wie Einkommen- und<br />

Umsatzsteuer. Durch die Finanzhoheit des Reiches in diesem Bereich entstand eine<br />

starke Zentralgewalt, vgl. Schuppert, in: Umbach/Clemens, GG, Bd. II, Vor<br />

Art. 104a ff. Rn. 10.<br />

Poetzsch-Heffter, Handkommentar der Reichsverfassung, 3. Aufl., Art. 78, S. 339.<br />

Eulitz, Der Zollgrenzdienst, S. 94.


§ 1 Polizei und Staatlichkeit 45<br />

Brennpunkt für die Vollzugskräfte, da es Schmuggel- und Schiebertätigkeit<br />

sowie illegalen Devisenhandel zu unterbinden galt, um die wirtschaftliche<br />

Lebensfähigkeit des Reiches aufrechtzuerhalten.<br />

Der Zollgrenzdienst der Weimarer Republik kann nach heutigem Verständnis<br />

als eine erste reichsweite Grenzpolizei verstanden werden, deren Aufgabe nicht<br />

nur die zollrechtliche Überwachung war, sondern auch die Durchführung der<br />

Passkontrolle und die Sicherung der Grenze im allgemeinpolizeilichen Sinn 222 .<br />

Neben diesen polizeilichen Aufgaben erhielt der Zollgrenzdienst ab 1929 eine<br />

engere Verbindung mit der Reichsverteidigung. Hier kam dem Zollgrenzdienst<br />

zum einen die Aufgabe zu, im Grenzgebiet militärische Aufklärung zu betreiben<br />

und Erfahrungen an die militärischen Dienststellen zu melden und zum anderen<br />

in Spannungszeiten die Grenze gegen Agitationen, Spionage und Nachrichtenschmuggel<br />

zu schützen, sowie im Angriffsfall ersten bewaffneten Widerstand<br />

bis zum Entsatz durch die Streitkräfte zu leisten 223 . Diese im Rahmen der<br />

Reichsverteidigung auf den Zollgrenzschutz entfallenden Aufgaben können als<br />

passendes Verbindungsglied zu den Verwendungen des Bundesgrenzschutzes<br />

gesehen werden. Die Sicherung der Bundesgrenze, auch gegen Spionage und<br />

Übergriffe der Volkspolizei, waren Haupttätigkeiten des Bundesgrenzschutzes<br />

224 .<br />

Gepräge und Aufgaben des Zollgrenzschutzes in der Weimarer Republik spielten<br />

ebenfalls eine besondere Rolle bei der Interpretation und Reichweite der<br />

Gesetzgebungskompetenz des Bundes über den Grenzschutz gemäß Art. 73 Ziff.<br />

5 GG a.F., da es im Rahmen der Auslegung des Begriffs darauf ankam, welche<br />

Intention und welches Bild der Verfassungsgeber beim Begriff „Grenzschutz“<br />

vor Augen hatte. Dies war in der Errichtungsphase des Bundesgrenzschutzes<br />

nicht unumstritten 225 .<br />

Die „unitarische Beschaffenheit der Reichsstaatsgewalt“ 226 in Weimar fand<br />

ihren Ausdruck auch in der erheblichen Machtfülle des Reichspräsidenten, der<br />

nach Art. 48 Abs. 2 WRV zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und<br />

222<br />

223<br />

224<br />

225<br />

226<br />

Ohrband, Der Grenzschutz in Deutschland seit dem Deutschen Reich 1871, S. 17.<br />

Eulitz, Der Zollgrenzdienst, S. 103.<br />

Vgl. hierzu S. 208 f.<br />

Siehe hierzu S. 147.<br />

Anschütz/Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. 1, § 19, S. 232.


46 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

Ordnung die nötigen Maßnahmen, auch mit Hilfe bewaffneter Macht, treffen<br />

konnte. Die bewaffnete Macht schloss mit ein, dass der Reichspräsident auch die<br />

Polizeien der Länder seinem Befehl unterstellen konnte 227 . In der Geschichte<br />

von Weimar ist dies nur einmal im bekannten „Preußenschlag“ geschehen.<br />

Aufgrund des Art. 48 WRV ordnete der Reichspräsident Hindenburg zur „Wiederherstellung<br />

der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Gebiet des Landes<br />

Preußen“ 228 die Bestellung eines Reichskommissars an, der u.a. ermächtigt war,<br />

die Dienstgeschäfte des Preußischen Ministerpräsidenten zu übernehmen. Zeitgleich<br />

wurde die „Verordnung des Reichspräsidenten, betreffend die Wiederherstellung<br />

der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Groß-Berlin und Provinz<br />

Brandenburg“ erlassen, welche dem Reichswehrminister gemäß § 2 der VO die<br />

gesamte Schutzpolizei des bezeichneten Gebietes unterstellte 229 . Die Machtfülle<br />

in Art. 48 WRV hatte erheblichen Einfluss darauf, dass bei der Gestaltung einer<br />

neuen deutschen Verfassung nach Ende des Zweiten Weltkrieges, keine Präsidialdiktatur<br />

oder eine Polizei als Staat im Staate ermöglicht wird.<br />

III. NS-Zeit<br />

Für die Beurteilung der Frage nach der historischen Entwicklung der polizeilichen<br />

Kompetenzen des Bundes im Bereich Grenzschutz liefert die Zeit des<br />

Regimes des Nationalsozialismus nur wenige erwähnenswerte Fakten. Die<br />

WRV blieb formal in Kraft, wurde aber durch einige Gesetze und Verordnungen<br />

im polizeilichen Bereich verfassungsdurchbrechend entgrenzt 230 .<br />

Der Zollgrenzdienst der Reichsfinanzverwaltung wurde weiter forciert, in die<br />

Reichsverteidigung eingegliedert und in „Zollgrenzschutz“ umbenannt. Verstärkte<br />

Abwehrbereitschaft und die Einleitung von Maßnahmen, welche<br />

militärische Auseinandersetzungen bewusst einbezogen, führten zu einer Einbindung<br />

von militärisch geschultem Personal aus der einheimischen<br />

Grenzbevölkerung in den Zollgrenzschutz zum „verstärkten Grenzaufsichts-<br />

227<br />

228<br />

229<br />

230<br />

Pioch, PolR, 2. Aufl., S. 60.<br />

So die Bezeichnung der VO des Reichspräsidenten vom 20.07.1932, RGBl I 1932,<br />

S. 377.<br />

RGBl I 1932, S. 377; die VO trat jedoch bereits am 26.07.1932 wieder außer Kraft.<br />

Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat v. 28.02.1933,<br />

RGBl. I 1933, S. 83.


§ 1 Polizei und Staatlichkeit 47<br />

dienst“ 231 . Die Vollzugsbeamten der Reichsfinanzverwaltung waren während<br />

der Zeit des Zweiten Weltkrieges über das europäischen Festland verteilt in den<br />

besetzten Gebieten eingesetzt und in der Endphase auch im direkten Kriegseinsatz<br />

eingebunden. Wenige Monate vor Kriegsbeginn 1939 trat ein neues<br />

Zollgesetz in Kraft, welches in der Zeit des vereinigten Wirtschaftsgebietes<br />

1948/49 und der dortigen kurzzeitigen speziellen Entwicklung im Bereich<br />

Grenzschutz ein Fixpunkt in Bezug auf polizeiliche Befugnisse war 232 .<br />

Insgesamt lässt sich die Verreichlichung der Polizei in der Zeit ab 1933 233 an der<br />

Übernahme des Oberbefehls über nahezu alle polizeilichen Exekutivkräfte durch<br />

den Reichsführer SS Heinrich Himmler und die sogenannte „Gleichschaltung<br />

der Länder“ beschreiben. Durch das vorläufige Gesetz zur Gleichschaltung der<br />

Länder mit dem Reich wurden die Landesregierungen zur Gesetzgebung ermächtigt<br />

und die Volksvertretungen der Länder aufgelöst 234 . Dies stellte einen<br />

ersten Schritt zur organisatorischen Zusammenfassung der Polizei im Reich<br />

dar 235 . 1936 wurde per Erlass verfügt, dass mit dem Ziel der „einheitlichen<br />

Zusammenfassung der polizeilichen Aufgaben im Reich“ Himmler Chef der<br />

Deutschen Polizei wurde 236 . Tatsächliche Absicht war die Schaffung einer<br />

Verbindung zwischen Exekutivgewalt und NSDAP – die Vollendung eines<br />

Überwachungs- und Unterdrückungsstaates 237 .<br />

Die Erfahrungen aus der Zeit des Nationalsozialismus haben stark den Geist der<br />

Verfassungsväter dahingehend geprägt, nie wieder derartige Macht- und Unrechtsstrukturen<br />

zu ermöglichen, und eine besondere Sensibilität hervorgerufen,<br />

wenn die Verteilung von Polizeibefugnissen Gegenstand in Beratungen des<br />

Parlamentarischen Rates war 238 .<br />

231<br />

232<br />

233<br />

234<br />

235<br />

236<br />

237<br />

238<br />

Eulitz, Der Zollgrenzdienst, S. 103; ausführlich zur Geschichte des Zollgrenzschutzes<br />

bis 1945: Ohrband, Der Grenzschutz in Deutschland seit dem Deutschen Reich 1871,<br />

S. 17 ff.<br />

Siehe S. 79 f.<br />

Tiefgehende Übersicht über die Polizei im Dritten Reich bei: Pioch, PolR, 2. Aufl.,<br />

S. 62 ff.<br />

Vorläufiges Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich v. 31.03.1933,<br />

RGBl. I 1933, S. 153.<br />

Winter, Politikum Polizei, S. 52; vgl. hierzu auch, Schwerin, in: Becker/Studt (Hrsg.),<br />

Der Umgang des Dritten Reiches mit den Feinden des Regimes, S. 101.<br />

Vgl. Erlass über die Einsetzung eines Chefs der Deutschen Polizei vom 17.06.1936,<br />

RGBl I 1936, S. 487.<br />

Pioch, PolR, 2. Aufl., S. 65.<br />

Der Parl. Rat, Bd. 3, S. 158.


48 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

E. Zusammenfassung<br />

Die historische Betrachtung der Polizeiorganisation hat gezeigt, dass der Bund<br />

traditionell keine gewachsenen Gesetzgebungskompetenzen für den Bereich der<br />

Vollzugspolizei innehatte. Eine Ausnahme bildete hier nur die Bahnpolizei in<br />

der Weimarer Republik. Gegen andere Polizeibehörden auf Reichsebene hatten<br />

sich die Länder erfolgreich behaupten können. Der Reichwasserschutz (Wasserschutzpolizei)<br />

sowie das Reichskriminalpolizeiamt wurden wieder aufgelöst<br />

bzw. erlangten nie einschlägige Bedeutung. Eine reichsweite Grenzpolizei<br />

existierte nicht; die Aufgaben des polizeilichen Grenzschutzes wurden von den<br />

Vollzugsbeamten der Zollverwaltung und den Landespolizeibeamten wahrgenommen.<br />

Die allgemeine Polizei war in den Ländern organisiert. Das Reich,<br />

welchem ebenso wie den Ländern Staatsqualität zukam, verfügte jedoch über<br />

andere Machtmittel in Form der Reichswehr sowie der Möglichkeit des Zugriffs<br />

auf die Landespolizeien über Art. 48 WRV. Über bewaffnete Vollzugskräfte als<br />

Wesensmerkmal des Staates konnte der Bund 1949 jedoch nicht verfügen.<br />

Weder eine Streitkraft noch eine eigene Polizei waren auf Bundesebene vorhanden.<br />

Otto Suhr bemerkte zutreffend während den ersten Ausschusssitzungen im<br />

Parlamentarischen Rat, dass der Bund „keine Wehrmacht, wahrscheinlich keine<br />

Polizeigewalt haben wird“ 239 . Dennoch konnte der Verfassungsgeber 1948/49<br />

im Laufe der Verhandlungen erreichen, dass im Grundgesetz die Gesetzgebungskompetenz<br />

des Bundes über den Zoll- und Grenzschutz in Art. 73 Ziff. 5<br />

GG a.F. sowie die Möglichkeit des Zugriffs auf die Polizeien der Länder gemäß<br />

Art. 91 GG bei einer Gefahr für den Bestand des Bundes aufgenommen wurden.<br />

Es stellt sich die Frage, wie die Gesetzgebungskompetenz über den polizeilichen<br />

Grenzschutz Aufnahme in das Grundgesetz fand und unter welchen Einflüssen<br />

und mit welchen Absichten die Bundesregierung die Errichtung des Bundesgrenzschutzes<br />

als Sonderpolizei des Bundes vollzogen hat. Im nächsten Schritt<br />

wird zunächst detailliert zu untersuchen sein, welche Einwirkung die alliierten<br />

Besatzungsmächte und die oben dargestellte historische Polizeientwicklung in<br />

Deutschland auf den Verfassungsgeber bei der Errichtung der Gesetzgebungskompetenz<br />

des Bundes über den Grenzschutz ausübten.<br />

239<br />

Der Parl. Rat, Bd. 12, Dok Nr. 2, S. 29.


§ 2 Ursprung der Polizeikompetenzen des Bundes im Grundgesetz 49<br />

§ 2 Ursprung der Polizeikompetenzen des Bundes im Grundgesetz<br />

A. Einleitung<br />

In der Zeitspanne von der Konstituierung des Parlamentarischen Rates am 1.<br />

September 1948 bis zur letzten Sitzung des Hauptausschusses am 6. Mai 1949<br />

gab es keine Beratungen, Gedanken oder Pläne über einen auf Bundesebene<br />

angesiedelten Grenzschutz. Die Einfügung des Wortes „Grenzschutz“ geht<br />

vielmehr auf den Polizeibrief der Alliierten vom 14. April 1949 zurück. Dessen<br />

Umsetzung gestaltete sich politisch weitgehend unauffällig 240 . Gleichwohl<br />

wurde um anderweitige Polizeikompetenzen des Bundes, wie der Einrichtung<br />

einer Bundesbereitschaftspolizei und eines Bundeskriminalamtes, heftig gestritten.<br />

Die Zuständigkeit der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes über den<br />

Grenzschutz hielt erst in den letzten Zügen der Beratungen des Parlamentarischen<br />

Rates Einzug in das Grundgesetz. Vorherige Entwürfe zu Art. 73. Ziff. 5<br />

enthielten lediglich folgenden Wortlaut:<br />

„Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über die Einheit des<br />

Zoll- und Handelsgebietes, die Handels- und Schifffahrtsverträge, die<br />

Freizügigkeit des Warenverkehrs und den Waren- und Zahlungsverkehr<br />

mit dem Ausland“ 241 .<br />

B. Polizei auf Bundesebene in Entwürfen für die neue deutsche Verfassung<br />

Bereits noch während des Krieges wurden die ersten Grundsätze und Vorgedanken<br />

für eine neue deutsche demokratische Verfassung von den verschiedensten<br />

Gruppierungen und Personen aufgestellt 242 – so etwa auch vom bekannten<br />

240<br />

241<br />

242<br />

Siehe S. 74 f.<br />

Im Zuge der verschiedenen Entwürfe wurden mehrere redaktionelle Änderungen<br />

durchgeführt. So waren die Normen über die ausschließliche Gesetzgebung anfangs<br />

nicht in Art. 73, sondern in Art. 35 zu finden. Veränderungen wurden in den Beratungen<br />

bis zum 06.05.1949 nur in Bezug auf die Ergänzung um die Formulierung „Waren- und<br />

Zahlungsverkehr mit dem Ausland“ vorgenommen.<br />

Eine umfangreiche Übersicht der Entwürfe findet sich bei: Benz, Zur Geschichte des<br />

Grundgesetzes, Entwürfe und Diskussionen 1945-1949.<br />

D. Parma, Installation und Konsolidierung des Bundesgrenzschutzes 1949 bis 1972,<br />

DOI 10.1007/978-3-<strong>658</strong>-<strong>10928</strong>-8_2, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2016


50 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

Kreisauer Kreis in den sogenannten „Grundsätzen für eine Neuordnung“ von<br />

1943 243 . Viele der Entwürfe knüpften an die WRV und die Tradition des deutschen<br />

Föderalismus an. In Bezug auf das Polizeiwesen des Bundes lieferten die<br />

meisten Entwürfe keine nennenswerten Erkenntnisse, bzw. es ist keine ausdrückliche<br />

Auseinandersetzung mit dieser Thematik vorhanden. Nur einige<br />

wenige Verfassungsentwürfe sahen Kompetenzen für den Bund im Bereich<br />

Polizei vor. Die Darstellung der Entwürfe der beiden großen demokratischen<br />

Parteien sowie die bedeutende Vorarbeit des Verfassungskonvents auf Herrenchiemsee<br />

dienen der Vervollständigung einer historischen Entwicklungsbetrachtung<br />

der Polizeikompetenzen auf Bundesebene.<br />

Aus dem Kreis der SPD entwickelten sich mehrere Konzepte für eine Verfassung.<br />

Im November 1946 erstellte der Parteivorstand die sogenannten<br />

„Nürnberger Richtlinien für den Aufbau der Deutschen Republik“ aus, welche<br />

inhaltlich eng an die WRV gekoppelt waren und den offiziellen Verfassungsentwurf<br />

der Sozialdemokraten darstellten 244 . Der Innenminister des Landes<br />

Nordrhein-Westfalen, Walter Menzel 245 (SPD), erarbeite im Jahr 1948 selbst<br />

einen ersten Entwurf für eine Verfassung, der als „Menzel-Entwurf“ oder<br />

„Westdeutsche Satzung“ bekannt ist 246 (auch der wenig später erstellte sogenannte<br />

„Zweiten-Menzel-Entwurf“ 247 geht auf ihn zurück). Der erste Menzel-<br />

Entwurf sah in § 4 Ziff. 8 vor, dass der Bund, angelehnt an Art. 9 WRV, u.a. die<br />

Gesetzgebung über den Schutz der öffentlichen Ordnung haben müsse. In seinem<br />

zweiten Entwurf konkretisierte Menzel dies dahingehend, dass die Materie<br />

im Rahmen der Vorranggesetzgebung, heute bezeichnet als konkurrierende<br />

Gesetzgebung, dem Bund zukommen solle 248 . Das Fehlen einer Exekutive auf<br />

Bundesebene, vor allem das Nichtvorhandensein einer Wehrmacht, veranlasste<br />

243<br />

244<br />

245<br />

246<br />

247<br />

248<br />

Vgl. Benz, Zur Geschichte des Grundgesetzes, S. 94 ff.; Van Roon, Neuordnung im<br />

Widerstand, S. 561 ff.<br />

Dörr, Die SPD im Parlamentarischen Rat 1948/1949, S. 46.<br />

Walter Menzel (1901-1963), Rechtsanwalt, Richter, seit 1921 Mitglied der SPD,<br />

Verfassungsexperte der SPD („Menzel-Entwurf“ zum GG), Mitglied des Landtages<br />

NRW von 1946 bis 1954, Innenminister NRW, Mitglied des Parlamentarischen Rates,<br />

Mitglied des Bundestages von 1949 bis 1963, Gegner der Wiederbewaffnung, vgl.<br />

Vierhaus/Herbst (Hrsg.), Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages<br />

1949-2002, Bd. 1, S. 554.<br />

Text bei Benz, Zur Geschichte des Grundgesetzes, Entwürfe und Diskussionen 1945-<br />

1949, S. 367 ff.<br />

Text bei Benz, Zur Geschichte des Grundgesetzes, Entwürfe und Diskussionen 1945-<br />

1949, S. 391 ff.<br />

Vgl. § 3 Ziff. 17 Zweiter-Menzel-Entwurf, bei Benz (Fn. 243).


§ 2 Ursprung der Polizeikompetenzen des Bundes im Grundgesetz 51<br />

Menzel dazu, den Bereich der öffentlichen Sicherheit, auch wenn nur im Rahmen<br />

der Vorranggesetzgebung, in seinem Entwurf zu Gunsten des Bundes zu<br />

regeln 249 . Teilweise sind in der Literatur auch anderslautende Auffassungen zu<br />

vernehmen. Otto Küster 250 verfasste 1948 einen Aufsatz mit dem Titel „Föderative<br />

Probleme einer deutschen Verfassung“ und führte aus, dass dem Reich<br />

keine Bedarfsgesetzgebung wie in Weimar für Wohlfahrtspflege und öffentliche<br />

Sicherheit eingeräumt werden dürfe 251 .<br />

Die vorgehend verwendeten Begriffe der „Vorranggesetzgebung“ und der<br />

„Bedarfsgesetzgebung“ haben keinen Einzug in das Grundgesetz gehalten.<br />

Vorranggesetzgebung meint die konkurrierende Gesetzgebung, also das Recht<br />

der Länder zur Gesetzgebung, solange und sofern der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht<br />

keinen Gebrauch gemacht hat (Art. 72 GG). Die Bezeichnung<br />

„Vorrang“ soll jedoch ausdrücken, dass der Bund jederzeit unter bestimmten<br />

Voraussetzungen (Art. 72 Abs. 2 GG a.F.) die Gesetzgebungskompetenz der<br />

Länder „suspendieren“ kann, während den Ländern hingegen keine solche<br />

Kompetenz zusteht 252 . Vorranggesetzgebung bedeutet somit die „Möglichkeit<br />

des Bundes, die Landesgesetzgebung schlechthin zu verdrängen“ 253 . Dem Art.<br />

72 GG liege ein Muster „unechter Konkurrenz zugrunde“, weshalb während der<br />

Beratungen auf dem Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee von Vorranggesetzgebung<br />

gesprochen wurde 254 . In der Literatur findet diese Bezeichnung<br />

vereinzelt auch heute noch in Bezug auf Art. 72 GG Verwendung 255 . Die sogenannte<br />

„Bedürfnis-“ oder „Bedarfsgesetzgebung“ war bereits in Art. 9 der WRV<br />

249<br />

250<br />

251<br />

252<br />

253<br />

254<br />

255<br />

Werkentin, Die Restauration der deutschen Polizei, S. 72; Beratungen im Parlamentarischen<br />

Rat zu dem zweiten Menzel-Entwurf, in: Der Parl. Rat, Bd. 3, Dok. Nr. 4,<br />

S. 156 ff.<br />

Otto Küster (1907-1989), Jurist, Staatsbeauftragter für die Wiedergutmachung in<br />

Baden-Württemberg, stellvertretender Leiter der deutschen Delegation an den deutschisraelischen<br />

Verhandlungen in Den Haag 1952, Abteilungsleiter im Landesjustizministerium<br />

Baden-Württemberg, vgl. Lehmann-Richter, Auf der Suche nach den Grenzen<br />

der Wiedergutmachung, S. 54 ff.<br />

Küster, SJZ 3/1948, 118 (121): „Die Reichsgesetzgebung von solchen griffbereiten<br />

Voraussetzungen abhängig machen, hieße auf unabsehbaren Gebieten die Gesetzgebung<br />

an das Reich vergeben, ohne es gesagt haben zu wollen.“<br />

Umbach/Clemens, in: ders., GG, Bd. II, Art. 72 Rn. 8.<br />

Der Parl. Rat, Bd. 2, Dok. Nr. 14, S. 526.<br />

Umbach/Clemens, in: ders., GG, Bd. II, Art. 72 Rn. 8.<br />

So bspw. bei Härtel, in: ders., Handbuch Föderalismus, Bd. I, 2012, § 19 Rn. 106;<br />

Degenhart, Staatsrecht I, 27. Aufl., § 3 Rn. 181; Hanschel, Konfliktlösung im Bundesstaat,<br />

S. 115.


52 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

enthalten 256 . Ein Bedürfnis zum i.S.v. Art. 9 WRV lag vor, wenn „das Nebeneinander<br />

nicht übereinstimmender Landesgesetze über ein und dieselbe Materie<br />

das Reichsinteresse oder sonstige erhebliche Allgemeininteressen“ schädigte 257 .<br />

Das Vorliegen dieses Tatbestandes war jedoch keine Rechts-, sondern eine<br />

„Ermessensfrage“ 258 . Vereinzelt fand auch der Begriff der Bedarfsgesetzgebung<br />

in Bezug auf Art. 72 GG Verwendung 259 , obwohl er hier nicht passend erscheint.<br />

Die Entwürfe der CDU/CSU sind im Bereich Polizei weniger detailliert. Einige<br />

namhafte Politiker aus Unionskreisen schlossen sich 1947 im sogenannten<br />

„Ellwanger-Kreis“ zusammen und berieten über Verfassungsfragen einschließlich<br />

der Erstellung eines Entwurfes, welcher als der „Ellwanger-Entwurf“<br />

bekannt geworden ist 260 . Die Rezeption des Ellwanger-Entwurfes hat nicht die<br />

gleiche Reichweite wie die des Menzel-Entwurfes. Dennoch schlug der hessische<br />

Staatssekretär Walter Strauß 261 (CDU) im Parlamentarischen Rat aufgrund<br />

des Ellwanger-Entwurfes die Aufnahme des Bundeskriminalwesens in die<br />

Vorranggesetzgebung des Bundes vor 262 . Weitere Berührungspunkte des Ellwanger-Entwurfes<br />

im Zusammenhang mit dem Polizeiwesen sind nicht<br />

vorhanden. Walter Strauß und Wilhelm Laforet 263 (CSU) waren die Experten der<br />

Union im Ausschuss für Zuständigkeitsabgrenzung im Parlamentarischen Rat.<br />

Laforet war Föderalist, Bayer und entschiedener Gegner der Aufnahme von<br />

Bundeskompetenzen im Bereich Kriminalwesen oder Bereitschaftspolizei.<br />

Insgesamt gilt der Ellwanger-Kreis als „extrem föderativ“ und trat unabhängig<br />

256<br />

257<br />

258<br />

259<br />

260<br />

261<br />

262<br />

263<br />

Artikel 9 WRV: „Soweit ein Bedürfnis für den Erlaß einheitlicher Vorschriften vorhanden<br />

ist, hat das Reich die Gesetzgebung über: 1. die Wohlfahrtspflege; 2. den Schutz der<br />

öffentlichen Ordnung und Sicherheit“.<br />

Härtel, in: ders., Handbuch Föderalismus, Bd. I, 2012, § 19 Rn. 13.<br />

Gusy, Die Weimarer Reichsverfassung, S. 237.<br />

So bei: Hettlage, VVDStRL 14 (1956), 2 (22); Hahn-Lorber, Parallele Gesetzgebungskompetenzen,<br />

S. 146.<br />

Zum Ellwanger Kreis: Utz, Der Staatssekretär Walter Strauß, S. 156 ff.<br />

Walter Strauß (1900-1976), Jurist, Mitglied der CDU, Mitglied des Parlamentarischen<br />

Rates, Staatssekretär im Bundesjustizministerium 1949 bis1963, Kammerpräsident des<br />

Europäischen Gerichtshofs, vgl. Utz, Der Staatssekretär Walter Strauß, S. 11 ff.<br />

Der Parl. Rat, Bd. 3, S. XXVII.<br />

Wilhelm Georg Josef Laforet (1877-1959), Jurist, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht<br />

an der Universität Würzburg von 1927 bis 1951, seit 1945 Mitglied der CSU,<br />

Mitglied des Parlamentarischen Rates, Mitglied des Bayerischen Landtages 1946-1949,<br />

Mitglied des Bundestages von 1949 bis 1953, vgl. Vierhaus/Herbst (Hrsg.), Biographisches<br />

Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949-2002, Bd. 1, S. 476.


§ 2 Ursprung der Polizeikompetenzen des Bundes im Grundgesetz 53<br />

von der Aufnahme des Bundeskriminalwesens in die Vorranggesetzgebung des<br />

Bundes gegen eine zentrale Polizeigewalt ein 264 .<br />

Die bekannteste und wirkungsmächtigste Vorarbeit zum Grundgesetz bildete der<br />

Verfassungsentwurf vom Herrenchiemsee (HChE) aus dem Jahr 1948. Aufgrund<br />

der Prämissen der Frankfurter Dokumente erarbeiteten Sachverständige aus<br />

allen westlichen Ländern vom 10. bis 25. August 1948 auf der Insel Herrenchiemsee<br />

in Bayern eine provisorische Verfassung, die dem Parlamentarischen<br />

Rat als Arbeitsgrundlage diente. Maßgebliche Vorgaben aus den Frankfurter<br />

Dokumenten waren die Errichtung einer föderalistischen Regierungsform,<br />

welche „die Rechte der beteiligten Länder schützt, eine angemessene Zentralinstanz<br />

schafft und die Garantie der individuellen Rechte und Freiheiten<br />

enthält“ 265 . In Abgrenzung zu dem Menzel-Entwurf oder dem Ellwanger-<br />

Entwurf nimmt der HChE in Sachen öffentliche Sicherheit und Bedarfsgesetzgebung<br />

keinen Bezug zur WRV. Der HChE stellt überhaupt eine Abkehr von<br />

der Viergliederung 266 der Gesetzgebungszuständigkeit hin zur Zweigliederung 267<br />

der heutigen Form dar 268 . Konkret sah der HChE im Bereich der ausschließlichen<br />

Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes die „Einheit des Zoll- und<br />

Handelsgebietes, Zoll- und Handelsverträge und Freizügigkeit des Warenverkehrs“<br />

vor 269 . Wie in der RV 1871 und der WRV findet der Grenzschutz selbst<br />

keine Erwähnung im HChE. Auch sonstige Gesetzgebungskompetenzen des<br />

Bundes im Bereich der öffentlichen Sicherheit, wie beispielsweise in Anlehnung<br />

an Art. 9 WRV, sind im HChE nicht enthalten.<br />

Der HChE bildete das Grundgerüst für die Arbeit des Parlamentarischen Rates.<br />

Die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes für die Wasser- und Schifffahrtspolizei,<br />

den Grenzschutz sowie das Bundeskriminalwesen enthielt der HChE<br />

allerdings nicht. Insgesamt zeigte sich, dass die Entwürfe zum Grundgesetz den<br />

Bereich Polizeiwesen nicht ausführlich behandelten. Diejenigen Entwürfe, die<br />

264<br />

265<br />

266<br />

267<br />

268<br />

269<br />

Foerster, in: MGFA, Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik, Bd. 1, S. 485.<br />

Dokumente zur zukünftigen Entwicklung Deutschlands („Frankfurter Dokumente“);<br />

vgl. Der Parl. Rat, Bd. 1, Dok. Nr. 4, S. 30 ff.<br />

Ausschließliche Gesetzgebung, konkurrierende Gesetzgebung, Bedarfsgesetzgebung<br />

und Grundsatzgesetzgebung.<br />

Ausschließliche Gesetzgebung und Vorranggesetzgebung (auch konkurrierende Gesetzgebung).<br />

Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, S. 28.<br />

Art. 35 Ziff. 5 HChE.


54 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

enge Anlehnung an die WRV im Bereich der öffentlichen Sicherheit, also<br />

vormals Art. 9 WRV, formulierten, waren schwer mit den Grundsätzen aus den<br />

Frankfurter Dokumenten in Einklang zu bringen. Denn eine „föderalistische<br />

Staatsform“, welche die „Rechte der beteiligten Länder schützt“ 270 , steht einer<br />

Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Bereich der öffentlichen Sicherheit<br />

diametral entgegen. Somit hat der HChE eine föderalistische Prägung, der<br />

die Gesetzgebungskompetenzen auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit den<br />

Ländern zuschreibt. Lediglich in einem Punkt geht auch der HChE davon aus,<br />

dass der Bund zumindest Zugriff auf Polizeikräfte haben muss, auch wenn ihm<br />

im Bereich des Polizeiwesens keinerlei Gesetzgebungskompetenz zukommt.<br />

Art. 115 HChE regelte den Bundeszwang. Die Sachverständigen auf Herrenchiemsee<br />

erkannten richtigerweise, dass der Bund „waffenlos“ 271 sei und somit<br />

zur Durchführung des Bundeszwanges gemäß Art. 115 HChE sich im Bedarfsfall<br />

der Polizeikräfte der Länder müsse bedienen können. Erst mit dem<br />

Polizeibrief änderte sich die Situation in Hinblick auf die Gesetzgebungskompetenzen<br />

des Bundes grundlegend, da dieser es dem Bund ermöglichte, eigene<br />

Polizeikompetenzen zu begründen. Der Polizeibrief war ein Dokument der<br />

Alliierten in Form eines Memorandums. Nachfolgend werden zunächst alle<br />

bedeutenden Einflussnahmen der Alliierten auf die Arbeit des Parlamentarischen<br />

Rates untersucht, welche für die Materie der inneren Sicherheit von Belang<br />

waren.<br />

C. Einflüsse der Alliierten Hohen Kommission<br />

Die Beschlüsse der Dreimächtekonferenz von Potsdam am 2. August 1945<br />

enthielten die das Staatswesen betreffenden zentralen Kernaussagen wie u.a.<br />

„Dezentralisierung und Demilitarisierung“ 272 . Vor allem der Grundsatz der<br />

Dezentralisierung spiegelte sich auch im Aufbau der deutschen Polizei in den<br />

westlichen Besatzungszonen wieder. Grundsätzlich regelten die einzelnen<br />

Besatzungsmächte den Wiederaufbau in den jeweiligen Besatzungszonen selbst<br />

und dies überwiegend unterschiedlich. Ein Kontrollratsbeschluss vom 10. Mai<br />

270<br />

271<br />

272<br />

So die Formulierung im Dokument Nr. 1, abgedruckt in: Der Parl. Rat, Bd. 1, Dok.<br />

Nr. 4, S. 30 f.<br />

Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, S. 52.<br />

Wortlaut der Potsdamer Beschlüsse, in: Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland<br />

1945, Ergänzungsblatt Nr. 1, S. 13-19; Rauschning, Die Gesamtverfassung Deutschlands,<br />

S. 97 ff.


§ 2 Ursprung der Polizeikompetenzen des Bundes im Grundgesetz 55<br />

1946 gestattete die Errichtung einer bewaffneten Bahnpolizei als Sonderpolizei<br />

des Bundes in jeder Besatzungszone 273 . Andere polizeiliche länderübergreifende<br />

Einrichtungen waren in den westlichen Besatzungszonen nicht vorgesehen. In<br />

der sowjetischen Besatzungszone gestaltete sich der Aufbau der überregionalen<br />

Polizeiorgane kompakter und forcierter. Bereits am 1. September 1945 befahl<br />

die Sowjetische Militäradministration (SMAD) die Bildung von Bahnpolizeiformationen<br />

274 . Weiterhin wurde in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ)<br />

neben der regulären Volkspolizei, welche bis 1949 eine Stärke von 75.000 Mann<br />

erreichen sollte, 1946 die Grenzpolizei 275 sowie 1948 die kasernierte Volkspolizei<br />

276 errichtet. Die Aufgaben der Grenzpolizei in der SBZ waren zunächst<br />

deckungsgleich mit denjenigen der Landesgrenzpolizeien in den westlichen<br />

Besatzungszonen. Im Einzelnen gehörte hierzu die Unterbindung von „zahlreichen<br />

unkontrollierten Grenzübertritten von Schiebern, Kriegsheimkehrern oder<br />

Flüchtlingen“ 277 . Die Polizeistruktur in der SBZ wurde in den ersten Nachkriegsjahren<br />

im Gegensatz zu den westlichen Besatzungszonen beständig<br />

ergänzt und unter einer gemeinsamen Behörde, der Deutschen Verwaltung des<br />

Inneren (DVdI), zentralisiert 278 .<br />

Eine solidarische Fortentwicklung der Verwaltung in den verschiedenen Besatzungszonen<br />

war jedoch spätestens seit der Außenministerkonferenz der<br />

Siegermächte am 15. Dezember 1947 in London nicht mehr gegeben. Das<br />

Scheitern einer gemeinsamen Deutschlandpolitik der alliierten Siegermächte<br />

war Wirklichkeit geworden. Der Misserfolg der Konferenz war eine „äußerst<br />

dynamische Entwicklung, die zum Zusammenbruch der Viermächteverwaltung<br />

für Deutschland und Berlin und letztlich zur Bildung zweier deutscher Teilstaaten<br />

führte“ 279 . Manifestiert wurde diese Entwicklung mit dem Abzug des<br />

273<br />

274<br />

275<br />

276<br />

277<br />

278<br />

279<br />

Teilabdruck des Kontrollratsbeschlusses, bei: Kleuss, DBP 1953, 3; Original siehe<br />

Fn. 442.<br />

Mittmann, in: Diedrich/Ehlert/Wenzke, Im Dienste der Partei, Handbuch der bewaffneten<br />

Organe der DDR, S. 548.<br />

Zur Grenzpolizei/Grenztruppen der DDR: Ehlert, Die Militär- und Sicherheitspolitik in<br />

der SBZ, Bibliographie, Die Entwicklung der bewaffneten Kräfte in der SBZ, S. 367 ff.<br />

Vollständige Darstellung zur Volkspolizei der DDR bei: Lindenberger, in:<br />

Diedrich/Ehlert/Wenzke, Im Dienste der Partei, Handbuch der bewaffneten Organe der<br />

DDR, S. 97 ff.<br />

Grafe, in: Ehlert/Rogg, Militär, Staat und Gesellschaft in der DDR, S. 337.<br />

Wenzke/Zündorf, in: MGFA, Grundkurs deutsche Militärgeschichte, Bd. 3, S. 48.<br />

BArch, Akten zur Vorgeschichte der BRD, S. 7.


56 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

sowjetischen Militärgouverneurs Sokolowski 280 aus dem Alliierten Kontrollrat<br />

im März 1948 aufgrund der Differenzen auf der Sechs-Mächte-Konferenz und<br />

der Gründung der Westeuropäischen Union 281 . Erst mit der Konstituierung des<br />

Parlamentarischen Rates erlangte die Frage nach polizeilichen Zuständigkeiten,<br />

auch wenn in zunächst äußerst unbedeutender Weise, wieder Wichtigkeit.<br />

Schwerpunkt bei der Gestaltung des zukünftigen westdeutschen Staates war<br />

jedoch die Polizeifrage isoliert betrachtet nie; vielmehr war sie im Vergleich zu<br />

den bedeutenden Fragestellungen, wie der grundsätzlichen Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen<br />

zwischen Bund und Ländern oder der Finanzverfassung,<br />

geradezu nachrangig. Jedoch boten mehrere Einflussnahmen der<br />

Westalliierten in den Beratungsverlauf Anlass, die polizeilichen Zuständigkeiten<br />

des Bundes zu thematisieren 282 . Vor allem der Polizeibrief kann als richtungweisend<br />

betrachtet werden, da dieser bis zum Frühjahr 1949 nicht vorhandene<br />

Bundeskompetenzen im Bereich Polizei ausdrücklich auswies.<br />

I. Memoranden<br />

Die westlichen Alliierten unterhielten nach der Konstituierung des Parlamentarischen<br />

Rates Verbindungsbüros, die sich untereinander informierten und die<br />

Prozesse und Vorgänge im Parlamentarischen Rat genau verfolgten 283 . Weiterhin<br />

nahmen die Militärgouverneure im Verlauf der Beratungen des<br />

Parlamentarischen Rates mehrmals Stellung zu den erarbeiteten Entwürfen des<br />

Grundgesetzes. Diese Stellungnahmen werden als Memoranden bezeichnet.<br />

Auch der Polizeibrief aus dem Jahr 1949 ist der Terminologie nach ein Memorandum,<br />

wird jedoch retrospektiv aufgrund seiner historisch charakterisierenden<br />

280<br />

281<br />

282<br />

283<br />

Wassili Dawidowitsch Sokolowski (1897-1968), Marschall der Sowjetunion, Oberbefehlshaber<br />

der sowjetischen Besatzungstruppen und Chef der SMAD, Mitglied des<br />

Alliierten Kontrollrates, vgl. Broszat/Weber (Hrsg.), SBZ Handbuch, S. 1032.<br />

Vgl. Hesse/Ellein, Das Regierungssystem der Bundesrepublik, S. 412. Zur Londoner-<br />

Sechsmächtekonferenz 1948, auf der eine gemeinsames deutschlandpolitisches Konzept<br />

erarbeitet werden sollte, siehe: Blank, Die Westdeutschen Länder und die Entstehung<br />

der Bundesrepublik, S. 27 ff.<br />

Ausführliche Darstellung der Deutsch-Alliierten Kontroverse um den Grundgesetzentwurf,<br />

bei: Grabbe, VfZ, 3/1978, 393 ff.; ebenso zu den Einflussnahmen der alliierten<br />

Militärgouverneure: Abbühl, Der Aufgabenwandel des Bundeskriminalamtes,<br />

S. 67 ff.<br />

Zum Einfluss der Militärregierungen auf den Parlamentarischen Rat: Birke/Wengst,<br />

Verfassung, Parlament und Parteien, Bd. 41, S. 13 ff.; Feldkamp, Der Parlamentarische<br />

Rat und das Grundgesetz für die BRD 1948 bis 1949, S. 38 ff.


§ 2 Ursprung der Polizeikompetenzen des Bundes im Grundgesetz 57<br />

Funktion als Polizeibrief bezeichnet. Die Polizeipolitik der Alliierten änderte<br />

sich im Zeitraum 1948 bis 1951 relativ deutlich. So ist im ersten Memorandum<br />

eine zögerliche und beschränkende Haltung erkennbar, die einer späteren Bundesregierung<br />

keine weiteren Befugnisse auf dem Gebiet der Polizei geben<br />

wollte. Das Memorandum vom 22. November 1948 wird als „Interpretationshinweis“<br />

284 bezeichnet. Im Polizeibrief dagegen werden neue Befugnisse<br />

explizit sichtbar. In einer Gesamtbewertung, vom ersten Memorandum 1948 bis<br />

hin zur Frage danach, ob die Bundesregierung 1951 eigene bewaffnete Einheiten<br />

aufstellen konnte, lässt sich eine positive Korrelation zwischen dem aufkeimendem<br />

Konflikt 285 , bedingt durch das antagonistische Weltbild der Supermächte<br />

und der Haltung der Alliierten zu Befugnissen des Bundes auf dem Gebiet der<br />

Polizei, feststellen.<br />

1. Memorandum vom 22. November 1948<br />

Die Militärgouverneure nahmen am 22. November 1948 Stellung zu dem ersten<br />

Entwurf einer demokratischen Verfassung des Parlamentarischen Rats 286 . In<br />

diesem Memorandum 287 an den Präsidenten des Parlamentarischen Rates wollten<br />

die Alliierten mitteilen, auf welche Weise die in den Frankfurter<br />

Dokumenten 288 aufgestellten Grundsätze ausgelegt werden können, denn „die<br />

Schaffung einer demokratischen föderalistischen Regierung [könne] auf verschiedene<br />

Weise erfolgen“ 289 . Im Einzelnen sollte die zukünftige Verfassung<br />

Deutschlands in „möglichst hohem Grade“ vorsehen, dass die Befugnisse der<br />

Bundesregierung „auf dem Gebiet der Polizei auf diejenigen beschränkt sind,<br />

die während der Besatzung von den Militärgouverneuren ausdrücklich gebilligt<br />

worden sind“ 290 . Diese im Memorandum festgelegten Grundsätze gehen zurück<br />

284<br />

285<br />

286<br />

287<br />

288<br />

289<br />

290<br />

Stern, Staatsrecht, Bd. V, S. 1287.<br />

Siehe hierzu S. 115 ff.<br />

Entwurf zum Grundgesetz, abgedruckt in: Der Parl. Rat, Bd. 7, Dok. Nr. 3, Nr. 4; vgl.<br />

hierzu auch: Drucksache des Parlamentarischen Rates Nr. 282 vom 16. November 1948,<br />

in: Parlamentarischer Rat, Fundstellenverzeichnis, S. 20.<br />

Dieses Memorandum wird auch als „Aide-Mémoire“, „letter of guidance“ oder<br />

„Alliierte Demarche“ bezeichnet; Memorandum abgedruckt in: Der Parl. Rat, Bd. 8,<br />

Dok. Nr. 18, S. 37-38.<br />

Dokumente zur zukünftigen Entwicklung Deutschlands („Frankfurter Dokumente“),<br />

abgedruckt in: Der Parl. Rat, Bd. 1, Dok. Nr. 4, S. 30-36.<br />

Der Parl. Rat, Bd. 8, Dok. Nr. 18, S. 37.<br />

Der Parl. Rat, Bd. 8, Dok. Nr. 18, S. 38.


58 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

auf den geheimen Anhang „H“ 291 zu den Londoner Empfehlungen, welcher die<br />

Prinzipien eines föderativen Staatsgebildes in Deutschland konkretisieren sollte<br />

292 . Adenauer erkundigte sich bei der Übergabe des Memorandums bezüglich<br />

der genannten „Einschränkung der Befugnisse des Bundes auf dem Gebiet der<br />

Polizei“ danach, ob diese Formulierung das Verbot einer Bundespolizei bedeute.<br />

Ihm wurde hierauf entgegnet, dass diesbezüglich noch keine Detailregelungen<br />

vorhanden seien, da es den Bund noch gar nicht gebe 293 . Durch das Memorandum<br />

wollten die Alliierten die Prozesse im Parlamentarischen Rat beschleunigen<br />

und vor allem herausstellen, dass eine Stärkung des Föderalismus und der<br />

Dezentralisierung des Staatsgebildes aus ihrer Sicht notwendig war 294 . Das<br />

Memorandum aus dem Jahr 1948 war eines der ersten Dokumente, das die<br />

künftigen Kompetenzen des Bundes auf dem Gebiet der Polizei umriss, wenngleich<br />

keine absolute Richtungsweisung diesbezüglich vorhanden war.<br />

2. Memorandum vom 2. März 1949<br />

Das Memorandum der Militärgouverneure vom 2. März 1949 295 war eine direkte<br />

Reaktion auf den Entwurf eines Grundgesetzes vom 10. Februar 1949 296 . In<br />

diesem wurden die Vorbehalte und Anmerkungen der Alliierten aus ihrem<br />

Memorandum vom November 1948 in einer, aus Sicht des Parlamentarischen<br />

Rates ausreichenden Form, umgesetzt 297 . Die Westalliierten waren jedoch<br />

erneut, wie es auch im Memorandum von 1948 zum Ausdruck kam, der Auffassung,<br />

dass die föderalen Strukturen nicht hinreichend berücksichtigt und<br />

291<br />

292<br />

293<br />

294<br />

295<br />

296<br />

297<br />

Schlusskommuniqué der Sechsmächtekonferenz in London (Londoner Empfehlungen)<br />

vom 07.06.1948, in: FRUS 1948, II, Germany and Austria, S. 313 ff.; zur Bedeutung<br />

der Londoner Empfehlungen: Blank, Die Westdeutschen Länder und die Entstehung der<br />

Bundesrepublik, S. 33 ff.<br />

Feldkamp, Der Parlamentarische Rat und das Grundgesetz für die BRD 1948 bis 1949,<br />

S. 41.<br />

Der Parl. Rat, Bd. 8, Dok. Nr. 19, S. 44.<br />

Unruh, Der Verfassungsbegriff des Grundgesetzes, S. 329; zum Memorandum vom<br />

22.11.1948 siehe auch ein Schreiben von Leisewitz an das Büro der Ministerpräsidenten<br />

des amerikanischen, britischen und französischen Besatzungsgebietes, Tgb. Nr. 184,<br />

Az. 38, in: BArch Z 12/119.<br />

Abgedruckt in: Der Parl. Rat, Bd. 8, Dok. Nr. 47, S. 131 ff.<br />

Abgedruckt in: Der Parl. Rat, Bd. 7, Dok. Nr. 8, S. 396.<br />

Unruh, Der Verfassungsbegriff des Grundgesetzes, S. 329.


§ 2 Ursprung der Polizeikompetenzen des Bundes im Grundgesetz 59<br />

ausgeprägt seien 298 . Besonders betraf dies den Bereich Vorranggesetzgebung<br />

und Finanzverfassung. Darüber hinaus bemerkten die Alliierten in dem Memorandum,<br />

dass die in Artikel 118c des Grundgesetzentwurfes enthaltenen<br />

Vollmachten durch die Bundesregierung nicht ausgeübt werden könnten, es sei<br />

denn, sie waren von den Besatzungsbehörden ausdrücklich gebilligt worden.<br />

Art. 118c des Entwurfes lautete:<br />

„(1) Zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die<br />

freiheitliche oder demokratische Grundordnung des Bundes oder eines<br />

Landes kann ein Land die Polizeikräfte anderer Länder anfordern.<br />

(2) Ist das Land, in dem die Gefahr droht, nicht selbst zur Bekämpfung<br />

der Gefahr bereit oder in der Lage, so kann die Bundesregierung<br />

die Polizei in diesem Lande und die Polizeikräfte anderer Länder ihren<br />

Weisungen unterstellen. Die Anordnung ist nach Beseitigung der Gefahr<br />

im Übrigen jederzeit auf Verlangen des Bundesrates aufzuheben.“<br />

299<br />

Die Alliierten gaben mit dieser Ergänzung zu verstehen, dass sie „letzten Endes“<br />

für die Sicherheit in Deutschland verantwortlich seien 300 . Im Besatzungsstatut<br />

zur Abgrenzung der Befugnisse und Verantwortlichkeiten zwischen der zukünftigen<br />

deutschen Regierung und der Alliierten Kontrollbehörde vom 10. Mai<br />

1949 spiegelt sich diese Sentenz wieder 301 . Durch den Eingriff in Form des<br />

Memorandums vom 2. März 1949 gerieten die Verhandlungen sowie die Arbeit<br />

im Parlamentarischen Rat an einen Tiefpunkt 302 . Es entstanden auch unter den<br />

298<br />

299<br />

300<br />

301<br />

302<br />

Siehe hierzu Aufzeichnungen von Robert D. Murphy (politischer Berater von Lucius D.<br />

Clay) an den US-Außenminister vom 02.03.1949, in: FRUS 1949, III, Council of Foreign<br />

Ministers, S. 217 ff.<br />

Grundgesetz-Entwurf vom 10.02.1949, abgedruckt in: Der Parl. Rat, Bd. 7, Dok. Nr. 8,<br />

S. 432.<br />

Siehe Ziff. 4 Satz 1 des Memorandums, in: Der Parl. Rat, Bd. 8, Dok. Nr. 47, S. 133.<br />

Vgl. Ziff. 3 des Besatzungsstatuts, in deutscher Sprache in: Stern, Staatsrecht, Bd. V,<br />

S. 1388: „Die Besatzungsbehörden behalten sich jedoch das Recht vor, entsprechend<br />

den Weisungen ihrer Regierungen die Ausübung der vollen Gewalt ganz oder teilweise<br />

wieder zu übernehmen, wenn sie dies für unerlässlich erachten für die Sicherheit oder<br />

zur Aufrechterhaltung der demokratischen Ordnung in Deutschland oder um den internationalen<br />

Verpflichtungen ihrer Regierungen nachzukommen.“<br />

Zur Krise im Parlamentarischen Rat im Frühjahr 1949: Morsey, in: Schwab, Staat,<br />

Kirche, Wissenschaft in einer pluralistischen Gesellschaft, S. 393-410.


60 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

Fraktionen im Parlamentarischen Rat heftige Differenzen und die „Genese des<br />

Grundgesetzes war in eine tiefe Krise geraten“ 303 .<br />

3. Memorandum vom 14. April 1949 (Polizeibrief)<br />

Der Polizeibrief 304 gilt heute als erstes Dokument, welches das Trennungsgebot<br />

305 zwischen Nachrichtendiensten 306 und Polizei deutlich herausstellt. Sein<br />

weiterer entscheidender Einfluss auf das Grundgesetz ist jedoch überwiegend<br />

vergessen. Der Polizeibrief hat maßgeblich dazu beigetragen, dass in den letzten<br />

Stunden der Beratungen im Hauptausschuss des Parlamentarischen Rates die<br />

Materie Grenzschutz in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes<br />

eingefügt und die Bundeszuständigkeiten um das Bundeskriminalwesen<br />

präzisiert wurden. Der Zweck des Polizeibriefs ist in keinem historischen Dokument<br />

abschließend beschrieben. Jedoch kann sich der mutmaßlichen Intention<br />

der Alliierten vorsichtig genähert werden. Das Ansinnen des Polizeibriefs lässt<br />

sich in einer Doppelfunktion beschreiben 307 . Einerseits war nach den katastrophalen<br />

Erfahrungen aus der Polizeiorganisation während der NS-Zeit eine<br />

möglicherweise einhergehende Verschmelzung von polizeilichen Befugnissen<br />

und nachrichtendienstlicher Tätigkeit zu untersagen 308 und somit die Entstehung<br />

einer „allwissenden und omnipotenten Polizei“ zu verhindern 309 . Ebenso sahen<br />

die Alliierten in der Entwicklung der Ostzone und der ideologischen Festigung<br />

des Kommunismus eine Gefahr, der mit geeigneten Maßnahmen begegnet<br />

werden musste und die ihrer Ansicht nach gewisse Befugnisse des Bundes auf<br />

303<br />

304<br />

305<br />

306<br />

307<br />

308<br />

309<br />

Unruh, Der Verfassungsbegriff des Grundgesetzes, S. 330.<br />

„Polizeibrief“ vom 14. April 1949 (teilweise auch datiert unter dem 08.04.1949, dem<br />

Tag der Beschlussfassung), abgedr. in: Pioch, PolR, 1. Aufl., S. 284; Huber, Quellen<br />

zum Staatsrecht der Neuzeit, Bd. 2, S. 216; Original des Polizeibriefes in: BArch<br />

B 106/15701 = Anlage D1, S. 440.<br />

Zum Trennungsgebot: Kutscha, in: Roggan/Kutscha, Handbuch zum Recht der Inneren<br />

Sicherheit, S. 79 ff.; Klink, in: Frevel/Groß/Dams, Handbuch der Polizeien Deutschlands,<br />

S. 520; Roewer, DVBl. 1986, 205 ff.; Nehm, NJW 2004, 3289 ff.; Denkowski<br />

von, Kriminalistik 2008, 176 ff.; zur Streitfrage, ob das Trennungsgebot im Verfassungsrang<br />

steht: Götz, HStR III 1, § 79 Rn. 43; Hetzer, ZRP 1999, 19 ff.<br />

Zur Bedeutung des Polizeibriefs für den Verfassungsschutz, Schmalenbach, in: Thiel,<br />

Wehrhafte Demokratie, S. 433 ff.<br />

Zum Kontext des Polizeibriefs: Simon, Präzeptoraler Sicherheitsstaat und Risikovorsorge,<br />

S. 185.<br />

Schoch, in: Schmidt-Aßmann, BesVerwR, 13. Aufl., 2. Kap, Rn 41.<br />

Simon, Präzeptoraler Sicherheitsstaat und Risikovorsorge, S. 185.


§ 2 Ursprung der Polizeikompetenzen des Bundes im Grundgesetz 61<br />

polizeilichem Gebiet notwendig machte 310 . So ist der Polizeibrief retrospektiv<br />

auch unter den besonderen politischen Umständen zu betrachten, ohne die<br />

möglicherweise dem Bund keine Kompetenzen in diesem Bereich zugewiesen<br />

worden wären.<br />

Wortlaut des Polizeibriefes 311 :<br />

Schreiben an den Parlamentarischen Rat über die Regelung der der Bundesregierung<br />

auf dem Gebiet der Polizei zustehenden Befugnisse<br />

Wie wir Ihnen in unserem Aide-Mémoire vom 22. November 1948 mitgeteilt<br />

haben, sollen die Befugnisse der Bundesregierung auf dem Gebiet der Polizei<br />

auf die von den Militärgouverneuren während der Zeit der Besatzung ausdrücklich<br />

genehmigten und nach diesem Zeitpunkt auf die durch internationale<br />

Vereinbarung bestimmten Befugnisse beschränkt sein.<br />

Die Militärgouverneure sind nun, wie folgt, übereingekommen:<br />

1. Der Bundesregierung ist es gestattet, unverzüglich Bundesorgane zur<br />

Verfolgung von Gesetzesübertretungen und Bundespolizeibehörden auf<br />

folgenden Gebieten zu errichten:<br />

a) Überwachung des Personen- und Güterverkehrs bei der Überschreitung<br />

der Bundesgrenzen;<br />

b) Sammlung und Verbreitung von polizeilichen Auskünften und Statistiken;<br />

c) Koordinierung bei der Untersuchung von Verletzungen der Bundesgesetze<br />

und die Erfüllung internationaler Verpflichtungen hinsichtlich<br />

der Rauschgiftkontrolle, des internationalen Reiseverkehrs und von<br />

Staatsverträgen über Verbrechensverfolgung.<br />

310<br />

311<br />

Der Parl. Rat, Bd. 3, S. XXIX.<br />

Wortlaut nach Abschrift vom Original im Bestand des Bundesinnenministeriums, in:<br />

BArch B 106/15701 = Anlage D1, S. 440.


62 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

2. Der Bundesregierung wird es ebenfalls gestattet, eine Stelle zur Sammlung<br />

und Verbreitung von Auskünften über umstürzlerische, gegen die<br />

Bundesregierung gerichtete Tätigkeiten einzurichten. Diese Stelle soll<br />

keine Polizeibefugnisse haben.<br />

3. Die Befugnisse, Zuständigkeit und Aufgaben jedes zu errichtenden Bundesorgans<br />

zur Verfolgung von Gesetzesübertretungen oder jeder<br />

Bundespolizeibehörde sind durch ein der Ablehnung durch die Militärgouverneure<br />

unterliegendes Bundesgesetz zu bestimmen. Keine<br />

Bundespolizeibehörde darf Befehlsgewalt über Landes- oder Ortspolizeibehörden<br />

besitzen.<br />

4. Jede Bundespolizeibehörde unterliegt, insbesondere hinsichtlich ihrer<br />

Kopfstärke, Bestimmungen, soweit sie anwendbar sind, die die Militärgouverneure<br />

auf Grund der den Besatzungsbehörden nach dem<br />

Besatzungsstatut vorbehaltenen Befugnisse erlassen.<br />

5. Falls der Parlamentarische Rat oder die Bundesregierung Bundesorgane<br />

zur Verfolgung von Gesetzesübertretungen oder Bundespolizeibehörden<br />

auf anderen Gebieten in Vorschlag bringen sollte, so sind, vorbehaltlich<br />

der Bestimmungen in den Absätzen 3 und 4, Vorschläge dieser Art den<br />

Militärgouverneuren zur Genehmigung vorzulegen.<br />

gez. Lucius D. Clay B.H. Robertson Pierre Koenig<br />

General, U.S. Army General General d´Armee<br />

Militärgouverneur Militärgouverneur Militärgouverneur<br />

U.S. Zone Britische Zone Franz. Zone<br />

Der Polizeibrief erreichte die Mitglieder des Parlamentarischen Rates unerwartet.<br />

Adenauer äußerte hierzu, dass der Polizeibrief für die Sozialdemokraten und<br />

die Union „überraschend“ gekommen sei, und die Intention seiner Auffassung<br />

nach nichts anderes als die „Abwehr der Infiltration vom Osten und die Bekämpfung<br />

der kommunistischen Bestrebungen“ sein könne 312 . Zwar hatten die<br />

Alliierten bereits in den erwähnten Memoranden Aussagen über Kompetenzen<br />

getroffen, jedoch nicht in derart detaillierter Form wie im Polizeibrief. Am 14.<br />

312<br />

Wortprotokoll einer undatierten Sitzung der Union mit dem handschriftlichen Vermerk<br />

„Verfassung“, S. 12 in: StBKAH, I/09.09.


§ 2 Ursprung der Polizeikompetenzen des Bundes im Grundgesetz 63<br />

April 1949 fand eine Besprechung zwischen den Militärgouverneuren der westlichen<br />

Besatzungszonen und einer Delegation des Parlamentarischen Rates statt,<br />

deren Gegenstand auch der Polizeibrief war. Anton Pfeiffer 313 (CSU) äußerte<br />

gegenüber dem Vorsitzenden Lucius Clay 314 , dass er in dem Polizeibrief sogar<br />

eine Abkehr vom alliierten Memorandum vom 22. November 1948 sehe, denn<br />

die dort eingeschränkte Bundeszuständigkeit auf dem Gebiet der Polizei werde<br />

nun rückgängig gemacht 315 . Darüber hinaus bestand in der deutschen Delegation<br />

Unklarheit darüber, welche Aufträge aus dem Polizeibrief nun konkret an den<br />

Parlamentarischen Rat erwachsen sollten. Clay selbst war in der Verhandlung<br />

mit den Delegierten unsicher und äußerte sich zu gezielten Fragen bezüglich der<br />

Umsetzung nur sehr vage. Daher entsteht in einer Gesamtbewertung des Wortprotokolls<br />

der Zusammenkunft der Eindruck, dass die Alliierten die Vorgaben<br />

aus dem Polizeibrief zwar umgesetzt sehen, jedoch im Einzelnen dem Parlamentarischen<br />

Rat und einer späteren Bundesregierung dennoch viel Spielraum<br />

zubilligen wollten 316 . Diese Unklarheit spielte in der späteren Fraktionssitzung<br />

der CDU/CSU am 5. Mai 1949 noch eine Rolle, als darüber beraten wurde, ob<br />

und in welcher Form der Polizeibrief ins Grundgesetz übernommen werden<br />

solle. Adenauer erklärte in dieser Sitzung, dass die Bestimmungen des Polizeibriefs<br />

im Grundgesetz aufgenommen werden müssten – so habe es Clay direkt<br />

gesagt 317 . Hierauf entgegnete Pfeiffer, dass er dies nicht vernommen habe und<br />

eine derartige Aussage auch in keinem Protokoll vermerkt sei 318 . Vermutlich<br />

versuchte Pfeiffer, der zu den ausgesprochenen Föderalisten zählte und im Sinne<br />

der bayerischen Landesregierung handelte, mögliche Bundeskompetenzen auf<br />

dem Polizeigebiet zu verhindern. Noch vor der erwähnten Fraktionssitzung am<br />

5. Mai 1949 fand zwischen Pfeiffer, weiteren Angehörigen der bayerischen<br />

Landesregierung und dem Chef des amerikanischen Verbindungsstabes<br />

313<br />

314<br />

315<br />

316<br />

317<br />

318<br />

Anton Pfeiffer (1888-1957), Oberstudienrat, Mitglied der CSU, Mitglied des Bayerischen<br />

Landtages 1946 bis 1950, Mitglied des Parlamentarischen Rates, Befürworter<br />

föderalistischer Politik und Vertreter der bayerischen Eigenstaatlichkeit, vgl. Der Parl.<br />

Rat, Bd. 2, S. XI.<br />

Lucius Dubignon Clay (1897-1978), Eintritt in die US-Armee 1918, Spezialist für<br />

Militärbauwesen, Vier-Sterne-General, seit 1947 Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte<br />

in Europa und Militärgouverneur für Deutschland, vgl. Der Parl. Rat, Bd. 8, S. IX.<br />

Der Parl. Rat, Bd. 4, Dok. Nr. 9, S. 129.<br />

Siehe hierzu die Ausführungen von Clay im Wortprotokoll der Sitzung vom<br />

14.04.1949, in: Der Parl. Rat, Bd. 4, Dok. Nr. 9, S. 128 ff.<br />

Salzmann, Die CDU/CSU im Parlamentarischen Rat, S. 550.<br />

Ebd., S. 550.


64 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

Simons 319 am 20. April 1949 eine Unterredung statt, in der die Bayern ihre<br />

Scheu und Bestürzung über den Polizeibrief gegenüber den Amerikanern zum<br />

Ausdruck brachten. Simons versuchte jedoch, Pfeiffer zu beruhigen und äußerte,<br />

dass die „sorgfältige Formulierung“ des Polizeibriefs eine „zentrale Bundespolizei“<br />

völlig ausschließe 320 .<br />

Pfeiffers Anmerkung in der Sitzung vom 5. Mai blieb jedoch ungehört und eine<br />

grundsätzliche Debatte, ob überhaupt und auf welche Art und Weise der Polizeibrief<br />

im Grundgesetz zu implementieren sei, fand weder in den<br />

Fraktionssitzungen noch in den Sitzungen im Hauptausschusses statt. Dennoch<br />

muss angemerkt werden, dass die Argumentation Pfeiffers nicht unrichtig war,<br />

denn Clay konstatierte in der genannten Sitzung vom 14. April lediglich, dass<br />

„Grundprinzipien im Grundgesetz festgelegt werden können“ 321 . Von einer<br />

Verpflichtung ist im Wortprotokoll tatsächlich nichts enthalten. Simons erwähnte<br />

in der Unterredung mit Pfeiffer am 20. April sogar, dass die Inhalte des<br />

Polizeibriefs überhaupt nicht in die Verfassung gehören würden 322 .<br />

Adenauer nutzte die Gunst der Stunde und erfasste als einer der wenigen beteiligten<br />

Akteure die wichtige Bedeutung des Polizeibriefes, der es letztlich dem<br />

Bund nur einige Jahre später ermöglichen sollte, eine eigene Polizeibehörde, den<br />

Bundesgrenzschutz, aufzustellen. Wenngleich der Polizeibrief heute nicht mehr<br />

von entscheidender Bedeutung ist und die historische Ausgangslage nach Herstellung<br />

der vollen Souveränität nicht mehr besteht 323 , war er doch „Beginn der<br />

anhaltenden Zuneigung zu einer Stärkung der beabsichtigten Zentralgewalt des<br />

Bundes“ 324 .<br />

319<br />

320<br />

321<br />

322<br />

323<br />

324<br />

Hans Simons (1893-1972), von 1925 bis 1929 Professor der Deutschen Hochschule für<br />

Politik Berlin, Emigration in die USA nach nationalsozialistischer Machtübernahme,<br />

verschiedene Ämter im Hochschulbereich in den USA, Leiter des amerikanischen Verbindungsbüros<br />

beim Parlamentarischen Rat, vgl. Der Parl. Rat, Bd. 8, S. XVII.<br />

Der Parl. Rat, Bd. 8, Dok. Nr. 70, S. 239.<br />

Vgl. Wortprotokoll, in: Der Parl. Rat, Bd. 4, Dok. Nr. 9, S. 129.<br />

Der Parl. Rat, Bd. 8, Dok. Nr. 70, S. 239.<br />

BVerfGE 110, 33 (52).<br />

Becker, DÖV 1978, 551 (553).


§ 2 Ursprung der Polizeikompetenzen des Bundes im Grundgesetz 65<br />

II. Genehmigungsschreiben vom 12. Mai 1949<br />

Der Inhalt des Polizeibriefs der Alliierten spiegelte sich schließlich auch im<br />

Genehmigungsschreiben der Militärgouverneure der britischen, französischen<br />

und amerikanischen Besatzungszone zum Grundgesetz vom 12. Mai 1949<br />

wieder. In diesem Schriftstück ist dokumentiert, dass die in Art. 91 Abs. 2 GG<br />

enthaltene Polizeigewalt nicht ausgeübt werden könne, bevor diese nicht durch<br />

die Besatzungsmächte genehmigt sei und dass die „übrigen Polizeifunktionen<br />

des Bundes im Einklang mit dem Schreiben vom 14. April 1949 (Polizeibrief)<br />

ausgeübt werden sollen“ 325 . Dies verdeutlicht die Stellung des Polizeibriefes, der<br />

über das Genehmigungsschreiben der Alliierten an dessen Einfluss partizipierte<br />

und auch nach Erlöschen des Besatzungsrechtes als „Interpretationshilfe“ zum<br />

Grundgesetz herangezogen werden kann 326 . Auch wenn die Bedeutung des<br />

Polizeibriefes nicht mehr dieselbe wie zur Beratungszeit des Parlamentarischen<br />

Rates ist, so kann dennoch der neueren Rechtsprechung des BVerfG in direktem<br />

Bezug auf den Polizeibrief von 1949 entnommen werden, dass „die Bundeskompetenzen<br />

im Bereich des Polizeiwesens zugunsten der Länder deutlich<br />

begrenzt sein sollten“ 327 .<br />

D. Beratungen im Parlamentarischen Rat<br />

Die Beratungen und Beschlüsse des Parlamentarischen Rates bilden einen<br />

Indikator für die Beurteilung des Polizeiwesens und der Zuständigkeiten des<br />

Bundes in diesem Bereich. Es herrschte Einigkeit darüber, dass der Bund, auch<br />

nach anfänglichen Erörterungen und unterschiedlichen Föderalismusauffassungen,<br />

keine umfangreiche Zuständigkeit im Bereich der Polizei erhalten soll. Die<br />

heute in Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG verankerte Grenzschutzkompetenz zog erst,<br />

wie bereits erwähnt, in den letzten Momenten der Beratungen des Parlamentarischen<br />

Rates in das Grundgesetz ein. Nachfolgend wird untersucht, aufgrund<br />

welcher Prämissen und Vorgänge die Zuständigkeit des Bundes im Bereich des<br />

Kriminalwesens und des Bundesgrenzschutzes Aufnahme in das Grundgesetz<br />

325<br />

326<br />

327<br />

Ziff. 3 des Genehmigungsschreibens, abgedruckt in: Der Parl. Rat, Bd. 8, Dok. Nr. 80,<br />

S. 273.<br />

Ostheimer/Lange, in: Lange, Staat, Demokratie und Innere Sicherheit in Deutschland,<br />

Studien zur Inneren Sicherheit I, S. 179.<br />

BVerfGE 110, 33 (52).


66 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

gefunden hat. Aufschlussreich und wichtig sind in diesem Zusammenhang vor<br />

allem die Debatten um das Bundeskriminalwesen. Die Regelungen über die<br />

Zusammenarbeit des Bundes und der Länder im Bereich der Kriminalpolizei<br />

waren von Anfang an Kernstück der Diskussion um eine Polizeikompetenz auf<br />

Bundesebene. Die Vorgänge um das Bundeskriminalwesen spiegeln sehr gut die<br />

Auffassung des Verfassungsgebers wieder, dass Polizei grundsätzlich Ländersache<br />

sein muss.<br />

I. Streit um Kompetenzverteilungen im Bereich Bundeskriminalwesen<br />

In der dritten Sitzung des Plenums am 9. September 1948, nur wenige Tage<br />

nachdem sich der Parlamentarische Rat am 1. September 1948 in der Aula der<br />

Pädagogischen Akademie in Bonn konstituiert hatte, wurde über die Vorarbeiten<br />

und Entwürfe zu einer künftigen deutschen Verfassung debattiert. Walter<br />

Menzel (SPD) schlug in dieser Sitzung einige Ergänzungen des HChE in Bezug<br />

auf die Vorranggesetzgebung des Bundes vor. Er war der Auffassung, dass der<br />

„Träger der Staatssicherheit nach den Grundsätzen des Bundes aufgebaut sein<br />

soll“ 328 . In diesem Zusammenhang hielt Menzel es für zweckmäßig, wenn der<br />

Bund Richtlinien im Bereich betreffend die Polizei erlassen könne – auch aufgrund<br />

der Erfahrung der verschiedenartigen Entwicklung der Polizei in den<br />

einzelnen Besatzungszonen 329 , wenngleich er betonte, dass die Länder Träger<br />

der Polizei sein müssten.<br />

Am 29. September 1948 präzisierte Menzel im Ausschuss für Zuständigkeitsfragen<br />

seine Forderungen 330 . Richtlinien und Vorranggesetzgebung des Bundes im<br />

Bereich der Polizei sollten sich auf die Errichtung eines Bundespolizeikriminalamtes<br />

beschränken. Menzel begründete dies mit der Notwendigkeit eines<br />

zentralen Kriminalamtes zur Bekämpfung des Verbrechertums auf deutschem<br />

Raum. Er befürwortete eine solche Zentralstelle in Anlehnung an das 1922<br />

erlassene Gesetz über das Reichskriminalpolizeiamt 331 . Das Reichskriminalpolizeiamt<br />

hätte die Aufgabe gehabt, reichsweit das „Verbrechertum zu<br />

328<br />

329<br />

330<br />

331<br />

Der Parl. Rat, Bd. 9, Dok. Nr. 9, S. 84.<br />

Zur Entwicklung des Polizeirechts in den westlichen Besatzungszonen: Bargatzky, Das<br />

neue Polizeirecht in den Westzonen, Ziff. 3 ff.; Pioch, DV 1949, 257 ff.; Pioch,<br />

DV 1949, 225 ff.<br />

Der Parl. Rat, Bd. 3, Dok. Nr. 5, S. 174 ff.<br />

RGBl. I 1922, S. 593.


§ 2 Ursprung der Polizeikompetenzen des Bundes im Grundgesetz 67<br />

bekämpfen“ 332 . Bereits 1920 hatte sich die Reichsregierung mit der Frage beschäftigt,<br />

ob eine Zentralpolizeistelle bei der Verbrechensbekämpfung dienlich<br />

sein könne. Der damalige Reichsminister der Justiz, Karl Rudolf Heinze, drängte<br />

in der Kabinettssitzung vom 25. November 1920 darauf, eine Reichszentralstelle<br />

zu bilden 333 . Errichtet wurde ein Reichskriminalpolizeiamt allerdings trotz der<br />

Verabschiedung des Reichskriminalpolizeigesetzes nie. Zurückzuführen war<br />

dies vor allem auf den Widerstand Preußens und Bayerns 334 .<br />

Menzel ergänzte seine Ausführungen bezüglich der Forderung eines Bundeskriminalpolizeiamtes<br />

noch in einem weiteren Punkt, der primär nichts mit der<br />

Kompetenzverteilung um das Bundeskriminalwesen zu tun hatte, aber nicht<br />

unerwähnt bleiben darf. Er ging davon aus, dass das „Fehlen einer Wehrmacht“<br />

gegebenenfalls zur Notwendigkeit einer Bundespolizeireserve führen könne und<br />

man sich über die Schaffung „gewisser Exekutivreserven“ Gedanken machen<br />

müsse 335 . Nicht etwa die Bundesexekutive gegen die Länder sollte Anlass für<br />

das Vorhalten einer Bundespolizeireserve sein, sondern vielmehr die Möglichkeit<br />

zur Reaktion auf Notfälle oder sonstige Ereignisse, die über das Gebiet<br />

eines Landes hinausgingen. Die Vorschläge von Menzel über ein „Reichspolizeirecht“<br />

gingen einigen Mitgliedern des Parlamentarischen Rates zu weit.<br />

Bemerkenswert nüchtern bemerkte Josef Ferdinand Kleindinst 336 (CSU), dass<br />

die Vorschläge von Menzel sicherlich gut gemeint seien, aber „wer würde<br />

Gewähr dafür geben, dass der Bund, wenn er einmal die Befugnis hat, sie nicht<br />

ausdehnt, wie er will und wohin er will“ 337 .<br />

Kleindinst, wie auch Wilhelm Laforet (CSU), der später ein Gegner des ersten<br />

Gesetzes über den Bundesgrenzschutz wurde, betonten während der gesamten<br />

Beratungsspanne des Parlamentarischen Rates die Eigenständigkeit der Länder<br />

und beharrten vor allem auf deren absoluter Polizeihoheit. Dies wurde besonders<br />

in der Abstimmung der zwölften Sitzung des Zuständigkeitsausschusses am<br />

332<br />

333<br />

334<br />

335<br />

336<br />

337<br />

Vgl. § 1 Satz 1 Reichskriminalpolizeigesetz.<br />

BArch, Kabinett Fehrenbach, Bd. 1, Dok. Nr. 121, S. 311.<br />

BArch, Kabinett Marx III/IV, Bd. 1, Dok. Nr. 89, S. 250.<br />

Der Parl. Rat, Bd. 3, Dok. Nr. 5, S. 180.<br />

Joseph Ferdinand Kleindinst (1881-1962), Jurist, Mitglied der CSU, Mitglied des<br />

Parlamentarischen Rates, Mitglied des Bundestags von 1949 bis 1957, vgl.<br />

Vierhaus/Herbst (Hrsg.), Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages<br />

1949-2002, Bd. 1, S. 425.<br />

Der Parl. Rat, Bd. 3, Dok. Nr. 5, S. 186.


68 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

14. Oktober 1949 deutlich, als Kleindinst und Laforet, die sich als extreme<br />

Föderalisten bezeichnen lassen 338 , als einzige gegen den Antrag ihrer eigenen<br />

Fraktion stimmten, das Bundeskriminalwesen 339 in die ausschließliche Zuständigkeit<br />

des Bundes aufzunehmen 340 . Auch in der CDU gab es teilweise<br />

Widerstand gegen die Vorschläge über das Bundeskriminalwesen. So beantragte<br />

Paul de Chapeaurouge 341 (CDU) in der ersten Sitzung des Hauptausschusses am<br />

19. November 1948 die komplette Streichung der Ziffer 13 des Art. 35 des<br />

Entwurfes (Bundeskriminalwesen) mit der Begründung, dass die Polizei Ländersache<br />

und die Herausnahme eines kleinen Arbeitsteiles aus dieser<br />

Zuständigkeit nicht möglich sei 342 . Mit der Argumentation, dass alles Notwendige<br />

auf dem Gebiet des Bundeskriminalwesens auch auf dem Wege der<br />

freiwilligen Zusammenarbeit 343 erreicht werden könne, sprach sich auch Laforet<br />

in der gleichen Sitzung für die Streichung der ganzen Ziffer aus 344 .<br />

Bereits zuvor ließ auch die Bayerische Staatskanzlei offiziell in einer Mitteilung<br />

an den Parlamentarischen Rat, mit dem Titel „Ist eine Bundeskriminalpolizei<br />

notwendig?“, mitteilen, dass ihrer Ansicht nach die Schaffung eines Bundeskriminalwesens<br />

nicht erforderlich sei, da dies Anstoß zur Aushöhlung der<br />

Polizeihoheit der Länder sein könne 345 . Auch der damalige bayerische Ministerpräsident<br />

Hans Ehard 346 (CSU) äußerte in einer schriftlichen Mitteilung an den<br />

338<br />

339<br />

340<br />

341<br />

342<br />

343<br />

344<br />

345<br />

346<br />

Bastian, Westdeutsches Polizeirecht, S. 155.<br />

In der Formulierung: „das Bundeskriminalwesen zur Bekämpfung des gemeingefährlichen<br />

Verbrechertums“.<br />

Der Parl. Rat, Bd. 3, Dok. Nr. 14, S. 508.<br />

Paul de Chapeaurouge (1876-1952), Jurist, Mitglied der Hamburger Bürgerschaft von<br />

1917 bis 1933, seit 1945 Mitglied der CDU, Mitglied des Parlamentarischen Rates, vgl.<br />

Der Parl. Rat, Bd. 14, S. XXVII.<br />

Der Parl. Rat, Bd. 14, Dok. Nr. 6, S. 196.<br />

1925 wurde die Deutsche Kriminalpolizeiliche Kommission (DKK) gegründet. Sie<br />

bestand aus Vertretern der Kriminalpolizeien der Länder, hatte keinerlei Exekutivbefugnisse<br />

und war u.a. Zentralstelle für den Erkennungsdienst, das kriminalistische<br />

Nachrichtenwesen, für Vermisste und unbekannte Tote; zur DKK: Teufel, Kriminalistik<br />

2000, 387 ff.; Niggemeyer, in: Sieverts/Schneider, Handwörterbuch der Kriminologie,<br />

Bd. 2, S. 26 ff.<br />

Der Parl. Rat, Bd. 14, Dok. Nr. 6, S. 202.<br />

Undatierte Mitteilung der Bayerischen Staatskanzlei, Drs. PR 10.48-166, abgedruckt in:<br />

Schneider, Grundgesetz, Bd. 17, S. 986.<br />

Hans Ehard (1887-1980), Staatsanwalt, Untersuchungsführer und Anklagevertreter im<br />

Hitler-Prozess 1924, Senatspräsident beim OLG München 1933 bis 1945, Gründungsmitglied<br />

der CSU, Bayerischer Ministerpräsident von 1946 bis 1954 und 1960 bis 1962,


§ 2 Ursprung der Polizeikompetenzen des Bundes im Grundgesetz 69<br />

Länderratsausschuss des Bayerischen Landtages, dass er den Begriff des Bundeskriminalwesens<br />

für höchst unklar halte und dieser dazu benutzt werden<br />

könne, „die gesamte Kriminalpolizei der Länder zu beseitigen“ 347 . Fritz Hoch 348<br />

(SPD) fasste die Ablehnung einer Zuständigkeit für Polizei auf Bundesebene in<br />

der Zeit entsprechend veranschaulichende Worte. Seiner Auffassung nach sei<br />

die Polizei „Inkarnation des Staatsbegriffs“ 349 für die Länder überhaupt. Vor<br />

allem die Föderalisten und die CSU blieben in der Frage des Bundeskriminalwesens<br />

und später auch des Bundesgrenzschutzes hart; nicht zuletzt auch<br />

deswegen, weil die Polizei, wie Hoch bereits deutlich ausgeführt hatte, für die<br />

Länder ein wichtiges Instrument sowie die Institutionalisierung des Staates war.<br />

Das Argument der Institutionalisierung des Staates lässt sich dem gegenüber aus<br />

anderer Perspektive, zu Gunsten des Bundes, betrachten. Denn der geplante<br />

Bundesstaat sollte nach den Grundsätzen der Frankfurter Dokumente ein föderalistischer<br />

Staat mit einer „angemessenen Zentralinstanz“ sein 350 . Da jedoch der<br />

deutsche Staat, zumindest nach Ausgangslage der damaligen Beurteilung, in<br />

absehbarer Zeit über keine Armee als Machtfaktor verfügen würde, war die<br />

Polizei anders zu beurteilen. Dies wird besonders deutlich, wenn die Namensgebung<br />

der möglicherweise zu schaffenden Bundespolizeitruppe betrachtet wird:<br />

Bezeichnungen wie „Bundesbereitschaft“ 351 , „Bundesexekutive“ 352 oder „Bundesnottruppe“<br />

353 wurden vorgeschlagen. Mit anderen Worten hätte eine<br />

Bundespolizei das Vakuum kompensieren können, das durch das Fehlen einer<br />

Wehrmacht entstanden war. Menzel verteidigte deshalb seine weitergehenden<br />

Entwürfe, auch über das Bundeskriminalwesen, mit der Begründung, dass „[…]<br />

die Polizei heute der einzige Machtfaktor ist, der uns geblieben ist und auf lange<br />

Zeit bleiben wird. Daher müssen wir ihn unter anderen Gesichtspunkten sehen<br />

347<br />

348<br />

349<br />

350<br />

351<br />

352<br />

353<br />

Bayerischer Justizminister 1962 bis 1966, vgl. Balcar/Schlemmer (Hrsg.), An der Spitze<br />

der CSU, Die Führungsgremien der CSU 1946 bis 1955, S. 593.<br />

Quellen zur politischen Geschichte Bayerns, Bd. 1, Dok. 39, S. 351.<br />

Fritz Hoch (1896-1984), Jurist, Mitglied der SPD, Regierungspräsident in Kassel 1945<br />

bis 1961, Mitglied des Parlamentarischen Rates, vgl. Der Parl. Rat, Bd. 3, S. XI.<br />

Der Parl. Rat, Bd. 3, Dok. Nr. 5, S. 193.<br />

Vgl. Frankfurter Dokumente, Dokument I „Verfassungsgebende Versammlung“, vom<br />

1. Juli 1948; abgedruckt in: Münch, Dokumente für das geteilte Deutschland, S. 90.<br />

Memorandum zur Anfrage Nr. 87 der SPD (BT-Drs. I/1045) vom 20.07.1950, S. 8; in:<br />

BArch B 106/14337.<br />

Memorandum zur Anfrage Nr. 87 der SPD (BT-Drs. I/1045) vom 20.07.1950, S. 3; in:<br />

BArch B 106/14337.<br />

Undatierte Mitteilung der Bayerischen Staatskanzlei, Drs. PR 10.48-166, II, abgedruckt<br />

in: Schneider, Grundgesetz, Bd. 17, S. 988.


70 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

als zur Zeit der Weimarer Verfassung“ 354 . Anders als beispielsweise die CSU-<br />

Abgeordneten Laforet und Kleindinst wollte Menzel ein „kleines Stück vom<br />

Kuchen“ für den Bund haben, sodass auch dieser einen Teil sichtbarer Hoheitsmacht<br />

erhalten könne. Die ganze Materie um das Bundeskriminalwesen und die<br />

damit verbundene Diskussion im Parlamentarischen Rat zeigt, dass die Länder,<br />

selbst auf einem Gebiet, in dem es nur um die Zusammenarbeit der einzelnen<br />

Länderkriminalpolizeibehörden ging, bereits einen Eingriff in ihre Polizeihoheit<br />

sahen. Vernunft, praktische Notwendigkeiten und schließlich der Polizeibrief<br />

der Alliierten als Katalysator konnten schließlich eine Einigung herbeiführen 355 .<br />

Es herrschte trotz einzelner Bedenken Einigkeit darüber, dass ein Bundeskriminalwesen<br />

einschließlich der Bereiche Erkennungsdienst, Nachrichtenwesen und<br />

Verfolgung über die Grenzen der Länder hinweg der Sache dienlich sei. So<br />

wurde der Formulierungsvorschlag für Art. 73 Ziff. 10 am 6. Mai 1949 vom<br />

Hauptausschuss in der 58. Sitzung in folgendem Wortlaut gegen eine Stimme<br />

angenommen:<br />

„Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über die Zusammenarbeit<br />

des Bundes und der Länder in der Kriminalpolizei und in<br />

Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, die Einrichtung eines<br />

Bundeskriminalpolizeiamtes sowie die internationale Verbrechensbekämpfung.“<br />

356<br />

II. Polizeiliche Exekutivbefugnisse für den Bund<br />

Der Ausschuss für Zuständigkeitsabgrenzung befasste sich in seiner fünften<br />

Sitzung am 29. September 1949 erstmals mit der Frage nach einer Bundespolizeireserve<br />

bzw. mit dem Problem, welche Exekutivkräfte dem Bund<br />

gegebenenfalls unterstellt sein könnten. Das Nichtvorhandensein einer Streitmacht<br />

auf Bundesebene könnte es nach Vorstellung von Menzel notwendig<br />

machen, dass das Instrument Polizei „nach bestimmten Grundsätzen der Kontrolle<br />

des Bundes unterliegen“ müsse 357 . Rudimentär wurde in dieser Sitzung<br />

darüber verhandelt, in welcher Form dem Bund die Möglichkeit gegeben wer-<br />

354<br />

355<br />

356<br />

357<br />

Der Parl. Rat, Bd. 3, Dok. Nr. 5, S. 209.<br />

Vgl. Ziff. 1b, 1c des Polizeibriefes, S. 61.<br />

Der Parl. Rat, Bd. 14, Dok. Nr. 58, S. 1829.<br />

Der Parl. Rat, Bd. 3, Dok. Nr. 5, S. 181.


§ 2 Ursprung der Polizeikompetenzen des Bundes im Grundgesetz 71<br />

den könnte, auch länderübergreifende Gefahren abzuwehren. Die Föderalisten 358<br />

waren strikt gegen eine Aufnahme des Polizeirechts in die Vorrang- oder Bedarfsgesetzgebung<br />

des Bundes, welches den Rahmen für einen homogenen<br />

Polizeikörper schaffen könnte und so den Zugriff des Bundes auf die Polizeieinheiten<br />

der Länder vereinfacht hätte. Einigkeit bestand darin, dass dem Bund in<br />

irgendeiner Form die Möglichkeit gegeben werden müsse, helfend bei Gefahren<br />

einzuschreiten und auf die Polizeien der Länder zurückzugreifen 359 . Der HChE<br />

gab dem Bund lediglich die Möglichkeit, bei drohender Gefahr für die öffentliche<br />

Sicherheit und Ordnung im Bundesgebiet gemäß Art. 111 Notverordnungen<br />

mit Gesetzeskraft zu erlassen. Eine Handhabe der Bundesexekution mit direktem<br />

Rückgriff auf Polizeitruppen bestand nach dem HChE expressis verbis<br />

nicht. In der dreizehnten Sitzung des Ausschusses für Zuständigkeitsabgrenzung<br />

am 15. Oktober 1948 nahm die Frage nach einer Exekutionsreserve Form an.<br />

Folgende Formulierung zum Notstandsrecht wurde vorgeschlagen:<br />

„Wenn bei unmittelbar drohender Gefahr für den verfassungsmäßigen<br />

Bestand eines Landes oder seiner freiheitlichen oder demokratischen<br />

Grundordnung das Land von einem anderen Land polizeiliche Hilfe<br />

anfordert, ihm diese jedoch verweigert wird, kann der Bund jedes<br />

Land zur Hilfeleistung anweisen und die zur Durchführung dieser Hilfeleistung<br />

erforderlichen Anforderungen treffen.“ 360<br />

Der Bund selbst als unmittelbar eingreifender Faktor wurde in diesem Formulierungsentwurf<br />

nicht berücksichtigt. Vielmehr ging man von der Vorstellung aus,<br />

dass die Länder etwaige Gefahren selbst, oder mit Hilfe eines anderen Landes<br />

wirksam bekämpfen könnten. Nur, falls sich ein Land der Hilfeleistung verweigerte,<br />

kam der Bund mit einer Anweisungskompetenz zum Zug.<br />

Wie später bei der Aufstellung des Bundesgrenzschutzes, wurden erstmalig auch<br />

politische Auswirkungen der deutschen Teilung berücksichtigt. In der interfraktionellen<br />

Besprechung, die dem oben genannten Formulierungsentwurf<br />

vorausging, wurden die „Verhältnisse in der Ostzone“ als Grund für eine Bundesexekutivreserve<br />

genannt 361 . Aber nicht nur die grundsätzliche „kommu-<br />

358<br />

359<br />

360<br />

361<br />

Bspw. die CSU Abgeordneten Laforet und Kleindinst.<br />

Der Parl. Rat, Bd. 3, Dok. Nr. 5, S. 190.<br />

Der Parl. Rat, Bd. 3, Dok. Nr. 16, S. 561.<br />

Der Parl. Rat, Bd. 11, Dok. Nr. 6, S. 30.


72 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

nistische Bedrohung“ in der sowjetischen Besatzungszone wurde als Argument<br />

angeführt, sondern auch die Vorstellung geäußert, dass ein kommunistischer<br />

Innenminister eines Landes bewusst kommunistische Unruhen nicht zu bekämpfen<br />

bereit sein könnte 362 . Hinreichend klar war zu diesem Zeitpunkt jedoch, dass<br />

der Bund nicht mit eigenen Polizeikräften ausgestattet werden, sondern in<br />

bestimmten Fällen nur die Möglichkeit des Zugriffs erhalten sollte.<br />

Eine leicht abgewandelte Formulierung wurde vom Redaktionsausschuss als<br />

Art. 115a in der Sitzung des Hauptausschusses am 3. Dezember 1948 verlesen:<br />

„Zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche<br />

und demokratische Grundordnung des Bundes oder eines<br />

Landes kann die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates<br />

durch Verordnung die polizeiliche Hilfspflicht der Länder verkünden.<br />

Mit der Verkündung der polizeilichen Hilfspflicht untersteht die Polizei<br />

in den Ländern den Weisungen der Bundesregierung. Diese kann<br />

dabei die Polizei einem Bundesbeauftragten unterstellen.“ 363<br />

Bezeichnend an diesem Entwurf ist, dass zum ersten Mal ein Requisitionsrecht<br />

der Bundesregierung enthalten ist, also die Möglichkeit, Exekutivkräfte der<br />

Länder dem Bund zu unterstellen. Dies ist eine qualitative Steigerung gegenüber<br />

dem ersten Entwurf, welcher nur die Verkündung der Hilfspflicht unter den<br />

Ländern selbst regelte. Ebenso bemerkenswert ist die explizite Nennung eines<br />

Bundesbeauftragten, dem die Polizeikräfte dann unterstellt werden sollten. In<br />

dieser Sitzung des Hauptausschusses kamen die Mitglieder jedoch zu keinem<br />

Ergebnis darüber, ob dieser Vorschlag Umsetzung finden sollte. Die Abstimmung<br />

wurde zurückgestellt. Der Zuständigkeitsausschuss sollte sich erweitert<br />

mit dieser Materie auseinandersetzen. Hierzu kam es allerdings nicht mehr.<br />

362<br />

363<br />

Der Parl. Rat, Bd. 3, Dok. Nr. 17, S. 562. Die Mitglieder des Parlamentarischen Rates<br />

hatten die Reichsexekution gegen Sachsen 1923 vor Augen. Dort bildete sich im März<br />

1923 ein von der KPD toleriertes Minderheitenkabinett der SPD. Unter Ministerpräsident<br />

Zeigner wurden bewaffnete Arbeiterhundertschaften ins Leben gerufen. In diesem<br />

Zusammenhang sowie möglicher kommunistischer, von Moskau unterstützter, revolutionärer<br />

Bestrebungen sah sich die Reichsregierung zum Handeln veranlasst, da zudem<br />

Zeigner keine Abhilfe bot und nicht zurücktreten wollte. Mithilfe der Reichswehr wurde<br />

die Arbeiterschaft entwaffnet und ein Reichskommissar eingesetzt, vgl. hierzu:<br />

Wirsching, Die Weimarer Republik, S. 14; Gusy, Die Weimarer Reichsverfassung,<br />

S. 264.<br />

Der Parl. Rat, Bd. 14, Dok. Nr. 16, S. 483.


§ 2 Ursprung der Polizeikompetenzen des Bundes im Grundgesetz 73<br />

Stattdessen brachten die Abgeordneten Laforet und Hoch in der Sitzung des<br />

Hauptausschusses am 12. Januar 1949 einen Vorschlag für den nunmehr in Art.<br />

118c betreffenden Regelungsbereich mit der Überschrift „Verteidigung der<br />

demokratischen Grundordnung“ ein:<br />

„(1) Zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die<br />

freiheitliche oder demokratische Grundordnung des Bundes oder eines<br />

Landes kann ein Land die Polizeikräfte anderer Länder anfordern.<br />

(2) Ist das Land, in dem die Gefahr droht, nicht selbst zur Bekämpfung<br />

der Gefahr bereit oder in der Lage, so kann die Bundesregierung<br />

mit Zustimmung des Bundesrates die Polizei in diesem Land und die<br />

Polizeikräfte anderer Länder ihren Weisungen unterstellen. Die Anordnung<br />

ist nach Beseitigung der Gefahr, im Übrigen jederzeit auf<br />

Verlangen des Bundesrates aufzuheben.“ 364<br />

Laforet, der zu Beginn der Beratungsphasen für eine strikte Ablehnung einer<br />

Rahmengesetzgebungskompetenz 365 des Bundes im Bereich Polizei eingetreten<br />

war, war nun maßgeblicher Wegbereiter der Möglichkeit geworden, dass die<br />

Bundesregierung sich Polizeikräfte anderer Länder im besonderen Fall unterstellen<br />

konnte. Die vorgenannte Formulierung wurde in dieser Sitzung gegen eine<br />

Stimme mit leichten Modifikationen 366 angenommen. Die eine Gegenstimme<br />

war vermutlich dem Abgeordneten Renner 367 (KPD) zuzuordnen, der zu dem<br />

von Laforet und Hoch gemachten Vorschlag anmerkte, dass dieser der Bundesregierung<br />

ermögliche, aufgrund unterschiedlicher politischer Vorstellungen in<br />

364<br />

365<br />

366<br />

367<br />

Der Parl. Rat, Bd. 14, Dok. Nr. 36, S. 1108.<br />

Die Rahmengesetzgebung bedeutet, dass der Bund allgemeine Grundlagen einer<br />

Materie regeln kann, aber nicht die Einzelheiten regeln darf, vgl. Art. 75 GG a.F.<br />

So wurde der Passus „mit Zustimmung des Bundesrates“ in Abs. 2 HS 1 entfernt, da<br />

man es für ausreichend hielt, wenn der Bundesrat die Möglichkeit hat, jederzeit zu verlangen,<br />

dass die Maßnahmen aufgehoben werden, vgl. Grundgesetzentwurf vom<br />

10.02.1949, in: Der Parl. Rat, Bd. 7, Dok. Nr. 8, S. 432.<br />

Heinz Renner (1892-1964), zunächst SPD und USPD Mitglied, ab 1919 Mitglied der<br />

KPD, von 1943 bis 1945 Gefängnis, ab 1946 Oberbürgermeister von Essen, Mitglied<br />

des Landtages NRW 1946 bis 1949, Verkehrsminister NRW von 1947 bis 1948, von<br />

1949 bis 1953 Mitglied des Bundestages und Fraktionsvorsitzender der KPD, Übersiedelung<br />

in die DDR 1960, vgl. Vierhaus/Herbst (Hrsg.), Biographisches Handbuch der<br />

Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949-2002, Bd. 2, S. 682.


74 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

einem Land zu intervenieren und so bspw. die Polizei aus Bayern in das andere<br />

Land zu schicken 368 .<br />

Aus Art. 118c wurde nach redaktionellen Anpassungen Art. 91 GG. Den Beratungen<br />

um die polizeilichen Exekutivbefugnisse des Bundes kann entnommen<br />

werden, dass der Bund nur die Kompetenzen erhielt, die nach Auffassung des<br />

Verfassungsgebers unbedingt notwendig waren 369 .<br />

III. Die Grenzschutz-Kompetenz als Nachtrag<br />

Mit der Frage nach dem Grenzschutz auf Bundesebene beschäftigte sich der<br />

Parlamentarische Rat lange Zeit in keinster Weise. Die ausschließliche Gesetzgebung<br />

des Bundes in Sachen Einheit des Zoll- und Handelsgebietes, Zoll- und<br />

Handelsverträge und Freizügigkeit des Warenverkehrs, die Stelle an der die<br />

Grenzschutz-Kompetenz später angefügt wurde, gab keinen Anlass für tiefer<br />

gehende Beratung oder gar Auseinandersetzung. Der Polizeibrief der Alliierten<br />

veranlasste schließlich den Parlamentarischen Rat, Änderungen im Verfassungsentwurf<br />

vorzunehmen. Bevor Vorschläge im Hauptausschuss mit Bezug auf den<br />

Polizeibrief gemacht wurden, beschäftigten sich die Fraktionen mit dieser<br />

Materie; die Abstimmungen zu Art. 35 Ziff. 5 und Ziff. 10 wurden extra zu<br />

diesem Zweck zurückgestellt 370 .<br />

Nur in den Fraktionen fand ein Meinungsaustausch über diese Angelegenheit<br />

statt; eine erwähnenswerte Debatte, wie um das Bundeskriminalwesen, wurde<br />

im Zusammenhang mit dem Grenzschutz in den Ausschüssen des Parlamentarischen<br />

Rates nicht geführt 371 . Am 5. Mai 1949 befasste sich die Unionsfraktion<br />

368<br />

369<br />

370<br />

371<br />

Der Parl. Rat, Bd. 14, Dok. Nr. 36, S. 1109.<br />

Ausführliche Darstellung des Entstehungsprozesses von Art. 91 GG,<br />

Doemming/Füsslein/Matz, JöR n.F. 1 (1951), 661 ff.<br />

Der Parl. Rat, Bd. 14, Dok. Nr. 57, S. 1805.<br />

Eine interessante, nicht weiter kommentierte und einzeln stehende Anmerkung findet<br />

sich in den Sitzungsprotokollen der Unionsfraktion, Sitzung vom 22.04.1949: „Ferner<br />

wurde auf den Polizeibrief hingewiesen. Was die einen für die Finanzverwaltung bekämen,<br />

bekommen die anderen wieder auf dem Polizeigebiet.“, vgl. Salzmann, Die<br />

CDU/CSU im Parlamentarischen Rat, S. 498; vermutlich interpretierten die Angehörigen<br />

der Unionsfraktion den Polizeibrief auch dahingehend, um mit der SPD einen<br />

möglichen Ausgleich zwischen Finanzverwaltung und Polizeikompetenzen zu errei-


§ 2 Ursprung der Polizeikompetenzen des Bundes im Grundgesetz 75<br />

intensiver mit dem Polizeibrief. In der genannten Sitzung war auf der Tagesordnung<br />

ein Punkt vorgesehen, der die Besprechung über die Auswirkungen des<br />

Polizeibriefs vorsah 372 . Der Tagesordnungspunkt beschränkte sich jedoch auf<br />

eine Erläuterung des Polizeibriefes sowie auf einen kurzen Argumentationsaustausch<br />

zwischen föderalistischen Positionen und der Befürwortung der Schaffung<br />

eines Grenzschutzes. Laforet hegte starke Bedenken und wies darauf hin,<br />

dass die Bestimmungen im Polizeibrief ein „Einbruch in die föderalistische<br />

Gestaltung“ seien und der Begriff des Zoll- und Grenzschutzes eine „Verreichlichung<br />

der Grenzpolizei“ beinhalte, was im Ergebnis eine Polizeimacht in der<br />

Hand des Bundes bedeuten würde 373 .<br />

Ebenso merkte Laforet an, dass der Polizeibrief nur eine Ermächtigung darstelle,<br />

aber keine explizite Anweisung, die niedergelegten Grundsätze in der Verfassung<br />

zu implementieren. Adenauer entgegnete dem, dass der US-<br />

Militärgouverneur Lucius D. Clay mitgeteilt habe, man müsse die Inhalte in das<br />

Grundgesetz aufnehmen 374 . Eine vehemente Gegenwehr gegen den Grenzschutz<br />

auf Bundesebene gab es jedoch nicht. Von Mangoldt 375 (CDU), Dehler 376 (FDP)<br />

und Zinn 377 (SPD) hatten interfraktionell schließlich einen Entwurf ausgearbeitet,<br />

der die im Polizeibrief enthaltenen Grundsätze in das Grundgesetz<br />

transferierte. In einer der letzten Abstimmungen überhaupt zum Grundgesetz,<br />

der 58. Sitzung des Hauptausschusses am 6. Mai 1949, beantragte der Abgeordnete<br />

Zinn dem Artikel 73 Ziff. 5 Folgendes anzufügen: „Einschließlich des Zollund<br />

Grenzschutzes“ 378 . Ohne weitere Aussprache wurde der Antrag mit einer<br />

Gegenstimme angenommen, der nun folgende Fassung erhielt:<br />

372<br />

373<br />

374<br />

375<br />

376<br />

377<br />

378<br />

chen; ebenso in ähnlicher Argumentation: Bastian, Westdeutscher Polizeirecht,<br />

S. 157.<br />

Salzmann, Die CDU/CSU im Parlamentarischen Rat, S. 546.<br />

Ebd., S. 550.<br />

Ebd.; siehe hierzu auch Fn. 321.<br />

Hermann von Mangoldt (1895-1953), Jurist, Universitätsprofessor, Mitglied der CDU,<br />

von 1946 bis 1950 Mitglied des Landtages SH, 1946 Innenminister SH, vgl. Feldkamp,<br />

Der Parlamentarische Rat 1948-1949, S. 191.<br />

Thomas Dehler (1897-1967), Jurist, Gründungsmitglied der FDP in Bayern, von 1949<br />

bis 1967 Mitglied des Bundestages, von 1949 bis 1952 Bundesjustizminister, vgl.<br />

Feldkamp, Der Parlamentarische Rat 1948-1949, S. 187.<br />

Georg August Zinn (1901-1976), Jurist, seit 1919 Mitglied der SPD, von 1945 bis 1949<br />

Justizminister in Hessen, von 1950 bis 1969 Hessischer Ministerpräsident, vgl.<br />

Feldkamp, Der Parlamentarische Rat 1948-1949, S. 198.<br />

Der Parl. Rat, Bd. 14, Dok. Nr. 58, S. 1829.


76 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

„Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über […] die Einheit<br />

des Zoll- und Handelsgebietes, die Handels- und Schifffahrtsverträge,<br />

die Freizügigkeit des Warenverkehrs und den Waren- und Zahlungsverkehr<br />

mit dem Auslande einschließlich des Zoll- und<br />

Grenzschutzes.“ 379<br />

Unglücklich an dieser Formulierung ist der Zusammenhang des Grenzschutzes<br />

mit dem „Waren- und Zahlungsverkehr mit dem Ausland“, konkret die Verknüpfung<br />

durch das Wort „einschließlich“. Es muss sich hierbei, auch aufgrund<br />

der relativ kurzen Zeit, in der es galt, den Polizeibrief umzusetzen, um ein<br />

redaktionelles Versehen gehandelt haben, denn es ist weitgehend anerkannt,<br />

dass dem Bund eine eigene Gesetzgebungskompetenz für den Grenzschutz, ohne<br />

eine Beschränkung im Zusammenhang mit dem Waren- und Zahlungsverkehr,<br />

zukommt 380 . In den Beratungen um das erste Gesetz über den Bundesgrenzschutz<br />

im Bundesrat am 15. Dezember 1950 führte der bayerische Vertreter<br />

Schwalber 381 genau diese Argumentation, dass die Gesetzgebungszuständigkeit<br />

des Bundes beim Grenzschutz nur in Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen<br />

Schutz des Bundesgebietes zu sehen sei, an, um die Zustimmung zum Gesetzentwurf<br />

über die Errichtung von Bundesgrenzschutzbehörden zu versagen 382 .<br />

Die Schnelligkeit der Verankerung des Grenzschutzes in Art. 73 Ziff. 5 GG a.F.<br />

zeigt, dass die Mitglieder des Parlamentarischen Rates hier keine entscheidenden<br />

Probleme sahen. Eine politische Diskussion entbrannte erst mit dem<br />

Entwurf über das erste Bundesgrenzschutzgesetz. Die Aufstellung von Grenzschutzeinheiten<br />

war im Jahr 1949 noch nicht absehbar bzw. nicht erkennbar,<br />

welche Form einem Grenzschutz auf Bundesebene gegeben werden sollte. Dies<br />

wurde erst maßgeblich durch politische Faktoren und äußere Einflüsse bestimmt.<br />

379<br />

380<br />

381<br />

382<br />

Ebd.<br />

Maunz/Dürig, GG, 58. Lfg. 4/2010, Art. 73 Rn. 120; Sachs, GG, 3. Aufl., Art. 73,<br />

Rn. 24; Münch/Kunig, GG, 4./5. Aufl., Art. 73 Rn. 26; Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.<br />

2, 4. Aufl., Art. 73 Rn. 50; zum Vorrang der historisch-genetischen Auslegung vor der<br />

grammatikalischen Auslegung: Baldus, Transnationales Polizeirecht, S. 79.<br />

Josef Schwalber (1902-1969), Jurist, Mitglied der CSU, von 1946 bis 1950 Mitglied des<br />

Bayerischen Landtages, Mitglied des Parlamentarischen Rates, von 1947 bis 1950<br />

Staatssekretär im bayerischen Innenministerium, von 1951 bis 1954 bayerischer Kultusminister,<br />

vgl. Feldkamp, Der Parlamentarische Rat 1948-1949, S. 195.<br />

BR-Prot., 43. Sitzung vom 15.12.1950, S. 829C.


§ 2 Ursprung der Polizeikompetenzen des Bundes im Grundgesetz 77<br />

IV. Bundeseigene Verwaltung im Bereich Bundesgrenzschutz<br />

In engem Sachzusammenhang mit der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz<br />

des Bundes für den Grenzschutz nach Art. 73 Ziff. 5 GG a.F. muss Art. 87<br />

Abs. 1 GG gesehen werden. In Abgrenzung zur WRV, nach welcher zwar<br />

grundsätzlich die Ausführung der Reichsgesetze Ländersache war, dieser<br />

Grundsatz jedoch einfachgesetzlich durchbrochen werden konnte 383 , sah der<br />

HChE eine abschließende Aufzählung der bundeseigenen Verwaltung vor. Im<br />

Einzelnen nannte der HChE in Art. 116 Abs. 1 im Bereich der voll ausgebauten<br />

bundeseigenen Verwaltung nur den auswärtigen Dienst, die Bundeseisenbahnen<br />

und die Bundespost. Andere bundeseigene Sicherheitsorgane fanden im gesamten<br />

Art. 116 384 HChE keine Erwähnung. In Anlehnung an die Einführung der<br />

Gesetzgebungskompetenz für den Grenzschutz aufgrund des Polizeibriefes,<br />

analog zu Art. 73 Ziff. 5 GG a.F., wurde in der letzten Sitzung ohne Debattierung<br />

die fakultative Möglichkeit zur Errichtung von Bundesgrenzschutzbehörden<br />

geschaffen 385 . Entscheidend an Art. 87 Abs. 1 Satz 2<br />

Grundgesetz ist, dass hier, auch unmittelbar durch Ziff. 1a des Polizeibriefes<br />

beeinflusst, dem Bund „echte polizeiliche Zuständigkeiten und in einem gewissen<br />

Rahmen auch eine polizeiliche Exekutive gegeben werden“ sollten 386 .<br />

Auch wie die Frage danach, ob die Grenzschutz-Kompetenz unmittelbar an den<br />

wirtschaftlichen Schutz des Bundesgebietes geknüpft sei, war die Thematik, ob<br />

dem Bund überhaupt selbständige, eigene Exekutivbehörden zustünden, bei der<br />

politischen Diskussion um das erste Gesetz über den Bundesgrenzschutz von<br />

Bedeutsamkeit 387 . Es bleibt jedoch ohne Zweifel, dass die Alliierten ihre Zugeständnisse<br />

im Rahmen des Polizeibriefes sowohl „für den Bereich der<br />

Gesetzgebungs- als auch für denjenigen der Vollzugszuständigkeiten“ umgesetzt<br />

383<br />

384<br />

385<br />

386<br />

387<br />

Vgl. Art. 14 WRV.<br />

Im Zuge der Neunummerierung wurde Art. 116 des Grundgesetzentwurfes zu Art. 87.<br />

Der Parl. Rat, Bd. 14, Dok. Nr. 58, S. 1830; ebenso wie bei Art. 73 Nr. 5 keine Aussprache<br />

oder weitergehende Diskussion; Vorschlag des Abgeordneten Zinn der Fassung<br />

des Art. 116 Abs. 1 Folgendes anzufügen: „Durch Bundesgesetz können Bundesgrenzschutzbehörden,<br />

Zentralstellen für das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen,<br />

zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und für Kriminalpolizei<br />

eingerichtet werden“; dieser Vorschlag wurde gegen zwei Stimmen<br />

angenommen.<br />

Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, 1953, S. 469.<br />

Vgl. BR-Prot., 51. Sitzung vom 02.03.1951, S. 176 A.


78 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

sehen wollten 388 . Dies geschah mit der Fassung von Art. 87 Abs. 1 GG. Eine<br />

weitergehende Betrachtung der Materie findet sich im Fortgang der Untersuchung<br />

389 .<br />

E. Weitergehende Interpretation des Regelungsbereiches Polizei auf<br />

Bundesebene<br />

Eine ergänzende Untersuchung der Polizeibereiche auf Bundesebene ist notwendig,<br />

um die Intentionen und Maßgaben in der Entstehungsphase des<br />

Grundgesetzes detaillierter herauszustellen. Hierbei ist von Bedeutung, welche<br />

Aufgabenzuweisung einer Behörde, die mit der Aufgabe Grenzschutz befasst ist,<br />

konkret zugestanden werden sollte, bzw. ob der Regelungsbereich Grenzschutz<br />

tatsächlich polizeiliche Befugnisse umfassen sollte. Nicht sachlich zu trennen<br />

von Letzterem ist eine genauere Betrachtung von Art. 87 Abs. 1 GG. Einen<br />

wichtigen Beitrag zu der Frage der Polizeikompetenzen des Bundes leistet die<br />

knappe Darstellung der weiteren Polizeibereiche, die in bundeseigener Verwaltung<br />

geführt werden. Maßgeblich ist hier die Bahnpolizei zu nennen, die<br />

mittlerweile das polizeiliche Herzstück der Bundespolizei bildet. Eine Skizzierung<br />

der geschichtlichen Entwicklung ist hilfreich, um zu verdeutlichen, dass die<br />

Bahnpolizei aus besonderen eigenen Erwägungen ins Leben gerufen wurde. Am<br />

Rande werden neben der Bundeszollverwaltung und dem Bundeskriminalamt<br />

die Bereiche Schifffahrtspolizei und Bundestagspolizei betrachtet, um den<br />

Willen des Verfassungsgebers herauszustellen, die Zuständigkeiten des Bundes<br />

im vollzugspolizeilichen Bereich beschränkt zu sehen.<br />

I. Begriffsbestimmung „Grenzschutz“<br />

Im Polizeibrief ist der Terminus Grenzschutz wörtlich nicht enthalten. In Ziff.<br />

1a des Polizeibriefes ist lediglich von der Überwachung des Personen- und<br />

Güterverkehrs die Rede 390 . Der Grenzschutz umfasst nach heutiger Auffassung<br />

die polizeiliche Überwachung der Bundesgrenze und die polizeiliche Kontrolle<br />

des grenzüberschreitenden Verkehrs 391 . Weiterhin ist der Begriff Grenzschutz<br />

388<br />

389<br />

390<br />

391<br />

Gusy, DVBl. 1993, 1117 (1119).<br />

Siehe S. 81 ff.<br />

Vgl. Wortlaut S. 61.<br />

Maunz/Dürig, GG, 58. Lfg. 4/2010, Art. 73 Rn. 123; vgl. § 2 BPOLG.


§ 2 Ursprung der Polizeikompetenzen des Bundes im Grundgesetz 79<br />

klar von dem des Zollschutzes zu trennen. Der Zollschutz umfasst die Überwachung<br />

der Zollgrenze zur Erhebung der Ein- und Ausfuhrabgaben einschließlich<br />

der Einhaltung des Zollrechts 392 . Es wurde bereits erwähnt, dass es sich bei der<br />

Formulierung „einschließlich des Zoll- und Grenzschutzes “ in Art. 73 Ziff. 5<br />

GG a.F. um ein Redaktionsversehen gehandelt haben muss 393 . Ebenso ergeben<br />

sich keine Hinweise, dass der Verfassungsgeber bei dem Begriff Grenzschutz<br />

den sogenannten militärischen Grenzschutz vor Augen hatte, welcher sich auf<br />

den Schutz des Grenzgebietes im Kriegsfall durch Teile der Armee bezieht 394 .<br />

Aus der Entstehungsgeschichte, dem politischen Kontext und der westalliierten<br />

Gesamtverantwortung für den militärischen Schutz Westdeutschlands lässt sich<br />

ohne Umstände herleiten, dass in Art. 73 Ziff. 5 GG a.F. nur der polizeiliche<br />

Grenzschutz gemeint sein kann 395 . Absicht des Verfassungsgebers war es also,<br />

dem Bund in Bezug auf die Aufgabe Grenzschutz auch vollzugspolizeiliche<br />

Aufgaben zu geben 396 , welche repressiver und präventiver Natur sein können 397 .<br />

Für die Annahme, dass der Grenzschutz auch polizeiliche Befugnisse enthalten<br />

müsse, spricht auch die historische Argumentation, die sich auf die unmittelbare<br />

jüngere Zoll- und Grenzschutzgeschichte vor 1949 bezieht. So war in der britischen<br />

und amerikanischen Besatzungszone für die polizeiliche Kontrolle der<br />

Grenze zunächst die Landespolizei 398 zuständig. Ebenso nahm der Zoll mit<br />

geringerer Personalstärke als die Landespolizei in Form des Zollaufsichtsdienstes<br />

399 oder des Zollgrenzschutzes Kontrollfunktionen an der Grenze wahr. Als zu<br />

Jahresbeginn 1949 die finanzielle Belastung der Länder für den Grenzschutz zu<br />

392<br />

393<br />

394<br />

395<br />

396<br />

397<br />

398<br />

399<br />

Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 4. Aufl., Art 73 Rn. 51; insofern die polizeiliche<br />

Überwachung der Grenze durch den Zoll wahrgenommen wird ist die Bezeichnung<br />

Zollgrenzschutz zutreffend; siehe hierzu im Zusammenhang mit der Alliierten Zonenverwaltung:<br />

o.V., ZfZ 1949 (Nr. 6), 92; zum Zollgrenzschutz vor 1945: Absolon, Die<br />

Wehrmacht im Dritten Reich, Bd. VI, S. 83 ff.<br />

Siehe S. 76.<br />

Zum militärischen Grenzschutz vor 1945: Absolon, Die Wehrmacht im Dritten Reich,<br />

Bd. I, S. 36; Holborn, Deutsche Geschichte in der Neuzeit III, S. 373; Stuhlmann,<br />

Wehrlexikon, S. 139; zum Grenzschutz vor 1933: Nakata, Der Grenz- und Landesschutz<br />

in der Weimarer Republik 1918 bis 1933, S. 96 ff.<br />

Ernst, Aufgaben und Verwendungsmöglichkeiten des Bundesgrenzschutzes, S. 36.<br />

Ebd., S. 35.<br />

Baldus, Transnationales Polizeirecht, S. 80.<br />

In Bayern die Bayerische Landesgrenzpolizei; zu den Aufgaben der Bayerischen<br />

Landesgrenzpolizei: Kainz, Neue Polizei, 1949 (Nr. 4), 69.<br />

Zur Organisation des Zollaufsichtsdienstes als Spezialorganisation der Bayerischen<br />

Landesgrenzpolizei: Zanker, Neue Polizei, 1947 (Nr. 1), 6.


80 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

groß wurde, entschied sich der bizonale Wirtschaftsrat, den Zollgrenzschutz<br />

verstärkt zur Grenzkontrolle sowie zur Bewachung der Zoll-, Wirtschafts- und<br />

Devisengrenzen heranzuziehen 400 . Ausprägung fand diese Entscheidung im<br />

Gesetz über die Zollleitstelle und den Zollgrenzschutz vom 11. April 1949 401 .<br />

Damit einhergehend wurde der Zollgrenzschutz allein in der britischen Zone um<br />

5.000 Mann verstärkt 402 . Dass dieser polizeiliche Befugnisse hatte, ergab sich<br />

auch aus § 5 des Gesetzes über die Zollleitstelle und den Zollgrenzschutz,<br />

welches auf das Zollgesetz von 1939 403 verwies und die Angehörigen des Zollgrenzdienstes<br />

mit den gleichen Befugnissen ausstattete wie nach dem Zollgesetz<br />

von 1939. Die Zollverwaltung war während der NS-Zeit sowohl an den Grenzübergängen<br />

als auch an der grünen Grenze eingesetzt und hatte deshalb<br />

„gewisse polizeiliche Aufgaben“ zugewiesen bekommen 404 .<br />

Der Zollgrenzschutz nahm im vereinigten Wirtschaftsgebiet polizeiliche Funktionen<br />

der Grenzbewachung wahr. In Hessen war die Landesregierung sogar<br />

damit einverstanden, dass die vormals eingesetzten Grenzpolizeibeamten des<br />

Landes in den Zollgrenzdienst eingegliedert wurden und der Zollgrenzschutz die<br />

grenzpolizeilichen Aufgaben miterfüllte 405 . Diese sicherheitspolizeiliche Funktion<br />

des Zollgrenzschutzes wurde einige Jahre später, als der Zollgrenzschutz in<br />

die Bundeszollverwaltung rückgegliedert wurde, 1952 durch den Bundesfinanzhof<br />

herausgestellt. Dieser merkte an, dass dem Zollgrenzdienst die Eigenschaft<br />

einer Sicherheitspolizei anzuerkennen sei, da „Uniformierung und Bewaffnung<br />

der mit der Durchführung der genannten Aufgaben betrauten Beamten und deren<br />

400<br />

401<br />

402<br />

403<br />

404<br />

405<br />

o.V., ZfZ 1949, 92; Lange, JR 1962, 166 (167).<br />

WiGBl. 1949, 58 = BArch Z/22/410.<br />

o.V., ZfZ 1949, 92; zur Entwicklung des Zollgrenzschutzes in der britischen Zone in<br />

Zusammenhang mit dem Britisch Forntier-Service: Christiansen, ZfZ 1986, 253.<br />

Zollgesetz vom 20.03.1939 (RGBl. I 1939, S. 529).<br />

Buchheim, Der Zollgrenzschutz, in: Gutachten des IfZ, Bd. I, S. 290 ff.; Befugnisse im<br />

ZollG 1939, § 19 ZollG: „Die Amtsträger des Zollgrenzschutzes dürfen im Zollgrenzbezirk<br />

sämtliche Grundstücke außer Gebäuden und solchen umschlossenen<br />

Grundstücken, die mit Gebäuden unmittelbar verbunden sind, im Dienst betreten. […]“,<br />

§ 21 Abs. 1 ZollG: „Im Zollgrenzbezirk hat jedermann auf Anruf der Amtsträger des<br />

Zollgrenzschutzes zu halten, die Überholung von Packstücken, Behältnissen, Tieren und<br />

Fahrzeugen, auch die körperliche Durchsuchung zu dulden […]“, § 21 Abs. 3:<br />

„[...]Männliche Personen können an Ort und Stelle abgetastet werden, wenn der dringende<br />

Verdacht besteht, dass sie Waffen am Körper verborgen halten.“, § 41 ZollG:<br />

„Der Zollgrenzschutz sichert die Zollgrenze und überwacht den Warenverkehr im Zollgrenzbezirk<br />

[…]“.<br />

Eulitz, Der Zollgrenzdienst, S. 262, 266.


§ 2 Ursprung der Polizeikompetenzen des Bundes im Grundgesetz 81<br />

Befugnisse, die den Befugnissen der Angehörigen der Sicherheitspolizei gleich<br />

oder ähnlich seien“ 406 .<br />

Wie bereits angeführt, erfolgten keine weiteren Beratungen im Hauptausschuss<br />

zu der Einführung der Grenzschutzkompetenz erfolgt. Der Verfassungsgeber<br />

fand jedoch in Westdeutschland bereits eine polizeiliche Struktur vor, die an der<br />

Grenze den polizeilichen Grenzschutz wahrnahm. Das Gesetz über die Zollleitstelle<br />

und den Zollgrenzschutz war bereits einige Zeit in Kraft. Der beschriebene<br />

Zustand in Westdeutschland war Grundlage, als der Verfassungsgeber den<br />

Grenzschutz dem Bund mit der Prämisse übertrug, dass der Grenzschutz so<br />

ausgeübt werden sollte, wie durch den Zollgrenzschutz bis dahin, einschließlich<br />

polizeilicher Befugnisse 407 . Gleichwohl wurde die Einsetzung des Zollgrenzdienstes<br />

Anfang 1949 in der Literatur als übereilt angesehen und mehrfach<br />

vertreten, dass die Aufgabe Grenzschutz als Teil der öffentlichen Sicherheit<br />

Kernaufgabe der Länder sei und eine Rückübertragung dieser Aufgabe an die<br />

„allumfassende allgemeine Polizei“ erfolgen müsse 408 , da der Schwerpunkt der<br />

Grenzüberwachung auf polizeilichem Gebiet der Landesaufgaben liege 409 .<br />

II. Bundesgrenzschutzbehörden gemäß Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG<br />

Die Vollzugszuständigkeit bei den Polizeiaufgaben des Bundes ist dahingehend<br />

von Bedeutung, inwieweit der Gesetzgeber dem Bund tatsächlich polizeiliche<br />

Exekutivbefugnisse übereignen wollte. In den Beratungen des Parlamentarischen<br />

Rates sind keine ergänzenden Hinweise zu den<br />

Bundesgrenzschutzbehörden des Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG enthalten. Der Polizeibrief,<br />

auf welchen die Verwaltungszuständigkeit des Bundes für den<br />

Grenzschutz zurückgeht, enthält jedoch weitgehend mit Art. 87 Abs. 1 Satz 2<br />

GG „identische Schlüsselworte“ 410 . Der Abgeordnete Hermann von Mangoldt<br />

(CDU), Begründer des Grundgesetz-Kommentars v. Mangoldt-Klein, betont in<br />

seiner ersten Kommentierung aus dem Jahr 1953, dass dem Bund mit Art. 87<br />

Abs. 1 S. 2 GG „echte polizeiliche Exekutivbefugnisse“ gegeben werden soll-<br />

406<br />

407<br />

408<br />

409<br />

410<br />

BFH, Az. II 87/52 U vom 26.11.1952 = BFHE 57, 47 ff. = BStBl III 1953, 17 ff.<br />

Lange, JR 1962, 166 (167).<br />

Vgl. Middelhaufe, Die Polizei 1950, 93 (94); Riedl, Die Polizei 1950, 61; Masur, Die<br />

Polizei 1950, 45 (46).<br />

Kratzenberg, Die Polizei 1950, 47.<br />

Becker, DÖV 1978, 551 (554).


82 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

ten 411 . Dies steht auch im Einklang damit, dass der Gesetzgeber im Grenzschutz<br />

einen polizeilichen Charakter sah. Dennoch ist in Art. 87 Abs. 1 GG nicht von<br />

einer Grenzpolizei- oder Bundesgrenzpolizeibehörde, sondern nur von einer<br />

Bundesgrenzschutzbehörde die Rede. Aufgrund der Rücksichtnahme auf „föderalistische<br />

Empfindlichkeiten“ trägt die dort genannte Bundesgrenzschutzbehörde<br />

nicht den Namen „Bundesgrenzschutzpolizeibehörde“ 412 . Das Wort<br />

Polizei war auf Antrag der CSU mit Hinweis auf die Polizeihoheit der Länder<br />

aus dem ursprünglichen Wortentwurf Bundesgrenzschutzpolizeibehörden gestrichen<br />

worden 413 .<br />

Insoweit der Bundesgesetzgeber von seiner ausschließlichen Gesetzgebungsbefugnis<br />

gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG Gebrauch gemacht hat, gibt es<br />

verschiedene Möglichkeiten des Vollzuges 414 :<br />

Die Einrichtung von Bundesgrenzschutzbehörden gemäß Art. 87 Abs. 1<br />

Satz 2 GG (bundeseigene Verwaltung).<br />

Die Vollziehung des Grenzschutzes auf Basis eines Bundesgesetzes nach<br />

Art. 73 Abs.1 Nr. 5 GG als Länderangelegenheit einschließlich der Bestimmung<br />

über das Verwaltungsverfahren gemäß Art. 84 Abs. 1 Satz 1<br />

GG.<br />

Die Vollziehung des Grenzschutzes auf Basis eines Bundesgesetzes nach<br />

Art. 73 Abs.1 Nr. 5 GG als Länderangelegenheit unter Regelung der Bestimmung<br />

über das Verwaltungsverfahren durch den Bund gemäß Art. 84<br />

Abs. 1 Satz 5 GG.<br />

Die Vollziehung des Grenzschutzes als Polizeiaufgabe der Länder, insofern<br />

der Bund von seinem ausschließlichen Gesetzgebungsrecht keinen<br />

Gebrauch macht.<br />

In der Anfangszeit der Bundesrepublik, besonders in der Phase zwischen der<br />

Konstituierung des Grundgesetzes und der Verabschiedung des ersten BGSG,<br />

411<br />

412<br />

413<br />

414<br />

Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, 1953, S. 469; so auch: Wolff, VVDStRL 9 (1952),<br />

134 (143).<br />

Wettig, Entmilitarisierung und Wiederbewaffnung in Deutschland, S. 243.<br />

Dierske, APuZ 1971 (Beilage 8), S. 24.<br />

Nach den Ausführungen von Ernst, Aufgaben und Verwendungsmöglichkeiten des<br />

Bundesgrenzschutzes, S. 45.


§ 2 Ursprung der Polizeikompetenzen des Bundes im Grundgesetz 83<br />

sind in Literatur teilweise Stimmen laut geworden, die, insoweit der Bund den<br />

Grenzschutz in bundeseigener Verwaltung führen wollte, den neu zu schaffenden<br />

Bundesgrenzschutzbehörden keine grenzpolizeilichen Befugnisse hätten<br />

zubilligen wollen. Den Bundesgrenzschutzbehörden sollten nur zollbehördliche<br />

Aufgaben zukommen, da die polizeilichen Aufgaben gemäß Art. 30 GG lediglich<br />

den Ländern zustanden 415 . Dies kann als ein Versuch der Selbstbehauptung<br />

und Herausstellung der unantastbaren Polizeihoheit der Länder gesehen werden,<br />

welche allerdings durch den bundeseigenen Vollzug der begrenzten polizeilichen<br />

Befugnisse zu dieser Zeit niemals wirklich bedroht war. Gusy sieht in der<br />

Systematik des Art. 87 GG sogar die Möglichkeit, dass der Verfassungsgeber<br />

hier eine „vollständige Kompetenzabgrenzung auf dem Gebiet der Polizei“<br />

vornehmen wollte und somit alle in Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG „nicht genannten<br />

Polizeiaufgaben durch ungeschriebenes Verfassungsrecht den Ländern vorbehalten<br />

bleiben sollten“ 416 .<br />

Hieran anknüpfend stellt sich die Frage, ob die Länder unabhängig vom Bund<br />

den Schutz ihrer Landesgrenzen einer landesgesetzgeberischen Regelung unterwerfen<br />

können, oder ob im Rahmen der ausschließlichen Gesetzgebung in<br />

diesem Bereich eine Sperrwirkung für den Landesgesetzgeber erwächst. Eine<br />

Landeskompetenz für den Landesgrenzschutz ist jedoch abzulehnen, da Landesgrenzen<br />

immer zugleich Bundesgrenzen sind, für deren Schutz aufgrund der<br />

speziellen und ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz nur der Bundesgesetzgeber<br />

zuständig sein kann 417 . Mit Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG wurde also<br />

ausdrücklich die Möglichkeit geschaffen, dem Bund eine Vollzugskompetenz<br />

auf dem Gebiet der Grenzpolizei, einschließlich der Grenzfahndung, zu geben<br />

418 . In Abgrenzung zu dem Begriff der Grenzfahndung muss der<br />

Vollständigkeit halber die „Schleierfahndung“ erwähnt werden. Die Grenzfahndung<br />

meint die „polizeiliche Suche“ nach Personen oder Sachen aus präventiven<br />

oder repressiven Gründen im Rahmen der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden<br />

Verkehrs 419 . Unter Schleierfahndung sind sogenannte<br />

415<br />

416<br />

417<br />

418<br />

419<br />

Pioch, DVBl. 1950, 390; Pioch, PolR, 1. Aufl., S. 154; Middelhaufe, Die Polizei 1950,<br />

93 (94); Riedl, Die Polizei 1950, 61; Masur, Die Polizei 1950, 45 (46).<br />

Gusy, DVBl. 1993, 1117 (1127).<br />

Maunz/Dürig, GG, 58. Lfg. 4/2010, Art. 73 Rn. 127; Sachs, GG, 3. Aufl., Art. 73,<br />

Rn. 24; erweiterte Darstellung des Problems: Winkeler, Grenzpolizei, S. 39 ff.; a.A.:<br />

Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 11. Aufl., Art. 73 Rn. 60.<br />

Lange, JR 1962, 166 (168).<br />

Heesen/Hönle/Peilert, BGSG, 4. Aufl., § 2, Rn 64.


84 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

verdachtsunabhängige Identitätsfeststellungen von Personen zu verstehen, die<br />

sich im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 Kilometer sowie auf Durchgangsstraßen<br />

(Bundesautobahnen, Europastraßen und anderen Straßen von erheblicher<br />

Bedeutung für den grenzüberschreitenden Verkehr) und in öffentlichen Einrichtungen<br />

des internationalen Verkehrs aufhalten 420 . Die Schleierfahndung wird<br />

auch von den Landespolizeien durchgeführt. Es stellt sich somit die Frage, ob<br />

der Landesgesetzgeber, wenn der Bund das Recht zur ausschließlichen Gesetzgebung<br />

über den Grenzschutz hat, über die erforderliche Gesetzgebungskompe-<br />

Gesetzgebungskompetenz zum Erlass entsprechender Vorschriften verfügt. Es<br />

ist diesbezüglich jedoch bereits mehrfach entschieden worden, dass die landesrechtlichen<br />

Regelungen nicht in den Bereich des Grenzschutzes gemäß Art. 73<br />

Abs. 1 Nr. 5 GG hineingreifen. Der Sinn und Zweck der landesrechtlichen<br />

Normen ist nicht die Bekämpfung der illegalen Grenzübertritte, sondern die<br />

Abwehr von Gefahren, die von Personen ausgehen können, die unter Ausnutzung<br />

der Grenzsituation die öffentliche Sicherheit und Ordnung stören 421 .<br />

Allerdings hat das Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern 422 die<br />

Schleierfahndung für rechtswidrig erklärt, da sie gegen das Recht auf informationelle<br />

Selbstbestimmung und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt. Das<br />

Bayerische 423 und Sächsische 424 Verfassungsgericht gehen hingegen davon aus,<br />

dass entsprechende polizeiliche Eingriffsbefugnisse nicht gegen die genannten<br />

Rechte verstoßen.<br />

III. Weitere Polizeiaufgaben in bundeseigener Verwaltung<br />

Neben der Polizeiaufgabe Grenzschutz gibt es noch weitere polizeiliche Zuständigkeiten,<br />

die der Bund für sich in Anspruch nehmen kann. Zu nennen sind hier<br />

neben der Bundeszollverwaltung und dem Bundeskriminalamt die Bereiche der<br />

Bahn-, und Schifffahrtspolizei sowie die Hauspolizei des Deutschen Bundestages.<br />

Fraglich ist, inwieweit der Verfassungsgeber in den verschiedenen Zweigen<br />

420<br />

421<br />

422<br />

423<br />

424<br />

Vgl. Art. 13 Abs. 5 PAG BY; § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SOG MV; § 19 Abs. 1 Nr. 5<br />

SächsPolG; § 22 Abs. 1a BPOLG.<br />

Verfassungsgericht MV, Az. 2/98, Urteil v. 21.10.1999, juris Rn. 62 = DVBl 2000,<br />

262 ff.; Bay. VfGH, Az. Vf. 7-VII-00, Vf. 8-VIII-00, Entscheidung v. 28.03.2003, juris<br />

Rn. 98 f.; Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, Az. Vf. 43-II-00, Urteil v.<br />

10.07.2003, juris Rn. 300.<br />

Vgl. DVBl 2000, 262 ff. (Leitsatz und Gründe)<br />

Vgl. DVBl. 2003, 861 ff. (Leitsatz und Gründe).<br />

Vgl. NJ 2003, 473 (Leitsatz).


§ 2 Ursprung der Polizeikompetenzen des Bundes im Grundgesetz 85<br />

eine Tätigkeit des Bundes einschließlich der bundeseigenen (Vollzugs-)<br />

Verwaltung erwogen, bzw. ein klares Auftreten des Bundes in diesen Polizeibereichen<br />

gewollt hat. Die Beurteilung dieser Thematik ist dahingehend von<br />

Belang, da der Bundesgrenzschutz im Laufe der Zeit einige der nachfolgenden<br />

Polizeiaufgaben vollständig akkumulieren (Bahnpolizei) und an einigen partizipieren<br />

wird (Hauspolizei Bundestag).<br />

1. Bahnpolizei<br />

Die Bahnpolizei als eigenständige Sonderpolizei hat eine lange Tradition, die<br />

sich bis in das 19. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Auch nach Konstituierung<br />

des Grundgesetzes bestand die Bahnpolizei als eigenständige Sonderpolizei,<br />

angegliedert an die Verwaltung der Bundesbahn, fort. Erst im Jahr 1992 folgte<br />

mit dem Gesetz zur Übertragung der Aufgaben der Bahnpolizei und der Luftsicherheit<br />

auf den Bundesgrenzschutz 425 die Eingliederung des Dienstzweiges<br />

Bahnpolizei in den damaligen Bundesgrenzschutz.<br />

a) Historische Entwicklung<br />

Die ersten Dokumente in Bezug auf die Bahnpolizei finden sich in Zusammenhang<br />

mit der Eröffnung der ältesten Bahnstrecke in Deutschland von Nürnberg<br />

nach Fürth im Jahr 1835. Die Stadt Nürnberg als Polizeisenat gab im allgemeinen<br />

Intelligenzblatt vom 23. November 1835 bestimmte Gebote und Polizeistrafen<br />

im Zusammenhang mit dem Verhalten um die Bahnfahrt bekannt 426 . In<br />

einem weiteren Dokument 427 des Magistrats der Stadt Nürnberg aus dem gleichen<br />

Jahr wurden dem Bahnaufsichtspersonal polizeiliche Befugnisse<br />

übertragen, um die Sicherheitsregeln beim Bahnbetrieb durchzusetzen, da die<br />

allgemeine Polizei dieser Aufgabe nicht gewachsen war 428 . Erstmals Erwähnung<br />

findet das Wort „Bahnpolizei“ im preußischen Gesetz über die Eisenbahn-<br />

Unternehmungen. In § 23 des Gesetzes wird die Handhabung der Bahnpolizei<br />

„[…] nach einem darüber von dem Handelsministerium zu erlassenden Regle-<br />

425<br />

426<br />

427<br />

428<br />

BGBl. I 1992, S. 178.<br />

Text des Intelligenzblattes in: Heesen, Die Polizei 1992, 194; Balzert/Rettinghaus, Die<br />

Bahnpolizei, S. 9.<br />

Bekanntmachung vom 02.12.1835 im Allgemeinen Intelligenz Blatt der Stadt Nürnberg,<br />

Original-Abdruck in: Pottgießer, DB 1967, 461 (462).<br />

Blau, Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Probleme der Bahnpolizei, S. 4.


86 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

ment der Gesellschaft übertragen“ 429 . Ebenso enthielt dieses Gesetz in § 24 die<br />

Auflage an die Eisenbahngesellschaften, bestimmte Sicherheitsbestimmungen<br />

durchzusetzen; hierzu waren die privatrechtlichen Träger der Eisenbahn ermächtigt,<br />

Bahnpolizeibeamte zu bestellen, welche hoheitliche Ordnungsfunktionen<br />

ausübten 430 . Neben dem preußischen Gesetz gab es in Deutschland zahlreiche<br />

örtliche Vorschriften 431 über die Bahnpolizei, bis einhergehend mit der Reichsgründung<br />

im Jahr 1871, die erste reichsweite Regelung des Bahnpolizeirechts<br />

erfolgte. Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871 schrieb in<br />

Art. 43 explizit vor, dass „gleiche Bahnpolizei-Reglements“ eingeführt werden<br />

sollten. Das reichsweite Reglement enthielt in § 62 die Möglichkeit der Verhängung<br />

von Polizeistrafen 432 und in § 63 ausdrücklich polizeiliche Befugnisse 433 .<br />

Die Ausübung der bahnpolizeilichen Befugnisse war einem großen Personenkreis<br />

gestattet; so wurde von § 66 des Reglements vom Betriebsdirektor bis zum<br />

Nachtwächter nahezu jeder Bahnbedienstete zum Hilfspolizeibeamten. Hauptamtliche<br />

Bahnpolizisten gab es nach diesem Reglement noch nicht.<br />

Der Begriff Bahnpolizei umfasste im 19. Jahrhundert ein viel größeres Spektrum<br />

als die reine Gefahrenabwehr, welche heute maßgeblich mit dem Begriff „Polizei“<br />

verbunden ist. Vielmehr regelten die Vorschriften über die Bahnpolizei zu<br />

dieser Zeit auch Bau und Betrieb – die meisten der vierundsiebzig Paragraphen<br />

des Reglements aus dem Jahr 1872 sind betriebstechnischer und verwaltungsspezifischer<br />

Natur. Somit kann das reichsweite Reglement als Vorgänger der<br />

Eisenbahn-, Bau- und Betriebsordnung 434 gesehen werden, welche auch bis zur<br />

Auflösung 1992 die Normgrundlage der DB-Bahnpolizei war 435 .<br />

429<br />

430<br />

431<br />

432<br />

433<br />

434<br />

435<br />

Gesetzestext in: Heesen, Die Polizei 1992, 194 (195).<br />

Blau, Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Probleme der Bahnpolizei, S. 5.<br />

Ausführliche Darstellung bei: Balzert/Rettinghaus, Die Bahnpolizei, S. 9 ff.; Pottgießer,<br />

DB 1967, 461 ff.<br />

Bei Zuwiderhandlung gegen die §§ 53-61 (Verhaltensregeln) konnten Geldstrafen bis<br />

dreißig Mark erhoben werden.<br />

§ 63 Bahnpolizeireglement 1872: „Die Bahnpolizeibeamten sind befugt, einen jeden<br />

vorläufig festzunehmen, der auf der Übertretung der im § 62 gedachten Bestimmungen<br />

betroffen oder unmittelbar nach der Übertretung verfolgt wird und sich über seine Person<br />

nicht auszuweisen vermag. […] Jeder Festgenommene ist ungesäumt an die nächste<br />

Polizeibehörde oder an den Staats- oder Polizeianwalt abzuliefern.“<br />

BO vom 04.11.1904; BO vom 17.07.1928; EBO vom 08.05.1967 = BGBl. II 1967,<br />

S. 1563.<br />

Vgl. § 55 EBO (Aufgaben der Bahnpolizei) i.d.F. von 08.05.1967 bis 31.03.1992.


§ 2 Ursprung der Polizeikompetenzen des Bundes im Grundgesetz 87<br />

Bezeichnend für die Entwicklung der Anfangsphase ist die Notwendigkeit einer<br />

Polizei, welche auf die besonderen betriebsbezogenen Gefahren des Bahnbetriebes<br />

reagieren kann 436 . Gleichwohl war eine klare Trennung zwischen<br />

allgemeiner Polizei und Bahnpolizei vorhanden. § 62 des Reglements von 1872<br />

kann entnommen werden, dass die Bahnpolizei im Rahmen ihrer Aufgaben nur<br />

einige betriebsbezogene Gefahren ahnden konnte und weitere freiheitsentziehende<br />

Maßnahmen, die selbst in Sachzusammenhang mit der Aufgabe Bahnpolizei<br />

standen, der allgemeinen Polizeibehörde vorbehalten waren. Ebenso war<br />

die Ausübung der begrenzten polizeilichen Befugnisse überwiegend nebenamtlichen<br />

Bahnpolizeibeamten übertragen, welche im Hauptamt Aufgaben im<br />

Betriebsdienst wahrnahmen.<br />

Mit Ende des ersten Weltkrieges änderten sich der Anspruch an die Bahnpolizei<br />

und die organisatorischen Voraussetzungen 437 . Die Versorgungslage, gerade im<br />

Bereich der Lebensmittel, war angespannt und maßgeblich auch von einem<br />

Funktionieren des Eisenbahngüterverkehrs abhängig. Zum Schutz des Personenund<br />

Güterverkehrs wurden hauptamtliche Bahnpolizeikräfte benötigt. Reichsweit<br />

übernahmen ca. 1.600 hauptamtliche Bahnpolizisten 438 , die zunächst im<br />

sogenannten „Überwachungsdienst“ und später im „Streifdienst“ organisiert<br />

waren, die Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit auf den Bahnanlagen<br />

439 . 1921 wurde darüber hinaus der Bahnschutzdienst 440 als Reserveeinheit<br />

eingeführt, welcher sich aus rund 27.000 Freiwilligen rekrutierte und in besonderen<br />

Fällen zum Schutz der Bahnanlagen eingesetzt werden sollte 441 . 1938<br />

wurde der Streifdienst schließlich in „Bahnschutzpolizei“ umbenannt und<br />

reichsweit unter den Befehl des Führers SS und Chefs der Schutzpolizei gestellt.<br />

436<br />

437<br />

438<br />

439<br />

440<br />

441<br />

Mielck, Allgemeine Staatspolizei und Bahnpolizei, S. 3.<br />

Gem. Art. 89 WRV i.V.m. dem Gesetz betreffend den Staatsvertrag über den Übergang<br />

der Staatseisenbahnen auf das Reich vom 30.04.1920 (RGBl I 1920, S. 773) wurden die<br />

Staatseisenbahnen in der Deutschen Reichsbahn vereinigt.<br />

Heesen, Die Polizei 1992, 194 (196).<br />

Die Gründung der hauptamtlichen Bahnpolizei war mit beeinflusst durch die Rechtsprechung<br />

des RG, dieses hatte entschieden, dass die „Unterlassung nächtlicher Bewachung<br />

eines Güterbahnhofes mit allen Folgen strengster Haftung der Reichsbahn anzurechnen<br />

sei“ (RGZ, I. Zivilsenat v. 20.05.1922), Nachweis bei Maile, DB 1980, 693 (695).<br />

Auch nur als „Bahnschutz“ bezeichnet.<br />

Kessow, Bahnpolizeiliche Aufgaben, S. 22; der Bahnschutzdienst wurde auch bei den<br />

aufkommenden Massenveranstaltungen der 1930er Jahre eingesetzt.


88 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

Nach Ende des zweiten Weltkrieges wurden die bestehenden Polizeistrukturen<br />

in Deutschland aufgelöst und auf zonaler Ebene neu reorganisiert. Bezüglich der<br />

Bahnpolizei traf der Alliierte Kontrollrat am 10. Mai 1956 den Beschluss zur<br />

Wiedererrichtung in jeder Besatzungszone:<br />

„Ein passend aufgestellter Bahnpolizeidienst ist in einer jeden Zone zu<br />

organisieren. Pflicht des Bahnpolizeidienstes wird es sein, Verbrechen<br />

zu verhüten und solchen nachzuforschen. Weiterhin sind alle polizeilichen<br />

Pflichten der Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit auf<br />

Bahnhöfen, Güter- und Rangierbahnhöfen zu übernehmen, die festgelegten<br />

Grenzen des Bahngeländes sowie jedes Gut innerhalb ihrer zu<br />

bewachen.“ 442<br />

Ebenso wie nach dem ersten Weltkrieg kam dem sicheren Transport von Nahrungsmitteln<br />

und sonstigen wichtigen Gütern besondere Bedeutung zu. In den<br />

einzelnen Besatzungszonen wurde jeweils eine Bahnpolizei unter verschiedenartiger<br />

Aufbauorganisation errichtet 443 . Nach Gründung der Bundesrepublik ging<br />

die Befehlsgewalt über die Bahnpolizei wieder an deutsche Stellen zurück.<br />

Bundesweit unterstand die Bahnpolizei ab 1951 der „Oberleitung der Bahnpolizei<br />

in Frankfurt/Main“ 444 . Die organisatorische Angliederung der Bahnpolizei an<br />

die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn blieb bis zur Übernahme durch<br />

den Bundesgrenzschutz bis 1992 bestehen 445 .<br />

442<br />

443<br />

444<br />

445<br />

Teilübersetzung bei: Kleuss, DBP 1953, 3; Originaltext des Beschlusses nach OMGUS,<br />

Office of the Military Governor, AG 014.12 (TD), v. 28.08.1946, Subject: Reorganization<br />

of the Railway Police, Ziff. 1b, in: IFZ, OMGUS, AG 45/14/6: „Properly<br />

constituted Railway Police Forces shall be organized in each zone. They shall be made<br />

responsible for the prevention and investigation of crime, for all police duties in the<br />

maintenance of order and security at all railway stations, goods yards or marshalling<br />

yards, and for the protection of all premises and property within defined boundaries of<br />

railway land, including escorting trains when necessary“. Weitere Unterlagen zur Wiedererrichtung<br />

der Bahnpolizei, in: IFZ, OMGUS, ACA USSEC, 2/99-2/7.<br />

Zur Bahnpolizei in den Besatzungszonen: Uebelhoer, Die Bahnpolizei, S. 23 ff.<br />

§ 2a Nr. 9 VO zur Auflösung und Überführung von Verwaltungseinrichtungen der Verkehrsverwaltung<br />

im Vereinigten Wirtschaftsgebiet und in den Ländern Baden,<br />

Rheinland-Pfalz und Württemberg-Hohenzollern = BGBl. I 1951, S. 826.<br />

Zum organisatorischen Aufbau der Bahnpolizei: Balzert/Rettinghaus, Die Bahnpolizei,<br />

S. 40 ff.; Maile, DB 1980, 696.


§ 2 Ursprung der Polizeikompetenzen des Bundes im Grundgesetz 89<br />

b) Einordnung der Bahnpolizei in der Entstehungsphase des GG<br />

War die polizeiliche Zuständigkeit des Bundes im Bereich Kriminalwesen im<br />

Parlamentarischen Rat kontrovers diskutiert worden 446 , so findet sich über die<br />

Bahnpolizei in den dokumentierten Beratungen kein Vermerk. Dies liegt auch<br />

nicht fern, denn die Frage über eine bundeseigene Sonderpolizei im Bereich der<br />

Eisenbahnen war zur Zeit der Beratungen des Grundgesetzes nicht von entscheidender<br />

Wichtigkeit. Eine abschließende sichere Beantwortung der Frage, warum<br />

die Materie Bahnpolizei in den Beratungen des Parlamentarischen Rates nicht<br />

behandelt wurde, gestaltet sich schwierig. Zwei Konstellationen könnten hierfür<br />

ursächlich gewesen sein. Zum einen der Umstand, dass zur Zeit der Beratungen<br />

die Bahnpolizei zonal organisiert war und möglicherweise damit gerechnet<br />

wurde, dass die Alliierten diese Polizeiaufgabe den Ländern ohnehin in absehbarer<br />

Zeit übertragen würden, da eine bundesweit organisierte Bahnpolizeitruppe<br />

nicht im Polizeibrief 447 genannt war, welcher die Zuständigkeiten des Bundes in<br />

diesem Bereich abschließend regeln sollte. Zum anderen, da mit Art. 123 GG<br />

(Fortgeltung des alten Rechts) die Voraussetzung dafür geschaffen wurde, die<br />

ursprüngliche Rechtsgrundlage der Bahnpolizei vor 1945, die BO aus dem Jahr<br />

1928 448 , auch nach Inkrafttreten des Grundgesetzes weiter fort gelten zu lassen.<br />

So war die Existenzsicherung einer bundesweiten Bahnpolizei möglich, ohne in<br />

weitergehende parteiübergreifende Verhandlungen einsteigen zu müssen.<br />

Obwohl sich die Normen der WRV im Bereich der Eisenbahnverwaltung weitgehend<br />

mit denen des Grundgesetzes gleichen, erscheint es doch für das Jahr<br />

1948/49 höchst zweifelhaft, dass selbst die dem Bundesstaat wohlgesonnenen<br />

Mitglieder des Parlamentarischen Rates dem Bund eine ausdrückliche Kompetenz<br />

für eine bundesweite Bahnpolizei hätten zugestehen wollen. Der Duktus der<br />

Verhandlungen im Parlamentarischen Rat in Zusammenhang mit den Polizeikompetenzen<br />

hätte der Konstituierung einer Bahnpolizei auf Bundesebene<br />

entgegengestanden.<br />

Die Bahnpolizei wurde ab dem Jahr 1951 unter zentrale Oberleitung, angesiedelt<br />

bei der Bundesbahn, gestellt. Der Fachliteratur aus den ersten Jahren nach<br />

Inkraftsetzung des Grundgesetzes sind hierzu durchaus kritische Stimmen zu<br />

446<br />

447<br />

448<br />

Siehe S. 67.<br />

Wortlaut siehe S. 61.<br />

Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (BO) vom 17.07.1928 (RGBl. II 1928, S. 541).


90 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

entnehmen. So warf von Mangoldt die Frage auf, ob die Bahnpolizei überhaupt<br />

in bundeseigener Verwaltung geführt werden könne, und betonte in diesem<br />

Zusammenhang vor allem, dass es dem Bund verwehrt sei, andere als ausdrücklich<br />

die in Art. 87 GG genannten Polizeibehörden in Hinblick auf Art. 30 GG zu<br />

installieren 449 . Pioch bezeichnete den Status der Bahnpolizei und vor allem die<br />

Frage, ob diese überhaupt als Bundespolizei anerkannt werden könne, als „unklar“<br />

450 . Weiterhin ging er aber trotz der angebrachten Zweifel davon aus, dass<br />

der Gesetzgeber in einem zukünftigen Bundesbahngesetz die Organisation der<br />

Bahnpolizei neu regeln würde 451 .<br />

c) Verfassungsrechtliche Verankerung der Bahnpolizei<br />

Über die verfassungsrechtliche Kompetenz des Bundes für die Errichtung einer<br />

Bundesbahnpolizei kann man der Literatur in den ersten Jahren nach Inkraftsetzung<br />

des Grundgesetz wenig entnehmen, außer, dass es zweifelhaft sei, ob eine<br />

Bundesbahnpolizei überhaupt bestehen könne. Die Frage nach der Gesetzgebungskompetenz<br />

des Bundes für den Bereich Bahnpolizei, gestützt auf Art. 73<br />

Ziff. 6 GG a.F. i.V.m. Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG, ist eng verbunden mit der<br />

Thematik der ungeschriebenen Bundeskompetenzen, die sich im Wege der<br />

Auslegung ermitteln lassen. Die Bahnpolizei wurde in der Literatur bereits früh<br />

als Sonderpolizei bezeichnet 452 , auch wenn die Einordnung Anfang der fünfziger<br />

Jahre in die Systematik der Bundeskompetenzen als „unklar“ bemängelt wurde<br />

453 . Das BVerfG entschärfte 1954 die Situation. In Zusammenhang mit der<br />

Zuständigkeit des Bundes zum Erlass eines Baugesetzes führte das BVerfG aus,<br />

dass „die Zuständigkeit zur Gesetzgebung in einem Sachbereich auch die Regelung<br />

der Ordnungsgewalt (Polizeigewalt) in diesem Sachgebiet umfasst, da die<br />

Ordnungsgewalt ein Annex des Sachgebietes ist, auf dem sie tätig wird und,<br />

dass der Bund, soweit er ein Recht zur Gesetzgebung auf bestimmten Lebensgebieten<br />

hat, daher auch das Recht haben muss, die dieses Lebensgebiet<br />

betreffenden spezial-polizeilichen Vorschriften zu erlassen“ 454 . Das Vorliegen<br />

449<br />

450<br />

451<br />

452<br />

453<br />

454<br />

Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, 1953, S. 471.<br />

Pioch, PolR 1. Aufl., S. 155; ebenso die rechtliche Lage der Bahnpolizei als „ungeklärt“<br />

bezeichnet: Drews/Wacke, Allgemeines Polizeirecht, 6. Aufl., S. 214.<br />

Pioch, DVBl. 1950, 390 (391).<br />

Gönnenwein, VVDStRL 9 (1952), 181 (186); Kantel, Die Polizei 1951, 229; Riederer,<br />

Die neue Polizei 1949, 107 (110); Pioch, DV 1949, 259.<br />

Siehe Fn. 450.<br />

BVerfGE, 3, 407 (433).


§ 2 Ursprung der Polizeikompetenzen des Bundes im Grundgesetz 91<br />

einer Annexkompetenz 455 als Sonderfall der Gesetzgebungskompetenz kraft<br />

Sachzusammenhangs wurde seither für den Bereich Bahnpolizei angenommen<br />

456 . Die Materie und Aufgabe Bahnpolizei wurde als untrennbar mit dem<br />

Bereich Bundesbahn gemäß Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG angesehen. Bestätigung<br />

fand diese Auffassung durch die Rechtsprechung des BVerfG 1998 zur Aufgabenerweiterung<br />

des Bundesgrenzschutzes 457 .<br />

aa) Entwicklung des Bahnpolizeirechts bis 1992<br />

Die polizeiliche Tätigkeit wurde der Bahnpolizei auf Reichsebene erstmals mit<br />

der vom 4. November 1904 in Kraft getretenen Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung<br />

(BO) detailliert zugewiesen. 1928 wurde diese Vorschrift (BO 1928)<br />

neu gefasst 458 und entfaltete nach Übergang des Eisenbahnwesens auf das Reich<br />

auch umfassende Gültigkeit für das gesamte Reichsgebiet, da vorher landesrechtliche<br />

Bestimmungen gemäß § 10 des Staatsvertrages 459 bis zu einer<br />

reichsweiten Neuregelung weiter gültig waren. Die bahnpolizeilichen Regelungen<br />

in der BO 1928 sind allerdings nahezu wortgleich mit der Fassung von<br />

1904. Die wesentlichen Vorschriften sind in der BO 1928 im Abschnitt V<br />

„Bahnpolizei“ (§§ 74-76) und im Abschnitt VI „Bestimmungen für das Publikum“<br />

(§§ 77-83) enthalten. Die „Ausübung der Bahnpolizei“ wird wie folgt<br />

konkretisiert:<br />

„Der Amtsbereich der Bahnpolizeibeamten umfasst örtlich – ohne<br />

Rücksicht auf den Wohnort oder Dienstbezirk – das gesamte Gebiet<br />

der Bahnanlagen der Verwaltungen, bei denen sie beschäftigt werden,<br />

sachlich die Maßnahmen, die zur Handhabung der für den Eisenbahn-<br />

Betrieb und -Verkehr geltenden Polizeiverordnungen erforderlich<br />

sind.“ 460<br />

455<br />

456<br />

457<br />

458<br />

459<br />

460<br />

Ausführliche Darstellung zur Annexkompetenz: Achterberg, DÖV 1966, 695.<br />

Münch/Kunig, GG, 4./5. Aufl., Art. 30 Rn. 19; Mlitzko, DÖV 1964, 730; Drews/Wacke,<br />

Allgemeines Polizeirecht, 7. Aufl., S. 548.<br />

BVerfGE 97, 198 ff.<br />

Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung von 1928 (RGBl II 1928, S. 541).<br />

Staatsvertrag über den Übergang der Staatseisenbahnen auf das Reich vom 30.04.1920<br />

(RGBl I 1920, S. 773).<br />

§ 75 Abs. 1 BO 1928.


92 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

Anzumerken ist an dieser Stelle, dass die BO 1928 nicht ausdrücklich „hauptamtliche<br />

Bahnpolizeibeamte“ nennt, sondern nur den Personenkreis umschreibt,<br />

der zu den „Eisenbahnpolizeibeamten“ zu zählen ist. § 74 Abs. 1 BO 1928<br />

lautet:<br />

„Eisenbahnpolizeibeamte sind die im § 45 unter 1 bis 11 aufgeführten<br />

Eisenbahnbetriebsbeamten und<br />

12. Pförtner,<br />

13. Bahnsteigschaffner,<br />

14. Wächter,<br />

15. Ortsladebeamte.“ 461<br />

Teilweise wurde in der Literatur vertreten, dass das Fehlen einer ausdrücklichen<br />

Nennung von hauptamtlichen Bahnpolizeibeamten in den §§ 45, 74 BO 1928<br />

zur Rechtswidrigkeit des Daseins der hauptamtlichen Bahnpolizei führe 462 . Dies<br />

stellte jedoch die Mindermeinung dar. Unter § 74 Ziff. 14 BO 1928 („Wächter“)<br />

wurde einhergehend die sicherheitspolizeiliche Tätigkeit der Bahnpolizei subsumiert.<br />

Gleichwohl war die Frage nach der Abgrenzung der Zuständigkeiten<br />

zur allgemeinen Polizei und nach der Reichweite der Aufgabe Bahnpolizei auch<br />

während der dreißiger Jahre präsent 463 . Nach Inkrafttreten des GG war die BO<br />

1928 über Art. 129 GG weiterhin gültig. Bezüglich der angemerkten Problematik<br />

der Auflistung in § 74 BO 1928 wurde 1957 Abhilfe geschaffen. Der<br />

hauptamtlichen Bahnpolizei wurde durch Änderung der BO in § 74 eine positive<br />

Rechtsgrundlage gegeben, indem nun der Personenkreis der hauptamtlichen<br />

Bahnpolizisten explizit aufgeführt war 464 .<br />

1950 ging Pioch noch davon aus, dass der Bundesgesetzgeber das Bahnpolizeirecht<br />

in einem förmlichen Gesetz regeln würde. Die Reform und Neusetzung des<br />

Bahnpolizeirechts wurde jedoch erst 1968 mit der neuen Eisenbahn-Bau- und<br />

461<br />

462<br />

463<br />

464<br />

In § 45 Abs. 1 BO 1928 sind unter den Ziff. 1-11 verschiedene Funktionen genannt wie<br />

Aufsichtsführende, Bahnkontrolleure, Vorsteher, Weichensteller, Schrankenwärter, Lokomotivführer<br />

etc.<br />

Mit Nachweisen bei: Golz, ArchEBW 1/1935, 13 (26).<br />

Vgl. Mielck, Allgemeine Staatspolizei und Bahnpolizei, 1939; Kabalitz, Das Wesen der<br />

Reichs-Bahnpolizei im Rahmen des deutschen Polizeirechts, 1937; Golz, Bahnpolizei<br />

und allgemeine Polizei, ArchEBW 1/1935, ArchEBW 2/1935; Mayer, Bahnpolizeiliche<br />

Zuständigkeit außerhalb der Bahnanlagen, in: ZDdVMEV1934, 783 ff.; siehe auch,<br />

Schunck, Grundzüge des Bahnpolizeirechts in Preußen, S. 4 ff.<br />

Drews/Wacke, Allgemeines Polizeirecht, 7. Aufl., S. 550.


§ 2 Ursprung der Polizeikompetenzen des Bundes im Grundgesetz 93<br />

Betriebsordnung 465 (EBO), also einer Rechtsverordnung, vollendet 466 . Die<br />

stillschweigende Konsumierung der Bahnpolizei durch den Bund konnte nicht<br />

immanent auf Dauer sicherstellen, dass es keine Kompetenzstreitigkeiten mit<br />

den Ländern geben würde. Gerade bei der Neuregelung des Bahnpolizeirechts<br />

waren Abgrenzungsprobleme vorprogrammiert 467 . Die Bundesregierung ging<br />

jedoch äußerst taktisch klug vor, um einen Streit mit den Ländern zu vermeiden.<br />

Bei Kruchen 468 ist die Rechtsreform des Bahnpolizeirechts mit den Motiven der<br />

damaligen Bundesregierung ausführlich beschrieben. Er stellt dar, dass der<br />

Bundesrat wohl kaum einem förmlichen Bundesbahnpolizeigesetz zugestimmt<br />

hätte und deshalb die Entscheidung unter Inkaufnahme rechtlicher Schwierigkeiten<br />

zugunsten einer neuen Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung fiel 469 .<br />

Die rechtliche Grundlage der Bahnpolizei wurde jedoch auch nach Inkraftsetzung<br />

der EBO in Frage gezogen. So stellte der Innenausschuss des Bundestages<br />

1980 fest, dass „es erforderlich sei, für die Bahnpolizei ein Gesamtkonzept zu<br />

entwickeln, das sowohl den sicherheitspolitischen wie den rechtsstaatlichen<br />

Belangen Rechnung trage“ 470 . Ein wichtiger Hinweis zum Bestehen der Bahnpolizei<br />

im Allgemeinen kann dem Bericht einer Prüfungskommission aus dem Jahr<br />

1960 zur Bundesbahn entnommen werden. Dort wird in Zusammenhang mit<br />

Reformvorschlägen festgestellt, dass die Voraussetzungen zur Errichtung einer<br />

Bahnpolizei, wie sie direkt nach dem ersten oder zweiten Weltkrieg vorlagen,<br />

1960 nicht mehr vorhanden waren, und die Aufgabe der Aufrechterhaltung der<br />

öffentlichen Sicherheit auf Bahnhöfen Sache der örtlichen Polizei sei 471 .<br />

Ebenso ist erwähnenswert, dass die von der Bahnpolizei organisatorisch getrennte<br />

kriminalpolizeiliche Komponente kurzzeitig als „Bahnkriminalpolizei“<br />

bezeichnet, dann jedoch in „Fahndungsdienst der Deutschen Bundesbahn“<br />

465<br />

466<br />

467<br />

468<br />

469<br />

470<br />

471<br />

EBO vom 08.05.1967 (BGBl. II 1967, S. 1563).<br />

Begründung zur EBO 1967 in BR-Drs. 138/67.<br />

Vgl. Heesen, Die Polizei 1992, 194 (197): „In den westlichen Bundesländern setzt zu<br />

Beginn der fünfziger Jahre eine rechtliche Diskussion darüber ein, ob angesichts der Polizeihoheit<br />

der Länder Art. 87 Abs. 1 GG eine ausreichende Rechtsgrundlage für eine<br />

Sonderpolizei des Bundes sein kann“.<br />

Erich Kruchen, Ministerialrat in der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn, vgl.<br />

o.V., DÖV 1957, 192.<br />

Kruchen, DB 1968, 414.<br />

Maile, DB 1980, 693 (698).<br />

Bericht über die Deutsche Bundesbahn (DB) vom 30.01.1960, S. 238/239, in: BT-Drs.<br />

III/1602.


94 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

umbenannt wurde 472 . Es liegen augenscheinlich mehrere Fakten vor, die nahelegen,<br />

dass der Bund bei der förmlichen Verankerung der Bahnpolizei in der EBO<br />

von 1967 kein Aufsehen erregen wollte und so den Ländern gegebenenfalls<br />

Grund zur Infragestellung der bundesweiten Bahnpolizei und zu einer möglichen<br />

Revision – ius vigilantibus scriptum – geben wollte. Gleichwohl bildeten<br />

die §§ 55 bis 61 EBO im 6. Abschnitt („Sicherheit und Ordnung auf den Bahnanlagen“)<br />

ab 1967 die Rechtsgrundlage der Bahnpolizei bis zu deren<br />

Überführung in den Bundesgrenzschutz 1992. Mit der Überführung wurden mit<br />

Wirkung zum 1. April 1992 die §§ 55 bis 61 der EBO aufgehoben 473 .<br />

bb) Begrenzung der Aufgabe Bahnpolizei<br />

Abgrenzungs- und Kompetenzprobleme zwischen Bahnpolizei und allgemeiner<br />

Landespolizei waren von jeher nicht unbekannt. Wie bereits oben erwähnt<br />

wurden die Aufgaben und Befugnisse der Bahnpolizei in der wissenschaftlichen<br />

Literatur kritisch betrachtet 474 . Dokumente der Westalliierten Militärregierung<br />

aus dem Gründungsjahr der Bahnpolizei nach dem zweiten Weltkrieg von 1946<br />

bestätigen die sonderpolizeilich beschränkte Zuständigkeit der Bahnpolizei<br />

nachdrücklich: „Die Zuständigkeit der Bahnpolizei soll nicht über die festgesetzten<br />

Grenzen des Grundbesitzes der Eisenbahn hinausgehen“ 475 . Weiterhin<br />

kann den Dokumenten entnommen werden, dass die „deutsche Landespolizei<br />

sowie die städtische Polizei, die in erster Linie für die Einhaltung der Gesetze<br />

und Ordnungsvorschriften […] verantwortlich sind, […] bei der Durchführung<br />

ihrer Aufgaben genau dieselben Befugnisse über den Besitz der Eisenbahn<br />

haben“ solle wie die Bahnpolizei 476 . Im Jahr 1948 sah sich die Militärregierung<br />

sogar dazu veranlasst, in einer Direktive mit dem Titel „Authority, Jurisdiction<br />

and Responsibility of German Railway and other German Police Agencies“ 477<br />

472<br />

473<br />

474<br />

475<br />

476<br />

477<br />

Drews/Wacke/Vogel, Gefahrenabwehr, 8. Aufl., S. 38; Drews/Wacke, Allgemeines<br />

Polizeirecht, 7. Aufl., S. 550: „Da man zu der Meinung kam, dass es eine Rechtsgrundlage<br />

für eine besondere Kriminalpolizei dieser Art nicht gebe, hat man den heutigen<br />

Namen [Fahndungsdienst] gewählt“.<br />

BGBl. I 1992, S. 178.<br />

Vgl. Fn. 463.<br />

Schreiben des Regional Government Coordinating Office an den Generalsekretär des<br />

Länderrates Rossmann, v. 12.09.1946, S. 1, in: BArch, Z1, 770, fol. 149 f.<br />

Ebd., S. 2.<br />

Direktive des Office of Military Government for Germany, Az. AG 014.12 (IA), v.<br />

09.01.1948, in: IFZ, OMGUS, AG 1948/185/4.


§ 2 Ursprung der Polizeikompetenzen des Bundes im Grundgesetz 95<br />

die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Bahn- und Landespolizei deutlicher<br />

herauszustellen, nachdem die Bahnpolizei der örtlichen Polizei vereinzelt<br />

das Recht versagt hatte, eigene Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Bahnanlagen<br />

auszuüben. Dem Dokument kann entnommen werden, dass sich die<br />

Zuständigkeiten der örtlichen Polizei ungehindert auch auf das Eisenbahngebiet<br />

erstreckten („German Police have full police authority and complete jurisdiction<br />

throughout their territorial area including all railway property and right-ofway“)<br />

478 . In Bezug auf die Bahnpolizei wurde festgehalten, dass diese primär<br />

mit der Verhütung von Straftaten gegen das Eigentum der Bahn betraut sei<br />

(„The railway police are charged primarily with the responsibility of prevention<br />

of crime against the railways or railway interests“) 479 .<br />

Im Laufe der Zeit entstanden weitere Streitpunkte über die Kompetenz der<br />

Bahnpolizei. Problematisch gestaltete sich beispielsweise die Einordnung der<br />

Zuständigkeit der Bahnpolizei auf Bahnhofsvorplätzen – dies ist bis zum heutigen<br />

Zeitpunkt eine umstrittene Materie 480 . Mehrfach wurde in den siebziger<br />

Jahren hierzu obergerichtlich bestätigt, dass sich die Zuständigkeit der Bahnpolizei<br />

nicht auf die Bahnhofsvorplätze erstreckt 481 . Hiermit steht in Einklang, dass<br />

die Nacheile oder die Vornahmen von Amtshandlungen von Bahnpolizeibeamten<br />

außerhalb des Bahngebietes restriktiv ausgelegt wurden 482 . Weitere<br />

Einschränkung erfuhr die Bahnpolizei in den Gründungsjahren auf dem Gebiet<br />

der Strafverfolgung. Die Bahnkriminalpolizei, bzw. ab 1953 der DB-<br />

Fahndungsdienst, konnten nur Delikte verfolgen, die gegen die Bundesbahn<br />

selbst gerichtet waren. Teilweise waren in den Bundesländern Erlasse vorhan-<br />

478<br />

479<br />

480<br />

481<br />

482<br />

Ebd., Ziff. 2a.<br />

Ebd., Ziff. 2c.<br />

Bejahend zuletzt hierzu mit weiteren Nachweisen OVG Rheinland-Pfalz, Az. 7 A<br />

10816/12, v. 24.01.2013 = DÖV 2013, 441 ff.<br />

OLG Oldenburg, Urt. v. 21.11.1972 - 1 Ss 245/72 = NJW 1973, 229 ff.; OLG Stuttgart,<br />

Beschl. v. 07.05.1973 - 2 Ss 257/73 = VerkMitt 1973, Nr. 92; OLG Hamm, Urt. v.<br />

07.08.1973 - 3 Ss 56/73 = NJW 1973, 2117 ff.; zur Zuständigkeit der Bahnpolizei auf<br />

Bahnhofsvorplätzen: Schnupp, DÖD 1976, 20 ff.; bejahend zur Zuständigkeit auf Bahnhofsvorplätzen:<br />

Dernbach, NJW 1975, 679 ff.; zuletzt vom BVerwG entschieden, dass<br />

die Bundespolizei keine Zuständigkeit auf dem Bahnhofsvorplatz hat, BVerwG,<br />

Az. 6 C 4.13, v. 28.05.2014 = DVBl. 2014, 1317 ff. = NVwZ 2015, 91 f.<br />

So für Niedersachen: Nds. MBl. 1957 / Nr. 47, S. 877: „Amtshandlungen außerhalb des<br />

Bahngebietes sind auf Wunsch der allgemeinen Polizei zu unterlassen; unverzüglich<br />

sind Ermittlungsvorgänge, die nicht in die Zuständigkeit der Bahnpolizei fallen der zuständigen<br />

allgemeinen Polizei zu übergeben“; zur Nacheile der Bahnpolizei:<br />

Weingärter, DB 1967, 645 ff.


96 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

den, welche die sachlichen Zuständigkeiten zwischen allgemeiner Polizei und<br />

Bahnpolizei genauer regelten 483 . Eine ausdrückliche Erwähnung der Aufgabe<br />

Strafverfolgung findet sich in der EBO oder BO 1928 nicht. Das Vorhandensein<br />

der Aufgabe Strafverfolgung wird vielmehr vorausgesetzt 484 .<br />

Insgesamt wird durch Vorstehendes erkennbar, dass die Reichweite der sonderpolizeilichen<br />

Aufgabe Bahnpolizei eng auszulegen war 485 . Anders formuliert<br />

bildete die eigenständige Bahnpolizei mit subsidiärem Zuständigkeitsbereich bis<br />

1992 eine Enklave im Bereich der allgemeinen Polizei, die zwar aufgrund ihrer<br />

unbedeutenden Größe 486 und polizeiuntypischen Organisation von der Landespolizei<br />

nicht als Konkurrenz angesehen wurde, jedoch Grund zur Beobachtung<br />

durch die Länder im Hinblick auf die Polizeihoheit bot. Die rechtshistorische<br />

Betrachtung der Bahnpolizei zeigt, dass dem Bund auch in diesem Gebiet keine<br />

umfassenden polizeilichen Zuständigkeiten gegeben werden sollten, sondern<br />

allenfalls die Bahnpolizei als Reservatrecht des Bundes geduldet wurde.<br />

483<br />

484<br />

485<br />

486<br />

RdErl. d. Nds. MdI. v. 09.02.1952 - II/1a - 20.10.00 Nr. 206/52 = Nds. MBl. 1952/<br />

Nr. 8, S. 82; zu den Regelungen für Hessen: Decher, HPR 1990, 10 ff.<br />

Thoma, EBO Kommentar, S. 210; kritisch zum Vorhandensein der Strafverfolgungsaufgaben<br />

bei Bahnbediensteten: Ungerbieler, Die Wahrnehmung materiell- und<br />

kriminalpolizeilicher Aufgaben, S. 242.<br />

So auch: Koschella, DÖV 1964, 194 ff.;<br />

Bundesweit hatte die Bahnpolizei nur eine Stärke von 2870 Beamt(in)en; vgl. Maile,<br />

DB 1980, 695.


§ 2 Ursprung der Polizeikompetenzen des Bundes im Grundgesetz 97<br />

2. Strom- und Schifffahrtspolizei<br />

Das Ressort der Strom- und Schifffahrtspolizei hat historisch eigene wirkungsvolle<br />

Bedeutung und durchlief nach dem ersten Weltkrieg eine ähnliche<br />

Entwicklung wie die Bahnpolizei. Die Geburtsstunde der Strom- und Schifffahrtspolizei<br />

der Weimarer Republik ist eng verbunden mit dem<br />

Reichswehrminister Gustav Noske, der in den Nachwehen des ersten Weltkrieges<br />

die Notwendigkeit der Sicherheit auf den Wasserstraßen und<br />

Küstengewässern erkannte 487 . Maßgeblich aus dem Personal- und Materialkörper<br />

der ehemaligen Reichswehr rief Noske Anfang 1919 den „Wasserschutz“ ins<br />

Leben, welcher ab 1. Oktober 1919 offiziell als „Reichswasserschutz“ bezeichnet<br />

wurde 488 . Der Übergang der Wasserstraßen von den Ländern auf das Reich<br />

erfolgte 1921 489 und ermöglichte es dem Reich, gemäß Art. 97 Abs. 5 WRV die<br />

Aufgabe „Strom- und Schifffahrtspolizei“ wahrzunehmen. Da in den meisten<br />

Ländern ohnehin keine eigene Wasserschutzpolizei vorhanden war, stellte der<br />

Reichswasserschutz auf den Reichswasserstraßen die einzige Sicherheitspolizei<br />

dar, mit der das Reich „echte Polizeigewalt“ 490 übernahm. Allerdings regte sich<br />

sehr schnell Widerstand gegen den Reichswasserschutz: Aus den Reihen der<br />

Reichsregierung wegen der hohen Finanzlast, aus den Reihen der Länder wegen<br />

des Angriffs auf ihre Polizeihoheit. Deshalb wurde der Reichswasserschutz zum<br />

1. April 1931 aufgelöst und die verbliebenen Reichsbeamten, Boote und Einrichtungen<br />

von den Ländern übernommen 491 . Nach dem zweiten Weltkrieg<br />

erkannten die Besatzungsbehörden die Notwendigkeit einer Organisationsform<br />

für die Wasserschutzpolizei, welche über die Grenzen der Länder hinaus gehen<br />

sollte 492 , auch wenn jede Besatzzone die Sicherheit auf den Wasserstraßen<br />

letztendlich unterschiedlich regelte.<br />

487<br />

488<br />

489<br />

490<br />

491<br />

492<br />

Vgl. Lassar, JöR 14 (1926), 1 (211): „Reichwasserschutz wurde geschaffen, weil die<br />

zahlenmäßig geringe Strom- und Schifffahrtspolizei der Länder dem Verbrechertum<br />

nicht gewachsen war, das in der ersten Nachkriegszeit mit modernen Waffen bandenmäßig<br />

auftrat, und weil auch sonst die Unsicherheit auf den Strömen sehr zugenommen<br />

hatte“.<br />

Heemann/Meyer, Historisches vom Strom, S. 64.<br />

Gesetz über den Staatsvertrag, betreffend den Übergang der Wasserstraßen von den<br />

Ländern auf das Reich vom 29.07.1921 (RGBl. 1921, S. 961).<br />

Pioch, PolR, 1. Aufl., S. 61.<br />

Heemann/Meyer, Historisches vom Strom, S. 67.<br />

Ebd., S. 83.


98 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

Bedeutsam sind für die Gesamtuntersuchung die Debatten um die Zuständigkeit<br />

des Bundes im Bereich der Wasserschutzpolizei im Parlamentarischen Rat. Der<br />

HChE zum Grundgesetz sah in Art. 36 Ziff. 25 die Vorranggesetzgebung für den<br />

Bund über die Wasserstraßen, die dem allgemeinen Verkehr dienen, einschließlich<br />

der Wasserschutzpolizei, vor. Der Abgeordnete Menzel stellte hieran<br />

anknüpfend im Zuständigkeitsausschuss die Anregung, „ob nicht auch bei der<br />

Wasserschutzpolizei der Bund Grundsätze aufstellen solle“, zur Diskussion 493 .<br />

Auslegungsbedürftig gestaltete sich vor allem der Begriff „Wasserschutzpolizei“.<br />

Die Abgeordneten waren sich nicht einig, was die Wasserschutzpolizei<br />

umfassen und wo die Abgrenzung zur allgemeinen Sicherheitspolizei sein sollte.<br />

Der Vorsitzende des Zuständigkeitsausschusses, Friedrich Wilhelm Wagner 494<br />

(SPD), äußerte: „Was mit Wasserschutzpolizei gemeint ist, ist mir nicht<br />

klar.“ 495 . Auch wenn schließlich noch eine klarere Umgrenzung der Begriffe<br />

vorgenommen werden konnte, wurde die Wasserschutzpolizei wörtlich nicht<br />

Bestandteil des Grundgesetzes – entgegen dem HChE. Der Abgeordnete Laforet<br />

(CSU), der sich bereits im Zusammenhang mit dem Bundeskriminalwesen und<br />

der Umsetzung des Polizeibriefes gegen erweiterte Kompetenzen des Bundes<br />

eingesetzt hatte 496 , verstand es auch in der Sache Wasserschutzpolizei, die<br />

Polizeihoheit der Länder herauszustellen. Er führte hierzu aus:<br />

„Aber eine Zuständigkeit des Bundes einmal im Polizeirecht aufzustellen,<br />

gibt uns eine unübersehbare Entwicklung, bei der es völlig<br />

vom Bunde abhängt, ob er nach seinem gesetzgeberischen Ermessen<br />

dann in das Polizeirecht der Länder, auch in das materielle Polizeirecht,<br />

hineingreift. […] Ich glaube, für die Einheit des Bundes ist es<br />

besser, keinen Konfliktstoff zu schaffen und kein uferloses Projekt<br />

aufzustellen“ 497 .<br />

493<br />

494<br />

495<br />

496<br />

497<br />

Der Parl. Rat, Bd. 3, Dok. Nr. 5, S. 182.<br />

Friedrich Wilhelm Wagner (1894-1971), Jurist, seit 1917 Mitglied der SPD, von 1930<br />

bis 1933 Reichstagsabgeordneter, 1941 Emigration in die USA, 1947 Rückkehr nach<br />

Deutschland, Mitglied des Parlamentarischen Rates, von 1949 bis 1961 Mitglied des<br />

Bundestages, von 1961 bis 1967 Richter am BVerfG, vgl. Vierhaus/Herbst (Hrsg.), Biographisches<br />

Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949-2002,<br />

Bd. 2, S. 913.<br />

Der Parl. Rat, Bd. 3, Dok. Nr. 23, S. 657.<br />

Vgl. S. 68, 75.<br />

Der Parl. Rat, Bd. 3, Dok. Nr. 5, S. 193.


§ 2 Ursprung der Polizeikompetenzen des Bundes im Grundgesetz 99<br />

In der 10. Sitzung des Hauptausschusses trat Laforet schließlich u.a. für die<br />

Streichung des Wortes „Wasserschutzpolizei“ ein; der Ausschuss entsprach<br />

diesem Vorschlag 498 .<br />

Mit Inkrafttreten des Grundgesetzes stellte sich mit der Rechtsnachfolge des<br />

Bundes als Eigentümer der ehemaligen Reichswasserstraßen dennoch die Frage,<br />

in welcher Form sich gegebenenfalls der Bund an der Wasserschutzpolizei, die<br />

bereits in jeder Besatzungszone vorhanden war, beteiligen sollte. In der Literatur<br />

wurde diese Thematik auch zunächst zurückhaltend beantwortet und dabei die<br />

Frage aufgeworfen, ob die Wasserschutzpolizei auf den Bund übergehen sollte<br />

499 bzw., ob die Verwaltung der Wasserstraßen durch bundeseigene Behörden<br />

gemäß Art. 89 Abs. 2 GG die Wasserschutzpolizei als Bundespolizei mit einschließe<br />

500 . Die Reichweite der damit verknüpften konkurrierenden Gesetzgebung<br />

des Bundes gemäß Art. 74 Ziff. 21 GG a.F. für den Bereich der Stromund<br />

Schifffahrtspolizei war einige Zeit umstritten 501 . Das BVerfG brachte mit<br />

einer Entscheidung aus dem Jahr 1962 502 Klarheit. Die Behörden der Wasserund<br />

Schifffahrtsverwaltung des Bundes haben demnach Befugnisse auf dem<br />

Gebiet der Strom- und Schifffahrtspolizei 503 . Unter die schifffahrtspolizeilichen<br />

Aufgaben sind diejenigen zu rechnen, welche der Abwehr von Gefahren für die<br />

Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs sowie der Verhütung von der Schifffahrt<br />

ausgehenden Gefahren dienen 504 . Unter Strompolizei versteht man<br />

diejenigen Gefahrenabwehraufgaben, die notwendig sind, um die Bundeswasserstraßen<br />

in einem für die Schifffahrt erforderlichen Zustand zu halten 505 . Von<br />

Bedeutung hierbei ist, welche vollzugspolizeilichen Aufgaben die Wasser- und<br />

Schifffahrtsverwaltung tatsächlich wahrnimmt. Seit den fünfziger Jahren bestehen<br />

mit den alten Bundesländern 506 und seit Beginn der neunziger Jahre mit den<br />

498<br />

499<br />

500<br />

501<br />

502<br />

503<br />

504<br />

505<br />

506<br />

Der Parl. Rat, Bd. 14, Teilband 1, Dok. Nr. 10, S. 283.<br />

Pioch, DVBl. 1950, 391; mit dem Hinweis, dass die Wasserschutzpolizei anders als die<br />

Bahnpolizei jedoch keine Betriebspolizei sei, sondern den Charakter einer allgemeinen<br />

Ordnungs- und Sicherheitspolizei habe, Pioch, PolR, 1. Aufl., S. 157.<br />

Drews/Wacke, Allgemeines Polizeirecht, 6. Aufl., S. 214.<br />

Drews/Wacke, Allgemeines Polizeirecht, 7. Aufl., S. 552 ff.; zur Begriffsabgrenzung<br />

der Strom- und Schifffahrtspolizei: Friesecke, DVBl. 1961, 118.<br />

BVerfGE 15, 1 ff. = NJW 1962, 2242 ff. = DÖV 1962, 863 ff.<br />

Nähere Ausführungen in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 8. Aufl.,<br />

S. 41 ff.<br />

Vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2 BinSchAufG.<br />

Vgl. § 24 Abs. 1 WaStrG.<br />

Bremen, Gesetz vom 12.04.1955, GBl. HB, D. 59; Hessen, Gesetz vom 23.07.1955,<br />

GVBl. HE, S. 37; Niedersachen, Gesetz vom 23.12.1955, GVBl. Nds., S. 293; Schles-


100 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

neuen Bundesländern 507 gleichlautende Vereinbarungen zur Wahrnehmung über<br />

die Ausübung der schifffahrtspolizeilichen Vollzugsaufgaben. Gemäß § 2 dieser<br />

Vereinbarung werden die schifffahrtspolizeilichen Vollzugsaufgaben von den<br />

Polizeikräften des Landes ausgeübt. Die Aufgaben der Strompolizei führt die<br />

Wasser- und Schifffahrtsverwaltung mit eigenem Personal, gegebenenfalls mit<br />

Unterstützung des jeweiligen Bundeslandes durch 508 . Der Schwerpunkt der<br />

polizeilichen Vollzugsaufgaben liegt jedoch im Bereich der schifffahrtspolizeilichen<br />

Tätigkeit, die von der Landespolizei wahrgenommen wird (diese macht<br />

derzeit rund 35 % der Gesamttätigkeit einer Länder-Wasserschutzpolizei aus 509 ).<br />

3. Hauspolizei des Bundestages<br />

Der Präsident des Bundestages übt gemäß Art. 40 Abs. 2 GG das Hausrecht und<br />

die Polizeigewalt im Gebäude des Bundestages aus 510 . Die parlamentarische<br />

Polizeigewalt geht bereits auf die Entfaltung des Parlamentarismus während der<br />

Französischen Revolution zurück 511 . In der deutschen Geschichte übte erstmals<br />

verfassungsrechtlich normiert der Reichstagspräsident ab 1919 Hausrecht und<br />

Polizeigewalt gemäß Art. 28 WRV aus 512 . Die absolute Polizeihoheit im Parlament<br />

soll die gesetzgebende Gewalt vor Übergriffen der übrigen Staatsgewalten<br />

507<br />

508<br />

509<br />

510<br />

511<br />

512<br />

wig-Holstein, Gesetz vom 15.07.1955, GVBl. SH, S. 137; Nordrhein-Westfalen, Gesetz<br />

vom 20.04.1955, MBl. NRW 1955, S. 1017.<br />

Mit Ausnahme des Landes Thüringen, hier sah man keine Regelung erforderlich;<br />

Brandenburg, Gesetz vom 13.06.1992, GVBl. II BB 1193, S. 128; Mecklenburg-<br />

Vorpommern, Gesetz vom 24.12.1992, GVBl. M-V 1992, S. 661.<br />

Die Beamten der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung sind gem. § 6 Ziff. 4 UzWG<br />

Vollzugsbeamte des Bundes.<br />

So für das Land Bayern, BY LT-Drs. 16/10921, S. 1; festgestellt wurde dies im Zusammenhang<br />

mit der Rüge des Bayerischen Obersten Rechnungshofes, der die<br />

Finanzierung der Bundesaufgabe Schifffahrtspolizei durch den Freistaat Bayern für<br />

fragwürdig hielt und eine Kostenübernahme durch den Bund oder die Rückgabe dieser<br />

Aufgabe anstrebte, vgl. Jahresbericht 2011 des BayORH, Ziff. 13, S. 55-58.<br />

§ 7 Abs. 2 GO-BT konkretisiert, dass dem Bundestagspräsidenten die Polizeigewalt<br />

auch in allen der Verwaltung des Bundestages unterstehenden Gebäuden, Gebäudeteilen<br />

und Grundstücken zusteht.<br />

Wenda, Öffentliche Sicherheit 1-2/2007, 74; ausführlich zur historischen Entwicklung<br />

der Parlamentspolizei: Köhler, DVBl. 1992, 1577 (1578 f.).<br />

Praktisch jedoch limitiert; die Reichsregierung hatte den Reichstag militärisch besetzen<br />

lassen, hierzu hatte der Reichstagspräsident angemerkt, dass die Sicherheitspolizei Sache<br />

der Reichsregierung sei, vgl. Poetzsch-Heffter, Handkommentar der<br />

Reichsverfassung, 3. Aufl., Art. 28, S. 171: „Ausübung der Polizeigewalt alleine und in<br />

jeder Beziehung durch den Reichstagspräsident ist von der Praxis nicht anerkannt“.


§ 2 Ursprung der Polizeikompetenzen des Bundes im Grundgesetz 101<br />

absichern. Die Polizei des Deutschen Bundestages ist bei der Verwaltung des<br />

Bundestages, konkret bei der sogenannten Hausinspektion, angegliedert. Die<br />

Polizei des Bundestages bildet einen eigenen Polizeibezirk innerhalb der Polizeihoheit<br />

der Landespolizei Berlin, in welchem der Bundestagspräsident 513<br />

gemäß Art. 40 Abs. 2 GG die gesamte Gefahrenabwehr zum Schutz der öffentlichen<br />

Sicherheit und Ordnung innerhalb des Bundestagsgebäudes wahrnimmt 514 .<br />

Die Polizei des Deutschen Bundestages unterliegt somit keiner Limitierung in<br />

ihrer Gefahrenabwehraufgabe wie etwa die Bahn- oder Schifffahrtspolizei,<br />

sondern übt die volle Polizeigewalt 515 , inklusive der Verfolgung von strafbaren<br />

Handlungen 516 , aus. Ihre Stellung „schließt jede andere Polizeigewalt aus“ 517 .<br />

Weiterhin untersteht die Polizei des Bundestages nicht der Verfahrensherrschaft<br />

der Staatsanwaltschaft, da die Parlamentspolizei von Weisungen anderer Behörden<br />

unabhängig sein muss 518 , was auch mit Art. 40 Abs. 2 Satz 2 GG<br />

korrespondiert, wonach in den Räumen des Bundestages ohne Genehmigung des<br />

Bundestagspräsidenten keine Durchsuchung oder Beschlagnahme stattfinden<br />

darf. Bei der Polizei des Bundestages wird zum Zwecke der Verfolgung von<br />

strafbaren Handlungen ein Ermittlungsdienst unterhalten 519 .<br />

Derzeit umfasst die Polizei des Deutschen Bundestages ca. 170 Polizeivollzugsbeamte<br />

520 . Nur ein kleiner Teil der Beamten verrichtet dauerhaft bei der<br />

Bundestagspolizei Dienst. Der Großteil der Polizeivollzugsbeamten wird von<br />

den Polizeien der Länder oder des Bundes zeitweise abgeordnet. Einen hohen<br />

513<br />

514<br />

515<br />

516<br />

517<br />

518<br />

519<br />

520<br />

Zum Bundestagspräsident als „Hausherr und Polizeibehörde“: Wilrich, DÖV 2002, 152<br />

(154 ff.).<br />

Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 8. Aufl., S. 35.<br />

Teilweise wird die Reichweite der Polizeigewalt als „nicht endgültig geklärt“ bezeichnet,<br />

so: Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 2. Aufl., S. 57; strittig auch: Köhler,<br />

DVBl. 1992, 1579 ff.<br />

Hierzu gehören vor allem Beleidigungen gegen Abgeordnete, Drohbriefe und Verstöße<br />

gegen das WaffG, welche bei der Besucherkontrolle registriert werden, vgl. Krimphove,<br />

Das Parlament 8/2008, Kehrseite; ebenso in Frage kommen Verstöße gegen § 106b<br />

StGB.<br />

Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, 6. Aufl., S. 48.<br />

Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 2. Aufl., S. 57<br />

Keine strafprozessualen Maßnahmen ergreifen dürfen die PVB der Hauspolizei nach:<br />

Ramm, NVwZ 2010, 1464; a.A. Köhler, DVBl. 1992, 1577 (1584), wonach alle Vollzugsbeamte<br />

solche im Sinne der StPO und auch der zuständigen Staatsanwaltschaft<br />

untergeordnet sind.<br />

Krimphove, Das Parlament 8/2008, Kehrseite; vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 3 BPolBG.


102 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

Anteil von knapp einem Drittel stellt die Bundespolizei 521 . Die Zahl der Polizeivollzugsbeamten<br />

des Bundestages hat mit der Zeit zugenommen. So waren<br />

Anfang der siebziger Jahre nur rund 50 Beamte eingesetzt 522 . Die Erhöhung in<br />

der Zahl der Beamten liegt auch in der Tatsache begründet, dass der Schutz des<br />

Bundestages in Berlin, einschließlich des hohen Besucheraufkommens, nicht mit<br />

dem Objektschutz in Bonn zu vergleichen ist.<br />

Die Verfassungsgrundlage der Bundestagspolizei wurde inhaltsgleich aus der<br />

WRV übernommen und entbehrte im Parlamentarischen Rat jeglicher Diskussion.<br />

Die Polizei des Bundestages als Parlamentspolizei muss neben den sonstigen<br />

polizeilichen Zuständigkeiten des Bundes als Sonderfall gesehen werden. Die<br />

Aufgaben der Bundestagspolizei sind sachlich nicht beschränkt ist, da eine<br />

funktionierende parlamentarische Demokratie notwendigerweise ein unabhängiges<br />

Polizeiorgan benötigt.<br />

4. Bundeskriminalamt<br />

Neben dem Bundesgrenzschutz erhielt das Bundeskriminalamt von Beginn an<br />

im Grundgesetz fest zugewiesene polizeiliche Aufgaben. Gemäß Art. 87 Abs. 1<br />

Satz 2 GG können Zentralstellen für das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen<br />

und für die Kriminalpolizei eingerichtet werden. Am 15. März 1951<br />

trat das Gesetz über die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes (Bundeskriminalamtes)<br />

in Kraft 523 . Um die Kompetenz des Bundes für das Kriminalwesen<br />

gemäß Art. 73 Ziff. 10 GG wurden im Parlamentarischen Rat heftige<br />

Debatten geführt 524 . Rekurrierend darauf muss wiederholt werden, dass die<br />

Hauptdiskussion um Kompetenzen des Bundes im Bereich Polizei im Zusammenhang<br />

mit dem Bundeskriminalwesen und nicht mit der Kompetenz um den<br />

Grenzschutz geführt wurde. So waren auch die Aufgaben des Bundeskriminalamtes<br />

nach dem ersten Gesetz aus dem Jahr 1951 noch relativ reserviert und<br />

knapp formuliert. Neben den Aufgaben die expressis verbis bereits in Art. 87<br />

Abs. 1 Satz 2 GG genannt sind, wurde das Bundeskriminalamt in § 4 Abs. 2<br />

BKA-Gesetz 1951 ermächtigt, strafbare Handlungen selbst zu verfolgen, wenn<br />

eine zuständige Landesbehörde darum ersuchte oder der Bundesminister des<br />

521<br />

522<br />

523<br />

524<br />

Heesen/Hönle/Peilert, BGSG, 4. Aufl., § 9, Rn 2.<br />

Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 8. Aufl., S. 36.<br />

BGBl. I 1951, S. 165.<br />

Vgl. S. 66 ff.


§ 2 Ursprung der Polizeikompetenzen des Bundes im Grundgesetz 103<br />

Inneren es aus schwerwiegenden Gründen anordnete. Die vorbeugende Verbrechensbekämpfung<br />

und die Verfolgung strafbarer Handlungen blieb jedoch<br />

ausdrücklich, bis auf genannte Ausnahmetatbestände, Sache der Länder 525 .<br />

Ende der sechziger Jahre erweiterte sich die Strafverfolgungsaufgabe des Bundeskriminalamtes<br />

dahingehend, dass der Generalbundesanwalt oder ein Untersuchungsrichter<br />

in eigenen Verfahren ausdrücklich um ein Tätigwerden des<br />

Bundeskriminalamtes ersuchen kann oder einen Auftrag hierzu erteilt 526 . Anschließend<br />

erhielt das Bundeskriminalamt im Zuge des Terrorismus der siebziger<br />

Jahre einen nicht unerheblichen Kompetenzzuwachs. Mit Inkrafttreten des<br />

neuen BKA-Gesetzes 1973 wurde das Bundeskriminalamt Informationszentrale<br />

für alle deutschen Polizeien 527 . Seitdem ist das Bundeskriminalamt originär<br />

zuständig für die Strafverfolgung im Bereich von internationalem Waffen-,<br />

Sprengstoff- und Waffenhandel, der international organisierten Falschgeldherstellung<br />

und bei Straftaten, die sich gegen das Leben oder die Freiheit von<br />

Mitgliedern der Bundesregierung richten 528 . Weiterhin fiel dem Bundeskriminalamt<br />

1973 die Aufgabe zu, den Personenschutz von Mitgliedern der<br />

Verfassungsorgane zu übernehmen 529 .<br />

Beträchtlichen Zuwachs an präventivpolizeilichen Aufgaben erhielt das Bundeskriminalamt<br />

mit der Einfügung von Nr. 9a in Art. 73 Abs. 1 GG im Jahr<br />

2006 530 . Hiernach hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebung über die<br />

„Abwehr von Gefahren, des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt<br />

in Fällen, in denen eine länderübergreifende Gefahr vorliegt, die<br />

Zuständigkeit einer Landespolizeibehörde nicht erkennbar ist oder die oberste<br />

Landesbehörde um eine Übernahme ersucht“ 531 . Nach dem Gesetzentwurf soll<br />

die präventive Befugnis des Bundeskriminalamtes der besonderen Bedrohungslage<br />

im Bereich des internationalen Terrorismus Rechnung tragen 532 . Umgesetzt<br />

wurde die präventivpolizeiliche Aufgabe in § 4a des BKA-Gesetzes mit Inkrafttreten<br />

vom 1. Januar 2009. Demnach kann das Bundeskriminalamt die Aufgabe<br />

525<br />

526<br />

527<br />

528<br />

529<br />

530<br />

531<br />

532<br />

§ 4 Abs. 1 BKA-Gesetz 1951.<br />

BGBl. I 1969, S. 1717.<br />

BGBl. I 1973, S. 704.<br />

§ 5 Abs. 2 Nr. 1, 2 BKA-Gesetz i.d.F. v. 29.06.1973 (BGBl. I 1973, S. 705).<br />

§ 9 Abs. 1 BKA-Gesetz i.d.F. v. 29.06.1973 (BGBl. I 1973, S. 706).<br />

BGBl. I 2006, S. 2034.<br />

Vgl. § 4a Abs. 1 BKAG.<br />

BT-Drs. 16/813, S. 12.


104 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

der Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus unter bestimmten<br />

Voraussetzungen wahrnehmen. Ebenso kann es in diesen Fällen auch Straftaten<br />

verhüten. Laut dem Gesetzentwurf wird die Gefahrenabwehr in das Ermessen<br />

des Bundeskriminalamtes gestellt, da die „Abwehr von Gefahren des internationalen<br />

Terrorismus sich dabei einer starren Regelung etwa anhand von<br />

Regelbeispielen oder typischen Fällen entzieht“ 533 . Fragwürdig gestaltet sich vor<br />

allem, dass der Gesetzgeber Gefahrenabwehr und Straftatenverhütung in § 4a<br />

BKA-Gesetz geregelt hat, obwohl in Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG nur die Rede von<br />

der Gefahrenabwehr ist. Die Straftatenverhütung, also die ins Vorfeld verlagerte<br />

Tätigkeit zur vorbeugenden Kriminalitätsbekämpfung, ist von der konkreten<br />

Gefahrenabwehr zu trennen 534 . Die Straftatenverhütung kann jedoch als Unterfall<br />

der Gefahrenabwehr gesehen werden 535 .<br />

Viele Polizeigesetze der Länder umfassen somit ausdrücklich die Straftatenverhütung<br />

als Teil der Gefahrenabwehr. Im Rahmen dieser Aufgabe sollen<br />

Straftaten verhütet werden 536 . Im Hinblick auf die restriktive Auslegung von<br />

Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG muss die Vermischung von Straftatenverhütung und<br />

Gefahrenabwehr in § 4a BKA-Gesetz jedoch als kritisch angesehen werden 537 .<br />

Mit der Nivellierung des BKA-Gesetzes 2009 538 trat auch eine Reihe von Eingriffsbefugnissen<br />

in Kraft. Besonders umstritten war hierbei die Befugnis des<br />

verdeckten Zugriffs auf informationstechnische Systeme („Online-<br />

Durchsuchung“), geregelt in § 20k BKA-Gesetz. Weiterhin wurden in diesem<br />

Gesetz polizeiliche Befugnisse wie Platzverweisung, Gewahrsamnahme, Durchsuchung<br />

von Personen und Wohnungen sowie die Sicherstellung geregelt.<br />

Vereinzelt wurde der Gesetzentwurf zum neuen BKA-Gesetz 2009 als verfas-<br />

533<br />

534<br />

535<br />

536<br />

537<br />

538<br />

BT-Drs. 16/10121, S. 21; kritisch zu den Aufgabennormen und der fehlenden Wahrnehmungspflicht:<br />

Gusy, A-Drs. 16(4)460A, S. 6 ff.<br />

Zur Gefahrenvorsorge: Frenz, DÖV 2006, 718 ff.<br />

Denkowski von, NK 3/2008, 84; Geiger, A-Drs. 16(4)460H, S. 10.<br />

Vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 PolG NRW; § 1 Abs. 5 BPOLG; § 1 Abs. 1 Satz 3 Nds. SOG; § 2<br />

Abs. 1 SOG LSA; § 1 Abs. 3 ASOG Berlin.<br />

So auch: Roggan, A-Drs. 16(4)460B, S. 3; DAV-Stellungnahme, A-Drs. 16(4)472, S. 5:<br />

„Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG weicht von der üblichen Systematik des GG ab“; ablehnend<br />

zur Straftatenverhütung aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG: Roggan, NJW 2009, 257 ff.; a.A.<br />

Uhle, DÖV 2010, 992 ff.<br />

Vollständige Übersicht über das Gesetzgebungsverfahren bei: Hetzer, Die Kriminalpolizei<br />

1/2009, 12 ff.


§ 2 Ursprung der Polizeikompetenzen des Bundes im Grundgesetz 105<br />

sungswidrig 539 und im Zusammenhang mit dem Schutz des Kernbereichs privater<br />

Lebensgestaltung als unzureichend angesehen 540 . Dem Kompetenzzuwachs<br />

des Bundeskriminalamts durch das neue Gesetz im Jahr 2009 schlug unterschiedliches<br />

Echo entgegen. Teilweise wurde der Terrorismusgefahrenab-<br />

Terrorismusgefahrenabwehrauftrag des Bundeskriminalamts als Verschiebung<br />

zugunsten einer „Zentralisierungstendenz“ zulasten der Polizeihoheit der Länder<br />

gesehen 541 . Ebenso kann aber auch die deutliche Herausstellung der Subsidiarität<br />

542 bezüglich der Gefahrenabwehraufgabe des Bundeskriminalamtes, die auch<br />

als „Auffangzuständigkeit“ 543 klassifiziert werden kann, als Beibehaltung der<br />

Länderkompetenzen in der Gefahrenabwehr angesehen werden 544 .<br />

Das Bundeskriminalamt hat sich als polizeiliche Informations- und Zentralstelle<br />

etabliert. Eine bedeutende Ausdehnung des Bundeskriminalamtes war in den<br />

siebziger Jahren zu verzeichnen. Dies geschah vor allem durch die Absicht der<br />

sozialliberalen Koalition, die innere Sicherheit durch das „Sofortprogramm zur<br />

Modernisierung und Intensivierung der Verbrechensbekämpfung“ 545 zu stärken.<br />

Das Bundeskriminalamt konnte im Laufe der Zeit auch durch internationale<br />

Vernetzung 546 und technische Forcierung seine Stellung als Sicherheitsbehörde<br />

stärken 547 . Mit dem BKA-Gesetz 2009 erfuhr das Bundeskriminalamt schließlich<br />

eine Aufgabenexpansion, die vor allem im Hinblick auf die Polizeihoheit<br />

539<br />

540<br />

541<br />

542<br />

543<br />

544<br />

545<br />

546<br />

547<br />

Kutscha, A-Drs. 16(4)460D, S. 2.<br />

Baum, ZRP 2008, 137.<br />

Roggan, NJW 2009, 257 (262); Geiger, A-Drs. 16(4)460H, S. 9; problematisch auch<br />

zur Parallelzuständigkeit Baum, ZRP 2008, 137 (140); nach Wolff könnten sogar die<br />

neuen Eingriffsbefugnisse des BKA ohne gesetzgeberischen Aufwand auch auf neue<br />

Aufgaben angewendet werden, vgl. Wolff, DÖV 2009, 597 (599).<br />

Das Bundeskriminalamt ist nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG nur zuständig, wenn eine der<br />

drei Alternativen (länderübergreifende Gefahr, fehlende Landeszuständigkeit, Übernahmeersuchen<br />

durch Bundesland) vorliegt, vgl. Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg. 10/2011,<br />

Art. 73 Rn. 207.<br />

Uhle, DÖV 2010, 992 (997).<br />

Ebd.<br />

Vgl. Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 152 vom<br />

05.11.1970, S. 1605-1614; vertiefend zur Anti-Terrorismus-Politik der siebziger Jahre:<br />

Hürter/Rusconi, Die bleiernen Jahre, Staat und Terrorismus in der Bundesrepublik,<br />

Deutschland und Italien, S. 9 ff.<br />

Übersicht über die internationale Tätigkeit des BKA und die Vorverlagerungsstrategie<br />

bei: Töpfer, Bürgerrechte & Polizei/CILIP 96 (2/2010), 15 ff.<br />

Ausführlich über die Entwicklung und Stellung des BKA seit 1951: Kock, Kriminalistik<br />

2/2012, 67 ff.; Abbühl, Der Aufgabenwandel des Bundeskriminalamtes, S. 29 ff.


106 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

der Länder nicht unumstritten war 548 . Insofern gibt es einige Parallelen im<br />

Vergleich zu der Entwicklung des Bundesgrenzschutzes. Der entscheidende<br />

Unterschied liegt aber darin, dass mit der Einfügung von Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a<br />

GG eine verfassungsrechtliche Grundlage für das Tätigwerden des Bundeskriminalamts<br />

geschaffen wurde, während die verfassungsrechtliche Verankerung<br />

des Bundesgrenzschutzes nach wie vor dieselbe ist wie zur Zeit der Inkraftsetzung<br />

des Grundgesetzes, obwohl auch der Bundesgrenzschutz vor allem im<br />

BGSG 1972 einen nicht unerheblichen Aufgabenzuwachs erfuhr 549 .<br />

5. Bundeszollverwaltung<br />

Die Zollverwaltung als Angelegenheit des Bundes hat lange Tradition. Sie hat<br />

jedoch, wie keine andere Sicherheitsbehörde des Bundes, vor allem durch die<br />

fortschreitende sektorale Teilintegration der EU-Mitgliedsstaaten zu einem<br />

gemeinsamen Wirtschaftsraum, Wandel und Adaption erfahren. Die Struktur der<br />

Zollverwaltung hat sich mit dem Wegfall der Zollkontrollen an den deutschen<br />

Außengrenzen und der Harmonisierung des EU-Binnenmarktes maßgeblich<br />

verändert. Der Zollgrenzschutz wurde nach 1949 als Kontroll- und Überwachungseinheit<br />

in „Grenzaufsichtsdienst“ 550 umbenannt und bildete den<br />

uniformierten Vollzugsbereich der Bundeszollverwaltung. Die Aufgabe des<br />

Grenzaufsichtsdienstes war die Sicherung der Zollgrenzen und die Überwachung<br />

des Warenverkehrs in den ehemaligen Zollgrenzbezirken 551 . Neben dem<br />

Grenzaufsichtsdienst bestand seit jeher der Zollfahndungsdienst als Sonderbehörde<br />

552 . Die Aufgabe der Zollfahndung besteht in der Verfolgung und<br />

Verhütung der mittleren, schweren und organisierten Zollkriminalität 553 . Die<br />

Zollfahndungsämter unterstehen dem Zollkriminalamt in Köln, welches die<br />

zentrale zollkriminalpolizeiliche Dienststelle ist. Der ehemalige Grenzaufsichtsdienst<br />

war mit Wegfall der Zollkontrollen nicht mehr in der früheren Form<br />

aufrechtzuerhalten. Die mittlerweile bei den Hauptzollämtern bestehende Kontrolleinheit<br />

Verkehrswege (KEV) fahndet im grenznahen Raum und Hinterland<br />

548<br />

549<br />

550<br />

551<br />

552<br />

553<br />

Kritische Auseinandersetzung zum BKA-Gesetz 2009: Zabel, JR 2009, 453 ff.;<br />

Schmidt, KJ 2010, 307 ff.<br />

Vgl. hierzu S. 389 ff.<br />

Auch als Zollgrenzdienst bezeichnet.<br />

Wacke/Drews, PolR, 7. Aufl., S. 556.<br />

Zur Geschichte der Zollfahndung: Volkmar, Kriminalistik 1998, 505 ff.<br />

Vgl. § 24 Abs. 2 ZFdG; kritisch zum ZFdG 2007: Roggan, NVwZ 2007, 1238 ff.


§ 2 Ursprung der Polizeikompetenzen des Bundes im Grundgesetz 107<br />

nach Verstößen gegen zollrechtliche Verbringungsverbote. Ferner ist die Bundeszollverwaltung<br />

mittlerweile für die Bekämpfung der Schwarzarbeit<br />

zuständig. Am 1. August 2004 trat das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit<br />

und der illegalen Beschäftigung in Kraft 554 , welches den Kontroll- und<br />

Ermittlungseinheiten der Hauptzollämter konkret in § 2 Abs. 1 umfangreiche<br />

Aufgaben zuweist 555 . Weiterhin bestehen bei der Bundeszollverwaltung u.a.<br />

noch die Kontrolleinheiten See (Wasserzoll) und die Kontrolleinheiten Flughafenüberwachung,<br />

bei welchen die Bediensteten vollzugspolizeiliche Aufgaben<br />

wahrnehmen. Ebenso unterhält der Zoll eigene Spezialeinheiten (ZUZ, OEZ),<br />

die mit Polizeispezialverbänden vergleichbar sind, um Zugriffe in der organisierten<br />

Zollkriminalität durchzuführen 556 . Der Zollschutz in Art. 73 Abs. 1 Nr. 5<br />

GG umfasst auch vollzugspolizeiliche Aufgaben, die sich im Laufe der Zeit an<br />

die maßgeblich gestalteten Einflüsse, wie die europäische Einigung, anpassen<br />

mussten. Teilweise sind Bestrebungen vorhanden, den vollzugspolizeilichen<br />

Bereich der Bundesfinanzverwaltung in „Bundesfinanzpolizei“ umzubenennen<br />

557 . Ein derartiges Vorhaben dürfte sich auf gesetzgeberischer Ebene<br />

aufgrund des zu erwartenden Widerstandes aus den Ländern nicht so einfach<br />

verwirklichen lassen 558 .<br />

F. Fazit<br />

Die Entwicklung der polizeilichen Vollzugskompetenzen des Bundes kann von<br />

der RV 1871 über die WRV, bis hin zu den verfassungsdurchbrechenden Regelungen<br />

während der NS-Zeit als linear ansteigend bezeichnet werden. Die RV<br />

1871 manifestierte die deutsche föderale Tradition und sah keinen Kompetenzbereich<br />

des Reiches für Grenzschutz oder Polizei vor. Der polizeiliche Grenzschutz<br />

wurde durch die Landeszollbehörden wahrgenommen. Politische und<br />

sicherheitsrelevante Begebenheiten, besonders das Fehlen einer starken Wehr-<br />

554<br />

555<br />

556<br />

557<br />

558<br />

BGBl. I 2004, S. 1842.<br />

Siehe hierzu Möller, StW 2006, 215 ff.; Fehn, Kriminalistik 2004, 559 ff.; Thiele,<br />

Kriminalistik 2004, 178 ff.; Huchatz/Materna, Die neue Aufgabe der Zollverwaltung,<br />

Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung, in: Bönders, Kompetenz<br />

und Verantwortung in der Bundesverwaltung – 30 Jahre Fachhochschule des Bundes für<br />

öffentliche Verwaltung 2009, S. 669 ff.<br />

O.V., Zoll Aktuell 6/2011, S. 4 ff.<br />

Vor allem auf gewerkschaftlicher Ebene wird dies gefordert, Nachweise in OVG<br />

Münster, Beschluss v. 12.08.2009, Az. 1 A 776/08 = PersR 2009, 456 ff.<br />

Vgl. Hansen, Neue deutsche Sicherheitsarchitektur, S. 54.


108 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

macht sowie anhaltende politische Auseinandersetzungen in der jungen Weimarer<br />

Republik, waren Ursache für die Etablierung von zwei eigenen Polizeien auf<br />

Reichsebene mit polizeilichen Vollzugsbefugnissen, der Bahnpolizei und dem<br />

Reichswasserschutz. Darüber hinaus erfolgte der Erlass von Reichsgesetzen<br />

gestützt auf Art. 9 WRV, wie dem Gesetz über die Schutzpolizei und dem<br />

Reichskriminalpolizeigesetz. Das in dieser Zeit gesteigerte Sicherheitsbedürfnis<br />

des Reiches stand jedoch dem erstarkten Selbstbewusstsein der Länder entgegen.<br />

Gerade die Gesetze über die Schutzpolizei des Reiches und die Reichskriminalpolizei<br />

wurden nicht zuletzt durch den massiven Widerstand der Länder<br />

unbedeutend. Ebenso fand der Reichswasserschutz aufgrund der nachhaltigen<br />

Bestrebungen der Länder seine Auflösung. Diskussionen in der Fachliteratur 559<br />

über die Reichweite der Zuständigkeit der Bahnpolizei lassen ebenso erkennen,<br />

dass die Länder das polizeiliche Tätigwerden des Bundes, vor allem in Hinblick<br />

auf die eigene Polizeihoheit, kritisch betrachteten und hinterfragten. In der<br />

Weimarer Republik bildete sich der Durchsetzungswille der Länder heraus, die<br />

eigene Staatsqualität durch größtmögliche Verwaltungshoheit im Bereich der<br />

Polizei zu stärken.<br />

Der gleichgeschaltete NS-Staat verschmolz die Sicherheitskörper per Gesetz<br />

unter zentraler Leitung. Die Vereinheitlichung erfolgte nicht institutionell und<br />

organisatorisch, sondern besonders durch Akkumulation und Inflation von<br />

Eingriffsbefugnissen. Die Tätigkeit der politischen, vom Regime beherrschten<br />

geheimen Staatspolizei, die in nachrichtendienstlicher Manier operierte, bildet<br />

bis heute das Schreckbeispiel einer entgrenzten Polizeiorganisation. Die Hybris<br />

der NS-Zeit war den Mitgliedern des Parlamentarischen Rates und den sonstigen<br />

Sachverständigen, die sich mit der Frage nach einer neuen Deutschen Verfassung<br />

beschäftigten, unverkennbar vor Augen: So vertraten die Sachverständigen<br />

des Parlamentarischen Rates ein „Staatsverständnis, das sich bewusst von den<br />

Negativerfahrungen in der Weimarer Republik und in der nationalsozialistischen<br />

Diktatur abhebt“ 560 . Auch die Vorgaben der Alliierten stellten den Föderalismus<br />

klar heraus. So enthält der maßgebliche Vorentwurf zum Grundgesetz vom<br />

Herrenchiemsee keine Bedarfsgesetzgebung für die öffentliche Sicherheit und<br />

559<br />

560<br />

Vgl. Mielck, Allgemeine Staatspolizei und Bahnpolizei, S. 12 ff.; Mayer, ZdDVMEV<br />

1934, 783 ff.; Kabalitz, Das Wesen der Reichs-Bahnpolizei im Rahmen des deutschen<br />

Polizeirechts, S. 21 ff.; Golz, Bahnpolizei und allgemeine Polizei, in: ArchEBW 1935,<br />

13 ff.<br />

Otto, Das Staatsverständnis des Parlamentarischen Rates, S. 212.


§ 2 Ursprung der Polizeikompetenzen des Bundes im Grundgesetz 109<br />

Ordnung wie die WRV in Art. 9. In den Beratungen zum Grundgesetz im Parlamentarischen<br />

Rat blieb die Sicherheitsarchitektur von polizeilichen Zuständigkeiten<br />

des Bundes entkernt. An den Stellen, wo Berührungspunkte zwischen<br />

Bund und Ländern entstanden, wie etwa dem koordinierenden Bundeskriminalwesen,<br />

entbrannten Diskussionen über die Reichweite der polizeilichen<br />

Zuständigkeit des Bundes.<br />

Minimale Nuancen in der sicherheitspolitischen Gesamtlage Europas veranlassten<br />

die Alliierten zur Ausfertigung des Polizeibriefs, welcher als stückweite<br />

Abkehr der Isolation des Bundes im Bereich Polizei gewertet werden kann. So<br />

gelangte die Kompetenz des polizeilichen Grenzschutzes kurz vor Abschluss der<br />

Arbeit des Parlamentarischen Rates zusammen mit anderen Sicherheitszuständigkeiten<br />

in das Ressort des Bundes, ohne allerdings eine Kompetenzdiskussion<br />

zu entfachen. Ohne den Polizeibrief erscheint es fraglich, ob bei den starken<br />

föderalistischen Kräften die Materie Grenzschutz überhaupt in das Grundgesetz<br />

aufgenommen worden wäre. Der Polizeibrief fungierte somit als erster Katalysator<br />

für die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes im Sicherheitsrecht.<br />

Herauszustellen ist darüber hinaus der „Geist der Verfassungsväter“ 561 , welcher<br />

übereinstimmend und mehrheitlich beim Bund keine Polizei im engeren Sinne<br />

angesiedelt wissen wollte. In den ersten Jahren nach Inkraftsetzung des Grundgesetzes<br />

wurde dies immer wieder bei der Gesetzgebung über das Bundeskriminalamt<br />

und den Bundesgrenzschutz kenntlich. Allein die Tatsache, dass<br />

das Wort „Polizei“ nicht, wie es die Alliierten selbst im Polizeibrief gebrauchten,<br />

bei den Bundesbehörden wie dem Bundeskriminal(polizei)amt oder der<br />

Bundesgrenz(polizei)behörde verwendet werden durfte 562 , unterstreicht die<br />

bewusst gewollte Beschränkung einer polizeilichen Bundesexekutive. Auch die<br />

Entwicklung der Bahnpolizei und deren Reflektion in der Literatur 563 der ersten<br />

Nachkriegsjahre zeigt, dass die Einordnung traditionell bestehender Sonderpolizeibehörden,<br />

wie die der Bahnpolizei, in die Dogmatik des Grundgesetzes noch<br />

nicht abschließend geklärt war und zumindest kritisch hinterfragt wurde. Das<br />

Grundgesetz in der ersten Fassung und das Bewusstsein vieler Mitglieder des<br />

Parlamentarischen Rates gab einen klaren Tenor vor, welcher sich trotz Einfü-<br />

561<br />

562<br />

563<br />

Werkentin, Die Restauration der deutschen Polizei, S. 63.<br />

Dierske, APuZ 1971 (Beilage 8), S. 24.<br />

Pioch, PolR, 1. Aufl., S. 155; ebenso die rechtliche Lage der Bahnpolizei als „ungeklärt“<br />

bezeichnet: Drews/Wacke, Allgemeines Polizeirecht, 6. Aufl., S. 214.


110 Erster Teil: Theorie und Entstehungsgeschichte<br />

gung gewisser Kompetenzen aufgrund des Polizeibriefes als „Limitierung von<br />

Polizeibefugnissen des Bundes“ beschreiben lässt. Auf eine weitere sichtbare<br />

Austarierung von Ober- und Untergrenzen für Polizeibefugnisse des Bundes<br />

wurde allerdings verzichtet. So merkte Laforet in Zusammenhang mit der Frage<br />

um das Bundeskriminalwesen an, dass man mit der Verlagerung des Bundeskriminalwesens<br />

von der ausschließlichen Gesetzgebung in die konkurrierende<br />

Gesetzgebung und einer geeigneten Umschreibung vorbeugen könne, dass<br />

„nicht ein gefährliches Wort in einer späteren Zeit ganz anders ausgelegt wird,<br />

als es jetzt hier wohl intendiert ist.“ 564 .<br />

Die historische und teleologische Betrachtung der Vorgänge um die Konstituierung<br />

des Grundgesetzes lässt erkennen, dass der Verfassungsgeber in Bezug auf<br />

die polizeilichen Kompetenzen des Bundes eine restriktive Auslegung anstrebte.<br />

Zusammenfassend wird dies durch folgende Fakten besonders deutlich:<br />

Einhelliges Bestreben, den Bund nicht mit eigenen Polizeikräften, selbst<br />

wenn nur für den Notfall, auszustatten; verdeutlicht in Art. 91 Abs. 1 GG<br />

a.F., welcher nur Landespolizeibehörden nennt; der Bundesgrenzschutz<br />

wurde erst später mit Verabschiedung der Notstandsgesetzgebung in die<br />

Fassung des Art. 91 aufgenommen.<br />

Intensive Diskussion und teilweise „bundesfeindliche“ Haltung im Parlamentarischen<br />

Rat bei der Thematik der koordinierenden Befugnisse des<br />

Bundeskriminalamtes gemäß Art. 73 Ziff. 10 GG a.F.<br />

Ablehnung der Verwendung des Wortes „Polizei“ auf Bundesebene; das<br />

ursprüngliche Bundeskriminalpolizeiamt wurde „nur“ als Bundeskriminalamt<br />

errichtet. Die Transliteration der Behörde „Bundespolizei“ aus<br />

dem Polizeibrief „Federal Police“ erfolgte nicht. Die vorsätzliche Separierung<br />

des Bundes vom Begriff „Polizei“ unterstreicht die Polizeihoheit der<br />

Länder.<br />

Die Wasser- und Schifffahrtspolizei des Bundes wurde ausdrücklich in<br />

Abgrenzung zur allgemeinen Polizei subsumiert und nur mit rudimentären<br />

polizeilichen Aufgaben und Befugnissen ausgestattet.<br />

Die sonstige, seit Weimar bestehende, Sonderpolizei des Bundes, die<br />

Bahnpolizei, fand keine Erwähnung im Parlamentarischen Rat; ihre Einordnung<br />

in die Systematik des Grundgesetzes blieb unklar. Nur aufgrund<br />

ihrer unbedeutenden Größe und der absoluten Bindung an die Bundes-<br />

564<br />

Der Parl. Rat, Bd. 14, Dok. Nr. 29, S. 879.


§ 2 Ursprung der Polizeikompetenzen des Bundes im Grundgesetz 111<br />

bahn in Organisation und Aufbau entzog sie sich dem ablehnenden und<br />

kritischen Zugriff der Länder.<br />

Im nächsten Schritt ist zu ergründen, wie trotz der vorbezeichneten Fakten in<br />

den ersten Jahren der Bundesrepublik die Aufstellung von Polizeikräften des<br />

Bundes in Form von Grenzschutzeinheiten, auch gegen Widerstand einzelner<br />

Länder, schnell möglich war und welche Rolle hierbei die Alliierten, die erste<br />

Bundesregierung sowie die weltpolitische Sicherheitslage spielten.


Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

Die Untersuchung des hier als Errichtungsphase bezeichneten Zeitraums bildet<br />

den Hauptteil und Schwerpunkt der Arbeit. Zeitlich einordnen lässt sich die<br />

Errichtungsphase in die Jahre von 1949 bis 1954. Der Errichtungsprozess beginnt<br />

im Jahr 1949 mit der nachfolgend erläuterten „Bundespolizei-<br />

Kontroverse“ und findet seinen Abschluss im politischen Schlagabtausch um<br />

den Passkontrolldienst. Die Untersuchung des genannten Zeitraumes, einschließlich<br />

der politischen Konstellation und der Gesetzgebungsvorgänge, soll<br />

darüber Aufschluss geben, wie die Errichtung einer Bundespolizeibehörde in<br />

Bezug auf die verfassungsrechtliche Ausgangslage möglich war und welchen<br />

Schwierigkeiten und Widerständen die Bundesregierung hierbei ausgesetzt<br />

gewesen ist.


114 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

§ 3 Gesteigertes Sicherheitsbedürfnis im Zuge politischer Ereignisse<br />

A. Einleitung<br />

Die grundsätzliche Haltung der Alliierten in Angelegenheiten der inneren und<br />

äußeren Sicherheit war bei Inkraftsetzung des Grundgesetzes klar erkennbar und<br />

ließ dem Bund zunächst keinen Spielraum, um eigene Sicherheitskräfte zu<br />

errichten. Die oberste Verantwortung für die Sicherheit lag bei den Besatzungsmächten,<br />

was sich auch in der Suspendierung von Art. 91 Abs. 2 GG in Ziff. 3<br />

des Genehmigungsschreibens der Militärgouverneure zum Grundgesetz vom 12.<br />

Mai 1949 565 widerspiegelt. Ebenso behielten sich die Alliierten das Recht vor,<br />

jederzeit wieder die vollziehende Gewalt zu übernehmen. Art. 3 des Besatzungsstatutes<br />

gibt hierüber Aufschluss:<br />

„Die Besatzungsbehörden behalten sich jedoch das Recht vor, entsprechend<br />

den Weisungen ihrer Regierungen die Ausübung der vollen<br />

Gewalt ganz oder teilweise wieder zu übernehmen, wenn sie dies für<br />

unerlässlich erachten für die Sicherheit oder zur Aufrechterhaltung der<br />

demokratischen Ordnung in Deutschland, oder um den internationalen<br />

Verpflichtungen ihrer Regierungen nachzukommen.“ 566<br />

Auch in Bezug auf die Polizei der Länder bestanden einschränkende Vorschriften<br />

der Alliierten. So kann den „Vorschriften bezüglich der Organisation,<br />

Kontrolle und Verwaltung der Polizei innerhalb der Länder“ entnommen werden,<br />

dass die AHK sich verantwortlich fühlte, dafür Sorge zu tragen, dass die<br />

„Polizei innerhalb der Länder nicht die Merkmale von para-militärischen Formationen<br />

annimmt, und dass die Organisation der Polizei nicht derart<br />

zentralisiert wird, dass sie eine Bedrohung der demokratischen Regierungsform<br />

oder der Sicherheit der Besatzungsmächte darstellt“ 567 . Die Einstellung der<br />

Alliierten änderte sich jedoch insgesamt im Zuge der politischen Ereignisse,<br />

565<br />

566<br />

567<br />

Ziff. 3 des Genehmigungsschreiben zum GG der Militärgouverneure, in: Rauschning,<br />

Die Gesamtverfassung Deutschlands, S. 69-70: „Zweitens versteht es sich, dass die Polizeibefugnisse,<br />

wie sie in Artikel 91 Abs. 2 enthalten sind, nicht ausgeübt werden<br />

dürfen, bis sie von den Besatzungsbehörden ausdrücklich gebilligt sind. In gleicher<br />

Weise sollen die übrigen Polizeifunktionen des Bundes im Einklang mit dem in dieser<br />

Frage an Sie gerichteten Schreiben vom 14.04.1949 ausgeübt werden“.<br />

Amtsblatt der AHK v. 23.09.1949, S. 14.<br />

Vorschrift bei: Pioch, PolR, 1. Aufl., S. 208-210.<br />

D. Parma, Installation und Konsolidierung des Bundesgrenzschutzes 1949 bis 1972,<br />

DOI 10.1007/978-3-<strong>658</strong>-<strong>10928</strong>-8_3, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2016


§ 3 Gesteigertes Sicherheitsbedürfnis im Zuge politischer Ereignisse 115<br />

welche Europa und Teile der Welt zu dieser Zeit beherrschten, maßgeblich. Der<br />

Bereich „Polizeibefugnisse auf Bundesebene“ ist nur ein kleiner Teil in einem<br />

großen Gebiet der grundsätzlichen fortschreitenden Veränderungen, die vor<br />

allem die Remilitarisierung und Westintegration Deutschlands vorangetrieben<br />

haben. Nachfolgend werden die Ursachen und politischen Ereignisse skizziert,<br />

die zu einem gesteigerten Bedürfnis im Bereich der inneren und äußeren Sicherheit<br />

geführt haben.<br />

B. Kalter Krieg<br />

Die Sicherheitslage der jungen Bundesrepublik im Bereich der inneren und<br />

äußeren Sicherheit korrelierte mit der nach Kriegsende aufkommenden Blockkonfrontation,<br />

die auch als „Kalter Krieg“ bezeichnet wird. Die Urheberschaft<br />

des Begriffes „Kalter Krieg“ gilt als umstritten, wobei die Literatur ihn mehrheitlich<br />

dem amerikanischen Journalisten Herbert Bayard Swope zuschreibt 568 .<br />

Swope, der u.a. Mitarbeiter des US-Präsidentenberaters Bernard M. Baruch war,<br />

verwendete die Bezeichnung „cold war“, um die Beziehung der USA zur Sowjetunion<br />

im Kontrast zu einem „hot or shooting war“ zu beschreiben 569 . Populäre<br />

Verbreitung erhielt der Begriff durch die Verwendung in Reden Baruchs und<br />

besonders durch die Publikation von Walter Lippmanns Essay „The Cold War“<br />

im November 1947, nach dessen Auffassung der Ursprung des Kalten Krieges in<br />

einem Machtvakuum statt in einer sowjetischen Aggression lag („a power<br />

vacuum, rather than Soviet aggression, had caused the Cold War“) 570 . Das von<br />

Lippmann beschriebene Machtvakuum war jedoch vielmehr Folge und Eigenschaft<br />

statt Ausgangspunkt des Kalten Krieges. Begründet war dieser in der<br />

bipolaren Systemkonkurrenz ideologischen Ursprungs. Es bestand eine „unüberwindliche<br />

ideologische Kluft zwischen [dem] Sowjetsystem und den durch<br />

Liberalismus, Demokratie und freie Wirtschaft geprägten Westmächten“ 571 . In<br />

verschiedenen Teilen der Welt tobten 1947 Bürgerkriege um ideologische<br />

568<br />

569<br />

570<br />

571<br />

So Stöver, Der Kalte Krieg, S. 11; Sautter, Lexikon der amerikanischen Geschichte,<br />

S. 197; Safire, Safires Political Dictionary, S. 134 f.; Burgan, The Berlin Wall, S. 14;<br />

Aronsen, in: Lee (Hrsg.), World War Two, S. 436; Turner, Historical Dictionary of<br />

United States Intelligence, S. 33; Bradford (Hrsg.), Atlas of American Military History,<br />

S. 216; Axelrod, The Real History of the Cold War, S. 89; ausführlich zur Etymologie:<br />

Carstensen/Busse, Anglizismen-Wörterbuch, Bd. 1, S. 750 ff.<br />

Safire, Safires Political Dictionary, S. 134.<br />

Van Dijk (Hrsg.), Encyclopedia of the Cold War, S. 544.<br />

Kowalczuk/Wolle, Roter Stern über Deutschland, S. 160.


116 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

Vorherrschaft (China, Griechenland), bzw. waren Länder zweigeteilt in westlich-demokratische<br />

und sowjetisch-kommunistische Einflusszonen<br />

(Deutschland, Österreich, Korea). Der damalige US-Präsident, Harry S. Truman,<br />

beabsichtigte durch wirtschaftliche Unterstützung bestimmter Länder, den<br />

Einfluss der Sowjetunion einzudämmen. Nachdem Großbritannien mit Ablauf<br />

des Monats März 1947 die wirtschaftliche Hilfe für die griechische Regierung<br />

im Kampf gegen die kommunistischen Partisanen eingestellt hatte, forderte<br />

Truman am 12. März 1947 die Zustimmung des US-Kongresses für ein 400<br />

Millionen Dollar umfassendes Wirtschaftshilfepaket für Griechenland. In seiner<br />

Rede erklärte er, dass sich zur gegenwärtigen Zeit jede Nation zwischen zwei<br />

Alternativen entscheiden müsse:<br />

„One way of life is based upon the will of the majority, and is distinguished<br />

by free institutions, representative government, free elections,<br />

guarantees of individual liberty, freedom of speech and religion, and<br />

freedom from political oppression. The second way of life is based<br />

upon the will of a minority forcibly imposed upon the majority. It relies<br />

upon terror and oppression, a controlled press and radio; fixed<br />

elections, and the suppression of personal freedoms.“ 572<br />

Nach Trumans Auffassung würde Griechenland in ein System des von ihm<br />

beschriebenen zweiten Weges transformiert, wenn die USA der griechischen<br />

Regierung nicht zu Hilfe käme 573 . Anknüpfend hieran sicherte Truman den<br />

freien Völkern der Welt Hilfe im Kampf um die Freiheit zu. Diese Beistandsgarantie<br />

wird seither als Truman-Doktrin bezeichnet. Die Truman-Doktrin ist<br />

Bestandteil für das im Lauf des Jahres 1947 von George F. Kennan entwickelte<br />

außenpolitische Konzept der „Containment-Politik“, welche das Ziel verfolgte,<br />

„die Ausdehnung des kommunistischen Machtbereichs einzudämmen“ 574 .<br />

Kennan war von 1933 bis 1937 und von 1944 bis 1946 an der US-Botschaft in<br />

Moskau eingesetzt und Kenner des Sowjetsystems. Im Februar 1946 schickte er<br />

eine Nachricht an die US-Administration, auch als das „Long-Telegram“ bezeichnet,<br />

in welcher er eine Prognose über das weitere Verhältnis zur<br />

Sowjetunion abgab. Kennan waren hierzu Fragenkomplexe vorgegeben worden,<br />

572<br />

573<br />

574<br />

Rede von Truman vor dem US-Congress am 12.03.1947, abgedruckt bei: Kalaitzidis/<br />

Streich, U.S. Foreign Policy, S. 145 ff. (148).<br />

Pastor, Congress and the Politics of U.S. Foreign Economic Policy, S. 259.<br />

Carstensen/Busse, Anglizismen-Wörterbuch, Bd. 1, S. 298.


§ 3 Gesteigertes Sicherheitsbedürfnis im Zuge politischer Ereignisse 117<br />

auf die er gezielt antwortete. Der erste Teil beinhaltete die Frage nach der Charakteristik<br />

der sowjetischen Ansichten in der Nachkriegszeit („Basic features of<br />

postwar Soviet outlook“) 575 . Kennans erster Satz gibt Aufschluss über den<br />

gesamten Inhalt des Telegrams:<br />

„USSR still lives in antagonistic ‚capitalist encirclement‘ with which<br />

in the long run there can be no permanent peaceful coexistence.“ 576<br />

Kennan beschrieb ein Sowjetsystem, mit dem eine friedliche und dauerhafte<br />

Koexistenz unmöglich sein würde, da es ideologisch in sich verfangen sei und<br />

die Demokratie sowie westliche Welt grundsätzlich als Feind betrachte. Kennan<br />

begründete 1995 retrospektiv seine damalige Auffassung als einhergehend mit<br />

dem Eindruck eines Schocks über das Sowjetsystems, den er ab 1944 seit seiner<br />

Rückkehr nach Moskau verspürte:<br />

„The shock was occasioned by the realization that the Soviet regime<br />

with which I found us to be dealing in 1944, and from which we had<br />

come to hope for so much understanding for our aims in the war<br />

against Germany, was still indistinguishable from the one that hat opposed<br />

in every way our policies of the prewar period, that had entered<br />

into the cynical nonaggression pact with the Germans in 1939, and<br />

that had shown itself capable of abominable cruelties, little short of<br />

genocide, in the treatment of large portions of the population from the<br />

areas of Poland and the Baltic states it had taken under its control.“ 577<br />

Die Lösung sei aber nicht eine aggressive, Druck ausübende Politik („Press<br />

cannot do this alone“), sondern eine überlegte Strategie der Aufklärung der<br />

Bevölkerung über das Sowjetsystem und die Förderung von Prosperität, denn<br />

der Kommunismus sei ein bösartiger Parasit, der sich nur auf krankem Grund<br />

festsetzen könne („World communism is like malignant parasite which feeds<br />

only on diseased tissue“) 578 . Inwieweit Truman das „Long-Telegram“ von<br />

575<br />

576<br />

577<br />

578<br />

Text des Telegramms abgedruckt bei: Jensen (Hrsg.), Origins of the Cold War, The<br />

Novikov, Kennan, and Roberts „long Telegrams“ of 1946, S. 17.; ebenso in: FRUS<br />

1946, VI, S. 696 ff.<br />

Ebd.<br />

Kennan, George F. Kennan and the Origins of Containment, 1944-1946, S. 28.<br />

Jensen (Hrsg.), Origins of the Cold War, The Novikov, Kennan, and Roberts „long<br />

Telegrams“ of 1946, S. 31.


118 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

Kennan vor seiner Rede vor dem US-Kongress im März 1947 (Truman-Doktrin)<br />

tatsächlich bekannt war, oder ob dieses überhaupt Einfluss auf ihn ausübte, wie<br />

es doch aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmungen und der kongruenten<br />

Zielrichtung so einleuchtend erscheint, galt lange als umstritten. Die neueste<br />

Forschung kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass Truman den Inhalt des Telegramms<br />

mit Mitarbeitern seines Stabes zumindest diskutiert und somit gekannt<br />

hatte – gleichwohl aber nicht mehr zu rekonstruieren sei, welchen Einfluss es<br />

auf Trumans grundsätzliche Einstellung zur Sowjetunion und seine Rede im<br />

Frühjahr 1947 hatte 579 . Kennan war im Laufe des Jahres 1947 als Chef des<br />

Planungsstabes im US-Außenministerium („head of the State Departments<br />

policy planning staff“) eingesetzt und verfasste unter dem Pseudonym „X“ im<br />

Juli 1947 einen Artikel in der politischen Fachzeitschrift „Foreign Affairs“ mit<br />

dem Titel „The Sources of Soviet conduct“ 580 . In enger Anlehnung an die Inhalte<br />

des „Long-Telegrams“ schrieb er bezüglich des künftigen Verhältnisses zur<br />

Sowjetunion:<br />

„[…] it is clear that the main element of any United States policy toward<br />

the Soviet Union must be that of long-term, patient but firm and<br />

vigilant containment of Russian expansive tendencies.“ 581<br />

Kennan gab damit inhaltlich die Richtung der US-Außenpolitik im „Entscheidungsjahr“<br />

1947 vor, die auch als Containment-Politik bezeichnet wurde und<br />

auf einer Eindämmung der sowjetischen Machtsphäre basierte 582 . Die ideologischen<br />

Gegensätze hatten sich bereits nach Verkündung der Truman-Doktrin<br />

auch auf der Moskauer Außenministerkonferenz vom 10. März bis 24. April<br />

1947 verschärft 583 . Eine gemeinsame alliierte (Wirtschafts-)Politik in Bezug auf<br />

Deutschland als Ganzes war in die Ferne gerückt. Die wirtschaftliche Stärkung<br />

des Einflussbereichs der Westalliierten erfolgte durch das European-Recovery-<br />

Program (ERP), welches auch als „Marshall-Plan“ bezeichnet wird. US-<br />

Außenminister George C. Marshall war Namensgeber des ERP, obwohl dieses<br />

maßgeblich nach dem Scheitern der vorbezeichneten Moskauer Außenministerkonferenz<br />

in seinem Auftrag von Kennan und dem Planungsstab im US-<br />

579<br />

580<br />

581<br />

582<br />

583<br />

Bostdorff, Proclaiming the Truman Doctrine, S. 23.<br />

Kennan, The Sources of Soviet Conduct, in: Foreign Affairs, 07/1947, 25. Jg.,<br />

S. 566-582.<br />

Ebd., S. 575.<br />

Schieder, Handbuch der europäischen Geschichte, Bd. 7, S. 337.<br />

Schallmoser, Statik und Dynamik der deutschen Frage, Bd. 1, S. 32.


§ 3 Gesteigertes Sicherheitsbedürfnis im Zuge politischer Ereignisse 119<br />

Außenministerium entwickelt wurde 584 . Die Sowjetunion reagierte auf die<br />

Containment-Politik und den Marshall-Plan ihrerseits mit der Gründung der<br />

„Kominform“ (Kommunistisches Informationsbüro) im September 1947. Die<br />

Kominform war Nachfolgerorganisation der 1943 aufgelösten „Kommintern“<br />

(Kommunistische Internationale) und diente nicht nur dem Zusammenschluss<br />

der internationalen kommunistischen Parteien, sondern sollte diese „in ein<br />

Blocksystem eingliedern, dessen Hauptmerkmale die unbedingte Unterordnung<br />

unter die Vorherrschaft der KPdSU war“ 585 . Auf der Gründungskonferenz der<br />

Kominform proklamierte der Sowjetpolitiker und Stalinvertraute Andrei A.<br />

Schdanow in einer Rede die sogenannte „Zwei-Lager-Theorie“ 586 . Demnach sei<br />

die Welt in zwei verschiedene Lager gespalten – in eine imperialistische und<br />

antidemokratische und eine antiimperialistische und demokratische Welt. Zu<br />

den imperialistischen Staaten wären besonders die USA, Großbritannien und<br />

Frankreich zu zählen. Hauptanliegen der Imperialisten sei die Bekämpfung des<br />

Sozialismus und der Demokratie:<br />

„The cardinal purpose of the imperialist camp is to strengthen imperialism,<br />

to hatch a new imperialist war, to combat socialism and<br />

democracy, and to support reactionary and anti-democratic pro-fascist<br />

regimes and movements everywhere“ 587 .<br />

Durch Schdanows Lager-Theorie und die Truman-Doktrin wurde die bipolare<br />

Systemkonkurrenz zwischen den Westalliierten und der Sowjetunion einschließlich<br />

ihrer Verbündeten dauerhaft und ideologisch zementiert. In der Verkündung<br />

der Zwei-Lager-Theorie wird die „offizielle Eröffnung“ des Kalten Krieges<br />

gesehen 588 . Unter dem Kalten Krieg wird demnach die Konfrontation zwischen<br />

den Blöcken verstanden, bei der grundsätzlich eine „direkte militärische Auseinandersetzung<br />

vermieden“ werden soll 589 . Der Kalte Krieg schloss<br />

konventionelles und atomares Wettrüsten ein, sodass gleichwohl „fortwährend<br />

584<br />

585<br />

586<br />

587<br />

588<br />

589<br />

Vgl. Lange, George Frost Kennan und der Kalte Krieg, S. 96 f.; Miscamble, George F.<br />

Kennan and the Making of American Foreign Policy, 1947-1950, S. 73.<br />

Görtemaker, Geschichte der BRD, S. 40.<br />

In engl. als „Two Camps Concept“ bezeichnet, siehe hierzu ausführlich: Van Dijk<br />

(Hrsg.), Encyclopedia of the Cold War, S. 916 f.<br />

Rede von Schadnow anl. der Gründung der Kominform vom 23.09.-27.09.1947, engl.<br />

Fassung abgedruckt bei: Tuathuail (Hrsg.), The Geopolitics Reader, S. 66 ff.; deutsche<br />

Fassung abgedruckt in: AdG 1947, 1209 ff.<br />

Stöver, Der Kalte Krieg, S. 74 f.<br />

Felbick, Schlagwörter der Nachkriegszeit 1945-1949, S. 355.


120 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

die Gefahr eines Kriegsausbruches zwischen den Blöcken bestand“ 590 . Ebenso<br />

lässt sich der Kalte Krieg als ein Zustand beschreiben, „in dem weder totaler<br />

Krieg noch totaler Friede herrscht“ 591 . Die Systemkonfrontation führte relativ<br />

schnell zu ersten sicherheits- und bündnispolitischen Maßnahmen auf Seiten der<br />

Westalliierten. Am 17. März 1948 wurde der Vertrag von Brüssel zwischen<br />

Belgien, Frankreich, Großbritannien, Luxemburg und den Niederlanden als<br />

kollektives Sicherheitsbündnis unterzeichnet 592 . Der Präambel nach richtete sich<br />

der Brüsseler Pakt auch gegen eine mögliche neue deutsche Aggression – primär<br />

war er jedoch „zur Abwehr der sowjetischen Bedrohung konzipiert“ 593 . In<br />

diesem Zusammenhang kam der strategischen Lage Deutschlands an der Nahtstelle<br />

zwischen den Blöcken eine besondere Bedeutung zu. Die konventionelle<br />

Verteidigung Westeuropas würde sich bei einer sowjetischen Invasion auf<br />

(west-)deutschen Boden konzentrieren. Der britische Feldmarschall<br />

Montgomery war einer der ersten Militärs, der die Aufnahme Westdeutschlands<br />

in das westalliierte Bündnissystem anpeilte. In einem Memorandum vom 30.<br />

Januar 1948 konstatierte er, dass der Feind in einem zukünftigen Kriege die<br />

Sowjetunion sein würde („It is now clear that in any future war which we can at<br />

present envisage, the enemy would bei Russia“) 594 . Diesbezüglich sei eine starke<br />

westliche Union anzustreben, die den Verteidigungskampf soweit östlich wie<br />

möglich auf deutschem Gebiet führen solle. Auch der britische Außenminister<br />

Bevin rechnete bei Unterzeichnung des Brüsseler Vertrages bereits mit einer<br />

Einbeziehung Westdeutschlands in das Bündnis 595 . Internen Dokumenten der<br />

US-Administration (Protokoll der sechsten Sicherheitsgespräche zwischen den<br />

USA, Großbritannien und Kanada vom April 1948) kann entnommen werden,<br />

dass damals bereits konkrete Überlegungen bestanden, Westdeutschland den<br />

Beitritt zu einem westlichen Bündnissystem zu ermöglichen. In Bezug auf den<br />

590<br />

591<br />

592<br />

593<br />

594<br />

595<br />

Kaelble, Kalter Krieg und Wohlfahrtsstaat, S. 25.<br />

Bark, Die Berlin-Frage, 1949-1955, Verhandlungsgrundlagen und Eindämmungspolitik,<br />

S. 502.<br />

Vertragstext abgedruckt bei: Van Panhuys/Brinkhorst/Maas (Hrsg.), International<br />

Organisation and Integration, S. 905 ff.<br />

Schwengler, in: MGFA, Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik, Bd. 4, S. 501;<br />

ebenso der Auffassung, dass der Vertrag von Brüssel der Abwehr der sowjetischen Bedrohung<br />

diente: Varwick, Die Nato, S. 21; Timmermann, Deutschlandvertrag und<br />

Pariser Verträge, S. 23.<br />

Abdruck des Memorandum vom 30.01.1948, bei: Ovendale (Hrsg.), British Defence<br />

Policy Since 1945, S. 44 ff.<br />

Schmale, in: Breuss/Fink/Griller (Hrsg.), Vom Schuman-Plan zum Vertrag von Amsterdam,<br />

S. 21.


§ 3 Gesteigertes Sicherheitsbedürfnis im Zuge politischer Ereignisse 121<br />

Brüsseler Vertrag wurde vorgeschlagen, Westdeutschland, wenn es die Umstände<br />

zuließen, mit in das Bündnissystem aufzunehmen („when circumstances<br />

permit, Germany […] should be invited to adhere the Five-Power-Treaty“) 596 .<br />

Überlegungen dieser Art sollten jedoch nicht öffentlich bekannt werden, sondern<br />

könnten durch eine entsprechende Beitrittsklausel im Vertragstext erreicht<br />

werden („This objective, which should not be publicly disclosed, could be<br />

provided by a suitable accession clause in the Defense Agreement“) 597 . In der<br />

deutschen sowie französischen Öffentlichkeit war das Thema der Einbeziehung<br />

Westdeutschlands in ein Verteidigungssystem und die damit verbundene Frage<br />

der Wiederbewaffnung problembehaftet. So war das Ansinnen der Sicherheitskonferenz<br />

verständlich, ein entsprechendes, derart mit Konfliktpotential<br />

beladenes Thema zunächst aus der öffentlichen Debatte herauszuhalten. Der<br />

Kalte Krieg und die strategische Lage Deutschlands führten jedoch aufgrund der<br />

Bedrohung der äußeren Sicherheit dazu, Westdeutschland auf lange Sicht in ein<br />

kollektives Verteidigungssystem mit eigenem Wehrbeitrag zu integrieren.<br />

Grundsätzlich ist festzustellen, dass der Kalte Krieg zu einer „angenommene[n]<br />

existentielle[n] Bedrohung“ 598 führte, die in Bezug auf Westdeutschland vor<br />

allem durch die deutsche Teilung sowie den Korea-Krieg in sicherheitspolitischer<br />

Hinsicht bedeutsam war.<br />

C. Deutsche Teilung<br />

An der innerdeutschen Grenze standen sich aufwachsend ab 1946 die militärischen<br />

Einheiten der Westalliierten und der bewaffneten Kräfte der SBZ<br />

gegenüber, wobei ab 1949 ein deutliches Übergewicht bei den konventionellen<br />

Streitkräften in der SBZ zu verzeichnen war. So waren auf dem Gebiet der DDR<br />

zweiundzwanzig einsatzbereite Divisionen mit 6.000 Panzern der Roten Armee<br />

stationiert 599 . Die DDR selbst verfügte bis zum Sommer 1950 über 90.000 Mann<br />

kasernierte Volks-, Grenz- und Transportpolizei, denen im Westen nahezu keine<br />

Polizeitruppe in dieser Stärke als Gleichgewicht entgegenstand 600 . Nicht nur die<br />

militärische oder polizeiliche Übermacht beinhaltete Konfliktpotential, sondern<br />

auch die ideologische Indoktrinierung der ostdeutschen Grenzbevölkerung und<br />

596<br />

597<br />

598<br />

599<br />

600<br />

FRUS, III, 1948, S. 75.<br />

Ebd.<br />

Kleßmann/Stöver, 1953 – Krisenjahr des Kalten Krieges in Europa, S. 13.<br />

Schubert von, Wiederbewaffnung und Westintegration, S. 22.<br />

Borowsky, Deutschland 1945-1969, S. 140.


122 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

der ostdeutschen Grenzpolizei. Die an der innerdeutschen Grenze stationierten<br />

DDR-Sicherheitsorgane unterlagen einer anhaltenden „Erziehung zum Hass<br />

gegen alle, die sich nicht der kommunistischen Weltanschauung bekannten“ 601 .<br />

Im Ganzen war es zwar fernliegend, dass die Westmächte bei einem Überfall<br />

der DDR-Truppen auf das Bundesgebiet nicht militärisch eingeschritten wären.<br />

Dennoch blieb ein theoretisches Restrisiko, dass die in Augen der ostdeutschen<br />

Kommunisten notwendige ideologische Erlösung der BRD „von den Westmächten<br />

hingenommen werden würde“ 602 .<br />

Ebenso waren in Westdeutschland Agitation und gewalttätige Übergriffe von<br />

Angehörigen der FDJ zu verzeichnen. So war es am 6. August 1950 zwischen<br />

Versammlungsteilnehmern und Polizisten anlässlich einer Veranstaltung des<br />

„Komitees der Kämpfer für den Frieden“ in München 603 und am 20. August<br />

1950 in Dortmund 604 zwischen FDJ-Anhängern und der Polizei zu Zusammenstößen<br />

gekommen. Die Perzeption der Westdeutschen war mitgeprägt durch<br />

Ängste und Misstrauen 605 .<br />

Im Juli 1950 hielten im Rahmen einer Umfrage 48 Prozent der Befragten es für<br />

möglich, dass es zu einem dritten Weltkrieg kommen würde 606 . Aufgrund der<br />

Überlegenheit der DDR-Polizeien und der dort stationierten Roten Armee, sowie<br />

aufgrund der außenpolitischen Interessen der DDR 607 , konnte die Bundesregierung<br />

nicht ausschließen, dass die DDR Übergriffe provozieren oder gar die<br />

Sowjetunion versuchen würde, Westdeutschland mit militärischen Mitteln dem<br />

eigenen Machtbereich einzuverleiben. Adenauer war der festen Überzeugung,<br />

dass Stalin „von jeher die Absicht gehabt hatte, Westdeutschland möglichst<br />

unzerstört in seine Hände zu bekommen“ 608 . Die Situation insgesamt lässt sich<br />

601<br />

602<br />

603<br />

604<br />

605<br />

606<br />

607<br />

608<br />

Dierske, Bundesgrenzschutz, S. 20.<br />

Foerster, in: MGFA, Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik, Bd. 1, S. 483.<br />

Vgl. AA, Akten zur Auswärtigen Politik der BRD, Adenauer und die Hohen Kommissare<br />

1949-1951, Bd. I, S. 231; bei dem 1949 gegründeten „Deutschen Komitee der<br />

Kämpfer für den Frieden“ handelte es sich um die Vorläuferorganisation des „Friedensrates<br />

der DDR“.<br />

DzD II/3 (1950), Dok. Nr. 363A, S. 934.<br />

Zu den Verhältnissen an der Zonengrenze, Der Spiegel 48/1948 vom 03.04.1948, S. 3:<br />

„Es wird wohl bald geschossen“.<br />

Der Spiegel 48/1950 vom 29.11.1950, S. 5.<br />

Muth, Die DDR-Außenpolitik 1949-1972, S. 51: „[…] scharfe Auseinandersetzung auf<br />

nationaler wie internationaler Ebene mit der Politik der Bundesrepublik […]“.<br />

Adenauer, Erinnerungen 1945-1953, S. 348.


§ 3 Gesteigertes Sicherheitsbedürfnis im Zuge politischer Ereignisse 123<br />

als Kräftegleichgewichtsdefekt beschreiben, der jederzeit durch ein politisches<br />

Initialereignis in einen bewaffneten Konflikt hätte übergehen können 609 . Die<br />

Lösung für den Westen lag in einer Angleichung des militärischen wie polizeilichen<br />

Kräfteverhältnisses.<br />

D. Koreakrieg<br />

Die Ereignisse in Korea sind für die Betrachtung der deutschen Sicherheitspolitik<br />

im Jahr 1950 von erheblicher Bedeutung, da die Ausgangssituationen in<br />

Korea und Deutschland aufgrund der Trennung des Staatsgebietes in zwei<br />

antagonistische Systeme als ähnlich bezeichnet werden kann 610 . Auf der Konferenz<br />

von Jalta Anfang 1945 beschlossen die Alliierten die „treuhänderische<br />

Verwaltung“ von Korea 611 . Der Norden ab dem 38. Breitengrad stand unter<br />

kommunistischem Einfluss, während der Süden westlich-demokratisch orientiert<br />

war. 1948 konstituierten sich kurz nacheinander die beiden Staaten – die Demokratische<br />

Volksrepublik Korea im Norden und die Republik Korea im Süden.<br />

Somit war der Ausgangspunkt für weitere Konflikte und den ersten Stellvertreterkrieg<br />

zwischen den USA und den kommunistischen Supermächten<br />

Sowjetunion und China geschaffen. Der nordkoreanische Staatschef Kim Il-Sung<br />

bereitete darüber hinaus seit März 1949 eine Invasion Südkoreas vor 612 .<br />

Die oben erläuterte Containment-Politik der USA erfuhr zu dieser Zeit scheinbar<br />

eine Einschränkung durch bestimmte Aussagen des Außenministers Dean<br />

Acheson. Anfang 1950 äußerte dieser, dass „der amerikanische Verteidigungsgürtel<br />

im Pazifik über Japan, Okinawa und Philippinen und somit östlich von<br />

Formosa verläuft“ und, dass „bei einem Angriff außerhalb dieses Verteidigungsgürtels<br />

in erster Linie auf den Widerstand des angegriffenen Volkes<br />

609<br />

610<br />

611<br />

612<br />

Zur Lagebeurteilung in politischen Kreisen, beispielhaft CSU, BayHStA, NL Pfeiffer<br />

216, III. Verfassungs- und Verwaltungseinrichtungen der Ostzone: „Ziel der sowjetischen<br />

Außenpolitik in Bezug auf Deutschland ist die Wiederherstellung eines von der<br />

SED bzw. KPD beherrschten deutschen Einheitsstaates“.<br />

Vgl. hierzu: Diedrich/Wenzke, Geschichte der Kasernierten Volkspolizei, S. 50 ff.;<br />

Woyke, Handbuch Internationale Politik, S. 422; Wiggershaus, in: MGFA, Das Nordatlantische<br />

Bündnis, S. 33: „Koreakrieg […] als ein weiterer Beweis für die Existenz<br />

eines sowjetischen Generalplanes zur Welteroberung“.<br />

Vgl. Maull, Brennpunkt Korea, S. 66.<br />

Wells, in: Seidel, Geheimdienste, Diplomatie und Krieg, S. 209.


124 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

vertraut werden muss“ 613 . Korea lag geographisch demzufolge nicht im Verteidigungsgürtel<br />

der USA, was die Hemmschwelle für einen Angriff des<br />

kommunistischen Nordens erheblich herabsetzte 614 . Auch waren die Kommunisten<br />

ermutigt durch den Sieg von Mao über Chiang Kai-shek in China 615 . Am 25.<br />

Juni 1950 überschritten die nordkoreanischen Kommunisten die Grenze zum<br />

Süden und konnten erst durch massive militärische Intervention der USA und<br />

der Vereinten Nationen zurückgedrängt werden. Der Konflikt entwickelte sich<br />

zum Stellvertreterkrieg, da die Sowjetunion und China Waffen lieferten. China<br />

entsandte zusätzlich zur materiellen Hilfe noch eine große Anzahl an „Kriegsfreiwilligen“<br />

616 . Der 1953 geschlossene Waffenstillstandsvertrag zwischen den<br />

beiden Staaten stellt nach wie vor den Status quo dar, da bis jetzt kein Friedensvertrag<br />

verhandelt wurde 617 .<br />

Die militärische Auseinandersetzung in Korea zeigte den Westeuropäern vor<br />

allem, dass das alleinige Vertrauen in das atomare Übergewicht der USA und<br />

die damit einhergehende Vernachlässigung der konventionellen Rüstung verheerende<br />

Auswirkungen für die Sicherheit haben konnte 618 . Die Parallelen zwischen<br />

der Deutschen Teilung und der Koreanischen Teilung waren nicht zu übersehen.<br />

Wie in Südkorea stand auch der BRD ein kommunistisches System mit starken<br />

Polizei- und Militärkräften gegenüber. Auch wenn sichtbar keine Angriffsabsichten<br />

der DDR erkennbar waren, verbreiteten sich in der westdeutschen<br />

Bevölkerung und bei Politikern Unsicherheit und Bedenken 619 .<br />

In Bezug auf den Koreakrieg war Adenauer der Gewissheit, dass Stalin den<br />

richtigen Moment abwarten und mit der Sowjetzonenpolizei zu einer sogenannten<br />

„‘Befreiung‘ der westdeutschen Gebiete“ ansetzen würde 620 . Die<br />

Befürchtungen, die durch die Aufrüstung der ostdeutschen Sicherheitsorgane in<br />

613<br />

614<br />

615<br />

616<br />

617<br />

618<br />

619<br />

620<br />

Zit. nach Krüger, „Die Grenze zwischen Krieg und Frieden“, in: DIE ZEIT, Nr. 5 vom<br />

02.02.1956, S. 3.<br />

Emmes, Die Außenpolitiken der USA, S. 69.<br />

Eggert/Plassen, Kleine Geschichte Koreas, S. 153.<br />

Einzelne Quellen geben an, dass bis zu 300.000 Soldaten aus der VR China in Korea<br />

kämpften, vgl. Woyke, Handwörterbuch Internationale Politik, 11. Aufl., S. 422.<br />

Maull, Brennpunkt Korea, S. 168.<br />

Borowsky, Deutschland 1945-1969, S. 140.<br />

Ausführlich zur Wahrnehmung des Koreakonflikts in West- wie Ostdeutschland:<br />

Lemke, Wahrnehmung und Wirkungen des Koreakrieges im geteilten Deutschland, in:<br />

Kleßmann/Stöver, Der Koreakrieg, S. 74 ff.<br />

Adenauer, Erinnerungen 1945-1953, S. 349.


§ 3 Gesteigertes Sicherheitsbedürfnis im Zuge politischer Ereignisse 125<br />

Westdeutschland bereits bestanden hatten, wurden durch den Koreakrieg weiter<br />

genährt. Am Beispiel von Korea wurde sichtbar, dass die in Deutschland bestehende<br />

Situation unter bestimmten Voraussetzungen eskalieren konnte 621 . Die<br />

Forderung nach eigenen westdeutschen Sicherheitsorganen an der Grenze war<br />

ideologisch somit gerechtfertigt. Eine Remilitarisierung war keine sofort durchführbare<br />

Option, aber möglicherweise die Verstärkung der kasernierten Polizei.<br />

In Japan hatten die Ereignisse in Korea bereits zur Gründung der Nationalen<br />

Polizei-Reserve (N.P.R) mit einer Stärke von 75.000 Mann geführt 622 . Adenauer<br />

erwog zu diesem Zeitpunkt auch die Verstärkung der Landespolizeien, des Zolls<br />

und der Bahnpolizei sowie die Gründung einer Hilfspolizei auf kommunaler<br />

Ebene. Seinen Memoiren zufolge war sein Ziel jedoch die Gründung einer<br />

Bundespolizei 623 .<br />

Der Koreakrieg stellt den „Wendepunkt der westdeutschen Nachkriegsgeschichte“<br />

dar, der „als unverhoffter Glücksfall den Beginn des außenpolitischen<br />

Aufstiegs der BRD“ 624 markiert. Auch in Bezug auf die innere Sicherheit war<br />

der Koreakrieg bedeutsam, da er Adenauer Argumente lieferte. Er hatte erkannt,<br />

dass die nachhaltige Forderung nach einer kasernierten Polizeitruppe auf Bundesebene<br />

angesichts der Ereignisse in Korea und mit Hinweis auf die<br />

Stärkeverhältnisse in der DDR Erfolg haben könnte und in seinen Augen auch<br />

gegen den Willen der Franzosen durchsetzbar sein würde.<br />

E. Folgen für Innen- und Sicherheitspolitik<br />

Vorstehend wurden der aufkeimende Ost-West Konflikt, der Koreakrieg und das<br />

Defizit an Sicherheitskräften in Westdeutschland im Verhältnis zu den ostzonalen<br />

Sicherheitskräften erläutert. Es stellt sich die Frage, inwieweit durch die<br />

vorgezeigten Ereignisse und Fakten die innere und äußere Sicherheit der jungen<br />

621<br />

622<br />

623<br />

624<br />

Umfassend zur Bedrohungsanalyse der Westmächte nach Ausbruch des Korea-Krieges,<br />

Wiggershaus, in: MGFA, Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik, Bd. 1, S. 339 ff.<br />

Die USA mussten Teile ihrer in Japan stationierten Streitkräfte nach Ausbruch des<br />

Koreakrieges dorthin verlegen; zum inneren Schutz wurde die N.P.R. gegründet; vgl.<br />

Fuhrmann, Die Polizei 1952, 83.<br />

Adenauer, Erinnerungen 1945-1953, S. 347: „Mein erstrebtes Ziel war die Bildung<br />

einer Bundespolizei.“<br />

Baring, Außenpolitik in Adenauers Kanzlerdemokratie, S. 81.


126 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

Bundesrepublik gefährdet war. Zunächst sollen hierzu die Begriffe der inneren<br />

und äußeren Sicherheit erläutert werden.<br />

I. Innere Sicherheit<br />

Der Begriff der „inneren Sicherheit“ ist facettenreicher und schwieriger zu<br />

bestimmen als der eingangs erläuterte der „öffentlichen Sicherheit“ 625 . Der<br />

Ausdruck innere Sicherheit ist zudem kein traditioneller Terminus der deutschen<br />

Rechtssprache, sondern eine Bezeichnung, welche durch die Bundestagswahlkämpfe<br />

und die Debatten über die Notstandsgesetzgebung in den sechziger<br />

Jahren seine Verbreitung fand 626 . Er lässt sich weiter unterteilen in das Politikfeld<br />

Innere Sicherheit und die Staatsaufgabe innere Sicherheit. Das Politikfeld<br />

Innere Sicherheit beschreibt ein „System von staatlichen Institutionen und<br />

Einrichtungen, welches durch Verfassung und Organe der demokratischen<br />

Willensbildung legimitiert ist, das öffentliche Gewaltmonopol im Rahmen<br />

kodifizierter Regeln exekutiv unter Anwendung auch von unmittelbaren Zwang<br />

auszuüben“ 627 . Die Polizei ist im Politikfeld Innere Sicherheit zentraler Akteur<br />

628 . Dies gilt ebenso für die Staatsaufgabe innere Sicherheit, welche eng<br />

verknüpft ist mit der Entstehungsgeschichte des modernen Staates. Die Gewährleistung<br />

der Sicherheit von Seiten des Staates unter der Prämisse des<br />

persönlichen Gewaltverzichts der Bürger ist bereits Grundannahme in der politischen<br />

Theorie und Staatszwecklehre von Thomas Hobbes 629 . Wilhelm von<br />

Humboldt hat in diesem Sinne in seinem viel zitierten Werk „Ideen zu einem<br />

Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen“ konstatiert:<br />

„Ohne Sicherheit vermag der Mensch weder seine Kräfte auszubilden,<br />

noch die Frucht derselben zu geniessen; denn ohne Sicherheit ist keine<br />

625<br />

626<br />

627<br />

628<br />

629<br />

Zur Öffentlichen Sicherheit siehe S. 18 f.; Möstl ist der Auffassung, dass sich im<br />

staatsrechtlichen Schrifttum keine „präzisen Definitionen“ des Begriffs finden, Möstl,<br />

Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, S. 277, Fn. 2; ebenso<br />

nimmt Stüwe an, dass bis heute „eine rechtsverbindliche Definition fehlt“, Stüwe, in:<br />

Detterbeck, Föderalismus in Deutschland, S. 295.<br />

Vgl. Bukow, in: Lorenz/Reutter, Ordnung und Wandel als Herausforderungen für Staat<br />

und Gesellschaft, S. 350 m.w.N.<br />

Lange, in: Schmidt/Zohlnhöfer, Regieren in der BRD, Innen- und Außenpolitik, S. 87.<br />

Lange/Schenck, Polizei im kooperativen Staat, S. 228.<br />

Vgl. hierzu Hecker, in: Roggan/Kutscha, Handbuch zum Recht der Inneren Sicherheit,<br />

S. 26 ff.


§ 3 Gesteigertes Sicherheitsbedürfnis im Zuge politischer Ereignisse 127<br />

Freiheit. […] Ich glaube daher hier als den ersten positiven […]<br />

Grundsatz aufstellen zu können: dass die Erhaltung der Sicherheit sowohl<br />

gegen auswärtige Feinde, als innerliche Zwistigkeiten den<br />

Zweck des Staates ausmachen, und seine Wirksamkeit beschäftigen<br />

muss“ 630 .<br />

Der Begriff der inneren Sicherheit hängt eng zusammen mit demjenigen der<br />

Freiheit, wie vorbezeichnet bereits Humboldt festgestellt hatte. Während der<br />

Staat bei Hobbes über uneingeschränkte Macht verfügt, formulierte Locke „das<br />

neue liberale Bedürfnis: Die Sicherheit vor dem Staat“ 631 . In diesem Verständnis<br />

ist der Begriff innere Sicherheit über die Unterteilung in das Politikfeld und die<br />

Staatsaufgabe hinaus grundsätzlich verschieden interpretierbar. „Sicherheit und<br />

Freiheit bezeichnen die Unversehrtheit der Rechtsgüter, erstere im Verhältnis zu<br />

Privaten, letztere im Verhältnis zur öffentlichen Gewalt“ 632 . Folgt man der<br />

„normativ-affirmativen Position“, so bezeichnet die innere Sicherheit die Staatsaufgabe<br />

mit dem Ziel, die Bürger zu schützen, während hingegen die „normativkritische<br />

Position“ davon ausgeht, dass die innere Sicherheit die Verkörperung<br />

des tendenziell extensiven Herrschaftsanspruchs des Staates darstellt, welche es<br />

zu bekämpfen gilt 633 . Das Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Freiheit ist<br />

besonders in den letzten Jahren sichtbar geworden, als im Bereich der Gefahrenvorsorge<br />

die anlasslose Speicherung von Telekommunikations- und Verbindungsdaten<br />

(Vorratsdatenspeicherung) oder Eingriffe in den persönlichen<br />

und privaten Lebensbereich (Online-Durchsuchung) durchgesetzt werden sollten.<br />

„Durch Grundrechtsrelativierungen im Namen grundrechtsschützender<br />

Überwachungsmaßnahmen darf einem freiheitsfeindlichen Überwachungsstaat<br />

nicht der Weg geebnet werden“ 634 . Es wird vorliegend nicht behauptet, dass die<br />

Bundesrepublik ein Überwachungsstaat ist, wenn auch eine Analyse des „Intensitätsgrads<br />

staatlicher Überwachung und Kontrolle“ zeigt, dass „die<br />

Kontrolldichte signifikant zugenommen hat“ 635 . Ohne auf das Spannungsver-<br />

630<br />

631<br />

632<br />

633<br />

634<br />

635<br />

Humboldt von, Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu<br />

bestimmen, S. 45 f.<br />

Schlögel, Das Bundesverfassungsgericht im Politikfeld Innere Sicherheit, S. 17.<br />

Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 21.<br />

Lange, in: ders. Staat, Demokratie und Innere Sicherheit in Deutschland, Studien zur<br />

Inneren Sicherheit I, S. 236.<br />

Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, 6. Aufl., S. 23.<br />

Voigt, Sicherheit versus Freiheit, S. 4.


128 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

hältnis von Freiheit und Sicherheit näher einzugehen 636 , stellt sich die Frage<br />

nach der verfassungsrechtlichen Verankerung der inneren Sicherheit. In einem<br />

modernen Rechtsstaat wie der Bundesrepublik ist die Gewährleistung der inneren<br />

Sicherheit eine „Staatsaufgabe mit Verfassungsrang“ 637 . Gleichwohl findet<br />

sie nirgends Erwähnung im Grundgesetz. Im Verfassungstext kann nur Art. 35<br />

Abs. 2 GG der bereits erläuterte Begriff der „öffentlichen Sicherheit“ entnommen<br />

werden, welcher für die Bestimmung der inneren Sicherheit nicht<br />

abschließend heranzuziehen ist, wenngleich es eine Schnittmenge beider Begriffe<br />

gibt. Ein Beschluss des BVerfG zum Kontaktsperregesetz aus dem Jahr 1978<br />

unterstützt die verfassungsrechtliche Einordnung:<br />

„Die Sicherheit des Staates als verfaßter Friedens- und Ordnungsmacht<br />

und die von ihm zu gewährleistende Sicherheit seiner<br />

Bevölkerung sind Verfassungswerte, die mit anderen im gleichen<br />

Rang stehen und unverzichtbar sind, weil die Institution Staat von<br />

ihnen die eigentliche und letzte Rechtfertigung herleitet.“ 638<br />

Der Begriff der inneren Sicherheit bildet somit „die Kernaufgabe des Staates ab,<br />

als welche die Gewährleistung innerer Sicherheit […] unumstritten allgemein<br />

anerkannt ist“ 639 . Innere Sicherheit meint hier in erster Linie das „Vorgehen<br />

gegen alle Formen der Kriminalität, die die Ausübung von Freiheiten und Rechten<br />

bedrohen und beeinträchtigen“ 640 . Sie umfasst ebenso die Gefahrenabwehr 641<br />

und die Erhaltung des „inneren Friedens“, in der Form, gegen gewalttätige<br />

Ausschreitungen durch den Einsatz von Vollzugsorganen vorzugehen 642 . Im<br />

Ergebnis sind alle Aufgaben der Polizei, und sogar diejenigen des Verfassungsund<br />

Katastrophenschutzes, solche der inneren Sicherheit 643 . Das „Hauptorgan<br />

636<br />

637<br />

638<br />

639<br />

640<br />

641<br />

642<br />

643<br />

Zur Frage inwieweit tendenziell die Gefahr der Entwicklung hin zum Überwachungsstaat<br />

besteht: Wollmann/Otto, NK 2007, 23 ff.; Roggan, NVwZ 2001, 134 ff.;<br />

Pötters/Werkmeister, Jura 2013, 5 ff.; Papier, DVBl. 2010, 801 ff.; Bull, Vorgänge<br />

2008 (4), 11 ff.; Rath, Vorgänge 2008 (4), 79 ff.; Kilger, AnwBl. 2007,<br />

493 ff.<br />

Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, S. 42.<br />

BVerfGE 49, 24 (56 f.); vgl. hierzu auch BVerwGE 49, 202 (209).<br />

Götz, Leitgedanken des Rechts, § 41 Rn. 2.<br />

Götz, HStR IV 3, § 85 Rn. 2.<br />

Schoch, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 13. Aufl., 2. Kap., Rn. 20.<br />

Götz, HStR IV 3, § 85 Rn. 8.<br />

Götz, Leitgedanken des Rechts, § 41 Rn. 2.


§ 3 Gesteigertes Sicherheitsbedürfnis im Zuge politischer Ereignisse 129<br />

der inneren Sicherheit“ im Bundesstaat sind die Polizeien der Länder 644 . Eine<br />

Durchbrechung dieses Grundsatzes erfolgte durch den bereits erläuterten Polizeibrief<br />

der Alliierten, u.a. im Zusammenhang mit der Grenzsicherung. Die im<br />

Polizeibrief genannte Überwachung des Personen- und Güterverkehrs bei der<br />

Überschreitung der Bundesgrenzen wurde in Gestalt der Gesetzgebungskompetenz<br />

des Bundes über den Grenzschutz in Art. 73 Ziff. 5 GG a.F. aufgenommen.<br />

Die Grenzsicherung kann als „wesentliches Element“ der inneren Sicherheit<br />

bezeichnet werden 645 .<br />

Wie oben angeführt waren bereits im Jahr 1950 gewalttätige Aktionen von<br />

Angehörigen der FDJ zu verzeichnen gewesen 646 , welche über die innerdeutsche<br />

Grenze nach Westdeutschland gelangt waren. Darüber hinaus wurden auf dem<br />

Landweg „tonnenweise“ kommunistische Infiltrationsschriften nach Westdeutschland<br />

geschleust 647 . Die Sicherheit der Grenze war ebenso bedroht durch<br />

Schmuggler, Warenschieber, aber auch durch die Flucht von Kriminellen sowie<br />

durch Agenteneinschleusungen 648 . Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass<br />

an der innerdeutschen Grenze eine Bedrohung der inneren Sicherheit entstanden<br />

war.<br />

II. Äußere Sicherheit<br />

Die äußere Sicherheit umfasst im Kernbereich die militärische Landesverteidigung,<br />

wobei im weiteren Sinne auch die Bereiche der Außenpolitik und die<br />

Tätigkeit der Nachrichtendienste hinzugerechnet werden müssen 649 . Die Gewährleistung<br />

der äußeren Sicherheit ist ebenso wie die der inneren Sicherheit<br />

Staatsaufgabe 650 . Doch nur im Inneren verfügt der Staat über das Gewaltmonopol<br />

und somit über eine Garantie der Sicherheit, welche eine „Bindungskraft<br />

überhaupt erst möglich macht“ 651 . Im Bereich des Äußeren sind andere Staaten<br />

nicht dem Gewaltmonopol eines Staates unterworfen, sodass dieser „nicht in<br />

644<br />

645<br />

646<br />

647<br />

648<br />

649<br />

650<br />

651<br />

Götz, HStR IV 3, § 85 Rn. 33.<br />

Kirchleitner, in: Brenneisen, Polizeirechtsreform, S. 102.<br />

Vgl. Fn. 603.<br />

Körner, in: Sywottek, Der Kalte Krieg, S. 54.<br />

Ritter/Lapp, Die Grenze, S. 153.<br />

Oeter, Leitgedanken des Rechts, § 41 Rn. 2.<br />

Röben, Außenverfassungsrecht, S. 196; Ress, VVDStRL 48 (1990), 56 (116).<br />

Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, S. 279.


130 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

gleicher Weise für den Erfolg seiner Sicherheitsgewährleistung einstehen kann<br />

wie im Bereich der inneren Sicherheit“ 652 .<br />

Im Gegensatz zur inneren Sicherheit, welche schwerpunktmäßig nach der Tradition<br />

des deutschen föderativen Systems von den Ländern wahrgenommen wird,<br />

war es seit dem Kaiserreich Aufgabe des Bundes, die Verteidigung zu organisieren<br />

653 . Mit Inkraftsetzung des Grundgesetzes bestand zwar noch keine<br />

Wehrverfassung, aber gleichwohl das Bekenntnis zu einem System der kollektiven<br />

Sicherheit. Gemäß Art. 24 Abs. 2 GG kann sich der Bund „zur<br />

Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen“.<br />

Die Mitglieder des Parlamentarischen Rates verstanden unter dem<br />

System gegenseitiger kollektiver Sicherheit „das Weltsystem der Vereinten<br />

Nationen“ 654 . Die Verfassungsgeber waren „sich darin einig, dass die Wahrung<br />

der äußeren Sicherheit […] letztlich nur im Kontext eines Systems kollektiver<br />

Sicherheit denkbar war“ 655 .<br />

Nach Ende des zweiten Weltkrieges war die Kriegsallianz der Alliierten jedoch<br />

zerbrochen und die ideologische Frontlinie verlief durch das geteilte Deutschland.<br />

Adenauer hatte sich seit 1947 mit der Sicherheitslage Westdeutschlands<br />

„wie wohl kein anderer westdeutscher Politiker“ vertraut gemacht 656 . Im August<br />

1950 erhielt er ein von den ehemaligen Wehrmachtsgenerälen Speidel und<br />

Heusinger erstelltes Gutachten über die äußere Sicherheit der Bundesrepublik.<br />

Diesem war zu entnehmen, dass die Sowjetunion über 175 Divisionen und<br />

60.000 Panzer verfügte und „mit den in der Ostzone vorhandenen Kräften einen<br />

Stoß bis zu Atlantikküste“ hätte führen können 657 . Bis zum Jahresende 1950<br />

besaß die Sowjetunion zudem etwa dreißig funktionsfähige Atombomben <strong>658</strong> .<br />

Angesichts dieser Übermacht, besonders an konventionellen Streitkräften,<br />

bestand eine reelle Bedrohung der äußeren Sicherheit Westdeutschlands.<br />

Adenauer war sogar der Auffassung, dass ein sowjetischer Angriff auf West-<br />

652<br />

653<br />

654<br />

655<br />

656<br />

657<br />

<strong>658</strong><br />

Ebd.<br />

Vgl. Art. 63 RV; 79 Abs. 1 WRV.<br />

Der Parl. Rat, Bd. 5/II, Dok. Nr. 25, S. 543.<br />

Oeter, HStR XI 3, § 243 Rn. 2.<br />

Schwengler, in: MGFA, Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik, Bd. 4, S. 353.<br />

Denkschrift „Gedanken über die Frage der äußeren Sicherheit der Deutschen Bundesrepublik“,<br />

v. 07.08.1950, in: Speidel, Aus unserer Zeit, S. 479 f.; diese Zahl wird ebenso<br />

bestätigt durch: Garthoff, Deterrence and the Revolution in Soviet Military Doctrine,<br />

S. 70.<br />

Ross, American War Plans 1945-1950, S. 113.


§ 3 Gesteigertes Sicherheitsbedürfnis im Zuge politischer Ereignisse 131<br />

deutschland erheblichen Einfluss auf die kommunistischen Kräfte in Frankreich<br />

und Italien ausüben hätte können, was letztendlich zu einem „Sieg des Kommunismus<br />

in der Welt, auch über die Vereinigten Staaten“ geführt hätte 659 . Diese<br />

Überzeugung, dass „dies das Ziel der sowjetrussischen Politik sei“, bestimmte<br />

seine Politik 660 .<br />

Die beschriebene Bedrohungsperzeption führte zu einem „Verlangen nach<br />

Sicherheit im westlichen Bündnis- und Wirtschaftssystem“ 661 . Trotz des Fehlens<br />

einer eigenen deutschen Streitkraft befand sich Westdeutschland nach Inkraftsetzung<br />

des Grundgesetzes nicht in einer schutzlosen Lage. Die Garantie für die<br />

äußere Sicherheit und den Bestand des westdeutschen Staates übernahmen die<br />

Westalliierten durch eine abgegebene Sicherheitsgarantie:<br />

„The Allied Governments consider that their forces in Germany have<br />

in addition to their occupation duties the important role of acting as<br />

security forces for the protection and defense of the free world, including<br />

the German Federal Republic and the Western sectors of<br />

Berlin“. 662<br />

Unabhängig von der Sicherheitsgarantie der drei Westmächte bestand in der US-<br />

Administration bereits im Herbst 1949 Einvernehmen darüber, dass Westdeutschland<br />

in die kollektiven Verteidigungssysteme NATO und Brüsseler-Pakt<br />

aufgenommen werden müsse 663 . In greifbare Nähe rückte die Remilitarisierung<br />

jedoch im Gründungsjahr der Bundesrepublik nicht – die Widerstände innerhalb<br />

659<br />

660<br />

661<br />

662<br />

663<br />

Adenauer, Erinnerungen 1945-1953, S. 348.<br />

Ebd.<br />

Albert/Niedhart, in: Sywottek, Der Kalte Krieg, S. 69.<br />

Communiqué on Germany vom 19.09.1050, in: FRUS 1950, III, Western Europe,<br />

S. 1297; diese Sicherheitsgarantie wurde am 21.11.1951 bei einem Treffen der Außenminister<br />

der USA, Großbritanniens und Frankreichs bekräftigt: „The Three Powers<br />

declare that they consider the integrity of the Federal Republic and Berlin an essential<br />

element of the peace of the free world. The Three Powers reaffirm that they will treat<br />

any attack against the Federal Republic or Berlin from any quarter as an attack upon<br />

themselves and the Three Powers declare that they will maintain armed forces within<br />

the territory of the German Federal Republic and Berlin for such time as they deem necessary,<br />

having regard to their special responsibilities in Germany and the world<br />

situation“, vgl. FRUS 1951, III, Part II, S. 1603 f.<br />

Schwengler, in: MGFA, Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik, Bd. 4, S. 370.


132 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

und außerhalb Deutschlands, besonders in Frankreich, waren zu groß 664 . Aus<br />

den Memoiren Adenauers geht hervor, dass die Westbindung und Wiederbewaffnung<br />

gleichwohl seine wichtigsten politischen Ziele waren – die<br />

Wiederbewaffnung „war die Frage der […] politischen Zukunft schlechthin“ 665 .<br />

Im Übrigen wollte sich Adenauer nicht auf die Sicherheitsgarantie verlassen und<br />

war davon nicht letztlich überzeugt. In Adenauers Verständnis war es für das<br />

Bestehen eines souveränen Staates unerlässlich, dass dieser über ausreichend<br />

Machtmittel im Bereich der inneren und äußeren Sicherheit verfügte 666 . Die<br />

Sicherheitsgarantie konnte das Bedürfnis nach äußerer Sicherheit teilweise<br />

kompensieren. Jedoch hielten selbst die Westalliierten angesichts der sowjetischen<br />

Übermacht weitere Maßnahmen für die äußere Sicherheit, wie die<br />

Verlegung von weiteren Truppenteilen, für notwendig 667 .<br />

Zusammengefasst bestand im Zuge des aufkommenden Kalten Krieges, besonders<br />

nach Beginn des Korea-Krieges und angesichts der Übermacht an<br />

konventionellen Streitkräften in der sowjetischen Besatzungszone, eine Bedrohung<br />

der äußeren Sicherheit der Bundesrepublik.<br />

III. Präzedenzlose Ausnahmesituation geteiltes Deutschland<br />

Die Unterscheidung zwischen Belangen der inneren- und äußern Sicherheit<br />

gestaltete sich in Bezug auf die Sicherheit der innerdeutschen Grenze jedoch<br />

nicht unproblematisch. Das BVerfG beschrieb die Lage an der innerdeutschen<br />

Grenze als „präzedenzlose Ausnahmesituation“ 668 . Auf dem Staatsgebiet des<br />

Deutschen Reiches waren seit 1949 faktisch zwei neue Staaten entstanden. Die<br />

Regierung der Bundesrepublik erkannte die Regierung in der sowjetischen<br />

Besatzungszone nicht an und ging zu Beginn der fünfziger Jahre davon aus, dass<br />

die Bundesrepublik mit dem Deutschen Reich identisch sei, sich die Staatsgewalt<br />

jedoch nicht auf das ganze Staatsgebiet erstreckte. Die Regierung der DDR<br />

664<br />

665<br />

666<br />

667<br />

668<br />

Vgl. hierzu ausführlich: Veröffentlichungen des Instituts für Staatslehre und Politik<br />

(Hrsg.), Der Kampf um den Wehrbeitrag, Bd. 2, 1. Hbd., S. 207 ff.<br />

Adenauer, Erinnerungen 1945-1953, S. 345.<br />

Wettig, in: Thoss, Vom Kalten Krieg zur deutschen Einheit, S. 16.<br />

Adenauer, Erinnerungen 1945-1953, S. 352.<br />

Vgl. BVerfG, Az. 2 BvR 63/66 v. 15.12.1966; der Wortlaut findet sich im Schreiben<br />

des Berichterstatters, S. 1, in: AdsD, HFA III, 5/ÖTVB821015; siehe hierzu auch,<br />

S. 334 f.


§ 3 Gesteigertes Sicherheitsbedürfnis im Zuge politischer Ereignisse 133<br />

wurde nach dieser als Staatskerntheorie 669 bezeichneten Auffassung als „de<br />

facto-Regime“ betrachtet 670 . Demnach konnten die Regierung und alle Organe<br />

der DDR als „separatistisch und illegal“ angesehen werden 671 . Diese Sichtweise<br />

sollte als Ausprägung der Staatskerntheorie die Bezeichnung „Bürgerkriegstheorie“<br />

tragen 672 . Demzufolge befinde sich die Bundesrepublik in einem „kalten<br />

Bürgerkrieg“ mit dem de-facto Staat DDR 673 . Die Regierungen der Bundesrepublik<br />

und der DDR stünden sich feindlich gesinnt gegenüber. Nur die<br />

Bundesregierung könne sich demnach als de-jure Regierung des Gesamtstaates<br />

ansehen, weil sie sich auf die demokratische Legitimation der freien Wahlen<br />

stützen kann, während hingegen das Regime der DDR nur von einem anderen<br />

Staat (Sowjetunion) gestützt wird 674 . Die Regierung der DDR muss im Sinne der<br />

Bürgerkriegstheorie als „aufständisches“ Regime gesehen werden, das versucht,<br />

669<br />

670<br />

671<br />

672<br />

673<br />

674<br />

Es stellte sich nach dem zweiten Weltkrieg die Frage, ob das Deutsche Reich mit der<br />

Kapitulation untergegangen war oder ob dieses weiter fortbestand. Es lassen sich zur<br />

Bestimmung dieser Frage mehrere Theorien unterscheiden; zum einen die Untergangstheorien<br />

und zum anderen die Fortbestandstheorien. Zu den Untergangstheorien<br />

gehören die Debellationstheorie und die Dismembrationstheorie. Hans Kelsen kann als<br />

bedeutender Vertreter der Debellationstheorie genannt werden. Kelsens Ansicht nach<br />

hatte das Deutsche Reich mit Abtretung der letzten Reichsregierung aufgehört zu bestehen<br />

(„Since her unconditional surrender, at least since the abolishment of the Doenitz<br />

Government, Germany has ceased to exist as a state in the sense of international law“,<br />

vgl. Kelsen: The Legal Status of Germany According to the Declaration of Berlin, in:<br />

AJIL 1945, Nr. 39, 519). In Abgrenzung zu den Untergangstheorien stehen die Fortbestandstheorien,<br />

welche sich in verschiedene Identitätstheorien und die Teilordnungslehre<br />

untergliedern lassen. Die Identitätstheorien lassen sich in die Kongruenztheorie,<br />

die Schrumpfstaatstheorie und die Staatskerntheorie unterteilen. Die<br />

Kongruenztheorie lehrt die Deckungsgleichheit des Staatsgebietes und des Verfassungsgebietes<br />

mit der mit dem Deutschen Reich identischen Bundesrepublik. Die<br />

Schrumpfstaatstheorie (oder Kernstaatstheorie) sieht das Deutsche Reich bei Wahrung<br />

seiner rechtlichen Identität auf den Geltungsbereich des Grundgesetzes zusammengeschrumpft.<br />

Nach der Schrumpfstaatstheorie ist die DDR durch Sezession als neuer Staat<br />

entstanden. Die Teilordnungslehre (oder Dachstaatstheorie) geht davon aus, dass das<br />

Deutsche Reich fortbesteht, aber vollständig handlungsunfähig ist. Die Bundesrepublik<br />

und die DDR sind demnach Teilordnungen des fortbestehenden Deutschen Reiches; vgl.<br />

ausführlich zur Rechtslage Deutschlands nach dem zweiten Weltkrieg: Blumenwitz,<br />

Was ist Deutschland?, S. 26 ff.; Wilke, Bundesrepublik Deutschland und Deutsche Demokratische<br />

Republik, S. 52 ff.<br />

Hailbronner/Kau, in: Vitzthum, Völkerrecht, S. 222, Rn. 211.<br />

Achterberg, VVDStRL 38 (1980), 55 (70).<br />

Bleckmann, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 79.<br />

Heydte v.d., in: Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. I, S. 355.<br />

Bieberstein, Zum Problem der völkerrechtlichen Anerkennung der beiden deutschen<br />

Regierungen, S. 127.


134 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

einen Teil des Staatsgebietes „loszureißen und es zu einem selbständigen Staat<br />

zu erklären“ 675 .<br />

Im Rahmen der hier als Bundespolizei-Kontroverse 676 bezeichneten Vorgänge<br />

äußerte Adenauer in einem Memorandum über die Sicherung des Bundesgebietes,<br />

dass die zu errichtenden Polizeieinheiten des Bundes „Übergriff[e] der<br />

Volkspolizei“ 677 verhindern, bzw. gegen einen „etwaigen Angriff der Volkspolizei“<br />

678 Widerstand leisten müssten. Adenauer rechnete Angriffe aus der<br />

sowjetischen Besatzungszone durch Kräfte der Volkspolizei als Verletzung der<br />

inneren Sicherheit, während er die Bedrohung durch die sowjetischen Streitkräfte<br />

als eine Gefahr der äußeren Sicherheit ansah 679 . Zumindest für die Frühphase<br />

der Bundesrepublik wurde von der Bundesregierung die Haltung vertreten, dass<br />

es sich bei der Regierung der DDR um ein de-facto Regime handele 680 . Unter<br />

Zugrundelegung der vorgenannten Bürgerkriegstheorie und der Tatsache, dass<br />

die Bundesregierung Anfang der fünfziger Jahre die Auffassung vertrat, bei der<br />

DDR handle es sich um ein de-facto Regime, kann man, wie Adenauer, zu dem<br />

Ergebnis kommen, dass Abwehrhandlungen gegen bewaffnete Einheiten<br />

(Volkspolizei) eines nicht anerkannten de-facto Regimes als Belange der inneren<br />

Sicherheit angesehen werden können.<br />

Hiermit in Einklang steht auch die Verwendung des Begriffs „Polizeipuffer“ 681 .<br />

Dieser soll als Funktionseigenschaft für den Bundesgrenzschutz beschreiben,<br />

dass bei etwaigen Übergriffen durch die DDR-Sicherheitsorgane keine NATO-<br />

Streitkräfte eingesetzt werden müssen, was zu einem internationalen bewaffneten<br />

Konflikt hätte führen können. Die Abwehr von Angriffen von bewaffneten<br />

Sicherheitskräften aus der sowjetischen Besatzungszone sollte durch den Bundesgrenzschutz<br />

erfolgen 682 . Derartige Zwischenfälle sollten eine „innerdeutsche<br />

675<br />

676<br />

677<br />

678<br />

679<br />

680<br />

681<br />

682<br />

Ebd., S. 128.<br />

Siehe hierzu S. 139 ff.<br />

Vgl. Memorandum über die Sicherung des Bundesgebietes vom 29.08.1950, abgedruckt<br />

in: IFZ, Akten zur Auswärtigen Politik der BRD 1949/50, Dok. Nr. 113, S. 327; ebenso<br />

in: DzD II/3 (1950), Dok. Nr. 363A, S. 933 ff.; siehe hierzu auch, S. 166 ff.<br />

Adenauer, Erinnerungen 1945-1953, S. 350.<br />

Ebd., S. 358, 361, 367.<br />

Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, S. 147; Heydte/Dürig, VVDStRL 1955<br />

(Nr. 13), 6 (20); Hailbronner/Kau, in: Vitzthum, Völkerrecht, S. 222; Bleckmann,<br />

Grundgesetz und Völkerrecht, S. 83.<br />

Siehe hierzu Fn. 1437, 1438, 1643, 1752, 1858.<br />

BT-Drs. IV/3200, S. 2.


§ 3 Gesteigertes Sicherheitsbedürfnis im Zuge politischer Ereignisse 135<br />

Angelegenheit“ 683 bleiben. Gemäß Art. 5 des NATO-Vertrages wurde vereinbart,<br />

dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere Vertragsparteien als<br />

ein Angriff gegen alle angesehen würde, und dass „im Falle eines solchen<br />

bewaffneten Angriffs jede von ihnen in Ausübung des in Artikel 51 der Satzung<br />

der Vereinten Nationen anerkannten Rechts der individuellen oder kollektiven<br />

Selbstverteidigung der Partei oder den Parteien, die angegriffen werden, Beistand<br />

leistet, indem jede von ihnen unverzüglich für sich und im Zusammenwirken<br />

mit den anderen Parteien die Maßnahmen, einschließlich der<br />

Anwendung von Waffengewalt, trifft, die sie für erforderlich erachtet, um die<br />

Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten“ 684 .<br />

Unter einem bewaffneten Angriff versteht man die militärische Gewaltanwendung<br />

„einer gewissen Intensität“ 685 . Von einem bewaffneten Angriff zu<br />

unterscheiden sind Angriffshandlungen. Angriffshandlungen haben eine niedrigere<br />

Intensität und können sich in vorübergehenden „Grenzverletzungen“ und<br />

kleineren „Scharmützeln“ äußern 686 . „Schießereien an der Grenze und kleine<br />

Grenzverletzungen“ stellen keinen bewaffneten Angriff dar, welche das Selbstverteidigungsrecht<br />

aus Art. 51 der UN-Charta begründen können, auch wenn sie<br />

gleichwohl als Verstöße gegen das allgemeine Gewaltverbot aus Art. 2 Ziff. 4<br />

der UN-Charta gesehen werden müssen 687 .<br />

Unter Heranziehung dieser Auslegung kann man die Polizeipuffer-Theorie als<br />

anwendbar betrachten, solange kein bewaffneter Angriff stattfindet, sondern<br />

„nur“ Angriffshandlungen. Demnach hätten kleinere Grenzverletzungen durch<br />

die Grenztruppen der DDR durch den Bundesgrenzschutz abgewehrt werden<br />

können. Im Sinne der vorgehend erwähnten Bürgerkriegstheorie wäre die Auseinandersetzung<br />

mit Waffengewalt gegen Kräfte des de-facto Regimes DDR auf<br />

deutschem Staatsgebiet ein Bürgerkrieg. Ein Bürgerkrieg ist gekennzeichnet<br />

durch die Auseinandersetzung mit Waffengewalt gegen Abtrünnige oder Aufständische<br />

688 , was das DDR-Regime in Sinne der Bürgerkriegstheorie aus Sicht<br />

der Bundesregierung zu Beginn der fünfziger Jahre war. Der Bürgerkrieg gilt im<br />

Kriegsvölkerrecht nicht als internationaler bewaffneter Konflikt, sondern als<br />

683<br />

684<br />

685<br />

686<br />

687<br />

688<br />

Mangelsdorff, WK 1/1966, 35 (36).<br />

Art. 5 des Nordatlantikvertrags v. 04.04.1949 (BGBl. II 1955, S. 289).<br />

Bothe, in: Vitzthum, Völkerrecht, S. 656.<br />

Gareis/Varwick, Die Vereinten Nationen, S. 100.<br />

Wengler, Das völkerrechtliche Gewaltverbot, S. 14<br />

Schmidt, Humanitäres Völkerrecht, S. 20.


136 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

„nicht internationaler Konflikt“ (oder „interner Konflikt“) 689 . Ausgehend von<br />

diesen Voraussetzungen kann man den Einsatz von Einheiten des Bundesgrenzschutzes<br />

gegen die Sicherheitskräfte der DDR als den eines „Polizeipuffers“ im<br />

Bereich der inneren Sicherheit beschreiben, der nicht zu einem internationalen<br />

bewaffneten Konflikt, also einem zwischen Völkerrechtssubjekten, was die<br />

DDR aufgrund der Annahme der Bürgerkriegstheorie nicht sein konnte, führt.<br />

Die Polizeipuffer-Theorie überzeugt jedoch abschließend nicht. Dies liegt zum<br />

einen daran, dass die Grenzen zwischen einem „bewaffneten Angriff“, der das<br />

individuelle- oder kollektive Selbstverteidigungsrecht aus Art. 51 der UN-<br />

Charta begründet, und bloßen „Angriffshandlungen“ fließend sein können. Es<br />

war nicht auszuschließen, dass Angriffe durch die DDR-Grenztruppen eine<br />

Intensität hätten erreichen können, welche die Qualität eines „bewaffneten<br />

Angriffs“ dargestellt hätten. In diesem Fall wäre der Polizeipuffer wirkungslos<br />

gewesen. Zum anderen stellt sich die Frage, inwieweit die Bundesrepublik<br />

überhaupt gegen ein im Laufe der Zeit stabilisiertes de-facto Regime Gewalt<br />

anwenden hätte können, bzw. ob eine Gewaltanwendung gegen dieses Regime<br />

nicht als internationaler bewaffneter Konflikt angesehen werden hätte müssen.<br />

Hierzu ist zunächst erneut auf die völkerrechtliche Stellung der DDR einzugehen.<br />

Wie bereits erwähnt sah die Regierung der Bundesrepublik die Regierung<br />

der DDR anfänglich als illegitim an. Im Laufe der Zeit änderte sich jedoch das<br />

Selbstverständnis der DDR in Bezug auf die Teilrechtsnachfolge des Deutschen<br />

Reiches. Die Regierung der DDR ging ab Mitte der fünfziger Jahre davon aus,<br />

dass das Deutsche Reich mit der Kapitulation 1945 untergangen, die DDR mit<br />

dem überkommenen deutschen Völkerrechtssubjekt nicht identisch sei und die<br />

DDR sich nicht, wie Bundesrepublik für sich annahm, als Teilrechtsnachfolgerin<br />

des Deutschen Reiches betrachte 690 . Mit anderen Worten ging die Regierung der<br />

DDR davon aus, dass das Deutsche Reich untergegangen und die DDR 1949 als<br />

neuer Staat entstanden sei. Diese Auffassung wurde auch vom sowjetischen<br />

Staatschef Chruschtschow in der sogenannten „Zwei-Staaten-Theorie“ vertreten,<br />

nach welcher auf deutschem Boden zwei souveräne Staaten entstanden sind 691 .<br />

Hinzukommend verfestigte sich die Blockbildung im Jahr 1955 durch die Gründung<br />

des Warschauer Paktes und den Beitritt der Bundesrepublik zur NATO.<br />

689<br />

690<br />

691<br />

Lorenzmeier/Rohde, Völkerrecht, S. 194; Bothe, in: Vitzthum, Völkerrecht, S. 733.<br />

Hacker, Der Rechtsstatus Deutschlands aus der Sicht der DDR, S. 116.<br />

Vgl. hierzu Horstmeier, in: Timmermann, Die DDR in Europa, S. 72; Scholtyseck, Die<br />

Aussenpolitik der DDR, S. 13 f.


§ 3 Gesteigertes Sicherheitsbedürfnis im Zuge politischer Ereignisse 137<br />

Auch die Bundesrepublik änderte ihre Auffassung im Laufe der Zeit durch<br />

Annäherung an die DDR und die Aufgabe des Alleinvertretungsanspruches 692 .<br />

Die DDR war, unabhängig von der Anerkennung der Bundesrepublik als Staat,<br />

ein Völkerrechtssubjekt. Das BVerfG hatte hierzu 1972 ausgeführt:<br />

„Die Deutsche Demokratische Republik ist im Sinne des Völkerrechts<br />

ein Staat und als solcher Völkerrechtssubjekt. Diese Feststellung ist<br />

unabhängig von einer völkerrechtlichen Anerkennung der Deutschen<br />

Demokratischen Republik durch die Bundesrepublik Deutschland.“ 693<br />

Die DDR muss bereits vor 1972 als Völkerrechtssubjekt in der Form eines<br />

stabilisierten oder befriedeten de-facto Regimes angesehen werden 694 . Ein<br />

bewaffneter internationaler Konflikt liegt vor, wenn ein Völkerrechtssubjekt,<br />

also „eine Konfliktpartei gegen eine andere eine Waffe einsetzt“ 695 . Dies bedeutet,<br />

dass bewaffnete Abwehr- oder Angriffshandlungen einer gewissen Intensität<br />

durch den Bundesgrenzschutz gegen die zudem noch ab 1961 in die Streitkräfte<br />

der DDR eingeordneten Grenztruppen 696 in kriegsvölkerrechtlicher Hinsicht<br />

somit die Qualität eines internationalen bewaffneten Konflikts gehabt hätten.<br />

Frowein führt in Bezug auf die DDR und die oben beschriebene Bürgerkriegstheorie<br />

überzeugend aus, dass Auseinandersetzungen mit einem befriedeten defacto<br />

Regime nicht mehr als eine „Änderung des Status quo im Inneren“ betrachtet<br />

werden können, sondern vielmehr vergleichbar mit dem „Angriff auf<br />

einen fremden Staat“ seien 697 . Im Ergebnis bedeutet dies zum einen, dass der<br />

Einsatz des Bundesgrenzschutzes gegen Sicherheitskräfte eines befriedeten defacto<br />

Regimes nicht mehr nur als reiner Gegenstand der inneren Sicherheit<br />

angesehen werden kann und zum anderen, dass die Annahme der Polizeipuffertheorie<br />

mit der faktischen Stabilisierung des Regimes in der DDR, spätestens ab<br />

692<br />

693<br />

694<br />

695<br />

696<br />

697<br />

Der Durchsetzung des Alleinvertretungsanspruches sollte die „Hallstein-Doktrin“<br />

dienen (die Bundesrepublik nahm demnach keine diplomatischen Beziehungen zu Staaten<br />

auf oder brach diese ab, welche die DDR als Staat anerkannt hatten), vgl.<br />

Dauderstädt, in: Schmidt, Handbuch zur deutschen Aussenpolitik, S. 423; zur Annäherung<br />

ab 1963, bspw. durch das Passierscheinabkommen, vgl. Colschen, Deutsche<br />

Außenpolitik, S. 211 f.<br />

BVerfGE, 36, 1 (22).<br />

Vgl. hierzu auch Frowein, Das de-facto Regime im Völkerrecht, S. 13 f., 51 ff.<br />

Arnauld von, Völkerrecht, § 14 Rn. 1160.<br />

Vgl. Fn. 1489.<br />

Frowein, Das de-facto Regime im Völkerrecht, S. 53.


138 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

1961 mit der Eingliederung der Grenztruppen in die Streitkräfte der NVA, reine<br />

Fiktion war 698 .<br />

Ein lokaler Konflikt zwischen Einheiten des Bundesgrenzschutzes und bewaffneten<br />

Sicherheitskräften der sowjetischen Besatzungszone hätte andererseits<br />

nicht zwangsläufig zu einem Krieg zwischen den Blöcken und zum Auslösen<br />

des Bündnismechanismus der NATO führen müssen. Gleichwohl verdeutlicht<br />

die theoretische Dimension der Materie, dass sich die Belange der inneren wie<br />

äußeren Sicherheit in Bezug auf den Einsatz des Bundesgrenzschutzes gegen<br />

DDR-Sicherheitskräfte und die Funktion des Bundesgrenzschutzes als Garant<br />

für die Sicherheit der Grenze nicht klar trennen lassen.<br />

698<br />

So auch Teichmann, WK 5/1982, 225 (226): „Die Aufgabe des Bundesgrenzschutzes als<br />

‚Polizeipuffer‘ zwischen den Blöcken an der innerdeutschen Grenze ist spätestens 1961<br />

gegenstandslos geworden“.


§ 4 Die Bundespolizei-Kontroverse im Jahr 1949/50 139<br />

§ 4 Die Bundespolizei-Kontroverse im Jahr 1949/50<br />

A. Einleitung<br />

Ausgehend von der beschriebenen politischen Lage war es Adenauers Ziel, dem<br />

Bund eigene Polizeieinheiten zu verschaffen. Dieses Vorhaben war nur mit<br />

Zustimmung der Alliierten zu erreichen. Im Laufe des Jahres 1950 unternahm<br />

Adenauer mehrere Anläufe, um sein Ziel zu erreichen. Ab Ausbruch des Koreakrieges<br />

im Frühsommer 1950 entfaltet die Debatte um eine Bundespolizei<br />

ihren Höhepunkt. Vor dem Sommer 1950 machten die Alliierten keine Zugeständnisse,<br />

erkannten aber zunehmend, dass ohne einen Sicherheitsbeitrag<br />

Westdeutschlands der Frieden dauerhaft nicht zu sichern war. In der Thematik<br />

um einen polizeilichen Exekutivkörper auf Bundesebene spielte immer wieder<br />

die mögliche Remilitarisierung eine Rolle. Die Vorgänge um die Einrichtung<br />

einer kasernierten Polizeitruppe auf Bundesebene, hier als „Bundespolizei-<br />

Kontroverse 1949/50“ 699 bezeichnet, geben gewichtigen Aufschluss darüber, wie<br />

unsicher sich die Bundesregierung anfangs bei der rechtlichen Möglichkeit der<br />

Einrichtung einer Bundespolizeitruppe in diesem Zusammenhang war, und vor<br />

allem darüber, wie durch politische Verhandlungen der Weg des Bundesgrenzschutzes<br />

vorgeprägt wurde.<br />

Der Zeitraum, der als Errichtungsphase des Bundesgrenzschutzes bezeichnet<br />

werden kann, begann ab Herbst 1949. Seit Inkraftsetzung des Grundgesetzes bis<br />

zum Zeitraum im November 1949 sind nur wenige Bezüge zu den künftigen<br />

Anstrengungen des Bundes für eigene Vollzugskräfte herstellbar. Im Bundesarchiv<br />

befindet sich ein Schriftstück vom Mai 1949 700 , die Abschrift einer<br />

Äußerung des Bayerischen Staatsminister des Inneren, in welchem Bezug<br />

nehmend auf einen Zeitungsartikel 701 , die Errichtungsbefugnisse aus dem Poli-<br />

699<br />

700<br />

701<br />

Der Zeitraum der Ereignisse beginnt im Herbst 1949 und zieht sich bis in das Frühjahr<br />

1951 mit der Errichtung des Bundesgrenzschutzes; den Höhepunkt erlebte die Kontroverse<br />

im Jahr 1950.<br />

Abschrift einer gutachtlichen Äußerung des Bayerischen Staatsministerium des Inneren<br />

über allgemeine Organisationsfragen aus dem Mai 1949, in: BArch B 106/15701.<br />

Gemeint ist ein Bericht in der Süddeutschen Zeitung Nr. 52 vom 05.05.1949, S. 1; in<br />

diesem wurde knapp der Inhalt des Polizeibriefes mit folgendem Wortlaut wiedergegeben:<br />

„Der künftigen Bundesregierung ist es aufgrund eines dem Parlamentarischen Rat<br />

übermittelten Memorandums der drei Militärgouverneure gestattet, unverzüglich Bundesorgane<br />

zur Verfolgung von Gesetzesübertretungen bzw. Bundespolizeibehörden auf<br />

D. Parma, Installation und Konsolidierung des Bundesgrenzschutzes 1949 bis 1972,<br />

DOI 10.1007/978-3-<strong>658</strong>-<strong>10928</strong>-8_4, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2016


140 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

zeibrief kritisch und auf Kosten der Landespolizeihoheit angesehen wurden.<br />

Hinsichtlich des Polizeibriefes wurde von bayerischer Seite angemerkt, dass es<br />

sich hierbei nur um „eine Ermächtigung, nicht um eine Verpflichtung“ 702 handele<br />

und die Errichtung von Bundespolizeibehörden die „Gefahr einer<br />

unerwünschten Ausweitung […] auf Kosten der Länder“ beinhalte 703 . Bayern<br />

nahm in der Debatte um die Bundespolizei sowie während der Ausgestaltung<br />

des ersten Bundesgrenzschutzgesetzes eine Sonderrolle ein, indem es sich<br />

immer wieder vehement auf die Polizeihoheit der Länder berief und jegliche<br />

Anstrengungen des Bundes, eine eigene Polizeiexekutive zu errichten, kritisch<br />

betrachtete. Initialzündung erfuhr der Prozess um die Bildung einer Bundespolizei<br />

im November 1949, als Adenauer im Kabinett das Erfordernis von<br />

bundeseigenen Polizeikräften betonte 704 .<br />

B. Erste Rechtsfindungsphase<br />

In der Kabinettssitzung am 8. November 1949 wurde erstmals offiziell von der<br />

Errichtung einer Bundespolizei gesprochen. Dies geschah im Zusammenhang<br />

mit der Polizeihoheit im Sondergebiet Bonn. Die Bundesregierung beriet darüber,<br />

ob das Sondergebiet unter einheitliches Polizeikommando gestellt werden<br />

sollte. In diesem Zusammenhang äußerte sich Adenauer dem Kabinettsprotokoll<br />

nach wie folgt:<br />

„Es müsse angestrebt werden, das Sondergebiet der Polizeihoheit des<br />

Bundes zu unterstellen und dafür eine besondere Bundespolizei zu<br />

schaffen. Aufgrund historischer Vorgänge erläuterte der Bundeskanzler<br />

die politische Bedeutung einer eigenen Polizeihoheit und<br />

Polizeitruppe des Bundes.“ 705<br />

702<br />

703<br />

704<br />

705<br />

nachstehenden Gebieten zu bilden: 1. Überwachung des Personen- und Güteverkehrs an<br />

den Bundesgrenzen; 2. Sammlung und Verbreitung von polizeilichen Auskünften und<br />

Statistiken; […]“.<br />

Abschrift einer gutachtlichen Äußerung des Bay. StMI (Fn. 700).<br />

Ebd., S. 2.<br />

BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 1 (1949), S. 183.<br />

Ebd.; in genannter Sitzung wurde die Polizeihoheit im Sondergebiet Bonn diskutiert –<br />

für diesen Bezirk wollte Adenauer ursprünglich die Bundespolizei: „Aufgrund historischer<br />

Vorgänge erläuterte der Bundeskanzler die politische Bedeutung einer eigenen<br />

Polizeihoheit und Polizeitruppe des Bundes“.


§ 4 Die Bundespolizei-Kontroverse im Jahr 1949/50 141<br />

Dem Sitzungsprotokoll kann nicht näher entnommen werden, was Adenauer<br />

genau im Kontext zu den „historischen Vorgängen“ erläuterte. Eine Möglichkeit<br />

besteht darin, dass er Bezug zur Schutzpolizei der Länder, welche während der<br />

Weimarer Republik bestand, nahm 706 . Dies findet darin Bestätigung, dass<br />

Adenauer im Laufe des Jahres 1950 mehrfach selbst im Zusammenhang mit den<br />

gewünschten Bundespolizeikräften die Schutzpolizei in Weimar erwähnte. So<br />

bspw. gegenüber dem Hohen Kommissar François-Poncet 707 am 2. September<br />

1950, als er erklärte, die Stellung der Mitglieder der zu schaffenden „Bundesschutzpolizei“<br />

solle analog den Bestimmungen für die Schutzpolizei der<br />

Weimarer Republik geregelt sein 708 . Ebenso erwähnte Adenauer auf der Pressekonferenz<br />

vom 23. August 1950 in Zusammenhang mit der Sicherheitslage, dass<br />

er „an eine Schutzpolizei gedacht“ habe, „wie wir sie früher einmal gehabt<br />

haben“ 709 .<br />

Adenauers Ansinnen, über Polizeikräfte unter eigenem Kommando zu verfügen,<br />

ging auch auf die politische Gesamtsituation und die daraus für die Bundesrepublik<br />

resultierende Bedrohungslage zurück. Das Scheitern des Versuches, die<br />

„Überreste der letzten osteuropäischen Demokratie“ 710 in der Tschechoslowakei<br />

zu retten und direkt gegen ihn gerichtete Angriffe in Form von Aufrufen zum<br />

Sturz des „Adenauer-Regimes“ 711 durch kommunistische Extremisten verstärkten<br />

sein Bestreben, die junge Bundesrepublik mit allen Mitteln zu schützen.<br />

Seine Intentionen für eine Bundespolizei lassen sich unter den Stichworten<br />

706<br />

707<br />

708<br />

709<br />

710<br />

711<br />

Zum Gesetz über die Schutzpolizei der Länder siehe S. 39.<br />

André François-Poncet (1887-1978), Germanist, von 1931 bis 1938 französischer<br />

Botschafter in Berlin, 1949 Alliierter Hoher Kommissar Frankreichs, besonderer Einsatz<br />

für die deutsch-französische Aussöhnung, von 1949 bis 1955 französischer<br />

Botschafter in Bonn, vgl. Bock, Kulturelle Wegbereiter politischer Konfliktlösung, Mittler<br />

zwischen Deutschland und Frankreich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts,<br />

S. 233 ff.<br />

IFZ, Akten zur Auswärtigen Politik der BRD 1949/50, S. 117.<br />

DzD II/3 (1950), Dok. Nr. 109, S. 290. So auch McCloy an US-Außenminister Acheson;<br />

McCloy zufolge favorisiere Adenauer leicht bewaffnete, motorisierte Einheiten, ähnlich<br />

der Schutzpolizei in der Weimarer Republik: „he now wants well-trained motorized federal<br />

police equipped with small arms, machine guns, mortars et cetera. Along lines of<br />

Schutzpolizei under Weimar Republic“, vgl. FRUS 1950, IV, Central and Eastern Europe,<br />

S. 711.<br />

Der Spiegel 9/1948, S. 8; gemeint ist die Ernennung des Kommunisten Gottwald durch<br />

den Tschechoslowakischen Staatspräsidenten Benesch 1948, Letzterer hatte sich bis<br />

zum Schluss geweigert, Gottwald zu ernennen, sich doch schließlich dem Druck auch<br />

aus Moskau gebeugt.<br />

Schiffers, VfZ 4/1990, 590.


142 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

„Abwehr und Reserve“ klassifizieren. Auf die zersplitterten Länderpolizeien<br />

wollte er sich hierbei nicht verlassen. In seinen Memoiren legte er seinen gewonnenen<br />

Eindruck dar:<br />

„[…] die Wehrkraft unserer Polizei [war] sehr gering“ 712 .<br />

Die Entschlossenheit Adenauers, eine Bundespolizeitruppe zu errichten, war<br />

zum Zeitpunkt der Kabinettssitzung am 8. November 1949 vorhanden, denn er<br />

musste in diesen Tagen oder kurze Zeit vorher den damaligen Bundesminister<br />

der Justiz, Thomas Dehler (FDP), beauftragt haben, zu prüfen, welche rechtlichen<br />

Möglichkeiten bestanden, eine Bundespolizei zu errichten 713 . Dehler<br />

erstellte daraufhin ein Rechtsgutachten 714 , das als erstes Dokument über die<br />

verfassungsrechtliche Einordnung einer Bundespolizei gesehen werden kann.<br />

Dehler führte in dem Gutachten aus, dass das Grundgesetz „keine ausdrücklichen<br />

Bestimmungen“ enthalte, welche Aufschluss über die Errichtung einer<br />

Bundespolizei geben würden, und dass „mindestens ein Teil der Besatzungsmächte<br />

den Gedanken einer Bundespolizei ablehnte“ 715 . Jedoch legte er dar,<br />

dass der föderative Aufbau des Bundes, soweit dadurch das Machtverhältnis<br />

zwischen Ländern und Bund nicht verschoben würde, nicht grundsätzlich das<br />

Bestehen einer Bundespolizei negiere. Als mögliche Aufgaben für eine Bundespolizei<br />

nannte Dehler den Schutz der Bundeseinrichtungen und<br />

verfassungsmäßigen Organe, das Fungieren als Gegengewicht zur Ostzonenpolizei<br />

und die Spionageabwehr 716 . Dehler führt zu Art. 91 Abs. 2 GG aus:<br />

„Die letztgenannte Vorschrift [Art. 91 GG] geht – entsprechend der<br />

politischen Situation im Augenblick der Verfassungsarbeiten im Parlamentarischen<br />

Rat offenbar davon aus, dass der Bund zunächst<br />

tatsächlich keine eigene Polizei besitzt.“ 717<br />

712<br />

713<br />

714<br />

715<br />

716<br />

717<br />

Adenauer, Erinnerungen 1945-1953, S. 349.<br />

Das Rechtsgutachten selbst ist undatiert; im Protokoll über die 32. Kabinettssitzung am<br />

21.12.1949 ist allerdings angegeben, dass das Rechtsgutachten dem Bundeskanzleramt<br />

am 10.11.1949, also zwei Tage nach der erwähnten Sitzung am 08.11.1949, zugegangen<br />

ist; vgl. BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 1 (1949), S. 277, Fn. 1.<br />

Dehler, Rechtsgutachten über die Möglichkeit eine Bundespolizei aufzustellen, in:<br />

BArch B 106/15702 = Anlage D2, S. 441 ff.<br />

Ebd., S. 1.<br />

Ebd., S. 1.<br />

Ebd., S. 2.


§ 4 Die Bundespolizei-Kontroverse im Jahr 1949/50 143<br />

Das Gutachten schließt mit der Feststellung, dass „in einem bestimmten Augenblick<br />

der politischen Entwicklung, den zu bestimmen Sache der<br />

Bundesregierung ist“, die Errichtung einer Bundespolizei „zum Schutze der<br />

Verfassung“ erforderlich sein könne 718 . Die verfassungsrechtliche Verankerung<br />

für eine Bundespolizei ist dem Gutachten zufolge nur sic! in Art. 73 Ziff. 10 GG<br />

a.F. gegeben – die Möglichkeit der Errichtung über Art. 73 Ziff. 5 GG a.F. 719<br />

zieht Dehler überhaupt nicht in Betracht. Um Dehlers Argumentation nachvollziehen<br />

zu können, muss man sich vergegenwärtigen, dass nach Art. 73 Ziff. 10<br />

GG a.F. der Bund nicht nur die ausschließliche Gesetzgebung über die Zusammenarbeit<br />

des Bundes und der Länder in Sachen der Kriminalpolizei, sondern<br />

auch in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes hat. Dehler zufolge deckte<br />

die Befugnis in Bezug auf die Zusammenarbeit in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes<br />

„zweifellos auch die Bildung aller Einrichtungen, die zum<br />

wirksamen Schutz der Bundesverfassung unerlässlich sind“ 720 . Die von Dehler<br />

gestützt auf Art. 73 Ziff. 10 GG a.F. zu errichtende Bundespolizei wäre eine<br />

„Bundesverfassungsschutzpolizei“ gewesen, die zugleich auch koordinierende<br />

kriminalpolizeiliche Tätigkeiten ausgeübt hätte. Dies wäre eine unzulässige<br />

Vermischung von Nachrichtendienst und Polizei gewesen, wie sie von den<br />

Alliierten a limine in Ziff. 2 des Polizeibriefs ausdrücklich untersagt worden<br />

war 721 . Zum Zeitpunkt der Erstellung des Rechtsgutachtens war der Polizeibrief<br />

wenige Monate vorher über das Genehmigungsschreiben der Alliierten zum<br />

Grundgesetz Teil des Besatzungsrechtes geworden 722 . Das Besatzungsrecht galt<br />

neben dem deutschen Recht, überlagerte und mediatisierte dieses 723 . Deutsche<br />

Behörden waren an das Besatzungsrecht gebunden und konnten es nicht verwerfen;<br />

es unterlag allein den Grundsätzen des Völkerrechts 724 . Der deutsche<br />

718<br />

719<br />

720<br />

721<br />

722<br />

723<br />

724<br />

Ebd., S. 4.<br />

Art. 73 Ziff. 5 GG a.F.: „Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über die<br />

Einheit des Zoll- und Handelsgebietes, die Handels- und Schiffahrtsverträge, die Freizügigkeit<br />

des Warenverkehrs und den Waren- und Zahlungsverkehr mit dem Auslande<br />

einschließlich des Zoll- und Grenzschutzes“; heute inhaltsgleich mit Art. 73 Abs. 1<br />

Nr. 5 GG.<br />

Dehler, Rechtsgutachten über die Möglichkeit eine Bundespolizei aufzustellen, S. 4, in:<br />

BArch B 106/15702.<br />

Vgl. S. 62, Ziff. 2 des Polizeibriefes vom 14.04.1949: „Der Bundesregierung wird es<br />

ebenfalls gestattet, eine Stelle zur Sammlung und Verbreitung von Auskünften über<br />

umstürzlerische, gegen die Bundesregierung gerichtete Tätigkeiten einzurichten. Diese<br />

Stelle soll keine Polizeibefugnisse haben“.<br />

Vgl. S. 65.<br />

Heydte v.d., in: Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. I, S. 355.<br />

Vgl. hierzu, Funke, Umsetzungsrecht, S. 104.


144 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

Gesetzgeber konnte ebenso das Besatzungsrecht nicht eigens aufheben oder<br />

ändern, sondern nur über völkerrechtliche Verträge mit den Besatzungsmächten<br />

eine Anpassung erreichen 725 . Das Trennungsgebot aus dem Polizeibrief schreibt<br />

eine funktionelle-, institutionelle- und materiellrechtliche Trennung von Polizei<br />

und Verfassungsschutzbehörden vor. Zum Zeitpunkt von Dehlers Rechtsgutachten<br />

entfaltete es als alliiertes Besatzungsrecht uneingeschränkte Wirkung. Somit<br />

war seine damals vertretene Auffassung nicht in Einklang mit dem Trennungsgebot<br />

zu bringen, da er einer Behörde Polizeibefugnisse zugestehen wollte, die<br />

mit der Sammlung und Verbreitung von Auskünften i.S.d. Art. 73 Ziff. 10 GG<br />

a.F. betraut sein sollte. Am Rande sei hier erwähnt, dass nach Erlöschen des<br />

Besatzungsrechts und mit Inkrafttreten des Deutschlandvertrages im Jahr 1955<br />

der Polizeibrief „als alleinige Rechtsgrundlage eines verfassungsrechtlichen<br />

Trennungsgebotes nicht in Betracht“ kommt, auch wenn er als „Interpretationshilfe“<br />

zur Auslegung herangezogen werden kann 726 . Es stellt sich daher die<br />

Frage, ob das Trennungsgebot Verfassungsrang besitzt. Diese Frage ist in der<br />

Literatur breit diskutiert worden. Es überzeugt hierbei die Auffassung, dass ein<br />

verfassungsrechtliches Trennungsgebot besteht. Dies wird vor allem dadurch<br />

gestützt, dass in Art. 87 Abs. 1 GG von „Zentralstellen“ (dem Bundeskriminalamt<br />

einerseits und dem Bundesnachrichtendienst andererseits) die Rede ist, also<br />

Polizei- und Nachrichtendienste nicht in einer Stelle vereinigt sein dürfen 727 .<br />

Während der Bundesgrenzschutz und das Bundeskriminalamt über polizeiliche<br />

Befugnisse verfügen, kommt dem Bundesnachrichtendienst nur die Informationssammlung<br />

zu, was insgesamt dafür spricht, dass „der Verfassungsrang des<br />

Trennungsgebotes seine implizite Grundlage“ in Art. 87 Abs. 1 GG findet 728 .<br />

Weiterhin ist in Dehlers Gutachten von den Befugnissen zur Personenkontrolle<br />

des Bundes aus dem Polizeibrief nicht die Rede. Ebenso wurde die aufgrund des<br />

Polizeibriefs geschaffene Erweiterung des Art. 73 Ziff. 5 GG a.F. um das Wort<br />

725<br />

726<br />

727<br />

728<br />

Hofmann, Verfassungsrechtliche Perspektiven, S. 221.<br />

Ostheimer/Lange, in: Lange, Staat, Demokratie und Innere Sicherheit in Deutschland,<br />

Studien zur Inneren Sicherheit I, S. 179.<br />

Ebd.<br />

Kutscha, in: Roggan/Kutscha, Handbuch zum Recht der Inneren Sicherheit, S. 80<br />

m.w.N.; so auch: Thiel, Die „Entgrenzung“ der Gefahrenabwehr, S. 385; Kugelmann,<br />

in: Härtel, Handbuch Föderalismus, Bd. III, 2012, § 52 Rn. 58; a.A. Schmidt-<br />

Aßmann/Schoch, BesVerwR, 14. Aufl., 2. Kap., Rn. 48; Würtenberger, in: Ehlers/Fehling/Pünder,<br />

Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 3, 3. Aufl., § 69 Rn. 86; von<br />

Schenke als „nicht essentiell für den Rechtsstaat“ bezeichnet, Schenke, Polizei- und<br />

Ordnungsrecht, 7. Aufl., § 9 Rn. 444.


§ 4 Die Bundespolizei-Kontroverse im Jahr 1949/50 145<br />

„Grenzschutz“ nicht erwähnt. Dehler subsumierte die mögliche Bundespolizei<br />

dem Gutachten zu Folge nur unter Art. 73 Ziff. 10 GG a.F. Adenauer jedoch<br />

wollte eine Polizeitruppe für verschiedene, unvorhersehbare Ereignisse. Für<br />

diese Kategorien passte die Gesetzgebungskompetenz nach Art 73 Ziff. 10 GG<br />

a.F. nicht, da hier vom Verfassungsgeber nur koordinierende Aufgaben im<br />

Bereich der Kriminalpolizei und des Verfassungsschutzes, letztere unumstritten<br />

ohne das Vorhandensein von vollzugspolizeilichen Kräften, vorgesehen waren<br />

729 .<br />

Dehler suchte nur in engem Rahmen nach der Möglichkeit, eine Bundespolizei<br />

aufzustellen, da er alleinig Art. 73 Ziff. 10 GG a.F. als verfassungsrechtliche<br />

Grundlage in Betracht zog. Er untersuchte explizit, gestützt auf welche Vorschrift<br />

des Grundgesetzes überhaupt eine Bundespolizei möglicherweise<br />

erreichbar sein könnte – er war nicht beauftragt worden, ein „Gutachten über die<br />

Möglichkeit der Errichtung von Bundesgrenzschutzbehörden“ auszuarbeiten.<br />

Die Verwendung des Begriffs „Polizei“ auf Bundesebene war ohnehin, selbst<br />

bei Transferierung des Polizeibriefes, sehr sparsam 730 . Von daher kann man es<br />

als nachvollziehbar ansehen, dass in diesem Gutachten keine Subsumtion der<br />

Bundespolizei unter Art. 73 Ziff. 5 GG a.F. erfolgte. Das Gutachten kann insgesamt<br />

als wichtiger Hinweis dafür angesehen werden, dass die verfassungsrechtliche<br />

Einordnung einer Bundespolizei sowie deren mögliches<br />

Aufgabenspektrum im Jahr 1949 weitgehend unklar waren.<br />

Dehler erläuterte dem Bundeskabinett seine im Rechtsgutachten manifestierte<br />

Auffassung von einer möglichen Bundespolizei persönlich in der Sitzung vom<br />

21. Dezember 1949. Offenbar war jedoch die Resonanz verhalten, da dokumentiert<br />

ist, dass „weitere Erhebungen für erforderlich gehalten werden“ 731 . Dies<br />

korrespondiert auch mit der Schlussfolgerung, die aus der Interpretation seiner<br />

Rechtsauffassung folgt – die erste dokumentierte Möglichkeit, eine Bundespolizei<br />

über Art. 73 Ziff. 10 GG a.F. zu errichten, war aus politischer Sicht nicht<br />

optimal, da die Gesetzgebungskompetenz über das Bundeskriminalwesen und<br />

den Verfassungsschutz eindeutig keine Befugnis für den Bund enthält, kasernierte<br />

polizeiliche Vollzugskräfte vorzuhalten. Es galt, einen anderen Weg zu<br />

729<br />

730<br />

731<br />

Vgl. S. 70.<br />

Vgl. Dierske, APuZ 1971 (Beilage 8), S. 24.<br />

BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 1 (1949), S. 377.


146 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

finden, der verfassungsrechtlich konform und tatsächlich im föderalen System<br />

durchsetzbar war.<br />

Der entscheidende Anstoß zu einer Neuinterpretation der Errichtungsmöglichkeit<br />

für die Bundespolizei kam im Dezember 1949 aus dem Bundesinnenministerium.<br />

Das Generalreferat für Verfassungsangelegenheiten 732 im<br />

BMI fertigte ein Dokument mit dem Titel „Vermerk betreffend die Zulässigkeit<br />

polizeilicher Einrichtungen des Bundes“ 733 an. In diesem Dokument wird die<br />

Polizeihoheit der Länder klar herausgestellt und betont, dass Art. 91 GG die<br />

Aufstellung einer eigenen Truppenpolizei des Bundes verwehre und dem Bund<br />

lediglich die Eisenbahnpolizei als Anstaltspolizei und unter Umständen weitere<br />

bundeseigene Polizeivollzugskräfte, deren Aufgabe es sei, den Schutz von<br />

Bundesorganen zu übernehmen, zustünden. Die sonstigen, dem Bund neben der<br />

Bahnpolizei möglicherweise zustehenden Polizeikräfte, deren Aufgaben lediglich<br />

der Objektschutz sei, dürften jedoch nicht zum Schutz der<br />

verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne von Art. 91 GG herangezogen werden.<br />

Weiterhin kann dem Dokument entnommen werden, dass das bereits dargestellte<br />

Gutachten des Bundesjustizministers Dehler aus drei Gründen „erheblichen<br />

verfassungsrechtlichen Bedenken“ begegnet 734 .<br />

Erstens wird ausgeführt: „Im föderalistischen System ist die Verwaltung grundsätzlich<br />

überhaupt, aber in jedem Fall die Polizei Landessache, woran daher bis<br />

1933 niemals ein Zweifel bestanden hat.“ 735 Zweitens sei der Schutz der Bundesverfassung<br />

verwirklicht über Strafrecht und Polizei, wobei die Polizei „aber<br />

auch dann, wenn etwa Normen des Bundespolizeirechts gesetzt werden sollten,<br />

gemäß Art. 83 GG Sache der Länder“ 736 sei. Das dritte, besonders bezeichnende<br />

732<br />

733<br />

734<br />

735<br />

736<br />

Die Urheberschaft des Dokuments ist nicht abschließend geklärt, da die Unterschrift<br />

unleserlich ist; seinerzeit war Professor Arnold Köttgen Referatsleiter. Es besteht somit<br />

die Möglichkeit, dass Köttgen das Dokument unterschrieben und dem damaligen Bundesinnenminister<br />

Heinemann zugeleitet hatte, welcher ebenso auf dem Dokument<br />

gegenzeichnete, vgl. BArch B 106 AHM, Organisationsunterlagen; Köttgens Urheberschaft<br />

wird auch bestätigt durch ein weiteres Dokument, in welchem von einem<br />

„Gutachten von Herrn Prof. Dr. Köttgen vom 20.12.1949“ die Rede ist, vgl. Schreiben I<br />

C 1, v. 16.02.1950, in: BArch B 106/15701, fol. 16.<br />

Vermerk betr. die Zulässigkeit polizeilicher Einrichtungen des Bundes des Referates<br />

I A 1 vom 20.12.1949, in: BArch B 106/15701 = Anlage D3, S. 445 ff.<br />

Ebd., S. 6.<br />

Ebd.<br />

Ebd.


§ 4 Die Bundespolizei-Kontroverse im Jahr 1949/50 147<br />

Argument bezieht sich auf den Bundesgrenzschutz. Es besagt: „Wenn seitens<br />

des Bundes ein ‚Gegengewicht zur Ostzonenpolizei’ gebildet werden soll, so<br />

wäre dies höchstens über den Bundesgrenzschutz denkbar, der als solcher dann<br />

im Unterschied zu der binnenländischen Polizei eine Außensicherung zu bieten<br />

hätte.“ 737 . Eine weitere erwähnenswerte Feststellung wird in Bezug auf die<br />

Bundesgrenzschutzbehörden in Art. 87 GG erwähnt:<br />

„Die Funktion der Bundesgrenzschutzbehörden des Art. 87 GG ist<br />

nicht völlig eindeutig. Entgegen dem strengen Wortlaut könnten hierunter<br />

uniformierte Grenzpolizeikräfte verstanden werden, die als<br />

solche der Exekutive des Zoll an die Seite treten würden. Anderenfalls<br />

würden durch Art. 87 GG lediglich Bundesverwaltungsbehörden zugestanden<br />

worden sein, die als solche keinen Außendienst an der<br />

Grenze übernehmen könnten.“ 738<br />

Sowie das Rechtsgutachten des Bundesjustizministers Dehler als ein erstes<br />

wichtiges Dokument der Bundesregierung über die Errichtung einer Bundespolizei<br />

gesehen werden kann, stellt der Vermerk des Bundesinnenministeriums die<br />

noch im Gutachten des BMJ fehlende verfassungsrechtliche Verknüpfung<br />

zwischen Bundespolizei und der Gesetzgebungskompetenz über den Grenzschutz<br />

her. Das Referat für Verfassungsangelegenheiten hatte erkannt, dass die<br />

Errichtung einer Bundesexekutive nicht über Art. 73 Ziff. 10 GG a.F. erreichbar,<br />

sondern allenfalls über Art. 73 Ziff. 5 GG a.F. durchsetzbar sein könnte.<br />

Gleichwohl wird auf die Auslegungsproblematik in Art. 87 GG hingewiesen.<br />

Neben Dehler und Köttgen äußerte sich auch noch Max Hagemann 739 , der<br />

spätere Präsident des Bundeskriminalamtes, zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit<br />

einer Bundespolizei. In einem internen Schreiben mit dem Titel<br />

„Unzuträglichkeiten infolge des Fehlens einer bundeseigenen Polizei“ machte<br />

737<br />

738<br />

739<br />

Ebd.<br />

Ebd., S. 4.<br />

Max Hagemann (1883-1968), Jurist, Angehöriger der Berliner Polizei von 1920 bis<br />

1930, ab 1927 Leiter der Berliner Kriminalpolizei, von 1930 bis 1945 Lehrbeauftragter<br />

an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin für Kriminologie, 1949 bis 1951 Bundesministerium<br />

des Inneren, 1951/52 Präsident des Bundeskriminalamtes, vgl. Wirth,<br />

Kriminalistik-Lexikon, S. 270.


148 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

Hagemann auf die polizeiliche Situation in Bonn aufmerksam 740 . Die Märsche<br />

der Ostflüchtlinge 741 auf Bonn sowie eine Sternfahrt 742 der Kraftfahrzeughalter<br />

hätten gezeigt, dass die Polizeiorganisation in Bonn unzureichend sei. Die<br />

Bundesregierung sei bei derartigen Ereignissen immer auf die Polizei des Landes<br />

Nordrhein-Westfalen angewiesen, habe selbst keine eigenen Machtmittel<br />

und im Übrigen stünden der „Einrichtung einer bundeseigenen Polizei erhebliche<br />

verfassungsrechtliche Bedenken entgegen“ 743 . Zwar sei es zu keinen<br />

Störungen der öffentlichen Ordnung bei den genannten Ereignissen gekommen<br />

744 , gleichwohl seien derartige Ereignisse geeignet, eine erhebliche Störung<br />

hervorzurufen, auf die reagiert werden müsse. Zu diesem Zweck unterbreitete<br />

Hagemann einen exponierten Vorschlag. Es sei zu erwägen, „ob man nicht im<br />

Einvernehmen mit der Regierung des Landes Nordrhein-Westfalen aus Bonn<br />

und Umgebung eine Enklave im Land Nordrhein-Westfalen schüfe mit Unterstellung<br />

unter einen besonderen Chef der Polizei, der den Herrn Bundeskanzler<br />

unterstellt ist und seien Weisungen zu folgen hätte“ 745 . Es kann bezweifelt<br />

werden, ob das Land Nordrhein-Westfalen für einen derartigen Vorschlag<br />

zugänglich gewesen wäre. Hagemann ergänzte in einem weiteren Schreiben mit<br />

dem Titel „Resümee für eine Unterrichtung des Bundeskanzlers betreffs Unzuträglichkeiten<br />

infolge Fehlens einer bundeseigenen Polizei“ seine Ausführungen<br />

740<br />

741<br />

742<br />

743<br />

744<br />

745<br />

Schreiben Hagemanns an den Leiter der Abteilung I im BMI, v. 18.02.1950, in: BArch<br />

B 106/15701.<br />

Am 30.11.1949 marschierten 52 Flüchtlinge der SBZ von Uelzen nach Bonn, um sich<br />

beim damaligen Bundesminister für Angelegenheiten der Vertriebenen Lukaschek über<br />

die Aufnahmebedingungen zu beklagen. Zudem richteten die Flüchtlinge ein persönliches<br />

Schreiben an Adenauer, um auf die Missstände aufmerksam zu machen, vgl.<br />

Kraushaar, Die Protest-Chronik, Bd. 1, S. 137; das Protestschreiben im Original ist abgedruckt<br />

bei: Heidemeyer, Flucht und Zuwanderung aus der SBZ/DDR, S. 95.<br />

Sternfahrt des Verkehrsgewerbes am 10.0.1950 nach Bonn, um während der 37. Sitzung<br />

des Bundestages gegen die Erhöhung der Benzinpreise zu protestieren, vgl. BArch, Die<br />

Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 2 (1950), S. 195.<br />

Schreiben Hagemann (Fn. 740), Ziff. I, S. 1.<br />

Die Sternfahrt habe sich „diszipliniert und genau in Übereinstimmung mit den Anordnungen<br />

der Polizei abgewickelt“, vgl. Rademacher (FDP), in: BT-Prot. vom<br />

10.02.1950, 37. Sitzung, S. 1235C. Der Flüchtlingsmarsch verlief ebenso ohne Störungen;<br />

Lukaschek empfing sogar die Flüchtlinge und nahm ein Protestschreiben (siehe<br />

hierzu auch Fn. 741) für Adenauer entgegen, vgl. BArch, Die Kabinettsprotokolle der<br />

BReg, Bd. 1 (1949), S. 196.<br />

Schreiben Hagemann (Fn. 740), Ziff. 3, S. 2.


§ 4 Die Bundespolizei-Kontroverse im Jahr 1949/50 149<br />

über eine Bundespolizei 746 . Wie bereits in seinem ersten Schreiben stellte er fest,<br />

dass erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Einrichtung einer<br />

Bundespolizei bestünden. Das Grundgesetz habe ausdrücklich nur in Bezug auf<br />

das Bundeskriminalamt und den Verfassungsschutz polizeiliche Einrichtungen<br />

des Bundes vorgesehen. Erwähnenswert ist Hagemanns weitere Feststellung,<br />

dass es „strittig“ sei, ob die in Art. 87 GG genannten Bundesgrenzschutzbehörden<br />

„eine bundeseigene Polizeiexekutive einrichten können“ 747 . In gleichem<br />

Sinne hatte sich bereits Köttgen in seinem Rechtsgutachten geäußert 748 .<br />

Hagemann wollte jedoch die Errichtung von Bundespolizeikräften dennoch auf<br />

Art. 87 GG stützen. Diese könnten zwar nicht den Bundesgrenzschutzbehörden<br />

nachgegliedert werden, jedoch seien bundeseigene Polizeikräfte im Rahmen der<br />

Anstaltspolizei „für alle Anstalten und Einrichtungen des Bundes“ zulässig, „die<br />

nach Auffassung der zuständigen Bundesinstanzen eines eigenen Polizeiapparates<br />

bedürfen“ 749 . Das „Recht der polizeilichen Selbstverteidigung“ sei von jeher<br />

anerkannt und die Kompetenz des Bundes zur Schaffung von bundeseigenen<br />

Polizeikräften ergebe sich „aus der Natur der Sache, ohne dass sie ausdrücklich<br />

im Grundgesetz hätte erwähnt zu werden brauchen“ 750 .<br />

Das von Hagemann angeführte Institut der Anstaltspolizei lässt sich in drei<br />

Bedeutungen unterteilen. Zum einen soll die Anstaltspolizei ein Abwehrrecht<br />

der Verwaltungseinrichtungen (Anstalten 751 ) beinhalten, durch welches diese<br />

mit den zur Verfügung stehenden Mitteln Störungen auch zwangsweise beseitigen<br />

dürfen 752 . Hierbei soll die Anstaltspolizei nicht auf bestimmte Anstalten<br />

beschränkt sein, „sondern gilt für alle staatlichen ‚Veranstaltungen‘, praktisch<br />

also die gesamte Staatstätigkeit“ 753 . Dies hätte zur Folge, dass jede staatliche<br />

Einrichtung Störungen ohne Berufung auf eine besondere gesetzliche Ermächti-<br />

746<br />

747<br />

748<br />

749<br />

750<br />

751<br />

752<br />

753<br />

Schreiben Hagemann „Resümee für eine Unterrichtung des Bundeskanzlers betreffs<br />

Unzuträglichkeiten infolge Fehlens einer bundeseigenen Polizei“, v. 03.03.1950, in:<br />

BArch B 106/15701, fol. 33-40.<br />

Ebd., Ziff. I, S. 1.<br />

Siehe S. 147.<br />

Schreiben Hagemann (Fn. 746), Ziff. I, S. 1.<br />

Ebd., Ziff. I, S. 2.<br />

Otto Meyer definierte die öffentliche Anstalt wie folgt: „Die öffentliche Anstalt ist ein<br />

Bestand von Mitteln, sächlichen und persönlichen, welche in der Hand eines Trägers öffentlicher<br />

Verwaltung einem besonderen öffentlichen Zwecke dauernd zu dienen<br />

bestimmt ist“, vgl. Meyer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. II, 3.Aufl., S. 268.<br />

Oldiges, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 3, 3. Aufl., § 74<br />

Rn. 108.<br />

Frühling, Das Hausrecht öffentlicher Einrichtungen, S. 103.


150 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

gung auch mithilfe von Zwang beseitigen könnte. Die zweite Bedeutung versteht<br />

unter der Anstaltspolizei die „Verpflichtung der Polizeibehörden“ zum<br />

Schutz der öffentlichen Anstalten nach den „Grundsätzen der Gefahrenabwehr<br />

einzuschreiten“ 754 . Die dritte Bedeutung meint die „Durchsetzungsbefugnis für<br />

Anordnungen im Rahmen der Anstaltsgewalt“, also die Befugnis, erlassene<br />

Anordnungen ohne Hilfe der Polizei durchsetzen zu können 755 . Zuerst Gesagtes<br />

stellt die herrschende Bedeutung dar.<br />

Hagemann führte, wie in seinem ersten Schreiben, auf mehreren weiter Seiten<br />

aus, dass es aufgrund der Gefahren, wie möglichen Zusammenrottungen oder<br />

sonstigen Aufständen, unerlässlich sei, „für einen erhöhten polizeilichen Schutz<br />

zu sorgen, der unmittelbar von der Bundesregierung eingesetzt und gelenkt<br />

werden kann“ 756 . Hagemann war jedoch nicht alleine der Auffassung, dass man<br />

aufgrund der Anstaltspolizei im Sinne der vorstehend zuerst genannten Bedeutung<br />

bundeseigene Polizeikräfte errichten könne. Köttgen äußerte sich nahezu<br />

wortgleich in einem weiteren Schreiben zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit<br />

von bundeseigenen Polizeikräften 757 . Ebenso wie Hagemann will er die Errichtung<br />

von „bundeseigenen Polizeiexekutivkräften“ gestützt auf Art. 87 GG „im<br />

Rahmen einer Anstaltspolizei“ sehen 758 .<br />

Hagemanns und Köttgens Versuch, die Basis für eine Bundespolizei in der<br />

Anstaltspolizei sehen zu wollen, greift jedoch ins Leere. Das Instrument der<br />

Preußischen Anstaltspolizei war seit „jeher umstritten“ 759 . Es ist grundsätzlich<br />

fraglich, inwieweit sich für den Bund Polizeigewalt eo ipso aus dem überkommenen<br />

Institut der Anstaltspolizei konstruieren lässt, wenn der Verfassungsgeber<br />

die Polizeihoheit klar den Ländern zukommen lassen wollte.<br />

Zutreffend stellte Frühling in diesem Zusammenhang fest, dass spätestens seit<br />

„Inkrafttreten des Grundgesetzes und dem darin besonders betonten Rechtsstaatsgedanken“<br />

das Argument, dass „derartige Machtbefugnisse“, wie sie sich<br />

aus der Anstaltspolizei ergeben, einer gesetzlichen Grundlage bedürfen 760 . Somit<br />

754<br />

755<br />

756<br />

757<br />

758<br />

759<br />

760<br />

Ebd., S. 104.<br />

Ebd.<br />

Ebd., Ziff. III, S. 6.<br />

Schreiben Köttgen „Verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer bundeseigenen Polizeiexekutive“,<br />

v. 13.02.1950, in: BArch B 106/15701, fol. 19.<br />

Ebd., Ziff. III, S. 2.<br />

Frühling, Das Hausrecht öffentlicher Einrichtungen, S. 105.<br />

Ebd.


§ 4 Die Bundespolizei-Kontroverse im Jahr 1949/50 151<br />

ist das Institut der Anstaltspolizei grundsätzlich abzulehnen 761 . Die Ablehnung<br />

oder zumindest kritische Betrachtung des Instituts der Anstaltspolizei ist darüber<br />

hinaus kein Faktum, das erst nach 1949 nach entsprungen ist, sondern bereits<br />

noch zur Geltung der RV 1871 abgelehnt wurde. Überzeugend stellte Waldecker<br />

im Jahr 1915 umfassend dar, dass in einem Rechtsstaat das „Allheilmittel“<br />

Anstaltspolizei für alle staatlichen Bedürfnisse abzulehnen sei 762 . In einem<br />

Rechtsstaat könne sich Recht nur aus geltenden Gesetzen ableiten und das<br />

Institut der Anstaltspolizei lasse sich auf keine Rechtsgrundlage zurückführen.<br />

Durch die Anstaltspolizei suche man eine „juristische Rechtfertigung des Polizeibegriffs“<br />

763 . Es müsse sich dagegen gewehrt werden, dass „über das positive<br />

Recht hinweg“ 764 auf „konstruktivem Wege“ 765 das Institut der Anstaltspolizei<br />

als juristischer Begriff eingeführt werde.<br />

Zusammenfassend lässt sich bis hierhin feststellen, dass die Bundesadministration<br />

bis Anfang 1950 keine überzeugende Rechtsgrundlage zur Errichtung einer<br />

Bundespolizei gefunden hatte. Von entscheidender Wichtigkeit ist zudem die<br />

Feststellung, dass der Impuls, der von Adenauer an die Administration zur<br />

Prüfung einer Rechtsgrundlage für eine Bundespolizei ausging, implizierte, dass<br />

diese zum Schutz der Bundeshauptstadt verwendet werden sollte 766 . Dehler,<br />

Köttgen und Hagemann setzten den Schwerpunkt darauf, bundeseigene Polizeikräfte<br />

zum Schutz der Bundesorgane zu verwenden. Adenauer dachte jedoch in<br />

einer anderen Größenordnung. Er plante die Aufstellung von kasernierten Bundespolizeikontingenten,<br />

deren Mannstärke über die einer Objektschutztruppe für<br />

die Bundeseinrichtungen in Bonn hinausging 767 . Lediglich die vom Referat I A<br />

nebenbei erwähnte Feststellung im Gutachten vom 20. Dezember 1949, dass,<br />

insofern ein „Gegengewicht gegen die Ostzonenpolizei“ 768 gebildet werden<br />

sollte, dies über den Bundesgrenzschutz „denkbar“ wäre, trifft Adenauers Vor-<br />

761<br />

762<br />

763<br />

764<br />

765<br />

766<br />

767<br />

768<br />

Ebd.; ebenso ablehnend gegenüber dem Instrument der Anstaltspolizei: Greifeld, DÖV<br />

1981, 906 ff.; Pieroth, Störung, Streik und Aussperrung an der Hochschule, S. 278:<br />

„Die ‚Anstaltspolizei‘ ist ein unter dem Grundgesetz überholtes Institut“.<br />

Waldecker, Die Anstaltspolizei, in: Annalen des Deutschen Reiches 1915, S. 353;<br />

kritisch auch: Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 496; Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung<br />

und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 278.<br />

Waldecker (Fn. 762), S. 293.<br />

Ebd., S. 352.<br />

Ebd., S. 353.<br />

Vgl. Adenauers Ausführungen in der Kabinettssitzung v. 08.11.1949, S. 140.<br />

Vgl. hierzu Adenauers Ausführungen im Rahmen einer Pressekonferenz, Fn. 709.<br />

Vgl. S. 146.


152 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

stellung von einer weitreichenden Reaktion auf die von den Kräften in der SBZ<br />

ausgehenden abstrakten Bedrohungslage.<br />

Am 22. März 1950 hatte Adenauer eine Unterredung mit dem Hohen Kommissar<br />

der Alliierten, André François-Poncet. Adenauer sprach in dieser Sitzung<br />

von „einer kleinen Sehnsucht“ zur Errichtung einer „Reichsexekutive“ 769 .<br />

François-Poncet erklärte in diesem Zusammenhang, dass der „Grenzschutzdienst<br />

als Bundesorgan anerkannt werden kann“ und die Bundesregierung<br />

diesem Organ Befehle erteilen könne 770 .<br />

Die Formulierung, dass die „Bundesregierung diesem Organ Befehle erteilen<br />

könne“ wirft Zweifel auf, ob die Alliierten nach Art. 87 Abs. 1 GG bundeseigene<br />

Polizeivollzugskräfte als grundsätzlich zulässig erachteten. Auch im<br />

vorstehend angeführten Dokument des Bundesinnenministeriums vom 20.<br />

Dezember 1949 waren noch Zweifel enthalten, ob Art. 87 GG eigene Bundespolizeikräfte<br />

zulasse, oder ob hiernach lediglich eine organisatorische Verwaltungszuständigkeit<br />

ohne nachgeordneten Vollzugsbereich gemeint sei 771 . Die<br />

Formulierung der Alliierten spricht zwar dafür, dass diese im konkret diskutierten<br />

Fall ein Weisungsrecht des Bundes annahmen, aber nicht per se dafür, dass<br />

die Alliierten eine originäre Verwaltungszuständigkeit des Bundes für die Einrichtung<br />

von Grenzschutzbehörden mit polizeilichen Exekutivkräften i.S.v. Art.<br />

87 Abs. 1 GG annahmen.<br />

C. Erste Initiativphase der Bundesregierung<br />

Auf die Rechtsfindungsphase folgte ab dem Jahresbeginn 1950 der hier als<br />

„erste Initiativphase der Bundesregierung“ bezeichnete Fortgang der Ereignisse<br />

um die Bundespolizei. Wohl in Rückbesinnung auf den eigenen Vermerk über<br />

die mögliche Rechtsgrundlage einer Bundespolizei legte das BMI am 24. Februar<br />

1950 der AHK den Entwurf einer „Verordnung über den Zoll- und<br />

Grenzschutz“ vor, der eine in Hundertschaften zusammengefasste Kasernierung<br />

der bundeseigenen, noch zu errichtenden Grenzschutzeinheiten mit dem Zoll<br />

769<br />

770<br />

771<br />

AA, Akten zur Auswärtigen Politik der BRD, Adenauer und die Hohen Kommissare<br />

1949-1951, Bd. I, S. 154.<br />

Ebd., S. 155.<br />

Vgl. S. 147.


§ 4 Die Bundespolizei-Kontroverse im Jahr 1949/50 153<br />

vorsah 772 . Einen Tag später, am 25. Februar 1950, fand daraufhin eine Unterredung<br />

zwischen Staatssekretär Ritter von Lex, Abteilungsleiter Hans Egidi und<br />

den Vertretern der Alliierten Hohen Kommission unter dem Vorsitz von General<br />

George Hays statt. Ein Haupttagesordnungspunkt der Sitzung waren die Belange<br />

der inneren Sicherheit und die Errichtung von Bundespolizeibehörden. Dem<br />

Vorschlag vom 24. Februar 1950, Kräfte des Zollgrenzschutzes zu kasernieren,<br />

stimmten die Vertreter der AHK unter der Voraussetzung zu, dass diese Kräfte<br />

„lediglich den Schutz einer Grenze wahrzunehmen hätten und dass eine Verwendung<br />

dieser Gruppen für die Sicherung der Ordnung im Inneren nicht in<br />

Frage komme“ 773 . Weiterhin stellte Ritter von Lex die Forderung „nach einem<br />

besonderen, der Bundesregierung unmittelbar unterstehendem Polizeikontingent<br />

für die Bundeshauptstadt“ 774 . Die alliierten Vertreter konnten dem jedoch nicht<br />

zustimmen und sahen als einzige mögliche Lösung, dass mit dem Land Nordrhein-Westfalen<br />

ein Abkommen getroffen werde, wonach dieses seine<br />

Polizeikräfte im Raum Bonn verstärke. Die Befehlsgewalt über die Polizeikräfte<br />

im Bereich Bonn müsse aber in jedem Fall bei dem Innenministerium des Landes<br />

verbleiben. Der Vorstoß der Vertreter des BMI kann als ein erster Versuch<br />

angesehen werden, von der AHK die Zustimmung zu einer Bundespolizei zu<br />

erhalten.<br />

Adenauer war nach der Sternfahrt der Kraftfahrzeughalter und dem Flüchtlingsmarsch<br />

auf Bonn entschlossener denn je, eine Bundespolizei aufzustellen.<br />

Der Schutz der Bundeshauptstadt war ihm besonders wichtig. In der Kabinettssitzung<br />

vom 9. Februar 1950 äußerte er sich missbilligend gegenüber der<br />

Sternfahrt der Kraftfahrzeughalter, die gegen eine Erhöhung der Benzinpreise<br />

protestiert hatten. Adenauer erklärte, dass es sich hierbei um „Treibstoffvergeudung<br />

und um eine Gefährdung des Verkehrs“ handele 775 . Er sei weiterhin der<br />

Ansicht, dass man diese Demonstration verhindern müsse und merkte an, er<br />

werde ein entsprechendes Telegramm an den Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

schicken. Insofern die Landespolizei in dieser Angelegenheit<br />

versage, sei dies ein „Beweis für die Notwendigkeit, der Bundesregierung<br />

entsprechende Machtbefugnisse in die Hand zu geben“ 776 . Zwar verlief die<br />

772<br />

773<br />

774<br />

775<br />

776<br />

Dierske, APuZ 1971 (Beilage 8), S. 36.<br />

IFZ, Akten zur Auswärtigen Politik der BRD 1949/50, Dok. 37, S. 96.<br />

Ebd., S. 95.<br />

BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 2 (1950), S. 195.<br />

Ebd.


154 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

Sternfahrt weitgehend friedlich und ohne polizeiliche Störungen 777 , dennoch<br />

erklärte Adenauer, dass die Sternfahrt gezeigt habe, „dass die Bundesregierung<br />

nicht ohne Polizei auskomme“ 778 .<br />

Nachdem seit der Unterredung zwischen Adenauer und François-Poncet im<br />

März 1949 und zwischen den Vertretern des BMI und General Hays keine<br />

nennenswerten Ereignisse im Zusammenhang mit der geplanten Errichtung der<br />

Bundespolizei stattgefunden hatten, unternahm Adenauer selbst am 28. April<br />

1950 einen ersten politischen Anlauf. Unabhängig von der Frage nach der<br />

verfassungsrechtlichen Basis, wäre eine Bundespolizeitruppe nicht ohne abschließende<br />

Bewilligung der Alliierten erreichbar gewesen. So richtete<br />

Adenauer ein Schreiben an den geschäftsführenden Vorsitzenden der Alliierten<br />

Hohen Kommission, Brian H. Robertson 779 , mit der erstmalig konkretisierten<br />

Forderung von deutscher Seite, eine Bundespolizei zu errichten. Adenauer<br />

führte in dem Schreiben aus, dass der Bund auf lange Sicht nur bestehen könne,<br />

wenn er über eine eigene Exekutivtruppe verfüge, und dass die Bundesregierung<br />

die Errichtung einer „Bundespolizei“ als absolut notwendig erachte 780 .<br />

Die Stärke der aufzustellenden Bundespolizei sollte 25.000 Mann betragen,<br />

welche u.a. für den Schutz der Verfassungsorgane in Bonn und für mögliche<br />

Unruhen und Aufstände zuständig sein sollte („act in the case of a major threat<br />

to public order beyond the control of the Land Police Forces“) 781 . Bezug zu<br />

einer Ermächtigungsgrundlage für die Aufstellung der Bundespolizei im Grundgesetz<br />

nannte Adenauer nicht. Er erwähnte in dem Brief nur, dass die Errichtung<br />

der Bundespolizei in keiner Weise die Polizeihoheit der Länder beschneiden<br />

solle und die Abgrenzung zu den Landespolizeien klar herauszustellen sei („the<br />

establishment of a Federal Police is not intended in any way to affect the autho-<br />

777<br />

778<br />

779<br />

780<br />

781<br />

Vgl. Fn. 744.<br />

Die Neue Zeitung (Amerikanische Zeitung in Deutschland), 6. Jg., Nr. 37 v.<br />

13.02.1950, S. 1.<br />

Brian Hubert Robertson (1896-1974), Eintritt in die britische Armee 1914, Generalmajor,<br />

Britischer Militärgouverneur und Oberbefehlshaber der britischen Besatzungstruppen<br />

in Deutschland, Britischer Hochkommissar in der Bundesrepublik von 1949 bis<br />

1950, vgl. Der Parl. Rat, Bd. 2, S. X.<br />

Das Schreiben ist in englischer Sprache verfasst: „In the long run a Federal State can<br />

only maintain itself if it commands an instrument for the execution of its will. […] The<br />

Federal Government therefore considers the establishment of a Federal Police Force to<br />

be an absolute necessity.“; vgl. DzD II/3 (1950), Dok. Nr. 268, S. 716.<br />

Ebd.


§ 4 Die Bundespolizei-Kontroverse im Jahr 1949/50 155<br />

rity of either the State or the Communal Police Forces“) 782 . Weiterhin hatte<br />

Adenauer im genannten Schreiben gefordert, dass der von den Alliierten suspendierte<br />

Art. 91 GG wieder in Kraft gesetzt werden solle.<br />

Adenauers Ziel war es, mit seinem Schreiben die Notwendigkeit einer Bundespolizei<br />

herauszustellen und die Alliierten dafür zu gewinnen. Auf welche<br />

verfassungsrechtliche Ermächtigung letztlich die Bundespolizei hätte gestützt<br />

werden sollen, war in dieser politischen Initiativphase augenscheinlich zweitrangig,<br />

da er in seinem Schreiben hierzu auch keinen Vorschlag machte.<br />

Die offizielle Antwort auf das Schreiben Adenauers vom 28. April 1950 wurde<br />

erst am 28. Juli 1950 der Bundesregierung übersandt 783 ; dennoch unterstrich<br />

Adenauer, bevor er eine Reaktion auf sein Schreiben vom April erhielt, am 15.<br />

Juli 1950 seine Forderungen in dem „Memorandum der Bundesregierung über<br />

Sofortmaßnahmen im Falle einer sowjetischen Invasion Westdeutschlands“ 784 .<br />

Wie auch im ersten Schreiben stellte er die Bedrohungslage für Westdeutschland<br />

dar und führte aus, dass im Invasionsfall eine „Bundesgendarmerie“ bestehen<br />

müsse 785 . Hierzu bat er die Alliierten, seinen Antrag vom 28. April zur Errichtung<br />

einer Bundespolizei beschleunigt und wohlwollend zu behandeln. Im<br />

Vergleich zu seinem ersten Gesuch ist nennenswert, dass Adenauer dort die<br />

erstrebte Bundesexekutive klar als Bundespolizei bezeichnete und hier als<br />

„Bundesgendarmerie“. Die Alliierten bezeichneten seinen nicht klaren Terminus<br />

während der Bundespolizei-Kontroverse später als „confusing proposals“ 786 .<br />

Die Alliierte Hohe Kommission trat bereits am 4. Mai 1950 nach Erhalt von<br />

Adenauers erstem Schreiben vom 28. April zu Beratungen zusammen. Ein<br />

Ergebnis wurde jedoch nicht beschlossen, da weder die USA noch Großbritannien<br />

eine klare Position beziehen konnten. Die Franzosen allerdings legten<br />

sogleich Widerspruch gegen Adenauers Vorschlag ein und wollten höchstens<br />

782<br />

783<br />

784<br />

785<br />

786<br />

Ebd., S. 717.<br />

Eine detaillierte Erläuterung erfolgt an der systematisch geeigneteren Stelle der zeitlichen<br />

Abfolge der Ereignisse; siehe S. 162.<br />

Memorandum der Bundesregierung über Sofortmaßnahmen im Falle einer sowjetischen<br />

Invasion Westdeutschlands, v. 15.07.1950, in: DzD II/3 (1950), Dok. Nr. 343, S. 874 ff.<br />

Ziff. 11 des Memorandums, in: DzD II/3 (1950), Dok. Nr. 343, S. 877.<br />

Siehe S. 170 („confusing series of proposals for a large Federal police force“).


156 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

eine, auf das Gebiet Bonn beschränkte, Schutzpolizeitruppe zulassen 787 . Aufschlussreich<br />

an der Haltung der Franzosen zu dieser Zeit ist, dass diese zwar der<br />

Bundesregierung nach Art. 87 GG Exekutivbefugnisse, zumindest im Zusammenhang<br />

mit Art. 87 GG, erteilen wollten 788 , aber keine Bundespolizei nach den<br />

von Adenauer im Schreiben vom 28. April geäußerten Vorstellungen. Diese<br />

Haltung der Franzosen klassifiziert hier die gegenüber den anderen Westalliierten<br />

differenzierte Sicht der Sicherheitsbelange in Deutschland. Die Franzosen<br />

sahen ihr eigenes Sicherheitsbedürfnis, auch vor Westdeutschland, anfänglich<br />

immer vor einer Lastenteilung in Sicherheitsfragen mit der jungen Bundesrepublik<br />

789 . Aus diesem Grund wurde bereits das Vorhaben der Errichtung einer<br />

Bundespolizei von den Franzosen kritisch betrachtet. Die französische Seite<br />

könne sich die „Idee einer Bundespolizei“ nicht zu eigen machen, sowohl „aus<br />

verfassungsrechtlichen, als auch aus politischen Gründen“ 790 . Weiterhin zeigt<br />

die Haltung der Franzosen, dass diese offenbar bereits in dem frühen Stadium<br />

der Planung zwischen Bundesgrenzschutz und Bundespolizei bzw. dem Zweck<br />

der Organisationen, also entweder reine Grenzpolizei oder polizeiliche Nottruppe,<br />

unterscheiden konnten, während hingegen Adenauers Bestrebungen so<br />

gedeutet werden können, dass er zu dieser Zeit nur ein Ziel verfolgte und versuchte,<br />

das maximal Erreichbare herauszuholen, ohne auf Namensgebung oder<br />

verfassungsrechtliche Verankerung der von ihm geforderten Bundespolizei<br />

näher einzugehen.<br />

Die erste Reaktion auf Adenauers primäre Forderung vom 28. April ist in der<br />

Empfehlung der Alliierten Hohen Kommissare zur Aufstellung einer Bundespolizei<br />

vom 11. Mai 1950 dokumentiert. Dieses Dokument ging Adenauer nicht<br />

direkt zu, sondern war ein gemeinsamer Vorschlag der Hohen Kommissare an<br />

ihre Regierungen zum weiteren Vorgehen in der Sache westdeutsche Bundespolizei.<br />

In dieser Empfehlung war die Rede davon, dass unterschiedliche<br />

Auffassungen über die Größe und abschließende Beschaffenheit der Bundespolizei<br />

bestanden, aber Adenauer durchaus begründete Argumente für die<br />

Errichtung von Sicherheitskräften des Bundes darlegte („the High Commissio-<br />

787<br />

788<br />

789<br />

790<br />

FRUS 1950, IV, Central and Eastern Europe, S. 684: „[…] willingness however to<br />

consider small protective police force restricted to Bonn enclave under direct federal<br />

control“.<br />

Vgl. Gespräch Adenauer - François-Poncet, S. 152.<br />

Schubert von, Wiederbewaffnung und Westintegration, S. 34.<br />

Protokoll der Unterredung mit einem Angehörigen des Stabes des französischen Hochkommissars<br />

vom 10.07.1950, S. 1, in: BArch B 106/15701.


§ 4 Die Bundespolizei-Kontroverse im Jahr 1949/50 157<br />

ners do feel that he [Adenauer] has presented a reasonable case for the formation<br />

of some force to protect the Federal Government, uphold its prestige, and maintain<br />

order in the event of any serious trouble“) 791 . Für den Schutz der<br />

Bundesregierung und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung schlugen<br />

die Kommissare vor, 5.000 Mann zu bewilligen. Dennoch müsse die Beschaffenheit<br />

und Organisation einer solchen Truppe sorgfältig betrachtet („careful<br />

consideration“) werden 792 . Ebenso sollte dieser Polizeitruppe ein der Aufgabe<br />

angemessener Name verliehen werden („a name which is appropriate to its<br />

role“) – die Alliierte Hohe Kommission schlug daher die Bezeichnung „Republican<br />

Guard“ vor 793 . Weiterhin wurden Bedenken darüber angeführt, welche<br />

Befugnisse eine solche Truppe haben solle und wo die Abgrenzung zur Landespolizei<br />

sei. In diesem Sinn endet die Empfehlung der Hohen Kommissare mit<br />

dem Hinweis an ihre Regierungen, dass diese Angelegenheit als vereinte gewissenhafte<br />

Entscheidung unter gegenwärtigen Bedingungen transportiert werden<br />

solle und nicht als Zugeständnis an eine deutsche Forderung („to present this<br />

matter as an allied decision made as an act of wisdom in the present circumstances<br />

and not as a concession to any German request“) 794 . Auch die<br />

Außenminister der Westalliierten, denen der vorgenannte Vorschlag der AHK<br />

zugegangen war, konnten sich in einer am 12. Mai 1950 stattfindenden Sitzung<br />

in London nicht klar zu den Forderungen Adenauers positionieren oder abschließend<br />

über die Empfehlungen der Kommissare urteilen. Vielmehr wollten<br />

die Minister diese hochheikle Angelegenheit mit ihren Regierungschefs diskutieren<br />

(„wished to consult President Truman“) und weitere Fakten einholen 795 .<br />

Die erste Reaktionsphase der Alliierten verlief insgesamt betrachtet nüchtern<br />

und ohne greifbares Ergebnis für Adenauer. Lediglich das westdeutsche Sicherheitsbedürfnis,<br />

das Adenauer in seinen Schreiben vom 28. April und 15. Juli<br />

formulierte, wurde von der AHK als weitgehend begründet anerkannt.<br />

791<br />

792<br />

793<br />

794<br />

795<br />

DzD II/3 (1950), Dok. Nr. 294, S. 761.<br />

Ebd.<br />

Ebd., S. 762.<br />

Ebd., S. 763.<br />

FRUS 1950, IV, Central and Eastern Europe, S. 686; DzD II/3 (1950), Item IX, S. 778.


158 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

D. Zweite Rechtsfindungsphase<br />

Zwischen der Reaktion der Alliierten auf die beiden ersten Initiativen<br />

Adenauers, versuchte die Bundesregierung, in einem hier als „zweite Rechtsfindungsphase“<br />

bezeichneten Zeitraum, die rechtliche Errichtungsmöglichkeit einer<br />

Bundespolizei zu konkretisieren, nachdem man in der ersten Rechtsfindungsphase<br />

lediglich zu dem Ergebnis gekommen war, dass eine Bundespolizei im<br />

Sinne Adenauers nicht über Art. 73 Ziff. 10 GG a.F. zu errichten war, sondern<br />

allenfalls nach Art. 73 Ziff. 5 GG a.F. In der Kabinettssitzung vom 9. Juni 1950<br />

wurden erstmals mehrere verschiedene Möglichkeiten diskutiert, wie eine<br />

Bundespolizei konkret errichtet werden hätte können 796 .<br />

Zum ersten wurde vorgeschlagen, eine „Bundespolizeitruppe“ für den Bereich<br />

Bonn zum Regierungsschutz einzurichten; aber hiergegen hegte das Land Nordrhein-Westfalen<br />

im Hinblick auf seine Polizeihoheit Bedenken 797 . Zweitens<br />

käme die Übertragung der Aufgabe des polizeilichen Grenzschutzes an die<br />

Zollverwaltung in Frage, jedoch war das Bundesfinanzministerium hierzu nicht<br />

bereit gewesen. Der damalige Bundesinnenminister Gustav Heinemann, der die<br />

Debatte um die Bundespolizei in dieser Sitzung leitete, legte als weitere, in<br />

seinen Augen einzige Möglichkeit dar, dass die Aufstellung einer Bundespolizei<br />

nur durch eine Vereinbarung mit den Ländern erreicht werden könne. Seiner<br />

Auffassung nach würden jedoch die Länder einem solchen Abkommen ihre<br />

Zustimmung verweigern. Im Übrigen könnten gegen eine Bundespolizei „verfassungsrechtliche<br />

Bedenken“ geltend gemacht werden 798 .<br />

In dieser Unterredung über die Errichtungsmöglichkeiten wurde ausschließlich<br />

praktisch und ergebnisorientiert gedacht. Eine dezidierte Auseinandersetzung<br />

mit den verfassungsrechtlichen Möglichkeiten, wie in der ersten Rechtsfindungsphase,<br />

fand nicht statt. Erst als mehrere Abgeordnete der CSU am 13. Juni<br />

1950 eine schriftliche Anfrage an die Bundesregierung stellten, ob diese die<br />

Bildung einer Bundespolizei mit dem Grundgesetz für vereinbar halte 799 , kon-<br />

796<br />

797<br />

798<br />

799<br />

BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 2 (1950), S. 443.<br />

Ebd.<br />

Ebd.<br />

Vgl. BT-Drs. I/1045, Ziff. 2: „Hält die Bundesregierung die Bildung einer Bundespolizei<br />

mit dem Grundgesetz für vereinbar? Wenn ja, wie will sie diese Rechtsauffassung<br />

begründen? Wenn nein, will sie eine Änderung des Grundgesetzes herbeiführen und<br />

welchen Inhalt soll die Änderung haben?“.


§ 4 Die Bundespolizei-Kontroverse im Jahr 1949/50 159<br />

kretisierten sich die Möglichkeiten der Bundesregierung endgültig, wie eine<br />

Bundespolizei zu erreichen war.<br />

Das BMI bereitete auf die Anfrage der CSU eine Antwort vor, die nachfolgend<br />

als Memorandum vom 20. Juli 1950 erläutert wird. Knapp einen Monat vorher,<br />

am 19. Juni 1950, erstellte die Unterabteilung I A im BMI ein Dokument mit<br />

dem Titel „Verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer bundeseigenen Exekutive“<br />

800 , welches zwar keinen Bezug auf die Anfrage der CSU nahm, jedoch für<br />

die Betrachtung der Gesamtmaterie von Bedeutung ist. Das Dokument wurde<br />

vom kommissarischen Leiter der Unterabteilung I A (Verfassung und Staatsrecht)<br />

Wilhelm von Nathusius 801 verfasst. Nathusius untersucht, auf welcher<br />

verfassungsrechtlichen Grundlage eine Bundespolizei errichtet werden könne.<br />

Einleitend stellt er fest, dass die „Wahrnehmung von Polizeiaufgaben im hergebrachten<br />

Sinn“ nicht Aufgabe des Bundes sei 802 . Dieser habe allerdings die<br />

Aufgabe, gemäß Art. 28 Abs. 3 GG „den Bestand der Bundesrepublik […] zu<br />

erhalten“ 803 . In Art. 28 Abs. 3 GG will Nathusius „die sedes materiae für die<br />

Zulässigkeit der Bundespolizei“ sehen 804 . Der Bund müsse gewährleisten können,<br />

dass die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Bestimmungen des<br />

Art. 28 Abs. 1, 2 GG entspreche. Dass in Art. 37 und 91 GG keine eigenen<br />

Bundespolizeikräfte genannt seien, sei kein Hindernis, da diese Vorschriften<br />

„nicht eine erschöpfende Regelung der dem Bund zur Wahrung einer verfassungsmäßigen<br />

Ordnung […] zur Verfügung stehenden Mittel“ bedeuteten 805 .<br />

Besitze der Bund keine entsprechenden Machtmittel wie eine Bundespolizei, so<br />

könne er seine Gewährleistungspflichten zur Wahrung einer verfassungsmäßigen<br />

Ordnung nicht erfüllen. Die Aufstellung einer Bundespolizei sei „ein Akt<br />

der Organisationsgewalt“, der „rein rechtlich betrachtet […] ein Gesetz für die<br />

Errichtung der Bundespolizei nicht erforderlich“ mache 806 . Zudem könne die<br />

Bundespolizei auch für diejenigen Polizeiaufgaben eingesetzt werden, für die<br />

800<br />

801<br />

802<br />

803<br />

804<br />

805<br />

806<br />

Abschrift des Vermerkes vom 19.06.1950, „Verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer<br />

bundeseigenen Exekutive“, in: BArch B 106/15702.<br />

Wilhelm von Nathusius (1893-1952), Verwaltungsjurist, Regierungsrat in Preußen, ab<br />

1946 Abteilungsleiter im Hessischen Landwirtschaftsministerium, ab Januar 1950<br />

kommissarische Leitung der Unterabteilung für Verfassung und Staatsrecht im BMI,<br />

vgl. BBAW, Die Protokolle des Preußischen Staatsministeriums, Bd. 12/II, S. 650.<br />

Vermerk über die Zulässigkeit einer bundeseigenen Exekutive (Fn. 800), S. 1.<br />

Ebd.<br />

Ebd., S. 2.<br />

Ebd., S. 4.<br />

Ebd.


160 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

der Bund ohnehin eine ausdrückliche Zuständigkeit besitze, „z.B. Bundeskriminalamt,<br />

Grenzschutz“ 807 .<br />

Nathusius‘ Auffassung kann als extensiv beschrieben werden, da er die Bestimmungen<br />

der Art. 28 Abs. 3, Art. 37 und Art. 91 GG besonders weit auslegte. In<br />

Bezug auf Art. 28 Abs. 3 GG verkennt er, dass die Gewährleistungsmittel des<br />

Bundes ausschließlich die Bundesgesetzgebung, die Bundesaufsicht (Art. 85<br />

Abs. IV, Art. 108 Abs. 3 GG) und die Bundesintervention (Art. 35 Abs. 2, Art.<br />

87a Abs. 3, Art. 91 GG) sind und Art. 28 Abs. 3 GG keine Befugnis zur Errichtung<br />

von Polizeikräften gibt 808 . Weiterhin ist die Feststellung unzutreffend, dass<br />

Art. 91 GG den Bund nicht dahingehend beschränke, dass ihm keine eigenen<br />

Polizeikräfte zustünden. In den Verhandlungen des Parlamentarischen Rates war<br />

klar erkennbar, dass der Bund im besonderen Fall des Art. 91 GG ausschließlich<br />

Zugriff auf die Polizeikräfte der Länder haben, aber keine eigenen Machtmittel<br />

in Form von kasernierten Polizeikontingenten besitzen sollte 809 . Schließlich<br />

wäre Nathusius Vorschlag, dass die Bundespolizei auch für Aufgaben des<br />

Bundeskriminalamtes und des Bundesgrenzschutzes herangezogen werden<br />

könnte, eine Funktionsvermischung, die schwer in Einklang mit der in Art. 87<br />

Abs. 1 GG genannten Behördenorganisation zu bringen wäre. Nathusius Vermerk<br />

über die Zulässigkeit einer Bundespolizei stellt das letzte Dokument dar, in<br />

welchem der Versuch unternommen wurde, eine verfassungsrechtliche Grundlage<br />

für die Bundespolizei außerhalb von Art. 73 Ziff. 5 i.V.m. Art. 87 Abs. 1 GG<br />

zu finden.<br />

Im nachfolgenden Memorandum, das Bezug nimmt auf die Anfrage der CSU,<br />

konkretisieren sich die Vorschläge, wie auf realistischem und verfassungskonformen<br />

Weg polizeiliche Vollzugskräfte des Bundes errichtet werden können. In<br />

dem Memorandum „zur vorgeschlagenen Beantwortung der Anfrage Nr. 87“ 810<br />

vom 20. Juli 1950 wurde gründlich auf die „verfassungsrechtliche Zulässigkeit<br />

einer bundeseigenen Exekutive“ und die „Möglichkeiten, die Frage der Aufstellung<br />

einer Bundespolizei zu lösen“ eingegangen 811 . Das Memorandum sieht vier<br />

807<br />

808<br />

809<br />

810<br />

811<br />

Ebd.<br />

Leisner, in: Sodan, GG, Art. 28 Rn. 27.<br />

Vgl. hierzu die Ausführungen auf S. 70 ff.<br />

Gemeint ist hiermit die BT-Drs. I/1045; die offizielle Antwort des Bundeskanzlers auf<br />

die Anfrage erfolgte jedoch erst am 12.03.1951, vgl. BT-Drs. I/2052.<br />

Memorandum zu der vorgeschlagenen Beantwortung der Anfrage Nr. 87, in: BArch<br />

B 106/14337.


§ 4 Die Bundespolizei-Kontroverse im Jahr 1949/50 161<br />

verschiedene Lösungswege vor, wie eine Bundespolizei hätte errichtet werden<br />

können 812 :<br />

1. Der Zollgrenzdienst übernimmt im Bundesgebiet die grenzpolizeilichen<br />

Funktionen und wird hierzu durch einfaches Bundesgesetz zur Bundesgrenzschutzbehörde<br />

gemäß Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG erklärt.<br />

2. Der Bund errichtet einen eigenen Bundesgrenzschutz nach Art. 87 Abs. 1<br />

S. 3 GG, der reine grenzpolizeiliche Aufgaben wahrnehmen soll, etwa<br />

20.000 Mann umfasst und teilweise in Reserveeinheiten zusammengefasst<br />

ist. Ausdrücklich ist die Errichtungsmöglichkeit mit dem Hinweis versehen,<br />

dass der Bundesgrenzschutz nicht auch für „sicherheitspolizeiliche<br />

Aufgaben im Inneren des Bundesgebietes verwendet werden kann“ 813 .<br />

3. Der Bund errichtet eine „Bundesbereitschaft“ 814 , der keine laufenden polizeilichen<br />

Aufgaben zukommen. Lediglich im Notstandsfall gemäß Art 91<br />

GG würde diese für den Bund aktiviert. Diese Lösung wäre nur durch<br />

Vereinbarung mit den Ländern zu erreichen, da das GG keine ausdrückliche<br />

Ermächtigungsgrundlage hierzu enthält.<br />

4. Die Länder errichten im „Auftrag des Bundes Landesbereitschaften“ 815 ,<br />

welche dem Bund im Falle des Notstandes zur Verfügung stehen. Ebenso<br />

wie die dritte Möglichkeit wäre dies mangels Ermächtigung im GG nur<br />

über eine Vereinbarung mit den Ländern zu erreichen.<br />

Dieses Memorandum kann, ergänzend zu den ersten beiden Rechtsgutachten aus<br />

dem Jahr 1949, als wichtiges historisches Dokument in der rechthistorischen<br />

Bundespolizeientwicklung angesehen werden. Hier wird schriftlich dargelegt<br />

und in Betracht gezogen, dass durch einfaches Gesetz Bundesgrenzschutzbehörden<br />

eingerichtet werden können. Ebenso ist der vierte Vorschlag<br />

richtungsweisend. Die Errichtung der Bereitschaftspolizei auf Länderebene<br />

wurde wenig später im Sinne dieses Vorschlages vollzogen. Die Bereitschaftspolizei<br />

der Länder 816 bildet heute einen wichtigen Grundpfeiler in der<br />

812<br />

813<br />

814<br />

815<br />

816<br />

Ebd., S. 7.<br />

Ebd., S. 8.<br />

Ebd.<br />

Ebd., S. 9.<br />

Jedes Bundesland unterhält im Rahmen der Gliederung seiner Polizeikräfte Bereitschaftspolizeieinheiten.<br />

Zu den Aufgaben der Bereitschaftspolizei gehören vor allem die<br />

Unterstützung der anderen Teile der Polizei, Großlagen und auch die Ausbildung neuer<br />

Polizeibeamten (vgl. Art. 6 POG BY, § 70 PolG BW, § 93 HSOG). Die Errichtung der


162 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

Sicherheitsarchitektur – auch wenn die Errichtung in genanntem Memorandum<br />

ausschließlich zu dem Zweck des Notstandes nach Art. 91 GG erfolgen sollte,<br />

während hingegen dies jetzt bei der Aufgabenwahrnehmung der Bereitschaftspolizei<br />

eine durchweg untergeordnete Rolle spielt 817 . In Bezug auf die<br />

Bundespolizei-Kontroverse kann der zweiten Rechtsfindungsphase entnommen<br />

werden, dass aus verfassungsrechtlicher Sicht als Rechtsgrundlage, die nicht auf<br />

einer Vereinbarung mit den Ländern beruhen sollte, für eine Bundespolizei nur<br />

Art. 73 Ziff. 5, 87 GG a.F. in Frage kommen kann, wie dies bereits schon im<br />

Dezember 1949 vorsichtig vom BMI formuliert worden war 818 .<br />

E. Erste Reaktionsphase der Alliierten<br />

Präsident Truman autorisierte am 24. Juli 1950 die offizielle Antwort der Alliierten<br />

auf Adenauers Initiativschreiben vom 28. April 1950, welche dem<br />

Bundeskanzler wenige Tage später am 28. Juli übermittelt wurde 819 . In dieser<br />

Note drückte die AHK aus, dass sie die Errichtung einer Bundespolizei nicht<br />

gutheißen könne („unable to authorize the formation of a federal police<br />

force“) 820 . Jedoch erlaubten die Alliierten die Aufstellung von mobilen Formationen<br />

auf Länderebene von insgesamt 10.000 Mann, welche im Notstandsfall der<br />

Bundesregierung zur Verfügung stehen würden. Hierzu notwendig war die<br />

817<br />

818<br />

819<br />

820<br />

Bereitschaftspolizei in den Ländern geht zurück auf die Forderung der Bundesregierung,<br />

dass die Länder für den Notstandsfall i.S.d. Art. 91 GG Kräfte bereithalten sollen,<br />

auf welche die Bundesregierung im Bedarfsfall Zugriff hat, vgl. hierzu auch S. 172. Erstes<br />

Verwaltungsabkommen v. 27.10.1950, in: GVBl. SH 1951, S. 106;<br />

Verwaltungsabkommen über die Bereitschaftspolizei zwischen der Bundesrepublik<br />

Deutschland und dem Land Brandenburg v. 01.04.1998, in: ABl. BB, 14/98 S. 414;<br />

Verwaltungsabkommen über die Bereitschaftspolizei zwischen der Bundesrepublik<br />

Deutschland und dem Saarland v. 01.12.1997. in: GMBl. SL 1998,<br />

S. 24; Verwaltungsabkommen über die Bereitschaftspolizei zwischen der Bundesrepublik<br />

Deutschland und dem Land Nordrhein-Westfalen v. 26.05.2004, in: MBl. NRW<br />

2004, S. 612.<br />

Hauptaufgaben der Bereitschaftspolizei sind die Bewältigung von polizeilichen Großlagen,<br />

die Unterstützung des polizeilichen Einzeldienstes, die Bereitstellung spezieller<br />

technischer und personeller Ressourcen und die polizeiliche Ausbildung, vgl. Groß, in:<br />

Lange (Hrsg.), Wörterbuch zur Inneren Sicherheit, S. 195.<br />

Siehe S. 146.<br />

Vgl. DzD II/3 (1950), Dok. Nr. 348, S. 891.<br />

Abschrift der Note vom 28.07.1950, in: BArch B 106/15702; englisches Original in:<br />

FRUS 1950, IV, Central and Eastern Europe, S. 701 (deutsche Übersetzung = Anlage<br />

D4, S. 448).


§ 4 Die Bundespolizei-Kontroverse im Jahr 1949/50 163<br />

Aufhebung der Suspendierung von Art. 91 Abs. 2 GG 821 , welche in der Note<br />

ebenfalls vollzogen wurde. Adenauer hatte zwar mit seiner ersten wichtigen<br />

Initiative vom 28. April 1950 somit keine Zustimmung zu einer Bundespolizei<br />

erreichen können, jedoch immerhin das Zugeständnis, dass der außer Kraft<br />

gesetzte Art. 91 Abs. 2 GG wieder Geltung entfaltete. Ebenfalls war nun die<br />

Bildung einer Bereitschaftspolizei auf Landesebene möglich.<br />

Die erste Reaktionsphase der Alliierten brachte der jungen Bundesrepublik<br />

durchaus einen Gewinn in Sicherheitsfragen, aber keinen greifbaren Fortschritt<br />

in Bezug auf eine Bundespolizei. Der Vollständigkeit halber muss jedoch erwähnt<br />

werden, dass am 4. August 1950 eine geheime Besprechung 822 zwischen<br />

der AHK und deutschen Regierungsvertretern stattfand, in welcher die Alliierten<br />

trotz der vorausgegangenen ablehnenden Note eine Bundespolizei in Höhe von<br />

500 Mann zubilligten. Der Vertreter der US-amerikanischen Seite, Hays 823 ,<br />

führte hierzu aus:<br />

„Wir ermächtigen Sie, die 500 Mann aus der Grenzpolizei abzuzweigen<br />

und wir werden eine Erhöhung der Grenzpolizei um dieselbe Zahl<br />

erlauben. In Wahrheit werden Sie also eine Bundespolizei von 500<br />

Mann haben, allerdings unter dem Namen ‚Grenzpolizei‘.“ 824<br />

Die Bedeutung dieser aus der offiziellen Grundhaltung der Alliierten ausbrechenden<br />

Erklärung bedarf der näheren Erläuterung. Bereits einen Tag vor Hays<br />

Aussage zu der 500 Mann starken Bundespolizei kann einem geheimen Vermerk<br />

des BMI vom 3. August 1950 entnommen werden, dass einer mündlichen Erklärung<br />

der AHK zufolge die Bundesregierung mit eigenen Polizeikräften in Höhe<br />

821<br />

822<br />

823<br />

824<br />

Nach Art. 91 Abs. 2 GG kann die Bundesregierung die Polizei in einem Land und die<br />

Polizeikräfte anderer Länder ihrer Weisung unterstellen, insofern eine drohende Gefahr<br />

für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder<br />

eines Landes vorliegt.<br />

Besprechung mit der AHK am 04.08.1950 in der Villa Deichmann, anwesend von<br />

alliierte Seite: Hays (Vertreter des amerikanischen Hochkommissars), Steel (Vertreter<br />

des englischen Hochkommissars), Bérard (Vertreter des französischen Hochkommissars),<br />

Egidi, Hagemann, Bargatzky (Vertreter des BMI).<br />

George Price Hays (1892-1957), Generalleutnant der US-Armee, von 1947 bis 1949<br />

stellvertretender Militärgouverneur in Deutschland, von 1949 bis 1952 stellvertretender<br />

Hoher Kommissar für die USA, vgl. Der Parl. Rat, Bd. 8, S. XIII.<br />

Niederschrift der Besprechung vom 04.08.1950, S. 12, in: BArch B 106/14337.


164 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

von 500 Mann ausgestattet werden soll 825 . Diese Polizeikräfte sollten in Bonn<br />

stationiert werden. Weiterhin ist vermerkt, dass die Bundesregierung von der<br />

Annahme ausging, die Zahl dieser „Bundespolizeieinheit baldigst erhöhen“ zu<br />

können 826 . Aus den Akten geht nicht hervor, wer von alliierter Seite aus diese<br />

mündliche Erklärung gegenüber der Bundesregierung bereits zu einem früheren<br />

Zeitpunkt abgegeben hat. Jedoch sind Hinweise vorhanden, die darauf schließen<br />

lassen, dass die Alliierten bereits im Juni 1950 erwogen, der Bundesregierung<br />

eigene Polizeikräfte für den Raum Bonn zu genehmigen. François-Poncet<br />

eröffnete Adenauer in einer Unterredung am 8. Juni 1950, dass die Alliierten<br />

sich wohl bereitfinden würden, „eine Polizei in Höhe von 5000 Mann für die<br />

Bundeshauptstadt zu genehmigen“ 827 . Nicht abschließend geklärt ist weiterhin,<br />

warum von der AHK am 4. August anstelle der von François-Poncet in Aussicht<br />

gestellten 5000 Mann nur 500 erlaubt wurden. Adenauer echauffierte sich<br />

diesbezüglich am 9. August 1950 über die von Hays abgegebene Erklärung. Die<br />

Zahl 500 sei „lächerlich“ 828 . Neben François-Poncet habe ihm auch General<br />

Robertson „ausdrücklich zugesichert, dass schon zu Anfang 5000 Bundespolizisten<br />

bewilligt“ würden 829 . Gleichwohl blieb die AHK bei der genehmigten<br />

Stärke von 500 Mann. Weiterhin stellt sich die Frage, warum Hays bei Abgabe<br />

seiner Erklärung von „Grenzpolizei“ spricht. Eine Möglichkeit besteht darin,<br />

dass den Alliierten aufgrund des Polizeibriefs und der verfassungsrechtlichen<br />

Lage klar war, dass eine Bundespolizei allenfalls unter Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG<br />

zu subsumieren wäre. Näherliegend ist jedoch, dass die Bezeichnung „Grenzpolizei“<br />

in Konnex zum Zollgrenzdienst des Bundesministeriums der Finanzen<br />

gesehen werden muss. Hays legte dar, dass die 500 Mann für die Bundespolizei<br />

aus der „Grenzpolizei“ abzuzweigen seien, welche im gleichen Zug um dieselbe<br />

Zahl erhöht werden könne 830 . In betreffender Sitzung bat der britische Vertreter<br />

825<br />

826<br />

827<br />

828<br />

829<br />

830<br />

Geheime Abschrift einer Aufzeichnung zu Art. 91 GG vom 03.08.1950, S. 3, in: BArch<br />

B 106/14337: „Mündlichen Erklärungen der AHK ist zu entnehmen, dass die Bundesregierung<br />

mit einem eigenen Polizeikontingent in Höhe von 500 Mann ausgestattet<br />

werden soll. Die Bundesregierung beabsichtigt, diese Formation nicht aus den Polizeikräften<br />

des Landes NRW, sondern in der Hauptsache aus neuen Bewerbern<br />

zusammenzustellen“.<br />

Ebd.<br />

IFZ, Akten zur Auswärtigen Politik der BRD 1949/50, Dok. 69, S. 174.<br />

Protokoll der Unterredung zwischen Bargatzky und Adenauer in Bürgenstock/Schweiz<br />

vom 09.08.1950, S. 4, in: BArch B 106/14337.<br />

Ebd., S. 5.<br />

Niederschrift der Besprechung vom 04.08.1950, S. 12, in: BArch B 106/14337.


§ 4 Die Bundespolizei-Kontroverse im Jahr 1949/50 165<br />

Christopher Steel 831 , die „Abzweigung möglichst nicht aus den Ländern Niedersachsen<br />

und Schleswig-Holstein vorzunehmen, da dort Mangel“ bestünde 832 .<br />

Absolute Klarheit, dass es sich bei den abzuzweigenden Kräften nicht um Beamte<br />

der Landesgrenzpolizei, sondern um Kräfte des Zollgrenzdienstes handeln<br />

muss, ergibt sich aus einem Dokument des BMI, das ein Jahr nach der genannten<br />

Besprechung angefertigt wurde. Dort ist vermerkt, dass Steel den<br />

„Grenzschutz“ in Niedersachsen und Schleswig-Holstein wegen des dort bestehenden<br />

Personalmangels von der Abzweigung für die Bundespolizei<br />

ausgenommen wissen wollte 833 . Zur Zeit der Erklärung von Hays im August<br />

1950 war der Bundesgrenzschutz noch nicht errichtet. So können mit diesen<br />

„Grenzschutz“-Kräften nur diejenigen Vollzugsbeamten des Zollgrenzdienstes<br />

des Bundesfinanzministeriums gemeint sein, welche im Jahr 1950 bundesweit<br />

etwa 15.000 Mann umfassten 834 . Weiterhin ist vermerkt, dass die Länder über<br />

die 500-Mann Bundespolizei nicht in Kenntnis gesetzt worden sind und auch<br />

kein Anlass bestünde, diese Angelegenheit gegenüber den Ländern anzuschneiden<br />

835 . Letzteres spricht ebenso für die Annahme, dass die 500 Mann<br />

Bundespolizei sich zunächst aus den Kräften des Zollgrenzdienstes rekrutieren<br />

sollte, denn eine „Abzweigung“ von Kräften der Landesgrenzpolizei zur 500<br />

Mann Bundespolizei, ohne das betreffende Land in Kenntnis zu setzen, wäre<br />

wohl schwer denkbar. An dieser Stelle sei angemerkt, dass es für die Zeit vor<br />

der Errichtung des Bundesgrenzschutzes nicht ungewöhnlich war, dass in Zusammenhang<br />

mit der angestrebten Bundespolizei unterschiedliche Termi-<br />

831<br />

832<br />

833<br />

834<br />

835<br />

Christopher Steel (1903-1973), seit 1927 im britischen diplomatischen Dienst, 1945-<br />

1949 Leiter der Politischen Abteilung der Alliierten Kontrollkommission für Deutschland<br />

(brit. Zone) und Politischer Berater des Militärgouverneurs der britischen<br />

Besatzungszone, 1949-1950 Stellvertreter des britischen Hohen Kommissars in<br />

Deutschland, nach anschließenden Stationen in Washington und bei der NATO 1956-<br />

1963 britischer Botschafter in der Bundesrepublik, vgl. BArch, Die Kabinettsprotokolle<br />

der BReg, Bd. 3 (1950), Wortprotokolle, Dok. Nr. 12, S. 76, Fn. 3.<br />

Niederschrift vom 04.08.1950 (Fn. 830), S. 13. Dafür, dass es sich hierbei um die Kräfte<br />

des Zollgrenzschutzes handeln muss, spricht auch die Forderung von Ritter von Lex im<br />

Februar 1950 den Zollgrenzdienst in der britischen Zone um 1300 Beamte zu erhöhen,<br />

da dort Personalmangel herrsche, vgl. IFZ, Akten zur Auswärtigen Politik der BRD<br />

1949/50, Dok. 37, S. 95.<br />

Anlage 1 zum Schreiben Globke an Adenauer, v. 02.07.1951, S. 1, in: BArch<br />

B 136/1929, fol. 49.<br />

IFZ, Akten zur Auswärtigen Politik der BRD 1949/50, Dok. 37, S. 94, Fn. 3.<br />

Schreiben an Adenauer (Fn. 833), S. 2.


166 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

nologien verwendet wurden 836 . Somit ist es nicht verwunderlich, dass die Alliierten<br />

die 500 Mann Bundespolizei als „Grenzpolizei“ bezeichneten, zumal der<br />

Zollgrenzdienst, aus welchem sich die 500 Mann rekrutieren sollten, vereinzelt<br />

auch als „Grenzpolizei Z“ bezeichnet wurde 837 . Abschließend muss in Zusammenhang<br />

mit der 500 Mann Bundespolizei noch erwähnt werden, dass selbst<br />

von alliierter Seite bereits im Jahr 1949 Überlegungen angestellt wurden, dass<br />

Sondergebiet Bonn, das als Sitz der Bundesregierung gemäß Art. 2 Nr. 3 der<br />

Satzung der AHK 838 keiner der Besatzungszonen zugehörig war und unmittelbar<br />

der AHK unterstand, der Polizeihoheit des Bundes zu unterstellen 839 . Die 500<br />

Mann Bundespolizei wurde jedoch letztlich nicht aufgestellt, da die Bundesregierung<br />

den Schutz der Kabinettsmitglieder und des Gebietes Bonn über die<br />

Landespolizeien hinreichend gewährleistet sah 840 . Dies ist die offizielle Begründung<br />

– es liegt nahe, das Adenauer, wie er auch schon vorher geäußert hatte (die<br />

Zahl 500 sei „lächerlich“ 841 ), mit 500 Mann nicht zufrieden war und auf die<br />

Aufstellung einer Polizeitruppe in dieser Größenordnung verzichtete.<br />

F. Zweite Initiativphase der Bundesregierung<br />

Adenauer startete am 29. August 1950 eine zweite Initiative, um von den Alliierten<br />

die Zustimmung für eine Bundespolizei zu erhalten. Im Gegensatz zu<br />

seinem Antrag vom 28. April 1950 koppelte er sein Anliegen diesmal mit den<br />

Belangen der äußeren Sicherheit. Das „Memorandum über die Sicherung des<br />

836<br />

837<br />

838<br />

839<br />

840<br />

841<br />

Die von der AHK am 04.08.1950 genehmigte 500-Mann Bundespolizei wird bspw. im<br />

internen Schriftverkehr des BMI nicht als „Grenzpolizei“, sondern auch als „Grenzschutz-Einheit“<br />

in Bonn bezeichnet, vgl. Geheime Abschrift des BMI, Az. 21/50 geh.,<br />

v. 05.09.1950, S. 3, in: BArch B 106/14337.<br />

Die Bezeichnung „Grenzpolizei Z“ war gebräuchlich für den Grenzzolldienst im Land<br />

Bayern, vgl. Vogel, Westdeutschland 1945-1950, Aufbau von Verfassungs- und Verwaltungseinrichtungen,<br />

Teil III, S. 34.<br />

Satzung AHK, in: Verordnungsblatt für die Britische Zone, 1949, Nr. 50 (07.09.1949),<br />

S. 403.<br />

Vgl. BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 1 (1949), S. 183: „Der Bundeskanzler<br />

weist darauf hin, dass die Alliierten bereits früher angeboten haben, die alliierte<br />

Militärpolizei ganz aus dem Sondergebiet zu entfernen. Es müsse angestrebt werden,<br />

das Sondergebiet der Polizeihoheit des Bundes zu unterstellen und dafür eine besondere<br />

Bundespolizei zu schaffen“.<br />

Vgl. BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 2 (1950), S. 819.<br />

Protokoll der Unterredung zwischen Bargatzky und Adenauer in Bürgenstock/Schweiz<br />

vom 09.08.1950, S. 4, in: BArch B 106/14337.


§ 4 Die Bundespolizei-Kontroverse im Jahr 1949/50 167<br />

Bundesgebietes nach innen und außen“ 842 ist eine systematische Analyse der<br />

abstrakten und konkreten Bedrohungssituation Westdeutschlands, wie sie hier<br />

bereits in Bezug auf den Koreakrieg und die beständige Erhöhung der ostzonalen<br />

Sicherheitskräfte dargelegt worden ist. So führte Adenauer aus, dass „die<br />

Entwicklung im Fernen Osten […] innerhalb der deutschen Bevölkerung Beunruhigung<br />

und Unsicherheit“ ausgelöst und zu einer „gefährlichen Lethargie der<br />

deutschen Bevölkerung“ geführt habe 843 . Ebenso seien die „in der Ostzone<br />

versammelten sowjetischen Kräfte“ und die dort im „beschleunigten Aufbau<br />

befindliche Volkspolizei“ mit Ernst zu betrachten 844 . Adenauer forderte eine<br />

Verstärkung der alliierten Truppen und bot gleichzeitig einen westdeutschen<br />

Truppenbeitrag im Rahmen einer internationalen westeuropäischen Armee an.<br />

Die Kernforderung Adenauers lautete jedoch:<br />

„Die Bundesregierung schlägt deshalb vor, umgehend auf Bundesebene<br />

eine Schutzpolizei in einer Stärke aufzustellen, die eine<br />

hinreichende Gewähr für die Innere Sicherheit zu bieten vermag.“ 845<br />

Bezeichnenderweise ergänzte er diese Forderung mit der Feststellung, dass eine<br />

Schutzpolizei auf Bundesebene nur „im Wege über ein verfassungsänderndes<br />

Gesetz“ aufgestellt werden könne 846 . Dies stellt insofern ein Novum dar, dass<br />

die Bundesregierung sich gegenüber den Alliierten erstmals eingestand, dass<br />

eine Bundespolizei zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Aufrechterhaltung<br />

der öffentlichen Ordnung ggf. nur über eine Verfassungsänderung zu<br />

erreichen war. Denn die Errichtung einer Bundespolizei als Grenzschutz nach<br />

Art. 73 Ziff. 5, 87 GG a.F. hätte nicht automatisch die gleiche Reichweite gehabt<br />

wie eine Schutzpolizei des Bundes mit verfassungsrechtlicher Grundlage.<br />

842<br />

843<br />

844<br />

845<br />

846<br />

Memorandum über die Sicherung des Bundesgebietes vom 29.08.1950, in: Schubert<br />

von, Sicherheitspolitik der BRD, Bd. 1, S. 79-83; ebenso abgedruckt in: DzD II/3<br />

(1950), Dok. Nr. 363A, S. 933-936.<br />

Ebd., Ziff. I.<br />

Ebd., Ziff. II.<br />

Ebd., Ziff. V. In einem geheimen „Memorandum über die Vorbereitung von Sofortmaßnahmen<br />

für den Katastrophenfall“ v. 28.07.1950 ist vermerkt, dass es die Aufgabe<br />

der Bereitschaftspolizeien der Länder sei, die „Sicherung des Arbeitsraumes der Regierungen<br />

des Bundes und der Länder vor Sabotageakten und revolutionären Versuchen<br />

zur Machtübernahme durch die ‚5. Kolonne‘ […]“ zu gewährleisten und hierfür 15.000<br />

Beamte benötigt würden, vgl. BArch B 106/15702.<br />

Memorandum v. 29.08.1950 (Fn. 842), Ziff. V.


168 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

Adenauer versprach sich von seinem zweiten Vorstoß eine positive Reaktion der<br />

Alliierten, zumal sich mit dem Koreakrieg die sicherheitspolitische Lage verschärft<br />

hatte. Ebenso hatte der Hohe Kommissar McCloy 847 dem Leiter zur<br />

Verbindungsstelle der AHK, Blankenhorn 848 , im Vorfeld der Veröffentlichung<br />

des Sicherheitsmemorandums mitgeteilt, dass er persönlich für die Errichtung<br />

einer Schutzpolizei auf Bundesebene sei 849 . Die Initiative des Bundeskanzlers<br />

wurde in der Kabinettssitzung vom 31. August 1950 insofern verstärkt, als dass<br />

sich das Kabinett „einmütig hinter den Bundeskanzler stellte“ und sich „einstimmig<br />

für die Aufstellung einer Bundesschutzpolizei“ aussprach 850 .<br />

G. Zweite Reaktionsphase der Alliierten<br />

Die drei Hohen Kommissare erörterten mit Adenauer am 31. August 1950 das<br />

von ihm verfasste Sicherheitsmemorandum. Bedeutend an dieser Aussprache ist<br />

vor allem, dass die Alliierten den Bundeskanzler direkt fragten, ob „die Länder<br />

überhaupt mit einer Bundespolizei einverstanden seien“ und ob „denn die für<br />

eine Verfassungsänderung notwendige Mehrheit im Bundestag gewonnen<br />

werden könne“ 851 . Adenauer entgegnete hierauf, dass auch die anderen Parteien<br />

mehrheitlich für eine Bundespolizei seien.<br />

Diese Einschätzung bewahrheitete sich jedoch nicht. Die notwendige Verfassungsänderung<br />

wurde nicht durchgeführt, da parteiübergreifend und auch auf<br />

847<br />

848<br />

849<br />

850<br />

851<br />

John Jay McCloy (1895-1989), 1941 bis 1945 Unterstaatssekretär im USamerikanischen<br />

Kriegsministerium, 1949 bis 1952 Militärgouverneur der amerikanischen<br />

Besatzungszone und Hoher Kommissar der USA für Deutschland, vgl. BArch,<br />

Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 19 (1966), S. 607.<br />

Herbert Blankenhorn (1904-1991), auswärtiger Dienst von 1929 bis 1945, von 1949 bis<br />

1951 Leiter der Verbindungsstelle zur AHK im Bundeskanzleramt, von 1958 bis 1963<br />

Botschafter in Paris, von 1963 bis 1965 Botschafter in Rom, von 1965 bis 1970 Botschafter<br />

in London, vgl. BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 10 (1957),<br />

S. 483.<br />

BArch NL Blankenhorn 1351/5, fol. 152; der Vermerk des eigentlichen Gespräches am<br />

25.08.50 zwischen Adenauer und McCloy findet sich in FRUS 1950, IV, Central and<br />

Eastern Europe, S. 710.<br />

Vgl. BArch NL Blankenhorn 1351/5, fol. 154; lediglich der damalige Bundesfinanzminister<br />

Schäffer (CSU) warnte vor der Verwendung des Wortes Polizei: „Minister<br />

Schäffer warnt vor dem Ausdruck ‚Polizei‘, da nach seiner Auffassung eine Verfassungsänderung<br />

gegen Bayern nur äußerst schwer durchzusetzen sein dürfte.“<br />

BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 3 (1950), Wortprotokolle, Dok. Nr. 15,<br />

S. 92.


§ 4 Die Bundespolizei-Kontroverse im Jahr 1949/50 169<br />

Länderebene divergierende Ansichten über die Bundespolizei bestanden. So<br />

kann dem Protokoll der SPD-Bundesfraktion vom 7. September 1950 entnommen<br />

werden, dass man einer „Sicherheitspolizei“ gegenüber positiv eingestellt<br />

sei, insofern diese nicht dem Bundeskanzler direkt unterstehe, sondern dem<br />

Innenministerium 852 . Die SPD insgesamt positionierte sich jedoch eher für die<br />

Option, dass der Bund im Bedarfsfall Zugriff auf bestimmte gebildete Kontingente<br />

der Länderbereitschaftspolizei haben sollte, als für eine zentrale<br />

bundeseigene Bereitschaftspolizei 853 . Ebenso misstraute die SPD Adenauer in<br />

der Frage der Trennung zwischen Polizei und Militär. Menzel erklärte in der<br />

Fraktionssitzung der SPD vom 4. Oktober 1950, dass Adenauer versuche, „über<br />

die Polizei zur Remilitarisierung zu gelangen“, was von der SPD „scharf bekämpft“<br />

werden müsse 854 . Weiterer erheblicher Widerstand war von bayerischer<br />

Seite zu verzeichnen. So wandte sich der damalige bayerische Ministerpräsident<br />

Hans Ehard an den amerikanischen Hohen Kommissar John Jay McCloy mit<br />

dem Anliegen, dass die bayerische Seite an den Bestimmungen des Grundgesetzes<br />

„nicht rütteln werde“ und es begrüßen würde, wenn der Begriff<br />

„Bundespolizei aus der Diskussion verschwände“ 855 . Die FDP-Fraktion war die<br />

einzige politische Kraft an der Seite Adenauers, welche direkt eine Änderung<br />

des Grundgesetzes forderte, um eine Bundespolizei aufzustellen zu können 856 .<br />

Adenauer erhoffte sich dennoch von den Alliierten, dass diese die Bundesregierung<br />

in der Frage der Bundespolizei unterstützen würden, sodass eine<br />

Verfassungsänderung nicht notwendig wäre. Doch der britische Hohe Kommissar<br />

Kirkpatrick 857 erklärte hierzu, dass die „Lage äußerst ernst“ sei und man<br />

852<br />

853<br />

854<br />

855<br />

856<br />

857<br />

DzD II/3 (1950), Dok. Nr. 372, S. 966.<br />

Für die moderatere Auffassung der SPD spricht ebenso der zurückhaltende Entwurf<br />

eines Gesetzes zur Änderung des GG durch die SPD-Fraktion vom 26.10.1950, welcher<br />

die Länder aufgrund eines zu schaffenden Bundesgesetzes verpflichtet hätte, ein Zehntel<br />

ihrer Polizeikräfte zur Verfügung des Bundes zu halten, aber nicht die Errichtung einer<br />

Bundespolizei vorsah, vgl. BT-Drs. I/1515.<br />

Bracher, Sitzungsprotokolle 1949-1957, 1. Hbd., S. 177.<br />

Abschrift eines Schreibens Ehards an McCloy Nr. 18215 vom 18.09.1950, S. 1, in:<br />

BArch B 106/17347.<br />

Antrag der FDP-Fraktion vom 07.11.1950 auf Änderung des GG durch Einfügung eines<br />

Art. 83a, nach welchem der Bund ermächtigt gewesen wäre eine Bundesbereitschaftspolizei<br />

einzurichten, in: BT-Drs. I/1577.<br />

Sir Ivone Augustine Kirkpatrick (1897-1964), britischer Diplomat, 1948 bis 1950 Leiter<br />

der Deutschlandabteilung im britischen Außenministerium, 1950 bis 1953 britischer<br />

Hoher Kommissar für Deutschland, 1953 bis 1957 Unterstaatssekretär im Foreign<br />

Office, vgl. BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 5 (1952), S. 93.


170 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

„von Seiten der Alliierten im gegenwärtigen Moment nicht von den vorbehaltenen<br />

Rechten Gebrauch machen [könne] und die Bundesregierung mit einer<br />

Weisung versehen, auf Grund deren die Bundespolizei aufgebaut werde.“ 858 Die<br />

Hohen Kommissare schlugen dem Bundeskanzler stattdessen vor, zunächst<br />

Polizeischulen auf Bundesebene zu errichten, mit der Rekrutierung von Personal<br />

auf Länderebene zu beginnen und eine Vereinbarung mit Ländern in Form eines<br />

Abkommens zu treffen 859 . Die Frage der Verfassungsänderung beschäftigte<br />

Adenauer nachhaltig und er erkannte schließlich zunehmend, dass diese nicht<br />

sofort umsetzbar war. So ließ er den Alliierten am 4. September 1950 mitteilen,<br />

dass seine nach dem Sicherheitsmemorandum geplante Bundesschutzpolizei nur<br />

„Bundesschutz“ heißen solle, „um damit zu zeigen, dass es sich nicht um eine<br />

echte Polizei handelt, die ja eine Verfassungsänderung erfordern würde“ 860 .<br />

Diese erneute Modifizierung in der Terminologie um die Bundespolizei zeigt<br />

insgesamt Adenauers sprunghaftes Agieren. Der Zweck seiner Intentionen hatte<br />

die Alliierten zwar erreicht, jedoch findet sich in seinen Vorhaben keine geordnete<br />

Linie. Weder Namensgebung, Rechtsgrundlage, noch die Frage nach<br />

politischen Mehrheiten für eine Bundespolizei oder praktisches Vorgehen<br />

erscheinen in einer organisierten Kontur. Stichhaltig blieben seine Forderungen<br />

nur im Zweck – der Not Westdeutschlands, das innere Sicherheitsbedürfnis<br />

durch eine bundeseigene Polizei zu steigern.<br />

So erscheint es nicht verwunderlich, dass die Abfolge von Adenauers Initiativen<br />

von alliierter Seite auch als „unübersichtliche Reihe von Vorschlägen für eine<br />

Bundespolizei“ (confusing series of proposals for a large Federal police force)<br />

bezeichnet wurde 861 . Mit diesem Eindruck und vorgenannten Defekten in<br />

Adenauers Argumentation wurde auf der Außenministerkonferenz der Alliierten<br />

in New York vom 12. bis 18. September 1950 abschließend über die geforderte<br />

858<br />

859<br />

860<br />

861<br />

BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 3 (1950), Wortprotokolle, Dok. Nr. 15,<br />

S. 96.<br />

Ebd.<br />

BArch NL Blankenhorn 1351/5, fol. 159.<br />

So McCloy in einem Memorandum an den US-Präsidenten Truman am 10.09.1950, in:<br />

DzD II/3 (1950), Dok. Nr. 374, S. 976. Ähnlich auch Meyer, Adolf Heusinger, Dienst<br />

eines deutschen Soldaten, S. 409: „Dazu Einzelgespräche mit den Hohen Kommissaren<br />

von Tag zu Tag, halbe Festlegungen, dann wieder Dementis, unpräzise Formulierungen,<br />

dramatisch verlaufende Kabinettssitzungen bei unzureichendem Wissensstand der Minister<br />

und sorgsam verhüllten Wahrheiten und situationsbedingten Halbwahrheiten<br />

Adenauers“.


§ 4 Die Bundespolizei-Kontroverse im Jahr 1949/50 171<br />

Bundespolizei entschieden. Die Alliierten kamen zu dem Ergebnis, dass der<br />

Errichtung einer Bundespolizei nicht zugestimmt werden könne; einerseits aus<br />

„grundsätzlichen Erwägungen“ und andererseits, da die Verwirklichung über<br />

eine Verfassungsänderung zu „viel Zeit in Anspruch“ nehmen würde 862 . Die<br />

Alliierten sahen sich jedoch bereit, die bereits im Juli zugestandenen 10.000<br />

Mann Polizeireserven auf Länderebene weiter auszubauen. Konkret kann dem<br />

„Beschluss über die Aufstellung mobiler Formationen der deutschen Polizei“<br />

vom 23. September 1950 entnommen werden, dass bis zu 30.000 Mann kasernierte<br />

Sicherheitspolizeikräfte auf Länderbasis errichtet werden könnten und der<br />

Bund gewisse Rahmenvorgaben machen könne „um diesen Kräften ihre volle<br />

Wirksamkeit zu verleihen“ 863 .<br />

Die Möglichkeit der Errichtung einer „echten Bundespolizei“ war damit auch<br />

nach der zweiten Initiativphase und den intensiven Bemühungen Adenauers<br />

gescheitert. Die angespannte Sicherheitslage hatte zwar dem Vorhaben seit<br />

Sommer 1950 inhaltlich Auftrieb gegeben, jedoch wurde das konkrete Bedürfnis<br />

für eine Bundespolizei an der Schnittstelle innere und äußere Sicherheit 864<br />

immer wieder durch die von alliierter Seite abgegebene Sicherheitsgarantie 865<br />

relativiert. Trotz dieser Schutzgarantie konnte Adenauer die Sicherheitsfrage<br />

Deutschlands in Bezug auf innere und äußere Sicherheit nicht trennen. Der<br />

Begründung des im Oktober 1950 ausgefertigten „Geheimerlasses des Bundeskanzlers<br />

betreffend die Errichtung eines Ministerausschusses für die Sicherheit<br />

862<br />

863<br />

864<br />

865<br />

Erläuterungen in der Verbalnote vom 23.09.1950 an Adenauer, in: BArch, Die Kabinettsprotokolle<br />

der BReg, Bd. 3 (1950), Wortprotokolle, Dok. Nr. 47, S. 144; vgl.<br />

hierzu die vorausgehende Empfehlung der Alliierten (Recommendation on German Police<br />

Force) vom 14.09.1950, in: DzD II/3 (1950), Dok. Nr. 381, S. 1003; insgesamt zum<br />

Taktieren der Alliierten untereinander um Verteidigungsbeitrag und Bundespolizei:<br />

Timmermann, Deutschlandvertrag und Pariser Verträge, S. 49 ff.<br />

Vgl. Ziff. 3 und 4 des Beschlusses, in: DzD II/3 (1950), Dok. Nr. 391C, S. 1038 =<br />

Anlage D5, S. 449 ff.<br />

Vor allem die SPD-Fraktion sah im Vorhaben Bundespolizei eine unglückliche Vermengung<br />

der Frage von Polizei und Remilitarisierung, vgl. BT-Prot. vom 07.11.1950,<br />

97. Sitzung, S. 3538B; Menzel wirft hier der Bundesregierung bspw. vor, durch widersprüchliche<br />

Presseberichte ein Abgleiten der Diskussion in eine Debatte der<br />

Remilitarisierung gefördert zu haben.<br />

Communiqué on Germany vom 19.09.1050, in: FRUS 1950, III, Western Europe,<br />

S. 1297: „The Allied Governments consider that their forces in Germany have in addition<br />

to their occupation duties the important role of acting as security forces for the<br />

protection and defense of the free world, including the German Federal Republic and<br />

the Western sectors of Berlin“.


172 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

der Bundesrepublik“ kann entnommen werden, dass „die Verteidigung der<br />

Sicherheit der Bundesrepublik unter dem Gesichtspunkt der inneren und der<br />

äußeren Sicherheit erfolgt und eine Bedrohung der Sicherheit den zusammengefassten<br />

Einsatz aller Abwehrkräfte fordert“ 866 .<br />

Von zentraler Bedeutung war ebenso die Feststellung, dass die Bundespolizei<br />

nur über eine Verfassungsänderung hätte erreicht werden können. Die Alliierten<br />

hatten dieses Erfordernis realistisch betrachtet. Sie waren ebenso nicht bereit,<br />

sich über die deutsche Verfassung hinwegzusetzen und die Bundespolizei aufgrund<br />

einer alliierten Weisung zu errichten 867 . Erst im November 1950<br />

offenbarte Adenauer diesbezüglich gegenüber seinem Kabinett die eigene<br />

Überzeugung, dass „letzten Endes der Weg einer Verfassungsänderung […]<br />

tatsächlich richtig“ sei 868 . Was nicht in jedem Fall bedeuten muss, dass<br />

Adenauer sich vorher bewusst contra legem über die föderale Prägung des<br />

Grundgesetzes hinwegsetzen wollte, sondern vielmehr, dass er, wie in seinen<br />

Memoranden gefordert, der schnellen und mehrheitsunabhängigen Errichtung<br />

einer Bundespolizei den Vorzug gegeben hätte.<br />

H. Parlamentarische Debatte um die Bundespolizei<br />

Nachdem der Bundesregierung die Ergebnisse der New Yorker Außenministerkonferenz<br />

bekannt geworden waren, versuchte diese, die Errichtung der<br />

genehmigten mobilen Polizeiformationen auf Länderebene weiter voranzutreiben<br />

869 , ohne jedoch die Länder und die SPD-Opposition im Bundestag<br />

abschließend und umfassend über die Haltung der Alliierten und die weitere<br />

Vorgehensweise in Bezug auf eine Bundespolizei zu unterrichten. Der Gedanke<br />

einer Bundespolizei wurde auch nach der ablehnenden Note der AHK von der<br />

Bundesregierung nicht abschließend aufgegeben 870 .<br />

866<br />

867<br />

868<br />

869<br />

870<br />

Entwurf und Begründung des Geheimerlasses vom 13.10.1950, in: BArch NL Blücher<br />

1080/78, fol. 132.<br />

BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 3 (1950), Wortprotokolle, Dok. Nr. 15,<br />

S. 96.<br />

BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 2 (1950), S. 821.<br />

Dokumente zur ersten Besprechung im BMI über Detailfragen der Länderbereitschaftspolizei<br />

bereits am 10.08.1950, vgl. Az. 1336 A -752/50, in: BArch B 106/14337.<br />

Hierfür spricht auch eine Einschätzung der Bayerischen Staatsregierung, welche im<br />

Falle der Nichteinigung über die Landesbereitschaftspolizei die Gefahr sah, dass „der<br />

Bund die Sache an sich ziehe“, vgl. BADW, Kabinett Ehard II, Bd. 3, Dok.-Nr. 128,


§ 4 Die Bundespolizei-Kontroverse im Jahr 1949/50 173<br />

Selbst in der Presse waren vereinzelte Meldungen erschienen, die von der Aufstellung<br />

einer Bundespolizei wissen wollten 871 . Das Land Bayern 872 wie auch die<br />

SPD-Fraktion 873 im Bundestag, beklagten sich über diese, in ihren Augen undurchsichtige<br />

Informationspolitik der Bundesregierung in Bezug auf die<br />

Bundespolizei. Adenauer missbilligte zwar die Berichterstattung und wies in<br />

einer Kabinettssitzung darauf hin, dass solche Pressemeldungen geeignet seien<br />

„Beunruhigungen im In- und Auslande hervorzurufen“ 874 , konnte jedoch nicht<br />

mehr verhindern, dass die SPD-Fraktion eine offizielle Interpellation 875 zur<br />

Bundespolizei einbrachte, welche am 7. November 1950 zusammen mit zwei<br />

weiteren Anträgen 876 der SPD zur ersten Bundespolizeidebatte im deutschen<br />

Bundestag führte. In der Interpellation warf die SPD der Bundesregierung vor,<br />

seit Monaten die deutsche Öffentlichkeit „durch einander widersprechenden<br />

Verlautbarungen über die Polizei […] und durch nichtdementierte Zeitungsmeldungen“<br />

zu beunruhigen 877 . Ferner waren mehrere Fragen, vorwiegend<br />

finanzieller und organisatorischer Natur, bezüglich der Tätigkeit der Bundesregierung<br />

in der Polizeifrage enthalten.<br />

Walter Menzel (SPD) eröffnete die Debatte im Plenum und erhob sogleich<br />

Vorwürfe gegen die Bundesregierung in Sachen des Polizeiaufbaus. Die Bundesregierung<br />

müsse „endlich Farbe bekennen“, was sie auf dem Gebiet der<br />

Polizei vorhabe 878 . Weiterhin kritisierte er, dass die Frage der inneren Sicherheit<br />

871<br />

872<br />

873<br />

874<br />

875<br />

876<br />

877<br />

878<br />

S. 580; ebenso findet sich in einem Schreiben des BMI an den SPD-Abgeordneten<br />

Menzel vom 19.10.1950 die Aussage, dass das Verwaltungsabkommen notwendig sei,<br />

„solange eine Bundespolizei nicht möglich ist“, vgl. BArch B 136/5043.<br />

So etwa Kölnische Rundschau v. 15.09.1950, Nr. 215, S. 1: „Bonns Polizei-Pläne fast<br />

fertig“; Der Spiegel 43/1950 v. 25.10.1950, S. 6: „Im Zuge der allgemeinen Entwicklung<br />

wird auf oberster Bundesebene kurzfristig, d. h. schnellstmöglich eine<br />

Führerreserve für die neu zu schaffende Bundespolizei […] gebildet“.<br />

Beispielhaft für Bayern: BADW, Kabinett Ehard II, Bd. 3, Dok.-Nr. 115, S. 365: „auf<br />

Zeitungsnachrichten angewiesen“.<br />

BT-Drs. I/1498: „nichtdementierte Zeitungsmeldungen“.<br />

BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 2 (1950), S. 696.<br />

Interpellation der Fraktion der SPD vom 20.10.1950 = BT-Drs. I/1498.<br />

BT-Drs. I/1499 (Antrag auf Einsetzung eines Parlamentarischen Beirates für den<br />

Aufbau der Polizei); BT-Drs. I/1515 (Antrag auf Änderung des GG, Einfügung u.a. des<br />

folgenden Absatzes in Art. 87 GG: „Die Länder sind auf Anforderung des Bundesministers<br />

des Inneren verpflichtet, ein Zehntel ihrer Polizei-Exekutivkräfte nach Maßgabe<br />

eines besonderen Bundesgesetzes zur Verfügung des Bundes zu halten“).<br />

BT-Drs. I/1498.<br />

BT-Prot. vom 07.11.1950, 97. Sitzung, S. 3538A.


174 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

so „unglücklich mit dem Problem der Remilitarisierung“ verknüpft sei 879 .<br />

Menzel nahm ebenso Bezug auf den Parlamentarischen Rat und erklärte, dass<br />

die SPD in „die Verfassung zugunsten des Bundes die Chance einbauen wollte“<br />

über „gewisse polizeiliche Exekutivrechte“ zu verfügen 880 . Tatsächlich hatte<br />

Menzel, der Mitglied des Parlamentarischen Rates gewesen war, sich im Ausschuss<br />

für Zuständigkeitsabgrenzung für eine „Bundesexekutivreserve“ eingesetzt,<br />

deren verfassungsrechtliche Grundlage seinem Vorschlag zufolge in die<br />

Vorranggesetzgebung aufgenommen werden sollte 881 . Der CSU-Abgeordnete<br />

Laforet hatte im Ausschuss maßgeblich eine Gegenposition vertreten, die sich<br />

abschließend durchgesetzt hatte. Laforet führte damals aus, dass „die Verwaltung,<br />

das Verwaltungsrecht und die Polizei Ländersache“ seien und er dringend<br />

davor warne „diesen Belastungspunkt in unser Recht“ zu bringen 882 .<br />

Folglich hatte sich der Verfassungsgeber dafür entschieden, dass der Bund „nur“<br />

die Möglichkeit des Zugriffs auf Landespolizeikräfte hat, aber keine eigenen<br />

Polizeikräfte errichten kann. Dies wollte die SPD mit ihrem Antrag ändern.<br />

Gemäß dem eingebrachten Antrag, der inhaltlich an Menzels Forderungen im<br />

Ausschuss für Zuständigkeitsabgrenzung angelehnt ist, sollte der Bund im<br />

Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung die Möglichkeit erhalten „die<br />

Einstellung, Beförderung, Ausbildung, Versorgung, Ausrüstung und Bewaffnung<br />

der Polizeiexekutivbeamten“ zu regeln 883 . In Art. 87 GG sollte ein neuer<br />

Absatz eingefügt werden, der die Länder auf Anforderung des Bundesinnenministers<br />

verpflichtet hätte, ein „Zehntel ihrer Polizeiexekutivkräfte nach Maßgabe<br />

eines besonderen Bundesgesetzes zur Verfügung des Bundes zu halten“ 884 .<br />

I. Streitpunkt Verwaltungsabkommen über die Bereitschaftspolizei<br />

Der Antrag war aus Menzels Sicht deswegen erforderlich, da er die Verwaltungsabkommen<br />

um die Länderbereitschaftspolizeien für verfassungswidrig<br />

hielt. Die Bundesregierung konnte gegen Ende Oktober mit den meisten Bundesländern<br />

über die Errichtung von Bereitschaftspolizeien Einigungen erzielen<br />

879<br />

880<br />

881<br />

882<br />

883<br />

884<br />

Ebd.<br />

Ebd., S. 3540A.<br />

Der Parl. Rat, Bd. 3, Dok. Nr. 5, S. 180.<br />

Der Parl. Rat, Bd. 3, Dok. Nr. 5, S. 186.<br />

§ 1, BT-Drs. I/1515.<br />

§ 2, BT-Drs. I/1515.


§ 4 Die Bundespolizei-Kontroverse im Jahr 1949/50 175<br />

und ein Verwaltungsabkommen aushandeln 885 . Diese Verträge hielt Menzel<br />

deshalb für verfassungswidrig, da es sich seiner Meinung nach um „verfassungsändernde<br />

Verträge“ handelte 886 . Konkret sei es eine „absolute<br />

Verfassungsumgehung“, wenn sich die Länder „bei völliger Ruhe in Deutschland“<br />

verpflichten müssten, ein Viertel ihrer Bereitschaften unter die<br />

unmittelbare Kommandogewalt des Bundes zu stellen 887 . Menzel bezog sich hier<br />

auf § 2 Abs. 1 des Verwaltungsabkommens i.d.F. vom 27. Oktober 1950, wonach<br />

„zur Abwehr von Sabotageakten und Unruhen“ die Länder ein Viertel der<br />

jeweiligen Gesamtstärke in erhöhter Bereitschaft halten und zusätzlich von<br />

dieser Bereitschaft 1.800 Mann den Weisungen der Bundesregierung unterstellen<br />

mussten 888 .<br />

Weiterhin führte er an, dass die Verwaltungsabkommen auf dem Gebiet der<br />

Polizei verfassungswidrig seien, „weil sie sich auf keine für den Bund im<br />

Grundgesetz vorgesehene Zuständigkeit stützen“ könnten 889 . Menzel hatte im<br />

Kern keine Zweifel daran, dass der Bund im Notfall gemäß Art. 91 GG auf die<br />

Polizeikräfte der Länder zurückgreifen können müsse, sondern er war vielmehr<br />

der festen Überzeugung, dass dies auf eine verfassungsrechtlich klare Weise und<br />

nicht über Verträge geschehen müsse. Nur so komme die „Innenpolitik auf dem<br />

Gebiete der Polizei aus dem Zwielicht heraus, in das sie durch das Verschulden<br />

der Bundesregierung geraten ist“ 890 .<br />

II. Verfassungsmäßigkeit des Verwaltungsabkommens<br />

Menzels Kritik am Verwaltungsabkommen war nicht unberechtigt. Gemäß Art.<br />

79 Abs. 1 GG kann das Grundgesetz nur durch verfassungsänderndes, formelles<br />

Gesetz geändert werden. Dieser Grundsatz darf auch durch den Abschluss von<br />

885<br />

886<br />

887<br />

888<br />

889<br />

890<br />

Verwaltungsabkommen über die Errichtung von Bereitschaftspolizeien der Länder i.d.F.<br />

vom 27.10.1950, Abdruck in: GVBl. SH 1951, S. 106; Übersicht über die einzelnen<br />

Abkommen zwischen dem BMI und den Ländern, bei: Schneider, VVDStRL 19 (1961),<br />

1 (50); erste Zustimmung im Bundeskabinett zu dem Abkommen mit den Ländern, die<br />

zu diesem Zeitpunkt beigetreten sind, am 03.11.1950, vgl. BArch, Die Kabinettsprotokolle<br />

der BReg, Bd. 2 (1950), S. 800.<br />

BT-Prot. vom 07.11.1950, 97. Sitzung, S. 3541D.<br />

Ebd., S. 3542A.<br />

Verwaltungsabkommen in, GVBl. SH 1951, S. 106.<br />

BT-Prot. vom 07.11.1950, 97. Sitzung, S. 3558D.<br />

Ebd., S. 3543D.


176 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

Verwaltungsabkommen nicht durchbrochen werden. Über die Problematik<br />

hinaus, ob Verwaltungsabkommen zwischen Gesamt- und Gliedstaat nach dem<br />

Grundgesetz überhaupt zulässig sind, dies wird man wohl bejahen müssen 891 ,<br />

stellt sich die Frage, ob durch das Verwaltungsabkommen über die Bereitschaftspolizeien<br />

Ingerenzrechte des Bundes in einem Bereich entstanden sind,<br />

welcher nicht in dessen verfassungsrechtliche Kompetenz fällt. Zweifellos<br />

stehen dem Bund im Bereich der Landesexekution gemäß Art. 84 GG und der<br />

Bundesauftragsverwaltung gemäß Art. 85 GG gewisse Einwirkungsrechte auf<br />

die Länder zu (Ingerenzrechte) 892 . Das Verwaltungsabkommen über die Bereitschaftspolizeien<br />

betraf jedoch ausschließlich Art. 91 Abs. 2 GG, welcher sich<br />

wiederum lediglich auf die Dienstkräfte der Polizeien der Länder bezog. Die<br />

Materie Vollzugspolizei im Allgemeinen gilt als Ländersache 893 . Unstrittig ist<br />

die Tatsache, dass der Bund im Rahmen einer drohenden Gefahr i.S.v. Art. 91<br />

Abs. 1 GG im besonderen Fall des Art. 91 Abs. 2 GG Zugriff auf die Polizeien<br />

der Länder haben muss. Kritisch betrachtet werden muss allerdings in diesem<br />

Zusammenhang die Einflussnahme des Bundes auf die Länder im Bereich der<br />

Polizei. Durch das Verwaltungsabkommen über die Bereitschaftspolizei wurde<br />

die Einflussnahme des Bundes vorverlagert, wie bereits Menzel selbst in der<br />

Debatte angemerkt hatte, da die Länder nach dem Abkommen verpflichtet<br />

waren, ständig Teile ihrer Polizei, unabhängig vom Vorliegen einer Gefahr nach<br />

Art. 91 Abs. 1 GG, den Weisungen der Bundesregierung zu unterstellen 894 .<br />

Grawert sah ähnlich wie Menzel, im Verwaltungsabkommen nicht nur eine<br />

„Einflussnahme“ und „Vermischung“ von Zuständigkeiten 895 , vielmehr sogar<br />

Klarheit darin, dass „Art. 91 Abs. 2 GG nicht nur interpretatorisch perfektioniert,<br />

sondern [durch das Verwaltungsabkommen] eindeutig erweitert wurde“ 896 .<br />

891<br />

892<br />

893<br />

894<br />

895<br />

896<br />

Im Grundgesetz ist der Abschluss von Verwaltungsabkommen, abgesehen von der für<br />

vorliegende Materie nicht relevanten Erwähnung in Art. 59 Abs. 2 GG, welcher ausschließlich<br />

Geltung im Rahmen des Völkerrechts entfaltet, nicht genannt. Grawert leitet<br />

überzeugend aus historischer und bundesstaatlicher Argumentation her, dass „Verwaltungsabkommen<br />

zwischen Bund und Ländern grundsätzlich zulässig sind“, vgl.<br />

Grawert, Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern, S. 137.<br />

Vgl. hierzu: Huber, in: Verhandlungen des 65. Deutschen Juristentages, Bd. I, Gutachten/Teil<br />

D, S. D21 ff.<br />

Gade/Kieler, Polizei und Föderalismus, S. 3.<br />

Siehe Fn. 888.<br />

Grawert, Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern, S. 205.<br />

Ebd., S. 211; kritisch auch zur Befugnis des Bundes ein Verwaltungsabkommen mit den<br />

Ländern in Bezug auf Art. 91 Abs. 2 GG abzuschließen: Kölble, DÖV 1960, 650 (<strong>658</strong>).


§ 4 Die Bundespolizei-Kontroverse im Jahr 1949/50 177<br />

Zur Verdeutlichung der Problematik um das Verwaltungsabkommen über die<br />

Bereitschaftspolizei kann das sogenannte „Lindauer Abkommen“ herangezogen<br />

werden. Am 14. November 1957 verständigte sich die damalige Bundesregierung<br />

mit den Staatskanzleien der Länder über das Vertragsschließungsrecht des<br />

Bundes nach Art. 32 GG für den Abschluss völkerrechtlicher Verträge und<br />

deren Transformation 897 . Gegenständlich war u.a. die verfassungsrechtlich<br />

ungeklärte Frage, ob die Abschlusskompetenz für völkerrechtliche Verträge im<br />

Bereich der ausschließlichen Landesgesetzgebung den Ländern alleine, oder<br />

konkurrierend auch dem Bund zukommen kann. Gemäß Ziff. 2 des Lindauer<br />

Abkommens kann der Bund auch Verträge schließen, die Gegenstände der<br />

ausschließlichen Gesetzgebung der Länder betreffen, wenn vorher das Einverständnis<br />

dieser herbeigeführt wird. Art. 32 Abs. 3 GG normiert jedoch, dass<br />

soweit die Länder für die Gesetzgebung zuständig sind, diese mit Zustimmung<br />

der Bundesregierung mit auswärtigen Staaten selbst Verträge abschließen können.<br />

Insofern Art. 32 Abs. 3 GG dahingehend ausgelegt wird, dass nur die<br />

Länder im Rahmen ihrer ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz völkerrechtliche<br />

Verträge mit auswärtigen Staaten schließen dürfen (föderalistische<br />

Theorie 898 ), handelt es sich bei Ziff. 2 des Lindauer Abkommens um eine Kompetenzübertragung<br />

an den Bund. Im Gegensatz hierzu steht die zentralistische<br />

Theorie, die davon ausgeht, dass der Bund im Außenrechtsverhältnis nach Art.<br />

32 Abs. 1 GG über eine „umfassende Abschluss- und Umsetzungsbefugnis<br />

verfügt“ 899 und lediglich im Innenrechtsverhältnis nach Art. 32 Abs. 2 GG das<br />

Land, dessen besondere Verhältnisse von einem völkerrechtlichen Vertrag<br />

berührt werden, rechtzeitig zu hören ist, obgleich dieses den Abschluss des<br />

Vertrages durch den Bund nicht verhindern kann 900 . Folgt man der föderalistischen<br />

Theorie, bedeutet die Übertragung der Abschlusskompetenzen an den<br />

Bund eine „Änderung der Kompetenzordnung des GG“, welche nur durch<br />

verfassungsänderndes Gesetz zulässig wäre 901 . Zu einer Lösung gelangt man<br />

durch Anwendung der vermittelnden Ansicht, welche davon ausgeht, dass der<br />

Bund die „Befugnis zum Abschluss“ 902 oder „Außenkompetenz“ 903 behält, die<br />

Auswirkungen der Verträge „aber innerstaatlich an die Entscheidung des in<br />

897<br />

898<br />

899<br />

900<br />

901<br />

902<br />

903<br />

„Lindauer Abkommen“ abgedruckt, in: BT-Drs. 7/5924, S. 236.<br />

Wilms, Staatsecht I, S. 284, Rn. 989.<br />

Niedobitek, Das Recht der grenzüberschreitenden Verträge, S. 216.<br />

Kirchhof, in: Menzel (Hrsg.), Völkerrechtsprechung, S. 186.<br />

Schweitzer, Staatsrecht III, 10. Aufl., S. 52, Rn. 129.<br />

Niedobitek, Das Recht der grenzüberschreitenden Verträge, S. 216.<br />

Kirchhof, in: Menzel (Hrsg.), Völkerrechtsprechung, S. 187.


178 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

eigenen Kompetenzen betroffenen Landes gebunden bleibt“ 904 . Das Lindauer<br />

Abkommen muss in diesem Sinne gesehen werden. Zwar dulden die Länder,<br />

„dass der Bund formal ein Recht ausübt, das ihm nach dem Grundgesetz nicht<br />

zusteht“, diese dafür „aber eine praktische Regelung erwirkt haben, die ihre<br />

Zuständigkeiten weitestgehend unbeschädigt lässt und insofern dem Sinn und<br />

Zweck des Art. 32 entspricht“ 905 . Das Lindauer Abkommen führte Bund und<br />

Länder im Bereich der unklaren Verfassungslage des Art. 32 GG zu einem<br />

„kooperativen Zusammenwirken“ durch den Weg der „einvernehmlichen Verständigung“<br />

906 . Das Lindauer Abkommen kann somit als verfassungskonform<br />

angesehen werden 907 . Es stellt weiterhin „ein Musterbeispiel für eine pragmatische<br />

Lösung von Konflikten im Bundesstaat“ dar, die „angesichts bestehender<br />

Interessendivergenzen […] nicht zufriedenstellend gelöst werden können“ 908 . In<br />

vorliegendem Fall kann dies auf das Verwaltungsabkommen über die Bereitschaftspolizei<br />

übertragen werden. Die Einflussmöglichkeit des Bundes durch<br />

das Abkommen auf Ausrüstung, Bewaffnung und Organisation aller Bereitschaftspolizeien<br />

führt nicht zu einer Erosion der Polizeihoheit der Länder,<br />

sondern ist im Lichte der Funktionsfähigkeit des Art. 91 GG zu sehen. Müssten<br />

Bereitschaftspolizeieinheiten bundesweit zusammengezogen werden und gegen<br />

beispielsweise militante Aufständische eingesetzt werden, wäre die Einheitlichkeit<br />

und Geschlossenheit polizeilicher Verbände ein Vorteil, die durch das<br />

Verwaltungsabkommen erreicht wurde. Weiterhin kommt dem Bund nach Art.<br />

91 GG eine „Letztgarantenstellung […] für den Bestand von Staat und Verfassung“<br />

zu, sodass das Verwaltungsabkommen „nicht isoliert im Blick auf einen<br />

Verlust an vermeinst ausschließlicher Polizeihoheit der Länder“ gesehen werden<br />

darf 909 . So ist das Verwaltungsabkommen über die Bereitschaftspolizeien wie<br />

auch das Lindauer Abkommen im Sinne der „Funktionsfähigkeit des Bundesstaates“<br />

anzusehen, dass bei einem „übergeordneten Interesse“ Divergenzen<br />

zurückzustellen sind und „handhabbare Lösungen“ gefunden werden müssen 910 .<br />

904<br />

905<br />

906<br />

907<br />

908<br />

909<br />

910<br />

Ebd.<br />

Fassbender, Der offene Bundesstaat, S. 363; so im Ergebnis auch: Kaiser, Gemischte<br />

Abkommen im Lichte bundesstaatlicher Erfahrungen, S. 165: „Abschließend kann festgestellt<br />

werden, dass sich das Lindauer Abkommen als äußerst praxistauglicher<br />

Kompromiss erwiesen hat“.<br />

Böckenförde, Sondervotum zu Abschnitt 4 „Artikel 32 GG“, in: BT-Drs. 7/5924, S. 238.<br />

Fassbender, Der offene Bundesstaat, S. 364; a.A.: Bleicher, DVBl. 1982, 433 ff.<br />

Hanschel, Konfliktlösung im Bundesstaat, S. 146.<br />

Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit, S. 499.<br />

Hanschel, Konfliktlösung im Bundesstaat, S. 146


§ 4 Die Bundespolizei-Kontroverse im Jahr 1949/50 179<br />

Hieran anknüpfend teilte Bundesinnenminister Lehr 911 die eingangs von Menzel<br />

erhobenen Bedenken hinsichtlich der Verwaltungsabkommen mit den Ländern<br />

nicht. Es könne den Ländern „nicht das Recht genommen werden, Verwaltungsabkommen<br />

entsprechend der ihnen zustehenden Kompetenz zu treffen“ 912 .<br />

Somit liege eine Verletzung der Verfassung nicht vor 913 . Diese Meinung teilte<br />

auch die Arbeitsgemeinschaft der Innenministerien der Bundesländer (Arbeitskreis<br />

II, Öffentliche Sicherheit und Ordnung), welche sich bereits am 18./19.<br />

September 1950 mit verfassungsrechtlichen Fragen in Zusammenhang mit dem<br />

geplanten Verwaltungsabkommen über die Bereitschaftspolizei befasst hatte.<br />

Demnach müsse sich das zukünftige Verwaltungsabkommen nach „staatsrechtlichen<br />

Grundsätzen“ auch unter „Beachtung der Bestimmungen des Art. 79 GG“<br />

richten. Jedoch seien die Länder grundsätzlich „verfassungsmäßig befugt,<br />

Staatsverträge abzuschließen“ 914 . Zusammenfassend kann festgestellt werden,<br />

dass die Verwaltungsabkommen über die Bereitschaftspolizei nicht verfassungswidrig<br />

waren, da diese der dem Bund verfassungsrechtlich zugewiesenen<br />

Garantenstellung für den Bestand des Gesamtstaates und der Gliedstaaten dienen.<br />

III. Scheitern der Bundespolizei<br />

Das grundsätzliche Vorhaben, dem Bund verfassungsrechtliche Kompetenzen in<br />

der Materie Polizei einzuräumen, hielt Lehr für wünschenswert. Konkret lehnte<br />

911<br />

912<br />

913<br />

914<br />

Robert Lehr (1883-1956), Jurist, zunächst als parteiloser von 1925 bis 1933 Oberbürgermeister<br />

von Düsseldorf, 1929 Eintritt in die DNVP, 1933 auf Veranlassung der<br />

NSDAP aus dem Amt enthoben, Gründungsmitglied der CDU Düsseldorf, Mitglied des<br />

Landtages NRW, Mitglied des Parlamentarischen Rates, 1949 bis 1953 Mitglied des<br />

Bundestages, nach dem Rücktritt von Gustav Heinemann von 1949 bis 1953 Bundesinnenminister,<br />

vgl. Vierhaus/Herbst (Hrsg.), Biographisches Handbuch der Mitglieder des<br />

Deutschen Bundestages 1949-2002, Bd. 1, S. 490.<br />

BT-Prot. vom 07.11.1950, 97. Sitzung, S. 3544D.<br />

Ebd., S. 3560B.<br />

Abschrift der Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft der Innenministerien der Bundesländer<br />

an die Innenminister/-Senatoren der Länder, basierend auf der Tagung in<br />

Konstanz v. 18./19.09.1950, S. 2, in: BArch B 106/15702. Demnach könne sich „eine<br />

nicht als Änderung des Bonner Grundgesetzes anzusehende Vereinbarung“ auf die Festlegung<br />

von Polizeistärken, Richtlinien für die Einstellung, Bestimmungen über die<br />

einheitliche Ausbildung, einheitliche Dienstvorschriften, einheitliche Bekleidungs-,<br />

Ausrüstungs- und Bewaffnungsvorschriften und einheitliche Besoldungsvorschriften<br />

beziehen.


180 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

er den Antrag der SPD auf Änderung des Grundgesetzes jedoch ab. Nach dem<br />

Antrag der SPD auf Änderung des Grundgesetzes sollten die Länder auf Anforderung<br />

des Bundesinnenministers verpflichtet sein, ein „Zehntel ihrer Polizei-<br />

Exekutivkräfte nach Maßgabe eines besonderen Bundesgesetzes zur Verfügung<br />

des Bundes zu halten“ 915 . Lehr begründete seine Ablehnung damit, dass die<br />

Alliierten einer Verfassungsänderung nicht zustimmen würden. Er erklärte<br />

hierzu: „Unsere informelle Fühlungnahme hat ergeben, dass eine solche Zustimmung<br />

im Augenblick jedenfalls nicht zu erhalten ist.“ 916 . Diese ablehnende<br />

Haltung der Alliierten bezüglich einer Verfassungsänderung deckt sich mit dem<br />

Ergebnis der New Yorker Außenministerkonferenz, welchem zufolge die Zustimmung<br />

zu einer Bundespolizei aus grundsätzlichen Erwägungen und<br />

Dringlichkeitsgründen („partly on grounds of principle and partly because the<br />

required Constitutional amendment would make it impossible to provide for<br />

German internal security with the speed and urgency required“ 917 ) nicht möglich<br />

sei. Folglich seien nach Lehrs Auffassung die Verwaltungsabkommen mit den<br />

Ländern über die Bereitschaftspolizei die einzige Möglichkeit, sofort schlagkräftige<br />

Polizeireserven aufzustellen 918 . Er umschrieb dies pragmatisch mit der<br />

Formulierung, dass man „die Gewähr schaffen muss, dass wenn man auf den<br />

Klingelknopf des Art. 91 GG drückt, hierauf auch jemand reagiert“ 919 .<br />

Wilhelm Laforet (CSU) sprach sich ebenso wie Lehr gegen eine Grundgesetzänderung<br />

aus – jedoch aus anderen Erwägungen. Laforet hatte sich als Föderalist<br />

im Parlamentarischen Rat für eine restriktive Gestaltung des Art. 91 GG eingesetzt.<br />

In diesem Sinne erklärte er, dass die Bestimmungen des Art. 91 GG nur<br />

„richtig ausgelegt“ werden müssten. Wenn die Verwaltungsabkommen einen<br />

einheitlichen Einsatz aller Polizeikräfte sicherstellten, dann bestehe zu einer<br />

Grundgesetzänderung „kein hinreichender Grund“ 920 . Unterstützung erfuhr<br />

Laforet von seinen bayerischen Landsmännern der damals im Bundestag vertretenen<br />

Bayernpartei. Hermann Etzel 921 (BP) wollte in der Gesetzesvorlage der<br />

915<br />

916<br />

917<br />

918<br />

919<br />

920<br />

921<br />

Vgl. BT-Drs. I/1515.<br />

BT-Prot. vom 07.11.1950, 97. Sitzung, S. 3546C.<br />

DzD II/3 (1950), Dok. Nr. 391, S. 1032; Originaltext in: FRUS 1950, III, Western<br />

Europe, S. 1295.<br />

BT-Prot. vom 07.11.1950, 97. Sitzung, S. 3546D.<br />

Ebd., S. 3547A.<br />

Ebd., S. 3548B.<br />

Hermann Joseph Clemens Etzel (1882-1978), Jurist, seit 1948 Mitglied der Bayernpartei,<br />

1949 bis 1953 Mitglied des Bundestages, vgl. Vierhaus/Herbst (Hrsg.),


§ 4 Die Bundespolizei-Kontroverse im Jahr 1949/50 181<br />

SPD einen „Angriff auf die verfassungsrechtliche Grundordnung“ und „die<br />

Fundamente des Grundgesetzes selbst“ sehen, welcher versuche, „die staatliche<br />

Eigenständigkeit der Länder vollkommen zu liquidieren“ 922 . Er sprach sich, wie<br />

Laforet, für den Weg der Verwaltungsabkommen aus.<br />

Der Vertreter der Zentrumspartei, Bernhard Reismann 923 , erhob ebenso wie<br />

Menzel den Vorwurf der „Remilitarisierung“ 924 . Im Übrigen hinterfragte er im<br />

Hinblick auf die „föderalistischen Prinzipien“ die grundlegende Notwendigkeit<br />

einer Bundespolizei 925 .<br />

Lediglich die FDP-Fraktion machte einen sehr bundesfreundlichen Vorschlag,<br />

der sogar über den Antrag der SPD hinausging, indem sie eine Grundgesetzänderung<br />

mit der Befugnis zur Errichtung einer Bundesbereitschaftspolizei<br />

forderte 926 . Die FDP begründete ihren Entwurf mit der Bedrohungslage an der<br />

Ostgrenze und ihr Vertreter Max Becker 927 stellte provokativ die Frage, „was am<br />

Tag X geschehen“ solle? 928 Die Lösung liege in der Aufstellung einer richtigen<br />

Bundespolizei. In diesem Zusammenhang kam Becker unvermittelt auf Art. 87<br />

GG zu sprechen. Seine Ausführungen sind von erheblicher Bedeutung, da hier<br />

erstmals in einer parlamentarischen Debatte auf die Möglichkeit der Errichtung<br />

von Bundesgrenzschutzbehörden hingewiesen wird. Becker führte Folgendes<br />

aus:<br />

922<br />

923<br />

924<br />

925<br />

926<br />

927<br />

928<br />

Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949-2002, Bd. 1,<br />

S. 193.<br />

BT-Prot. vom 07.11.1950, 97. Sitzung, S. 3549B.<br />

Bernhard Reismann (1903-1982), Jurist, seit 1930 Mitglied der Zentrumspartei, von<br />

1946 bis 1949 Mitglied des Landtages NRW, von 1949 bis 1953 Mitglied des Bundestages,<br />

vgl. Vierhaus/Herbst (Hrsg.), Biographisches Handbuch der Mitglieder des<br />

Deutschen Bundestages 1949-2002, Bd. 2, S. 678<br />

BT-Prot. vom 07.11.1950, 97. Sitzung, S. 3550B.<br />

Ebd., S. 3551B.<br />

Antrag der FDP-Fraktion v. 07.11.1950 = BT-Drs. I/1577, Antrag auf Einfügung eines<br />

Art. 83a GG mit folgendem Wortlaut: „Der Bund hat das Recht eine Bereitschaftspolizei<br />

aufzustellen; ihre Einrichtung und Verwaltung ist eigene Angelegenheit des<br />

Bundes“.<br />

Max Becker (1888-1960), Rechtsanwalt, Notar, 1945 Mitglied der LDP, später der FDP,<br />

Mitglied des Parlamentarischen Rates, 1949 bis 1960 Mitglied des Bundestages, vgl.<br />

Feldkamp, Der Parlamentarische Rat 1948-1949, S. 185.<br />

BT-Prot. vom 07.11.1950, 97. Sitzung, S. 3552D.


182 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

„Wir haben in Art. 87 die Möglichkeit, Bundesgrenzschutzbehörden<br />

einzurichten. Ist diese Bundesgrenzschutzbehörde […] in Gang gesetzt,<br />

und wenn das nicht der Fall ist, warum nicht? […] Ich könnte<br />

mir vorstellen, dass eine Bundesgrenzpolizei bereits die Grundlage einer<br />

anständigen Bundespolizei selbst sein könnte.“ 929<br />

Abschließend wies Becker auf die schlechte Verfassung hin, in der man sich in<br />

Deutschland in Bezug auf die Polizei befinde und bat um Unterstützung des<br />

eingebrachten Antrages der FDP. Die Anträge sowohl der SPD als auch der FDP<br />

auf Änderung des Grundgesetzes wurden schließlich an die Fachausschüsse<br />

verwiesen und letztendlich nach Errichtung des Bundesgrenzschutzes nicht<br />

weiter verfolgt 930 .<br />

Die erste Debatte im Bundestag um die Bundespolizei zeigt, wie unterschiedlich<br />

die Positionen der Parteien waren. Die CDU beharrte aufgrund der Dringlichkeit<br />

darauf, die Länderbereitschaftspolizeien über das Verwaltungsabkommen im<br />

Sinne von Art. 91 GG einsatzbereit zu halten. Die Möglichkeit einer Verfassungsänderung<br />

hielt sie zu dieser Zeit für nicht opportun, während hingegen die<br />

SPD und sogar der Koalitionspartner FDP mit ihren Anträgen auf Änderung des<br />

Grundgesetzes einen anderen Weg favorisierten. Differenziert werden muss<br />

weiterhin jedoch, dass die FDP 931 mit ihrem Antrag eine „echte“ Bundespolizei<br />

schaffen wollte, während stattdessen die SPD 932 die Verwaltungsabkommen<br />

über die Länderbereitschaftspolizeien auf verfassungsrechtliche Grundlage<br />

stützen wollte. Zu der Möglichkeit, über Art. 87 GG Bundesgrenzschutzbehörden<br />

einzurichten, äußerte sich Lehr in dieser Bundestagsdebatte nicht. Nur am<br />

Rande wies der FDP-Abgeordnete Becker auf diese Option hin, ohne jedoch<br />

hierzu einen offiziellen Antrag seiner Fraktion vorliegen zu haben. Dennoch ist<br />

aus historischer Sicht Beckers Aussage von Bedeutung.<br />

929<br />

930<br />

931<br />

932<br />

Ebd., S. 3553A.<br />

Mit den BT-Drs. I/1499, I/1515 und I/1577 befasste sich der Ausschuss für Angelegenheiten<br />

der inneren Verwaltung am 23.11.1950, 04.01.1951 und 16.01.1951, Protokolle<br />

in: BArch B 106/15704; Nachweis zur Einstellung der parlamentarischen Tätigkeit zu<br />

den BT-Drs. I/1515, BT-Drs. I/1499 und BT-Drs. I/1577, in: BArch, Die Kabinettsprotokolle<br />

der BReg, Bd. 4 (1951), S. 38, Fn. 12.<br />

BT-Drs. I/1577.<br />

BT-Drs. I/1515.


§ 4 Die Bundespolizei-Kontroverse im Jahr 1949/50 183<br />

I. Entscheidung der Bundesregierung für den Bundesgrenzschutz<br />

Wenige Tage nach der Bundestagsdebatte über die Bundespolizei behandelte die<br />

Bundesregierung in ihrer Kabinettssitzung am 14. November 1950 den Tagesordnungspunkt<br />

mit dem Titel „Verwaltungsabkommen mit den Ländern über die<br />

Errichtung von Bereitschaftspolizeien“. Im Protokoll der Sitzung ist eingangs<br />

vermerkt, dass der Bundesinnenminister ausführlich über die Bemühungen, die<br />

polizeiliche Sicherheit in der Bundesrepublik zu verstärken, referierte 933 . Der<br />

Bund hatte zum Zeitpunkt der Kabinettssitzung bei Vorliegen einer Gefahrenlage<br />

i.S.v. Art. 91 GG nur die Möglichkeit, auf die noch nach dem Verwaltungsabkommen<br />

zu errichteten Länderbereitschaftspolizeikräfte zuzugreifen.<br />

Die Aufstellung dieser Einheiten nahm aber noch eine unbestimmbare Zeit in<br />

Anspruch, sodass die Bundesregierung trotz bereits geschlossenen Verwaltungsabkommen<br />

mit den Ländern Möglichkeiten prüfte, was in der „Zwischenzeit“<br />

getan werden könne 934 . Bundesinnenminister Lehr machte konkret auf eine<br />

weitere Möglichkeit aufmerksam, nämlich dass Bundesgrenzschutzbehörden<br />

„durch einfaches Bundesgesetz“ errichtet werden könnten 935 . Weiterhin merkte<br />

er an, dass diese, sollte es doch noch zu einer Verfassungsänderung kommen,<br />

„in eine Bundespolizei überführt werden könnten“ 936 , so wie es auch Becker von<br />

der FDP vorgeschlagen hatte 937 . Lehr hatte Vorarbeit geleistet und überreichte<br />

bereits in dieser Sitzung den Kabinettsmitgliedern einen Entwurf über ein Bundesgrenzschutzgesetz.<br />

Dieser Entwurf ist weitgehend inhaltsgleich mit dem<br />

offiziell eingebrachten Gesetzentwurf der Bundesregierung 938 – bis auf eine<br />

entscheidende Formulierung. § 3 des Entwurfes, den Lehr in der Kabinettssitzung<br />

seinen Kollegen vorgelegt hatte, enthielt folgenden Wortlaut:<br />

„Die Bundesgrenzschutzbehörden sichern das Bundesgebiet gegen<br />

verbotene Grenzübertritte und sonstige, die Sicherheit der Grenzen gefährdende<br />

Störungen der öffentlichen Ordnung. Außerhalb dieser<br />

Aufgaben sind die Bundesgrenzschutzbehörden nicht befugt, in die<br />

polizeilichen Zuständigkeiten der Länder einzugreifen.“ 939<br />

933<br />

934<br />

935<br />

936<br />

937<br />

938<br />

939<br />

BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 2 (1950), S. 823.<br />

Ebd.<br />

Ebd.<br />

Ebd.<br />

BT-Prot. vom 07.11.1950, 97. Sitzung, S. 3553A.<br />

Vgl. hierzu nachfolgenden Wortlaut mit § 3 des Entwurfes in: BT-Drs. I/1785.<br />

Von Lehr am 14.11.1950 vorgelegter Gesetzentwurf, in: BArch, B 136/5043.


184 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

In den Kabinettsprotokollen ist festgehalten, dass das Kabinett die Vorlage des<br />

Gesetzentwurfes über die Errichtung von Bundesgrenzschutzbehörden mit der<br />

Maßgabe genehmigte, „dass Satz 2 von § 3 gestrichen wird“ 940 . Ein Hinweis<br />

darauf, warum dies erfolgt ist, ist im Protokoll nicht enthalten. Wäre diese<br />

Formulierung in § 3 beibehalten worden, wäre ein Einsatz des Bundesgrenzschutzes<br />

nach Art. 91 GG im Landesinneren wohl schwer denkbar gewesen. Vor<br />

allem wäre es mit der Fortgeltung des gestrichenen Satz 2 kaum zu vereinbaren<br />

gewesen, dem Bundesgrenzschutz neue Aufgaben zuzuweisen, wie dies im<br />

BGSG von 1972 geschehen ist 941 .<br />

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass mit dem Kabinettsbeschluss in<br />

dieser Sitzung die politische Entscheidung zur Errichtung des Bundesgrenzschutzes<br />

fiel.<br />

J. Fazit<br />

Es hat sich vorliegend gezeigt, dass die gesamtdeutsche Lage und global umspannende<br />

Ereignisse im Jahr 1949 eine Debatte auslösten, welche maßgeblich<br />

Adenauer mit dem Ziel bestimmte, einen truppenmäßig organisierten Polizeivollzugskörper<br />

(Bundespolizei) zu erhalten 942 . Die administrativen Vorgänge,<br />

einschließlich der erstellten Rechtsgutachten 943 und der wiederholten Vorstöße<br />

Adenauers in Richtung der AHK, zeigten eine gewisse Unsicherheit über die<br />

rechtlichen Möglichkeiten, ob nach dem Grundgesetz überhaupt eine Bundespolizei<br />

errichten werden konnte. Selbst die Alliierten waren diesbezüglich<br />

skeptisch, auch wenn sie ein deutliches Verständnis für die Nöte von Adenauer<br />

zeigten 944 . Die nahezu ein Jahr andauernden Bemühungen der Bundesregierung<br />

schienen mit der Genehmigung der Alliierten für mobile Polizeiformationen auf<br />

Länderebene beendet gewesen zu sein. Der zentrale Akteur der Bundespolizeidebatte,<br />

Adenauer, hatte mit seinen beharrlichen Hinweisen auf die<br />

940<br />

941<br />

942<br />

943<br />

944<br />

BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 2 (1950), S. 823.<br />

Siehe S. 382 ff.<br />

Vgl. hierzu Adenauers Memoranden vom 28.04.1950 (Fn. 964) und vom 29.08.1950<br />

(Fn. 845).<br />

Vgl. das Rechtsgutachten des Bundesjustizministers Dehler (undatiert), S. 142; sowie<br />

den Vermerk über die Zulässigkeit polizeilicher Einrichtungen des Bundesinnenministeriums<br />

vom 20.12.1949, S. 146.<br />

Adenauer „has presented a reasonable case for the formation of some force to protect<br />

the Federal Government“, so lt. der Empfehlung der AHK vom 11.05.1950 (Fn. 791).


§ 4 Die Bundespolizei-Kontroverse im Jahr 1949/50 185<br />

Sicherheitslage Westdeutschlands zwar nicht das Vorhaben Bundespolizei<br />

verwirklichen können – dieses kann ab August 1950 als gescheitert betrachtet<br />

werden – aber gleichwohl den Alliierten das Zugeständnis für eine 30.000 Mann<br />

starke Länderbereitschaftspolizei abringen können 945 . Dies stellt aber letztlich<br />

nur ein Zwischenergebnis in der Debatte über die innere Sicherheit der Bunderepublik<br />

dar, denn der Aufbau der Länderbereitschaftspolizeien schritt der<br />

Bundesregierung nicht schnell genug voran. Um das Sicherheitsleck während<br />

der Aufbauphase zu füllen, mussten andere Auswege gesucht werden. In einem<br />

internen Dokument des Bundesinnenministeriums ist hierzu festgehalten:<br />

„Nachdem dieses Abkommen [Verwaltungsabkommen über die Länderbereitschaftspolizei]<br />

aber […] zunächst auf 10.000 Mann<br />

beschränkt geblieben ist, musste die Bundesregierung neue Wege suchen,<br />

um weitere 20.000 Mann aufstellen zu können.“ 946<br />

Ein neuer Weg lag darin, über Art. 87 GG Bundesgrenzschutzeinheiten aufzustellen<br />

947 . Nachfolgend wird zu analysieren sein, wie sich der Beschluss des<br />

Bundeskabinetts (Aufstellung von Bundesgrenzschutzeinheiten) in konkrete<br />

gesetzliche Form transferierte.<br />

945<br />

946<br />

947<br />

Ziff. 3 der AHK-Verbalnote v. 23.09.1950, vgl. Fn. 863.<br />

„Übersicht über die Tätigkeit der Bundesregierung in der Polizeifrage“, in: BArch<br />

B 106/15701, fol. 42.<br />

In der Sitzung vom 14.11.1950 machte Bundesinnenminister Lehr „noch auf eine<br />

weitere Möglichkeit aufmerksam, nämlich auf die Errichtung von Bundesgrenzschutzbehörden<br />

durch einfaches Bundesgesetz“, BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg,<br />

Bd. 2 (1950), S. 823.


186 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

§ 5 Erstes Gesetz über den Bundesgrenzschutz<br />

A. Einleitung<br />

In der Kabinettssitzung vom 14. November war bereits der Entwurf der Bundesregierung<br />

für ein Bundesgrenzschutzgesetz 948 ausgearbeitet. Dieser umfasste<br />

lediglich vier Paragraphen und umschrieb sehr knapp die Aufgabe des Bundesgrenzschutzes:<br />

„Die Bundesgrenzschutzbehörden sichern das Bundesgebiet gegen<br />

verbotene Grenzübertritte, insbesondere durch die Ausübung der<br />

Passnachschau, und gegen sonstige, die Sicherheit der Grenzen gefährdende<br />

Störungen der öffentlichen Ordnung“ 949 .<br />

Das erste Gesetz über den Bundesgrenzschutz passierte relativ zügig Bundesrat<br />

und Bundestag und trat zum 16. März 1951 nach nur knapp vier Monaten in<br />

Kraft. Widerstand gegen die Errichtung des Bundesgrenzschutzes gab es vor<br />

allem von bayerischer Seite. Dies verwundert nicht, nachdem Bayern sich<br />

besonders gegen die Aufstellung einer Bundespolizei ausgesprochen und hierzu<br />

auch bei den Alliierten versucht hatte, zu intervenieren 950 . Der bayerische Vertreter<br />

im Bundesrat, Josef Schwalber (CSU), trat entschlossen gegen die<br />

Errichtung des Bundesgrenzschutzes ein 951 . Schwalber war Föderalist und<br />

bereits Mitglied des Parlamentarischen Rates im Ausschuss für die Organisation<br />

des Bundes gewesen. Jedoch kann Schwalber letztendlich nicht für die bayerische<br />

Seite alleine stehen, denn das Verhalten Bayerns insgesamt stellt sich weit<br />

differenzierter dar, als auf den ersten Blick ersichtlich. Es war der bayerische<br />

Ministerpräsident Ehard, der zuvor persönlich bei den Alliierten dafür eingetreten<br />

war, dass der Begriff „Polizei“ aus der ganzen Debatte verschwinden<br />

sollte 952 und Anfang 1951 dennoch die Verabschiedung des Bundesgrenzschutzgesetzes<br />

aus taktisch politischen Gründen billigte 953 .<br />

948<br />

949<br />

950<br />

951<br />

952<br />

953<br />

BR-Drs. 1000/50 vom 06.12.1950.<br />

Vgl. § 3 des ersten Entwurfes vom 06.12.1950 = § 2 BGSG 1951.<br />

Vgl. Abschrift eines Schreibens Ehards an McCloy Nr. 18215 vom 18.09.1950 mit dem<br />

Inhalt der Herausstellung der Polizeihoheit der Länder und Ablehnung einer Bundespolizei,<br />

in: BArch B 106/17347.<br />

BR-Prot. vom 15.12.1950, 43. Sitzung, S. 829B ff.<br />

Vgl. Fn. 855.<br />

Näher hierzu S. 191 ff.<br />

D. Parma, Installation und Konsolidierung des Bundesgrenzschutzes 1949 bis 1972,<br />

DOI 10.1007/978-3-<strong>658</strong>-<strong>10928</strong>-8_5, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2016


§ 5 Erstes Gesetz über den Bundesgrenzschutz 187<br />

Die nachfolgend mit eingearbeitete Darstellung der bayerischen Position verdeutlicht<br />

den Föderalismuskonflikt in der Bundespolizeidebatte. Der<br />

nachstehend dargestellte Gesetzgebungsvorgang insgesamt lässt den Schluss zu,<br />

dass die Errichtung des Bundesgrenzschutzes eng mit dem Scheitern der von<br />

Adenauer geplanten Bundespolizei verknüpft ist.<br />

B. Begründung des Gesetzentwurfes<br />

Die offizielle Begründung des Gesetzentwurfes umfasste gerade einmal eine<br />

Seite. Der Entwurf drückte aus, dass „angesichts der häufigen Verletzungen<br />

verschiedener Grenzabschnitte“ sich die Bundesregierung genötigt sah, Bundesgrenzschutzbehörden<br />

einzurichten, welchen jedoch kein „militärischer<br />

Charakter“ innewohne 954 . Die Kompetenz zur Errichtung von Bundesgrenzschutzbehörden<br />

leitete der Entwurf aus Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG ab. Weiterhin<br />

ging der Entwurf davon aus, dass nach der genannten Norm nicht nur ein Verwaltungsaufbau<br />

mit lediglich koordinierenden Funktionen, dessen Behörde man<br />

als Grenzschutzinformations- und Koordinierungsstelle hätte bezeichnen können,<br />

sondern die Grenzschutzbehörden i.S.v. Art 87 GG ähnlich den Polizeibehörden<br />

mit polizeilichem Vollzugspersonal auszustatten seien.<br />

Dem Gesetzentwurf mangelte es an einer hinreichend substantiierten Begründung<br />

für die Errichtung von bundeseigenen Grenzschutzbehörden. Die einfache<br />

Feststellung, dass sich die Bundesregierung aufgrund „häufiger Grenzverletzungen“<br />

genötigt sah, den Grenzschutz generell zu verstärken, ist überaus allgemein<br />

gehalten. Tatsächlich vorliegende ernsthafte Grenzverletzungen, nur solche kann<br />

die Begründung zum Gesetzentwurf gemeint haben, sind nur wenige bekannt 955<br />

– wenn überhaupt eine namhafte Zahl von politisch forcierten Grenzverletzungen<br />

durch die DDR im Jahr 1950 vorliegt 956 . Da der Entwurf und das später<br />

verabschiedete Gesetz bei der Aufgabenzuweisung allerdings von „Sicherung<br />

954<br />

955<br />

956<br />

Begründung zum Gesetzentwurf in: PA-DBT 4000, I/125.<br />

Einige Ereignisse, die im Zusammenhang mit politisch bedingten Grenzverletzungen<br />

gesehen werden können, sind auf S. 122 genannt.<br />

Ein Beispiel hierfür sind die Ereignisse um die ehem. thüringische Enklave Ostheim vor<br />

der Rhön, das Eingreifen von Betriebskampfgruppen und kasernierter Volkspolizei war<br />

zu befürchten, sodass Grenzschutzverbände Position im betreffenden Bereich bezogen;<br />

Näheres hierzu bei: Schmidt, An der Grenze der Freiheit, S. 169.


188 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

des Bundesgebietes gegen verbotene Grenzübertritte“ 957 spricht, muss der Begründungstext<br />

bei der Erwähnung der Grenzverletzungen die Grenzübertritte der<br />

Bevölkerung aus der sowjetischen Besatzungszone mit berücksichtigt haben.<br />

Hierzu liegt auch beweiskräftiges Zahlenmaterial vom Statistischen Bundesamt<br />

vor. Im Jahr 1950 haben 337.300 Personen die Grenze von der Sowjetzone nach<br />

Westdeutschland überschritten 958 . Per se hätte diese Begebenheit allerdings nicht<br />

die Notwenigkeit der Errichtung des Bundesgrenzschutzes gerechtfertigt, zumal<br />

bereits im August 1950 das „Gesetz über die Aufnahme von Deutschen in das<br />

Bundesgebiet“ 959 verabschiedet worden war, welches nahezu jeder geflüchteten<br />

Person den Aufenthalt in Westdeutschland ermöglichte.<br />

Das Argument der „häufigen Grenzverletzungen“ in der Begründung des Gesetzentwurfes<br />

hätte von der Bundesregierung im Gesetzgebungsvorgang besser<br />

genutzt oder modifiziert werden können 960 , so wie es Adenauer in seinem Memorandum<br />

über die Sicherung des Bundesgebietes nach innen und außen vom<br />

29. August 1950 getan hatte. Adenauer führte zur Sicherheit des Bundesgebietes<br />

Folgendes aus:<br />

„Zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung gegenüber der Fünften<br />

Kolonne, gegen Übergriffe der Volkspolizei und der FDJ verfügt die<br />

Bundesregierung bis heute über keine entsprechenden Kräfte. Es<br />

könnte sehr wohl der Fall eintreten, dass nach koreanischem Muster<br />

die Volkspolizei offene oder getarnte Aktionen gegen westdeutsches<br />

Gebiet beginnt. Sollten in einem solchen Fall die Alliierten aus irgendwelchen<br />

Gründen ihre Kräfte nicht zum Einsatz bringen wollen,<br />

so müsste es die Aufgabe einer Polizei auf Bundesebene sein, nach<br />

Kräften gegen diese Aktionen einzuschreiten. Die Bundesregierung<br />

schlägt deshalb vor, umgehend auf Bundesebene eine Schutzpolizei in<br />

einer Stärke aufzustellen, die eine hinreichende Gewähr für die Innere<br />

Sicherheit zu bieten vermag. Die Bundesregierung ist sich darüber im<br />

957<br />

958<br />

959<br />

960<br />

Vgl. § 2 Satz 1 BGSG 1951.<br />

StBA, Statistisches Jahrbuch für die BRD 1968, S. 68.<br />

BGBl. I 1950, S. 367.<br />

Etwa mit dem Hinweis auf vorhandene „kommunistische Waffendepots“ im Bundesgebiet,<br />

welche Erkenntnissen zufolge vorhanden waren, vgl. Lex, in: Seidel, FS für Ehard,<br />

S. 126.


§ 5 Erstes Gesetz über den Bundesgrenzschutz 189<br />

Klaren, dass eine solche Schutzpolizei nur im Wege über ein verfassungsänderndes<br />

Gesetz aufgestellt werden kann.“ 961<br />

Diese von Adenauer dargestellte latente Bedrohungslage und das Kräfteungleichgewicht<br />

gegenüber den kasernierten Polizeitruppen der DDR zur<br />

Verwendung als Begründung im Gesetzentwurf wären allerdings mit der damaligen<br />

Fassung des Art. 91 GG nur schwer vereinbar gewesen. Denn eine Gefahr<br />

im Sinne von Art. 91 GG für den Bestand des Bundes oder eines Landes, wie sie<br />

Adenauer im Memorandum beschrieben hat, hätte nur mit den dort explizit<br />

erwähnten Landespolizeikräften abgewehrt werden dürfen – der Bundesgrenzschutz<br />

war dort noch nicht genannt 962 . Somit ist es nicht verwunderlich, dass die<br />

Bundesregierung ihre Ausführungen eher knapp hielt und die Sprache der<br />

politischen Not („die Bundesregierung sieht sich genötigt“ 963 ) verwendete, wie<br />

sie auch von Adenauer in der Bundespolizei-Kontroverse bereits gebraucht<br />

wurde 964 .<br />

Zwischen den Zeilen lässt sich erkennen, dass die wahre Intention der Bundesregierung<br />

nicht nur der polizeiliche Grenzschutz des Bundesgebietes war, wie er<br />

notdürftig in der Begründung des Gesetzentwurfes zu finden ist, sondern der<br />

Bundesgrenzschutz auch als Aliud zur gescheiteten Bundespolizei und Substitut<br />

zur nicht schnell genug errichteten Länderbereitschaftspolizei angesehen werden<br />

kann. Hierfür sprechen die Phasen der Rechtsfindung im Vorausgang des Gesetzgebungsverfahrens,<br />

die allesamt zu dem Schluss kommen, dass eine<br />

Bundespolizei höchsten über Art. 73 Ziff. 5 GG a.F. zu erreichen wäre 965 , es sei<br />

961<br />

962<br />

963<br />

964<br />

965<br />

Ziff. V. des Memorandums vom 29.08.1950 (Fn. 842).<br />

Der Bundesgrenzschutz wurde erst im Zuge der Notstandsverfassung ab 1968 in Art. 91<br />

GG genannt.<br />

Begründung zum Gesetzentwurf in: PA-DBT 4000, I/125.<br />

Schreiben Adenauers in der ersten Initiativphase vom 28.04.1950, in: DzD II/3 (1950),<br />

Dok. Nr. 268, S. 716: „The Federal Government is not able to take any executive police<br />

measures on its own authority. […] In the long run a Federal state can only maintain itself<br />

if it commands an instrumente for the execution of its will. […] The Federal<br />

Government therefore considers the establishment of a Federal Police Force to be an absolute<br />

necessity.“<br />

Vgl. Vermerk betr. die Zulässigkeit polizeilicher Einrichtungen des Bundes (Fn. 733):<br />

„Wenn seitens des Bundes ein ‚Gegengewicht zur Ostzonenpolizei‘ gebildet werden<br />

soll, so wäre dies höchstens über den Bundesgrenzschutz denkbar“; Memorandum zu<br />

der vorgeschlagenen Beantwortung der Anfrage Nr. 87 (Fn. 811): „Möglichkeiten, die<br />

Frage der Aufstellung einer Bundespolizei zu lösen. […] Der Bund errichtet einen eige-


190 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

denn die Bundesregierung könnte eine Verfassungsänderung durchsetzen 966 . Die<br />

Änderung des Grundgesetzes erfolgte jedoch nicht, womit nur der Weg für eine<br />

Lösung per Verwaltungsabkommen mit den Ländern über eine Länderbereitschaftspolizei<br />

blieb. Lehr führte in diesem Zusammenhang während einer<br />

Kabinettssitzung aus, dass „der Weg der Verfassungsänderung […] aber außerordentlich<br />

zeitraubend [sei], so dass der Versuch gemacht worden sei, die<br />

Angelegenheit durch ein Verwaltungsabkommen mit den Ländern zu regeln“ 967 .<br />

Er tätigte diese Aussage im Rahmen des Tagesordnungspunktes „Verwaltungsabkommen<br />

mit den Ländern über die Errichtung von Bereitschaftspolizeien“.<br />

Weiterhin ist im Protokoll in diesem Zusammenhang vermerkt:<br />

„Er [Lehr] macht dann noch auf eine weitere Möglichkeit aufmerksam,<br />

nämlich auf die Errichtung von Bundesgrenzschutzbehörden<br />

durch einfaches Bundesgesetz. Es bleibe zu überlegen, ob man sich<br />

nicht mit 10.000 Mann Bereitschaftspolizei begnügen und Grenzschutzbehörden<br />

in Stärke von 20.000 Mann aufstellen sollte. Wenn es<br />

im Wege einer Verfassungsänderung zu einer Bundespolizei kommen<br />

sollte, könnten die Grenzschutzbehörden in die Bundespolizei überführt<br />

werden.“ 968<br />

Im Anschluss an Lehrs Ausführungen beschloss das Kabinett die Vorlage des<br />

Gesetzentwurfes über die Errichtung von Bundesgrenzschutzbehörden. Dafür,<br />

dass diese Errichtung ein Ersatz für eine Bundespolizei und eine Überbrückung<br />

für die Zeit sein sollte, in der noch keine Länderbereitschaftspolizeien aufgestellt<br />

waren, sprechen auch Lehrs Ausführungen in der ersten Debatte zum<br />

Bundesgrenzschutzgesetz im Bundestag am 25. Januar 1951. Dort referierte er<br />

zunächst über das allgemein bezeichnete Vorhaben „Polizeiverstärkung“ und<br />

den in seinen Augen mangelhaften Fortschritt bei der Aufstellung von Länderbereitschaftspolizeien<br />

und betonte hierbei, dass bislang keine Rekrutierungen von<br />

Bereitschaftspolizisten erfolgt seien 969 . Ebenso stellte er dar, dass es Bemühungen<br />

gebe, die „Polizeiverstärkung“ über einen zweiten Weg (Errichtung einer<br />

966<br />

967<br />

968<br />

969<br />

nen Bundesgrenzschutz nach Art. 87 Abs. 1 S. 3 GG, der reine grenzpolizeiliche Aufgaben<br />

wahrnehmen soll“.<br />

„Die Bundesregierung ist sich darüber im Klaren, dass eine solche Schutzpolizei nur im<br />

Wege über ein verfassungsänderndes Gesetz aufgestellt werden kann.“, vgl. S. 188.<br />

BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 2 (1950), S. 822.<br />

Ebd., S. 823.<br />

BT-Prot. vom 25.01.1951, 114. Sitzung, S. 4274B.


§ 5 Erstes Gesetz über den Bundesgrenzschutz 191<br />

Bundesbereitschaftspolizei) durchzuführen, aber die erforderliche Zweidrittelmehrheit<br />

nicht hatte gefunden werden können. Direkt im Anschluss an die<br />

Erwähnung des Scheiterns der Bundesbereitschaftspolizei bemerkte Lehr, dass<br />

die Errichtung von Bundesgrenzschutzbehörden „keiner zeitraubenden Verhandlungen“<br />

bedürfe, sondern „nur eines einfachen“ – der Mehrheit des Bundesta-<br />

Bundestages 970 erfordere.<br />

C. Bayerische Gegenposition<br />

Die Haltung der Bayerischen Landesregierung im Zusammenhang mit dem<br />

ersten Bundesgrenzschutzgesetz ist ein eindrückliches Beispiel für die Ablehnung<br />

einer Polizeizuständigkeit auf Bundesebene. Bezugspunkt für die<br />

bayerische Position war die Bayerische Grenzpolizei. Bayern verfügte über eine<br />

eigene Grenzpolizei 971 , welche zum Zeitpunkt der Diskussion um die Bundespolizei<br />

bzw. den Bundesgrenzschutz sehr gut ausgebaut und bedeutend war. Sie<br />

umfasste Anfang 1951 rund 2.400 Grenzpolizeibeamte und nahm an der bayerischen<br />

Grenze zur Sowjetzone, zur CSSR und zu Österreich die Aufgaben der<br />

Grenzüberwachung und Passkontrolle war 972 .<br />

Das Bayerische Kabinett beriet am 13. Dezember 1950 erstmals ausführlich<br />

über den Gesetzentwurf für ein Bundesgrenzschutzgesetz. Zentraler Punkt<br />

hierbei war der Blick auf die eigene Grenzpolizei, bzw. darauf, welche Beschneidungen<br />

diese gegebenenfalls zu erleiden hätte, wenn eine Bundesgrenzpolizei<br />

errichtet werden würde. Argumentativ führten die bayerischen<br />

Kabinettsmitglieder aus, dass im Rahmen von Art. 87 GG „nie an eine Grenzpolizei<br />

gedacht worden sei“ und jedes Land „die polizeilichen Befugnisse und die<br />

Verantwortung für die Sicherheit bis zur Grenze haben“ müsse 973 . Im internen<br />

bayerischen Ministerialbetrieb entstanden im Dezember 1950 mehrere Gutachten,<br />

die sich ausführlich mit der Frage der Rechtmäßigkeit des<br />

Bundesgrenzschutzes befassten und allesamt zu dem Ergebnis kamen, dass die<br />

Errichtung des Bundesgrenzschutzgesetzes verfassungsrechtlich unzulässig sei,<br />

970<br />

971<br />

972<br />

973<br />

Ebd.<br />

Errichtet durch Verordnung des Bayerischen Innenministeriums am 15.11.1945, vgl.<br />

GVBl. BY 1946, S. 217.<br />

Vgl. Vermerk über die Bayerische Grenzpolizei vom 31.03.1951, in: BArch<br />

B 106/16480.<br />

BADW, Kabinett Ehard II, Bd. 3, Dok.-Nr. 137, S. 708.


192 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

da unter Art. 87 GG „kein Vollzugskörper und keinesfalls Polizei zu verstehen<br />

sei“ 974 , Art. 73 Ziff. 5 GG a.F. den Grenzschutz nur zur „Sicherung der Wirtschaft<br />

und der Finanzen gegenüber dem Ausland“ 975 sehe und im Übrigen Art.<br />

91 GG nur Polizeien der Länder und keinen Bundesgrenzschutz kenne. Im Falle<br />

einer Errichtung des Bundesgrenzschutzes würde die „Polizei der Länder immer<br />

mehr auf die Nachtwächterrolle herabgedrückt“ werden 976 . Somit müsse „gegen<br />

die Errichtung einer Grenzschutztruppe grundsätzlich und schärfstens Stellung<br />

genommen werden“ 977 . Folglich fiel auch der Beschluss des bayerischen Kabinetts<br />

eindeutig aus – der Bund müsse sich auf die Zollangelegenheiten<br />

beschränken, der Grenzschutz müsse Landessache bleiben und eine Zustimmung<br />

zum Bundesgrenzschutzgesetz dürfe nicht erteilt werden 978 . Die bayerische<br />

Haltung lässt sich ohne Weiteres nachvollziehen, vorausgesetzt man bejaht das<br />

Bestehen eines redaktionellen Versehens bei der Umsetzung des Polizeibriefes<br />

in Art. 73 Ziff. 5 GG a.F. 979 und negiert die Befugnis zur Einrichtung von Bundesgrenzschutzbehörden<br />

mit eigenen Polizeivollzugskräften aus Art. 87 GG 980 .<br />

Die demonstrative Emporhebung der Länderpolizeihoheit, die in der Beharrung<br />

auf die Beibehaltung der Grenzpolizei 981 zur Geltung kommt, war Teil der<br />

974<br />

975<br />

976<br />

977<br />

978<br />

979<br />

980<br />

981<br />

BayHStA, MInn 90353, Az. BR.Nr. 293 fd 1396 vom 12.12.1950, S. 1.<br />

Ebd., S. 3.<br />

BayHStA, MInn 90353, Vermerk über die Beratungen im Bundesratsausschusses für<br />

Innere Angelegenheiten vom 14.12.1950, S. 1.<br />

BayHStA, MInn 90353, Schreiben an Laforet vom Januar 1951, S. 1.<br />

BADW, Kabinett Ehard II, Bd. 3, Dok.-Nr. 137, S. 710.<br />

Die h.M. sieht in der Einfügung des Wortes „Grenzschutz“ in Art. 73 Ziff. 5 GG a.F. in<br />

die Formulierung „Einheit des Zoll- und Handelsgebietes, die Handels- und Schifffahrtsverträge,<br />

die Freizügigkeit des Warenverkehrs und den Waren- und<br />

Zahlungsverkehr mit dem Auslande einschließlich des Zoll- und Grenzschutzes“ ein redaktionelles<br />

Versehen. Dem Bund kommt demnach eine eigene Gesetzgebungskompetenz<br />

für den Grenzschutz, ohne einer Beschränkung im Zusammenhang<br />

mit dem Waren- und Zahlungsverkehr, zu, so: Maunz/Dürig, GG, 58. Lfg. 4/2010, Art.<br />

73 Rn. 120; Sachs, GG, 3. Aufl., Art. 73 Rn. 24; Münch/Kunig, GG, 4./5. Aufl., Art. 73<br />

Rn. 26; Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 4. Aufl., Art. 73 Rn. 50; siehe hierzu auch S.<br />

76.<br />

Selbst das BMI war sich in der Rechtsfindungsphase nicht sicher, ob die „Bundesgrenzschutzbehörden“<br />

nach Art. 87 GG auch Exekutivkräfte beinhalten, oder ob es sich bei<br />

diesen nur um Verwaltungsbehörden ohne Exekutivkörper handeln darf, vgl. Vermerk<br />

betr. die Zulässigkeit polizeilicher Einrichtungen des Bundes des Referates I A 1 vom<br />

20.12.1949, in: BArch B 106/15701.<br />

Erst gegen Ende der 60er Jahre wurde die Auflösung der Bayerischen Grenzpolizei<br />

diskutiert, diese aber aufgrund der Bewährtheit dennoch beibehalten, vgl. Volkert,<br />

Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte, 1799-1980, S. 57.


§ 5 Erstes Gesetz über den Bundesgrenzschutz 193<br />

bayerischen föderalistischen Position, welche zumal in dieser Sache Aufwind<br />

durch generelle Zweifel an der Notwendigkeit eines Grenzschutzes auf Bundesebene<br />

bekam. Es entstand gegen Ende 1950 die verwirrende Situation, dass das<br />

Gesetzesvorhaben Bundesgrenzschutzgesetz bereits angelaufen und zugleich<br />

über die Anträge der SPD- und FDP-Fraktion 982 auf Änderung des Grundgesetzes<br />

mit dem Ziel der Errichtung einer Bundesbereitschaftspolizei aber noch<br />

nicht abschließend entschieden war. Die Anträge von SPD und FDP verliefen<br />

letztendlich nach Überweisung an den Ausschuss für innere Verwaltung ohne<br />

Ergebnis und wurden ab Anfang 1951 nicht mehr verfolgt 983 . Jedoch gestaltete<br />

sich diese Parallelkonstellation derart kritisch, dass im Hinblick auf die vorgeschlagenen<br />

Änderungen des Grundgesetzes sogar von „Koalitionsbruch“ 984 die<br />

Rede war, sollte die Bundesregierung weiter die Bundespolizei über eine Verfassungsänderung<br />

zu erreichen versuchen 985 .<br />

Für Bayern ergriff Schwalber in der ersten Bundesratssitzung am 15. Dezember<br />

1950 die Initiative. Er führte aus, dass es für das Bundesgrenzschutzgesetz<br />

weder eine verfassungsrechtliche Grundlage noch eine praktische Notwendigkeit<br />

gäbe 986 . Er argumentierte vor allem im Sinne einer sehr engen Auslegung<br />

des Begriffes „Bundesgrenzschutzbehörden“. Diese könnten „weder Polizeibehörden<br />

sein“, „noch Polizeibefugnisse“, oder „polizeiliche Exekutivaufgaben“<br />

erhalten, sondern nur eine „verwaltende Tätigkeit“ ausüben 987 . Weitergehenden<br />

Einfluss auf die Position der anderen Länder konnte Bayern mit seiner Haltung<br />

aber nicht nehmen. Auch wenn diese grundsätzlich Bayerns Engagement für die<br />

Polizeihoheit der Länder teilten, kam Bayern im Konflikt mit dem Bund aufgrund<br />

der eigenen, gut ausgebauten Grenzpolizei eine Sonderrolle zu. So<br />

wurden in der ersten Sitzung im Bundesrat keine weitergehenden Einwendungen<br />

982<br />

983<br />

984<br />

985<br />

986<br />

987<br />

Antrag der SPD (BT-Drs. I/1515) und der FDP (BT-Drs. 1/1577) zur Änderung des GG,<br />

siehe hierzu S. 174, 181.<br />

Nachweis zur Einstellung der parlamentarischen Tätigkeit zu den BT-Drs. I/1515,<br />

I/1577, in: BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 4 (1951), S. 38, Fn. 14.<br />

Gemeint war der Austritt der CSU aus der Unionsfraktion und somit der Bundesregierung,<br />

da das Kabinett Adenauer I zu dieser Zeit aus CDU/CSU, FDP und DP bestand;<br />

vgl. hierzu „Übersicht über die Tätigkeit der Bundesregierung in der Polizeifrage“, in:<br />

BArch B 106/15701, S. 44.<br />

BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 2 (1950), S. 885: „Die Ausführungen<br />

des Bundesfinanzministers werden von dem Bundesjustizminister unterstützt, der darauf<br />

hinweist, dass sogar ein Koalitionsbruch zu befürchten sei, wenn die Bundesregierung<br />

auf einer Änderung des Grundgesetzes bestehe“.<br />

BR-Prot. vom 15.12.1950, 43. Sitzung, S. 829B.<br />

Ebd., S. 829C.


194 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

gegen die Gesetzesvorlage erhoben – auch wenn die Abstimmung mit 23 zu 20<br />

Stimmen für das Bundesgrenzschutzgesetz äußerst knapp war. Es zeichnete sich<br />

für Bayern ab, dass das Bundesgrenzschutzgesetz nicht mehr ohne Weiteres zu<br />

verhindern war.<br />

Das Ziel, die eigene Grenzpolizei zu erhalten, hatte jedoch weiterhin oberste<br />

Priorität. Dementsprechend beschränkte sich der bayerische Vertreter im Bundestag,<br />

Richard Jaeger 988 (CSU), darauf, in der Plenarsitzung anzumerken, dass<br />

auch bei der Errichtung des Bundesgrenzschutzes die Bayerische Grenzpolizei<br />

unter Duldung des Bundesinnenministeriums doch weiterbestehen könne 989 .<br />

Bayern konnte letztendlich dem Bund die Beibehaltung der Grenzpolizei abringen,<br />

indem es weiteren Widerstand gegen das Bundesgrenzschutzgesetz aufgab.<br />

Möglich wurde dies durch die weitsichtige Lagebeurteilung des bayerischen<br />

Ministerpräsidenten Hans Ehard. Er hatte 1950 nicht unerheblich zum Scheitern<br />

der Bundespolizei beigetragen, aber zwischenzeitlich erkannt, dass dieser Erfolg,<br />

die Verhinderung der Bundesbereitschaftspolizei, höher einzuschätzen war,<br />

als die Verhinderung des Bundesgrenzschutzes. Mit der Erhaltung der Landesgrenzpolizei<br />

kam ihm ein politischer „Prestige-Erfolg“ zu 990 . Ehard konnte in<br />

der Folgezeit seinen damaligen Innenminister Wilhelm Hoegner 991 (SPD) 992<br />

davon abbringen, Klage gegen das Bundesgrenzschutzgesetz beim Bundesverfassungsgericht<br />

einzureichen, was Hoegner für den Fall der Errichtung des<br />

Bundesgrenzschutzes beabsichtigt hatte, denn Ehard musste davon ausgehen,<br />

dass dann die Bayerische Grenzpolizei endgültig aufgrund der eindeutigen<br />

Zuständigkeit des Bundes für den Grenzschutz aufgelöst werden würde 993 .<br />

988<br />

989<br />

990<br />

991<br />

992<br />

993<br />

Richard Jaeger (1913-1998), Richter, seit 1946 Mitglied der CSU, 1949 bis 1980<br />

Mitglied des Bundestages, Befürworter der Remilitarisierung, Präsident der Deutschen<br />

Atlantischen Gesellschaft von 1957 bis 1990, von 1965 bis 1966 Bundesjustizminister,<br />

vgl. Vierhaus/Herbst (Hrsg.), Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen<br />

Bundestages 1949-2002, Bd. 1, S. 382.<br />

BT-Prot. vom 15.02.1951, 118. Sitzung, S. 4515B.<br />

Gelberg, Die föderalistische Politik des bayerischen Ministerpräsidenten 1946-1954,<br />

S. 332.<br />

Wilhelm Hoegner (1887-1980), Jurist, seit 1919 Mitglied der SPD, 1930 bis 1933<br />

Mitglied des Reichtages, Exil in der Schweiz 1933 bis 1945, 1945 bis 1946 und 1954<br />

bis 1957 bayerischer Ministerpräsident, vgl. Balcar/Schlemmer (Hrsg.), An der Spitze<br />

der CSU, Die Führungsgremien der CSU 1946 bis 1955, S. 44.<br />

Die CSU bildete vom 18.12.1950 bis 14.12.1954 eine große Koalition mit der SPD.<br />

Gelberg, Die föderalistische Politik des bayerischen Ministerpräsidenten 1946-1954,<br />

S. 333.


§ 5 Erstes Gesetz über den Bundesgrenzschutz 195<br />

Dass die CSU-Fraktion die Koalition mit der CDU auf Bundesebene wegen des<br />

Bundesgrenzschutzgesetzes aufgekündigt hätte, erscheint kaum denkbar. Dies<br />

wäre allenfalls möglich gewesen, wenn die Bundesregierung mit allen Mitteln<br />

die Errichtung der Bundespolizei über eine Verfassungsänderung versucht<br />

hätte 994 . Im Übrigen wären die Möglichkeiten Bayerns in Bezug auf das Bundesgrenzschutzgesetz<br />

ohnehin darauf beschränkt gewesen, andere Länder zu<br />

beeinflussen und für die eigene Position zu gewinnen 995 oder im Bundesrat den<br />

Vermittlungsausschuss anzurufen und so höchstens das Inkrafttreten des Gesetzes<br />

zu verzögern 996 . Auf diese Möglichkeit hat Bayern allerdings tatsächlich<br />

verzichtet und so ein schnelles Inkrafttreten des Bundesgrenzschutzgesetzes<br />

ermöglicht 997 .<br />

D. Lesungen im Gesetzgebungsverfahren<br />

Die Verhandlungen des Bundestages und des Bundesrates zum Bundesgrenzschutzgesetz<br />

sind umfangreich und befassen sich mit allen, der Materie<br />

immanenten, verfassungsrechtlichen und praktischen Problemen. Die politische<br />

Anamnese der Bundespolizei-Kontroverse im Verlaufe des Jahres 1950 hatte<br />

ihre Spuren im Bewusstsein der Länder im Hinblick auf die Polizeihoheit hinterlassen,<br />

sodass ein reibungsloser Durchmarsch der Gesetzesinitiative nicht<br />

möglich war, auch wenn das Gesetz ganzheitlich betrachtet relativ zügig in Kraft<br />

treten konnte. Die Aussagen der Regierungsvertreter in Bundestag und Bundesrat<br />

reihten sich nahtlos an die zielstrebige Methodik Adenauers an, ohne<br />

tiefgreifende Begründung oder hinreichende tatsächliche Transparenz, eine<br />

Bundesexekutivbehörde errichten zu wollen. Erwähnenswert ist vor allem, dass<br />

994<br />

995<br />

996<br />

997<br />

Vgl. BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 2 (1950), S. 885: „[…] dass sogar<br />

ein Koalitionsbruch zu befürchten sei, wenn die Bundesregierung auf einer Änderung<br />

des Grundgesetzes bestehe“.<br />

Hier hätte möglicherweise die Chance bestanden Hessen und Württemberg-Baden<br />

gegen das Bundesgrenzschutzgesetz zu mobilisieren, da diese beiden Länder angekündigt<br />

hatten, bei Weiterverfolgung des Gesetzentwurfs das Verwaltungsabkommen über<br />

die Länderbereitschaftspolizeien zu kündigen, vgl. BArch, Die Kabinettsprotokolle der<br />

BReg, Bd. 4 (1951), S. 38.<br />

Bayern bewertete das knappe Ergebnis der ersten Abstimmung im Bundesrat dahingehend,<br />

dass Rheinland-Pfalz „noch nicht ganz sicher zu sein schien“ und „vielleicht<br />

dieses Land noch für Ablehnung gewonnen werden könnte“, vgl. BayHStA, MInn<br />

90353, Vermerk über die Beratungen im Bundesratsausschusses für Innere Angelegenheiten<br />

vom 14.12.1950, S. 2.<br />

BR-Prot. vom 02.03.1951, 51. Sitzung, S. 176B.


196 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

der damalige Bundesinnenminister Lehr die Schuld an der ungünstigen Vorgeschichte<br />

im Zusammenhang mit der inneren Sicherheit und der Bundespolizei<br />

teilweise bei den Alliierten suchte 998 – was als unhaltbar zu klassifizieren ist, da<br />

die Alliierten indirekt durch den Polizeibrief und direkt durch die Zustimmung<br />

zur Errichtung von Landesbereitschaftspolizeien die Aufstellung von kasernierten<br />

Polizeieinheiten erst ermöglicht hatten 999 .<br />

I. Erste Verhandlung des Bundesrates<br />

Über den Gesetzentwurf wurde im Bundesrat erstmalig am 15. Dezember 1950<br />

beraten. Während dieser Sitzung trug der bayerische Vertreter Schwalber u.a.<br />

die erwähnten verfassungsrechtlichen Bedenken vor, welche allerdings mit<br />

Mehrheit vom Innenausschuss des Bundesrates nicht mitgetragen wurden. Der<br />

Innenausschuss anerkannte die Zuständigkeit des Bundes für die Errichtung von<br />

Grenzschutzbehörden und die Ausstattung mit Vollzugspersonal 1000 . Die Ländervertreter<br />

teilten die bayerische enge Auslegung des Begriffs „Grenzschutz“<br />

ebenso wenig wie der Innenausschuss, äußerten aber andere, meist praktische<br />

Vorbehalte gegen das Bundesgrenzschutzgesetz. So stellte der Vertreter aus<br />

Hamburg die Notwendigkeit der Errichtung des Bundesgrenzschutzes grundsätzlich<br />

in Frage, vor allem im Hinblick darauf, dass es in ganz Westdeutschland<br />

der Polizei an Waffenausrüstung mangele, „die Förster nicht einmal die Möglichkeit<br />

hätten Wildschweine abzuschießen“, und nun solle eine weitere voll<br />

bewaffnete Einheit errichtet werden 1001 . Der Vertreter aus Schleswig-Holstein<br />

warf ebenso die Frage nach der Notwendigkeit auf 1002 . Relativ einig waren sich<br />

die Ländervertreter darin, dass in der Aufgabenzuweisung im Entwurf des<br />

Bundesgrenzschutzgesetzes 1003 der Halbsatz „insbesondere durch die Ausübung<br />

998<br />

999<br />

1000<br />

1001<br />

1002<br />

1003<br />

BT-Prot. vom 25.01.1951, 114. Sitzung, S. 4275B.<br />

Vgl. Ziff. 3 und 4 des alliierten Beschlusses zur Aufstellung von Landesbereitschaftspolizeikräften,<br />

in: DzD II/3 (1950), Dok. Nr. 391C, S. 1038.<br />

BR-Prot. vom 15.12.1950, 43. Sitzung, S. 828D.<br />

Ebd., S. 830C.<br />

Ebd., S. 831A.<br />

§ 3 BGSG-Entwurf (BR-Drs. 1000/50): „Die Bundesgrenzschutzbehörden sichern das<br />

Bundesgebiet gegen verbotene Grenzübertritte, insbesondere durch die Ausübung der<br />

Passnachschau, und gegen sonstige, die öffentliche Sicherheit der Grenzen gefährdende<br />

Störungen der öffentlichen Ordnung“.


§ 5 Erstes Gesetz über den Bundesgrenzschutz 197<br />

der Passnachschau“ gestrichen werden sollte 1004 . Dies sollte der „präziseren<br />

Umgrenzung der Kompetenzen der Bundesgrenzschutzbehörden“ 1005 dienen und<br />

vermeiden, dass der Eindruck erweckt würde, dass „Doppel- und Dreifach-<br />

Kontrollen“ 1006 an den Grenzübergängen vorgenommen würden. Auf die Zweifel<br />

an der Notwendigkeit eines Bundesgrenzschutzgesetzes konnte der<br />

Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Ritter von Lex 1007 (CSU), nur entgegnen,<br />

dass „verbotene Grenzübertritte in hohem Maß“ 1008 erfolgen würden<br />

und deshalb ein Tätigwerden unentbehrlich sei.<br />

Eine ausführlichere, transparentere Begründung wie diejenige offizielle zum<br />

Gesetzentwurf, welche ebenso nur die pauschale Notwendigkeit erwähnt, konnte<br />

Ritter von Lex im Bundesrat nicht geben – es wurde schlicht und knapp pauschal<br />

auf Grenzverletzungen hingewiesen. Staatssekretär Ritter von Lex war Angehöriger<br />

der CSU und befand sich in einer unangenehmen Position, denn er musste<br />

das Vorhaben Bundesgrenzschutz gegen die bayerischen Interessen voranbringen,<br />

obwohl er als der „von Bayern im Bundesinnenministerium platzierte Hüter<br />

des Föderalismus“ 1009 galt. Dieser Rolle wurde er auch dadurch gerecht, dass er<br />

in der ersten Sitzung des Bundesrates eine im Kern nur flüchtige Bemerkung<br />

nebenbei tätigte, die aber ein entscheidendes Signal an die bayerische Seite war.<br />

Ritter von Lex äußerte, dass Bayern „in Gottes Namen den laufenden Grenzkontrolldienst“<br />

übernehmen und so seine Grenzpolizei behalten könne 1010 . Wie<br />

bereits angemerkt, war für den bayerischen Ministerpräsidenten Ehard der<br />

Erhalt der Grenzpolizei aus Prestigegründen immens wichtig. Da jedoch der<br />

Grenzschutz gemäß Art. 73 Ziff. 5 GG a.F. in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz<br />

des Bundes fällt, war es fraglich, wie das Bestehen eines<br />

Landesgrenzschutzes oder vor allem das Bestehen von landesrechtlichen Vorschriften<br />

über den (Landes-)Grenzschutz im Hinblick auf Art. 124 GG zu<br />

bewerten war. In Bayern war die Grenzpolizei allerdings als reiner Organisati-<br />

1004<br />

1005<br />

1006<br />

1007<br />

1008<br />

1009<br />

1010<br />

Alle Änderungen der Entwurfsfassung im Beschluss der 43. Sitzung des BR = BR-Drs.<br />

1065/50.<br />

Ziff. 3 der Begründung zu den Änderungsvorschlägen des BR, in: PA-DBT 4000, I/125.<br />

BR-Prot. vom 15.12.1950, 43. Sitzung, S. 831A.<br />

Hans Ritter von Lex (1893-1970), Jurist, Mitglied der BVP, 1932 bis 1933 Mitglied des<br />

Reichstages, ab 1945 Mitglied der CSU, 1950 bis 1960 Staatssekretär im Bundesinnenministerium,<br />

vgl. BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 8 (1955), S. 773.<br />

BR-Prot. vom 15.12.1950, 43. Sitzung, S. 831C.<br />

Gelberg, Die föderalistische Politik des bayerischen Ministerpräsidenten 1946-1954,<br />

S. 330.<br />

BR-Prot. vom 15.12.1950, 43. Sitzung, S. 832A.


198 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

onsakt durch Rechtsverordnung 1011 1946 ins Leben gerufen worden. Menzel<br />

(SPD) war der Auffassung, dass dennoch auch die Bayerische Grenzpolizei über<br />

Art. 124 GG zum Bundesgrenzschutz wurde 1012 .<br />

Lehr hingegen erklärte, dass es sich bei der bayerischen Rechtsverordnung über<br />

die Grenzpolizei um kein objektives Recht i.S.v. Art. 124 GG handele und diese<br />

somit niemals Bundesrecht geworden sei 1013 . Dieser Auffassung kann nicht<br />

gefolgt werden, da Art. 124 GG Recht jeden Ranges, also alle Rechtsnormen,<br />

umfasst 1014 . Hierzu gehören auch Rechtsverordnungen, Satzungen und Gewohnheitsrecht<br />

1015 . Insofern ist Menzels oben erwähnter Auffassung zuzustimmen.<br />

Ebenso führte Lehr aus, dass es, abgesehen von der Frage der Fortgeltung des<br />

Rechts, nicht ausgeschlossen sei, dass der Bund unter Verzicht auf das Recht der<br />

eigenen Verwaltung den Vollzug einem Land in eigener Verwaltung überlasse<br />

(bspw. durch ein Verwaltungsabkommen) 1016 . Aufgrund der Sperrwirkung 1017 ,<br />

die sich mit Erlass des Bundesgrenzschutzgesetzes hinsichtlich der Materie<br />

Grenzschutz für die Länder ergab, war es seinerzeit umstritten, ob der Bund<br />

überhaupt die Möglichkeit hatte, ein entsprechendes Verwaltungsabkommen mit<br />

Bayern zu schließen 1018 . Es war „ein bayerisches Reservatrecht ohne Verfassungsgrundlage<br />

entstanden“ 1019 , zumal das erste Bundesgrenzschutzgesetz keine<br />

ausdrückliche Möglichkeit vorsah, dass ein Land im Einvernehmen mit dem<br />

Bund Aufgaben des grenzpolizeilichen Einzeldienstes wahrnehmen konnte. Eine<br />

entsprechende Formulierung wurde erst mit § 1 Abs. 1 i.V.m. § 63 Abs. 1<br />

BGSG 1972 geschaffen 1020 .<br />

1011<br />

1012<br />

1013<br />

1014<br />

1015<br />

1016<br />

1017<br />

1018<br />

1019<br />

1020<br />

Verordnung des Bayerischen Innenministeriums vom 15.11.1945, vgl. GVBl. BY 1946,<br />

S. 217.<br />

BT-Prot. vom 15.02.1951, 118. Sitzung, S. 4514D.<br />

Ebd., S. 4516A.<br />

BVerfGE 28, 119 (133): „Daß unter ‚Recht‘ Rechtsnormen jeglicher Art zu verstehen<br />

sind, ergibt sich zwingend aus dem systematischen Zusammenhang von GG Art 126 mit<br />

GG Art 123, 124 und 125, in denen ‚Recht‘ ohne Zweifel alle Rechtsnormen umfaßt“.<br />

Haratsch, in: Sodan, GG, Art. 123 Rn. 2.<br />

BT-Prot. vom 15.02.1951, 118. Sitzung, S. 4516A.<br />

Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass der Landesgesetzgeber dennoch eigene<br />

Gesetze zum Schutz der Landesgrenze erlassen kann, so: Umbach, in:<br />

Umbach/Clemens, GG, Bd. II, Art. 73 Rn. 47; a.A.: Maunz/Dürig, GG, 58. Lfg. 4/2010,<br />

Art. 73 Rn. 126.<br />

Ablehnend hierzu: Ernst, Aufgaben und Verwendungsmöglichkeiten des Bundesgrenzschutzes,<br />

S. 66.<br />

Wacke, Aussprache, VVDStRL 19 (1961), 131 (132).<br />

Bundesgrenzschutzgesetz vom 18.08.1972, BGBl. I 1972, S. 1834.


§ 5 Erstes Gesetz über den Bundesgrenzschutz 199<br />

Bayern konnte sich in dieser Frage dennoch, auch mit Hilfe der CSU-Politiker<br />

im ersten Kabinett Adenauer (Staatssekretär Ritter von Lex, Bundesfinanzminister<br />

Fritz Schäffer 1021 ) und der Beharrlichkeit Ehards, letztlich durchsetzen,<br />

sodass 1953 ein Verwaltungsabkommen zwischen dem Bund mit dem Land<br />

Bayern über die Ausübung der Passnachschau an der Grenze abgeschlossen<br />

wurde und somit die Bayerische Grenzpolizei fortbestehen konnte 1022 .<br />

II. Erste Beratung des Bundestages<br />

Die erste Beratung im Bundestag zu dem Gesetzentwurf fand am 25. Januar<br />

1951 statt. Bundesinnenminister Lehr gab, ebenso wie sein Kollege Ritter von<br />

Lex im Bundesrat, nur eine sparsame Erläuterung für die Errichtung von Bundesgrenzschutzbehörden.<br />

Er führte lediglich aus, dass es zu illegalen<br />

Grenzüberschreitungen käme und Auswirkungen von „Infiltration und Agitation“<br />

zu spüren seien – mit „vollem Vorbedacht“ wolle er aber keine Einzelheiten<br />

nennen 1023 . In dieser Hinsicht ermangelt es auch in der parlamentarischen Debatte<br />

an hinreichender Begründung für den Gesetzentwurf. Zum Vorschlag des<br />

Bundesrates, die Passnachschau aus der Aufgabenzuweisung im Gesetzentwurf<br />

zu streichen, erklärte Lehr, dies sei abzulehnen 1024 , da zum polizeilichen Schutz<br />

der Grenzen auch die Passkontrolle gehöre 1025 . Der Abgeordnete Menzel (SPD)<br />

stellte in einer Philippika gegen das Bundesgrenzschutzgesetz eindrucksvoll dar,<br />

dass in Art. 87 Abs. 1 GG nie an Exekutivbehörden gedacht worden und es<br />

unnötig sei, eine weitere bewaffnete Behörde einzurichten, wenn nicht einmal<br />

die lokale Polizei vernünftig ausgerüstet werden könne, und dass mit der Errichtung<br />

des Bundesgrenzschutzes die „Polizeiinflation“ in Deutschland weiter<br />

1021<br />

1022<br />

1023<br />

1024<br />

1025<br />

Fritz Schäffer (1888-1967), Jurist, Gründungsmitglied der BVP 1918, 1920 bis 1933<br />

Mitglied des bayerischen Landtages, Gründungsmitglied der CSU, 1945 Bayerischer<br />

Ministerpräsident, 1949 bis 1961 Mitglied des Bundestages, 1949 bis 1957 Bundesfinanzminister,<br />

1957 bis 1961 Bundesjustizminister, vgl. Vierhaus/Herbst (Hrsg.),<br />

Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949-2002, Bd. 2,<br />

S. 724.<br />

BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 6 (1953), S. 71; jedoch wurde bereits in<br />

der Kabinettssitzung am 09.01.1951 festgelegt, dass eine „Sonderregelung für Bayern“<br />

bestehen bleibt, vgl. BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 4 (1951), S. 57.<br />

BT-Prot. vom 25.01.1951, 114. Sitzung, S. 4273D.<br />

Lehr erklärte bereits in der Kabinettssitzung vom 08.01.1951 seine Ablehnung zur<br />

möglichen Übertragung der Aufgabe Passnachschau, vgl. BArch, Die Kabinettsprotokolle<br />

der BReg, Bd. 4 (1951), S. 38.<br />

BT-Prot. vom 25.01.1951, 114. Sitzung, S. 4275A.


200 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

zunehme 1026 . Die KPD nutzte die Debatte lediglich als Plattform, um die Bundesregierung<br />

zu diskreditieren 1027 , ohne selbst einen tragfähigen Vorschlag zu<br />

machen.<br />

Insgesamt sah die SPD die Polizeihoheit der Länder durch die Gesetzesvorlage<br />

gefährdet und ging mit dem Vorgehen des Bundes in Sachen Grenzschutz nicht<br />

konform. Der geplanten Ausstattung des Bundes mit bewaffneten Kräften kam<br />

im Hinblick auf die damals kurz zurückliegende Geschichte und die selbst<br />

auferlegten Beschränkungen im Grundgesetz eine besondere Qualität zu. Menzel<br />

brachte dies auf den Punkt, indem er anmerkte, dass die „Verfassung auch zu<br />

achten sei, wenn sie in der praktischen Anwendung Schwierigkeiten“ bereite<br />

und man grundsätzlich gewillt sei, den Bund zu unterstützen, wenn dies „entsprechend<br />

der Verfassung und nicht gegen die Verfassung“ geschehe 1028 . Menzel<br />

spielte hier auf die Gesetzesvorlagen der SPD an, eine Bundesbereitschaftspolizei<br />

über eine Verfassungsänderung zu erreichen 1029 .<br />

Die erste Beratung im Bundestag schloss mit der Überweisung des Gesetzentwurfes<br />

an den Ausschuss für Angelegenheiten der inneren Verwaltung. Dieser<br />

tagte am 26. Januar 1951 und beschloss mit acht zu fünf Stimmen, dass in der<br />

Aufgabenzuweisung im Gesetzentwurf zur Sicherung des Bundesgebietes<br />

„gegen sonstige, die Sicherheit der Grenze gefährdende Störungen der öffentlichen<br />

Ordnung“ der Passus „im Grenzgebiet“ angefügt wird 1030 . Die SPD-<br />

Fraktion ging noch einen Schritt weiter und beantragte nach der Ausschusssitzung<br />

schriftlich, in der Aufgabenzuweisung die Worte „in einer Tiefe bis zu 30<br />

km“ anzufügen 1031 . Beide Vorschläge dienten der Begrenzung und Klarstellung<br />

der relativ weit formulierten Aufgabenzuweisung im Gesetzentwurf 1032 .<br />

1026<br />

1027<br />

1028<br />

1029<br />

1030<br />

1031<br />

1032<br />

BT-Prot. vom 25.01.1951, 114. Sitzung, S. 4275C ff.<br />

Heinz Renner (KPD) unterstellte der Bundesregierung „Remilitarisierung“ und die<br />

Errichtung eines „Polizeistaates“, und warf Lehr in einem Zwischenruf während der<br />

Debatte vor „Hitler die Tür geöffnet zu haben“, vgl. BT-Prot. vom 25.01.1951, 114. Sitzung,<br />

S. 4279D.<br />

BT-Prot. vom 25.01.1951, 114. Sitzung, S. 4285D ff.<br />

Vgl. BT-Drs. I/1515.<br />

Protokoll des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung, 21. Sitzung, in:<br />

PA-DBT 4000, I/125.<br />

BT-Umdruck I/78 (neu), Ziff. 3.<br />

Vgl. § 3 des Gesetzentwurfes, in BR-Drs. 1000/50: „Die Bundesgrenzschutzbehörden<br />

sichern das Bundesgebiet gegen verbotene Grenzübertritte, insbesondere durch die<br />

Ausübung der Passnachschau, und gegen sonstige, die Sicherheit der Grenzen gefährdende<br />

Störungen der öffentlichen Ordnung“.


§ 5 Erstes Gesetz über den Bundesgrenzschutz 201<br />

III. Zweite und Dritte Beratung des Bundestages<br />

Die abschließende Beratung des Bundestages fand am 15. Februar 1951 statt. In<br />

dieser Lesung wurde über die einzelnen Anträge zur Abänderung des Gesetzentwurfes<br />

entschieden. Erwähnenswert ist an dieser Stelle, dass über den Antrag<br />

der SPD-Fraktion, um die Aufnahme der 30-km Grenztiefe 1033 , positiv entschieden<br />

wurde. Lehr versicherte in dieser Sitzung, dass es sich beim Bundesgrenzschutz<br />

„nicht um eine getarnte Bundespolizei handele“ 1034 . Gleichzeitig<br />

allerdings führte er aber dem entgegenstehend aus, dass im Rahmen von Art. 91<br />

GG a.F. der Bund auch den Bundesgrenzschutz einsetzen könne 1035 . Dies war<br />

eine sehr gewagte Feststellung, zumal der Parlamentarische Rat gerade in dieser<br />

Frage eindeutig festgelegt hatte, dass der Bund im Notfall zwar über die Polizeikräfte<br />

der Länder verfügen, aber eben nicht eigene Exekutivkräfte bereithalten<br />

darf 1036 . Lehr fügte seiner Auffassung noch hinzu, dass man sich aber „nicht so<br />

sehr den Kopf über Rechtsfragen zu zerbrechen brauche“ und es schon „gelingen<br />

werde, wirklich bundeseigene Bereitschaftspolizeikräfte im gesamten<br />

Bundesgebiet zu schaffen“ 1037 .<br />

Dass Lehr hier erwähnte, „wirkliche“ Bundesbereitschaftspolizeikräfte zu<br />

schaffen, ist ein Hinweis darauf, dass die Bundesregierung das Vorhaben Bundespolizei<br />

nicht völlig aufgegeben hatte. Menzel entgegnete auf Lehrs<br />

Auslegung bezüglich des Einsatzes von Bundesgrenzschutzkräften nach Art. 91<br />

GG, dass der Bundesgrenzschutz in keiner Weise nach dieser Norm eingesetzt<br />

werden könne. Jedoch kam es in diesem Zusammenhang zu keiner weiteren<br />

Aussprache mehr. Trotz der Polemik in der ersten Beratung im Bundestag und<br />

den unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Auffassungen zu den Art. 87 GG<br />

und 91 GG a.F. erfolgte durch die Abänderungen des Gesetzentwurfes in der<br />

zweiten Lesung eine gewisse Annäherung zwischen Regierungsparteien und<br />

Opposition durch die Aufnahme der „30-km Regelung“, sodass das Bundes-<br />

1033<br />

1034<br />

1035<br />

1036<br />

1037<br />

Menzel führte hierzu aus: „Wir halten es für richtig, dass das Gesetz eine geographische<br />

Klarstellung enthält was unter Grenzgebiet zu verstehen ist, damit vor allem auch für<br />

die Exekutive draußen keine Unklarheiten bei ihrer praktischen Arbeit bestehen.“, vgl.<br />

BT-Prot. vom 15.02.1951, 118. Sitzung, S. 4513C.<br />

BT-Prot. vom 15.02.1951, 118. Sitzung, S. 4516B.<br />

BT-Prot. vom 15.02.1951, 118. Sitzung, S. 4528A.<br />

Vgl. hierzu die Ausführungen im Hauptausschuss, in: Der Parl. Rat, Bd. 14, Dok.-<br />

Nr. 36, S. 1108 ff.<br />

BT-Prot. vom 15.02.1951, 118. Sitzung, S. 4528B.


202 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

grenzschutzgesetz in der dritten Lesung am 15. Februar 1951 angenommen<br />

wurde.<br />

Die AHK nahm ebenso am 15. Februar 1951 in einem Memorandum abschließend<br />

Stellung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung. Diesem kann<br />

entnommen werden, dass die AHK „grundsätzlich dem Wortlaut und dem<br />

Zweck des Gesetzentwurfes der Bundesgrenzschutzbehörden“ zustimmte 1038 .<br />

Gleichwohl war die AHK der Meinung, dass die „Aufgaben des Bundesgrenzschutzes<br />

[…] auf den Schutz der Grenze beschränkt werden“ sollten 1039 . Zwar<br />

sind im Gesetzesentwurf über die Bundesgrenzschutzbehörden keine weiteren<br />

Aufgaben außer den grenzpolizeilichen genannt, jedoch zeigt diese beiläufige<br />

Feststellung, dass bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes den Alliierten die Betonung<br />

der funktionalen Beschränkung des Bundesgrenzschutzes wichtig war. Im<br />

Übrigen sind im Memorandum nur unwesentliche organisatorische Empfehlungen<br />

enthalten, die nicht weiter erwähnenswert sind.<br />

IV. Zweite Verhandlung des Bundesrates<br />

Der Bundesrat nahm am 2. März 1951 abschließend zu dem Gesetzentwurf<br />

Stellung. Die Position der Länder war seit der ersten Beratung und den Abänderungen<br />

in den letzten beiden Lesungen im Bundestag erheblich gestärkt worden.<br />

Der ursprüngliche Entwurf des Gesetzes hatte gewissermaßen in keinem Punkt<br />

Rücksicht auf die Belange der Länder genommen. Nach Abänderungen konnten<br />

diese nun gemäß § 1 Abs. 3 BGSG Einfluss auf Zahl und Ausstattung von<br />

Mittel- und Unterbehörden nehmen. Zudem wurde die Gefahrenabwehraufgabe<br />

des Bundesgrenzschutzes auf das Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 km<br />

beschränkt und der Bund sollte die ehemals im Landesgrenzschutz 1040 tätigen<br />

Beamten übernehmen 1041 . Mit dieser maßgeblichen Umgestaltung war eine<br />

Entschärfung eingetreten. Bayern machte zwar gegen die Gesetzesvorlage<br />

weiterhin grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedenken geltend 1042 , unterließ<br />

1038<br />

1039<br />

1040<br />

1041<br />

1042<br />

Memorandum der AHK zum BGSG, v. 15.02.1951 (Anlage zum Schreiben des BMI an<br />

das Bundeskanzleramt, v. 04.03.1951, Az. I C 4-1171C), S. 2, in: BArch B 136/1929.<br />

Ebd.<br />

Dies betraf alle Grenzländer außer Bayern, die geringfügige Grenzpolizeikräfte unterhielten.<br />

Geänderter Entwurf des Bundesgrenzschutzgesetzes = BR-Drs. 142/51.<br />

BR-Prot. v. 02.03.1951, 51. Sitzung, S. 176A.


§ 5 Erstes Gesetz über den Bundesgrenzschutz 203<br />

es aber in dieser Sitzung des Bundesrates, einen Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses<br />

zu stellen, sodass das Gesetz am 16. März 1951 in Kraft<br />

treten konnte 1043 . Die von Bayern erkämpfte Zusicherung der Bundesregierung,<br />

die landeseigene Grenzpolizei beibehalten zu können, hatte hierzu beigetragen.<br />

E. Bewertung des Gesetzgebungsvorgangs<br />

Die Gesetzesinitiative der Bundesregierung war nicht geprägt durch eine hinreichend<br />

klare Transparenz. Es lässt sich nicht leugnen, dass im Jahr 1950 ein<br />

Defizit im Bereich der inneren Sicherheit herrschte und die Bedrohungsperzeption<br />

der äußeren Sicherheitslage in Westdeutschland Stimmen nach<br />

Remilitarisierung und Schutz hervorrief 1044 . Die Bereitschaftspolizeien der<br />

Länder befanden sich erst im Aufbau, die örtliche Polizei war schlecht ausgerüstet<br />

und der Bund hatte praktisch keine Möglichkeit, im Falle einer Notsituation<br />

nach Art. 91 GG die Gefahr zu beseitigen, da er aufgrund des lahmenden Vorankommens<br />

des Abkommens über Länderbereitschaftspolizeien nicht auf<br />

schlagkräftige, vollmotorisierte Polizeieinheiten zurückgreifen konnte. Eine<br />

eigene Bundesbereitschaftspolizei war aufgrund der Hürde der Verfassungsänderung<br />

kaum zu erreichen.<br />

Der Bundeskanzler selbst trieb den Plan, eine Bundespolizei zu errichten, ab<br />

Ende 1949 energisch voran. Nachdem die Alliierten dem Vorhaben Adenauers<br />

jedoch nicht zugestimmt hatten und die Frage nach der tatsächlichen Möglichkeit<br />

einer Verfassungsänderung ohnehin offen war, befand sich die<br />

Bundesregierung in einer misslichen Situation. Sie bewertete die Bedrohung der<br />

inneren Sicherheit weiterhin derart hoch, sodass aus ihrer Sicht Abhilfe unumgänglich<br />

war. Die entscheidende Feststellung ist, dass es Adenauer in der<br />

Bundespolizei-Kontroverse nie allein um die Frage des polizeilichen Grenzschutzes<br />

ging, sondern vor allem darum, dass der Bund Machtmittel für nicht<br />

klar zu definierende Gefahrenlagen erhielt. Da das Machtmittel auf „legalem“<br />

Wege nicht zu erreichen war, also die Bundespolizei im Rahmen der geltenden<br />

Fassung des Grundgesetzes nicht aufgestellt werden konnte, blieb nur die Bildung<br />

eines Substituts, das durch einfaches Bundesgesetz auf Grundlage von Art.<br />

1043<br />

1044<br />

BGBl. I 1951, S. 201.<br />

Siehe hierzu S. 121 ff.


204 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

87 Abs. 1 GG errichtetet werden konnte – die Errichtung von Bundesgrenzschutzbehörden<br />

einschließlich eigener Vollzugskräfte 1045 .<br />

So geht aus den entsprechenden Gutachten und Vermerken der Bundesministerien<br />

hervor, dass über den Bundesgrenzschutz die einzige Möglichkeit bestünde,<br />

eine Bundespolizei zu errichten 1046 . Weiterhin gaben die Alliierten zu verstehen,<br />

dass der Bund unter dem Namen „Grenzpolizei“ eine eigene Polizei haben<br />

werde 1047 . Die Bundesregierung einigte sich in der Kabinettssitzung vom 14.<br />

November 1950 auf die Errichtung des Bundesgrenzschutzes per einfachem<br />

Bundesgesetz – unter anderem deswegen, weil in der Zeitlücke bis zur Einsatzfähigkeit<br />

der Landesbereitschaftspolizeien etwas zur Gewährleistung der<br />

Sicherheit getan werden müsse 1048 . In der Kabinettssitzung ist mit keinem Wort<br />

erwähnt, dass die Bundesgrenzschutzbehörden dazu aufgestellt werden sollten,<br />

polizeilichen Grenzschutz durchzuführen – was ja laut Bundesgrenzschutzgesetz<br />

und Begründung im Bundestag die eigentliche Aufgabe war. Ebenso versicherte<br />

das Bundesinnenministerium zumindest gegenüber dem Land Bayern vor der<br />

besagten entscheidenden Kabinettssitzung, dass es keinesfalls daran denke, „die<br />

Hand auf die Grenzpolizei zu legen, sondern beabsichtige, lediglich ganz kleine<br />

Koordinierungsbehörden zu schaffen“ 1049 . Mit diesen Hintergrundinformationen<br />

scheint es nicht verwunderlich, dass Bundesinnenminister Lehr, der in besagter<br />

Kabinettssitzung den Vorschlag zur Errichtung von Bundesgrenzschutzbehörden<br />

machte, in der Beratung im Bundestag davon sprach, den Bundesgrenzschutz im<br />

Rahmen von Art. 91 GG a.F. einsetzen zu wollen 1050 . Dies war nicht mehr als<br />

die Preisgabe einer weiteren Errichtungsintention der Bundesregierung, abgesehen<br />

vom Vorhaben, die Bundesgrenze polizeilich zu schützen. In diesem<br />

Zusammenhang sei genannt, dass das polizeiliche Grenzschutzsystem an der<br />

1045<br />

1046<br />

1047<br />

1048<br />

1049<br />

1050<br />

Siehe hierzu die Ausführungen S. 183 ff.<br />

Vgl. hierzu die Ausführungen (Rechtsfindungsphase) S. 146; im Besonderen die<br />

Dokumente „Vermerk betr. die Zulässigkeit polizeilicher Einrichtungen des Bundes“<br />

vom 2012.1949, in: BArch B 106/15701 und „Memorandum vom 20.07.1950 über die<br />

Möglichkeiten, die Frage der Aufstellung einer Bundespolizei zu lösen“, in: BArch B<br />

106/14337.<br />

Niederschrift der Besprechung des Bundesinnenministeriums mit der Alliierten Hohen<br />

Kommission am 04.08.1950, S. 12, in: BArch B 106/14337.<br />

Lehr umschrieb dies damit, dass in der „Zwischenzeit“ etwas geschehen könne, vgl.<br />

BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 2 (1950), S. 823.<br />

BayHStA, MInn 90353, Az. BR.Nr. 293 fd 1396 vom 12.12.1950, S. 1.<br />

BT-Prot. vom 15.02.1951, 118. Sitzung, S. 4516C.


§ 5 Erstes Gesetz über den Bundesgrenzschutz 205<br />

Zonengrenze, bestehend aus Zoll, Landes- und Grenzpolizei, im Übrigen keine<br />

bedenklichen Sicherheitslücken aufwies 1051 .<br />

In einem internen Dokument mit dem Titel „Die Tätigkeit der Bundesregierung<br />

in der Polizeifrage“ 1052 rechtfertigte die Bundesregierung ihr Vorgehen und<br />

projizierte das Scheitern des Bundes in der Polizeifrage zum Großteil auf die<br />

Länder. Die fünfzigseitige Schrift gibt einen aufschlussreichen Einblick, wie<br />

sich die Bundesregierung in der „Opferrolle“ sah. Partiell kann dies als Bekenntnis<br />

der Bundesregierung angesehen werden, eine Polizeitruppe auf<br />

Bundesebene unter bedenklichen Voraussetzungen installiert zu haben, „nur“<br />

weil das Verwaltungsabkommen nicht schnell genug zur Zufriedenheit des<br />

Bundes abgeschlossen werden konnte. Einleitend wird erklärt:<br />

„Die nachfolgende Aufzeichnung setzt sich zum Ziele, diesen fast einjährigen<br />

Kampf der Bundesregierung zur Verstärkung der inneren<br />

Sicherheit auf polizeilichem Gebiet im Einzelnen darzustellen.<br />

Gleichzeitig gibt sie in großen Umrissen die Maßnahmen bekannt, die<br />

sie trotz des Widerstandes der Länder und Parteien, trotz der Angriffe<br />

und Beschuldigungen in einem Teil der Presse, trotz des Mangels an<br />

ausreichenden Haushaltsmitteln und trotz der empfindlichen Beschränkungen<br />

durch das Besatzungsstatut im wohlverstandenen<br />

Interesse des deutschen Volkes zum Schutze seiner inneren Freiheit<br />

ergriffen hat.“ 1053<br />

Der Bund hat laut dem Dokument versucht, die innere Sicherheit durch das<br />

Abkommen über die Bereitschaftspolizeien der Länder zu stärken. Jedoch waren<br />

auf dem Weg zu diesem zahlreiche Hürden zu nehmen, sodass das Abkommen<br />

in den Augen der Bundesregierung nicht rechtzeitig in Kraft treten konnte. So<br />

stritten der Bund und die Länder um Einfluss- und Zugriffsmöglichkeit des<br />

1051<br />

1052<br />

1053<br />

Für Bayern gilt sogar, dass die Bayerische Grenzpolizei „für die laufende Sicherung der<br />

Grenze ausreicht“, vgl. Vermerk über die Landesgrenzpolizei Bayern, in: BArch<br />

B 106/16480; auch für Niedersachsen, vgl. Masur, Die Polizei 1950, 45 ff.; ebenso<br />

Kratzenberg, Die Polizei 1950, 47: „die Polizei habe die Aufgaben an der Zonengrenze<br />

gut gelöst“; selbst der Bundesinnenminister Lehr bescheinigt der bayerischen Grenzpolizei,<br />

dass sie bisher „einwandfrei gearbeitet hat“, vgl. Schreiben des Bundesinnenministers<br />

an Adenauer v. 16.02.1952, in: BArch B 136/1932, S. 113.<br />

Undatiert (wahrscheinlich aus dem April 1951), in: BArch B 106/15701.<br />

„Übersicht der Tätigkeit der Bundesregierung in der Polizeifrage“, in: BArch<br />

B 106/15701, fol. 3.


206 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

Bundes und vor allem über die finanzielle Lastenverteilung. Selbst am viel<br />

zitierten 27. Oktober 1950, der oft als Gründungsdatum des Verwaltungsabkommens<br />

genannt wird, waren nicht alle Fragen geklärt und nur etwa die Hälfte<br />

der Länder dem Abkommen beigetreten. Die Bundesregierung merkte hierzu an,<br />

dass die „Bemühungen auf unüberwindbare Schwierigkeiten gestoßen waren“<br />

1054 und somit „nach neuen Auswegen gesucht wurde“ 1055 . Letztgenannte<br />

Formulierung deckt sich auch mit Lehrs Frage in der Kabinettssitzung, „was in<br />

der Zwischenzeit“ 1056 zur Gewährleistung der Sicherheit getan werden könne.<br />

Auf die Bedenken der Länder im Hinblick auf die Polizeihoheit oder die mit Art.<br />

87 und 91 GG verknüpften Probleme bei der Errichtung des Bundesgrenzschutzes<br />

wird nicht eingegangen. Stattdessen wird ausgeführt, dass „die<br />

Bundesregierung alle Hoffnungen auf die Loyalität der Landesregierungen“<br />

setzte 1057 . Die administrative Notwendigkeit, ein Dokument mit dem Titel „die<br />

Tätigkeit der Bundesregierung in der Polizeifrage“ erstellt zu haben, klingt<br />

retrospektiv wie der Ruf nach Exkulpation aus Gründen der Staatsräson.<br />

1054<br />

1055<br />

1056<br />

1057<br />

Ebd., fol. 2.<br />

Ebd., fol. 46.<br />

Siehe S. 183.<br />

„Übersicht der Tätigkeit der Bundesregierung in der Polizeifrage“, in: BArch<br />

B 106/15701, fol. 35.


§ 6 Der Bundesgrenzschutz als neuer Akteur im föderalen Sicherheitssystem 207<br />

§ 6 Der Bundesgrenzschutz als neuer Akteur im föderalen<br />

Sicherheitssystem<br />

A. Einleitung<br />

In diesem Abschnitt wird es zu beantworten sein, ob der Bundesgrenzschutz bei<br />

Errichtung 1951 als militärischer Verband oder als Polizei anzusehen war. Eine<br />

knappe Antwort hierauf ist bereits im ersten Teil der Arbeit erfolgt 1058 . Eine<br />

nähere Untersuchung ist jedoch anhand der bisher unerwähnt gebliebenen,<br />

besonderen Merkmale des Bundesgrenzschutzes notwendig. Prägenden Faktoren<br />

wie Aufgabe, Kasernierung und Bewaffnung geben dagegen Aufschluss darüber,<br />

dass dem Bundesgrenzschutz der polizeiliche Charakter nicht abgesprochen<br />

werden kann.<br />

Darüber hinaus soll in diesem Teil der Arbeit untersucht werden, ob sich unmittelbar<br />

in den ersten Jahren nach der Errichtung des Bundesgrenzschutzes<br />

Konflikte mit den Ländern in Bezug auf deren Polizeihoheit abgezeichnet<br />

haben. Es wird sich hierbei zeigen, dass vor allem das Land Bayern in Zusammenhang<br />

mit der Frage der Übernahme des Passkontrolldienstes durch den<br />

Bundesgrenzschutz, also der polizeilichen Tätigkeit der Kontrolle des grenzüberschreitenden<br />

Verkehrs, seine Polizeihoheit angetastet sah. Auch das Land<br />

Nordrhein-Westfalen machte punktuell Bedenken gegen bestimmtes polizeiliches<br />

Vorgehen des Bundesgrenzschutzes im Raum Bonn geltend. Insgesamt<br />

wird sich herausstellen, dass der Bundesgrenzschutz nicht erst in den neunziger<br />

Jahren, wie beispielsweise durch die Normenkontrollklage der Landesregierung<br />

Nordrhein-Westfalen gegen die Aufgabenübertragung der Bahnpolizei und<br />

Luftsicherheit, kritisch im Lichte der Polizeihoheit der Länder betrachtet wurde,<br />

sondern bereits im Errichtungszeitraum evident wurde, dass die Länder den<br />

Bundesgrenzschutz als Konkurrent im polizeilichen Sektor angesehen haben.<br />

B. Polizei oder Militär?<br />

Dass der Bundesgrenzschutz formal im Jahr 1951 nicht als militärische Einheit<br />

gesehen werden konnte, ergibt sich ohne Weiteres bereits aus der Tatsache, dass<br />

1058<br />

Vgl. S. 23 f.<br />

D. Parma, Installation und Konsolidierung des Bundesgrenzschutzes 1949 bis 1972,<br />

DOI 10.1007/978-3-<strong>658</strong>-<strong>10928</strong>-8_6, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2016


208 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

zum damaligen Zeitpunkt noch keine Wehrverfassung geschaffen worden war.<br />

Es stellt sich demgegenüber jedoch die Frage, ob der Bundesgrenzschutz dem<br />

Charakter nach eher militärisch oder polizeilich geprägt, bzw. ob es zulässig<br />

war, dem Bundesgrenzschutz aufgrund bestimmter Eigenschaften den polizeilichen<br />

Charakter abzusprechen. Nachfolgend werden die wichtigsten Merkmale<br />

des Bundesgrenzschutzes im Hinblick auf polizeiliche Eigenschaften untersucht.<br />

I. Charakter der zugewiesenen Aufgabe<br />

Gemäß der Aufgabenzuweisung in § 2 BGSG 1951 umfasste der Grenzschutz<br />

die „Sicherung des Bundesgebietes gegen verbotene Grenzübertritte, insbesondere<br />

durch die Ausübung der Passnachschau“ 1059 . Weiterhin hatten die<br />

Bundesgrenzschutzbehörden das Bundesgebiet „gegen sonstige, die Sicherheit<br />

der Grenzen gefährdende Störungen der öffentlichen Ordnung“ zu sichern 1060 .<br />

Der Bund hatte gemäß Art. 73 Ziff. 5 GG a.F. die Gesetzgebungskompetenz<br />

über die Materie Grenzschutz, welche dem materiellen Polizeibegriff unterfällt<br />

1061 . Weitere sonstige Aufgaben sind dem Bundesgrenzschutz 1951 nicht<br />

übertragen worden. Alle anderen, dem Bundesgrenzschutz angedichteten Verwendungsoptionen,<br />

wie bspw. ein Einsatz im Rahmen von möglichen inneren<br />

Unruhen oder die Funktion des sogenannten „Polizeipuffers“ bilden keine<br />

Grundlage für eine andere Bewertung 1062 . Selbst wenn ein Einsatz gegen vereinzelte,<br />

die Bundesgrenze überschreitende Einheiten der DDR-Grenzpolizei<br />

erfolgt wäre, wäre dies im Rahmen von § 2 BGSG 1951 möglich gewesen, da<br />

auch die Verletzung der Grenzsicherheit durch sowjetzonale Sicherheitsorgane<br />

eine die Sicherheit der Grenze gefährdende Störung darstellte. Entscheidend<br />

kann insgesamt nur die tatsächlich zugewiesene materiell-rechtliche Aufgabe<br />

sein, welche ausschließlich dem Zweck der Grenzpolizei diente. Bestätigt wird<br />

dies durch die AHK, welche in einem Memorandum an die Bundesregierung<br />

vom 15. Februar 1951 abschließend ihre Zustimmung zum Bundesgrenzschutzgesetz<br />

erteilte. Dem Memorandum kann entnommen werden, dass die<br />

„Aufgaben des Bundesgrenzschutzes […] auf den Schutz der Grenze beschränkt<br />

1059<br />

1060<br />

1061<br />

1062<br />

§ 2 S. 1 BGSG 1951, BGBl. I 1951, S. 201.<br />

Ebd., § 2 S. 2.<br />

Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 13. Aufl., § 4 Rn. 56.<br />

Siehe hierzu S. 136 f.


§ 6 Der Bundesgrenzschutz als neuer Akteur im föderalen Sicherheitssystem 209<br />

werden“ sollen und diesem kein „militärischer Charakter“ innewohnen dürfe 1063 .<br />

Etwas Gegenteiliges lässt sich aus sämtlichen Unterlagen zum Gesetzgebungsvorgang<br />

nicht ableiten. Die Dienstanweisung des Bundesministeriums des<br />

Inneren über die Aufgaben und Befugnisse des Bundesgrenzschutzes führt aus,<br />

dass es sich bei § 2 BGSG um eine sonderpolizeiliche Ermächtigung handelt,<br />

die den „allgemeinen landesrechtlichen polizeilichen Ermächtigungen“ entspricht<br />

1064 . Die Aufgaben, die der Bundesgrenzschutz wahrnehme, seien daher<br />

„polizeiliche“ 1065 . In der Fachliteratur für die Grenzschutzbeamten ist ebenso im<br />

Teil „Aufgaben und Befugnisse“ nur von denjenigen nach § 2 BGSG die Rede.<br />

Der Bundesgrenzschutz übe demnach „eine echte polizeiliche Tätigkeit“ aus 1066 .<br />

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Rechtsnatur der dem Bundesgrenzschutz<br />

zugewiesenen Aufgaben polizeilicher Natur war.<br />

II. Bedeutung der Kasernierung<br />

Die Einheiten des Bundesgrenzschutzes wurden mit Masse in kasernierter Form<br />

organisiert, wie es bei Streitkräften standardmäßig erfolgt. Es stellt sich daher<br />

die Frage, ob dem Bundesgrenzschutz aufgrund der Kasernierung der polizeiliche<br />

Charakter abgesprochen werden kann. Die Kasernierung von<br />

Polizeieinheiten ist jedoch keine Besonderheit, sondern gängige, historisch<br />

gewachsene Praxis. Die nach französischem Vorbild in verschiedenen deutschen<br />

Ländern geschaffene Gendarmerie des 19. Jahrhunderts war kaserniert und<br />

weitgehend in militärischen Strukturen geordnet 1067 . Zu Zeiten der Weimarer<br />

Republik wurden ca. 25.000 Beamte in „kasernierten Polizei-Bereitschaften“<br />

vorgehalten 1068 . Die in der Bundesrepublik errichteten Bereitschaftspolizeien der<br />

Länder waren allesamt kaserniert. Die Kasernierung der Bereitschaftspolizei ist<br />

Voraussetzung für die Ausbildung zum Einsatz geschlossener Formationen 1069 .<br />

1063<br />

1064<br />

1065<br />

1066<br />

1067<br />

1068<br />

1069<br />

Memorandum der AHK zum BGSG vom 15.02.1951 (Anlage zum Schreiben des BMI<br />

an das Bundeskanzleramt, v. 04.03.1951, Az. I C 4-1171C), S. 2, in: BArch<br />

B 136/1929.<br />

Ziff. II der DA des BMI über Aufgaben und Befugnisse des BGS v. 05.06.1953, GMBl.<br />

1953, S. 194.<br />

Ebd.<br />

Moldenhauer, BGS-Taschenbuch, 2. Aufl., Kap. E 2, S. 1.<br />

Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt, S. 367.<br />

Leßmann-Faust, in: Lange, Staat, Demokratie und Innere Sicherheit in Deutschland,<br />

Studien zur Inneren Sicherheit I, S. 37.<br />

Weinhauer, in: Leßmann-Faust (Hrsg.), Polizei und Politische Bildung, S. 33.


210 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

Das BVerfG führte in einem Beschluss zur Anwendbarkeit des Personalvertretungsrechts<br />

auf Verbände, die nicht nur vorübergehend in Gemeinschaftsunterkünften<br />

zusammengefasst sind, grundsätzlich zur Kasernierung der<br />

Bereitschaftspolizei aus:<br />

„Da die Bereitschaftspolizei nur dann ihrem Zweck gerecht werden<br />

kann, wenn sie jederzeit zum Einsatz bereit ist, sind ihre Polizeibeamten<br />

in Gemeinschaftsunterkünften zusammengefasst. Nur ein<br />

truppenähnlich gegliederter und kasernierter Verband kann die Aufgaben<br />

wahrnehmen, die der Landesgesetzgeber der Bereitschaftspoli-<br />

Bereitschaftspolizei gestellt hat.“ 1070<br />

Für die Bereitschaftspolizei ist ein hierarchischer Aufbau und straffe Disziplin<br />

maßgebend, um ihre Einsätze bewältigen zu können. Nichts anderes kann für die<br />

Verbände des Bundesgrenzschutzes gelten. Ob die Kasernierung generell zu<br />

einem „semi-militärischen Profil“ 1071 der Bereitschaftspolizei oder des Bundesgrenzschutzes<br />

beiträgt, kann dahingestellt bleiben. Sie trägt alleine praktischen<br />

polizeilichen Erwägungen Rechnung. Die Kasernierung bildet somit keine<br />

Grundlage dafür, dem Bundesgrenzschutz den polizeilichen Charakter abzusprechen.<br />

III. Militärische Bewaffnung<br />

Die Art der Bewaffnung des Bundesgrenzschutzes stellt zu Recht die Frage nach<br />

seinem polizeilichen Charakter. Neben gewöhnlichen Pistolen fanden beim<br />

Bundesgrenzschutz Maschinenpistolen, Gewehre, Maschinengewehre, Maschinenkanonen,<br />

Granatwerfer, panzerbrechende Waffen und Handgranaten<br />

Verwendung 1072 . Besonders die Maschinenwaffen und Explosivmittel, welche<br />

üblicherweise bei den Streitkräften verwendet werden, werfen Fragen nach der<br />

polizeilichen Zweckmäßigkeit auf. Nur die isolierte Betrachtung der Wirkungsqualität<br />

einer Waffe ist jedoch nicht zielführend. Es kommt allein darauf an, ob<br />

die entsprechenden Waffen als Instrumente des unmittelbaren Zwanges unter<br />

1070<br />

1071<br />

1072<br />

BVerfGE 17, 319 (332).<br />

Schmid, Korruption, Gewalt und die Welt der Polizisten, S. 104.<br />

Eine Übersicht der beim BGS verwendeten Waffen findet sich bei: Dierske, Der Bundesgrenzschutz,<br />

S. 327 f.; Scholzen, Bundesgrenzschutz, S. 24 ff.


§ 6 Der Bundesgrenzschutz als neuer Akteur im föderalen Sicherheitssystem 211<br />

Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dazu eingesetzt werden können,<br />

das Ziel des Schusswaffengebrauchs, nämlich die Herbeiführung der<br />

Angriffs- oder Fluchtunfähigkeit, zu erreichen.<br />

Bevor eine nähere Prüfung erfolgt, soll einleitend erläutert werden, warum die<br />

Bundesregierung den Bundesgrenzschutz mit einem derartigen Waffenarsenal<br />

ausgestattet hat. Adenauer richtete am 21. Februar 1953 eine Denkschrift an den<br />

amtierenden Hohen Kommissar der USA, James Bryant Conant, in welchem er<br />

auf die „mangelhafte Bewaffnung der Exekutivkräfte des Bundes“ hinwies 1073 .<br />

Es bestehe die Gefahr, dass kommunistische Untergrundbewegungen Waffen<br />

und Sprengstoffe in die Bundesrepublik einführten. Bereits in Weimar hätten<br />

kommunistische Aufstände nur durch schweren Waffeneinsatz beseitigt werden<br />

können 1074 . Die Wiederherstellung der Ordnung gegen schwer bewaffnete<br />

Aufständische könne nur mit entsprechenden Waffen erfolgen. Weiterhin verfüge<br />

die Volkspolizei über eine nennenswerte Anzahl an Panzern und<br />

geländegängigen Fahrzeugen, mit Hilfe welcher durch Einzelaktionen die westdeutsche<br />

Bevölkerung eingeschüchtert werden sollte 1075 . Im Übrigen sei die<br />

Bewaffnung des Bundesgrenzschutzes im Vergleich zu anderen Polizeien in<br />

Europa als „unzulänglich und veraltet“ zu bezeichnen 1076 . Aus diesen Gründen<br />

müsse der Bundesgrenzschutz u.a. Kanonen des Kalibers 3,7 cm sowie leichte<br />

und mittlere Granatwerfer erhalten. Diese Waffen seien angesichts der „wachsenden<br />

Gefahr ernster kommunistischer Störungen in der Bundesrepublik“<br />

notwendig, um den „Anforderungen einer größeren Unruhebekämpfung“ und<br />

dem „Häuser- und Bandenkampf“ gerecht zu werden 1077 . Vorstehende Überlegungen<br />

waren auch im historischen Zusammenhang keine Neuerung. Die<br />

Preußische Polizei war zu Zeiten der Weimarer Republik mit Handgranaten,<br />

Maschinengewehren, Maschinenpistolen und sogar mit Panzerwägen ausgerüstet<br />

1078 . Die AHK stimmte den Forderungen Adenauers zu, sodass der<br />

Bundesgrenzschutz ab 1955 sukzessive mit Granatwerfern und panzerbrechen-<br />

1073<br />

1074<br />

1075<br />

1076<br />

1077<br />

1078<br />

IFZ, Akten zur Auswärtigen Politik der BRD 1953, Bd. I, Dok. 77, S. 222.<br />

Gemeint sind hier bspw. der Aufstand der „Roten-Ruhr-Armee“ 1920, der nur mit<br />

erheblicher Waffengewalt niedergeschlagen werden konnte und der Aufstand von Anhängern<br />

der KPD und der KAPD, die sich in Halle-Merseburg tagelang Kämpfe mit der<br />

Preußischen Polizei lieferten, vgl. Büttner, Weimar – die überforderte Republik<br />

1918-1933, S. 80 f.<br />

IFZ, Akten zur Auswärtigen Politik der BRD 1953, Bd. I, Dok. 77, S. 223.<br />

Ebd.<br />

Ebd., S. 224.<br />

Riege, Die preußische Polizei, S. 13 f.


212 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

den Waffen, wie der Panzerabwehrgranate „Energa“ 75 mm und dem Panzerabwehrgerät<br />

„Blindicide“ 101 mm, ausgestattet werden konnte 1079 .<br />

Die Anwendung von Waffengewalt als Form des unmittelbaren Zwanges war<br />

bis zu dem Erlass des „Gesetzes über den unmittelbaren Zwang“ im Jahr<br />

1961 1080 in der Dienstanweisung des Bundesministerium des Inneren über die<br />

Anwendung unmittelbaren Zwanges durch Bundesgrenzschutzbeamte geregelt<br />

1081 . Das Ziel des polizeilichen Schusswaffeneinsatzes darf hiernach nur die<br />

Herbeiführung der Angriffs- oder Fluchtunfähigkeit sein 1082 . Der militärische<br />

Waffeneinsatz hingegen hat zum Ziel, die Kampfkraft des Gegners auszuschalten<br />

– mit anderen Worten die „Vernichtung des Feindes“ 1083 .<br />

Die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit sind beim polizeilichen Waffeneinsatz<br />

zwingend zu beachten, was ausdrücklich in den Ausführungsbestimmungen zur<br />

Dienstanweisung über die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch Bundesgrenzschutzbeamte<br />

zum Ausdruck kommt 1084 . Der Grundsatz der<br />

Verhältnismäßigkeit gibt vor, dass das gewählte Mittel und der beabsichtigte<br />

Erfolg nicht in einem Missverhältnis zueinander stehen dürfen. Nach der Verhältnismäßigkeit<br />

im weiteren Sinne muss das Mittel geeignet, erforderlich und<br />

angemessen (Verhältnismäßig im engeren Sinn) sein 1085 . Beim Schusswaffengebrauch<br />

gegen Personen kommt der Erforderlichkeit und der Angemessenheit<br />

besondere Bedeutung zu. Im Sinne der Erforderlichkeit muss der Schusswaffengebrauch<br />

das „letzte verbleibende Mittel“ sein 1086 . Der Gebrauch der<br />

Schusswaffe muss ebenso in einem angemessenen Verhältnis zum beabsichtigten<br />

Zweck stehen 1087 . Die Fälle in denen die Schusswaffen gebraucht werden<br />

dürfen, sind in der Dienstanweisung enumerativ abschließend geregelt:<br />

1079<br />

1080<br />

1081<br />

1082<br />

1083<br />

1084<br />

1085<br />

1086<br />

1087<br />

Dierske, Der Bundesgrenzschutz, S. 328.<br />

BGBl. I 1961, S. 165 ff.<br />

DA des BMI über die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch Bundesgrenzschutzbeamte<br />

v. 26.07.1952, GMBl. 1953, S. 198.<br />

Ebd., Teil B, Ziff. II (2).<br />

Mangelsdorff, WK 1/1966, 35 (36).<br />

Ausführungsbestimmungen zur Dienstanweisung über die Anwendung unmittelbaren<br />

Zwanges durch Bundesgrenzschutzbeamte v. 05.06.1953, GMBl. 1953, S. 199.<br />

Suckow/Weidemann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl., S. 84, Rn. 168.<br />

Hirsch, LK, 10. Aufl., Vor § 32 Rn. 151.<br />

Ebd., Rn. 152.


§ 6 Der Bundesgrenzschutz als neuer Akteur im föderalen Sicherheitssystem 213<br />

„Der Gebrauch von Schusswaffen ist außer in den Fällen der Notwehr<br />

und des Notstandes nur zulässig<br />

1. Zum Anhalten von Personen, die sich der Festnahme oder der Feststellung<br />

ihrer Person durch die Flucht zu entziehen versuchen,<br />

a) wenn sie bei der Begehung einer strafbaren Handlung betroffen<br />

werden, die sich den Umständen nach als ein Verbrechen darstellt,<br />

oder<br />

b) wenn sie unmittelbar nach der Begehung einer solchen Tat verfolgt<br />

werden, oder<br />

c) wenn sie eines Verbrechens dringend verdächtig sind.<br />

Das Gleiche gilt, wenn eine mit Strafe bedrohte Handlung unter Anwendung<br />

von Schusswaffen oder Sprengstoffen begangen wird.<br />

2. zur Vereitelung der Flucht oder zur Wiederergreifung einer Person,<br />

die sich<br />

a) zur Verbüßung einer Zuchthausstrafe oder Gefängnisstrafe oder<br />

b) wegen eines Verbrechens oder Vergehens oder des dringenden<br />

Verdachts eines Verbrechens oder Vergehens in behördlichen<br />

Gewahrsam befindet oder befand,<br />

3. gegen Personen, die einen Festgenommenen oder Gefangenen unter<br />

Anwendung von Gewalt aus dem behördlichen Gewahrsam zu<br />

befreien versuchen,<br />

4. zum Schutz anvertrauter Personen oder Sachen,<br />

5. gegen eine Menschenmenge, aus der heraus Gewalttätigkeiten begangen<br />

werden oder unmittelbar bevorstehen, wenn die<br />

Anwendung körperlicher Gewalt und ihre Hilfsmittel gegen bestimmte<br />

Teilnehmer der Menschenansammlung offensichtlich<br />

keinen Erfolg verspricht,<br />

6. innerhalb des besonderen als ‚Zollgrenzbezirk‘ oder ‚Zonengrenzbezirk‘<br />

gekennzeichneten Gebietes gegen Personen, die sich der<br />

Feststellung ihrer Persönlichkeit und der Befolgung der in rechtmäßiger<br />

Dienstausübung getroffenen Anweisungen durch die<br />

Flucht zu entziehen versuchen.“ 1088<br />

1088<br />

Teil B, Ziff. I DA des BMI über die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch Bundesgrenzschutzbeamte<br />

v. 26.07.1952, GMBl. 1953, S. 198; auch abgedruckt bei: Schneider,<br />

Polizeirecht, 13. Aufl., S. 108 f.


214 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

Nachfolgend soll geprüft werden, ob der Einsatz eines Maschinengewehrs oder<br />

Granatwerfers zulässig ist. Das beim Bundesgrenzschutz eingesetzte Maschinengewehr<br />

MG 42 stammt aus französischen Beutebeständen der Wehrmacht<br />

und ist eine vollautomatische Waffe, die zur „Bekämpfung von Einzel- und<br />

Massenzielen“ verwendet wird 1089 . Eine gezielte Schussabgabe mit einem Maschinengewehr<br />

ist nicht möglich. Es kann somit nicht Zweck sein, mit dem<br />

Maschinengewehr die Fluchtunfähigkeit einer Person herbeizuführen, da mit<br />

hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist, dass die Person aufgrund der Streuwirkung<br />

der Waffe getötet wird. Ebenso darf die Herbeiführung der<br />

Angriffsunfähigkeit nicht zielgerichtet den Tod einer Person zur Folge haben.<br />

Jedoch können Situationen auftreten, in denen die schärfste Form der Herbeiführung<br />

der Angriffsunfähigkeit den wahrscheinlichen Tod des Störers<br />

einschließt 1090 . Derartige Situationen hätten auftreten können, wenn bewaffnete<br />

Störergruppen an der Grenze selbst über automatische Waffen verfügt und<br />

Beamte des Bundesgrenzschutzes damit beschossen hätten. Die Wahl des<br />

Zwangsmittels muss hierbei zunächst der Geeignetheit und Erforderlichkeit<br />

Rechnung tragen. Die Schusswaffe stellt ein geeignetes Mittel dar, um bewaffnete<br />

Straftäter, die sich der Festnahme widersetzen, angriffsunfähig zu machen.<br />

Insofern diese selbst über automatische Waffen verfügen und das Feuer gegen<br />

Beamte eröffnen, gibt es kein milderes Zwangsmittel als den Einsatz einer<br />

automatischen Waffe, da es wenig Aussicht auf Erfolg hätte, mit einer Pistole zu<br />

versuchen, die Angriffsunfähigkeit des Störers herbeizuführen, der Beamte mit<br />

Schnellfeuerwaffen beschießt. Das Polizeirecht muss nicht vor den Waffen der<br />

Störer kapitulieren. Dies findet bis heute seinen Niederschlag beispielsweise im<br />

bayerischen Polizeiaufgabengesetz. Demnach ist der Gebrauch von Maschinengewehren<br />

und Handgranaten in bestimmen Fällen zulässig. Nach Art. 69 Abs. 1<br />

PAG dürfen Maschinengewehre und Handgranaten nur zur Herbeiführung der<br />

Angriffsunfähigkeit bei Störern, die selbst Gebrauch von Schusswaffen, Handgranaten<br />

oder Explosivmitteln gemacht haben, eingesetzt werden 1091 .<br />

Maschinengewehre, Handgranaten und Granatwerfer können somit rechtmäßig<br />

als polizeiliche Zwangsmittel gebraucht werden und lassen nicht den Schluss auf<br />

den militärischen Charakter zu. Grundsätzlich kann Vorstehendes auch für die<br />

panzerbrechenden Waffen gelten. Jedoch stellt sich hierbei die Frage, ob der<br />

Einsatz von Panzerabwehrgranaten noch eine polizeiliche Störungsbeseitigung<br />

1089<br />

1090<br />

1091<br />

Moldenhauer, BGS-Taschenbuch, 2. Aufl., Kap. H 4, S. 1.<br />

Hirsch, LK, 10. Aufl., Vor § 32 Rn. 153.<br />

Vgl. Berner/Köhler/Käß, Polizeiaufgabengesetz, 20. Aufl., Art. 69 Rn. 7.


§ 6 Der Bundesgrenzschutz als neuer Akteur im föderalen Sicherheitssystem 215<br />

darstellt. Die Panzerabwehrgranate „Energa“ 75 mm ist ebenso wie das Panzerabwehrgerät<br />

„Blindicide“ 101 mm eine „Panzer-Nahbekämpfungswaffe“ 1092 . Es<br />

kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass sich auch Störer im Besitz von<br />

beispielsweise umgebauten Fahrzeugen befinden, die als gepanzerte Ramminstrumente<br />

eingesetzt werden sollen und somit die Herbeiführung der<br />

Angriffsunfähigkeit besondere Mittel, wie den Einsatz von Hand- oder Panzerabwehrgranaten,<br />

erfordert. Die Beschaffung der erwähnten Granaten wurde<br />

jedoch ausdrücklich zur Selbstverteidigung gegen die sowjetzonale Volkspolizei<br />

durchgeführt 1093 . Wie nach der Dienstanweisung über die Anwendung des<br />

unmittelbaren Zwanges dargestellt, ist der Waffeneinsatz ausdrücklich auch zu<br />

Zwecken der Notwehr i.S.d. § 32 StGB erlaubt, was bei der Gesamtbetrachtung<br />

nicht unerwähnt bleiben darf. Das Notwehrrecht kann zwar keine Ermächtigungsgrundlage<br />

für die Durchsetzung polizeilicher Zwecke sein, jedoch gelten<br />

die Notwehr- und Nothilferechte auch für Hoheitsträger 1094 . Das Notwehrrecht<br />

unterliegt keiner Verhältnismäßigkeit, sondern vielmehr dem Grundsatz „necessitas<br />

non habet legem“. Mit anderen Worten bedeutet dies, dass „sich der<br />

Verteidiger […] nicht auf unsichere Abwehrmittel verlassen muss“ 1095 . Dies hat<br />

für alle vorbezeichneten Waffen besondere Bedeutung, denn mit an Sicherheit<br />

grenzender Wahrscheinlichkeit sind Salven aus Maschinenwaffen oder die<br />

Sprengwirkung von Hand- und Panzergranaten in unmittelbarer Einwirkung auf<br />

Menschen tödlich. Bei einem von Störern mit Maschinenwaffen oder Granaten<br />

geführten rechtswidrigen Angriff gegen den Bundesgrenzschutz, muss dieser<br />

sich nicht auf einfache Waffen beschränken, sondern er kann vielmehr diejenigen<br />

wählen, die den Angriff sicher abwehren. Hierbei ist die Abwehr nicht auf<br />

die Tötung des Störers selbst gerichtet, sondern auf die „Vernichtung der Angriffsfähigkeit,<br />

die möglicherweise den Tod des Angreifers zu ihrer<br />

tatsächlichen Wirkung hat“ 1096 .<br />

Es lässt sich zusammenfassen, dass die Ausstattung des Bundesgrenzschutzes<br />

mit besonderen Waffen dazu diente, gegen schwer bewaffnete Störer polizei-<br />

1092<br />

1093<br />

1094<br />

1095<br />

1096<br />

Moldenhauer, BGS-Taschenbuch, 2. Aufl., Kap. H 9, S. 1.<br />

Die Beschaffung der panzerbrechenden Waffen sei zur Selbstverteidigung erfolgt, da<br />

nicht auszuschließen gewesen sei, dass die sowjetzonalen Sicherheitskräfte bei Grenzverletzungen<br />

Panzer eingesetzt hätten, vgl. Dierske, Der Bundesgrenzschutz,<br />

S. 328.<br />

Berner/Köhler/Käß, Polizeiaufgabengesetz, 20. Aufl., Art. 60 Rn. 6.<br />

Jahn, Das Strafrecht des Staatsnotstandes, S. 338.<br />

Radbruch, Rechtsphilosophie, Studienausgabe, 2. Aufl., S. 162.


216 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

rechtlich vorgehen zu können. Der Einsatz aller Waffen und Explosivmittel als<br />

Instrumente des unmittelbaren Zwanges hätte auf Grundlage der Dienstanweisung<br />

zur Anwendung des unmittelbaren Zwanges erfolgen können. Soweit dies<br />

die panzerbrechenden Waffen betrifft, waren diese ausschließlich zur Selbstverteidigung<br />

vorgesehen. Die schweren Waffen des Bundesgrenzschutzes lassen<br />

somit keinen Schluss auf einen militärischen Charakter zu.<br />

Hier sei noch angemerkt, dass dies vor allem auch dadurch bestätigt wird, dass<br />

die Bereitschaftspolizeien der Länder ebenso über schwere Waffen wie Granatwerfer,<br />

Maschinengewehre und Handgranaten verfügten. Die Bereitschaftspolizei<br />

übte mit diesen Waffen in „paramilitärisch inszenierten Manövern, deren<br />

Hintergrund kommunistische Umsturzszenarios darstellten, den Krieg gegen<br />

Partisanen“ 1097 . Die schweren Waffen bei Bundesgrenzschutz und Bereitschaftspolizei<br />

erfuhren mit der Notstandsgesetzgebung eine neue Betrachtung, da seit<br />

1968 die Bundeswehr gemäß Art. 87a Abs. 4 GG im Inneren eingesetzt werden<br />

kann, wenn die Voraussetzungen des Art. 91 Abs. 2 GG vorliegen und die<br />

Polizeikräfte sowie die Kräfte des Bundesgrenzschutzes zur Störungsbeseitigung<br />

nicht ausreichen. Besonders sollen die Streitkräfte zur Unterstützung der Polizei<br />

und des Bundesgrenzschutzes beim Schutze von zivilen Objekten und bei der<br />

Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer eingesetzt<br />

werden. Die Bundesregierung sah es daher, betreffend den Bundesgrenzschutz,<br />

nicht mehr als notwendig an, Minen, Granatwerfer und Maschinenkanonen<br />

vorzuhalten. Diese Waffen schieden 1975 aus dem Bestand des Bundesgrenzschutzes<br />

aus 1098 .<br />

C. Aufstellung der ersten Grenzschutzeinheiten<br />

Bereits kurz nach Verkündung des Bundesgrenzschutzgesetzes traten am 28.<br />

Mai 1951 die ersten 1.800 Mann ihren Dienst in Lübeck an 1099 . Das Personal<br />

rekrutierte sich zu einem Großteil aus ehemaligen Angehörigen der Wehrmacht<br />

(62 Prozent) und der Polizei (31 Prozent) 1100 . Das soldatische Fachwissen der<br />

1097<br />

1098<br />

1099<br />

1100<br />

Winter, in: Lange (Hrsg.), Wörterbuch zur Inneren Sicherheit, S. 260.<br />

BT-Drs. 7/3170, S. 6; siehe hierzu auch den Bericht im Magazin „Der Spiegel“ zu den<br />

ähnlichen, noch bei den Bereitschaftspolizeien vorgehaltenen Waffen, Der Spiegel<br />

42/1970 v. 12.10.1970, S. 76 f.<br />

Dierske, APuZ 1971 (Beilage 8), S. 37.<br />

Hammerich, Das Heer 1950-1970, S. 68.


§ 6 Der Bundesgrenzschutz als neuer Akteur im föderalen Sicherheitssystem 217<br />

Masse der ersten Rekruten habe zum augenscheinlich „militärischen Charakter“<br />

1101 des Bundesgrenzschutzes beigetragen. Wie oben bereits dargelegt,<br />

bestimmt sich die Frage nach dem Charakter des Bundesgrenzschutzes jedoch<br />

nicht nach der Vorbildung und den Fähigkeiten seines Personals, sondern alleine<br />

nach dem gesetzlichen Auftrag. Im Übrigen fanden sich bei den neu eingestellten<br />

Beamten der Polizeien der Länder ebenso ehemalige Angehörige der Wehr-<br />

Wehrmacht oder der im Krieg eingesetzten Polizeibataillone. Die ehemaligen<br />

Soldaten waren sogar für die Landespolizei wegen ihrer „militärischen Ausbildung<br />

und Erfahrung […] erste Wahl“ 1102 . Die Alliierten versuchten zwar, im<br />

Rahmen der Denazifizierung höheren Offizieren der Wehrmacht den Eintritt in<br />

den Polizeidienst zu verwehren, jedoch wurde aufgrund des erheblichen Personalmangels<br />

und der Bewerberlage auch diese Prämisse „hintangestellt“ 1103 . Die<br />

Verwendung von ehemaligem Führungspersonal der Wehrmacht führte allerdings<br />

zu einem internen soldatischen Charakter. Dementsprechend galt<br />

zumindest für einen Teil der Führungsebene des Bundesgrenzschutzes, dass<br />

trotz des reinen grenzpolizeilichen gesetzlichen Auftrages, die Vorstellung von<br />

der militärischen Ausrichtung der Truppe vorherrschte. Der Literatur kann<br />

diesbezüglich sogar entnommen werden, dass der dominierende Teil der Führungskräfte<br />

dem „Militärflügel“ zugeordnet werden könne, welcher sich selbst<br />

als Vorläufer einer Streitkraft betrachtete 1104 . Dies habe nicht nur für die wehrmachtsgedienten<br />

Offiziere gegolten, sondern auch für die Neuzugänge in den<br />

unteren Rängen, die die Ausbildung beim Bundesgrenzschutz als „Vorbereitung<br />

für eine künftige militärische Verwendung“ 1105 ansahen. Rekurrierend auf oben<br />

dargelegte Beweisführung in Bezug auf Aufgabe, Kasernierung und Bewaffnung<br />

des Bundesgrenzschutzes, kann es jedoch in Hinsicht auf die Einordnung<br />

des Bundesgrenzschutzes als Polizei oder Militär dahingestellt bleiben, welcher<br />

inneren Ausrichtung oder Vorstellung die neu eingestellten Beamten des Bundesgrenzschutzes<br />

folgten – diese mag allenfalls dafür verantwortliche sein, dass<br />

ein Großteil der Beamten 1956 zur Bundeswehr übertrat 1106 .<br />

1101<br />

1102<br />

1103<br />

1104<br />

1105<br />

1106<br />

Ebd., S. 72.<br />

Mörchen, Kriminalität, Ordnung und Moral, S. 185.<br />

Reinke/Fürmetz, in: Lange, Staat, Demokratie und Innere Sicherheit in Deutschland,<br />

Studien zur Inneren Sicherheit I, S. 70.<br />

Meyer, in: MGFA, Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik, Bd. 3, S. 922.<br />

Ebd., S. 923.<br />

Vgl. hierzu S. 279 f.


218 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

Der Bundesgrenzschutz war bereits ab Mitte 1951 an 16 Standorten von<br />

Glückstadt bis München präsent und absolvierte im Sommer des gleichen Jahres<br />

erfolgreich erste größere Einsätze. Diese waren ausschließlich rein polizeilicher<br />

Natur. So war der Bundesgrenzschutz beispielsweise an der Grenze zur sowjetischen<br />

Besatzungszone im Einsatz, um Grenzüberschreitungen in hoher Zahl zu<br />

den kommunistischen Weltjugendspielen 1107 in Ost-Berlin zu verhindern. Ebenso<br />

erfolgten auch Aufträge an der Grenze zu Frankreich. Der Bundesgrenzschutz<br />

war u.a. im Einsatz um den Schmuggel von Kaffee zu bekämpfen 1108 . Insgesamt<br />

ist in Bezug auf die ersten Verwendungen des Bundesgrenzschutzes noch erwähnenswert,<br />

dass diese nicht völlig ohne Kritik durchgeführt werden konnten.<br />

So beschwerte sich das Bundesfinanzministerium aufgrund vorliegender Berichte<br />

verschiedener Hauptzollämter an der Zonengrenze darüber, dass der<br />

Bundesgrenzschutz nicht immer zur Beruhigung beitrage, „sondern gelegentlich<br />

auch Unruhe unter der Bevölkerung hervorrufe, weil Reaktionen auf der Gegenseite<br />

(Volkspolizei) befürchtet werden“ 1109 . Das bisher gute Verhältnis zur<br />

Volkspolizei sei durch das Auftreten des Bundesgrenzschutzes verschlechtert<br />

worden. So seien Beamte des Bundesgrenzschutzes für provokantes Auftreten in<br />

Form von „Beschimpfung von Volkspolizisten“, „Anleuchten von Volkspolizisten<br />

mit Scheinwerfern“, „fehlender Beachtung des Grenzverlaufs“ und der<br />

Durchführung von „Nachtübungen in unmittelbarer Nähe der Grenze“ verantwortlich<br />

gewesen 1110 . Der Vertreter des Bundesfinanzministeriums erklärte sich<br />

abschließend bereit, dem Bundesgrenzschutz die langjährigen Erfahrungen des<br />

Zollgrenzschutzdienstes im Dienst an der Zonengrenze zu Nutze zu machen.<br />

Ähnliches wie die Hauptzollämter schilderte auch der bayerische Ministerpräsident<br />

Hoegner in einem Brief an den Bundesinnenminister. Der Einsatz des<br />

Bundesgrenzschutzes durch das in Stellung Bringen eines Maschinengewehrs an<br />

der Zonengrenze habe in mehreren Fällen dazu beigetragen, „das Gefühl der<br />

Unsicherheit der Grenzbevölkerung noch zu verstärken“, da sich in kürzester<br />

Zeit zahlreiche sowjetzonale Grenzsoldaten eingefunden hätten 1111 . Die geschilderten<br />

Ereignisse belegen, dass der Bundesgrenzschutz in der Anfangszeit noch<br />

1107<br />

1108<br />

1109<br />

1110<br />

1111<br />

Riggert, GMH 4/1953, Heft 5, S. 300; zum Bundesgrenzschutz-Einsatz bei den Weltjugendfestspielen:<br />

Scholzen, Bundesgrenzschutz, S. 22.<br />

Näheres bei: Scholzen, Bundesgrenzschutz, S. 136 ff.<br />

Vermerk betreffend des Einsatzes des Bundesgrenzschutzes im Grenzgebiet und<br />

Zusammenarbeit mit dem Zollgrenzdienst, v. 21.06.1952, S. 1, in: BArch B 106/15177.<br />

Ebd., S. 2.<br />

Schreiben Hoegner an das BMI, Az. IC 1-2260ea81, v. 22.07.1953, S. 2, in: BArch<br />

B 106/15177.


§ 6 Der Bundesgrenzschutz als neuer Akteur im föderalen Sicherheitssystem 219<br />

nicht optimal auf die Aufgabe des polizeilichen Grenzdienstes eingestimmt war.<br />

Jedoch sind den Akten keine weiteren Berichte über Missstände beim Bundesgrenzschutz<br />

nach 1953 zu entnehmen. Auch können die Vorfälle nicht als<br />

Beweisführung herangezogen werden, um dem Bundesgrenzschutz den polizeilichen<br />

Charakter abzusprechen.<br />

D. Konflikt um die Polizeihoheit im Raum Bonn<br />

Die erste politische Auseinandersetzung nach der Aufstellung des Bundesgrenzschutzes<br />

fand ab Oktober 1951 zwischen dem Bund und dem Land Nordrhein-<br />

Westfalen statt. Am 11. Oktober 1951 übernahmen Kräfte des Bundesgrenzschutzes<br />

die Objektschutzaufgaben am Palais Schaumburg 1112 . Gemäß interner<br />

Weisung erfolgte die Bewachung ausschließlich „innerhalb der Umzäunung“ 1113 .<br />

Die Stadtpolizei Bonn sollte weiterhin für die Sicherung des Grundstückes<br />

außerhalb der Umzäunung zuständig sein. Die Übernahme der Wache durch den<br />

Bundesgrenzschutz erfolgte auf Wunsch von Adenauer 1114 , obwohl Presseberichten<br />

zufolge Heuss und Adenauer auf eine Bewachung der Amtsstize durch<br />

den Bundesgrenzschutz verzichtet hätten 1115 . Zeuge der Wachablösung vor dem<br />

Palais Schaumburg wurde der Fahrer des CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden<br />

Heinrich von Brentano 1116 (CDU). Dieser teilte von Brentano mit, dass sich die<br />

Ablösung „wie in der schlimmsten Zeit bei den Preußen“ zugetragen habe 1117 .<br />

Dieser Umstand sowie generelle Zweifel an der Notwendigkeit der Wahrnehmung<br />

des Objektschutzes durch den Bundesgrenzschutz, veranlassten von<br />

Brentano, ein vertrauliches Schreiben an Bundesinnenminister Lehr zu richten.<br />

Hierin äußerte von Brentano Zweifel, ob es „wirklich nötig“ sei, dass der Bundesgrenzschutz<br />

die Bewachung des Palais Schaumburg übernehme, denn dies<br />

1112<br />

1113<br />

1114<br />

1115<br />

1116<br />

1117<br />

Das Palais Schaumburg war seit dem 05.11.1949 Amtssitz des Bundeskanzlers, vgl.<br />

Busse/Hofmann, Bundeskanzleramt, S. 31.<br />

Schreiben des Bundeskanzleramtes v. 20.09.1951 betreffend der „Übernahme Wache<br />

‚Palais Schaumburg‘ und Wache Rhöndorf“, S. 1, in: BArch B 136/4309.<br />

Schreiben Innenministerium NRW an den Bundesinnenminister Lehr, Az. IV A 2 I-<br />

1258, v. 15.10.1951, in: BArch B 136/1929, fol. 63-66.<br />

Vgl. Der Spiegel 41/1951, v. 10.10.1951, S. 3.<br />

Heinrich von Brentano (1904-1964), Jurist, Mitbegründer der CDU in Hessen, von<br />

1946 bis 1949 Mitglied des Landtages Hessen, Mitglied des Parlamentarischen Rates,<br />

Mitglied des Bundestages von 1949 bis 1964, 1955 bis 1961 Bundesminister des Auswärtigen,<br />

vgl. BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 16 (1963), S. 519.<br />

Persönliches Schreiben Brentano an Lehr, v. 12.10.1951, S. 1, in: BArch B 136/1929.


220 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

sei „keine Aufgaben einer Bundesgrenzschutzpolizei“ und werde „neue peinliche<br />

Missverständnisse auslösen“ 1118 . Von Brentano plädierte dafür, wieder den<br />

blau uniformierten Polizeibeamten des Landes die Bewachung zu überlassen<br />

und fügte abschließend wiederholt hinzu, dass er grundsätzlich eine derartige<br />

Verwendung des Bundesgrenzschutzes für „inopportun“ halte 1119 . Mit der Feststellung,<br />

dass die Übernahme der Wache am Palais Schaumburg zu<br />

Missverständnissen führen werde, bewies von Brentano ein sehr gutes politisches<br />

Gespür.<br />

Wie aus einem Schreiben des damaligen Innenministers des Landes Nordrhein-<br />

Westfalen, Adolf Flecken 1120 (CDU), an den Bundesinnenminister Lehr hervorgeht,<br />

war die Ablösung der Landespolizei von der Objektschutzaufgabe am<br />

Palais Schaumburg ohne sein Wissen und ohne seine Anordnung erfolgt 1121 . Es<br />

sei nicht zweckmäßig, derartige Maßnahmen ohne seine Kenntnis nur auf örtlicher<br />

Ebene zu vereinbaren. Flecken habe „schwerwiegende rechtliche<br />

Bedenken“ gegen die Übernahme des Objektschutzes durch den Bundesgrenzschutz<br />

1122 . Er betonte weiterhin, dass die Polizeihoheit bei den Ländern liege<br />

und dem Bund im Raum Bonn keine polizeilichen Befugnisse oder Zuständigkeiten<br />

zukommen könnten. Es sei vielmehr eine Änderung des Grundgesetzes<br />

notwendig, falls der Bundesgrenzschutz zu derartigen Aufgaben herangezogen<br />

werden solle. Abschließend bat Flecken den Bundesinnenminister Lehr um<br />

Bestätigung, dass der Bund die Polizeihoheit des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

im Raum Bonn anerkenne und darum, dass der Bundesgrenzschutz „keinerlei<br />

polizeiliche Befugnisse auszuüben in der Lage“ sein werde 1123 . Weiterhin ersuchte<br />

Flecken, dass eine bezüglich von dem Letztgesagten abweichende<br />

Meinung zu begründen sei, da er sonst das Bundesverfassungsgericht anrufen<br />

werde. Flecken wandte sich, bevor Lehr auf seine Vorhalte reagieren konnte, in<br />

einem zweiten Schreiben 1124 an diesen, um gegen die Inanspruchnahme von<br />

1118<br />

1119<br />

1120<br />

1121<br />

1122<br />

1123<br />

1124<br />

Ebd.<br />

Ebd., S. 2.<br />

Adolf Flecken (1889-1966), Jurist, 1925 Mitglied der Zentrumspartei, Mitbegründer der<br />

CDU NRW 1945, von 1950 bis 1952 Innenminister NRW, von 1952 bis 1956 Finanzminister<br />

NRW, vgl. Haunfelder, Nordrhein-Westfalen biographisches Handbuch,<br />

S. 151.<br />

Schreiben Innenministerium NRW an Lehr (Fn. 1114), S. 1.<br />

Ebd., S. 2.<br />

Ebd., S. 4.<br />

Schreiben Innenministerium NRW an den Bundesinnenminister Lehr, Az. IV A 2 I-<br />

1277, v. 29.10.1951, in: BArch B 136/1929.


§ 6 Der Bundesgrenzschutz als neuer Akteur im föderalen Sicherheitssystem 221<br />

Sonder- und Wegerechten im Sinne der StVO durch Beamte des Bundesgrenzschutzes<br />

zu protestieren. Bei der Wachablösung wurden die Streifenfahrzeuge<br />

des Bundesgrenzschutzes durch einen Kradfahrer begleitet, welcher durch<br />

Zeichengabe andere Verkehrsteilnehmer zum Anhalten anwies, sodass die<br />

Kolonne freie Fahrt erhielt. Auch der Bundeskanzler werde durch Kradfahrer<br />

des Bundesgrenzschutzes begleitet, die andere Verkehrsteilnehmer zum Halten<br />

auffordern. Hierbei handele es sich Flecken zufolge um polizeiliche Amtshandlungen,<br />

zu denen der Bundesgrenzschutz außerhalb seines Aufgabenbereiches<br />

nicht befugt sei. Er bat, dass die „Vornahme verkehrspolizeilicher Amtshandlungen“<br />

durch den Bundesgrenzschutz unterbleibe 1125 .<br />

Lehr und Flecken müssen bezüglich der vorgebrachten Sachlage am 7. November<br />

1951 eine klärende Aussprache gehabt haben 1126 . Flecken gab sich<br />

offensichtlich damit zufrieden, dass Lehr ihm versicherte, dass die Beamten des<br />

Bundesgrenzschutzes sich ausschließlich hinter der Toreinfahrt des Palais<br />

Schaumburg aufhalten würden. Lehr hatte diesbezüglich dem „Wunsche entsprechend“<br />

noch einmal auf die Beachtung der Anordnung hingewiesen, dass<br />

sich die Wachen nur innerhalb des umzäunten Bereiches, also auf bundeseigenem<br />

Grundstück, aufhalten sollten 1127 . Weiterhin erklärte Lehr, dass sich<br />

Flecken versichert sein könne, dass der Bund die gegenüber Nordrhein-<br />

Westfalen „übernommenen Verpflichtungen loyal erfüllen“ werde 1128 . In diesem<br />

Zusammenhang hoffte Lehr, dass sich durch die wachsenden Zusammenarbeit<br />

auch die „übrigen politischen Beschwernisse ausräumen hätten lassen, die im<br />

Bereich der Bundeshauptstadt“ durch den Einsatz des Bundesgrenzschutzes<br />

aufgetreten waren 1129 . Aus dem Dokument geht nicht hervor, was Lehr unter den<br />

gegenüber dem Land Nordrhein-Westfalen übernommenen Verpflichtungen<br />

verstand. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass damit die Übernahme<br />

der Kosten durch den Bund für Bewaffnung, Gerät und Kraftfahrzeuge bei<br />

der Bereitschaftspolizei Nordrhein-Westfalen gemeint war, wie es im Verwaltungsabkommen<br />

festgelegt wurde 1130 . Hierfür spricht insbesondere die wörtliche<br />

1125<br />

1126<br />

1127<br />

1128<br />

1129<br />

1130<br />

Ebd., S. 2.<br />

Schreiben Lehr an Flecken, Az. 6471 A-4591/51, v. 06.12.1951, S. 1, in: BArch<br />

B 136/1929, fol. 88.<br />

Ebd., S. 3.<br />

Ebd., S. 4.<br />

Ebd.<br />

Vgl. Ziff. 9, 10 des Verwaltungsabkommens zwischen der Bundesregierung und den<br />

Landesregierungen über die Errichtung von Bereitschaftspolizeien der Länder vom


222 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

Formulierung im Dokument, nach welcher Lehr erklärte, dass sich Flecken „bei<br />

diesem Anlass“ (gemeint ist das Verwaltungsabkommen zur Errichtung einer<br />

Bereitschaftspolizei) der Erfüllung der Verpflichtungen versichert sein könne<br />

1131 . In jedem Fall gab Flecken seinen Widerstand auf und akzeptierte den<br />

Einsatz des Bundesgrenzschutzes auf dem bundeseigenen Grundstück des Palais<br />

Schaumburg. Seine Initiative verhallte jedoch nicht ungehört. Mit dem BGSG<br />

von 1972 wurde die Aufgabe Objektschutz offiziell in das BGSG aufgenommen.<br />

Vorher lässt sich eine Zuständigkeit allenfalls nach der ungeschriebenen Verwaltungskompetenz<br />

des Bundes aus der Natur der Sache für den Schutz seiner<br />

eigenen Einrichtungen begründen 1132 .<br />

E. Politischer Schlagabtausch um den Passkontrolldienst<br />

Der Bundesgrenzschutz nahm mit seinem Personal ab 1. April 1952 auch die<br />

Aufgaben des „Deutschen Paßkontrolldienstes“ wahr, welcher in der britischen<br />

Besatzungszone seit 1947 bestand 1133 . Die Passkontrolle in Bayern wurde allerdings<br />

nach wie vor, im Übrigen bis zum Wegfall der Grenzkontrollen 2007 1134<br />

aufgrund des Schengener-Übereinkommens, von den Kräften der bayerischen<br />

Grenzpolizei durchgeführt. Lehr hatte zwar versucht, die Passkontrolle in jedem<br />

Fall beim Bund zu behalten 1135 , musste aber letztlich anerkennen, dass eine<br />

Sonderregelung für Bayern getroffen wurde. Die Entwicklung zur Übernahme<br />

der Passkontrolle durch den Bundesgrenzschutz gestaltete sich in Bayern differenziert<br />

gegenüber den anderen Ländern. Mit dem Übernahmekonflikt um die<br />

Passkontrolle knüpfte Bayern nahtlos an seine föderalistisch ablehnende Position<br />

zum Bundesgrenzschutzgesetz an.<br />

1131<br />

1132<br />

1133<br />

1134<br />

1135<br />

18.05.1951, abgedruckt in: GVBl. SH 1951, S. 105-107; Ziff. 9, 10 des Verwaltungsabkommens<br />

über die Errichtung einer Bereitschaftspolizei des Landes NRW v.<br />

08.02.1951, in: LAV NRW, Abteilung Rheinland, NW 899, Nr. 96.<br />

Schreiben Lehr (Fn. 1126), S. 4: „Im Übrigen darf ich nochmals meiner Freude darüber<br />

Ausdruck geben, dass sich die Landesregierung Nordrhein-Westfalen trotz der fehlenden<br />

Zustimmung des Landtages an das Verwaltungsabkommen über die Errichtung<br />

einer Bereitschaftspolizei gebunden hält. Lassen Sie mich bei diesem Anlass erneut versichern,<br />

dass auch der Bund gegenüber Ihrem Lande übernommenen Verpflichtungen<br />

loyal erfüllen wird“.<br />

Siehe hierzu S. 398.<br />

Vgl. zum Amt für den deutschen Passkontrolldienst: Vogel, Westdeutschland 1945-<br />

1950, Aufbau von Verfassungs- und Verwaltungseinrichtungen, Teil III, S. 644.<br />

Wegfall der Grenzkontrollen an der tschechischen Grenze zum 21.12.2007.<br />

BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 4 (1951), S. 38.


§ 6 Der Bundesgrenzschutz als neuer Akteur im föderalen Sicherheitssystem 223<br />

Gemäß § 2 Satz 1 BGSG 1951 übt der Bundesgrenzschutz die Aufgabe der<br />

Passkontrolle mit seinen Kräften aus, welche bis dahin von Landespolizei und<br />

Zoll mit teilweiser Unterstützung der Besatzungsmächte wahrgenommen wurde.<br />

Die Übernahme der Passkontrolle durch den Bund verlief in den meisten Ländern<br />

problemlos. Die Hansestädte Hamburg und Bremen wollten diese Aufgabe<br />

für ihre großen Seehäfen selbst durchführen, da seit jeher die grenzpolizeiliche<br />

Zuständigkeit in diesem Bereich bei den Städten lag. Hiergegen hatte die Bundesregierung<br />

auch keine Einwände.<br />

Die Passkontrolle in den Weltseehäfen Hamburgs und Bremens sollte durch<br />

Verwaltungsabkommen der Wasserschutzpolizei des jeweiligen Landes übertragen<br />

werden 1136 . Für Bayern plante der Bund die Übernahme der Passkontrolle ab<br />

Sommer 1951 akribisch. Das Bundesinnenministerium hatte vorgesehen, in<br />

Bayern alle Grenzübergänge zur sowjetischen Besatzungszone und die sonstigen<br />

Hauptgrenzübergänge, unter Übernahme von Beamten der Landesgrenzpolizei<br />

in den Bundesdienst, zu übernehmen 1137 .<br />

Die Bundesregierung verfolgte mit der bundesweit einheitlichen Passkontrolle<br />

durch den Bundesgrenzschutz vor allem das Ziel, den Alliierten gegenüber ihr<br />

Versprechen von einem zentralisierten Passkontrolldienst einzulösen 1138 . Die<br />

AHK hatte ihre Zustimmung zum Bundesgrenzschutzgesetz maßgeblich deswegen<br />

gegeben, weil sich die Bundesregierung verpflichtet hatte, eine<br />

Passkontrollbehörde einzurichten („The approval of the High Commission to the<br />

creation of the Federal Frontier Protection Authority was given largely because<br />

the Federal Government had undertaken to set up within the framework of this<br />

1136<br />

1137<br />

1138<br />

BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 5 (1952), S. 65; Verwaltungsabkommen<br />

zwischen der Bundesregierung und dem Senat der Freien Hansestadt Bremen über die<br />

Ausübung der Passnachschau v. 24.03.1953, in: StAB, 3-P.1.d. Nr. 251; Verwaltungsabkommen<br />

über die Ausübung der Passnachschau Hamburg zwischen der<br />

Bundesregierung und dem Senat der Freien und Hansestadt Hamburg v. 27.02.1953, in:<br />

StAH, 136-5, Nr. 34, fol. 141.<br />

Besprechung der Übernahme der Passkontrolle durch den Bundesgrenzschutz vom<br />

30.07.1951, S. 2 ff., in: BArch B 106/16480.<br />

Vermerk über die Übernahme der Passnachschau in Bayern durch den Bundesgrenzschutz<br />

vom 14.01.1952, S. 5, in: BArch B 136/1932: „[…] können wir nicht mehr<br />

behaupten, dass wir einen bundeseinheitlich geleiteten und beaufsichtigen Passkontrolldienst<br />

geschaffen haben. Dann besteht die Gefahr, dass die Alliierten bei den<br />

Verhandlungen über den Truppenvertrag ihr Bestreben noch verstärken, in den Fragen<br />

der Ein- und Ausreise auch weiterhin in die Behandlung deutscher Verwaltungsangelegenheiten<br />

einzugreifen“.


224 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

Authority a centralized Federal Passport Control Service“ 1139 ), welche auch über<br />

die Sicherung des Bundesgebietes zur Sicherheit der Besatzungstruppen beitragen<br />

sollte 1140 . Die bayerische Regierung war allerdings mit den Planungen des<br />

Bundes zur Übernahme der Passkontrolle nicht einverstanden. Zur gleichen Zeit,<br />

als bereits oben erwähnte Vorhaben zur Aufgabenübernahme für Bayern ausgearbeitet<br />

wurden, intervenierte Wilhelm Hoegner, der damalige stellvertretende<br />

bayerische Ministerpräsident, beim Bundesinnenminister Lehr. Hoegner formulierte<br />

noch vorsichtig, aber dennoch recht deutlich, dass Bayern seine bisherigen<br />

„verfassungsrechtlichen Bedenken [gegen den BGS] zurückgestellt habe in der<br />

Erwartung, dass den bayerischen Wünschen hinsichtlich der Landesgrenzpolizei<br />

Rechnung getragen wird“ 1141 . Im Konkreten solle die Passkontrolle weiterhin<br />

durch die Landesgrenzpolizei erfolgen. Die bayerische Staatsregierung stützte<br />

den Erfolg ihrer Erwartungen vor allem auf zwei Fakten:<br />

Zum einen hatte Bundesinnenminister Lehr in seiner Rede vor dem Bundestag<br />

im Februar 1951 anklingen lassen, dass es nicht ausgeschlossen sei, dass „der<br />

Bund unter Verzicht auf das Recht der eigenen Verwaltung den Vollzug des<br />

Gesetzes einem Land in eigener Verwaltung“ überlasse 1142 . Zum anderen konnte<br />

Bayern für sich Gleichbehandlung in dieser Sache reklamieren, denn Hamburg<br />

und Bremen wurden auch Ausnahmen und die landeseigenen Durchführung der<br />

Passkontrolle zugestanden 1143 .<br />

Nachdem sich die Bundesregierung von Sommer bis Jahresende 1951 relativ<br />

unbeeindruckt von den bayerischen Sonderwünschen gezeigt hatte, schritt der<br />

bayerische Ministerpräsident Ehard selbst zur Offensive. In mehreren, an<br />

1139<br />

1140<br />

1141<br />

1142<br />

1143<br />

Originalschreiben von Samuel Reber, dem Vorsitzenden des Political Affairs Committee<br />

der AHK an den Bundesinnenminister Lehr v. 16.11.1951, in: BArch<br />

B 136/1932, fol. 116.<br />

Übersetzung des Schreibens an Lehr (Fn. 1139), in: BArch B 136/1932, fol. 115; in<br />

diesem Schreiben beklagte Reber im Übrigen, dass der zentralisierte Passkontrolldienst<br />

noch nicht eingesetzt sei und er darauf vertraue, dass die Bundesregierung ihre gegenüber<br />

der AHK gemachten Zusagen einhalte.<br />

Schreiben von Hoegner an Lehr vom 27.07.1951, Az. 14875, S. 1, in: BArch<br />

B 106/16480.<br />

BT-Prot. vom 15.02.1951, 118. Sitzung, S. 4516A.<br />

Vgl. BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 5 (1952), S. 65 ff.; der damalige<br />

Bundesfinanzminister Schäffer (CSU) erklärte in dieser Kabinettssitzung, dass es<br />

„schwierig sein werde den Wunsch Bayerns nach Ausübung der Passkontrolle abzuschlagen“,<br />

wenn bereits mit Hamburg und Bremen entsprechenden Abkommen<br />

geschlossen worden sind.


§ 6 Der Bundesgrenzschutz als neuer Akteur im föderalen Sicherheitssystem 225<br />

Adenauer persönlich gerichteten Schreiben versuchte Ehard, den Bund zur<br />

Aufgabe seiner Pläne zur Übernahme der Passkontrolle in Bayern zu bewegen.<br />

Ehard führte aus, dass er daran zweifele, ob die „heutigen Bundesgrenzschutzformationen“<br />

Behörden i.S.v. Art. 87 GG seien, und dass die geplante<br />

Übernahme der Passkontrolle durch den Bund in Bayern erneut „verfassungsrechtliche<br />

Bedenken gegen den Bundesgrenzschutz wachgerufen“ habe 1144 .<br />

Zudem merkte Ehard an, dass es ihm nicht „leicht fallen“ würde, das Bundesverfassungsgericht<br />

anzurufen, aber diese Möglichkeit bestünde 1145 . Weiter gab<br />

er zu verstehen, dass insofern Bayern die Passkontrolle mit eigenen Kräften<br />

erhalten bleibe, der Bundesgrenzschutz anerkannt werde und einer geplanten<br />

Erhöhung der Mannstärke des Bundesgrenzschutzes keine „Schwierigkeiten in<br />

den Weg“ gelegt werden müssten 1146 .<br />

Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Ritter von Lex, ließ als CSU-<br />

Mitglied und der bayerischen Position nahestehend verlauten, dass er es nicht<br />

für ausgeschlossen halte, dass die Bundestagsfraktion der CSU ein Ausscheiden<br />

aus der Koalition erwäge, falls Bayern in dieser Sache „brüskiert“ würde 1147 .<br />

Ehard fand seinen persönlichen Gegenspieler der Debatte in Robert Lehr. Der<br />

damalige Bundesinnenminister wandte sich ebenso persönlich an Adenauer und<br />

verteidigte sein Vorhaben, dem Bundesgrenzschutz die Ausübung der Passnachschau<br />

auch in Bayern zu übertragen. Lehr begründete sehr substantiiert seine<br />

Position, indem er Adenauer an die internationale Tragweite der Materie erinnerte.<br />

Er führte aus, dass die Bundesregierung der AHK ihre Garantie zur<br />

Errichtung eines zentralisierten Passkontrolldienstes gegeben habe und dieses<br />

„gegebene Wort zu halten sei“ 1148 . Weiterhin erklärte Lehr, dass er einer etwaigen<br />

Klage beim Bundesverfassungsgericht mit „Ruhe“ entgegensehe und<br />

ermutigte Adenauer, auf Bayern einzuwirken, damit es seine „Sonderwünsche“<br />

aufgäbe 1149 .<br />

1144<br />

1145<br />

1146<br />

1147<br />

1148<br />

1149<br />

Schreiben Ehard an Adenauer v. 14.12.1951, S. 1, in: BArch B 136/1932 = Anlage D6,<br />

S. 452 ff.<br />

Ebd.<br />

Ebd., S. 3.<br />

Schreiben Ritter von Lex an Lehr vom 14.01.1952, S. 9, in: BArch B 136/1932; in<br />

diesem Schreiben empfahl Ritter von Lex weiterhin auf die Ausübung der Passkontrolle<br />

zu verzichten und den Bayern entgegenzukommen, um die Verfassungsklage zu verhindern<br />

und die Zustimmung zur zweiten Welle des Bundesgrenzschutzes zu erhalten.<br />

Persönliches Schreiben Lehr an Adenauer vom 16.01.1952, S. 3, in: BArch B 136/1932.<br />

Ebd., S. 5.


226 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

Adenauer verhielt sich zunächst neutral und teilte Ehard in einem persönlichen<br />

Schreiben mit, dass er das Bundesgrenzschutzgesetz für verfassungskonform<br />

halte und der Bund nicht auf seine Rechte aus § 2 Satz 1 BGSG 1951 verzichten<br />

könne 1150 . Ehard erklärte hierauf erneut, dass insofern der Bund in der Frage der<br />

Passnachschau mit Bayern einen Ausgleich finde, das Bundesverfassungsgericht<br />

nicht angerufen werden sollte 1151 . In einem weiteren Schreiben, verfasst wenige<br />

Wochen später, nach einem weitgehend in der Sache erfolglosen Vermittlungsversuch<br />

durch den damaligen Bundesfinanzminister Schäffer (CSU), zementierte<br />

Ehard die bayerische Position, indem er forderte, dass die Passnachschau an<br />

allen bayerischen Übergängen durch die Landesgrenzpolizei erfolgen müsse 1152 .<br />

Gleichzeitig jedoch vollzog er einen überaus durchdachten Schachzug. Er<br />

betonte, dass Bayern in einem entsprechenden Verwaltungsabkommen das<br />

Weisungs- und Aufsichtsrecht des Bundes im Passwesen vollständig anerkennen<br />

würde. Dies zielte auf das schlagkräftige Argument der Bundesregierung ab,<br />

eine zentral organisierte Passkontrolle einrichten zu müssen.<br />

Denn mit einem Weisungs- und Aufsichtsrecht konnte die Bundesregierung<br />

gegenüber den Alliierten ohne Weiteres darlegen, dass der Vollzug des Passwesens<br />

bundesweit einheitlich erfolgte – also ein „centralized Federal Passport<br />

Control Service“ 1153 zumindest dem Standard nach bestand. Ehard war sich<br />

seiner Sache sehr sicher; in einer Sitzung des Landesvorstandes der CSU äußerte<br />

er wenige Tage nach dem Verfassen des letzten Schreibens an Adenauer, dass<br />

die Beibehaltung der Passkontrolle durch die Landesgrenzpolizei angestrebt<br />

werde. Bezeichnend allerdings ist seine letzte Bemerkung: „Dies wird uns<br />

voraussichtlich gelingen.“ 1154 Ehards Voraussage traf zu. Entgegen der eindeutigen<br />

Rechtslage, aber auch unter Zuhilfenahme von politischen Druckmitteln<br />

verwies Ehard den Bund in Sachen Polizeikompetenzen in den ersten Gründungsjahren<br />

der Bundesrepublik somit ein zweites Mal nach Beibehaltung der<br />

bayerischen Grenzpolizei in die Schranken.<br />

1150<br />

1151<br />

1152<br />

1153<br />

1154<br />

Persönliches Schreiben Adenauers an Ehard vom 30.01.1952, in: BArch B 136/1932.<br />

Persönliches Schreiben Ehards an Adenauer vom 07.02.1952, in: BArch B 136/1932,<br />

fol. 148.<br />

Persönliches Schreiben Ehards an Adenauer vom 20.02.1952, in: BArch B 136/1932,<br />

fol. 150.<br />

So von den Alliierten bezeichnet, vgl. S. 223.<br />

Balcar/Schlemmer (Hrsg.), An der Spitze der CSU, S. 321.


§ 6 Der Bundesgrenzschutz als neuer Akteur im föderalen Sicherheitssystem 227<br />

Warum Adenauer seine ursprüngliche Position, die durch Lehr inhaltlich souverän<br />

gestärkt wurde, aufgab, geht abschließend nicht aus der verfügbaren<br />

Quellenlage hervor. Jedoch gibt es einen Aktenvermerk aus dem März 1952, in<br />

dem festgestellt wurde, dass Bayern in Sachen Vollzug der Passnachschau nun<br />

„das Aufsichts- und Weisungsrecht des Bundes uneingeschränkt“ anerkenne, es<br />

keinen Grund für eine „unterschiedliche Behandlung von Hamburg und Bremen<br />

auf der einen Seite und von Bayern auf der anderen Seite“ gebe, und ein Konflikt<br />

mit Bayern vermieden werden solle 1155 . Die letzte Feststellung war mit<br />

Sicherheit ein wichtiger Grund für Adenauer in dieser Sache einzulenken. Es<br />

liegt nahe, dass er nur wegen der Frage der Passkontrolle in einem Bundesland<br />

nicht die Koalition riskiert oder den Focus der Westalliierten durch eine Verfassungsklage<br />

gegen ein gerade erst geschaffenes Sicherheitsorgan auf sich<br />

gezogen hätte. Adenauer bewies mit dem Zugeständnis an Bayern für die Passkontrolle<br />

politisches Kalkül.<br />

Denn den Bundesgrenzschutz der Frage nach Verfassungsmäßigkeit nur ein Jahr<br />

nach seiner Gründung auszusetzen, hätte diesen mit einem Geburtsmakel beschädigt,<br />

auch wenn das Bundesverfassungsgericht zum Ergebnis gekommen<br />

wäre, dass das Bundesgrenzschutzgesetz verfassungskonform sei. Die Ausübung<br />

der Passkontrolle in Bayern kann letztlich als zweitrangig betrachtet werden, da<br />

Adenauer ohnehin den Bundesgrenzschutz zu dieser Zeit nicht vordergründig<br />

für den polizeilichen Grenzschutz verwenden wollte, sondern als truppenpolizeiliche<br />

Reserveeinheit des Bundes. Aus diesem Grund war Ehard mit seiner<br />

Forderung nach Ausübung der Passnachschau letztlich zweiter Sieger – denn im<br />

Gegenzug hatte er sich verpflichtet, nicht gegen die geplante Erhöhung des<br />

Bundesgrenzschutzes vorzugehen. Die Ausübung der Passkontrolle belastete<br />

den bayerischen Finanzhaushalt enorm 1156 . Das Beharren auf Ausübung der<br />

Passnachschau unterband zu Beginn der fünfziger Jahre jede weitere Infragestellung<br />

des Bundesgrenzschutzes von bayerischer Seite aus. Bundesinnenminister<br />

Schröder 1157 bestimmte im April 1960, dass der Bundespasskontrolldienst mit<br />

1155<br />

1156<br />

1157<br />

Vermerk für die Kabinettssitzung von Ministerialrat im Bundeskanzleramt Karl Gumbel<br />

vom 15.03.1952, Az. 5-21302-77/52, in: BArch B 136/1932, fol. 142.<br />

Weber, in: Schlemmer/Woller: Politik und Kultur im föderativen Staat 1949 bis 1973,<br />

S. 62.<br />

Gerhard Schröder (1910-1989), Jurist, 1945 Gründungsmitglied der CDU, 1949 bis<br />

1980 Mitglied des Bundestages, 1953 bis 1961 Bundesinnenminister, 1961 bis 1966<br />

Außenminister, 1966 bis 1969 Bundesverteidigungsminister, vgl. Vierhaus/Herbst


228 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

Wirkung zum 1. April 1961 in „Grenzschutzeinzeldienst“ umbenannt wurde 1158 .<br />

Die Passkontrollämter führten ab diesem Zeitpunkt die Bezeichnung Grenzschutzamt,<br />

die Passkontrolldirektion die Bezeichnung Grenzschutzdirektion und<br />

die Passkontrollstellen die Bezeichnung Grenzschutzstelle 1159 .<br />

F. Erhöhung der Sollstärke des Bundesgrenzschutzes<br />

Die Bundesregierung dachte bereits im Juni 1951 über eine Erhöhung der Stärke<br />

des Bundesgrenzschutzes um 10.000 Mann nach 1160 . Ein Beschluss wurde zu<br />

dieser Zeit allerdings nicht gefasst. Erst im Frühjahr 1952 wurde die Verstärkung<br />

des Bundesgrenzschutzes erneut näher thematisiert. Lehr führte in einer<br />

Kabinettssitzung aus, dass es aufgrund der „gespannten innerpolitischen Lage“<br />

dringend notwendig sei, den Bundesgrenzschutz zu verstärken 1161 . Adenauer<br />

pflichtete Lehr in genannter Sitzung bei und hielt diese Lagebeurteilung für<br />

„völlig begründet“ 1162 . Die Bundesregierung sah die innenpolitische Lage durch<br />

die Vorgänge um das geplante Betriebsverfassungsgesetz und durch Aufrufe<br />

zum Generalstreik durch die DDR gefährdet. Der DGB kündigte im Mai 1952<br />

Kampfmaßnahmen gegen das Betriebsverfassungsgesetz an 1163 . In diesem<br />

Zusammenhang bezeichnete Adenauer die Streikvorhaben als „Verstoß gegen<br />

das Grundgesetz und gefährliche Störung der inneren Ordnung“ 1164 . Weiterhin<br />

brachte die „zweite Phase des Notenkrieges“ 1165 zwischen der Bundesregierung<br />

und der DDR in Adenauers Augen weiteres Bedrohungspotential für West-<br />

1158<br />

1159<br />

1160<br />

1161<br />

1162<br />

1163<br />

1164<br />

1165<br />

(Hrsg.), Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949-<br />

2002, Bd. 2, S. 783.<br />

Verfügung des BMI, Az. VI B 5-62 469 A -262/61, v. 06.04.1961, in: BArch<br />

B 136/1929.<br />

Vgl. GMBl. 1961, S. 253.<br />

BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 4 (1951), S. 490.<br />

BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 5 (1952), S. 349.<br />

Ebd., S. 350.<br />

Zu den Vorgängen um das Betriebsverfassungsgesetz und deren Einordnung: Schildt,<br />

Die Arbeiterschaft im 19. und 20. Jahrhundert, S. 48; Bauer, Die Humanität der Rechtsordnung,<br />

S. 377.<br />

Adenauer, Briefe 1951-1953, Brief-Nr. 204 an Fette, S. 217; der Brief ist ebenso<br />

abgedruckt in: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 57<br />

vom 20.05.1952, S. 620.<br />

So bezeichnet für die Zeit ab April 1952 in deren Rahmen auch durch Grotewohl am<br />

01.05.1952 zum Generalstreik in Westdeutschland aufgerufen wurde, vgl. Hoffmann,<br />

Otto Grotewohl, S. 591.


§ 6 Der Bundesgrenzschutz als neuer Akteur im föderalen Sicherheitssystem 229<br />

deutschland mit sich. Otto Grotewohl rief in Westdeutschland u.a. wegen der<br />

Unterzeichnung des Deutschlandvertrages zum Generalstreik und zur Beseitigung<br />

der „Adenauer-Regierung“ auf 1166 .<br />

Hier zeigte sich, dass Adenauer den Bundesgrenzschutz nicht nur als reine<br />

Grenzpolizei ansah, sondern auch als Notreservetruppe i.S.v. Art. 91 GG, denn<br />

zu den Aufgaben einer Grenzpolizei gehört nicht das polizeiliche Vorgehen in<br />

Zusammenhang mit einem Generalstreik, oder gar die Auflösung von Versammlungen<br />

i.S.v. Art. 8 GG. Weitere Indizien sprechen dafür, dass die Erhöhung der<br />

Mannstärke des Bundesgrenzschutzes vorrangig nicht zu grenzpolizeilichen<br />

Zwecken erfolgt war, sondern allgemeinen Belangen der inneren Sicherheit<br />

Rechnung trug. In der Kabinettssitzung vom 20. Mai 1952 ist vermerkt, dass der<br />

Bundeskanzler im Allgemeinen „die besorgte Beurteilung der innerpolitischen<br />

Lage für völlig begründet“ halte und in diesem Zusammenhang die Vermehrung<br />

des Bundesgrenzschutzes billige 1167 . Darüber hinaus hatte Lehr konkret im<br />

Bundestag bereits 1951 angekündigt, den Bundesgrenzschutz in Ausnahmesituationen<br />

nach Art. 91 GG einsetzen zu wollen 1168 . Bei der Vergrößerung des<br />

Bundesgrenzschutzes 1952 wurden zudem Belange der äußeren Sicherheit mit<br />

Belangen der inneren Sicherheit vermischt. Lehr erwähnte in diesem Kontext<br />

gegenüber einem Reporter des Nordwestdeutschen Rundfunks, dass eine Vermehrung<br />

des Bundesgrenzschutzes „die Sicherheitslücke überbrücken [würde],<br />

die bei den augenblicklichen Schwierigkeiten in den Verhandlungen über die<br />

Europa-Armee wohl zu befürchten“ seien 1169 . Im Bundestag bezeichnete er<br />

wenig später die Bundesgrenzschutzkräfte sogar als „leichte polizeiliche Streitkräfte“<br />

1170 .<br />

1166<br />

1167<br />

1168<br />

1169<br />

1170<br />

Vgl. Richter, Die Rolle der CDU der SBZ in der sowjetischen Deutschlandpolitik, in:<br />

Bodensieck, Die Deutschlandfrage von der staatlichen Teilung bis zum Tode Stalins,<br />

S. 179.<br />

BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 5 (1952), S. 350.<br />

Vgl. Fn. 1050.<br />

Interview mit dem Kommentator Hans Wendt, in: Bulletin des Presse- und Informationsamtes<br />

der Bundesregierung Nr. 29 vom 11.03.1952, S. 292; ebenso erwähnte Lehr,<br />

dass sich der Bundesgrenzschutz „in Zahl und Ausrüstung in etwa nach der Stärke und<br />

Bewaffnung des Gegners richten muss“, was eher für eine militärische Ausrichtung der<br />

Vermehrungspläne sprach, vgl. Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung<br />

Nr. 119 vom 23.08.1952, S. 1125.<br />

BT-Prot. vom 19.06.1953, 274. Sitzung, S. 3600B.


230 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

Aus einem internen Dokument des Bundesinnenministeriums, erstellt als eine<br />

Übersicht für Adenauer bezüglich der Stellung des Bundesgrenzschutzes aus<br />

dem Jahr 1956, geht hervor, dass die „zweite Welle“ ohnehin nur der Ausfüllung<br />

der 30.000 Mann kasernierter Polizei gedient hätte, die dem Bund gemäß der<br />

New Yorker Außenministerkonferenz 1950 zugestanden worden war 1171 . Jedoch<br />

wurden im Abschlusskommuniqué der New Yorker Außenministerkonferenz<br />

1950 die 30.000 Mann nicht dem Bund zugebilligt, sondern als Höchstzahl für<br />

die Bereitschaftspolizeien der Länder genehmigt 1172 . Ebenso erwähnt genanntes<br />

Dokument, dass der Bundesgrenzschutz die „Panikstimmung“ 1173 der Grenzbevölkerung<br />

durch Standortgründungen, bspw. in Dannenberg oder Clausthal-<br />

Zellerfeld, mindern musste. Der Einmarsch des Bundesgrenzschutzes in<br />

Clausthal-Zellerfeld 1953 ist gut dokumentiert. Vordergründig wird hier erwähnt,<br />

dass es hauptsächlich wirtschaftliche Gründe waren, aufgrund derer sich<br />

die lokalen Politiker zur „örtlichen Remilitarisierung“ bekannten – „erst in<br />

zweiter Linie hatte ein gewisses Bedürfnis nach ‚Schutz vor Überfall’ […] eine<br />

Rolle gespielt“ 1174 .<br />

Die Erhöhung der Sollstärke, war abgesehen von den erheblichen finanziellen<br />

Aufwendungen, die der damalige Bundesfinanzminister anmahnte 1175 , politisch<br />

teilweise problematisch. Zwar hatte Ehard zugesichert, im Falle der Sonderregelung<br />

für die Ausübung der Passnachschau in Bayern nicht gegen die Erhöhung<br />

der Mannstärke des Bundesgrenzschutzes vorzugehen. Dies galt jedoch nicht<br />

uneingeschränkt als imperatives Mandat an alle CSU-Angehörigen. Ehard hatte<br />

als Ministerpräsident zwar keine Anstrengungen unternommen, die sogenannte<br />

zweite Welle (Aufstockung des Bundesgrenzschutzes) zu verhindern, dennoch<br />

kam über die CSU-Landesgruppe auf Bundesebene Widerstand auf. Es wurde<br />

eine Garantie der Bundesregierung verlangt, dass im Falle einer Remilitarisierung<br />

die Vermehrung des Bundesgrenzschutzes um 10.000 Mann wieder<br />

rückgängig gemacht würde 1176 .<br />

1171<br />

1172<br />

1173<br />

1174<br />

1175<br />

1176<br />

Abriss über die Geschichte des Bundesgrenzschutzes, S. 6, in: BArch B 136/1929.<br />

Vgl. Ziff. 3 und 4 des Beschlusses von New York, in: DzD II/3 (1950), Dok. Nr. 391C,<br />

S. 1038.<br />

Abriss über die Geschichte des Bundesgrenzschutzes, S. 7, in: BArch B 136/1929.<br />

O.V., „Bitte Einmarsch“, in: Spiegel 9/1953, vom 09.09.1953, S. 11.<br />

BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 5 (1952), S. 85: „Der Bundesminister<br />

der Finanzen betont seinen Vorbehalt […]“.<br />

Gefordert vom Abgeordneten Jaeger mit persönlichen Schreiben an Adenauer vom<br />

25.11.1952, in: BArch B 126/10837; vgl. ebenso: Weber, Föderalismus und Lobbyis-


§ 6 Der Bundesgrenzschutz als neuer Akteur im föderalen Sicherheitssystem 231<br />

Tatsächlich gab Adenauer der CSU eine schriftliche Gewähr für die Reduzierung<br />

des Bundesgrenzschutzes auf 10.000 Mann, sobald eine Streitkraft ins<br />

Leben gerufen werden würde 1177 . Hier wird sichtbar, dass die Vermehrung des<br />

Bundesgrenzschutzes eng mit der Wiederbewaffnung verknüpft ist. Adenauer<br />

erwog sogar, die Kosten für die Vermehrung des Bundesgrenzschutzes als<br />

„Kosten des europäischen Verteidigungsbeitrages“ behandeln zu können 1178 . Der<br />

schriftlichen Garantie Adenauers über eine Reduzierung des Bundesgrenzschutzes<br />

wurde allerdings bereits wenige Jahre später keine Verbindlichkeit mehr<br />

beigemessen 1179 .<br />

Der Bundestag befasste sich 1953 zwei Mal mit der Vergrößerung des Bundesgrenzschutzes.<br />

Argumentativ knüpfte Bundesinnenminister Lehr in der ersten<br />

Sitzung am 4. Februar 1953 an seine bisherigen Begründungen, wie zum ersten<br />

Gesetz über den Bundesgrenzschutz 1951, an und stellte darüber hinaus einen<br />

vorsichtigen Zusammenhang mit der Problematik der Remilitarisierung her. So<br />

erwähnte er, dass die Aufgaben des Bundesgrenzschutzes gewachsen seien und<br />

im „Zusammenhang mit der neuen Europäischen Verteidigungsgemeinschaft“<br />

gesehen werden müssten 1180 . Im Übrigen beschränkten sich die Vertreter der<br />

Regierungskoalition auf die Herausstellung der militärischen und truppenpolizeilichen<br />

Übermacht in der sowjetischen Besatzungszone, welcher<br />

entgegengetreten werden müsse 1181 .<br />

1177<br />

1178<br />

1179<br />

1180<br />

1181<br />

mus, in: Schlemmer/Woller, Politik und Kultur im föderativen Staat 1949 bis 1973,<br />

S. 62.<br />

Brief Adenauers an Strauß vom 04.02.1953, in: BArch B 136/1927, fol. 184 = Anlage<br />

D8, S. 458: „[…] bestätige ich Ihnen, dass die Stärke des Bundesgrenzschutzes nach<br />

Schaffung einer Wehrmacht wieder auf 10.000 Mann zurückgesetzt werden soll“; öffentlich<br />

räumte die CSU nicht ein, die Vermehrung des Bundesgrenzschutzes von<br />

Auflagen abhängig gemacht zu haben. In der abschließenden Bundestagssitzung äußerte<br />

der bayerische Vertreter, dass die CSU sich zum Schutz der bayerischen Grenzbevölkerung<br />

für verpflichtet hielt, der Vermehrung des Bundesgrenzschutzes zuzustimmen, vgl.<br />

Horlacher, BT-Prot. vom 19.06.1953, 274. Sitzung, S. 13604D.<br />

BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 5 (1952), S. 60; die Kosten konnten<br />

tatsächlich zu den anrechnungsfähigen Verteidigungsausgaben angerechnet werden, vgl.<br />

Aussage des Bundesfinanzministers Schäffer, BT-Prot. vom 19.06.1953, 274. Sitzung,<br />

S. 13608A.<br />

Grund hierfür war, dass die CSU im Zuge des zweiten Bundesgrenzschutzgesetzes der<br />

Wiederauffüllung des Bundesgrenzschutzes nach den Abgängen zur Bundeswehr zustimmte,<br />

vgl. Dierske, BGSZ 7/1981, 24.<br />

BT-Prot. vom 04.02.1953, 249. Sitzung, S. 11904A.<br />

So die Ausführungen von Mende (FDP), vgl. BT-Prot. vom 04.02.1953, 249. Sitzung,<br />

S. 11897A: „krasses Missverhältnis“ zwischen Volkspolizei und Bundesgrenzschutz.


232 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

Die Opposition lehnte eine Erhöhung aus finanziellen Gründen ab und verwies<br />

darauf, dass den vereinzelten Infiltrationsversuchen an der Zonengrenze nicht<br />

durch geschlossene Truppenverbände begegnet werden müsse, sondern durch<br />

die Verstärkung des polizeilichen Einzeldienstes 1182 . In der ersten Sitzung am 4.<br />

Februar 1953 stimmte zwar die relative Mehrheit der Abgeordneten 1183 für eine<br />

Vermehrung des Bundesgrenzschutzes, jedoch hatte die Bundesregierung mit<br />

der Opposition 1951 vereinbart, dass eine Erhöhung der Stärke des Bundesgrenzschutzes<br />

nur durch die Mehrheit der Mitglieder des Bundestages<br />

beschlossen werden könne 1184 .<br />

Somit wurde in der Sitzung vom 19. Juni 1953 erneut über die Erhöhung verhandelt.<br />

Die Ereignisse um den 17. Juni in Ost-Berlin kamen der<br />

Bundesregierung damals zu Hilfe. Lehr verkündete, dass die Aufstände ein<br />

„aufrüttelndes Beispiel“ dafür seien, dass durch „politische demonstrative<br />

Kundgebungen“ auch an der Ostgrenze Verhältnisse eintreten könnten, denen<br />

einzelne Patrouillen nicht mehr gewachsen seien 1185 . Die Darstellungen in der<br />

Literatur geben teilweise ein verzerrtes Bild wieder, wenn davon die Rede ist,<br />

dass die Erhöhung des Bundesgrenzschutzes auf die Ereignisse des 17. Juni<br />

zurückgeht 1186 . Die Begebenheiten mögen dazu beigetragen haben, dass einige,<br />

nicht den Regierungsparteien zugehörige Abgeordnete für die Erhöhung stimm-<br />

1182<br />

1183<br />

1184<br />

1185<br />

1186<br />

Vgl. Argumentation von Menzel (SPD), BT-Prot. vom 04.02.1953, 249. Sitzung,<br />

S. 11904B ff.<br />

In der ersten Sitzung am 04.02.1953 waren krankheitsbedingt viele Abgeordnete<br />

abwesend, sodass die erforderliche absolute Mehrheit von 201 Stimmen nicht erreicht<br />

werden konnte, sondern nur eine relative Mehrheit von 188 zu 144 Stimmen.<br />

„Auf Grund einer Abmachung, die sich außerhalb der Bestimmungen des Grundgesetzes<br />

hält, die jedoch ein Entgegenkommen des Herrn Bundesinnenministers und der<br />

Koalitionsparteien gegenüber der Opposition darstellt, ist seinerzeit in einem Antrag<br />

durch das Haus beschlossen worden, dass eine Vermehrung des Bundesgrenzschutzes<br />

nur mit der Mehrheit der Mitgliederzahl des Bundestages beschlossen werden sollte<br />

[…]“, Ausführungen von Mende (FDP) zu den Abstimmungsmodalitäten, in: BT-Prot.<br />

vom 19.06.1953, 274. Sitzung, S. 13596D; Interfraktioneller Antrag hierzu vom<br />

14.02.1951 in, BT-Drs. I/1887.<br />

BT-Prot. vom 19.06.1953, 274. Sitzung, S. 13599C.<br />

Bspw.: Ritter/Lapp, Die Grenze, S. 161: „nach dem Volksaufstand am 17. Juni 1953 in<br />

der DDR verdoppelte man den Bundesgrenzschutz“; Hammerich, Das Heer 1950 bis<br />

1970, S. 67: „wurde der BGS angesichts der Ereignisse um den 17. Juni 1953 auf<br />

20.000 Mann aufgestockt“; Uzulis, Die Bundeswehr, S. 17: „Nach dem Volksaufstand<br />

in der DDR vom 17. Juni 1953 stimmte der Bundestag jedoch einer Verdopplung der<br />

Stärke des Bundesgrenzschutzes auf 20.00 Mann zu“.


§ 6 Der Bundesgrenzschutz als neuer Akteur im föderalen Sicherheitssystem 233<br />

ten 1187 . Jedoch hätte die Koalition ohnehin das Gesetz mit den eigenen Stimmen<br />

verabschieden können, wenn genug Koalitionsabgeordnete anwesend gewesen<br />

wären, unabhängig von den Ereignissen des 17. Juni 1953 1188 .<br />

Die beschlossene Vermehrung des Bundesgrenzschutzes konnte allerdings nicht<br />

sofort vollzogen werden. Der damalige Bundesfinanzminister Schäffer verweigerte<br />

zunächst eine Finanzierung der Mehreinstellungen und beabsichtigte sogar<br />

gegenüber Lehr, eine Regresspflicht nach dem damals noch aufgrund von Art.<br />

123 GG fortgeltenden § 33 RHO 1189 zu begründen 1190 . Gemäß § 33 Abs. 1 der<br />

Reichshaushaltsordnung von 1922 (RHO) bedurften Mehrausgaben im Haushaltsplan<br />

der Zustimmung des Finanzministers. Bei einem schuldhaften Verstoß<br />

gegen § 33 Abs. 1 RHO konnte nach § 33 Abs. 3 RHO Schadensersatz gefordert<br />

werden. Dem Kommentar zufolge war die Mitwirkung des Finanzministers bei<br />

jeder Mehrausgabe „bei der gegenwärtigen Finanzlage des Reichs noch besonders<br />

geboten, um die Beschränkung der Ausgaben auf das Mindestmaß<br />

sicherzustellen“ 1191 . Diese Feststellung hatte in den Gründungsjahren der Bundesrepublik<br />

und in Bezug auf die damalige Haushaltslage nicht an Aktualität<br />

verloren. Erst nach einer Schlichtung durch Adenauer in der Kabinettssitzung<br />

vom 1. September 1953 1192 wurde die Vermehrung in Angriff genommen, die<br />

beim Bundesgrenzschutz zu erheblichen organisatorischen Veränderungen und<br />

der Neubelegung von Standorten führte 1193 .<br />

1187<br />

1188<br />

1189<br />

1190<br />

1191<br />

1192<br />

1193<br />

Die Koalition aus CDU/CSU, FDP und DP verfügte in der 1. WP über 208 von 402<br />

stimmberechtigten Sitzen; in der Abstimmung vom 19.06.1953 stimmten 228 Mitglieder<br />

für die Erhöhung; vgl. BT-Prot. vom 19.06.1953, 274. Sitzung, S. 13608C.<br />

Als unbestritten gilt jedoch weithin, dass die Ereignisse um den 17. Juni 1953 zum<br />

Wahlsieg Adenauers in der Bundestagswahl vom September 1953 beigetragen haben;<br />

hierzu und umfangreich zur Wirkung des 17. Juni: Engelmann/Kowalczuk, Volkserhebung<br />

gegen den SED-Staat, S. 17 ff.<br />

§ 33 Reichshaushaltsordnung vom 31.12.1922 (RGBl. II 1923, S. 17): „Haushaltsüberschreitungen<br />

und außerplanmäßige Ausgaben bedürfen der vorherigen Zustimmung des<br />

RFM. Beamte, die Zahlungen anweisen, zu denen das Reich nicht verpflichtet ist, sind<br />

der Reichskasse zu Schadensersatz verpflichtet“. Die RHO galt bis zur Inkraftsetzung<br />

der Bundeshaushaltsordnung (BHO) v. 19.08.1969, (BGBl. I 1969, S. 1284) fort.<br />

BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 6 (1953), S. 446.<br />

Schulze/Wagner, Kommentar RHO, § 33, S. 471.<br />

„Im weiteren Verlauf der Erörterungen erklärt sich der Bundesfinanzminister damit<br />

einverstanden, dass die durch die Mehreinstellungen entstehenden überplanmäßigen<br />

Ausgaben vorerst aus den ordentlichen Haushaltsansätzen des Bundesgrenzschutzes<br />

entnommen werden.“, vgl. BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 6 (1953),<br />

S. 446.<br />

Michler, Bundesgrenzschutz, S. 24.


234 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

Bemerkenswert an der Erhöhung der Mannstärke des Bundesgrenzschutzes ist,<br />

dass in diesem Zusammenhang das erste Mal von Seiten der Bundesregierung<br />

offiziell im Plenum des Bundestages von einer Verknüpfung des Bundesgrenzschutzes<br />

mit militärischen Belangen (hier: EVG) die Rede war 1194 . Diese<br />

Verbindung der inneren und äußeren Sicherheit hatte in der Debatte um das<br />

zweite Bundesgrenzschutzgesetz einen besonderen Stellenwert, da der Bundesgrenzschutz<br />

ab 1956 mit als „Kristallisationskern“ 1195 einer Wehrmacht genutzt<br />

werden sollte.<br />

G. Heranziehung zu polizeilichen Aufgaben in den Ländern<br />

Die Bundesregierung unternahm bereits im Jahr 1952 Anstrengungen, den<br />

Ländern den Bundesgrenzschutz für besondere polizeiliche Lagen zur Verfügung<br />

zu stellen. Zu diesem Zweck fand im Januar 1952 eine Sitzung aller<br />

Sicherheitsreferenten der Länder und des Bundes statt. Es sollte hierbei festgestellt<br />

werden, „ob die Länder Wert darauf legen, den Bundesgrenzschutz für in<br />

die Länderkompetenz fallende Aufgaben polizeilicher Art auf Ersuchen zur<br />

Verfügung gestellt zu bekommen“ 1196 . Eine entsprechende gesetzliche Grundlage<br />

existierte zu dieser Zeit weder im Grundgesetz noch im BGSG. So unternahm<br />

der Bund den Anlauf im Wege einer Vereinbarung mit den Ländern zu erreichen,<br />

dass der Bundesgrenzschutz auf Anforderung auch zu allgemeinpolizeilichen<br />

Aufgaben in den Ländern herangezogen werden kann. Die<br />

Resonanz war jedoch sehr verhalten. Der bayerische Vertreter betonte zu Beginn<br />

der Sitzung, dass von bayerischer Seite die „Gültigkeit des Bundesgrenzschutzgesetzes“<br />

möglicherweise noch bestritten werden würde 1197 . Der Vertreter aus<br />

Hamburg erklärte, dass es nach einem Senatsbeschluss nicht beabsichtigt sei,<br />

den Bundesgrenzschutz zur Unterstützung bei polizeilichen Lagen, die in die<br />

Zuständigkeit des Landes fallen, anzufordern. Übereinstimmung erzielten die<br />

Sicherheitsreferenten nur darüber, dass der Bundesgrenzschutz in Katastrophenfällen<br />

gegebenenfalls zur Unterstützung herangezogen werden könne, aber die<br />

„Oberleitung“ Sache des Landes bleiben müsse 1198 . Sollte eine Störung der<br />

1194<br />

1195<br />

1196<br />

1197<br />

1198<br />

Siehe Ausführungen von Lehr, S. 231.<br />

Baring, Außenpolitik in Adenauers Kanzlerdemokratie, S. 81.<br />

Niederschrift über die Sitzung der Sicherheitsreferenten, Az. 64 144 A-54/52, v.<br />

29.01.1952, S. 2, in: BArch B 106/17964.<br />

Ebd.; dies hing mit dem Konflikt um den Passkontrolldienst zusammen, vgl. S. 222 ff.<br />

Niederschrift über die Sitzung der Sicherheitsreferenten (Fn. 1196), S. 3.


§ 6 Der Bundesgrenzschutz als neuer Akteur im föderalen Sicherheitssystem 235<br />

öffentlichen Ordnung und Sicherheit auftreten, die eine Unterstützung durch den<br />

Bundesgrenzschutz notwendig mache, so dürfe dieser keine polizeilichen Maßnahmen<br />

treffen, sondern „lediglich Maßnahmen im Rahmen des<br />

Notwehrrechts“ 1199 . Gerade diese Feststellung zeigt deutlich, welche ablehnende<br />

Grundhaltung die Vertreter der Länder gegenüber dem Vorschlag des Bundes<br />

einnahmen.<br />

Der Vertreter aus Nordrhein-Westfalen erwähnte, dass seine Regierung ein<br />

Abkommen mit dem Land Niedersachsen schließen werde, in welchem Grundsätze<br />

über die Vornahme von Amtshandlungen von Polizeibeamten des einen<br />

Landes im anderen Land festgelegt würden. Er schlug vor, ein „entsprechendes<br />

Abkommen bezüglich des Bundesgrenzschutzes zwischen Bund und Ländern<br />

abzuschließen“ 1200 . Dieser Vorschlag wurde zugleich vom Bundesministerium<br />

des Inneren aufgegriffen, welches im April 1952 den Entwurf eines Erlasses<br />

über die „Heranziehung des Bundesgrenzschutzes zu polizeilichen Aufgaben in<br />

den Ländern“ allen Länderinnenministerien vorlegte 1201 . Nach Ziff. 1 des Erlasses<br />

sollten die Länder „innerhalb der 30 km-Zone zur Beseitigung von<br />

Störungen der öffentlichen Ordnung, die nicht in die Bundeskompetenz […]<br />

fallen“ oder „außerhalb der 30 km-Zone für alle in die Länderkompetenz fallenden<br />

polizeilichen Aufgaben“, den Bundesgrenzschutz anfordern können 1202 .<br />

Weiterhin enthielt der Entwurf gemäß Ziff. 2d für Landesbehörden die Möglichkeit,<br />

sich in Katastrophenfällen zur Unterstützung an den Bundesgrenzschutz<br />

zu wenden 1203 .<br />

Zwar waren sich die Sicherheitsreferenten einig darüber, dass dem Bundesgrenzschutz<br />

bei Hilfeleistungsmaßnahmen zugunsten der Länder nur<br />

Jedermannsrechte zustehen sollten, jedoch hatte der Bund im Entwurf diese<br />

Übereinkunft modifiziert. So hätten gemäß Ziff. 4 des Entwurfs bei „auf längere<br />

Sicht geplanten Großeinsätzen“, bei „kurzfristig notwendig werdenden Einsätzen“<br />

und in Katastrophenfällen „die Bundesgrenzschutzbeamten die Befugnisse,<br />

1199<br />

1200<br />

1201<br />

1202<br />

1203<br />

Ebd.<br />

Ebd., S. 4.<br />

Erlassentwurf des BMI über die „Heranziehung des Bundesgrenzschutzes zu polizeilichen<br />

Aufgaben in den Ländern“, Az. 62 100 B-366/52, v. 15.04.1952, in: BArch<br />

B 106/17964.<br />

Ebd., Ziff. 1a, 1b des Erlasses, S. 2.<br />

Ebd., Ziff. 2d, S. 3.


236 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

welche die eigenen Polizeibeamten des Landes auszuüben berechtigt sind“ 1204 .<br />

In der Ermächtigung, dass der Bundesgrenzschutz, wenn auch nur im Falle der<br />

Anforderung durch ein Land, die gleichen Befugnisse haben sollte wie ein<br />

Landespolizeibeamter, sahen viele Länder ein Problem. Der hessische Innenminister<br />

machte Bedenken hinsichtlich der genannten Ziff. 4 des Entwurfs geltend<br />

und erklärte, dass in Grundrechte nur aufgrund eines Gesetzes eingegriffen<br />

werden könne und er im BGSG keine entsprechende Ermächtigung sehe, die ein<br />

Einschreiten über die in § 2 BGSG 1205 genannten Fälle hinaus rechtfertige. Er sei<br />

vielmehr der Auffassung, dass den „Bundesgrenzschutzbeamten nicht aufgrund<br />

eines Bundesministerialerlasses die den Polizeibeamten eines Landes zustehenden<br />

Befugnisse übertragen werden können“ 1206 . Insgesamt sei dem Erlassentwurf<br />

deshalb nicht zuzustimmen. Der Innenmister des Landes Schleswig-<br />

Holstein äußerte sich in ähnlicher Form. Er teilte dem Bundesministerium des<br />

Inneren mit, dass eine Anordnung nach Ziff. 4 des Entwurfes nur getroffen<br />

werden könne, wenn der Bundesgrenzschutz „für den Fall der Anforderung der<br />

Polizei des Landes so eingegliedert [werde], dass er rechtlich als Bestandteil<br />

derselben angesehen werden“ könne 1207 . Hierfür müsste die Ziff. 4 des Entwurfes<br />

den Rang eines Landesgesetzes enthalten. So verweigerte auch der<br />

Innenminister des Landes Schleswig-Holstein seine Zustimmung, insofern nicht<br />

eine Anpassung der Ziff. 4 des Entwurfes erfolge. Der bayerische Innenminister<br />

konnte dem Abkommen ebenso wenig zustimmen. Er erklärte, dass ein über den<br />

polizeilichen Grenzschutz hinausgehender Einsatz des Bundesgrenzschutzes<br />

„von so erheblicher politischer und rechtlicher Bedeutung“ wäre, dass die darin<br />

„zusammenhängenden Fragen in einem Staatsvertrag zwischen dem Bund und<br />

Bayern“ zu regeln seien 1208 . Der Umsetzung des Erlassentwurfes des Bundesinnenministeriums<br />

war damit vorerst gescheitert.<br />

1204<br />

1205<br />

1206<br />

1207<br />

1208<br />

Ebd., Ziff. 2a, 2b, S. 2; Ziff. 4, S. 3.<br />

§ 2 BGSG 1951: „Die Bundesgrenzschutzbehörden sichern das Bundesgebiet gegen<br />

verbotene Grenzübertritte, insbesondere durch Ausübung der Passnachschau. Sie sichern<br />

das Bundesgebiet ferner gegen sonstige, die Sicherheit der Grenzen gefährdende<br />

Störungen der öffentlichen Ordnung im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern;<br />

das Recht der Nacheile bleibt unberührt. Soweit die Polizeiaufgaben der Länder<br />

hierdurch berührt werden, handeln die Bundesgrenzschutzbehörden im Benehmen mit<br />

den Polizeibehörden des beteiligten Landes“, vgl. BGBl. I 1951, S. 201.<br />

Schreiben des Innenministeriums Hessen an das BMI, Az. III/6-21 b 04 2530/52, v.<br />

16.05.1952, S. 2, in: BArch B 106/17964.<br />

Schreiben des Innenministeriums Schleswig-Holstein an das BMI, Az. PolAbt. I/41, v.<br />

16.05.1952, S. 2, in: BArch B 106/17964.<br />

Schreiben des Innenministeriums Bayern, Az. I C 1-2081 c 5, v. 19.05.1952, in: BArch<br />

B 106/17964.


§ 6 Der Bundesgrenzschutz als neuer Akteur im föderalen Sicherheitssystem 237<br />

Während der gesamten Vorgänge um den geplanten Einsatz des Bundesgrenzschutzes<br />

bei Hilfeleistungsmaßnahmen zugunsten der Länder wird das<br />

Instrument der Amtshilfe gemäß Art. 35 GG a.F. nicht erwähnt. Der Bundesgrenzschutz<br />

wäre bei einem derartigen Einsatz „den Innenministerien der<br />

Länder“ unterstellt gewesen und ihm hätten die Befugnisse zustehen sollen,<br />

„welche die Polizeibeamten des Landes auszuüben berechtigt sind“ 1209 . Amtshilfe<br />

scheidet jedoch bei einem bestehenden Weisungsverhältnis aus; darüber<br />

hinaus setzt diese voraus, dass die unterstützende Behörde das für sie geltende<br />

Recht anwendet 1210 . Wie vorstehend erwähnt, hätte die Landesbehörde ein<br />

Weisungsrecht gegenüber dem Bundesgrenzschutz gehabt. Weiterhin wäre der<br />

Bundesgrenzschutz nicht nach eigenem Recht, sondern nach dem für das Land<br />

geltende tätig geworden. Aus diesen Gründen scheidet das Instrument der<br />

Amtshilfe für einen Einsatz zugunsten der Länder aus. In Betracht kommt hier<br />

nur das Instrument der Organleihe. Diese kann als „gesteigerte Form der Amtshilfe“<br />

bezeichnet werden 1211 . Die Organleihe meint die Betrauung eines Organes<br />

mit den Aufgaben eines anderen Rechtsträgers 1212 . Es werden hierbei sachliche<br />

und personelle Mittel verliehen. Das entleihende Organ handelt in diesem Fall<br />

für die entleihende Behörde. Dieser werden die Maßnahmen des entliehenen<br />

Organs zugerechnet. Das BVerfG führte zur Organleihe aus:<br />

„Kennzeichnend für die sogenannte Organleihe ist weiterhin, daß die<br />

‚entliehene‘ Einrichtung Verwaltung für die ‚entleihende‘ ausübt. Der<br />

entliehenen Einrichtung wachsen keine neuen (eigenen) Zuständigkeiten<br />

zu. Es werden nicht Kompetenzen auf diese Einrichtung<br />

‚verlagert‘; ‚verlagert‘ werden vielmehr personelle und sächliche<br />

Verwaltungsmittel von der entliehenen Einrichtung zu der entleihenden<br />

Einrichtung.“ 1213<br />

Weder die Landespolizeigesetze noch das Bundesgrenzschutzgesetz sahen<br />

jedoch 1953 die Möglichkeit vor, dass der Bundesgrenzschutz zu polizeilichen<br />

Aufgaben in den Ländern herangezogen werden konnte. Art. 35 GG a.F. enthielt<br />

1209<br />

1210<br />

1211<br />

1212<br />

1213<br />

Ziff. 3, 4 des Erlasses (Fn. 1201), S. 3.<br />

Würtenberger, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 3,<br />

3. Aufl., § 69 Rn. 130 ff.; vgl. ebenso § 4 Abs. 2, § 7 VwVfG.<br />

Fuchs, „Beauftragte“ in der öffentlichen Verwaltung, S. 116.<br />

Vgl. zur Organleihe m.w.N., Reinheimer, Das Verbindungskonzept der Bundeswasserstraßenverwaltung,<br />

S. 137.<br />

BVerfGE 63, 1 (32).


238 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

zu diesem Zeitpunkt nur das verfassungsrechtliche Gebot der Amtshilfe und<br />

keine weitere Spezifikation diesbezüglich. Vereinzelt ist der Literatur zu entnehmen,<br />

dass ein Einsatz des Bundesgrenzschutzes auch ohne Änderung von<br />

Art. 35 GG a.F. oder besonderen landes- und bundesrechtlichen Vorschriften<br />

möglich gewesen sei – dann aber gleichwohl „ohne Ausübung von Polizeigewalt“,<br />

sondern lediglich zur technischen Katastrophenhilfe 1214 . Die<br />

Bundesregierung war der Auffassung, dass Art. 35 GG a.F. jedoch nicht ausreichend<br />

dafür war, den Bundesgrenzschutz im Landesinneren einsetzen zu<br />

können, sondern dass es hierfür einer „grundgesetzlichen Regelung bedarf“ 1215 .<br />

Die Regelungen bezüglich der Katastrophenhilfe in Ziff. 2d des Erlasses wurden<br />

endgültig mit der Grundgesetzänderung von 1968 wirksam, nach welcher die<br />

Katastrophenhilfe durch den Bundesgrenzschutz in Art. 35 GG aufgenommen<br />

wurde 1216 . Die Intention der Bundesregierung, den Bundesgrenzschutz auch zu<br />

anderen als grenzpolizeilichen Zwecken einsetzen zu können, also zu Fällen der<br />

Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder<br />

Ordnung in einem Land, wurde schließlich 1972 in Art. 35 Abs. 2 GG eingefügt<br />

1217 .<br />

Der Vollständigkeit halber sei hier erwähnt, dass die Bundesregierung gegen<br />

Ende 1953 noch weitere Versuche unternahm, eine Heranziehung des Bundesgrenzschutzes<br />

zu polizeilichen Aufgaben in den Ländern zu erreichen. Aus<br />

taktisch-politischen Gründen konnte dies nicht früher geschehen, da in der<br />

ersten Jahreshälfte 1953 die Erhöhung der Mannstärke des Bundesgrenzschutzes<br />

um 10.000 Mann im Vordergrund stand 1218 . Einem internen Dokument des<br />

Bundesinnenministeriums kann diesbezüglich Folgendes entnommen werden:<br />

„Mit Rücksicht auf die damals schwebenden Aufstockungsverhandlungen<br />

ist die weitere Bearbeitung der Angelegenheit jedoch<br />

zurückgestellt worden, weil es untunlich schien, sich bei den Verhandlungen<br />

zur Aufstockung dem Einwand auszusetzen, dass der<br />

Bundesgrenzschutz offenbar stark genug sei, wenn sich das Bundesministerium<br />

des Inneren um den Abschluss eines Abkommens mit den<br />

1214<br />

1215<br />

1216<br />

1217<br />

1218<br />

Keidel, Polizei und Polizeigewalt im Notstandsfall, S. 39, Fn. 110.<br />

BT-Drs. V/2873, S. 9.<br />

Siehe hierzu S. 356 ff.<br />

Siehe hierzu S. 391 ff.<br />

Siehe hierzu S. 228 ff.


§ 6 Der Bundesgrenzschutz als neuer Akteur im föderalen Sicherheitssystem 239<br />

Ländern für an sich bundesgrenzschutzfremde Tätigkeiten bemühe.“<br />

1219<br />

Mit welchem Nachdruck der Bund dennoch den Abschluss eines entsprechenden<br />

Abkommens verfolgte, ergibt sich ebenso aus dem erwähnten Dokument. Es ist<br />

vermerkt, dass insofern der Bundesgrenzschutz aufgestockt würde „man den<br />

Abschluss […] mit umso größerer Berechtigung betreiben“ werden könne, und<br />

sollte es zu keiner Aufstockung kommen, „würden die Gründe, die seinerzeit zur<br />

Stornierung des Vorgangs geführt haben, weggefallen sein“ 1220 . Der Bundesgrenzschutz<br />

wurde mit Beschluss des Bundestages vom 19. Juni 1953 um<br />

weitere 10.000 Mann aufgestockt 1221 . Die Bundesregierung nahm ab diesem<br />

Zeitpunkt ihre ursprüngliche Initiative wieder auf und versuchte diesmal, über<br />

Einzelabkommen mit den Ländern einen Einsatz des Bundesgrenzschutzes zu<br />

polizeilichen Aufgaben in den Ländern zu erreichen. Der Bund hatte diesbezüglich<br />

vor allem im Land Nordrhein-Westfalen ein „hervorragendes“ Interesse,<br />

dass dort in Bezug auf die „ausgedehnten und lebenswichtigen Industriebezirke<br />

die Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit gewährleistet ist“ 1222 . Zu<br />

diesem Zweck entwarf das Bundesinnenministerium ein „Abkommen zwischen<br />

dem Bund und dem Lande Nordrhein-Westfalen über die Heranziehung des<br />

Bundesgrenzschutzes zu polizeilichen Aufgaben im Lande Nordrhein-<br />

Westfalen“ 1223 . Obwohl das Abkommen dem nordrhein-westfälischen Kabinett<br />

bereits 1953 zuging und die Innenminister des Bundes sowie der nordrheinwestfälische<br />

Innenminister das Abkommen 1954 paraphierten, konnte es nicht in<br />

Kraft treten. Der Grund hierfür war, dass nach Art. 66 S. 2 der Verfassung des<br />

Landes Nordrhein-Westfalen Staatsverträge der Zustimmung des Landtages<br />

bedürfen. Eine entsprechende Vorlage an den Landtag wurde „mit Rücksicht auf<br />

die ungeklärte Rechtslage beim Bundesgrenzschutz, die möglicherweise durch<br />

die neue Wehrgesetzgebung berührt wird“, unterlassen 1224 . Hiermit sind die<br />

Ereignisse um das zweite Gesetz über den Bundesgrenzschutz gemeint, die<br />

bereits im Jahr 1955 Gestalt annahmen 1225 . Ab 1956 verlor die CDU geführte<br />

1219<br />

1220<br />

1221<br />

1222<br />

1223<br />

1224<br />

1225<br />

Vermerk des BMI, Ref. VI A 4, v. 27.02.1953, S. 1, in: BArch B 106/17964.<br />

Ebd., S. 2.<br />

Vgl. Fn. 1187.<br />

Begründung zum Abkommen mit NRW, v. 15.06.1954, in: BArch B 136/1928, fol. 4.<br />

Paraphiertes Original des Abkommens, in: BArch B 106/17964.<br />

Schreiben des Innenministers Nordrhein-Westfalen an das BMI, Az. IV A 1-36.00-171<br />

II/55, v. 22.06.1955, in: BArch B 106/17964.<br />

Siehe hierzu S. 258 ff.


240 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

Landesregierung zudem die Mehrheit und Fritz Steinhoff (SPD) wurde Ministerpräsident<br />

von Nordrhein-Westfalen 1226 . Einem Vermerk des Bundesinnenministeriums<br />

zufolge war der Abschluss des Abkommens nach der<br />

Regierungsumbildung in Nordrhein-Westfalen „unwahrscheinlich“ 1227 . Letztendlich<br />

konnte auch das Abkommen mit Nordrhein-Westfalen, das Vorbild für<br />

ähnliche Abkommen mit anderen Bundesländern sein sollte, nicht in Kraft<br />

treten.<br />

H. Fazit<br />

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Bundesgrenzschutz nicht als<br />

militärische Formation angesehen werden konnte. Ihm kam von Anfang an ein<br />

rein polizeilicher Charakter zu. Es wird weiter zu untersuchen sein, ob die<br />

darauffolgende Entwicklung (das zweite Bundesgrenzschutzgesetz), die Verleihung<br />

des Kombattantenstatus und die Einführung der Grenzschutzdienstpflicht<br />

daran etwas geändert haben.<br />

Die Vorgänge um den Passkontrolldienst, die Polizeihoheit im Raum Bonn und<br />

die Verhandlungen über einen Einsatz des Bundesgrenzschutzes auf Anforderung<br />

der Länder haben gezeigt, dass kurz nach Inkrafttreten des ersten<br />

Bundesgrenzschutzgesetzes bereits Konflikte mit den Ländern in Bezug auf<br />

deren Polizeihoheit zu verzeichnen waren. Hierbei müssen die drei beschriebenen<br />

Ereignisse jedoch getrennt beurteilt werden. Bei der Debatte um den<br />

Passkontrolldienst handelte es sich um eine grenzpolizeiliche Materie (Kontrolle<br />

des grenzüberschreitenden Verkehrs), welche dem Bundesgrenzschutz ohnehin<br />

in § 2 BGSG 1951 zugewiesen war. Der Bund beabsichtige mit der Übernahme<br />

der Passkontrolle vom Land Bayern nicht, in dessen Polizeihoheit zu expandieren.<br />

Das Land Bayern beharrte vielmehr auf der Ausübung einer Aufgabe, die<br />

eigentlich dem Bund zukommt. Der Grund hierfür war die besondere polizeiliche<br />

Struktur in Bayern (Bayerische Grenzpolizei), die das Land nicht zugunsten<br />

einer Bundesgrenzpolizei preisgeben wollte. Nur mit erheblichen Anstrengun-<br />

1226<br />

1227<br />

Am 20.02.1956 wurde der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Karl Arnold<br />

(CDU), durch ein konstruktives Misstrauensvotum gestürzt; neuer Ministerpräsident<br />

wurde mit Hilfe der FDP Fritz Steinhoff (SPD), vgl. BArch, Die Kabinettsprotokolle der<br />

BReg, Bd. 9 (1956), S. 821.<br />

Handschriftlicher Vermerk vom 02.03.1956 auf dem Schreiben des Referates VI B 1, v.<br />

15.08.1955, S. 2, in: BArch B 106/17964.


§ 6 Der Bundesgrenzschutz als neuer Akteur im föderalen Sicherheitssystem 241<br />

gen und unter Androhung der Verfassungsbeschwerde konnte die Bayerische<br />

Staatsregierung erreichen, dass die Ausübung der Passnachschau bei der Bayerischen<br />

Grenzpolizei verblieb und nicht auf den Bundesgrenzschutz überging. Der<br />

Konflikt mit dem Land Bayern lässt sich als grundsätzliche Auseinandersetzung<br />

um die Polizeihoheit beschreiben.<br />

Die Vorgänge in Nordrhein-Westfalen hingegen verdeutlichen, dass die dortige<br />

Landesregierung dem Einsatz des Bundesgrenzschutzes im Zuge der Ausübung<br />

des Objektschutzes am Palais Schaumburg kritisch gegenüberstand. Anders als<br />

in der Debatte um den Passkontrolldienst verfügte der Bundesgrenzschutz über<br />

keinen entsprechenden gesetzlichen Auftrag, der ihn zum Objektschutz ermächtigte.<br />

Die Wahrnehmung der Bewachung von Objekten der Bundesregierung im<br />

Raum Bonn kann als der erste Einbruch in die Polizeihoheit der Länder angesehen<br />

werden, da der Bundesgrenzschutz bis zum Jahr 1972 keine gesetzlich<br />

zugewiesene Aufgabe innehatte, Sicherungs- und Schutzaufgaben an entsprechenden<br />

Objekten durchzuführen. Allerdings darf diesem Ereignis nicht zu viel<br />

Beachtung geschenkt werden, da sich zum einen die Landesregierung Nordrhein-Westfalen<br />

nach einem knappen Notenwechsel mit der Bundesregierung<br />

nicht weiter über die Aufgabenwahrnehmung des Bundesgrenzschutzes beschwerte<br />

und andererseits die Rechtslage sich mit dem Bundesgrenzschutzgesetz<br />

1972 durch die Aufnahme der Aufgabe „Schutz von Bundesorganen“ änderte<br />

1228 .<br />

Im Rahmen der Vorgänge um den geplanten Einsatz des Bundesgrenzschutzes<br />

auf Anforderung der Länder ist deutlich geworden, dass diese einen Eingriff in<br />

ihre Polizeihoheit durch den Bund nicht duldeten. Mit keinem Land konnte ein<br />

entsprechendes Abkommen in Kraft treten, dass eine Verwendung des Bundesgrenzschutzes<br />

im Landesinneren zur Unterstützung der Polizei zum Gegenstand<br />

gehabt hätte. Es wird diesbezüglich weiter zu untersuchen sein, wie später die<br />

Länder dennoch letztendlich der Verwendung des Bundesgrenzschutzes im<br />

Landesinneren zustimmten.<br />

1228<br />

Vgl. § 4 BGSG 1972, BGBl. I 1972, S. 1835.


242 Zweiter Teil: Errichtungsphase 1949-1954<br />

Abbildung 2: Ein 30 Mann starker Ehrenzug des Bundesgrenzschutzes präsentiert<br />

das Gewehr vor Bundeskanzler Konrad Adenauer, als dieser am 5. Mai<br />

1955 während einer Zeremonie anlässlich der Verleihung der Souveränität vor<br />

dem Palais Schaumburg die Front abschreitet. 1229<br />

1229<br />

Quelle: dpa (picture alliance / Associated Press), Bild-Nr. 55614312.


Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

Nach der Errichtungsphase folgt ein hier als Zwischenphase bezeichneter Zeitraum,<br />

welcher zum einen durch das Überführungsvorhaben des<br />

Bundesgrenzschutzes in die Bundeswehr und zum anderen durch die Verleihung<br />

des Kombattantenstatus geprägt war. Es wird zu beweisen sein, dass der Bundesgrenzschutz<br />

nicht als Vorläufer einer Armee gedacht war und die<br />

Überführung des Bundesgrenzschutzes allein aus staatspolitischen Gesichtspunkten<br />

erfolgte. Es wird sich hierbei zeigen, dass der Bundesgrenzschutz nur<br />

knapp der Auflösung entgangen ist und die Argumentation der Bundesregierung,<br />

warum der Bundesgrenzschutz in die Bundeswehr überführt werden musste,<br />

abschließend in Bezug auf die Gesamtbetrachtung der inneren Sicherheit nicht<br />

überzeugen kann.<br />

Der Verleihung des Kombattantenstatus kommt anschließend besonderes Augenmerk<br />

zu, da sich hier die Frage stellt, ob dieser den Charakter des<br />

Bundesgrenzschutzes als Polizei nachhaltig beeinflusst hat. Es wird sich jedoch<br />

herausstellen, dass die umstrittene Verleihung des Kombattantenstatus verfassungskonform<br />

war und diese darüber hinaus keinen Einfluss auf den<br />

polizeilichen Charakter des Bundesgrenzschutzes hatte.


244 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

§ 7 Zweites Gesetz über den Bundesgrenzschutz<br />

A. Einleitung<br />

Das zweite Gesetz über den Bundesgrenzschutz steht in engem Zusammenhang<br />

mit der Remilitarisierung. Die Politik der Westbindung führte mit dem NATO-<br />

Beitritt zur Wiederbewaffnung der Bundesrepublik. Mit der Bundeswehr wurde<br />

ein selbständiger Wehrbeitrag zum militärischen Bündnissystem des Westens<br />

geleistet. Vor dem NATO-Beitritt und der Aufstellung der Bundeswehr sollte<br />

sich die deutsche Wiederbewaffnung jedoch im Rahmen der sogenannten Europäischen<br />

Verteidigungsgemeinschaft (EVG) vollziehen 1230 . Die EVG sah eine<br />

Integration des deutschen Truppenbeitrages in eine westeuropäische Armee vor.<br />

Der deutsche Wehrbeitrag hätte sich folglich vornehmlich auf die Aushebung<br />

von Mannschaften beschränkt und keinen eigenen Generalstab oder eine weitergehende<br />

Organisation vorgesehen. Das deutsche Heer sollte ein „ziemlich<br />

hirnloser Saurier sein – stark aber dumm“ 1231 .<br />

Auch wenn von der Bundesregierung 1951 bei Errichtung des Bundesgrenzschutzes<br />

noch versichert wurde 1232 , dass es sich hierbei nicht um den Vorläufer<br />

einer Wehrmacht handeln solle, liegt der Gedanke nicht fern, dass der paramilitärisch<br />

organisierte Bundesgrenzschutz, dessen Personal anfangs zu<br />

überwiegendem Teil aus ehemaligen Soldaten bestand, sich zumindest zum<br />

Aufbau von Streitkräften hätte eignen können. Lehr gab im Bundestag zu, dass<br />

es möglich sein könnte, dass Grenzschützer „wegen der besseren Beförderungsund<br />

Aufstiegsmöglichkeiten“ in die zukünftige Armee überwechseln würden 1233 .<br />

Die zukünftige Europäische Armee, basierend auf der EVG, die Lehr vor Augen<br />

1230<br />

1231<br />

1232<br />

1233<br />

Der EVG lagen Pläne des französischen Verteidigungsministers René Pleven (1901-<br />

1993, französischer Politiker, 1945 bis 1946 Finanzminister, 1949 bis 1950 und 1952<br />

bis 1954 Verteidigungsminister, 1950 bis 1952 Ministerpräsident, 1969 bis 1973 Justizminister,<br />

vgl. AA, Akten zur Auswärtigen Politik der BRD, Adenauer und die Hohen<br />

Kommissare 1952, Bd. II, S. 374) über eine Europa-Armee zugrunde.<br />

Timmermann, Deutschlandvertrag und Pariser Verträge, S. 24.<br />

So Lehr: „[…] nicht etwa irgendeinen militärischen Charakter trägt“, vgl. BT-Prot. vom<br />

16.02.1951, 118. Sitzung, S. 4516C. In der Debatte um die „zweiten Welle“ sprach er<br />

sich ebenso entschieden gegen die Vorwürfe aus, dass „der Bundesgrenzschutz ein getarntes<br />

Militär sei, ein Instrument einer geheimen Aufrüstung der Bundesrepublik“, BT-<br />

Prot. vom 04.02.1953, 249. Sitzung, S. 11903C.<br />

BT-Prot. vom 04.02.1953, 249. Sitzung, S. 11903D.<br />

D. Parma, Installation und Konsolidierung des Bundesgrenzschutzes 1949 bis 1972,<br />

DOI 10.1007/978-3-<strong>658</strong>-<strong>10928</strong>-8_7, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2016


§ 7 Zweites Gesetz über den Bundesgrenzschutz 245<br />

hatte, scheiterte allerdings im Französischen Parlament 1234 . Mit der stattdessen<br />

zu errichtenden Bundeswehr im NATO-Rahmen 1235 war eine neue Situation<br />

eingetreten. Die Aufstellung einer funktionsfähigen Armee aus dem Nichts<br />

gestaltete sich relativ schwierig, so dass retrospektiv die Heranziehung des<br />

Bundesgrenzschutzes zum Aufbau der Bundeswehr als logische und notwendige<br />

Konsequenz erscheint. Die Gegner des Bundesgrenzschutzes zogen demgegenüber<br />

jedoch eine völlig andere Schlussfolgerung – logisch wäre ihnen zufolge<br />

nach Heranziehung zum Bundeswehraufbau, die Auflösung des Bundesgrenzschutzes<br />

gewesen. Die Vorgänge von 1954 bis 1956 im Rahmen des zweiten<br />

Bundesgrenzschutzgesetzes beschreiben das Tauziehen um den Fortbestand des<br />

Bundesgrenzschutzes. In nachfolgender Untersuchung wird die eingangs aufgestellte<br />

These bestätigt werden, dass der Bundesgrenzschutz nicht als Kader für<br />

eine Armee aufgestellt wurde, sondern die Überführung in die Bundeswehr<br />

reinen ereignispolitischen Erwägungen (Stichwort: Prioritätstheorie 1236 ) Rechnung<br />

trug.<br />

B. Wiederbewaffnung und die Folgen für den Bundesgrenzschutz<br />

Die Entscheidung darüber, dass die Verteidigung Europas einen deutschen<br />

Truppenbeitrag abverlangte, fiel bei den Westalliierten in der zweiten Jahreshälfte<br />

1950. Die Wiederbewaffnungsdebatte änderte den Begriff von „ob“ zu<br />

„wie“ („shifted the terms of the debate from „if“ to „how“) 1237 . Die USA und<br />

Großbritannien wollten die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik im Rahme<br />

des NATO-Vertrages geregelt sehen, während die Franzosen diesem Gedanken<br />

„völlig fern“ gegenüber standen 1238 . Es bestand zu Beginn der Debatte um die<br />

Remilitarisierung ein Dilemma zwischen der Frage nach westeuropäischer<br />

Sicherheit und dem militärischen Erstarken der Bundesrepublik. Dem liegen<br />

besonders Überlegungen in Bezug auf wirtschaftliche und personelle Ressour-<br />

1234<br />

1235<br />

1236<br />

1237<br />

1238<br />

Die EVG scheiterte letztlich an der Nichtratifizierung durch die Französische Nationalversammlung;<br />

Näheres zum Scheitern der EVG: Maier, in: MGFA, Anfänge<br />

westdeutscher Sicherheitspolitik, Bd. 2, S. 125 ff.<br />

Die Umsetzung der Pariser Verträge und der Beitritt zur NATO wurden vom Bundestag<br />

am 27.02.1955 ratifiziert (BGBl. II 1955, S. 256 ff.).<br />

So wird im Folgenden die Argumentationsstrategie der Bundesregierung zum Überführungsvorhaben<br />

des Bundesgrenzschutzes in die Bundeswehr bezeichnet, vgl.<br />

S. 266 ff.<br />

Large, Germans to the front, S. 82.<br />

Schwengler, in: MGFA, Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik, Bd. 4, S. 371.


246 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

cen zugrunde. Westdeutschland verfügte trotz der massiven Zerstörungen während<br />

des Krieges über erhebliche wirtschaftliche Kapazitäten und eine<br />

Bevölkerungszahl, die der von Großbritannien und Frankreichs glich. Adenauer<br />

war der Auffassung, dass derjenige, „der Westdeutschland und seine Stahlproduktion<br />

besäße, voraussichtlich den dritten Weltkrieg zu seinen Gunsten<br />

entscheiden würde“ 1239 . Morgenthau schreibt in seinem Buch „Germany and the<br />

future of Europe“, dass Deutschland über die größte industrielle Kapazität in<br />

Europa verfüge und, insofern der natürliche Lauf der Dinge eintrete, es Europa<br />

beherrschen werde („[…] who have at their disposal the greatest industrial<br />

potential on the Continent. In consequence, if nature were allowed to take its<br />

course, Germany would necessarily become the master of Europe“) 1240 . Besonders<br />

in Frankreich war die Angst vor einem, durch Wiederbewaffnung erstarkten<br />

deutschen Nachbarn, groß 1241 . Die französische Regierung war deshalb bestrebt<br />

die Remilitarisierung Westdeutschlands möglichst in ihren Interessen mitgestalten<br />

zu können. Der französische Ministerpräsident René Pleven legte in diesem<br />

Sinne am 24. Oktober 1950 den Plan für eine Europäische Armee vor (Pleven-<br />

Plan). Das primäre Ziel war hierbei die Verhinderung von selbständigen deutschen<br />

Truppenteilen, die den Kern einer deutschen nationalen Armee bilden<br />

könnten; vielmehr sollte stattdessen die integrative Einordnung der westdeutschen<br />

Truppen in ein europäisches Verteidigungssystem erfolgen 1242 . Darüber<br />

hinaus war die französische Regierung der Auffassung, nur mit dem Vorschlag<br />

einer europäischen Streitkraft (Force Européenne) die westdeutsche Wiederbewaffnung<br />

„innenpolitisch durchsetzen“ zu können 1243 . Die Bundesregierung ließ<br />

in einer offiziellen Entschließung, über welche im Bundestag eine heftige Auseinandersetzung<br />

stattfand, mitteilen, dass die Bundesrepublik bereit sei „einen<br />

angemessenen Beitrag zu dem Aufbau dieser Abwehrfront zu leisten und zwar,<br />

um ihren Fortbestand, die Freiheit ihrer Bewohner und die Weitergeltung der<br />

westlichen Kulturideale zu sichern“ 1244 . Der von Pleven vorgelegte Plan wurde<br />

im Laufe der Zeit modifiziert und im Sinne einer fortschreitenden europäischen<br />

1239<br />

1240<br />

1241<br />

1242<br />

1243<br />

1244<br />

Adenauer, Erinnerungen 1945-1953, S. 351.<br />

Morgenthau, Germany and the future of Europe, S. 76.<br />

Vgl. zur französischen Perzeption des wiederbewaffneten Westdeutschlands: Girault,<br />

in: Herbst/Bührer/Sowade (Hrsg.), Vom Marshallplan zur EWG, S. 566 ff.<br />

Meier-Dörnberg, in: MGFA, Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik, Bd. 2, S. 649.<br />

Ebd.<br />

BT-Prot. vom 08.11.1950, 98. Sitzung, S. 3567A; die SPD verweigerte die Zustimmung<br />

zu der Entschließung über den Pleven-Plan mit der Begründung, dass das Grundgesetz<br />

keine Wehrverfassung kenne, vgl. ebd., S. 3574 D.


§ 7 Zweites Gesetz über den Bundesgrenzschutz 247<br />

sektoralen Teilintegration an die neu zu schaffende supranationale Europäische<br />

Verteidigungsgemeinschaft (EVG) geknüpft, welche ihrerseits für die Aufstellung<br />

der Europäischen Armee zuständig gewesen wäre. Der ursprünglich von<br />

Frankreich entwickelte Plan sollte am 30. August 1954 in Form der Zustimmung<br />

zur EVG durch die französische Nationalversammlung ratifiziert werden. Innerhalb<br />

der französischen politischen Landschaft hatten sich jedoch zahlreiche<br />

Gegner der EVG gefunden. Ein prominenter Vertreter der Widersacher war<br />

Charles de Gaulle. Sein äußerst konsequenter Standpunkt zur EVG verdeutlicht<br />

eindrücklich die Ablehnung der Gaullisten:<br />

„Ich garantiere, dass die Europa-Armee nicht durchkommt. Ich werde<br />

alles, was ich kann, gegen sie unternehmen. Ich werde mit den Kommunisten<br />

zusammenarbeiten, um ihr den Weg zu versperren. Ich<br />

werde eine Revolution gegen sie entfesseln. Ich würde es vorziehen,<br />

mich mit den Russen zu verbünden, um sie aufzuhalten. Sie kommt<br />

nicht durch. Ich wiederhole, ich würde eine Revolution machen, um<br />

sie zu verhindern.“ 1245<br />

Die politischen Gegner der EVG in Frankreich sahen in ihr eine Bedrohung für<br />

den französischen Nationalismus sowie die Gefahr des militärischen Wiedererstarkens<br />

Westdeutschlands 1246 . Pleven und die französische Regierung hatten die<br />

innenpolitische Durchsetzbarkeit ihrer ursprünglichen Intention, Deutschlands<br />

Wiederbewaffnung an ein gemeinsames System zu binden, falsch eingeschätzt,<br />

da dieses Vorhaben gleichzeitig voraussetzte, dass auch die französischen<br />

Streitkräfte in einem europäischen System aufgehen würden. Genau diese<br />

nationale Entäußerung der französischen Armee wollten die Gegner der EVG<br />

nicht hinnehmen. In der Abstimmung zur Nationalversammlung wurde die EVG<br />

schließlich mit 319 zu 264 Stimmen abgelehnt. Das Abstimmungsergebnis<br />

führte zu „tumultartigen Demonstrationen im Plenum: Die Gaullisten und<br />

Kommunisten stimmten die Marseillaise an, während die MRP-Abgeordneten<br />

den Saal verließen“ 1247 . Mit der Ablehnung der EVG verstimmte Frankreich<br />

besonders die USA und geriet selbst an den Rand der politischen Isolation 1248 .<br />

1245<br />

1246<br />

1247<br />

1248<br />

De Gaulle in einem Interview gegenüber dem amerikanischen Journalisten Sulzberger<br />

im Jahr 1954, zit. nach: Gossel, Briten, Deutsche und Europa, S. 84.<br />

Ausführliche Übersicht der verschiedenen politischen Standpunkte zur EVG: Stahl, in:<br />

DFI, Frankreich Jahrbuch 2006, S. 151 ff.<br />

Stanat, Die französische Nationalversammlung, S. 78.<br />

Görtemaker, Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 323.


248 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

Die französische Regierung ließ deshalb bei den Westalliierten anklingen, dass<br />

die Zustimmung des Beitritts der Bundesrepublik zum NATO-Vertrag nicht<br />

gefährdet sei. Für die deutsche Politik hatte die Ablehnung weitreichende Folgen.<br />

Das bereits 1950 ins Leben gerufene Amt Blank war maßgeblich mit der<br />

Aufgabe betraut worden, die Aufstellung der westdeutschen Armee zu organisieren.<br />

Theodor Blank leitete das nach ihm benannte Amt als „Bevollmächtigter<br />

des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhängenden<br />

Fragen“ 1249 . Das Amt Blank hatte die Aufgabe, die Wiederbewaffnung<br />

unter den Vorgaben der EVG zu organisieren. Hierzu gehörte vor<br />

allem die Vorarbeit zur Wehrverfassung und die praktischen Ausbildung und<br />

Aufstellung deutscher Truppen. Das Amt Blank orientierte sich ausschließlich<br />

an den durch EVG gestellten Vorgaben 1250 . Nach Ablehnung der EVG durch die<br />

französische Nationalversammlung war die gesamte bisherige Vorarbeit hinfällig<br />

geworden, da für die NATO-Lösung eine „neue Streitkräftekonzeption“<br />

erarbeitet werden musste 1251 . Die Arbeit in der Dienststelle Blank kam nach<br />

Scheitern der EVG sogar ins Stocken, da Haushaltsmittel für das Personal<br />

entfielen, welche direkt an das Bestehen der EVG gebunden waren 1252 . Die<br />

Ablehnung der EVG verlangsamte folglich den Arbeitsprozess des Amtes Blank<br />

im Hinblick auf die Truppenaufstellungen. Auf der Neunmächtekonferenz in<br />

London wurde im Oktober 1954 schließlich der Beitritt der Bundesrepublik zur<br />

Westeuropäischen Union und die Aufnahme in die NATO durch die Westmächte<br />

beschlossen 1253 . Die Bundesrepublik befand sich in der historisch besonderen<br />

Situation als Staat, die „Stunde Null“ aus militärischer Sicht meistern zu müssen.<br />

Zu diesem Zeitpunkt war ebenso noch keine verfassungsrechtliche<br />

Grundlage für die Bundeswehr (Stichwort: Wehrverfassung) geschaffen, da das<br />

Amt Blank davon ausging, dass es für den deutschen Verteidigungsbeitrag für<br />

die EVG keiner Verfassungsänderung bedurfte 1254 . Adenauer forderte zudem<br />

nach Abschluss der Verträge, dass „binnen Jahresfrist“ Kadertruppen in nennenswertem<br />

Umfang bereitstehen 1255 . Zum einen wollte Adenauer die<br />

1249<br />

1250<br />

1251<br />

1252<br />

1253<br />

1254<br />

1255<br />

Croissant/Kühn, Militär und zivile Politik, S. 81.<br />

Ehlert, in: MGFA, Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik, Bd. 3, S. 430.<br />

Ebd., S. 431.<br />

Hoeth, Wiederbewaffnung Deutschlands 1945-1958, S. 355 f.<br />

Schöllgen, Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland, S. 36; zu den Vorgängen<br />

während den Verhandlungen über den Deutschlandvertrag, Schwengler, in: MGFA, Anfänge<br />

westdeutscher Sicherheitspolitik, Bd. 4, S. 301 ff.<br />

Schmidt, Handbuch zur deutschen Außenpolitik, S. 247.<br />

Ehlert, in: MGFA, Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik 1945-1956, Bd. 3, S. 434.


§ 7 Zweites Gesetz über den Bundesgrenzschutz 249<br />

Westalliierten nicht enttäuschen, einen schnellen und effektiven Wehrbeitrag zu<br />

liefern und zum anderen wollte er mit der erfolgten Wiederbewaffnung einer<br />

Neutralisierung der Bundesrepublik in Europa entgegenwirken.<br />

Am 15. Mai 1955 wurde zwischen den Alliierten und Österreich der Staatsvertrag<br />

über die dauernde österreichische Neutralität geschlossen 1256 . Die<br />

Sowjetunion nutzte dies zum Anlass, den „Gedanken eines neutralen Gürtels in<br />

Europa“ in die Weltöffentlichkeit zu tragen 1257 . Adenauer beschreibt in seinen<br />

Memoiren Bedenken, dass von Seiten der USA „keinesfalls […] ablehnend“<br />

über derartige Pläne, also auch ein neutrales Deutschland, diskutiert wurde 1258 .<br />

Seiner Ansicht nach wäre ein neutrales Deutschland erheblich durch den sowjetischen<br />

Einfluss gefährdet gewesen. Er wollte unter allen Umständen die Westbindung<br />

und vor allem die schnelle Aufstellung von deutschen Truppen im<br />

NATO-Rahmen, um damit zu verhindern, dass die Westmächte „den deutschen<br />

Verteidigungsbeitrag […] noch einmal zur Disposition“ stellen würden. Sein<br />

Ziel war es, durch „Schaffen militärischer Fakten“ dem vorzubeugen 1259 .<br />

Kulminierend in der Störung der Arbeitsabläufe beim Amt Blank durch das<br />

Scheitern der EVG und Adenauers Zeitvorgabe, innerhalb eines Jahres über<br />

Kadertruppen zu verfügen, liegen die Probleme begründet, die einen reibungslosen,<br />

schnellen Bundeswehraufbau gebremst haben. Das Heranziehen des<br />

Bundesgrenzschutzes als „Kristallisationskern“ 1260 für die Bundeswehr konnte<br />

Hilfe für eine beschleunigte Aufstellung der Bundeswehr leisten. Jedoch muss<br />

festgestellt werden, dass das Amt Blank bis zum Jahresbeginn 1955 die Heranziehung<br />

des Bundesgrenzschutzes zum Aufbau der Bundeswehr abgelehnt<br />

hatte 1261 . Es sei kein „Geheimnis geblieben, dass die Männer um Blank am<br />

Bundesgrenzschutz uninteressiert sind“ 1262 . Erst im Laufe des Jahres 1955<br />

erkannte Blank die Notwendigkeit weitgehend an, den Bundesgrenzschutz mit in<br />

die Aufbauorganisation einzubeziehen. Nachfolgend gilt es zu untersuchen, wie<br />

sich die Überführung des Bundesgrenzschutzes in die Bundeswehr vollzog.<br />

1256<br />

1257<br />

1258<br />

1259<br />

1260<br />

1261<br />

1262<br />

Zöllner, Geschichte Österreichs, S. 540.<br />

Adenauer, Erinnerungen 1953-1955, S. 442.<br />

Ebd., S. 443.<br />

Ehlert, in: MGFA, Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik, Bd. 3, S. 435.<br />

Baring, Außenpolitik in Adenauers Kanzlerdemokratie, S. 81.<br />

Vgl. S. 256 ff.<br />

O.V., SP 1955, P/X/243 v. 20.10.1955, S. 6.


250 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

Ebenso stellt sich die Frage nach der politische Begründung der Überführung<br />

und inwieweit diese im Einklang mit der inneren Sicherheit zu bringen ist.<br />

I. Memorandum von Graf Schwerin<br />

Ein wichtiges Dokument bezüglich der weiteren Verwendung des Bundesgrenzschutzes<br />

lieferte bereits kurz nach der Londoner Neunmächtekonferenz 1954 der<br />

Experte für Sicherheitsfragen, Gerhard Graf von Schwerin 1263 . Graf Schwerin<br />

war ehemaliger Generalmajor der Wehrmacht und fungierte kurzzeitig während<br />

der Zeit um 1950, als sicherheitspolitischer Berater von Adenauer. Schwerin<br />

hatte sich diesbezüglich im Auftrag Adenauers zum Aufbau von truppenartig<br />

organisierten Polizeikräften („mobile Bundesgendarmerie“) geäußert 1264 . Es<br />

wurde einem Gesprächsvermerk Schwerins zufolge zwischen ihm und Adenauer<br />

davon gesprochen, wie diese Kräfte im Rahmen eines „geräuschlosen Aufbau[s]“<br />

hätten errichtete werden können 1265 . In diesem Zusammenhang wurde<br />

auch die „Zentrale für Heimatdienst“ (ZfH) gebildet, welche sich mit den Vorarbeiten<br />

für ein Verteidigungsministerium befasste und wenig später im<br />

sogenannten „Amt Blank“ aufging 1266 . Die Konzepte Schwerins von 1950<br />

können als praktische Vorarbeit für eine mögliche Ausgestaltung der geplanten<br />

Adenauer´schen Bundespolizei gesehen werden 1267 . Mit der endgültigen Ableh-<br />

1263<br />

1264<br />

1265<br />

1266<br />

1267<br />

Gerhard Dettloff Graf von Schwerin (1899-1980), General der Panzertruppe, 1950<br />

sicherheitspolitischer Berater von Adenauer und Leiter der Zentrale für Heimatdienst,<br />

1950 deutscher Vertreter im deutsch-alliierten Sicherheitsausschuss, vgl. DzD II/3<br />

(1950), S. 1251.<br />

„Gedankenbeitrag für den Aufbau einer mobilen Bundesgendarmerie“, v. 29.05.1950,<br />

abgedruckt in: BMVg (Hrsg.), Schriftenreihe Innere Führung, Beiheft 4/85, von Himmerod<br />

bis Andernach, Dokumente zur Entstehungsgeschichte der Bundeswehr, S. 40<br />

ff.; siehe hierzu auch Hoeth, Wiederbewaffnung Deutschlands 1945-1958, S. 70; IFZ,<br />

Akten zur Auswärtigen Politik der BRD 1949/50, S. 164 ff.<br />

IFZ, Akten zur Auswärtigen Politik der BRD 1949/50, Dok. 63, S. 160.<br />

Wenzke/Zündorf, Militärgeschichte im Kalten Krieg 1945-1968/70, in: MGFA, Grundkurs<br />

deutsche Militärgeschichte, S. 53.<br />

Schwerin legte seinen Überlegungen die hypothetische Okkupation Westdeutschlands<br />

und dem damit verbunden Kriegsfall mit der Sowjetunion zu Grunde. Diesen Fall angenommen<br />

würden mehrere Fluchtwellen unter der Bevölkerung einsetzen, die<br />

weitgehend unkontrollierbar sein und zudem den Truppenbewegungen der Alliierten erhebliche<br />

Störungen zufügen könnten. Schwerin erwog deshalb die Aufstellung einer<br />

mobilen Bundesgendarmerie. Ein gesetzgeberischer Akt oder öffentliche Behandlung<br />

der Angelegenheit sei nicht notwendig, da es sich bei der Bundesgendarmerie um eine


§ 7 Zweites Gesetz über den Bundesgrenzschutz 251<br />

nung der Bundespolizei durch die Alliierten im September 1950 wurden die<br />

Überlegungen von Schwerin obsolet 1268 . Schwerin wurde schließlich im Oktober<br />

1950 von Adenauer entlassen. Die Gründe hierfür hingen mit der Krise um die<br />

Entlassung des ehemaligen Bundesinnenministers Heinemann zusammen, bzw.<br />

mit den politischen Äußerungen Schwerins zur Haltung der Bundesregierung in<br />

der Frage der Wiederbewaffnung 1269 .<br />

Schwerin wurde dennoch weiterhin von verschiedenen Bundestagsabgeordneten<br />

konsultiert und später zudem Berater der FDP-Bundestagsfraktion in wehrpolitischen<br />

Belangen. Schwerin war ein ausgesprochen guter Analyst der<br />

Sicherheitslage an der Zonengrenze. Er fertigte zahlreiche Aufzeichnungen an,<br />

in welcher Form militärisch auf die Sicherheitsorgane in der sowjetischen<br />

Besatzungszone reagiert werden könnte 1270 . Bei dem einleitend erwähnten<br />

Dokument von Schwerin zum Bundesgrenzschutz handelt es sich um ein Aide-<br />

Mémoire, verfasst am 22. Oktober 1954 mit dem Titel: „Die Zukunft des Bundesgrenzschutzes<br />

im Hinblick auf den bevorstehenden Aufbau deutscher<br />

Streitkräfte“ 1271 . Er hatte dieses Memorandum dem Bundestagsabgeordneten<br />

Fritz Erler 1272 (SPD) zugesandt 1273 . Schwerin legt in seinem Memorandum fünf<br />

Lösungsvorschläge dar, wie mit dem Bundesgrenzschutz in Zukunft weiter<br />

verfahren werden könnte 1274 :<br />

1268<br />

1269<br />

1270<br />

1271<br />

1272<br />

1273<br />

1274<br />

Einrichtung der Besatzungstruppen handeln würde, vgl. Ziff. II, 2b des „Gedankenbeitrag<br />

für den Aufbau einer mobilen Bundesgendarmerie“ (Fn. 1264), S. 49.<br />

Schwengler, in: MGFA, Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik, Bd. 4, S. 361 f.<br />

BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 3 (1950), S. 13; Kraske, Anfänge der<br />

Öffentlichkeitsarbeit in der Dienststelle Blank, in: MGFA, Vom Kalten Krieg zur deutschen<br />

Einheit, S. 66; vgl. hierzu auch die Äußerungen von Adenauer gegenüber McCloy<br />

am 16.11.1950 zur Entlassung von Schwerin: „Der Graf von Schwerin hatte nämlich<br />

angefangen zu politisieren.“, Wortprotokoll in: AA, Akten zur Auswärtigen Politik der<br />

BRD, Adenauer und die Hohen Kommissare 1949-1951, Bd. I, Dok.-Nr. 19, S. 266.<br />

Aufzeichnungen Schwerins zur Sicherheitslage an der Zonengrenze, in: IFZ, NL<br />

Schwerin, ED 337/24 „Rolle und Aufgaben zukünftiger westdeutscher Streitkräfte sowie<br />

des Bundesgrenzschutzes 1952-1954“.<br />

Schwerin, Aide Memoire v. 22.10.1954, S. 7 ff., in: IFZ, ED 337/24.<br />

Fritz Erler (1913-1967), seit 1931 Mitglied der SPD, im September1939 Verhaftung<br />

und Verurteilung zu zehn Jahren Gefängnis wegen Vorbereitung zum Hochverrat, 1949<br />

bis 1968 Mitglied des Bundestages, nahm wesentlichen Einfluss auf die Wehrverfassung,<br />

vgl. Vierhaus/Herbst (Hrsg.), Biographisches Handbuch der Mitglieder des<br />

Deutschen Bundestages 1949-2002, Bd. 1, S. 188.<br />

Brief Schwerin an Erler v. 23.10.1954, in: AdsD, NL Erler, 142.<br />

Vgl. Schwerin, Aide Memoire v. 22.10.1954, S. 7 ff., in: IFZ, ED 337/24.


252 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

1. Beibehaltung des Bundesgrenzschutzes in gleicher Form und Stärke. Diese<br />

Lösung lehnte Schwerin jedoch ab, da zum einen das Personal nicht<br />

gewillt sei, beim Bundesgrenzschutz zu verbleiben und zum anderen, weil<br />

man es nicht verantworten hätte können, der Bundeswehr den Personalstamm<br />

des Bundesgrenzschutzes zum Aufbau vorzuenthalten.<br />

2. Überführung des Bundesgrenzschutzes zu reinen Bundespolizeikräften<br />

mit der Aufgabe der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit im<br />

Grenzgebiet in enger Zusammenarbeit mit den Bereitschaftspolizeien der<br />

Länder. Diese Option wird ebenso wie aus den Gründen bei 1. abgelehnt.<br />

3. Ausbau des Bundesgrenzschutzes zu einem neuen und militärisch bewaffneten<br />

Grenzschutz im Sinne der Landesverteidigung (militärischer<br />

Grenzschutz). Diese Möglichkeit sei jedoch erst von der nun maßgeblich<br />

für die Verteidigung zuständigen NATO zu prüfen.<br />

4. Überführung des Personals des Bundesgrenzschutzes in die Bundeswehr.<br />

Diejenigen Beamten, die einen Wechsel ablehnten, sollten in die Landespolizei<br />

übernommen werden. Diese Lösung bezeichnet er als<br />

unbefriedigend, da er die geschlossene Überführung des Bundesgrenzschutzes<br />

nach Punkt 5 favorisierte.<br />

5. Überführung des Bundesgrenzschutzes in seiner Gesamtheit in die Bundeswehr.<br />

So konnte das Personal, die Liegenschaften und das Material<br />

geschlossen zum Aufbau der Streitkräfte herangezogen werden. Schwerin<br />

hielt diese Option für die einzige Möglichkeit schnell und beschleunigt<br />

die Bundeswehr aufzubauen.<br />

Schwerin hatte seinen Unterlagen zufolge die Sicherheitslage Westdeutschlands<br />

bei Aufstellung des Bundesgrenzschutzes analysiert und in diesem Zusammenhang<br />

vermerkt, dass die Aufstellung des Bundesgrenzschutzes damals den<br />

„Grundstein […] für die Ausbildungs-Kadres einer zukünftigen deutschen<br />

Wehrmacht“ bilden sollte 1275 . Daher überrascht es nicht, dass Schwerins Analysen<br />

keine Aussagen über die Notwendigkeit des Bundesgrenzschutzes aus<br />

grenzpolizeilicher Sicht treffen, sondern rein den militärischen Nutzen für eine<br />

zukünftige Armee beschreiben. Seiner Schlussfolgerung, dass der Bundesgrenz-<br />

1275<br />

Vortragsnotiz Schwerins v. 08.09.1954, S. 1, in: IFZ, ED 337/24.


§ 7 Zweites Gesetz über den Bundesgrenzschutz 253<br />

schutz in seiner Gesamtheit in die Bundeswehr überführt werden müsse, fügt er<br />

folgendes an:<br />

„Diese Lösung würde dem zweifellos vorhandenen Wunsch von<br />

NATO nach möglichster Abkürzung der Aufstellungszeiten und äußerster<br />

Beschleunigung des Neuaufbaus der deutschen Streitkräfte am<br />

meisten entsprechen. Ob diese Lösung gewählt werden soll, hängt von<br />

der Überprüfung und Billigung durch NATO und von der Überwindung<br />

gewisser deutscher innenpolitischer Schwierigkeiten ab.“ 1276<br />

Darüber hinaus ist die Rezeption von Schwerins Aide-Mémoire insgesamt<br />

bezüglich des Bundesgrenzschutzes von Bedeutung. Schwerin sandte sein Aide-<br />

Mémoire ursprünglich an Erler, doch ein wichtiger Hinweis kommt von Friedrich<br />

Beermann 1277 , welcher sich bezugnehmend auf Schwerins Dokumente<br />

wiederum an Erler wandte. Beermann war kriegsgedienter Offizier, Jurist und<br />

ebenso wie Erler sicherheitspolitischer Berater der SPD 1278 . In seiner „Stellungnahme<br />

zu dem Brief des Grafen Schwerin“ vom 22. Dezember 1954 geht er<br />

weitgehend konform mit dessen Ansicht, dass die Überführung des Bundesgrenzschutzes<br />

in die Streitkräfte die „schnellste und billigste Lösung“ für die<br />

Aufstellung der Armee sei 1279 . In diesem Zusammenhang tätigte er folgende<br />

Aussage:<br />

„Der Bundesgrenzschutz ist seinerzeit unter falschen Vorstellungen,<br />

der später dort tätigen Offizieren, aufgestellt worden. Ihnen soll von<br />

Lehr und wie mir berichtet worden ist, auch von Heusinger 1280 , gesagt<br />

1276<br />

1277<br />

1278<br />

1279<br />

1280<br />

Schwerin, Aide Memoire v. 22.10.1954, S. 9, in: IFZ, ED 337/24.<br />

Friedrich Beermann (1912-1975), Rechtsanwalt, Brigadegeneral der Bundeswehr,<br />

Politiker, sei 1947 Mitglied der SPD, militärfachlicher Berater der SPD-<br />

Bundestagsfraktion, 1959 Aufnahme in die Bundeswehr als Oberst auf Strauß´ Bestreben,<br />

1969 bis 1975 Mitglied des Bundestages, vgl. Kopitzsch/Brietzke, Hamburgische<br />

Biografie, Personenlexikon, S. 43.<br />

Zu Beermanns Engagement als Sicherheitsberater: Opitz, Friedrich Beermann und die<br />

Wehrpolitik der SPD von 1955 bis 1959, in: Die Neue Gesellschaft 24 (1977),<br />

S. 869 ff.; Beermann, Sicherheit, Wiedervereinigung und die Stärke der Bundeswehr,<br />

in: Die Neue Gesellschaft 4 (1957), S. 8 ff.<br />

Beermann, „Stellungnahme zu dem Brief des Grafen Schwerin bzgl. des Bundesgrenzschutz<br />

vom 22.XII.54“, S. 3, in: AdsD, NL Erler, 139.<br />

Adolf Heusinger (1897-1982), Generalleutnant der Wehrmacht, nach dem 20. Juli 1944<br />

ohne Verwendung und kurzzeitige Verhaftung, seit 1950 militärischer Berater Adenauers,<br />

Erarbeitung der „Himmeroder Denkschrift“, 1951 bis 1955 Dienststelle Blank,


254 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

worden sein, sie würden den Kern einer zukünftigen Armee bilden.<br />

Unter diesem Gesichtspunkt sind viele in den Bundesgrenzschutz eingetreten,<br />

und zwar unter Herabstufung mehrere Dienstgrade.“ 1281<br />

Der Wahrheitsgehalt seiner Behauptung, dass der Bundesgrenzschutz als Vorläufer<br />

der Bundeswehr gegründet worden sei, ist schwer zu überprüfen, aber<br />

weitere Hinweise, die einen sinngleichen Gehalt wie seine Aussage besitzen,<br />

liegen vor. Diesen kann in Bezug auf die Aufstellung des Bundesgrenzschutzes<br />

Folgendes entnommen werden:<br />

„Man stellte für die Führung nicht Polizisten, sondern Wehrmachtsoffiziere<br />

ein, denen man unter der Hand erklärte, dass sie der Stamm der<br />

neuen Wehrmacht seien“ 1282 .<br />

Ähnliches kann einem Artikel des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ aus dem<br />

November 1955 entnommen werden. Demnach wäre den Rekruten beim Bundesgrenzschutz<br />

„hoch und heilig“ 1283 versprochen worden:<br />

„Sie, die Grenzjäger, sollten der ‚Grundstock‘ der künftigen Wehrmacht<br />

sein. Von Theo Blanks erstem Gehilfen, dem Generalleutnant<br />

außer Dienst Heusinger, wollen sie ähnliche verlockende Worte gehört<br />

haben.“ 1284<br />

Die vorgenannten Erklärungen sind von erheblicher Bedeutung, da sie einen<br />

Hinweis darauf geben, welchen Inhalt Erklärungen von Politikern an die ersten<br />

Rekruten beim Bundesgrenzschutz gehabt haben. Die wissenschaftliche Verwertbarkeit<br />

dieser Aussagen ist allerdings gering, da es sich um Zeugnisse vom<br />

Hörensagen handelt, die keinen abschließenden Schluss zulassen, dass bei der<br />

Aufstellung des Bundesgrenzschutzes tatsächlich derartige Erklärungen in<br />

Bezug auf eine künftige Wehrmacht abgegeben wurden. Allerdings kann es als<br />

erwiesen angesehen werden, dass die im August 1950 von den Alliierten ge-<br />

1281<br />

1282<br />

1283<br />

1284<br />

1957 bis 1961 Generalinspekteur der Bundeswehr, vgl. BArch, Die Kabinettsprotokolle<br />

der BReg, Bd. 10 (1957), S. 194.<br />

Beermann, „Stellungnahme zu dem Brief des Grafen Schwerin bzgl. des Bundesgrenzschutz<br />

vom 22.XII.54“, S. 1, in: AdsD, NL Erler, 139.<br />

O.V., SP 1955, P/X/257 vom 07.11.1955, S. 2.<br />

O.V., Der silberne Igel, S. 19, in: Der Spiegel 45/55 vom 02.11.1955.<br />

Ebd.


§ 7 Zweites Gesetz über den Bundesgrenzschutz 255<br />

nehmigte „500-Mann Bundespolizei“ 1285 , zu deren Aufstellung es nie kam, als<br />

Offizierskader für künftige Truppenverbände dienen sollte. Im Protokoll der<br />

Sitzung, in welcher die AHK der Bundesregierung gestattete die, 500-Mann<br />

Bundespolizei zu errichten, richtete der französische Vertreter Armand Bérard<br />

folgende Frage an die Vertreter der Bundesregierung:<br />

„Sie möchten also aus diesen 500-Mann etwas wie eine Cadre-Schule<br />

für Polizei-Offiziere entwickeln?“ 1286<br />

Hierauf antwortete der Vertreter der Bundesregierung Egidi: „Ich kann nicht<br />

leugnen, dass solche Gedanken eine gewisse Rolle gespielt haben“ 1287 . An dieser<br />

Stelle muss erwähnt werden, dass Schwerin, wie bereits oben ausgeführt,<br />

Adenauer sicherheitspolitisch beraten hatte und im August 1950 den Auftrag<br />

erhielt, neben der 500-Mann Bundespolizei ein ebenfalls 500 Mann starkes<br />

Schutz- und Begleitkommando aufzustellen, welches Personenschutz für die<br />

Mitglieder der Bundesregierung übernehmen sollte. Die AHK stimmte neben<br />

der 500-Mann Bundespolizei auch diesem Begleitschutzkommando zu 1288 .<br />

Bezüglich des Begleitschutzkommandos ist noch detaillierter als in der Besprechung<br />

mit den Alliierten vom 4. August 1950 festgehalten, dass diese Einheit als<br />

Offizierskader für künftige Aufstellungen dienen sollte 1289 . Adenauer war über<br />

dieses Vorhaben auch in Kenntnis gesetzt. Einem Protokoll kann diesbezüglich<br />

entnommen werden:<br />

„Den Plan, die 500 Mann nicht zu Bewachungsaufgaben einzusetzen,<br />

sondern daraus ein Führerkorps als Rahmen künftiger Neuaufstellungen<br />

zu schaffen, billigte der Kanzler.“ 1290<br />

Die von Adenauer geplanten Neuaufstellungen konnten sich mit Stand August<br />

1950 jedoch nicht auf eine Armee beziehen, sondern vielmehr nur auf die Bun-<br />

1285<br />

1286<br />

1287<br />

1288<br />

1289<br />

1290<br />

Vgl. hierzu S. 163 ff.<br />

Niederschrift der Besprechung vom 04.08.1950, S. 9, in: BArch B 106/14337.<br />

Ebd.<br />

Geheime Abschrift „Haushaltsvorschlag für 500 Mann-Einheit und Begleitschutz<br />

Schwerin“, v. 18.09.1950, S. 1, in: BArch B 106/15701.<br />

Ebd., S. 2: „die 500 Mann-Einheit des Grafen Schwerin [war] offenbar als Offizierskader<br />

gedacht“.<br />

Protokoll der Unterredung zwischen Bargatzky und Adenauer in Bürgenstock/Schweiz<br />

v. 09.08.1950, S. 5, in: BArch B 106/14337.


256 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

despolizei, die von den Alliierten zu diesem Zeitpunkt noch nicht endgültig<br />

abgelehnt worden war 1291 .<br />

Die Aufzeichnungen Schwerins können darüber hinaus mit als die ersten Dokumente<br />

eines Fachmannes angesehen werden, welche die konkrete Heranziehung<br />

des Bundesgrenzschutzes zum Aufbau der Bundeswehr fordern und zugleich auf<br />

die damit verbundenen politischen Hindernisse hinweisen, während zur gleichen<br />

Zeit das Amt Blank 1292 noch nicht über eine weitere Verwendung des Bundesgrenzschutzes<br />

für militärische Zwecke nachdachte.<br />

II. Ablehnung des Bundesgrenzschutz durch das Amt Blank<br />

Die Ursachen für die anfängliche Ablehnung für das Heranziehen des Bundesgrenzschutzes<br />

zum Aufbau der Bundeswehr durch das Amt Blank liegen in zwei<br />

Konstellationen begründet. Erstens in der „lang kultivierten grundsätzlichen<br />

Aversion“ gegen des Bundesgrenzschutz wegen angeblichen veralteten militärischen<br />

Ausbildungsmethoden sowie dem nicht demokratischen Geist der Angehörigen<br />

des Bundesgrenzschutzes und zweitens in der prinzipiellen Konkurrenz<br />

zwischen Bundesinnenministerium und Amt Blank in Angelegenheiten bezüglich<br />

des Bundesgrenzschutzes 1293 .<br />

In der Planungsphase für den Streitkräfteaufbau spielte die Frage nach der<br />

inneren Haltung der Soldaten eine besondere Rolle. Diese sollten sich als<br />

„Staatsbürger in Uniform“ besonders mit der Demokratie identifizieren können.<br />

Da die Masse der Beamten beim Bundesgrenzschutz ehemalige Wehrmachtsoder<br />

Polizeiangehörige waren, war das Amt Blank der Auffassung, dass der<br />

Bundesgrenzschutz in seiner inneren Einstellung „derjenigen der ehemaligen<br />

Reichswehr ähnlich [wäre], von der bekannt [sei], dass sie dem demokratischen<br />

Staate fremd und indifferent, zum Teil ablehnend“ 1294 gegenüberstehe und somit<br />

diese „unpolitischen Reichswehrsoldaten“ 1295 nicht dem Idealbild des Staatsbürgers<br />

in Uniform entsprächen würden. Verkörpert wurde diese ablehnende<br />

1291<br />

1292<br />

1293<br />

1294<br />

1295<br />

Siehe zur endgültigen Ablehnung der Bundespolizei durch die Alliierten im September<br />

1950, S. 171.<br />

Ab dem 07.06.1955 Bundesministerium für Verteidigung.<br />

Meyer, in: MGFA, Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik, Bd. 3, S. 1138.<br />

Schwerin, Aide Memoire v. 22.10.1954, S. 5, in: IFZ, ED 337/24.<br />

Meyer, in: MGFA, Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik, Bd. 3, S. 926.


§ 7 Zweites Gesetz über den Bundesgrenzschutz 257<br />

Haltung besonders durch Wolf Graf von Baudissin 1296 , der die innere Führung 1297<br />

bei der Bundeswehr maßgeblich geprägt hatte und im Offizierskorps des Bundesgrenzschutzes<br />

nicht sein modernes Führungsideal verwirklich sah 1298 .<br />

Weiterhin unterstand der Bundesgrenzschutz dem Bundesinnenministerium und<br />

war somit dem Zugriff des Amtes Blank vollständig entzogen, was zur Unkenntnis<br />

über Methoden und Struktur beim Bundesgrenzschutz und zu einem<br />

gewissen Konkurrenzverhältnis führte. Beide vorgenannten Ursachen kulminierten<br />

in der Ablehnung des Bundesgrenzschutzes durch das Amt Blank. Gegen die<br />

Vorhalte Baudissins verfasste der damalige Vorsitzende des Bundesgrenzschutzverbandes,<br />

Friedrich von Stülpnagel 1299 , eine „Antithese“, welche im<br />

Grunde das gezeichnete negative Bild Baudissins widerlegte 1300 . Die gegenteilige<br />

Argumentation Stülpnagels dürfte eher den Tatsachen entsprochen haben als<br />

die negative Ansicht Baudissins. Denn bereits bei der Aufstellung des Bundesgrenzschutzes<br />

1951 waren gerade die Offiziersdienstgrade einer erweiterten<br />

Begutachtung unterzogen und seitdem in „neuzeitlicher Menschenführung“<br />

unterrichtet worden 1301 . Etwas scharfzüngiger als in Stülpnagels Antithese<br />

wurde Baudissins Reformhaltung von dem damaligen Bundesgrenzschutzin-<br />

1296<br />

1297<br />

1298<br />

1299<br />

1300<br />

1301<br />

Wolf Stefan Traugott Graf von Baudissin (1907-1993), Generalstabsoffizier der Wehrmacht,<br />

1951 bis 1955 Dienststelle Blank, 1955 bis 1958 Unterabteilungsleiter im<br />

Führungsstab der Bundeswehr (Fü B I Innere Führung), 1963 bis 1965 Kommandeur<br />

NATO Defence College Paris, vgl. Schlaffer/Schmidt (Hrsg.), Wolf Graf von Baudissin,<br />

S. 235 ff.<br />

Zum Verständnis Baudissins des Staatsbürgers in Uniform: Baudissin, Soldat für den<br />

Frieden, S. 21 ff.<br />

Die unterschiedlichen Auffassungen von Führung und innerer Haltung beim Bundesgrenzschutz<br />

gipfelten in einer scharf geführten Debatte zwischen Baudissin und von<br />

Stülpnagel, vgl. hierzu, Meyer, in: MGFA, Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik,<br />

Bd. 3, S. 927.<br />

Friedrich Gottlob von Stülpnagel (1913-1996), Mitglied der deutschen Olympiamannschaft<br />

1936 (Gewinner der Bronzemedaille in der 400 Meter Staffel),<br />

Wehrmachtsoffizier und Kriegsteilnehmer, ab 1951 Major i. Bundesgrenzschutz, Vorsitzender<br />

des Bundesgrenzschutzverbandes (Berufsvertretung), Übertritt in die<br />

Bundeswehr, Oberst i.G., vgl. Der Spiegel 45/55 vom 02.11.1955, S. 19 ff., Der Spiegel<br />

8/71 vom 15.02.1971, S. 30.<br />

O.V., Der silberne Igel, S. 19 ff., in: Der Spiegel 45/55 vom 02.11.1955; vgl. hierzu<br />

ebenso: Nägler, Der gewollte Soldat und sein Wandel, S. 83 ff.<br />

Schwerin, Vermerk zum Bundesgrenzschutz, undatiert, S. 1, in: IFZ, ED 337/24.


258 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

spekteur Matzky 1302 relativiert. In einer Rede vor dem Bundestagsausschuss für<br />

Fragen der Europäischen Sicherheit am 13. Juli 1954 führte er aus:<br />

„Wir waren uns beim Bundesgrenzschutz bewusst, etwas Neues schaffen<br />

zu müssen und zu wollen. Wir sind dabei aber von der Auffassung<br />

ausgegangen, dass es vermessen und überheblich wäre, zu glauben, alles<br />

Gold des Erfahrungsschatzes früherer Zeiten sei nur Blech<br />

gewesen und müsse ausgerechnet von uns erst wieder neu geschürft<br />

und geprägt werden. […] Wenn ich die zahllosen Reden und Schriften<br />

unserer jüngsten Reformer betrachte, die sich mit dem künftigen<br />

Staatsbürger in Uniform befassen, so stehe ich nicht an, den bisweilen<br />

an Romantik grenzenden Idealismus zu bewundern, mit dem sie ihr<br />

Ziel zu erreichen versuchen.“ 1303 .<br />

Eine erste Annäherung in der Frage der Übernahme des Bundesgrenzschutzes<br />

zwischen Verteidigungs- und Innenministerium fand im Juni 1955 statt 1304 .<br />

Dennoch waren im innerministeriellen Gefüge des Verteidigungsministeriums<br />

Stimmen zu vernehmen, die sich noch bis in den Oktober 1955 nicht mit einer<br />

Verschmelzung mit den Grenzschützern anfreunden konnten. Einer Aufzeichnung<br />

des Verteidigungsministeriums vom 6. Oktober 1955 kann bezeichnenderweise<br />

Folgendes entnommen werden:<br />

„[…] Gefahr der Bundesgrenzschutzlösung.“ 1305<br />

III. Entscheidung der Bundesregierung<br />

Die Akklimatisierung der Ministerien im Juni 1955 untereinander indizierte<br />

allerdings noch keine abschließende Einigung, in welcher Form eine Übernahme<br />

1302<br />

1303<br />

1304<br />

1305<br />

Gerhard Matzky (1894-1983), Generalleutnant der BW, Teilnehmer im 1. und 2.<br />

Weltkrieg, 1938 bis 1940 Militärattaché in Tokio, 1944 General der Infanterie, 1950 bis<br />

1951 Leiter des deutschen Verbindungsstabes beim US-Hauptquartier für den Labor-<br />

Service, ab 1951 Inspekteur beim Bundesgrenzschutz und maßgeblich für den Aufbau<br />

der Ausbildung zuständig, 1967 Übertritt zur Bundeswehr, vgl. Hammerich, Das Heer<br />

1950-1970, S. 709.<br />

Abschrift des Vortrages von Matzky vor dem Ausschuss für Fragen der europäischen<br />

Sicherheit am 13.07.1954, in: BArch-MA BW 9/68, fol. 86.<br />

Ehlert, in: MGFA, Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik, Bd. 3, S. 477.<br />

BArch-MA BW 9/2527-7, Tagebucheintrag der Abt. II v. 06.10.1955, S. 40.


§ 7 Zweites Gesetz über den Bundesgrenzschutz 259<br />

der Bundesgrenzschutzbeamten erfolgen sollte. Im Verteidigungsministerium<br />

ging man noch davon aus, dass nur einzelne freiwillige Beamte überführt werden<br />

sollten 1306 , aber eine Übernahme im Ganzen „überhaupt nicht in Frage“ 1307<br />

käme. Bis in den August 1955 bestanden beim Verteidigungsministerium<br />

Sprachregelungen, die nicht von einer geschlossenen Übernahme des Bundesgrenzschutzes<br />

ausgingen 1308 .<br />

Im Bundestag beschäftigte sich der Ausschuss für innere Angelegenheiten am<br />

29. März 1955 kurz mit der damaligen Situation des Bundesgrenzschutzes.<br />

Schröder betonte, dass solange das „Bild der deutschen Streitkräfte“ nicht<br />

feststehe, der Zeitpunkt für Beschlüsse bezüglich des Bundesgrenzschutzes noch<br />

nicht gekommen sei 1309 . Der Ausschussvorsitzende Friedrich Maier (SPD)<br />

fragte Schröder in dieser Sitzung, ob, wenn der „Bundesgrenzschutz das Rekrutierungsfeld<br />

für das Amt Blank“ werde, auf einen neuen Status des<br />

Bundesgrenzschutzes geschlossen werden könne 1310 . Schröder erklärte hierauf<br />

nur, dass der Bundesgrenzschutz „möglicherweise“ bei personellen Umgruppierungen<br />

„angepasst“ werden müsse 1311 .<br />

Das Bundeskabinett selbst hatte sich bis dahin nicht auf eine klare Linie festgelegt,<br />

sondern die Angelegenheit weitgehend den beiden beteiligten Ministerien<br />

überlassen. Noch im Mai 1955 waren im Bundeskabinett keine Hinweise auf<br />

eine Auseinandersetzung zu der Thematik der „Überführung des Bundesgrenzschutzes“<br />

in die Bundeswehr vorhanden, sondern lediglich Vermerke darüber,<br />

dass eine besoldungsrechtliche Schlechterstellung der Bundesgrenzschutzbeamten<br />

gegenüber den künftigen Soldaten vermieden werden müsse 1312 .<br />

1306<br />

1307<br />

1308<br />

1309<br />

1310<br />

1311<br />

1312<br />

Ehlert, in: MGFA, Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik, Bd. 3, S. 477.<br />

So hätte sich der damalige Bundesverteidigungsminister laut Eschmann (SPD) noch im<br />

Frühjahr 1955 im Bundesverteidigungsrat geäußert, BT-Prot. vom 03.02.1956, 127. Sitzung,<br />

S. 6648C.<br />

BArch-MA BW 9/2527-7, Tagebucheintrag der Abt. II v. 26.08.1955, S. 20: „Folgende<br />

Sprachregelung ist zu beachten: Der Bundesgrenzschutz bleibt mit Ausnahme des Bundesgrenzschutzes<br />

See für seine spezifischen Aufgaben bestehen. Heimatverteidigung ist<br />

eine rein militärische Angelegenheit und damit Sache des Verteidigungsministeriums“.<br />

Vermerk über die Sitzung des Ausschusses für innere Verwaltung, v. 29.03.1955, S. 1,<br />

in: BArch B 136/1929.<br />

Ebd.<br />

Ebd., S. 2.<br />

BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 8 (1955), S. 319.


260 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

Erst in den Sitzungen des Bundesverteidigungsrates vom 21. Oktober und 4.<br />

November 1955 wurde die Einbeziehung des Bundesgrenzschutzes in Erwägung<br />

gezogen. Strauß erklärte in der Sitzung vom 21. Oktober, dass man überlegen<br />

müsse, „ob es nicht zweckmäßig sei, zunächst auf einige Reserven des Bundesgrenzschutzes<br />

zurückzugreifen“ 1313 . Sein Vorschlag erfuhr grundsätzliche Zustimmung,<br />

wurde jedoch nicht weiter erörtert. In der Sitzung des<br />

Bundesverteidigungsrates vom 4. November wurde ausführlich über den Aufbau<br />

der Bundeswehr diskutiert. Wie bereits am 21. Oktober regte Strauß auch in<br />

dieser Sitzung an, den Bundesgrenzschutz „geschlossen als Kader […] in die<br />

Streitkräfte zu übernehmen“ 1314 . Als Beratungsergebnis wurde festgehalten, dass<br />

zu prüfen sei, in welcher Form die Übernahme des Bundesgrenzschutzes in die<br />

Streitkräfte erfolgen könne.<br />

In der Sondersitzung des Bundeskabinetts vom 11. November 1955 wurden die<br />

Arbeitsergebnisse des Bundesverteidigungsrates konkretisiert. Vizekanzler<br />

Franz Blücher 1315 (FDP) führte aus, dass man in Bezug auf die Aufstellung der<br />

Streitkräfte „so schnell wie möglich zu sichtbaren Ergebnissen“ kommen und<br />

man sich hierzu „des Bundesgrenzschutzes bedienen“ müsse 1316 . Der damalige<br />

Bundesminister für Angelegenheiten des Bundesrates, Hans-Joachim von<br />

Merkatz 1317 (DP), pflichtete Blücher bei und drängte auf einen Beschluss in<br />

Sachen Bundesgrenzschutz. Es habe „aus innen- und außenpolitischen Gründen<br />

schnell etwas zu geschehen“ 1318 . Blank verhielt sich in der Sitzung dennoch<br />

1313<br />

1314<br />

1315<br />

1316<br />

1317<br />

1318<br />

Kurzprotokoll über die erste Sitzung des Bundesverteidigungsrates, v. 21.10.1955, Az.<br />

14433-124/55, S. 8, in: BKAmt, ID 116 964.<br />

Kurzprotokoll über die erste Sitzung des Bundesverteidigungsrates, v. 04.11.1955, Az.<br />

14433-138/55, S. 21, in: BKAmt, ID 116 966.<br />

Franz Blücher (1896-1959), Kaufmann, 1945 Mitglied LDP später FDP, 1946 bis 1947<br />

Finanzminister NRW, 1956 Austritt aus der FDP und Eintritt FVP (ab 1957 DP), 1949<br />

bis 1957 Bundesminister für den Marshallplan bzw. (ab 1953) für wirtschaftliche Zusammenarbeit,<br />

Stellvertreter des Bundeskanzlers, vgl. Vierhaus/Herbst (Hrsg.),<br />

Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949-2002,<br />

Bd. 1, S. 76.<br />

BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 8 (1955), S. 662.<br />

Hans-Joachim von Merkatz (1905-1982), Jurist, 1945 bis 1960 Mitglied der DP, 1949<br />

bis 1969 Mitglied des Bundestages, ab 1960 Mitglied der CDU, 1955 bis 1962 Bundesminister<br />

für Angelegenheiten des Bundesrates bzw. (ab 1957) des Bundesrates und<br />

der Länder, zugleich 1956 bis 1957 Bundesjustizminister und 1960 bis 1961 Bundesminister<br />

für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, vgl. Vierhaus/Herbst (Hrsg.),<br />

Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949-2002, Bd. 1,<br />

S. 555.<br />

BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 8 (1955), S. 662.


§ 7 Zweites Gesetz über den Bundesgrenzschutz 261<br />

relativ reserviert und machte keinen entscheidenden Vorstoß. Dieser kam von<br />

Franz Josef Strauß (CSU), damals noch in seiner Eigenschaft als Bundesminister<br />

für Atomfragen. Strauß sprach sich für die komplette Überführung des<br />

Bundesgrenzschutzes in die Streitkräfte aus 1319 . Strauß kann als die treibende<br />

Kraft in dieser Phase betrachtet werden, die die Initiative ergriff und sich für die<br />

komplette Überführung des Bundesgrenzschutzes, auch gegen den Willen von<br />

Blank, einsetzte 1320 .<br />

In seinen Memoiren erwähnt Strauß, dass er die Entwicklung der Bundeswehr<br />

mit Sorge verfolgt habe und mit dem Vorschlag, den Bundesgrenzschutz geschlossen<br />

zu überführen, ein „erstes Desaster“ bei der Aufstellung der<br />

Bundeswehr verhindert habe 1321 . Im Protokoll des Kabinetts ist festgehalten,<br />

dass nach dem Vorschlag des Bundesministers für Atomfragen Strauß folgender<br />

Beschluss gefasst wurde:<br />

„Der Bundesgrenzschutz wird auf der Grundlage der freiwilligen Entscheidung<br />

der Grenzjäger zur beschleunigten Aufstellung deutscher<br />

Streitkräfte verwendet. Die Bundesregierung wird die zur Durchführung<br />

dieses Beschlusses notwendigen gesetzlichen Maßnahmen dem<br />

Bundestag vorschlagen.“ 1322<br />

Blank musste den Kabinettsbeschluss als Niederlage werten, da er die Übernahmemodalitäten<br />

nun nicht mehr mitgestalten konnte – in Aufzeichnungen aus<br />

dem Verteidigungsministerium ist sogar von einem „Komplott“ gegen Blank die<br />

Rede 1323 . Adenauer löste Blank ein Jahr später, im Oktober 1956, ab, da dieser<br />

1319<br />

1320<br />

1321<br />

1322<br />

1323<br />

Ebd., S. 663.<br />

Strauß warb bereits in der CDU/CSU Fraktionssitzung vom 08.11.1955 um Unterstützung<br />

für die Überführung des Bundesgrenzschutzes. Er erklärte, dass „ein zu langsames<br />

Vorgehen“ in Sachen Bundeswehraufbau „Mißtrauen gegen unsere politische Haltung<br />

erzeugen“ werde, vgl. Sitzungsprotokoll, in: ACDP, 08-001-1007/2, S. 85; Sitzungsprotokolle<br />

ebenso bei: Heidemeyer, Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag,<br />

Sitzungsprotokolle 1953-1957 (Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der<br />

politischen Parteien).<br />

Strauß, Erinnerungen, S. 285; Strauß nennt Blank im Übrigen in diesem Zusammenhang<br />

einen „zivilen Exponent“ gegen den er sich durchsetzen musste, um die „erste<br />

Aufstellungskatastrophe“ zu überbrücken, ebd., S. 286.<br />

BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 8 (1955), S. 664.<br />

BArch-MA BW 9/2527, Tagebucheintrag der Abt. II v. 08.11.1955, Ulrich de Maizière<br />

äußerte demnach: „Im Verteidigungsrat Komplott gegen unseren Minister. Blank überfahren<br />

[…]“.


262 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

sich in seinen Augen „bei dem Bemühen um die Bewältigung der ihm gestellten<br />

Aufgaben“ verzehrte und Adenauer sich so gezwungen sah, an seine Stelle den<br />

„robusteren“ Strauß zu setzen 1324 .<br />

C. Gesetzgebungsverfahren<br />

Der Entwurf vom 30. November 1955 für das zweite Gesetz sah vor, dass der<br />

Bundesgrenzschutz zum Aufbau der Bundeswehr herangezogen werden sollte.<br />

Im Einzelnen wurde festgelegt, dass Kraft Gesetz alle Lebenszeitbeamten Berufssoldaten<br />

und alle Beamten auf Zeit Zeitsoldaten werden sollten 1325 .<br />

Hiergegen sollten die Bundesgrenzschutzangehörigen innerhalb eines Monats<br />

widersprechen können. Weiterhin enthielt der Entwurf den Bundesgrenzschutz<br />

als Ganzes betreffend folgende existenzsichernde Formel:<br />

„Das Gesetz über den Bundesgrenzschutz und die Einrichtung von<br />

Bundesgrenzschutzbehörden vom 16. März 1951 (Bundesgesetzbl. I<br />

S. 201) bleibt unberührt.“ 1326<br />

Neben Unstimmigkeiten über die Übernahmemodalitäten 1327 , war vor allem der<br />

Weiterbestand des Bundesgrenzschutzes ein Streitpunkt. Insgesamt stand die<br />

Opposition, im Unterschied zum ersten Gesetz über den Bundesgrenzschutz,<br />

dem zweiten Gesetz deutlich ablehnender gegenüber. Im ersten Gesetz konnte<br />

die Bundesregierung trotz verhaltenen Widerstandes durch das Land Bayern<br />

eine breite Mehrheit im Bundestag, einschließlich einiger Stimmen der Opposition,<br />

gewinnen. In der parlamentarischen Debatte zum zweiten Gesetz über den<br />

Bundesgrenzschutz wurde deutlich, dass die Opposition der Begründung der<br />

Bundesregierung nicht mehr folgte. Ebenso war der Widerstand einiger Länder<br />

1324<br />

1325<br />

1326<br />

1327<br />

Adenauer, Erinnerungen 1955-1959, S. 246.<br />

Vgl. § 2 Abs. 1 BGSG 1956.<br />

Vgl. § 4 BGSG 1956.<br />

Diese sollen nachfolgend nicht berücksichtigt werden; ein Kernstreitpunkt bei der<br />

Organisation der Übernahme war der sog. Personalgutachterausschuss. Dieser bestimmte<br />

bei höheren Bundesgrenzschutzoffizieren, ob diese für eine Verwendung in der<br />

Bundeswehr geeignet seien, obwohl sich diese bereits jahrelang als Bundesbeamte bewährt<br />

hatten, vgl. hierzu, Meyer, in: MGFA, Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik,<br />

Bd. 3, S. 1089; siehe hierzu auch die kritische „Gutachterliche Stellungnahme zu dem<br />

Entwurf eines 2. Gesetzes über den Bundesgrenzschutz“ des BGV, v. 23.01.1956, in:<br />

BArch B 136/1928, fol. 77-82.


§ 7 Zweites Gesetz über den Bundesgrenzschutz 263<br />

ungleich größer als 1951 beim ersten Bundesgrenzschutzgesetz. Die SPD und<br />

einige Landesregierungen sahen im Prozess um das zweite Gesetz die Chance,<br />

den Bundesgrenzschutz aufzulösen. Die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag<br />

ermöglichten der damaligen Bundesregierung dennoch, ihren Gesetzentwurf<br />

auch gegen Widerstand umzusetzen 1328 .<br />

I. Ausschusssitzung zu allgemeinen Fragen<br />

Bevor die erste Behandlung des Gesetzentwurfes im Bundesrat am 21. Dezember<br />

1955 vorgenommen wurde, befasste sich der Ausschuss für Angelegenheiten<br />

der inneren Verwaltung des Bundestages am 18. November 1955 mit dem<br />

allgemein gehalten Tagesordnungspunkt: „Bericht des Bundesministers des<br />

Inneren über Fragen des Bundesgrenzschutzes“ 1329 . Die Wortprotokolle des<br />

Ausschusses geben sehr detailliert Aufschluss über die Intentionen der Bundesregierung<br />

und die Haltung der anderen Parteien zur weiteren Entwicklung des<br />

Bundesgrenzschutzes, noch bevor eine offizielle Debatte im Bundestag dazu<br />

angesetzt war. Bundesinnenminister Schröder leitete seine Ausführungen mit<br />

einem Hinweis auf den bereits dargestellten Kabinettsbeschluss ein, dass der<br />

Bundesgrenzschutz zum Aufbau der Bundeswehr herangezogen werden solle.<br />

Primär bemerkte er hierzu, dass „vom Standpunkt der inneren Sicherheit oder<br />

vom reinen Ressortstandpunkt […] ein Verzicht auf den Bundesgrenzschutz<br />

außerordentlich problematisch“ sei, sich jedoch der Streitkräfteaufbau „nicht in<br />

dem Rhythmus vollzogen [habe], wie das die früheren Planungen und Erwartungen<br />

zu rechtfertigen schienen“ 1330 . Nach weiterer Darstellung der<br />

angestrebten Einzelheiten kam Schröder schnell auf die mit dem Vorhaben<br />

verknüpften Probleme zu sprechen. Zunächst teilte er mit, dass damit gerechnet<br />

werden müsse, „dass nur ein relativ kleiner Prozentsatz von Beamten beim<br />

Bundesgrenzschutz“ verbleibe und sich hieraus die Frage ergebe, ob der „Aufbau<br />

eines neuen Bundesgrenzschutzes aus diesem Restbestand möglich sein“<br />

werde 1331 . Diese Frage lasse sich nur schwer beantworten – man aber diesbezüglich<br />

„gewisse Zweifel wird haben können und müssen“ 1332 . Trotzdem würde die<br />

1328<br />

1329<br />

1330<br />

1331<br />

1332<br />

Zweites Gesetz über den Bundesgrenzschutz vom 30.05.1956 = BGBl. I 1956, S. 436.<br />

Kurzprotokoll der 49. Sitzung des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung<br />

vom 18.11.1955, in: PA-DBT 4000, II/260.<br />

Ebd., S. 3.<br />

Ebd., S. 6.<br />

Ebd.


264 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

Bundesregierung aber nicht auf den Fortbestand des ersten Bundesgrenzschutzgesetzes<br />

verzichten wollen, „damit auf jeden Fall die rechtliche Grundlage<br />

erhalten bleibt, neue Grenzschutzverbände aufzustellen, wenn und soweit dies<br />

die innere Sicherheit erfordert.“ 1333 . Er stellte daraufhin selbst die rhetorische<br />

Frage, wer die bisherigen Aufgaben des Bundesgrenzschutzes wahrnehmen solle<br />

und ob die restlichen Kräfte des Bundesgrenzschutzes in Verbindung mit der<br />

Landespolizei ausreichen würden um die innere Sicherheit in Notstandsfällen zu<br />

gewährleisten. Hierzu merkte er dann an, dass dies im Einzelnen noch mit den<br />

Ländern besprochen werden müsse.<br />

Den Kernpunkt seiner Ausführungen bildete die Darstellung der Nachwuchssituation<br />

von Bundeswehr, Polizei und Bundesgrenzschutz. Aufgrund der<br />

Überbeschäftigung bestehe die Situation, dass das „Menschenpotential“ und<br />

„Menschenreservoir“ nicht ausreiche, um alle Sicherheitsaufgaben „hundertprozentig<br />

wahrzunehmen“ 1334 . Aus diesem Grund müsse man mit den Kräften<br />

haushalten und könne nicht allein aus dem Aspekt der inneren Sicherheit heraus<br />

die Situation betrachten, sondern „nur unter dem Gesichtspunkt notwendiger<br />

und gegebener Prioritäten, die wir und nicht selbst ausdenken, sondern die sich<br />

aus der Lage unserer Vaterlandes ergeben.“ 1335<br />

Im Anschluss an Schröder äußerte sich Ferdinand Friedensburg 1336 (CDU).<br />

Besonders nennenswert sind Friedensburgs Ausführungen deswegen, weil er als<br />

Parteigenosse sich nicht hinter den Entschluss des Kabinetts stellte, sondern das<br />

Vorhaben der Bundesregierung kritisch betrachtete. Es sei, so Friedensburg,<br />

nicht leicht, nachdem für den polizeilichen Charakter des Bundesgrenzschutzes<br />

gekämpft worden sei, „nunmehr einfach umzuschwenken“ 1337 . Er erkenne die<br />

von Schröder eingebrachten Hinweise auf die notwendige Gesamtbeurteilung<br />

der Lage zwar an, jedoch frage er sich, ob es notwendig sei, den Bundesgrenzschutz<br />

in die Bundeswehr zu überführen, da andere Experten sich vor kurzem<br />

1333<br />

1334<br />

1335<br />

1336<br />

1337<br />

Ebd.<br />

Ebd., S. 7<br />

Ebd.<br />

Ferdinand Friedensburg (1886-1972), Geologe, Hochschullehrer, Mitbegründer der<br />

CDU in Berlin, 1946 bis 1951 stellvertretender Oberbürgermeister von (West-)Berlin,<br />

1952 bis 1965 Mitglied des Bundestages für Berlin, vgl. Vierhaus/Herbst (Hrsg.), Biographisches<br />

Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949-2002, Bd. 2,<br />

S. 226.<br />

Kurzprotokoll der 49. Sitzung des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung<br />

vom 18.11.1955, S. 8, in: PA-DBT 4000, II/260.


§ 7 Zweites Gesetz über den Bundesgrenzschutz 265<br />

noch gegenteilig hierzu geäußert hätten 1338 . In jedem Fall sei er nicht davon<br />

überzeugt, dass der Bundesgrenzschutz überführt werden müsse und im Übrigen<br />

sei die „Begründung des Ministers nicht überzeugend“ 1339 . Friedensburg nannte<br />

den Bundesgrenzschutz ein „schlagkräftiges Instrument“ 1340 , welches er nicht<br />

aus der Hand geben wolle. Er sei zwar nicht in jedem Fall gegen eine Überführung<br />

– aber für ein „Ja“ brauche er eine wesentlich bessere Begründung“ 1341 .<br />

Friedensburg hatte sich bereits in der Fraktionssitzung der CDU/CSU vom 8.<br />

November 1955 kritisch zur Überführung geäußert. Er führte in dieser Sitzung<br />

aus, dass man immer betont habe, dass der Bundesgrenzschutz keine militärische<br />

Organisation sei und man nun durch die Heranziehung zum<br />

Bundeswehraufbau „der Unwahrheit überführt“ werde 1342 .<br />

Für die SPD ergriffen verschiedene Abgeordnete das Wort. Karl Meitmann 1343<br />

erklärte, dass seine Fraktion seit „jeher gegen einen Sog zum militärischen<br />

Sektor“ gewesen sei und bat, den „Versuch zu unternehmen, den Kabinettsbeschluss<br />

zu überprüfen“ 1344 . Ebenso hätte Schröder, seiner Auffassung zufolge,<br />

auf seinem „ursprünglichen Standpunkt der Beibehaltung und des Ausbaus des<br />

Bundesgrenzschutzes“ beharren müssen. Ähnlich wie Meitmann äußerte sich<br />

auch Walter Menzel. Menzel, der schon Mitglied des Parlamentarischen Rates<br />

war und sich intensiv mit den Polizeikompetenzen des Bundes beschäftigt hatte,<br />

warf bereits im Jahr 1954 einen detaillierteren Blick auf den Bundesgrenzschutz<br />

und dessen zukünftige Verwendung. In einem Aufsatz mit dem Titel „Bundesgrenzschutz<br />

oder Kaderarmee?“ 1345 vom 3. Dezember 1954 hinterfragte er scharf<br />

den Einsatz des Bundesgrenzschutzes. So habe sich gezeigt, dass sich der Bun-<br />

1338<br />

1339<br />

1340<br />

1341<br />

1342<br />

1343<br />

1344<br />

1345<br />

Vgl. hierzu die ablehnende Haltung im Amt Blank gegen eine Übernahme des Bundesgrenzschutzes,<br />

S. 256.<br />

Kurzprotokoll der 49. Sitzung des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung<br />

vom 18.11.1955, S. 8, in: PA-DBT 4000, II/260.<br />

Ebd.<br />

Ebd.<br />

Protokoll der CDU/CSU Fraktionssitzung vom 08.11.1955, in: ACDP, 08-001-1007/2,<br />

S. 85.<br />

Karl Meitmann (1891-1971), Mitglied der SPD, 1946 bis 1949 Mitglied der Hamburger<br />

Bürgerschaft, 1949 bis 1961 Mitglied des Bundestages, vgl. Vierhaus/Herbst (Hrsg.),<br />

Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949-2002, Bd. 1,<br />

S. 550.<br />

Kurzprotokoll der 49. Sitzung des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung<br />

vom 18.11.1955, S. 14, in: PA-DBT 4000, II/260.<br />

Menzel, SP 1954, P/IX/274 v. 03.12.1954.


266 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

desgrenzschutz „von seinen eigentlichen, den Polizeiaufgaben, entfernt hat“ und<br />

Anzeichen für einen „rein militärischen Charakter“ vorlägen 1346 .<br />

Demzufolge führte Menzel an, dass „die Opposition immer vor einer Entwicklung<br />

zum Militärischen gewarnt“ habe, und dass im Bundessicherheitsrat 1347<br />

Erklärungen der Bundesregierung zur Nichtübernahme des Bundesgrenzschutzes<br />

in Streitkräfte vorgelegen hatten 1348 . Friedrich Maier warf die Frage auf, wie<br />

das „Vakuum ausgefüllt“ werden solle, wenn der Bundesgrenzschutz überführt<br />

würde. Hermann Schmitt 1349 schloss sich den Ausführungen des CDU-<br />

Abgeordneten Friedensburg an und erklärte, dass auch er die Begründung der<br />

Bundesregierung als „nicht überzeugend“ ansehe 1350 .<br />

Trotz der vielen Hinweise auf die dürftige Begründung der Überführung des<br />

Bundesgrenzschutzes, auch aus den Reihen der Regierungsfraktion, können der<br />

offiziellen Begründung des Gesetzentwurf vom 30. November 1955 keine<br />

weitergehenden Argumente entnommen werden, als sie nicht bereits von<br />

Schröder im Ausschuss erläutert wurden.<br />

II. Begründung des Gesetzentwurfs<br />

Die Begründung des Entwurfes zum Zweiten Gesetz vom November 1955 ist<br />

wie beim ersten Bundesgrenzschutzgesetz knapp gehalten. Bezeichnender Weise<br />

ist hier das erste Mal erwähnt, dass es sich beim Bundesgrenzschutz um eine<br />

„Sonderpolizei des Bundes“ handelt. Hieran anknüpfend wird erwähnt, dass<br />

diese „die truppenmäßig einzige Formation des Bundes“ sei und ihre „Kenntnis-<br />

1346<br />

1347<br />

1348<br />

1349<br />

1350<br />

Ebd., S. 1.<br />

Der Bundessicherheitsrat ist ein Ausschuss des Bundeskabinetts. Der Bundeskanzler<br />

leitet die geheimen Sitzungen des Bundessicherheitsrates, in welchen die Sicherheitsund<br />

Verteidigungspolitik der Bundesregierung geleitet, sowie über Fragen der Rüstungsexporte<br />

entschieden wird, vgl. Dittrich/Hommel, Staatsrecht, 5. Aufl., S. 127.<br />

Kurzprotokoll der 49. Sitzung des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung<br />

vom 18.11.1955, S. 14, in: PA-DBT 4000, II/260.<br />

Hermann Schmitt-Vockenhausen (1923-1979), Jurist, Mitglied der SPD, 1953 bis 1979<br />

Mitglied des Bundestages, vgl. Vierhaus/Herbst (Hrsg.), Biographisches Handbuch der<br />

Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949-2002, Bd. 2, S. 765.<br />

Ebd., S. 13.


§ 7 Zweites Gesetz über den Bundesgrenzschutz 267<br />

se und Erfahrungen“ beim Aufbau der Streitkräfte verwendet werden sollen 1351 .<br />

Es werden anschließend zwei Kernaussagen getätigt, welche die Heranziehung<br />

des Bundesgrenzschutzes zum Aufbau der Bundeswehr begründen sollen.<br />

Erstens habe der beschleunigte Aufbau der Streitkräfte „Vorrang vor den derzeitigen<br />

Aufgaben des Bundesgrenzschutzes“ und zweitens entspreche die<br />

Heranziehung zum Aufbau der Bundeswehr den „Wünschen eines großen Teils<br />

der Beamten“ 1352 .<br />

Die Aussage, dass der Bundeswehraufbau „Vorrang vor den derzeitigen Aufgaben<br />

des Bundesgrenzschutzes habe“, kann gegenüber der bisherigen<br />

Argumentation der Bundesregierung im Rahmen der Errichtung und Aufstockung<br />

des Bundesgrenzschutzes kritisch gesehen werden. Bei der Aufstellung<br />

des Bundesgrenzschutzes mahnte Lehr die Dringlichkeit mit dem Hinweis auf<br />

„bestimmte Vorgänge an der Ostgrenze“ 1353 an. Bei der Aufstockung erklärte er,<br />

dass an der Grenze eine „echte polizeiliche Gefahr“ bestehe, welche „sich seit<br />

der Verabschiedung des Bundesgrenzschutzgesetzes um ein Vielfaches gesteigert“<br />

1354 habe und man der „notleidenden Bevölkerung“ 1355 nicht den Schutz<br />

versagen dürfe, sondern den Bundesgrenzschutz um 10.000 Mann erhöhen<br />

müsse. Insofern stellt sich die Frage, wie eine Reduzierung der grenzpolizeilichen<br />

Tätigkeit des Bundesgrenzschutzes aufgrund des Bundeswehraufbaus mit<br />

der von Lehr geschilderten grenzpolizeilichen Not in Einklang zu bringen<br />

war 1356 . Im Laufe der Debatten im Bundestag und Bundesrat vertraten die Vertreter<br />

der Bundesregierung hierzu eine Argumentationslinie, die im<br />

Nachfolgenden als Prioritätstheorie bezeichnet wird.<br />

Die Argumentation, dass eine Überführung den „Wünschen der Beamten“<br />

entsprechen würde, ist nachvollziehbar, da die Bundeswehr aufgrund ihrer<br />

Größe einen wesentlich attraktiveren Stellenkegel als der Bundesgrenzschutz<br />

hatte. Jedoch erscheint es wenig überzeugend, die Zukunft einer Behörde von<br />

1351<br />

1352<br />

1353<br />

1354<br />

1355<br />

1356<br />

Begründung des Entwurfes zum zweiten Gesetz über den Bundesgrenzschutz, S. 1, in:<br />

PA-DBT 4000, II/260.<br />

Ebd.<br />

BT-Prot. vom 15.02.1951, 118. Sitzung, S. 4512A.<br />

BT-Prot. vom 04.02.1953, 249. Sitzung, S. 11903B.<br />

Ebd., S. 11901D.<br />

„Die politischen Verhältnisse an der Sowjetzonengrenze […] erfordern heute dringender<br />

denn je, dass der Bundesgrenzschutz, ein polizeiliches Instrument zum<br />

unmittelbaren eigenen Einsatz, zur Verfügung steht.“, vgl. BT-Prot. vom 03.02.1956,<br />

127. Sitzung, S. 6647D.


268 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

den Wünschen ihrer Angehörigen abhängig zu machen, obwohl nach Argumentation<br />

der Bundesregierung ein dringendes Bedürfnis nach grenzpolizeilichem<br />

Schutz bestanden hatte.<br />

Der Entwurf des zweiten Bundesgrenzschutzgesetzes lässt in § 4 den rechtlichen<br />

Gehalt des ersten Gesetzes unberührt. In der Begründung findet sich hierzu<br />

folgende Erklärung:<br />

„Somit bleiben die Bundesgrenzschutzbehörden mit der Gesamtheit<br />

ihrer Aufgaben bestehen. Die künftige Durchführung dieser Aufgaben<br />

muss der tatsächlichen Entwicklung vorbehalten bleiben, die sich erst<br />

nach Inkrafttreten dieses Gesetzes überblicken lässt“ 1357<br />

Diese Begründung scheint ebenso schwer in Einklang mit der Betonung der<br />

Notwenigkeit und Dringlichkeit des grenzpolizeilichen Schutzes zu bringen zu<br />

sein, genau wie die Ausführungen, dass der Bundeswehraufbau Vorrang vor den<br />

derzeitigen Aufgaben des Bundesgrenzschutzes habe. Losgelöst von dieser<br />

Betrachtung ergibt die Begründung allerdings Sinn. Es muss insbesondere<br />

beachtet werden, dass die damalige Bundesregierung davon ausging, dass ein<br />

Großteil der Bundesgrenzschutzbeamten zur Bundeswehr überwechseln würde<br />

1358 . Insofern die Masse der Beamten tatsächlich in die Bundeswehr gewechselt<br />

hätte, wäre in der Tat eine Situation eingetreten, die sich vorher nicht<br />

hätte überblicken lassen. Bei einem Wechsel des Großteils der Bundesgrenzschutzbeamten<br />

zur Bundeswehr wäre die Behörde Bundesgrenzschutz zu einem<br />

hüllenlosen Körper ohne namhafte Vollzugskräfte zusammengeschrumpft. Von<br />

daher erscheint die Erklärung in der Begründung des Gesetzentwurfes, dass die<br />

„künftige Durchführung“ von der Lage nach Inkrafttreten des Gesetzes abhänge,<br />

einleuchtend.<br />

Wäre der Bundesgrenzschutz aufgrund der Massenübertritte derart ausgeblutet<br />

gewesen, hätte § 4 des zweiten Gesetzes ermöglicht, dass Bundesgrenzschutzbehörden<br />

eingerichtet hätten werden können, die keinen eigenen Vollzugskörper<br />

1357<br />

1358<br />

Begründung des Entwurfes zum zweiten Gesetz über den Bundesgrenzschutz, S. 5, in:<br />

PA-DBT 4000, II/260.<br />

Schätzungen aus dem Jahr 1954 zufolge wollten 70 Prozent der Beamten zur Bundeswehr<br />

wechseln, vgl. o.V., „Der Zug zur Armee“, S. 12, Der Spiegel 49/54 vom<br />

01.12.1954.


§ 7 Zweites Gesetz über den Bundesgrenzschutz 269<br />

gehabt hätten, sondern lediglich koordinierende Aufgaben wahrnehmen würden,<br />

wie es beispielsweise der bayerische Vertreter im Bundesrat im Rahmen der<br />

Debatte um das erste Gesetz 1951 gefordert hatte 1359 . In einem derartigen Fall,<br />

hätten allerdings die Länderpolizeien und die Zollverwaltung den grenzpolizeilichen<br />

Schutz des Bundesgebietes wieder übernehmen müssen – es wäre an den<br />

Außengrenzen wieder der Status quo von 1950 eingetreten, bevor der Bundesgrenzschutz<br />

aufgestellt worden war. Zusammengefasst ermöglichte § 4 des<br />

Entwurfes der Bundesregierung, flexibel auf die weitere Durchführung der<br />

Aufgaben des Bundesgrenzschutzes zu reagieren.<br />

III. Erste Verhandlung im Bundesrat<br />

Die ersten Beratungen zum Gesetzentwurf im Bundesrat am 21. Dezember 1955<br />

zeigten, dass der Fortbestand des Bundesgrenzschutzes nicht als selbstverständlich<br />

angenommen wurde. In den der Bundesratssitzung vorausgehenden<br />

Ausschüssen, wurde „lebhaft erörtert“, ob ein Weiterbestehen überhaupt notwendig<br />

sei 1360 . Besonders das Land Hessen begehrte durch Antrag die Änderung<br />

des Entwurfes dahingehend, dass § 4 des Gesetzes die Auflösung des Bundesgrenzschutzes<br />

normieren sollte 1361 .<br />

Die hessische Regierung zweifelte an der Fähigkeit des Bundes, den Bundesgrenzschutz<br />

nach Abgabe des Personals wieder rechtzeitig und effektiv<br />

aufzufüllen. Die Aufgaben der Grenzpolizei könnten dem hessischen Antrag<br />

zufolge auch die Länder übernehmen 1362 . Die von Lehr hier bereits mehrfach<br />

zitierte Herausstellung der grenzpolizeilichen Notwendigkeit als Begründung für<br />

die Errichtung des Bundesgrenzschutzes, wurde vom damaligen hessischen<br />

Innenministers Heinrich Schneider 1363 (SPD) in der Bundesratssitzung angegriffen.<br />

Schneider erläuterte den hessischen Antrag zur Auflösung des<br />

Bundesgrenzschutzes und führte aus, dass zumindest in Hessen die Aufgaben<br />

gemäß § 2 BGSG 1951 von der Landespolizei wahrgenommen worden seien<br />

1359<br />

1360<br />

1361<br />

1362<br />

1363<br />

Schwalber (CSU) in, BR-Prot. vom 15.12.1950, 43. Sitzung, S. 829B.<br />

BR-Prot. vom 21.12.1955, 151. Sitzung, S. 381D.<br />

Antrag des Landes Hessen zu § 4 BGSG vom 21.12.1955 = BR-Drs. 392/2/55.<br />

Ebd., S. 2.<br />

Heinrich Schneider (1905-1980), Mitglied der SPD, 1946 bis 1971 Mitglied des Hessischen<br />

Landtages, 1955 bis 1969 hessischer Innenminister, vgl. DzD, Sonderedition<br />

„Besondere Bemühungen“, Bd. 1, S. 735.


270 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

und keine Aufgaben „angefallen sind“, die über die Landespolizeizuständigkeit<br />

herausgegangen wären 1364 . Abgesehen von den Zweifeln an der grenzpolizeilichen<br />

Notwendigkeit, führte Schneider ein nicht unerhebliches Argument<br />

bezüglich der Nachwuchsgewinnung an. Die Bundeswehr würde im Nachwuchsbereich<br />

ohnehin viele Bewerber, auch aufgrund des attraktiven Stellenkegels,<br />

den Landespolizeien wegnehmen, sodass, insofern der Bundesgrenzschutz<br />

fortbestünde, drei verschiedene Behörden um Nachwuchs konkurrieren<br />

würden.<br />

Der Bremer Innensenator Adolf Ehlers 1365 (SPD) erhob neben Schneider als<br />

einziger noch Bedenken gegen den Gesetzentwurf. Er appellierte vor allem an<br />

die Versprechen der Bundesregierung von 1951, mit dem Bundesgrenzschutz<br />

keinen Kader für eine Wehrmacht geschaffen zu haben und fragte, wie es nun<br />

„zu dieser Wendung um 180 Grad“ gekommen sei 1366 . Die hessischen Standpunkte<br />

und die Mahnungen des Bremer Vertreters konnten jedoch die anderen<br />

Ländergesandten nicht überzeugen. Der damalige niedersächsische Ministerpräsident<br />

Heinrich Hellwege 1367 (DP) führte aus, dass sich seines Erachtens „nichts<br />

ereignet habe, was einen Wegfall oder eine Verringerung der damals dem Bundesgrenzschutz<br />

zugewiesenen Aufgaben rechtfertigen“ könne 1368 . Weiterhin<br />

wies er darauf hin, dass Niedersachsen aus finanziellen und polizeiorganisatori-<br />

1364<br />

1365<br />

1366<br />

1367<br />

1368<br />

BR-Prot. vom 21.12.1955, 151. Sitzung, S. 382B; Schneider relativierte in dieser<br />

Sitzung sogar den so oft von der Bundesregierung zitierten Einsatz des Bundesgrenzschutz<br />

1950 anlässlich des FDJ-Pfingsttreffens in Berlin – der Bundesgrenzschutz habe<br />

hier nur „Hilfe geleistet“.<br />

Adolf Ehlers (1898-1978), seit 1946 Mitglied der SPD, Mitglied des Parlamentarischen<br />

Rates, 1948 bis 1963 Bremer Innensenator, ab 1949 Vertreter Bremens im Bundesrat,<br />

vgl. Feldkamp, Der Parlamentarische Rat 1948-1949, Göttingen 1998, S. 187.<br />

BR-Prot. vom 21.12.1955, 151. Sitzung, S. 384D.<br />

Heinrich Hellwege (1908-1991), 1947 bis 1961 Mitglied der DP, 1961 bis 1979 Mitglied<br />

der CDU, 1949 bis 1955 Mitglied des Bundestages, 1949 bis 1955 Bundesminister<br />

für Angelegenheiten des Bundesrates, 1955-1959 Ministerpräsident Niedersachsen, vgl.<br />

Vierhaus/Herbst (Hrsg.), Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages<br />

1949-2002, Bd. 1, S. 325.<br />

BR-Prot. vom 21.12.1955, 151. Sitzung, S. 383D.


§ 7 Zweites Gesetz über den Bundesgrenzschutz 271<br />

schen 1369 Gründen den Wegfall des Bundesgrenzschutzes nicht kompensieren<br />

könne 1370 .<br />

Der eingebrachte hessische Antrag mit dem Ziel der Auflösung des Bundesgrenzschutzes<br />

scheiterte in der Schlussabstimmung. Es wurden, abgesehen vom<br />

Fehlen einer Wehrverfassung, keine Einwendungen gegen den Fortbestand des<br />

Bundesgrenzschutzes erhoben 1371 .<br />

In der ersten Lesung des Bundesrates wurde sichtbar, dass nicht unerheblicher<br />

Widerstand von Teilen der Opposition gegen den Fortbestand des Bundesgrenzschutzes<br />

weiter zu erwarten war. Ebenso äußerten sich vereinzelt Abgeordnete<br />

der Regierungsparteien in vorausgehenden Ausschusssitzungen kritisch zu<br />

Teilaspekten des Gesetzentwurfes 1372 . Schröder sah sich aus diesen Gründen<br />

veranlasst, Adenauer in einem persönlichen Brief um „nachdrückliche Unterstützung“<br />

zu bitten 1373 . Er bekräftigte, dass die „Bedeutung des Bundesgrenzschutzes<br />

für die Sicherheit der Bundesrepublik […] kaum hoch genug<br />

eingeschätzt werden“ könne 1374 . Abschließend bat er Adenauer, dass dieser<br />

seinen „Einfluss auf die CDU/CSU Fraktion geltend machen“ solle, um der<br />

Gesetzesvorlage zum Erfolg zu verhelfen 1375 . Inwieweit Adenauer tatsächlich<br />

innerhalb der CDU/CSU Fraktion um Unterstützung für den Gesetzentwurf<br />

warb oder möglicherweise sogar Einfluss nahm, geht aus den Akten nicht hervor.<br />

In diesem Zusammenhang sei vorweggenommen lediglich angemerkt, dass<br />

gemäß dem Sitzungsprotokoll des Bundestages die Mehrheit der Abgeordneten<br />

für die Annahme des Gesetzentwurfes votierte 1376 .<br />

1369<br />

1370<br />

1371<br />

1372<br />

1373<br />

1374<br />

1375<br />

1376<br />

In diesem Zusammenhang führte er aus, dass bei Wegfall des Bundesgrenzschutzes die<br />

Bereitschaftspolizei verstärkt werden müsse. Dies allerdings würde zu einer „Überalterung<br />

der Bereitschaftspolizei führen, oder eine Organisation notwendig machen, die nur<br />

einem Teil der Bereitschaftspolizisten den Übergang in den polizeilichen Einzeldienst“<br />

ermögliche, Ebd., S. 384B.<br />

BR-Prot. vom 21.12.1955, 151. Sitzung, S. 384A.<br />

Ebd. S. 385D.<br />

Siehe S. 265.<br />

Schreiben Schröder an Adenauer, v. 23.01.1956, in: BArch B 136/1929, fol. 83.<br />

Ebd.<br />

Ebd., fol. 84.<br />

BT-Prot. vom 09.05.1956, 145. Sitzung, S. 7661B.


272 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

IV. Erste Beratung im Bundestag<br />

Der Bundestag befasste sich erstmals am 3. Februar 1956 mit dem Gesetzentwurf.<br />

Lehrs Nachfolger Gerhard Schröder (CDU) verteidigte das Vorhaben der<br />

Bundesregierung, den Bundesgrenzschutz in die Bundeswehr zu überführen und<br />

trotzdem gleichzeitig den Fortbestand des Bundesgrenzschutzes als solchen zu<br />

sichern. Konkret erklärte er, den Bundesgrenzschutz zum Zweck des Streitkräfteaufbaus<br />

von seinen „polizeilichen Aufgaben zu entbinden“ 1377 . Der Bundesgrenzschutz<br />

sei aufgrund seiner truppenmäßigen Organisation für den Streitkräfteaufbau<br />

„besonders geeignet“ 1378 . Im Zusammenhang mit § 4 des Entwurfes<br />

erwähnte er, dass der Bund aufgrund der Verhältnisse an der Ostgrenze „heute<br />

dringender denn je […] ein polizeiliches Instrument“ 1379 benötige und der Bundesgrenzschutz<br />

schnell wieder aufgefüllt werden müsse. Für die Opposition<br />

sprach Fritz Eschmann 1380 (SPD). Der Sicherheitsexperte Eschmann war zwar<br />

ehemaliger Polizist und Reichswehroffizier, billigte aber dennoch im Frühjahr<br />

1955 den Beschluss der SPD-Parteispitze, nicht mit Adenauer gemeinsam den<br />

Aufbau der Bundeswehr als Angelegenheit aller politischen Kräfte zu gestalten<br />

1381 . Eschmann mahnte in seiner Rede zunächst an, dass in der Vergangenheit<br />

von der Bundesregierung versichert worden sei, dass es sich bei „dem Grenzschutz<br />

keinesfalls um vorausgeplantes Militär handele“ 1382 und er die<br />

Heranziehung insgesamt als überhastet empfinde.<br />

Weiterhin sah Eschmann in der Überführung der Grenzschützer Kraft Gesetz ein<br />

„Druckmittel“ gegenüber den jungen Beamten und erinnerte an die Überführung<br />

der kasernierten Landespolizei in die Wehrmacht 1936 1383 . Im Zuge der nationalsozialistischen<br />

Aufrüstung wurde 1935 Kraft Gesetz die Eingliederung der<br />

kasernierten Polizeieinheiten in die Wehrmacht festgelegt 1384 . Eschmann trat<br />

selbst in die Wehrmacht über und schilderte, was den Polizeiangehörigen da-<br />

1377<br />

1378<br />

1379<br />

1380<br />

1381<br />

1382<br />

1383<br />

1384<br />

BT-Prot. vom 03.02.1956, 127. Sitzung, S. 6646C.<br />

Ebd.<br />

BT-Prot. vom 03.02.1956, 127. Sitzung, S. 6647D.<br />

Fritz Eschmann (1909-1997), Mitglied der SPD, 1953 bis 1969 Mitglied des Bundestages,<br />

vgl. Vierhaus/Herbst (Hrsg.), Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen<br />

Bundestages 1949-2002, Bd. 1, S. 191.<br />

Kilian, Politik und Militär, S. 313.<br />

BT-Prot. vom 03.02.1956, 127. Sitzung, S. 6648B.<br />

Ebd., S. 6649A.<br />

Gesetz über die Eingliederung der Landespolizei in die Wehrmacht vom 3. Juli 1935,<br />

RGBl. I 1935, S. 851.


§ 7 Zweites Gesetz über den Bundesgrenzschutz 273<br />

mals erklärt wurde: „Sie können zwar Polizist bleiben, aber dann müssen Sie<br />

eine Versetzung nach Hamburg, Bremen oder anderswohin in Kauf nehmen;<br />

sonst geht es ab zur Wehrmacht.“ 1385 Eschmanns Vergleich berücksichtigte<br />

jedoch nicht, dass gemäß der Widerspruchsklausel in § 3 Abs. 3 Nr. 1 des Entwurfes<br />

die Bundesgrenzschutzbeamten die Garantie hatten, bei persönlicher<br />

Ablehnung der Überführung in die Bundeswehr Beamte zu bleiben. Als Vorschlag<br />

unterbreitete Eschmann, dass die Beamten nur aufgrund „freiwilliger<br />

Bewerbung“ übernommen werden sollten. Abschließend führte er an, insofern<br />

die Überführung des Bundesgrenzschutzes in die Bundeswehr dennoch beschlossen<br />

würde, solle man nach Auffassung der SPD den Bundesgrenzschutz<br />

auflösen, da eine Wiederauffüllung aufgrund der Bewerberlage aussichtslos<br />

erscheine. Die Aufgabe des Grenzschutzes solle man folglich auf die Länder<br />

übertragen 1386 .<br />

Der Vertreter des Koalitionspartners, Erich Mende 1387 (FDP), wagte eine etwas<br />

detailliertere Begründung zum Gesetzentwurf als der Bundesinnenminister und<br />

erklärte, dass die Aufgaben des Grenzschutzes nicht hinfällig geworden seien,<br />

aber dass man glaube, sich in einer „gewissen Übergangszeit eine Schwächung<br />

des Grenzschutzes leisten zu können“ 1388 . Beachtenswert sind seine Ausführungen<br />

über den Grund der Überführung. Mende merkte an, dass die Aufstellung<br />

der Bundeswehr wesentlich schlechter voranging als vorher angenommen.<br />

Mende hatte die Problematik an dieser Stelle auf den Punkt getroffen, denn „am<br />

Beginn der Planung und Aufstellung der Bundeswehr [standen] außen- und<br />

bündnispolitische Ziele […], die sich aus innen- und parteipolitischen Gründen<br />

nicht verwirklichen ließen“ 1389 . Somit sei „selbst das Ausland“ überrascht, dass<br />

nicht die erhofften praktischen Fortschritte zu verzeichnen seien und es müssten<br />

in diesem Zusammenhang „Missdeutungen politischer Art“ im Ausland vermieden<br />

werden 1390 . Direkt anschließend konstatierte er: „Hier liegt der politische<br />

Grund für die Übernahme der Bundesgrenzschutzformationen in die Wehr-<br />

1385<br />

1386<br />

1387<br />

1388<br />

1389<br />

1390<br />

BT-Prot. vom 03.02.1956, 127. Sitzung, S. 6648B.<br />

Ebd., S. 6650C.<br />

Erich Mende (1916-1998), Jurist, 1945 bis 1970 Mitglied der FDP, 1970 Mitglied der<br />

CDU, 1949 bis 1980 Mitglied des Bundestages, 1963 bis 1966 Bundesminister für gesamtdeutsche<br />

Fragen, vgl. Vierhaus/Herbst (Hrsg.), Biographisches Handbuch der<br />

Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949-2002, Bd. 1, S. 551.<br />

BT-Prot. vom 03.02.1956, 127. Sitzung,, S. 6651D.<br />

Greiner, in: MGFA, Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik, Bd. 3, S. 823.<br />

BT-Prot. vom 03.02.1956, 127. Sitzung, S. 6652A.


274 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

macht.“ 1391 . Gegen Ende der Debatte ergriff Schröder erneut das Wort und<br />

knüpfte inhaltlich an die Ausführungen Mendes an:<br />

„Es gibt gewisse Prioritäten, es gibt gewisse nationale Prioritäten, es<br />

gibt gewisse Prioritäten, denen sich der Patriot unter keinen Umständen<br />

entziehen wird. Eine solche nationale Priorität war hier gegeben<br />

[…]“. 1392<br />

Diese von Schröder als Prioritätstheorie bezeichnete Erklärung ist die Kernbegründung<br />

der Heranziehung des Bundesgrenzschutzes zum Bundeswehraufbau.<br />

Der Gesetzentwurf wurde nach der ersten Debatte an den Ausschuss für Angelegenheiten<br />

der inneren Verwaltung als federführenden Ausschuss und an den<br />

Ausschuss für Verteidigung zur Mitberatung überwiesen.<br />

V. Ausschusssitzung zum Bundesgrenzschutzgesetz<br />

Der Ausschuss für Angelegenheiten der inneren Verwaltung beriet am 11. April<br />

1956 über den eingebrachten Gesetzentwurf. Ähnlich wie bei der ersten Sitzung<br />

des Bundesrates, waren im Ausschuss Bestrebungen zur Auflösung des Bundesgrenzschutzes<br />

erkennbar. Zunächst erläuterte jedoch stellvertretend für die<br />

Bundesregierung Staatssekretär Ritter von Lex die Argumente für die Heranziehung<br />

des Bundesgrenzschutzes zum Bundeswehraufbau. Im Ergebnis führte er<br />

keine neuen Argumente an, sondern bestätigte die bereits von Schröder im<br />

Bundestag getätigten Aussagen.<br />

Er erklärte, dass die Bundesgrenzschutzverbände „sehr brauchbare Kader“ für<br />

die Bundeswehr seien, und dass der „größte Teil des Bundesgrenzschutzes“<br />

ohnehin zur Bundeswehr übertreten wolle 1393 . Gleichzeitig wolle die Bundesregierung<br />

den Bundesgrenzschutz schnell wieder auffüllen und hoffe, dass<br />

mindestens 20 Prozent der Grenzschützer die Überführung ablehnen würden.<br />

1391<br />

1392<br />

1393<br />

Ebd.<br />

Ebd., S. 6656B.<br />

Kurzprotokoll Nr. 72 der Sitzung des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren<br />

Verwaltung vom 11.04.1956, S. 2. in: PA-DBT 4000, II/260.


§ 7 Zweites Gesetz über den Bundesgrenzschutz 275<br />

Für die bayerische Seite erklärte der Bevollmächtigte Claus Leusser 1394 , dass der<br />

Bundesgrenzschutz aufgelöst und die grenzpolizeilichen Aufgaben zukünftig<br />

durch die Landespolizei wahrgenommen werden sollten 1395 . Der Bund könne<br />

sich im Notstandsfall gemäß Art. 91 GG der Länderpolizeien bedienen und im<br />

Übrigen sei der militärische Schutz des Bundesgebietes von nun an Sache der<br />

Bundeswehr. Unterstützung erhielt Leusser auch aus den Reihen der SPD.<br />

Hermann Schmitt (SPD) pflichtete ihm bei und erklärte, dass es „ohne Schwierigkeiten“<br />

möglich sei, die grenzpolizeilichen Aufgaben durch die Länder<br />

wahrnehmen zu lassen. Anton Diel 1396 (SPD) äußerte sich in ähnlicher Weise<br />

und erwähnte, dass sich die Tatsachen seit Aufstellung der Bundeswehr geändert<br />

hätten und „eine neue Situation geschaffen“ worden sei, welche den Bundesgrenzschutz<br />

entbehrlich mache 1397 . Schmitt brachte einen Antrag ein, der zum<br />

Gegenstand hatte, § 4 des Gesetzentwurfs dahingehend zu ändern, dass der<br />

Bundesgrenzschutz aufgelöst werden sollte. Sehr knapp, aber dennoch mit<br />

sieben zu sechs Stimmen, wurde der Änderungsantrag im Ausschuss abgelehnt<br />

1398 . Dies war jedoch nicht die letzte Anstrengung der Opposition, den<br />

Bundesgrenzschutz im Rahmen des laufenden Gesetzgebungsverfahrens aufzulösen.<br />

VI. Abschließende Behandlung in Bundestag und Bundesrat<br />

Die abschließende Lesung im Bundestag zum Gesetzentwurf fand am 9. Mai<br />

1956 statt. In dieser Sitzung brachte die SPD einen Antrag ein, nach welchem<br />

der Bundesgrenzschutz aufgelöst werden und die grenzpolizeilichen Aufgaben<br />

auf die Ländern übertragen werden sollten 1399 . Die SPD-Bundestagsfraktion<br />

hatte ihren Antrag damit begründet, dass, insofern gegen ihren Willen die Über-<br />

1394<br />

1395<br />

1396<br />

1397<br />

1398<br />

1399<br />

Claus Leusser (1909-1966), Jurist, 1948 Teilnahme am Verfassungskonvent Herrenchiemsee,<br />

1952 bis 1963 Bevollmächtigter Bayerns beim Bund im Range eines<br />

Ministerialdirigenten, vgl. BADW, Kabinett Ehard II, Bd. 3, S. XX.<br />

Kurzprotokoll Nr. 72 der Sitzung des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren<br />

Verwaltung vom 11.04.1956, S. 5. in: PA-DBT 4000, II/260.<br />

Anton Diel (1898-1959), Mitglied der SPD, 1949 bis 1959 Mitglied des Bundestages,<br />

vgl. Vierhaus/Herbst (Hrsg.), Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen<br />

Bundestages 1949-2002, Bd. 1, S. 145.<br />

Kurzprotokoll Nr. 72 der Sitzung des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren<br />

Verwaltung vom 11.04.1956, S. 6. in: PA-DBT 4000, II/260.<br />

Ebd.<br />

BT-Umdruck II/602.


276 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

führung des Bundesgrenzschutzes erfolge, der Bundesgrenzschutz aufgelöst<br />

werden müsse 1400 . Weiterhin sei es für den deutschen Steuerzahler unannehmbar,<br />

die Kosten für den Bundesgrenzschutz zu tragen, wenn schon die<br />

Bundeswehr, die Länder- und Kommunalpolizeien finanziert werden müssten<br />

1401 . Unterstützung erhielt die SPD von Hans Egon Engell 1402 (GB/BHE), der<br />

nüchtern erklärte, dass man sich in einer „schnelllebigen Zeit“ befände, die<br />

ständige Veränderung mit sich brächte und hier kein Platz mehr für einen neuen<br />

Bundesgrenzschutz wäre, der ohnehin nicht mehr wiedererrichtet werden könne<br />

1403 . Im Hinblick auf die bereits bei der Begründung zum Gesetzentwurf<br />

angesprochene Problematik, inwiefern die dargestellte grenzpolizeiliche Notwendigkeit<br />

mit der Überführung in Einklang zu bringen sei, bemerkte Wilhelm<br />

Mellies 1404 (SPD), dass es, wenn der Grenzschutz als so wichtig angesehen<br />

werde, „unverantwortlich“ sei, den Bundesgrenzschutz durch Überführung in<br />

die Bundeswehr „zu beseitigen“ 1405 .<br />

Von den Bestrebungen, den Bundesgrenzschutz aufzulösen, zeigte sich Schröder<br />

„erschüttert“ 1406 . Er könne nicht nachvollziehen, wie „mit leichter Hand“ ein<br />

wesentliches Sicherheitsinstrument „kurzerhand zerstört“ werden solle und<br />

betonte erneut die Notwendigkeit des Fortbestandes des Bundesgrenzschutzes<br />

mit dem Hinweis auf die Sowjetzone 1407 . Erich Mende (FDP) pflichtete dem<br />

Bundesinnenminister bei und führte einige Argumente für den Fortbestand des<br />

Bundesgrenzschutzes aus. So sei es „nicht gut“, den ohnehin „nicht sehr starken<br />

Bund zugunsten der Länder noch weiter zu schwächen“ und vom Standpunkt<br />

der „innerstaatlichen Ordnung“ könne es nur wünschenswert sein könne, ein<br />

„zentrales Instrument“ zu haben 1408 . Die Schlussabstimmung in der dritten<br />

1400<br />

1401<br />

1402<br />

1403<br />

1404<br />

1405<br />

1406<br />

1407<br />

1408<br />

BT-Prot. vom 09.05.1956, 145. Sitzung, S. 7657B.<br />

Ebd., S 7<strong>658</strong>A.<br />

Hans Egon Engell (1897-1974), Landwirt, Mitglied des GB/BHE, 1953 bis 1957<br />

Mitglied des Bundestages, vgl. Vierhaus/Herbst (Hrsg.), Biographisches Handbuch der<br />

Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949-2002, Bd. 1, S. 181.<br />

BT-Prot. vom 09.05.1956, 145. Sitzung, S. 7<strong>658</strong>D.<br />

Wilhelm Mellies (1899-1958), Mitglied der SPD, 1949 bis 1958 Mitglied des Bundestages,<br />

vgl. Vierhaus/Herbst (Hrsg.), Biographisches Handbuch der Mitglieder des<br />

Deutschen Bundestages 1949-2002, Bd. 1, S. 550.<br />

BT-Prot. vom 09.05.1956, 145. Sitzung, S. 7659D.<br />

Ebd., S. 7659A.<br />

BT-Prot. vom 09.05.1956, 145. Sitzung, S. 7659C.<br />

Ebd., S. 7<strong>658</strong>B.


§ 7 Zweites Gesetz über den Bundesgrenzschutz 277<br />

Lesung, ebenfalls am 9. Mai 1956, fiel jedoch insgesamt zugunsten des Fortbestandes<br />

des Bundesgrenzschutzes aus. Die Anträge der SPD wurden abgelehnt.<br />

Der Bundesrat verhandelte am 18. Mai 1956 abschließend in der Sache des<br />

zweiten Bundesgrenzschutzgesetzes. Besonders herauszustellen ist an dieser<br />

Stelle die Hartnäckigkeit des Landes Hessen in Bezug auf die Auflösung des<br />

Bundesgrenzschutzes. Hessen brachte erneut im Bundesrat, wie auch schon in<br />

der ersten Sitzung am 21. Dezember 1955, den Antrag ein, § 4 BGSG dahingehend<br />

zu ändern, dass das Gesetz über die Bundesgrenzschutzbehörden<br />

aufgehoben werde 1409 . Der Begründung zum hessischen Antrag kann entnommen<br />

werden, dass die „politischen Voraussetzungen, die seinerzeit für die<br />

Aufstellung des Bundesgrenzschutzes vorlagen“, nicht mehr gegeben seien und<br />

kein Bedürfnis bestehe, den Bundesgrenzschutz in „wenig glücklicher Zwitterstellung“<br />

zwischen Bundeswehr und Polizei als militärähnliche Formation<br />

beizubehalten 1410 . Die Sicherheit der Grenze sei eine polizeiliche Aufgabe, die<br />

von den Ländern wahrzunehmen sei. Die Beamten des Bundesgrenzschutzes,<br />

die nicht in die Bundeswehr überwechseln wollten, seien grundsätzlich von den<br />

Ländern zu übernehmen 1411 . Eine tatsächliche Debatte fand in dieser Sitzung<br />

jedoch nicht mehr statt.<br />

Heinrich Hellwege (DP), der damalige niedersächsische Ministerpräsident,<br />

lehnte den Antrag entschieden mit den gleichen Argumenten ab, die er bereits in<br />

der Bundesratssitzung vom 21. Dezember 1955 angeführt hatte. Niedersachsen<br />

könne den Wegfall des Bundesgrenzschutzes finanziell und polizeiorganisatorisch<br />

nicht kompensieren. Zum hessischen Antrag waren weitere Redebeiträge,<br />

weder unterstützender noch ablehnender Art, nicht zu verzeichnen. Dieser<br />

wurde in der Abstimmung letztendlich abgelehnt. Ein Antrag auf Anrufung des<br />

Vermittlungsausschusses hinsichtlich des zweiten Gesetzes über den Bundesgrenzschutz<br />

wurde ebenso wenig gestellt 1412 . Nach Passieren des Bundesrates<br />

konnte das zweite Gesetz über den Bundesgrenzschutz am 30. Mai 1956 in Kraft<br />

treten 1413 .<br />

1409<br />

1410<br />

1411<br />

1412<br />

1413<br />

Antrag des Landes Hessen vom 16.05.1956 = BR-Drs. 188/1/56.<br />

BR-Drs. 188/1/56, S. 2.<br />

Ebd., S. 3.<br />

BR-Prot. vom 18.05.1956, 159. Sitzung, S. 164B.<br />

BGBl. I 1956, S. 436.


278 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

D. Konsequenzen aus der Aufbauhilfe für die Bundeswehr<br />

Das Bundesverteidigungsministerium ging zunächst davon aus, dass eine sehr<br />

große Zahl an Grenzschützern (rund 17.000) zur Bundeswehr wechseln und nur<br />

ein kleiner Teil beim Bundesgrenzschutz verbleiben würde 1414 . Gemäß § 2 Abs.<br />

1 BGSG 1956 sollten zum Juni 1956 16.614 Vollzugsbeamte im Bundesgrenzschutz<br />

automatisch Soldaten werden – es sei denn, binnen eines Monats würde<br />

durch die Betroffenen gemäß § 2 Abs. 3 BGSG 1956 die Übernahme in die<br />

Bundeswehr abgelehnt. Insgesamt 7.042 Vollzugsbeamte nutzen diese Möglichkeit<br />

und sprachen sich gegen eine Übernahme in die Bundeswehr aus. Die<br />

restlichen 9.572 1415 Beamten widersprachen nicht und wurden somit kraft Gesetz<br />

zu Soldaten der Bundeswehr. Die hohen Erwartungen des Verteidigungsministeriums<br />

erfüllten sich folglich nicht vollständig, denn es waren „nur“ ca. 58<br />

Prozent der Vollzugsbeamten zu Soldaten geworden. Die bereits erläuterte,<br />

teilweise öffentlich ausgetragene Divergenz der beiden zuständigen Ministerien<br />

hatte ihren Spuren bei den Grenzschützern hinterlassen. Der Disput zwischen<br />

Innen- und Verteidigungsministerium um Übernahmemodalitäten und Geeignetheit<br />

der Grenzschutzbeamten als „Staatsbürger in Soldatenuniform“ 1416 war den<br />

Beamten bekannt gewesen. Im Votierungsergebnis spiegelte sich die anfängliche<br />

Aversion des Verteidigungsministeriums gegen die Bundesgrenzschutzbeamten<br />

wieder 1417 . Ebenso trug auch die Anpassung der Bezüge<br />

zwischen Soldaten und Grenzschutzbeamten zu einer Dämpfung der Übertrittswelle<br />

bei 1418 . Besonders aber die Vorbehalte gegen die Vollzugsbeamten des<br />

Bundesgrenzschutzes hatten den „Geist und Stimmung in den Grenzschutz-<br />

Abteilungen“ negativ beeinflusst, was sich letztendlich auch auf die Übertrittsmöglichkeit<br />

zur Bundeswehr auswirkte 1419 . Eine bezeichnende Situation, denn<br />

Blank, der ursprüngliche Gegner der Grenzschützer in Soldatenuniform, musste<br />

nun hinnehmen, dass er in der Übernahmedebatte eine Heranziehung des Bundesgrenzschutzes<br />

nicht verhindern konnte, sondern vielmehr innerhalb der<br />

1414<br />

1415<br />

1416<br />

1417<br />

1418<br />

1419<br />

Scholzen, DWJ 10/2012, 136 (137).<br />

Ebd.<br />

So soll im Amt Blank bspw. der Bundesgrenzschutz als „Waffen-SS“ bezeichnet<br />

worden sein, vgl. o.V., Der Zug zur Armee, Der Spiegel 49/54 vom 01.12.1954, S. 12.<br />

Ehlert, in: MGFA, Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik, Bd. 3, S. 480; Meyer, in:<br />

MGFA, Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik, S. 930.<br />

Scholzen, Bundesgrenzschutz, S. 86.<br />

Meyer, in: MGFA, Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik, Bd. 3, S. 1141.


§ 7 Zweites Gesetz über den Bundesgrenzschutz 279<br />

Übernahmedebatte auch noch Schaden angerichtet wurde und weniger Beamte<br />

als erwartet in die Bundeswehr übertraten.<br />

Dass letztlich nach Inkrafttreten des zweiten Bundesgrenzschutzgesetzes nur<br />

etwas über die Hälfte des Personals des Bundesgrenzschutzes für die Bundeswehr<br />

gewonnen werden konnte, war zumindest für Blank eine (erneute)<br />

Niederlage, weil er nach Inkrafttreten des zweiten Bundesgrenzschutzgesetzes<br />

mehrfach verkündet hatte, dass die Bundeswehr bis Jahresende 1956 rund<br />

96.000 Mann umfassen werde 1420 . Ohnehin war die Bundesregierung nicht in der<br />

Lage, diese Zahl zu erreichen; zum einen aus organisatorischen Gründen, die<br />

auch in der Person Blank selbst lagen 1421 , und zum anderen aus strukturellen<br />

Lücken, wie dem Fehlen von funktionsfähigen Kasernen und Material 1422 .<br />

E. Fazit<br />

Die schleppend fortschreitende Bildung der Streitkräfte hatte es notwendig<br />

gemacht, den Bundesgrenzschutz zum Aufbau der Bundeswehr heranzuziehen.<br />

Zu diesem Ergebnis kamen 1954 bereits die Wehrexperten Beermann und<br />

Schwerin 1423 , bevor sich der Bundesverteidigungsrat und das Bundeskabinett<br />

ebenso für eine Übernahme aussprachen. In den Kabinettssitzungen vom 11.<br />

November 1955 und 14. Dezember 1955 spiegelte sich die Not der Bundesregierung<br />

wieder, die ein Handeln in Sachen Bundeswehraufbau erforderlich machte.<br />

In der Sitzung vom 11. November 1955 wurde erklärt, dass in dieser Angelegenheit<br />

„schnell etwas geschehen müsse“ 1424 . In einer weiteren Sitzung wurden<br />

Zweifel an der von Blank erläuterten Schnelligkeit des Streitkräfteaufbaus laut.<br />

Der damalige Vizekanzler Blücher mahnte daraufhin, dass es aus „außenpolitischen<br />

Gründen“ angebracht sei, nicht über die Besorgnis bezüglich der<br />

Einhaltung dieses Planes, des Streitkräfteaufbaus, „in der Öffentlichkeit […] zu<br />

1420<br />

1421<br />

1422<br />

1423<br />

1424<br />

So gegenüber dem Ministerrat der NATO, vgl. o.V, Grenzschutz Marke Eiche, S. 15,<br />

in: Der Spiegel 28/56 vom 11.07.1956; auf einer Pressekonferenz am 09.07.1956, vgl.<br />

Greiner, in: MGFA, Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik, Bd. 3, S. 806.<br />

Corum, Rearming Germany, S. 50: „As the year progressed it became evident that<br />

Germany´s first defense minister was neither a very competent politician nor an effective<br />

bureaucrat“.<br />

Vgl. hierzu Görtemaker, Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 342 ff.<br />

Vgl. S. 250 ff., S. 253.<br />

BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 8 (1955), S. 662.


280 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

laut zu sprechen“ 1425 . Der Erfolg des schnellen Wehrbeitrages hatte ein enormes<br />

außenpolitisches Gewicht, da er unlösbar mit den Pariser Verträgen bzw. dem<br />

NATO-Beitritt verknüpft war. Doch „über Nacht ist der Mythos vom militärischen<br />

Organisationstalent der Deutschen“ 1426 untergegangen. Abhilfe war in<br />

Augen der Bundesregierung durch die Übernahme des Bundesgrenzschutzes in<br />

die Bundeswehr möglich.<br />

Die punktuelle Unzulänglichkeit im Bundesverteidigungsministerium beim<br />

Streitkräfteaufbau und die Versprechungen der Bundesregierung 1427 gegenüber<br />

den Alliierten über die Sollstärke der Bundeswehr bestimmten von 1955 bis<br />

1956 maßgeblich das Schicksal des Bundesgrenzschutzes. Somit war die Heranziehung<br />

zum Bundeswehraufbau mit vielen Einflüssen verwoben, die weit nur<br />

über Verwendungswünsche eines großen Teils der Beamtem im Bundesgrenzschutz<br />

hinausgingen, so wie es u.a. die Begründung zum Gesetzentwurf<br />

erwähnte 1428 . Bundesinnenminister Schröder wusste die Situation elegant zu<br />

umschreiben. So erklärte Schröder, dass die Heranziehung des Bundesgrenzschutzes<br />

nicht allein aus Gesichtspunkten der inneren Sicherheit erfolge,<br />

sondern „nur unter dem Gesichtspunkt notwendiger und gegebener Prioritäten,<br />

die wir uns nicht selbst ausdenken, sondern die sich aus der Lage unseres Vaterlandes<br />

ergeben“ 1429 . Man kann in Schröders Prioritätstheorie zur Heranziehung<br />

des Bundesgrenzschutzes zum Aufbau der Bundeswehr partiell ein Stück Staatsräson<br />

erkennen – necessitas non habet legem – die damalige Situation<br />

berücksichtigend, mag dies noch nicht einmal besonders verwerflich anmutend<br />

erscheinen.<br />

Zweifelhaft allerdings erscheint die Entscheidung zur Heranziehung im Hinblick<br />

auf die Frage nach der Gewährleistung der Aufgabe Grenzpolizei während der<br />

Verringerungsphase des Bundesgrenzschutzes. Schröder selbst hatte in einer<br />

Sitzung des Bundesverteidigungsrates vom 4. November 1955 erklärt, dass die<br />

Heranziehung des Bundesgrenzschutzes zum Streitkräfteaufbau problematisch<br />

1425<br />

1426<br />

1427<br />

1428<br />

1429<br />

Ebd., S. 738.<br />

Schneider, Friedrich von Stülpnagel, S. 1, in: Die Zeit Nr. 7 vom 16.02.1956.<br />

Siehe S. 277.<br />

Begründung des Entwurfes zum zweiten Gesetz über den Bundesgrenzschutz, S. 1, in:<br />

PA-DBT 4000, II/260.<br />

Kurzprotokoll der 49. Sitzung des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung<br />

vom 18.11.1955, S. 7, in: PA-DBT 4000, II/260.


§ 7 Zweites Gesetz über den Bundesgrenzschutz 281<br />

sei. Dem Protokoll der Sitzung kann diesbezüglich Folgendes entnommen<br />

werden:<br />

„Ob man dies [die Heranziehung des Bundesgrenzschutzes] mit der<br />

inneren Sicherheit der Bundesrepublik vereinbaren könne, sei immerhin<br />

zweifelhaft. […] Dennoch hält er sich für verpflichtet, dem<br />

Gedanken der Überführung des Grenzschutzes in die Streitkräfte näherzutreten.“<br />

1430<br />

Eine durch das BGSG 1956 bewusst in Kauf genommene, erhebliche Dezimierung<br />

des Bundesgrenzschutzes hätte zur Folge gehabt, dass die Wahrnehmung<br />

der Aufgaben nach dem BGSG nicht mehr in der vorgesehenen Form hätte<br />

ausgeübt werden können. Nach den Ausführungen der Bundesregierung anlässlich<br />

der Erhöhung der Mannstärke 1953 war der Bundesgrenzschutz nur mit<br />

20.000 Mann in der Lage, seine Aufgaben wahrzunehmen:<br />

„Nach den Erfahrungen der letzten zwei Jahre müssen wir feststellen,<br />

dass der Bundesgrenzschutz trotz vorbildlichen Einsatzes und trotz<br />

Anspannung aller Kräfte den ihm gestellten vielfältigen Aufgaben<br />

nicht gerecht werden konnte“ bzw., dass „die innere Sicherheit und<br />

die öffentliche Ordnung in unserem Grenzgebiet keineswegs von den<br />

bisherigen 10.000 Mann gewährleistet werden konnte“ 1431 .<br />

Blank hatte mit Übertritten von nahezu allen 16.614 Mann des Bundesgrenzschutzes<br />

in die Bundeswehr gerechnet 1432 . Selbst Schröder gab zu, dass man<br />

„Zweifel haben wird müssen“, ob überhaupt aus dem nicht abzuschätzenden<br />

Restbestand an Vollzugsbeamten ein Aufbau eines neuen Bundesgrenzschutzes<br />

möglich sein würde 1433 . Im Bundestag allerdings erklärte Schröder 1956, dass<br />

man „heute dringender denn je […] ein polizeiliches Instrument“ an der Zonengrenze<br />

benötige 1434 . Ähnlich äußerte sich auch sein Vorgänger Lehr 1953, indem<br />

er anführte, dass sich seit Verabschiedung des ersten Gesetzes die echte polizei-<br />

1430<br />

1431<br />

1432<br />

1433<br />

1434<br />

Kurzprotokoll über die erste Sitzung des Bundesverteidigungsrates, v. 04.11.1955, Az.<br />

14433-138/55, S. 24, in: BKAmt, ID 116 966.<br />

BT-Prot. vom 04.02.1953, 249. Sitzung, S. 11896A.<br />

Scholzen, DWJ 10/2012, 136 (137).<br />

Wortprotokoll der Sitzung des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung<br />

vom 18.11.1955, S. 8, in: PA-DBT 4000, II/260.<br />

BT-Prot. vom 03.02.1956, 127. Sitzung, S. 6647D.


282 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

liche Gefahr „um ein Vielfaches gesteigert“ 1435 habe. So kritisierte die SPD<br />

richtigerweise, dass es unverantwortlich sei, den Bundesgrenzschutz durch<br />

Dezimierung „zu beseitigen“, wenn er doch als so wichtig angesehen werden<br />

müsse 1436 . Insofern war die Inkaufnahme der Dezimierung des Sicherheitsorgans<br />

Bundesgrenzschutz ein Risiko.<br />

Verdeutlicht man sich weiterhin das sogenannte Polizeipuffer-Argument, das die<br />

Bundesregierung mehrfach im Rahmen der Gründung und Erweiterung des<br />

Bundesgrenzschutzes angeführt hat 1437 , kann die Überführung aus sicherheitspolitischer<br />

Perspektive umso zweifelhafter gesehen werden. Es wurde<br />

richtigerweise als Argument für das Bestehen des Bundesgrenzschutzes angeführt,<br />

dass Grenzzwischenfälle an der westdeutschen Grenze folgenreiche<br />

NATO-Mechanismen auslösen könnten, wenn auf grenzpolizeiliche Anlässe in<br />

militärischer Form durch die Westalliierten reagiert werden müsste. Insofern<br />

aber auf diese polizeilichen Grenzkonflikte mit dem Bundesgrenzschutz reagiert<br />

werden würde, bestünde diese Problematik nicht – der Bundesgrenzschutz<br />

würde als „Polizeipuffer“ fungieren. 1438 Im Gegensatz zum Gesetzgebungsverfahren<br />

1951 lieferte die Bundesregierung im Rahmen der Debatte um die<br />

Erhöhung 1953 zahlreiche Fakten über tatsächlich vorliegende Grenzverletzungen.<br />

Seitenweise führte die Bundesregierung an, dass beispielsweise zahlreiche<br />

Grenzverschleppung 1439 stattfanden, sowie die Flüchtlingszahl gestiegen und es<br />

zu mehrfachen Schusswechseln an der Zonengrenze gekommen sei 1440 . In der<br />

Debatte um die Heranziehung zum Bundeswehraufbau 1956 führte Mende<br />

(FDP) dieses Argument für den Fortbestand des Bundesgrenzschutzes an. Er<br />

erklärte, dass es besser wäre, den Bundesgrenzschutz an der Zonengrenze zu<br />

haben, da sonst bei „Zusammenstößen […] sehr leicht der ganze NATO-<br />

Mechanismus ausgelöst werden müsste“ 1441 . Durch die Möglichkeit der erheblichen<br />

Reduzierung des Bundesgrenzschutzes bestand die Gefahr, dass genau auf<br />

diese Konflikte nicht mehr überall konsequent polizeilich reagiert werden konnte,<br />

so wie es 1953 im Rahmen der Erhöhung strikt gefordert wurde, und genau<br />

1435<br />

1436<br />

1437<br />

1438<br />

1439<br />

1440<br />

1441<br />

BT-Prot. vom 04.02.1953, 249. Sitzung, S. 11903B.<br />

BT-Prot. vom 09.05.1956, 145. Sitzung, S. 7659D.<br />

BT-Prot. vom 19.06.1953, 274. Sitzung, S. 13600B; vgl. hierzu auch S. 132 ff.<br />

Diese Einschätzung teilte auch Beermann, „Stellungnahme zu dem Brief des Grafen<br />

Schwerin bzgl. des Bundesgrenzschutz vom 22.XII.54“, S. 3, in: AdsD, NL Erler, 139.<br />

BT-Prot. vom 04.02.1953, 249. Sitzung, S. 11898A.<br />

BT-Prot. vom 19.06.1953, 274. Sitzung, S. 13598A.<br />

BT-Prot. vom 03.02.1956, 127. Sitzung, S. 6652C.


§ 7 Zweites Gesetz über den Bundesgrenzschutz 283<br />

der unerwünscht Effekt hätte eintreten können, dass auf Grenzverletzungen mit<br />

NATO-Truppen hätte reagiert werden müssen. In diesem Aspekt kollidiert<br />

Schröders Prioritätstheorie mit den grenzpolizeilichen Belangen, welche die<br />

Bundesregierung selbst eindrücklich dargestellt hatte.<br />

Aufgrund der Anzahl an Übertritten, die deutlich geringer als erwartet ausfiel,<br />

trat eine erhebliche Dezimierung des Bundesgrenzschutzes nicht ein, auch wenn<br />

es bis 1964 andauerte, bis der Bundesgrenzschutz wieder auf seine ungefähre<br />

Mannstärke vor dem Zeitpunkt der Überführung in die Bundeswehr aufwachsen<br />

konnte 1442 .<br />

Der Bundesgrenzschutz trug zum Aufbau der Bundeswehr bei und war dennoch<br />

stark genug, um sich zu regenerieren, auch wenn dies fast zehn Jahre dauern<br />

sollte. Schröder war der politische Gewinner bei den Vorgängen um das zweite<br />

Bundesgrenzschutzgesetz, obwohl er sich heftiger Kritik in den Bundestagsdebatten<br />

ausgesetzt sah und der Ausschuss für Angelegenheiten der inneren<br />

Verwaltung mit nur einer Stimme Mehrheit die Streichung des § 4 BGSG (Fortbestandsklausel)<br />

verhindert hatte 1443 , konnte das Gesetz in Kraft treten. Blanks<br />

Wirken beim Bundeswehraufbau wurde eher strittig gesehen, sodass er am 16.<br />

Oktober 1956 im Rahmen der Kabinettsumbildung zurücktrat. Adenauer hätte<br />

sogar lieber Schröder statt Strauß als Verteidigungsminister gesehen 1444 – doch<br />

Schröder lehnte ab.<br />

Die im Jahr 1956 erfolgte Heranziehung des Bundesgrenzschutzes zum Aufbau<br />

der Bundeswehr stellt weiterhin die Frage, inwieweit die Bundesregierung die<br />

Ursache für die Aufstellung des Bundesgrenzschutzes 1951 auch darin sah,<br />

diesen als Grundstein für eine künftige deutsche Armee verwenden zu wollen.<br />

Adenauer dachte bereits sehr früh über Wiederbewaffnung nach und wandte sich<br />

in diesem Zusammenhang an Experten, wie u.a. Hans Speidel und Adolf<br />

Heusinger 1445 . Jedoch konnten weder Adenauer noch sonstige Angehörige der<br />

damaligen Bundesregierung bei der Aufstellung des Bundesgrenzschutzes 1951<br />

in irgendeiner Form öffentlich erwähnen, dass es sich beim Bundesgrenzschutz<br />

um den Vorläufer einer Wehrmacht handeln würde. Das Gegenteil war der Fall,<br />

1442<br />

1443<br />

1444<br />

1445<br />

Michler, Bundesgrenzschutz, S. 25.<br />

Siehe S. 275.<br />

Görtemaker, Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 342.<br />

Hoeth, Wiederbewaffnung Deutschlands 1945-1958, S. 106 ff.


284 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

die Bundesregierung war bemüht, gerade nicht diesen Eindruck zu erwecken.<br />

Dennoch erfolgte 1956 die Heranziehung zum Aufbau der Bundeswehr, welche<br />

überhaupt erst durch das mit dem ersten Gesetz geschaffene „angereicherte<br />

soldatische Potential“ 1446 des Bundesgrenzschutzes möglich war. Die SPD<br />

machte der Bundesregierung schwere Vorwürfe diesbezüglich. Sogar ein Angehöriger<br />

der Union äußerte, dass es nicht leicht sei, „einfach umzuschwenken“<br />

und den Bundesgrenzschutz nach Herausstellung seines polizeilichen Charakters<br />

zur Heranziehung des Bundeswehraufbaus zu verwenden 1447 .<br />

Es finden sich in den Kabinettsprotokollen und im Bundesarchiv jedoch keine<br />

Hinweise darauf, die eine wissenschaftliche Schlussfolgerung zulassen, dass der<br />

Bundesgrenzschutz 1951 mit der Intention gegründet wurde, die personelle und<br />

materielle Basis einer zukünftigen Armee zu bilden. Es finden sich allenfalls<br />

vereinzelt Indizien, die man dahingehend interpretieren kann, dass sich die<br />

Bundesregierung alle weiteren Verwendungsoptionen des Bundesgrenzschutzes<br />

offen halten wollte. In den Vorgängen um das Aide Memoire von Graf Schwerin<br />

1954 treten einige Quellen hervor, die angeben, dass Lehr und Heusinger bei der<br />

Gründung des Bundesgrenzschutzes den Anwärtern gegenüber geäußert haben<br />

sollen, „sie würden den Grundstock einer Armee bilden“ 1448 .<br />

Jedoch handelt es sich hierbei nur um Erklärungen vom Hörensagen („ihnen soll<br />

wie mir berichtet worden ist“) oder nicht verifizierter Angaben in Printmedien<br />

1449 . Ein weiteres Indiz in dieser Hinsicht findet sich in einem<br />

persönlichen Schriftwechsel zwischen den Abgeordneten Jaeger (CSU), Strauß<br />

(CSU) und Adenauer während der Abläufe um die geplante Erhöhung des<br />

Bundesgrenzschutzes auf 20.000 Mann. Jaeger wollte mit einem persönlichen<br />

Schreiben an Adenauer erreichen, dass dieser ihm schriftlich garantiere, die<br />

Stärke des Bundesgrenzschutzes mit Gründung einer Armee wieder auf 10.000<br />

Mann zu reduzieren. Jaeger begründete dies damit, dass die CSU sich aus<br />

„grundsätzlichen Erwägungen“, da die Polizei nur Angelegenheit der Länder<br />

1446<br />

1447<br />

1448<br />

1449<br />

O.V., Zur Überführung des Grenzschutzes in die Wehrmacht, in: FdK 1955, Bd. 5, S. 5.<br />

Ferdinand Friedensburg (CDU), in: Kurzprotokoll der 49. Sitzung des Ausschusses für<br />

Angelegenheiten der inneren Verwaltung vom 18.11.1955, S. 8, in: PA-DBT 4000,<br />

II/260.<br />

Beermann, „Stellungnahme zu dem Brief des Grafen Schwerin bzgl. des Bundesgrenzschutz<br />

vom 22.XII.54“, S. 1, in: AdsD, NL Erler, 139; ähnlich: O.V., SP 1955, P/X/257<br />

vom 07.11.1955, S. 2; Der Spiegel 45/55 vom 02.11.1955, S. 19.<br />

Vgl. Fn. 1281.


§ 7 Zweites Gesetz über den Bundesgrenzschutz 285<br />

sein könne und der Bundesgrenzschutz mit 10.000 Mann aus seiner Sicht bereits<br />

weitgehend überbesetzt erscheine, gegen die Erhöhung aussprechen müsse.<br />

Jaeger verwendet in seinem Schreiben an Adenauer einleitend folgende Worte:<br />

„Sie haben die Notwendigkeit dieser Verdopplung damit begründet,<br />

dass die zusätzlichen 10.000 Mann Grenzschutz als Kader für die<br />

künftigen deutschen EVG-Divisionen dienen sollen.“ 1450<br />

Jaeger hatte mit Adenauer im Vorausgang des Schriftwechsels eine nicht näher<br />

zu identifizierende persönliche Unterredung, in welcher der deutsche EVG-<br />

Beitrag diskutiert wurde und Adenauer Jaeger bat, den Widerstand der CSU<br />

gegen eine Verdoppelung des Bundesgrenzschutzes aufzugeben. In diesem<br />

Gespräch erwähnte Adenauer laut Jaeger auch noch, dass er an einer Verstärkung<br />

der Polizeikräfte des Bundes „aus finanziellen Gründen schon kein<br />

Interesse“ habe und es sich nur um eine „verhältnismäßig kurzfristige Vermehrung<br />

des Bundesgrenzschutzes zu dem eingangs erwähnten Zweck“ (EVG-<br />

Beitrag) handele 1451 . Jaeger beklagte sich daraufhin in seinem Schreiben darüber,<br />

dass mittlerweile transportiert worden sei, dass die Stärke von 20.000<br />

Mann beibehalten werden sollte. Abschließend bat er Adenauer, ihm den dargestellten<br />

Unterredungsinhalt kurz schriftlich zu bestätigen.<br />

Tatsächlich kam Adenauer dem Wunsch Jaegers nach und bestätigte dem<br />

Vorsitzenden der CSU-Landesgruppe Strauß im Februar 1953 schriftlich, dass<br />

„die Stärke des Bundesgrenzschutzes nach Schaffung einer Wehrmacht wieder<br />

auf 10.000 Mann zurückgesetzt werden soll“ 1452 . Jedoch ist der Beweiswert<br />

dieses Schreibens ebenso gering wie die Angaben Beermanns bezüglich der<br />

Aussagen von Lehr und Heusinger, da Jaeger Adenauer bat, „den Inhalt der<br />

Unterredung“ zu bestätigen. Adenauer allerdings bestätigte Jaeger nur, dass „die<br />

Stärke des Bundesgrenzschutzes nach Schaffung einer Wehrmacht wieder auf<br />

10.000 Mann zurückgesetzt werden soll“ und „spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten<br />

des EVG-Vertrages […] mit der Verminderung des Bundesgrenzschutzes<br />

begonnen werden“ solle. Aus diesem Gesichtspunkt bleiben Jaegers Behaup-<br />

1450<br />

1451<br />

1452<br />

Schreiben Jaeger an Adenauer vom 25.11.1952, S. 1, in: BArch B 126/10837 = Anlage<br />

D7, S. 456 f.<br />

Ebd.<br />

Schreiben Adenauer an Strauß vom 04.02.1953, in: BArch B 136/1927 = Anlage D8,<br />

S. 458.


286 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

tungen, die sich allein auf ein nicht dokumentiertes persönliches Gespräch mit<br />

Adenauer stützen, über die Bundesgrenzschutzkader im Zusammenhang mit der<br />

Erhöhung der Mannstärke eine nicht überprüfbare Aussage.<br />

In diesem Kontext soll nachfolgender Exkurs die Situation in Österreich skizzieren,<br />

die sich sehr ähnlich zur deutschen Polizeientwicklung gestaltete und<br />

widerspiegelt, dass die Planung der Remilitarisierung durchaus über die anfängliche<br />

Aufstellung von zentralen Polizeiformationen verwirklich werden konnte.<br />

Der damalige US-General und Hochkommissar in Österreich, Geoffrey<br />

Keyes 1453 , legte am 1. Februar 1950 einen Plan zur Wiederbewaffnung Österreichs<br />

vor. Die österreichische Remilitarisierung sollte sich über die<br />

Bundesgendarmerie vollziehen. Erst sollten 10.000 Mann mobile Gendarmerie<br />

aufgestellt werden, die truppenartig organisiert waren („organized into potential<br />

divisional type units“), den Bewerbern militärische Fähigkeiten vermittelt<br />

werden („trainees who will be potentially qualified for regular army assignment“)<br />

und diese Männer anschließend in die österreichische Armee überführt<br />

werden („transferred to Austrian Army“) 1454 . Dieser Plan wurde schließlich nach<br />

Keyes Vorgaben genehmigt und umgesetzt. Aus der Bundesgendarmerie ging<br />

das Bundesheer hervor. Die Bundesgendarmerie bestand in Österreich bis 2005<br />

fort, bis sie mit anderen Sicherheitsbehörden zum einheitlichen Wachkörper<br />

Bundespolizei zusammengeführt wurde 1455 . Die Vorgehensweise in Österreich<br />

gleicht einer Spiegelung der Ereignisse in Westdeutschland. Der Unterschied<br />

besteht darin, dass in Österreich der Plan zur Wiederbewaffnung über die Bundesgendarmerie<br />

auf politischer Ebene intendiert und von alliierter Seite<br />

genehmigt wurde, während die Alliierten in Westdeutschland lange nach Keyes<br />

Plan, im Sommer 1950, nur Polizeiformationen auf Länderebene genehmigten.<br />

Die Gründung des Bundesgrenzschutzes 1951 kann nicht als beabsichtigte<br />

vorläufige Errichtung eines Soldatenkaders für spätere Streitkräfte angesehen<br />

werden. Hierfür liegen keine Beweise vor, auch die Prüfung der dargestellten<br />

1453<br />

1454<br />

1455<br />

Geoffrey Keyes (1888-1967), Generalleutnant, 1947 bis 1950 US-Hochkommissar in<br />

Österreich, vgl. Karner/Stelzl-Marx/Tschubarjan (Hrsg.), Die Rote Armee in Österreich,<br />

sowjetische Besatzung 1945-1955, 2. Aufl., S. 919.<br />

Keyes Plan ist mit zahlreichen Anmerkungen abgedruckt in: FRUS 1950, IV, Central<br />

and Eastern Europe, S. 476 ff.; zur österreichischen Wiederbewaffnung über die B-<br />

Gendarmerie: Bischof, Der Nationale Sicherheitsrat und die amerikanische Österreichpolitik<br />

im frühen Kalten Krieg, S. 120 ff.<br />

Olechowski, Rechtsgeschichte, S. 167.


§ 7 Zweites Gesetz über den Bundesgrenzschutz 287<br />

Indizien und die Analyse der Gesamtsituation führen zu keinem anderen Ergebnis.<br />

Aufgrund der detaillierten Untersuchung der inneradministrativen Vorgänge<br />

kann hingegen als hinreichend gesichert gelten, dass die Errichtung des Bundesgrenzschutzes<br />

1951 nicht maßgeblich aufgrund einer grenzpolizeilichen<br />

Notwendigkeit durchgeführt wurde, sondern diese eine logische sicherheitspolitische<br />

Konsequenz aus dem kumulativen Sicherheitsleck, geschaffen durch das<br />

Scheitern einer Bundespolizei und der Verzögerung im Länderbereitschaftspolizeiaufbau,<br />

war 1456 . Eine logische Gesamtbewertung des Gesamtprozesses der<br />

Überführung von Teilen des Bundesgrenzschutzes in die Bundeswehr im Jahr<br />

1956 ist ungleich schwieriger. Die Inkaufnahme der absoluten Dezimierung des<br />

Bundesgrenzschutzes scheint in Widerspruch zu der über Jahre deklamierten<br />

Herausstellung der grenzpolizeilichen Not zu stehen. Die Überführung der<br />

Grenzschutzbeamten in die Bundeswehr lässt sich nicht alleine aus der Perspektive<br />

der inneren Sicherheit definieren. Die Vorgänge im Jahr 1956 können nur<br />

aufgrund der außergewöhnlichen Konstellation erklärt werden, in der sich die<br />

Bundesrepublik befand. Multikausale Einflüsse wie u.a. die Verpflichtung aus<br />

Art. 87a GG, eine Streitkraft aufzustellen, gemachte Zusagen im Rahmen der<br />

Verteidigungsbündnisse 1457 , die permanente Bedrohung der äußeren Sicherheit<br />

durch den Ost-Westkonflikt und die geostrategische Lage Westdeutschlands in<br />

einem möglichen bewaffneten Konflikt, lassen es nachvollziehbar erscheinen,<br />

dass die Bundesregierung jedes Mittel für den stockenden Bundeswehraufbau<br />

nutzen musste. Schröder erklärte im Bundestag, dass er den Aufbau der Bundeswehr<br />

„als Priorität Nr. 1 der deutschen Politik“ ansehe 1458 . Eine andere<br />

Rechtfertigung für die Transferierung der Grenzschützer als aus Gründen der<br />

Selbstverpflichtung des Staates, die äußere Sicherheit zu gewährleisten, konnte<br />

ohnehin nicht gegeben werden. Denn nur die Erklärung, dass eine geringfügige<br />

Einbuße in einem Teilbereich der inneren Sicherheit zur Gewährleistung der<br />

äußeren Sicherheit hingenommen werden müsse, konnte halbwegs plausibel<br />

erscheinen – auch wenn die parlamentarische Opposition dies nicht akzeptieren<br />

wollte und gegen das Gesetz stimmte. Mag die Überführung zur Erreichung<br />

höherer Staatsziele legitim gewesen sein, so brachte sie doch mit sich, dass der<br />

Bundesgrenzschutz zum Spielball der Politik wurde – vielmehr noch das „Bauernopfer“<br />

in einer Verkettung von politischen Umständen war.<br />

1456<br />

1457<br />

1458<br />

Vgl. hierzu S. 183 ff.<br />

Vgl. Fn. 1420.<br />

BT-Prot. vom 09.05.1956, 145. Sitzung, S. 7660A.


288 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

§ 8 Kombattantenstatus für den Bundesgrenzschutz<br />

A. Einleitung<br />

Die Verleihung des Kombattantenstatus an den Bundesgrenzschutz im Jahr 1965<br />

war nach der Teilüberführung des Personals in die Bundeswehr 1956 der nächste<br />

wichtige Meilenstein in der Entwicklung des Bundesgrenzschutzes. Die<br />

Vorbereitungen für einen Gesetzentwurf zur Ergänzung des Bundesgrenzschutzgesetzes<br />

in Sachen Kombattantenstatus begannen bereits in der dritten<br />

Wahlperiode ab 1961, fanden jedoch erst in der vierten Wahlperiode des Bundestages<br />

am 11. Juli 1965 mit Inkrafttreten des BGS-Ergänzungsgesetzes<br />

(BGSErgG) 1459 ihren Abschluss. Die Bundesregierung verfolgte ihrer Argumentation<br />

nach auch aus Fürsorgegründen mit der Ergänzung des BGSG 1951 das<br />

Ziel, dass die Beamten des Bundesgrenzschutzes den völkerrechtlichen Schutz<br />

in Anspruch nehmen konnten, welcher den Kombattanten zusteht. Widerstand<br />

gegen dieses Vorhaben war vor allem von Seiten der Berufsvertretungsverbände<br />

zu verzeichnen, die eine Beteiligung an bewaffneten Konflikten als nicht vereinbar<br />

mit dem Polizeistatus betrachteten. Im Nachfolgenden wird untersucht,<br />

warum die Bundesregierung den Kombattantenstatus aus völkerrechtlicher Sicht<br />

für den Bundesgrenzschutz notwendig hielt und wie sich der ursprüngliche<br />

Gesetzentwurf im Laufe der Zeit modifizierte. Ein weiterer Schwerpunkt in<br />

diesem Abschnitt ist die Analyse der Gegenposition, die maßgeblich in Form<br />

verschiedener Rechtsgutachten Gestalt annahm sowie die Frage danach, warum<br />

und gestützt auf welche Argumentation sich die Berufsvertretungsverbände so<br />

vehement gegen den Kombattantenstatus einsetzten.<br />

B. Kriegsvölkerrechtlicher Bezugspunkt<br />

Den Angehörigen des Bundesgrenzschutzes sollten die Rechte und Pflichten<br />

verliehen werden, welche sich aus dem Kombattantenstatus ergaben. Aus der<br />

Betrachtung zum Zeitpunkt des Gesetzesvorhabens 1965 konnten als Kombattanten<br />

in Anlehnung an Art. 1 Haager Landkriegsordnung von 1907 (HLKO) 1460<br />

vor allem das Heer und andere militärähnlich organisierte Verbände gezählt<br />

1459<br />

1460<br />

Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über den Bundesgrenzschutz und die Einrichtung<br />

von Bundesgrenzschutzbehörden vom 11.07.1965, BGBl. I 1965, S. 603.<br />

Haager Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges vom<br />

18.10.1907 (RGBl 1910, S. 107).<br />

D. Parma, Installation und Konsolidierung des Bundesgrenzschutzes 1949 bis 1972,<br />

DOI 10.1007/978-3-<strong>658</strong>-<strong>10928</strong>-8_8, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2016


§ 8 Kombattantenstatus für den Bundesgrenzschutz 289<br />

werden. Die Angehörigen der Polizei müssen jedoch grundsätzlich zu den<br />

Zivilpersonen, also den Nichtkombattanten, gerechnet werden 1461 . Erst mit dem<br />

I. Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen von 1949 über den Schutz der<br />

Opfer internationaler bewaffneter Konflikte vom 8. Juni 1977 wurde seither in<br />

Art. 43 Abs. 3 des Zusatzprotokolls klar geregelt, dass eine Partei „bewaffnete<br />

Vollzugsorgane“ in die Streitkräfte aufnehmen kann 1462 . Zum Zeitpunkt des<br />

Gesetzesvorhabens war diese Norm jedoch noch nicht geschaffen, sodass eine<br />

Subsumtion des Bundesgrenzschutzes unter die Kategorie der bewaffneten<br />

Kräfte im Sinne des Kriegsvölkerrechts nicht ohne Weiteres möglich war.<br />

Von den Kombattanten sind die Nichtkombattanten zu unterscheiden 1463 . Hierzu<br />

gehören die Zivilbevölkerung, die nichtkämpfenden Angehörigen der Streitkräfte<br />

(bspw. Sanitätspersonal) sowie das zivile Gefolge der Streitkräfte (u.a.<br />

Kriegsberichterstatter und Geistliche) 1464 . Der völkerrechtliche Status von Kombattanten<br />

und von der Zivilbevölkerung lässt sich weiterhin in den primären<br />

Status und den sekundären Status klassifizieren 1465 . So dürfen Kombattanten für<br />

ihre Teilnahme an Kriegshandlungen nicht bestraft werden, soweit diese die<br />

Regeln des ius in bello einhalten (der Primärstatus bestimmt die völkerrechtlichen<br />

Folgen für den Statusinhaber) 1466 . Weiterhin müssen Kombattanten als<br />

Kriegsgefangene behandelt und medizinisch versorgt werden (sekundärer Status<br />

in tatsächlicher Situation) 1467 . Entscheidend ist die Tatsache, dass nur die Kombattanten<br />

befugt sind im „Rahmen des im internationalen bewaffneten Konflikt<br />

anwendbaren Völkerrechts bewaffnete Schädigungshandlungen vorzunehmen“<br />

1468 – diese gleichzeitig allerdings auch legitimes Ziel feindlicher<br />

Schädigungshandlungen sind.<br />

Wie oben erwähnt, zählen zu den Kombattanten nach Art. 1 HLKO auch andere<br />

militärähnliche Formationen, expressiv verbis die sogenannten „Milizen und<br />

Freiwilligencorps“. Gemäß Art 1 HLKO gelten die „Rechte und Pflichten des<br />

Krieges“ dann für die Milizen und Freiwilligenkorps, wenn ein verantwortlicher<br />

1461<br />

1462<br />

1463<br />

1464<br />

1465<br />

1466<br />

1467<br />

1468<br />

Ipsen, in: Fleck (Hrsg.), Handbuch des humanitären Völkerrechts, S. 64.<br />

Art. 43 Abs. 3 ZP I = BGBl. II 1990, S. 1584.<br />

Vgl. Art. 43 Abs. 1, 2 ZP I.<br />

Vgl. hierzu Arnauld von, Völkerrecht, Rn. 1186.<br />

Ipsen, in: Fleck (Hrsg.), Handbuch des humanitären Völkerrechts, S. 56.<br />

Doehring, Völkerrecht, Rn. 589.<br />

Ebd.<br />

Ipsen, in: Fleck (Hrsg.), Handbuch des humanitären Völkerrechts, S. 56.


290 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

Führer bestellt ist, ein erkennbares Abzeichen getragen wird, die Waffen offen<br />

geführt werden und die Gesetze des Krieges beachtet werden. Darüber soll auch<br />

gemäß Art. 2 HLKO die Bevölkerung eines noch nicht besetzten Gebietes,<br />

welche bei „Herannahen des Feindes aus eigenem Antrieb zu den Waffen<br />

greift“, um die feindlichen Truppen zu bekämpfen, „ohne Zeit gehabt zu haben,<br />

sich nach Art. 1 HLKO zu organisieren“, als Kombattanten gelten, „wenn sie die<br />

Waffen offen tragen und die Gebräuche und Gebote des Kriegsrechts einhalten“<br />

1469 .<br />

Es können Auslegungsschwierigkeiten bei der Einordnung von Kombattanten<br />

entstehen, wenn Zivilpersonen zu den Waffen greifen 1470 , wozu grundsätzlich<br />

auch die Angehörigen der Polizei zählen. In diesem Zusammenhang soll ein<br />

historischer Exkurs die Problematik der Einordnung von bewaffneten Personen<br />

in das Kriegsvölkerrecht verdeutlichen.<br />

Im August 1914 wurde die belgische Stadt Dinant von deutschen Truppen<br />

besetzt. Hierbei wurden diese, eigenen Angaben zufolge, von Freischärlern<br />

(sogenannten „Franktireurs“) beschossen. In einer Strafaktion wurden daraufhin<br />

674 belgische Einwohner erschossen, die angeblich allesamt bewaffnet waren<br />

1471 . Das Auswärtige Amt rechtfertigte in einem als „Weißbuch“<br />

bezeichneten Dokument mit dem Titel „Die völkerrechtswidrige Führung des<br />

belgischen Volkskrieges“ aus dem Jahr 1915 das Vorgehen der kaiserlichen<br />

Truppen 1472 . Hier wurde angeführt, dass sich die angreifenden Belgier nicht auf<br />

Art. 2 HLKO (kämpfende Bevölkerung oder levée en masse) hätten berufen<br />

können, da „die Belgische Regierung zu einer dem Völkerrecht entsprechenden<br />

Organisierung des Volkskrieges ausreichend Zeit gehabt hätte“ 1473 . Dies war<br />

eine Verkennung der Rechtslage, denn „sowohl die Organisierung von Milizen<br />

1469<br />

1470<br />

1471<br />

1472<br />

1473<br />

Der Regelungsgehalt des Art. 2 HLKO wird auch „levée en masse“ bezeichnet, vgl.<br />

Toppe, Militär und Kriegsvölkerrecht, S. 115.<br />

Doehring, Völkerrecht, Rn. 592.<br />

Bihl, Der erste Weltkrieg 1914-1918, S. 90.<br />

AA, Die völkerrechtswidrige Führung des belgischen Volkskrieges; Abdruck der<br />

Denkschrift sowie der vier Sonderberichte zu den Vorgängen in den Orten Aerschot,<br />

Andenne, Dinant und Löwen, in: ZfVR, Band IX, Heft 3, 1916, 377 ff.; vgl. hierzu<br />

auch: Strupp, ZfVR, Band IX, Heft 3, 1916, 281; eine sachliche Erwiderung auf das<br />

Weißbuch wurde vom Belgischen Justiz- und Außenministerium herausgegeben: Ministry<br />

of Justice and Ministry of Foreign Affairs, Reply to the German White Book of<br />

the 10th May, 1915.<br />

AA, Die völkerrechtswidrige Führung des belgischen Volkskrieges, S. 3.


§ 8 Kombattantenstatus für den Bundesgrenzschutz 291<br />

oder Freiwilligen-Korps als auch spontane Erhebung einer levée en masse<br />

bedürfen nicht der Autorisation durch das Völkerrechtssubjekt. Das ius bello<br />

tritt erst zum Zeitpunkt der Kriegseröffnung in Kraft und somit auch der Art. 2<br />

HLKO“ 1474 .<br />

Im Nachgang des ersten Weltkrieges forderten die Alliierten zunächst die Auslieferung<br />

von deutschen Kriegsverbrechern, die für das Massaker von Dinant<br />

verantwortlich waren, akzeptierten aber schließlich ein Verfahren vor dem<br />

Reichsgericht in Leipzig. Im Ergebnis wurden alle Anklagen gegen deutsche<br />

Soldaten vom Reichsgericht fallengelassen, da es das Gericht nicht als erwiesen<br />

ansah, dass die Erschießungen der belgischen Zivilbevölkerung durch die deutschen<br />

Soldaten rechtswidrig gewesen seien 1475 . Erst spät wurde von deutscher<br />

Seite offiziell zugegeben, dass es sich bei den Erschießungen in Dinant um<br />

Kriegsverbrechen gehandelt hatte 1476 . Zum Zeitpunkt des Vorhabens, dem<br />

Bundesgrenzschutz den Kombattantenstatus zu verschaffen, gehörte das<br />

„Franktireurproblem von 1914“ zu den „umstrittensten Problemen der jüngeren<br />

Vergangenheit“ 1477 . Besonders erwähnenswert ist hier noch, dass in Belgien<br />

1914 die „garde civique“ in die Vorgänge involviert war 1478 . Die Garde Civique<br />

war nach der Belgischen Unabhängigkeit 1830 gegründet worden und kann als<br />

Äquivalent zur einer nationalen Gendarmerie gesehen werden 1479 .<br />

Somit ist verständlich, dass die Bundesregierung eine klare Einordnung des<br />

Bundesgrenzschutzes bei Wahrnehmung seiner Aufgaben in das Kriegsvölkerrecht<br />

favorisierte und ihm zudem die positiven Aspekte des Kombattantenstatus<br />

zukommen lassen wollte. Denn der Einsatz an der innerdeutschen Grenze brach-<br />

1474<br />

1475<br />

1476<br />

1477<br />

1478<br />

1479<br />

Toppe, Militär und Kriegsvölkerrecht, S. 115.<br />

Horne, German Atrocities 1914, S. 354: „The court repeated that the troops were fired<br />

on by civilians, even women and children. […] the court found no evidence to show the<br />

execution was unlawful“; Kurzbericht des Prozesses um Dinant bei: Hankel, Die Leipziger<br />

Prozesse, S. 203 ff.<br />

Kramer, Kriegsrecht und Kriegsverbrechen, S. 283; Näheres zur den Kriegsverbrechen<br />

in Belgien, in: Der Spiegel 9/2004 v. 21.02.2004, S. 130.<br />

Petri/Schöller, VfZ 9/1961, 234.<br />

Hankel, Die Leipziger Prozesse, S. 205; so auch die Darstellungen bei: AA, Die völkerrechtswidrige<br />

Führung des belgischen Volkskrieges, S. 3.<br />

Vgl. Code de la Garde Civique Loi du 3 décembre 1830, Titre Premier, Art. 1er: „la<br />

garde civique est chargée de veiller au maintien de l´ordre et des lois et à la conservation<br />

de l´independance et de l´intégrité du territoire. La garde civique est sédentaire;<br />

toutefois une partie de cette garde peut-être rendue mobile, conformement aux dispositions<br />

de la loi.-44-102“.


292 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

te für den Bundesgrenzschutz das Risiko mit sich, in Kampfhandlungen mit<br />

sowjetzonalen Sicherheitskräften verwickelt zu werden. Da die Polizei und<br />

somit auch der Bundesgrenzschutz aber nicht zu den Kombattanten gezählt<br />

werden konnten, war es diesen auch nicht erlaubt, in den Krieg als „Rechtsakt<br />

zwischen Kombattanten“ einzugreifen 1480 . Folglich gestaltete sich die Absicht,<br />

dem Bundesgrenzschutz den Kombattantenstatus zu verleihen, nicht unproblematisch.<br />

Die Rechtsquellen 1481 des humanitären Völkerrechts erleichterten das<br />

Vorhaben der Verleihung des Kombattantenstatus nicht, da in den entsprechenden<br />

Übereinkommen beispielsweise der Einordnung der regulären Streitkräfte in<br />

das Kriegsvölkerrecht eine besondere Rolle zukommt, aber diese keine Aussagen<br />

über die Stellung sonstiger bewaffnete Vollzugsorgane (Polizei) treffen 1482 .<br />

Somit stellte das Kodifikationsvorhaben die Bundesregierung vor besondere<br />

Herausforderungen.<br />

C. Vorentwürfe für ein Gesetz<br />

Die Initiative zur Vorlage eines entsprechenden Gesetzentwurfes ging vom BMI<br />

aus. In einem Schreiben vom 27. Dezember 1961 an das Bundeskanzleramt bat<br />

der damalige beamtete Staatssekretär im BMI, Josef Hölzl 1483 , die Behandlung<br />

des Gesetzentwurfes in der nächsten Kabinettssitzung. Der Bundesjustizminister<br />

habe laut dem Schreiben die Rechtsförmlichkeit geprüft und die sonstigen<br />

1480<br />

1481<br />

1482<br />

1483<br />

Toppe, Militär und Kriegsvölkerrecht, S. 308.<br />

Hierzu zählten die HLKO (Fn. 1460) und die vier Genfer Rotkreuz-Abkommen vom<br />

12.08.1949 (BGBl. II 1954, S. 781 ff.).<br />

Art. 13 des I. Genfer Abkommens vom 12.08.1949 zur Verbesserung des Loses der<br />

Verwundeten und Kranken der Streitkräfte im Felde (BGBl. II 1954, S. 787), Art. 4a<br />

des III. Genfer Abkommens vom 12.08.1949 über die Behandlung von Kriegsgefangenen<br />

(BGBl. II 1954, S. 839); erst 1977, bereits nachdem der Bundesgrenzschutz zu den<br />

Kombattanten gehörte, erleichterte das I. Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen<br />

vom 12.08.1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte vom<br />

08.06.1977 (BGBl. II 1990, S. 1550 ff.) die Einordnung der Kombattanten. Dort wird<br />

i.e.S. nicht mehr zwischen Kombattanten und Nichtkombattanten unterschieden, sondern<br />

nur noch zwischen Kombattanten und Zivilisten; ebenso ist nunmehr nach Art. 43<br />

Abs. 3 des Zusatzprotokolls klar geregelt, dass eine Partei „bewaffnete Vollzugsorgane“<br />

in die Streitkräfte aufnehmen kann, vgl. hierzu auch: Hobe, Einführung in das Völkerrecht,<br />

S. 574.<br />

Josef Hölzl (1901-1975), 1928 bis 1941 Stadtsyndikus bei der Stadt München, ab 1958<br />

Honorarprofessor für Verwaltungsrecht an der Universität Würzburg, 1960 bis 1965<br />

Staatssekretär im BMI; vgl. BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 13 (1960),<br />

S. 488.


§ 8 Kombattantenstatus für den Bundesgrenzschutz 293<br />

beteiligten Bundesminister hätten der Vorlage bereits zugestimmt 1484 . Der erste<br />

Entwurf des BMI umfasste nur zwei Paragraphen, in welchen zum einen geregelt<br />

wurde, dass der Schutz des Bundesgebietes auch die Abwehr von<br />

militärischen Angriffen umfassen solle (§ 2a) und zum anderen, dass bestimmte<br />

Aufgaben aus dem BGSG der Zollverwaltung übertragen werden könnten<br />

(§ 2b 1485 ). Der erste Entwurf des § 2a BGSG lautete wie folgt:<br />

„Die Bundesgrenzschutzbehörden können bei Sicherung des Bundesgebietes<br />

im Sinne des § 2 auch mit militärischen Mitteln geführte<br />

Angriffe mit der Waffe abwehren.“ 1486<br />

Der Begründung zum Gesetzentwurf sind einige kurze allgemeine Erläuterungen<br />

vorangestellt. Demnach habe sich das BGSG 1951 zwar bewährt, jedoch gebe<br />

„seine sehr knappe Fassung gewissen Zweifeln Raum“, sodass der vorgelegte<br />

Entwurf das Ziel verfolge, zwei Einzelfragen (Kombattantenstatus und Aufgabenübertragung<br />

an den Zoll) zu klären, bevor eine generelle Überarbeitung des<br />

BGSG 1951 erfolgen könne 1487 . Konkret zu § 2a des Entwurfes kann der Begründung<br />

entnommen werden, dass es bei der grenzpolizeilichen<br />

Aufgabenwahrnehmung des Bundesgrenzschutzes nicht auszuschließen sei, dass<br />

„Teile des Bundesgrenzschutzes durch militärisch geführte Verbände mit militärischen<br />

Mitteln angegriffen werden“ 1488 , da mittlerweile die sowjetzonale<br />

Grenzpolizei in die NVA überführt wurde 1489 .<br />

1484<br />

1485<br />

1486<br />

1487<br />

1488<br />

1489<br />

Schreiben des BMI v. 27.12.1961, Az. VI B 1-61101-B-528/61, in: BArch B 136/1928.<br />

§ 2b des Entwurfes sollte Aufgaben und Befugnisse, die sich aus dem BGSG ergeben,<br />

im Einvernehmen mit dem Bundesfinanzministerium der Zollverwaltung übertragen<br />

können.<br />

Erster Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetztes über den Bundesgrenzschutz<br />

des BMI, in: BArch B 136/1928, fol. 106.<br />

Begründung zum ersten Gesetzentwurf des BMI, in: B 136/1928, fol. 107.<br />

Ebd.<br />

Ab 1961 wurde die DDR-Grenzpolizei als „Kommando Grenze“ in die NVA eingegliedert,<br />

vgl. Klausmeier, Hinter der Mauer, Zur militärischen und baulichen Infrastruktur<br />

des Grenzkommandos Mitte, S. 170; näher zur Entwicklung der DDR-Grenztruppen<br />

nach dem Mauerbau: Sälter, Grenzpolizisten, Konformität, Verweigerung und Repression<br />

in der Grenzpolizei und den Grenztruppen der DDR 1952-1965,<br />

S. 86 ff.


294 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

Bezugnehmend auf § 2 BGSG 1951 1490 ist in der Begründung erläutert:<br />

„Es könnte angezweifelt werden, ob § 2 für die Abwehr von Angriffen<br />

militärischer Einheiten eine ausreichende Legitimation gibt; bisher ist<br />

diese Vorschrift als eine sonderpolizeiliche Ermächtigung ausgelegt<br />

worden, die nicht ohne weiteres zur Durchführung militärischer Verteidigungsmaßnahmen<br />

berechtigt und verpflichtet.“ 1491<br />

Somit erscheine es notwendig, klarzustellen, dass „bei der Sicherung des Bundesgebietes<br />

im Sinne des § 2 auch die Abwehr militärischer Angriffe mit der<br />

Waffe zu den gesetzlichen Aufgaben des Bundesgrenzschutzes“ gehöre, dass<br />

„also die Bundesgrenzschutzbehörden Teil der bewaffneten Macht im Sinne des<br />

Kriegsvölkerrechts sind“ 1492 . Die vorstehende Begründung des Entwurfes wurde<br />

bereits kurze Zeit später geringfügig modifiziert. Der damalige Bundesinnenminister<br />

Höcherl 1493 wandte sich am 16. Februar 1962 in Ergänzung zu Hölzls<br />

Schreiben erneut mit dem Hinweis an das Bundeskanzleramt, dass nun eine<br />

Neufassung der Begründung zum Gesetzentwurf erfolgt sei. Die neugefasste<br />

Begründung enthielt allerdings nur ein minimal nuanciertes Argument, warum<br />

der Bundesgrenzschutz sich gegen militärische Angriffe zur Wehr setzen können<br />

müsse. Es wurde folgender Satz in die Begründung neu mit eingefügt:<br />

„Vollzugsbeamte des Bundesgrenzschutzes können daher [aufgrund<br />

der Überführung der Grenzpolizei in die NVA] in eine Lage geraten,<br />

die sie zwingt, sich in Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrages gegen<br />

Angriffe militärischer Kräfte zur Wehr zu setzen.“ 1494<br />

1490<br />

1491<br />

1492<br />

1493<br />

1494<br />

§ 2 BGSG, BGBl. I 1951, S. 201: „Die Bundesgrenzschutzbehörden sichern das Bundesgebiet<br />

gegen verbotene Grenzübertritte, insbesondere durch die Ausübung der<br />

Passnachschau. Sie sichern das Bundesgebiet ferner gegen sonstige, die Sicherheit der<br />

Grenzen gefährdende Störungen der öffentlichen Ordnung im Grenzgebiet bis zu einer<br />

Tiefe von 30 Kilometern […]“.<br />

Begründung zum ersten Gesetzentwurf des BMI, in: BArch B 136/1928, fol. 108.<br />

Ebd.<br />

Hermann Höcherl (1912-1989), Rechtsanwalt, seit 1949 Mitglied der CSU, von 1953<br />

bis 1976 Mitglied des Bundestages, 1961 bis 1965 Bundesminister des Inneren, 1965<br />

bis 1969 Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, vgl. BArch, Die<br />

Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 13 (1960), S. 473.<br />

Neufassung des Entwurfs der Begründung, v. 16.02.1962, Az. VI B 1-61 102 B79/62,<br />

in: BArch B 136/1928.


§ 8 Kombattantenstatus für den Bundesgrenzschutz 295<br />

Dafür wurde folgender Halbsatz der Begründung in Bezug auf § 2 BGSG 1951<br />

gestrichen: „[…] nicht ohne weiteres zur Durchführung militärischer Verteidigungsmaßnahmen<br />

berechtigt und verpflichtet“ 1495 . Warum dieser Teil entfernt<br />

wurde, geht aus den Akten nicht hervor. Eine Möglichkeit besteht darin, dass in<br />

der offiziellen Begründung zu einem Gesetzentwurf, welche den Bundesgrenzschutz<br />

als Teil der bewaffneten Macht ausweisen würde, nicht konstatiert<br />

werden sollte, dass die eigentliche Aufgabenzuweisung in § 2 BGSG 1951 gar<br />

keine militärischen Verteidigungsmaßnahmen erlaube.<br />

Die Höcherl´sche Fassung vom 16. Februar 1962 wurde zur offiziellen Begründung<br />

des Entwurfes für ein Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über den<br />

Bundesgrenzschutz und die Einrichtung von Bundesgrenzschutzbehörden 1496 .<br />

Das Bundeskabinett stimmte am 9. März 1962 dem Gesetzentwurf zu 1497 . Der<br />

Bundesrat erhob in seiner Sitzung vom 30. März 1962 keine Einwendungen<br />

gegen die Vorlage der Bundesregierung 1498 .<br />

D. Kombattantenstatus für die Polizeien der Länder<br />

Zwischenzeitlich hatte der Arbeitskreis der Ständigen Konferenz der Innenminister<br />

und Innensenatoren der Länder (IMK) in seiner Sitzung am 17./18. Mai<br />

1962 es für notwendig erachtet, auch der Landespolizei völkerrechtlich den<br />

Kombattantenstatus zu verleihen. Hierzu wurden zwei Berichte verfasst, welche<br />

die Notwendigkeit des Kombattantenstatus für die Landespolizei verdeutlichen<br />

sollten 1499 . Demnach sei es nicht auszuschließen, dass auch die Landespolizei in<br />

Ausnahmefällen Situationen gegenüberstehen werde, „in denen sie sich der<br />

Gefahr einer Auseinandersetzung mit Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte<br />

nicht wird entziehen können“ 1500 . Diese Argumentation ist soweit deckungsgleich<br />

mit derjenigen im ersten Gesetzentwurf für den Bundesgrenzschutz.<br />

Darüber hinaus nennt der Bericht die Aufgaben, welcher der Polizei im Vertei-<br />

1495<br />

1496<br />

1497<br />

1498<br />

1499<br />

1500<br />

Siehe Fn. 1491.<br />

BR-Drs. 86/62, BT-Drs. IV/343.<br />

BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 15 (1962), S. 178.<br />

BR-Prot. v. 30.03.1962, 243. Sitzung, S. 57C.<br />

Bericht „Aufgaben der Polizei in einem Verteidigungsfall (Aufgabenkatalog)“ und<br />

Bericht „Völkerrechtlicher Status der Polizei in einem Verteidigungsfall“, beide in:<br />

BArch B 136/5044.<br />

Bericht „Aufgaben der Polizei in einem Verteidigungsfall“, S. 1, in: BArch B 136/5044.


296 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

digungsfall zufallen könnten. Genannt sind u.a. „Mitwirkung bei der Evakuierung<br />

und Umquartierung“, „Mitwirkung bei der Räumung und Sperrung von<br />

Gebieten“, „Mitwirkung bei der Lenkung von Flüchtlingsbewegungen“ und<br />

„Amtshilfe bei Leistungsanforderungen und Heranziehungsbescheiden“ 1501 . Der<br />

zweite „Bericht über den völkerrechtlichen Status der Polizei in einem Verteidigungsfall“<br />

konkretisiert in Bezug auf den Kombattantenstatus, dass gerade bei<br />

Wahrnehmung des Objektschutzes die Möglichkeit bestehe, sich gegen „feindliche<br />

Einzelkämpfer oder sog. Kommandotrupps, die vom Gegner auf ein von der<br />

Polizei gesichertes Objekt angesetzt werden“, mit der Waffe erwehren zu müssen<br />

1502 . Es sei daher unerlässlich, dass der Polizei der völkerrechtliche Kombattantenstatus<br />

zukomme, um vom Gegner nicht wegen „unbefugter Teilnahme<br />

an Kampfhandlungen als Freischärler zur Verantwortung“ gezogen zu werden<br />

1503 .<br />

Dies sei auch deswegen notwendig, da es zweifelhaft erscheine, „ob ein potentieller<br />

Gegner erkennen würde, dass bewaffnete Uniformträger, die militärische<br />

Operationen […] unterstützen, einen zivilen Status haben“ und die Polizei<br />

folglich ohnehin damit rechnen müsse, „dass der Gegner unmittelbar gegen sie<br />

Kampfhandlungen richtet“ 1504 . Laut dem damaligen Hamburger Innensenator<br />

und späteren Bundeskanzler Helmut Schmidt hätten die Erfahrungen während<br />

der NATO-Übung „Fallex 62“ 1505 gezeigt, dass zum Schutz „lebenswichtiger<br />

Betriebe nur Polizisten in Betracht kommen, da Territorial-Verteidigungskräfte<br />

bislang fehlen“ würden 1506 . Das Vorhaben, den Landespolizeien ebenso wie dem<br />

Bundesgrenzschutz den Kombattantenstatus zu verschaffen, gestaltete sich<br />

1501<br />

1502<br />

1503<br />

1504<br />

1505<br />

1506<br />

Ebd., S. 3 ff.<br />

„Bericht über den völkerrechtlichen Status der Polizei in einem Verteidigungsfall“, S. 8,<br />

in: BArch B 136/5044.<br />

Ebd.<br />

Ebd., S. 9.<br />

Die NATO-Übung „Fallex“ (fall exercise) vom 21.-28.09.1962 diente der „Überprüfung<br />

der Zusammenarbeit zwischen den nationalen und NATO-Organisationen im militärischen<br />

Bereich sowie den nationalen Regierungen und zivilen Dienststellen“, vgl.<br />

BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 17 (1964), S. 426; Bulletin des Presseund<br />

Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 144 vom 23.09.1964, S. 1334. Hierbei<br />

wurde die Bundeswehr nach bereits siebenjährigem Bestehen in die niedrigste Stufe<br />

durch das NATO-Oberkommando („zur Abwehr bedingt geeignet“) eingestuft; eine entsprechende<br />

Veröffentlichung über die Abwehrfähigkeit der Bundeswehr im Magazin<br />

‚Der Spiegel‘ führte zur sog. „Spiegel-Affäre“, vgl. Der Spiegel 41/1962 v. 10.10.1962,<br />

S. 32 ff.<br />

Der Spiegel 13/1963 v. 27.03.1963, S. 38.


§ 8 Kombattantenstatus für den Bundesgrenzschutz 297<br />

jedoch sehr kurzlebig. Der Plan wurde nicht weiter verfolgt, da der Bundestag<br />

am 12. Mai 1965 beschlossen hatte, die Bundesregierung zu ersuchen „jede<br />

Initiative zum Abschluss einer internationalen Polizeikonvention zu unterstützen“<br />

1507 . Das Ziel einer internationalen Polizeikonvention sollte die völkerrechtliche<br />

Einordnung der Polizeikräfte, z.B. durch das Tragen eines internationalen<br />

Erkennungszeichens und einer Konkretisierung der Befugnisse im<br />

bewaffneten Konfliktfall, sein 1508 . Jedoch gestaltete sich das Vorhaben schwierig<br />

und konnte nicht erreicht werden. Nach wie vor kennt das im internationalen<br />

bewaffneten Konflikt anwendbare Völkerrecht „keinen besonderen Primärstatus<br />

der Polizei“ 1509 .<br />

E. Erste Parlamentarische Debatte<br />

Die erste Beratung im Bundestag fand am 24. Januar 1963 statt. Zu einer detaillierten<br />

Debatte kam es allerdings nicht, da der Gesetzentwurf zusammen mit<br />

mehreren anderen Entwürfen, u.a. dem Zivildienstgesetz, beraten wurde, welchen<br />

in der Sitzung mehr Beachtung zukam. Bundesinnenminister Höcherl<br />

stellte in seiner Rede heraus, dass der Gesetzentwurf vor allem „völkerrechtliche<br />

Bedeutung“ hatte und dem Schutz der Beamten dienen würde 1510 . In seinen<br />

Ausführungen hielt er sich eng an die Begründung zum Gesetzentwurf 1511 und<br />

ergänzte diesen inhaltlich nicht. Abschließend tätigte er eine beachtenswerte<br />

Nebenbemerkung in Bezug auf die Polizeien der Länder. Alle Innenminister und<br />

Innensenatoren seien Höcherls Aussage zufolge der Überzeugung, dass man<br />

„eine solche Schutzfunktion auch auf die allgemeine Polizei ausdehnen sollte“<br />

1512 . Nach der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz für die<br />

Verteidigung gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG wäre der Bund zwar auch in<br />

Bezug auf die Polizeibehörden der Länder für eine Regelung in der Angelegen-<br />

1507<br />

1508<br />

1509<br />

1510<br />

1511<br />

1512<br />

BT-Drs. IV/1505; BT-Drs. IV/3003 (neu). Offiziell teilte das Bundesministerium des<br />

Inneren am 27.05.1964 mit, dass „für die uniformierte Polizei der Bundesländer und für<br />

den Zollgrenzdienst der Kombattantenstatus nicht mehr angestrebt“ werde, dieser dagegen<br />

für den Bundesgrenzschutz „erforderlich“ sei, vgl. Mitteilung der GdP v.<br />

15.07.1964, in: BArch B 136/1929, S. 231.<br />

BT-Drs. V/496.<br />

Ipsen, in: Fleck (Hrsg.), Handbuch des humanitären Völkerrechts, S. 64.<br />

BT-Prot. vom 24.01.1963, 56. Sitzung, S. 2483C.<br />

BT-Drs. IV/343, S. 3.<br />

BT-Prot. vom 24.01.1963, 56. Sitzung, S. 2484A.


298 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

heit des Kombattantenstatus zuständig gewesen, jedoch betraf die aktuelle<br />

Gesetzesvorlage nur den Bundesgrenzschutz.<br />

Ein derartiges Vorhaben, die Zuerkennung des Kombattantenstatus für die<br />

Länderpolizeien, wurde auch nicht weiter verfolgt, sondern nur dahingehend<br />

ergänzend betrieben, als dass die Bundesregierung vom Bundestag ermächtig<br />

wurde, eine internationale Polizeikonvention anzustreben, welche den völkerrechtlichen<br />

Status der Polizei konkretisieren sollte 1513 . Für die SPD-Fraktion<br />

äußerte sich Karl-Heinz Lünenstraß 1514 (SPD) zu dem Gesetzentwurf. Er erklärte,<br />

dass „nur das Argument zum Schutz der Beamtenschaft nicht allein durchdurchschlagend<br />

sein“ könne 1515 . Weiterhin führte er an, dass insofern jemand<br />

den Polizeiberuf erwähle, er sich für einen Zivilberuf entscheide und man sich<br />

„ernsthaft überlegen“ müsse, inwieweit dies mit der Verleihung des Kombattantenstatus<br />

in Einklang zu bringen sei 1516 . Der Abgeordnete Hermann Busse 1517<br />

(FDP) mahnte, dass er im Namen der Freien Demokraten „allerstärkste Bedenken“<br />

gegen die „Erweiterung auf den zivilen Sektor“ anmelde 1518 . Den<br />

Bundesgrenzschutz nahm er jedoch offensichtlich von seinen Bedenken aus,<br />

denn er erklärte weiterhin: „Was man bei dem Bundesgrenzschutz vielleicht tun<br />

kann, kann man noch nicht ohne weiteres für weitere zivile Beamte unternehmen.“<br />

1519 . Grund hierfür waren die Äußerungen des Bundesinnenministers<br />

Höcherl, der wie angemerkt erwähnte, dass der Kombattantenstatus möglicherweise<br />

auf die Bereitschaftspolizeien der Länder ausgedehnt werden könnte. Erst<br />

mit dem in dieser Sitzung eingebrachten Antrag der SPD-Fraktion 1520 , dass der<br />

Bundestag den Abschluss einer internationalen Polizeikonvention anstreben<br />

solle, in welcher die völkerrechtliche Stellung der Polizeibeamten eindeutig<br />

festgelegt sei, geriet das Vorhaben, den Landespolizeien den Kombattantensta-<br />

1513<br />

1514<br />

1515<br />

1516<br />

1517<br />

1518<br />

1519<br />

1520<br />

Siehe S. 295.<br />

Karl-Heinz Lünenstraß (1919-1963), Schriftsetzer, Soldat in der Wehrmacht, seit 1945<br />

Mitglied der SPD, von 1957 bis 1963 Mitglied des Bundestages, vgl. Vierhaus/Herbst<br />

(Hrsg.), Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949-<br />

2002, Bd. 1, S. 523.<br />

BT-Prot. vom 24.01.1963, 56. Sitzung, S. 2539B.<br />

Ebd.<br />

Hermann Busse (1903-1970), Rechtsanwalt, seit 1949 Mitglied der FDP, 1952 bis 1961<br />

Mitglied des Verfassungsgerichtshof NRW, 1961 bis 1969 Mitglied des Bundestages,<br />

vgl. Vierhaus/Herbst (Hrsg.), Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen<br />

Bundestages 1949-2002, Bd. 1, S. 116.<br />

BT-Prot. vom 24.01.1963, 56. Sitzung, S. 2544D.<br />

Ebd.<br />

BT-Drs. IV/1505.


§ 8 Kombattantenstatus für den Bundesgrenzschutz 299<br />

tus zu verschaffen, in den Hintergrund. Der eingebrachte Gesetzentwurf bezüglich<br />

des Bundesgrenzschutzes wurde in der ersten Sitzung dem Ausschuss für<br />

Inneres federführend und dem Ausschuss für Verteidigung sowie dem Rechtsausschuss<br />

zur Mitberatung überwiesen 1521 .<br />

F. Widerstand gegen den Gesetzentwurf<br />

Im Jahr 1963 begann sich nach der ersten Behandlung im Bundestag der Widerstand<br />

der Berufsverbände gegen die Verleihung des Kombattantenstatus zu<br />

manifestieren. In einer bespiellosen Aktion wandten sich die Gewerkschaft<br />

öffentliche Dienste Transport und Verkehr (ÖTV) sowie die Gewerkschaft der<br />

Polizei (GdP) mit fachkundiger Unterstützung gegen das generelle Vorhaben,<br />

Polizeibeamten den Status von Kombattanten zu verschaffen. Der Widerstand<br />

kann deshalb also so energisch bezeichnet werden, da er sich nicht nur gegen die<br />

Verschaffung des Kombattantenstatus an den Bundesgrenzschutz, sondern vor<br />

allem gegen die Verleihung desselben an die Polizeien der Länder richtete. Die<br />

Innenministerkonferenz hatte zwar 1962 nur innerhalb eines Arbeitskreises das<br />

Vorhaben unterstützt, dass alle Länderpolizeien auch den Kombattantenstatus<br />

erhalten sollten 1522 , jedoch wurde zu Jahresbeginn 1963 nicht offiziell verkündet,<br />

dass der Kombattantenstatus nur noch für den Bundesgrenzschutz<br />

angestrebt würde. Sogar der Bundesinnenminister Höcherl erklärte sinngemäß<br />

vor dem Bundestag bei der ersten Lesung des BGSErgG, dass er es nicht für<br />

ausgeschlossen halte, auch den Länderpolizeien die Kombattanteneigenschaft zu<br />

verschaffen 1523 . Somit sahen sich die Berufsvertretungsverbände gezwungen,<br />

schnell zu handeln und dem Vorhaben der Verleihung des Kombattantenstatus<br />

generell, für die Landespolizeien sowie für den Bundesgrenzschutz, entschlossen<br />

entgegenzutreten.<br />

Die Gewerkschaften gaben bei verschiedenen Völkerrechtlern Gutachten in<br />

Auftrag, welche die Rechtswidrigkeit der Verleihung des Kombattantenstatus an<br />

Polizeibeamte feststellen sollten 1524 . Die ÖTV engagierte den damaligen Leiter<br />

1521<br />

1522<br />

1523<br />

1524<br />

BT-Prot. vom 24.01.1963, 56. Sitzung, S. 2557C.<br />

Siehe Fn. 1500.<br />

BT-Prot. vom 24.01.1963, 56. Sitzung, S. 2484A.<br />

ÖTV (Hrsg.), Die völkerrechtliche Stellung der Polizei in der Bundesrepublik, Gutachten<br />

von Berber, (zit. als: Berber, Rechtsgutachten 1963); GdP (Hrsg.), Polizei muss


300 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

des Instituts für Völkerrecht der Universität München, Professor Friedrich<br />

Berber, und die GdP den Professor für Völkerrecht Felix Ermacora sowie den<br />

Rechtsanwalt Andreas Hamann. Alle Gutachten der Gewerkschaften kamen zu<br />

dem Ergebnis, dass eine Verleihung des Kombattantenstatus an Polizeibeamte<br />

nicht möglich sei.<br />

Die Bundesregierung beauftragte auf die Gutachten der Gewerkschaft hin Professor<br />

Ulrich Scheuner mit der Erstellung eines Gegengutachtens. Das<br />

Gegengutachten kommt demgegenüber zu dem Ergebnis, dass der Polizei, im<br />

speziellen dem Bundesgrenzschutz, der Kombattantenstatus rechtmäßig verschafft<br />

werden könne 1525 . Auf diese Darstellung von Scheuner erstellte Berber<br />

eine Erwiderung, in welcher er seinen Standpunkt erneut darlegte 1526 . Die Angelegenheit<br />

des Kombattantenstatus führte hier zu einem akademischen Disput, der<br />

stellenweise sehr scharfzüngig geführt wurde. Alle genannten Gutachten sowie<br />

die Erwiderung Berbers wurden im Laufe des Jahres 1963 verfasst. Das Engagement<br />

der Gewerkschaften konnte jedoch nicht verhindern, dass der<br />

Gesetzentwurf, wenn auch in veränderter Form, den Bundestag im Mai 1965<br />

passierte und das Gesetz in Kraft treten konnte. Dennoch gab die ÖTV im<br />

gleichen Jahr erneut ein Gutachten, diesmal bei Professor Reinhold Zippelius, in<br />

Auftrag, welches bei erweiterter Argumentation wie in den vorherigen Gutachten<br />

die Rechtswidrigkeit der Verleihung des Kombattantenstatus feststellen<br />

sollte 1527 . Auf der Basis des Gutachtens von Zippelius und mit Unterstützung<br />

durch die ÖTV reichten mehrere Beamte des Bundesgrenzschutzes schließlich<br />

erfolglos Verfassungsbeschwerde beim BVerfG gegen § 2b des BGSErgG ein.<br />

Die nicht unerheblichen Anstrengungen der Gewerkschaften waren letztlich<br />

wirkungslos und konnten die Verleihung des Kombattantenstatus an den Bundesgrenzschutz<br />

nicht abwenden.<br />

1525<br />

1526<br />

1527<br />

Polizei bleiben, Gutachten von Ermacora, (zit. als: Ermacora, Rechtsgutachten 1963)<br />

und Gutachten von Hamann, (zit. als: Hamann, Rechtsgutachten 1963).<br />

Gutachten zur kriegsrechtlichen Stellung der Polizei und des Bundesgrenzschutzes im<br />

Verteidigungsfalle von Scheuner v. 02.08.1963, in Auftrag gegeben durch das BMI, in:<br />

BArch B 136/5044, (zit. als: Scheuner, Rechtsgutachten 1963).<br />

ÖTV, Bemerkungen von Berber zum Gutachten von Scheuner, (zit. als: Berber, Erwiderung<br />

auf Scheuner 1963).<br />

ÖTV, Die Verleihung des Kombattantenstatus an den Bundesgrenzschutz, Gutachten<br />

von Zippelius, (zit. als: Zippelius, Rechtsgutachten 1965).


§ 8 Kombattantenstatus für den Bundesgrenzschutz 301<br />

I. Rechtsgutachten Berber<br />

Die ÖTV war besonders über die Arbeitskreisergebnisse der Innenministerkonferenz<br />

vom Mai 1962, nach welchen zufolge den Polizeibeamten der Länder<br />

auch der Kombattantenstatus verliehen werden sollte 1528 , zunehmend besorgt.<br />

Sie bat Berber, mit Schreiben vom 19. Oktober 1962 ein „der Bundesregierung<br />

und der Länderregierungen entgegenstehendes Gutachten“ zu erstellen 1529 .<br />

Berber teilte der ÖTV hierauf mit, dass er diesem Wunsch nicht entsprechen,<br />

sondern dass er nur ein „unparteiisches wissenschaftliches Gutachten“ anfertigen<br />

könne 1530 . Diesbezüglich kann der Vorbemerkung zu dem Gutachten<br />

entnommen werden, dass Berber es sich zum Ziel gesetzt habe, „in streng<br />

unparteilicher Weise“ die wissenschaftliche Klärung „über die Frage der eventuellen<br />

Verleihung des völkerrechtlichen Kombattantenstatus an die<br />

uniformierte Polizei in der Bundesrepublik vorzunehmen“ 1531 . Der Gesetzentwurf<br />

der Bundesregierung bezüglich des Bundesgrenzschutzes steht in Berbers<br />

Gutachten nicht im Vordergrund.<br />

Berber gibt zunächst einen Überblick über die Rechtsquellen des Kriegsvölkerrechts<br />

und erläutert den Begriff des Kombattanten. Sogleich kommt er in diesem<br />

Zusammenhang zu dem Ergebnis, dass nicht das Völkerrecht bestimme, „dass,<br />

wer von seiner Regierung als Kombattant erklärt sei, den völkerrechtlichen<br />

Kombattantenstatuts […] erhalte“, sondern dass den Kombattantenstatus „vielmehr<br />

ausschließlich die in den völkerrechtlichen Regelungen erschöpfend<br />

aufgezählten Personenkategorien“ automatisch erhalten 1532 .<br />

Diese Feststellung ist für die Bezeichnung der Thematik als „Verleihung des<br />

Kombattantenstatus“ entscheidend, denn eine „Verleihung“ sieht das Kriegsvölkerrecht<br />

genau genommen nicht vor. Treffend formuliert Berber hierzu, dass der<br />

Kombattantenstatus nur dadurch verschafft werden kann, dass man bestimmte<br />

Personenkategorien „einer der völkerrechtlich erschöpfend aufgezählten Kategorien<br />

einreiht, zuteilt, ihren Status in den einer solchen umwandelt“ – „sie in sie<br />

1528<br />

1529<br />

1530<br />

1531<br />

1532<br />

Vgl. S. 294.<br />

Schreiben ÖTV, Az.: Ho/Se II-3/2009 v. 19.10.1962, in: AdsD, HFA III,<br />

5/ÖTVB821016.<br />

Schreiben von Berber an die ÖTV v. 24.10.1962, in: AdsD, HFA III, 5/ÖTVB821016.<br />

Berber, Rechtsgutachten 1963, S. 5.<br />

Ebd., S. 9.


302 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

überführt, sie in sie transformiert“ 1533 . Im Umkehrschluss gibt Berber damit aber<br />

auch zu, dass eine Verschaffung des Kombattantenstatus für Angehörige der<br />

Polizei faktisch durch „Transformation“ o.ä. möglich sein muss. Der erste<br />

Gesetzentwurf der Bundesregierung unterließ allerdings diese „Transformation“<br />

oder „Einreihung“ ausdrücklich. § 2a des ersten Gesetzentwurfes normierte nur,<br />

dass die Bundesgrenzschutzbehörden bei Sicherung des Bundesgebietes auch<br />

„mit militärischen Mitteln geführte Angriffe mit der Waffe abwehren“ können<br />

1534 . Lediglich der offiziellen Begründung des Entwurfes kann eine Passage<br />

entnommen werden, die dem Telos nach eine „Einreihung“ oder „Transformation“<br />

sein könnte. Die offizielle Begründung erläutert zu § 2a BGSErgG, dass<br />

„die Bundesgrenzschutzbehörden Teil der bewaffneten Macht im Sinne des<br />

Kriegsvölkerrechts“ wären 1535 .<br />

An diese Grundannahmen anschließend erläutert Berber die verschiedenen<br />

Personenkategorien nach der HLKO und den Genfer Konventionen von<br />

1949 1536 , welchen der Kombattantenstatus zukommt. Zu diesen Kategorien der<br />

„legalen Kombattanten“ 1537 zählen die regulären Streitkräfte, die nicht zu den<br />

regulären Streitkräften gehörenden Milizen und Freiwilligenkorps sowie die<br />

Bevölkerung eines nicht besetzten Gebietes, welche beim Herannahen des<br />

Feindes aus eigenem Antrieb zu den Waffen greift. Seinen Ausführungen zufolge<br />

gehören die Angehörigen der Polizei zu keiner dieser Kategorien. Vielmehr<br />

bedürfe es „keines näheren Nachweises, dass die Polizei in der Bundesrepublik<br />

bei ihrer gegenwärtigen Organisationsform und Aufgabensetzung nicht unter<br />

den Begriff der Streitkräfte“ falle 1538 , bzw. die Polizei keinesfalls automatisch zu<br />

den in den „Konventionen erschöpfend aufgeführten Personenkategorien gehöre,<br />

denen die Privilegien der Kombattanten zustehen“ 1539 . Berber gibt schließlich<br />

1533<br />

1534<br />

1535<br />

1536<br />

1537<br />

1538<br />

1539<br />

Ebd., S. 9, 14.<br />

Vgl. § 2a erster Entwurf des BGSErgG, BT-Drs. IV/343, S. 2.<br />

BT-Drs. IV/343, S. 3.<br />

I. Genfer Abkommen vom 12.08.1949 zur Verbesserung des Loses der Verwundeten<br />

und Kranken der Streitkräfte im Felde (BGBl. II 1954, S. 783); II. Genfer Abkommen<br />

vom 12.08.1949 zur Verbesserung des Loses der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen<br />

der Streitkräfte zur See (BGBl. II 1954, S. 813); III. Genfer Abkommen vom<br />

12.08.1949 über die Behandlung der Kriegsgefangenen (BGBl. II 1954, S. 838); IV.<br />

Genfer Abkommen vom 12.08.1949 zum Schutze von Personen in Kriegszeiten (BGBl.<br />

II 1954, S. 917).<br />

Berber, Rechtsgutachten 1963, S. 10.<br />

Ebd., S. 15.<br />

Ebd., S. 17.


§ 8 Kombattantenstatus für den Bundesgrenzschutz 303<br />

Aufschluss darüber, wie der Polizei der Kombattantenstatus verschafft werden<br />

könne. Dies könne nicht durch eine „innerstaatliche Erklärung“ geschehen,<br />

sondern nur dadurch, dass „die Polizei nicht nur formell, sondern faktisch,<br />

effektiv einer der in den Genfer Konventionen erschöpfend aufgezählten Kategorien<br />

legaler Kombattanten unterfällt“ 1540 . Konkret müsste also die Polizei<br />

Berber zufolge unter die Streitkräfte subsumiert, bzw. den Streitkräften angegliedert<br />

werden. Dies allerdings wäre eine „sinnwidrige Denaturierung“ 1541 .<br />

Berber schließt sein Gutachten mit dem Appell, dass eine internationale Polizeikonvention<br />

„über die Rechtstellung der Polizeibeamten“ sinnvoll wäre 1542 .<br />

Konkret auf die Gesetzesvorlage der Bundesregierung bzw. auf den Bundesgrenzschutz<br />

ging Berber in seinem Gutachten nicht ein. Jedoch stellt Berbers<br />

Gutachten einen wichtigen Beitrag dar, da hier in Bezug auf vorliegende Thematik<br />

erstmals richtigerweise dargelegt wurde, dass der bloße Auftrag in einem<br />

Gesetz, das Bundesgebiet im Kriegsfalle mit der Waffe zu verteidigen, wie im<br />

ersten Entwurf des BGSErgG geschehen, nicht den völkerrechtlichen Ansprüchen<br />

der Einordnung in eine Kategorie der Kombattanten genügen kann.<br />

Beachtenswert ist Berbers persönliche Auffassung zur Frage danach, ob der<br />

Bundesgrenzschutz den Kombattantenstatus erhalten sollte oder nicht, welche in<br />

seinem Gutachten jedoch verständlicherweise nicht niedergelegt ist. In einer<br />

persönlichen Unterredung mit seinen Auftraggebern von der ÖTV erklärte<br />

Berber in Bezug auf das konkrete Gesetzesvorhaben, dass „aus dem Auftrag des<br />

Bundesgrenzschutz ganz klar erkennbar sei, dass er als ‚Kämpfer‘ gelte und<br />

somit notwendigerweise Kombattant sein müsse“ 1543 . Seine Aussage beinhaltet<br />

keineswegs einen Widerspruch zu seinem Gutachten, da er nicht erklärte, dass<br />

das konkrete Gesetzesvorhaben dem Bundesgrenzschutz rechtsgültig den Kombattantenstatus<br />

verleihe, sondern nur, dass es grundsätzlich nicht abwegig sei,<br />

den Beamten des Bundesgrenzschutzes die Kombattanteneigenschaft zu verschaffen.<br />

Berbers Gutachten stieß auf reges Interesse. In diesem Zusammenhang darf der<br />

Vollständigkeit halber nicht unerwähnt bleiben, dass die Person Berbers auf-<br />

1540<br />

1541<br />

1542<br />

1543<br />

Ebd., S. 25.<br />

Ebd., S. 27.<br />

Ebd., S. 29.<br />

Gedächtnisprotokoll über die Besprechung mit Berber und den Vorständen der ÖTV v.<br />

16.11.1962, S. 3, in: AdsD, HFA III, 5/ÖTVB821016.


304 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

grund ihrer Vergangenheit eine gewisse Angriffsfläche bot, welche auch das<br />

Gutachten betraf. Kurz nach Erstellung des Gutachtens teilte der ÖTV-Vorstand<br />

Berber mit, dass „versucht würde, dem Gutachter oder dem Gutachten eine<br />

bestimmte politische Ideologie aufzuprägen. Es seien der ÖTV Unterlagen auf<br />

den Tisch gelegt worden, die den Lebenslauf Prof. Berbers beträfen“ 1544 .<br />

Berber war während der Zeit des Nationalsozialismus zunächst ab 1933 stellvertretender<br />

Leiter der Rechtsabteilung im Reichskanzleramt, ab 1935 in der „von<br />

der NSDAP finanzierten ‚Dienststelle Ribbentrop‘ tätig“ und ab 1937 Leiter des<br />

„Deutschen Instituts für Außenpolitische Forschung“ 1545 . Er gehörte zudem seit<br />

1936 zu Ribbentrops „engsten Vertrauten“ und war Mitglied der NSDAP 1546 .<br />

Während des Krieges verweilte er zeitweise im Auftrag des Auswärtigen Amtes<br />

beim Internationalen Roten Kreuz in der Schweiz. Berber wurde vor allem<br />

wegen seiner angeblichen Nähe zu Ribbentrop sowie für bestimmte Veröffentlichungen<br />

in Fachzeitschriften kritisiert 1547 . Die konkreten Vorhalte während der<br />

Besprechung mit dem Vorstand der ÖTV, wies Berber entschieden zurück und<br />

erklärte, dass er sogar „durch unmittelbare Intervention bei der Reichsregierung“<br />

erwirken habe können, dass eine Deportation von 300.000 Juden in Budapest<br />

nicht erfolgt sei 1548 . In einem weiteren Schreiben an die ÖTV teilte Berber mit,<br />

1544<br />

1545<br />

1546<br />

1547<br />

1548<br />

Aktenvermerk von Krüger v. 05.02.1963, S. 2, in: AdsD, HFA III, 5/ÖTVB821016.<br />

Toppe, Militär und Kriegsvölkerrecht, S. 217.<br />

Meyer/Nathow, Dachauer Hefte 2006, 60.<br />

Berber, MhAP 7/1940, 475 (480): „Nun hat Frankreich geerntet, was es gesät hat. Seine<br />

Unfähigkeit, im Jahre 1919 einen gerechten Frieden zu schaffen, seine Unfähigkeit, ein<br />

dauerndes Freundschaftsverhältnis zum Deutschen Reich zu gewinnen, seine Unfähigkeit,<br />

in dem wechselnden Spiel europäischer Machtpolitik eine schöpferische Rolle zu<br />

spielen, seine Unfähigkeit, das große welthistorische Geschehen in Deutschland zu verstehen<br />

oder auch nur verstehen zu wollen, haben zu einer Erstarrung der französischen<br />

Position geführt, die in voller Verkennung der wahren Machtverhältnisse an einem auch<br />

seit 1919 nicht gerechtfertigten Hochmut zwanzig Jahre lang festhielt“; Berber, JfAP<br />

1941, 1 (2): „Die englische Regierung hat demgegenüber den Krieg mit Deutschland direkt<br />

gesucht, hat ihre Bindung mit Polen absichtlich so gestaltet, dass sie verpflichtet<br />

war, in den Krieg gegen Deutschland einzutreten […].“; Berber, MhAP 7/1940, 331<br />

(332): „Die in den Feindländern längst als Reaktion auf ihre unsinnigen Maßnahmen<br />

gefürchtete innere Entwicklung Deutschlands trat ein: der Nationalsozialismus ergriff in<br />

Deutschland die Macht. Zugleich aber – und darin lag das Wunder – stellte diese zur<br />

Macht gekommene Regierung ein Programm der friedlichen Revision, des peaceful<br />

change auf, statt, was nicht verwunderlich, sondern natürlich gewesen wäre, eines Programms<br />

des Hasses, der Gewalt, der Revanche.“; Berber, MhAP 7/1940, 3 (4): „Die<br />

englische Schuld am Kriege ist ebenso eine juristische wie eine weltgeschichtliche<br />

Schuld […]“.<br />

Aktenvermerk von Krüger v. 05.02.1963, S. 3, in: AdsD, HFA III, 5/ÖTVB821016.


§ 8 Kombattantenstatus für den Bundesgrenzschutz 305<br />

dass es sich bei seiner Tätigkeit ab 1933 „um einen vom ersten Tag an systematisch<br />

unternommenen Widerstand handelte, der insbesondere, was die Rettung<br />

von Menschenleben anlangt, aber auch in sonstiger Beziehung erfolgreich war“,<br />

er „dabei mehr als einmal Kopf und Kragen“ riskiert habe und es ihm daran<br />

liege, dass der ÖTV-Vorstand Vertrauen in denjenigen habe, der „in einer so<br />

wichtigen Angelegenheit ein Gutachten erstattet hat“ 1549 .<br />

Die Vorwürfe gegen Berber rissen nicht ab, sondern erreichten 1964 kurzzeitig<br />

ihren Höhepunkt, als die Schriftenreihe „Braune Universität“ 1550 publiziert<br />

wurde, welche Lebensläufe „eindeutig belasteter zwischenzeitlich wieder zum<br />

Establishment zählender Gelehrter“ 1551 enthielt. Berber konnte jedoch ein Jahr<br />

nach Erscheinen der Schriftenreihe den Autor Rolf Seeliger davon überzeugen,<br />

dass die Darstellung seiner Person fehlerhaft sei. Seeliger bestätigte Berber in<br />

einem Schreiben, welches auch an alle Bezieher der Schriftenreihe gesendet<br />

wurde, den „hundertprozentigen Widerruf seiner Behauptungen“, da sich in<br />

einem Gespräch mit Berber „wesentliche Fakten“ ergeben hatten, die ihm „nicht<br />

bekannt waren und nicht bekannt sein konnten“ und Berber somit „nicht als<br />

Nationalsozialist anzusehen sei“ 1552 .<br />

Die neuere Forschung bewertet Berbers Rolle während der NS-Zeit hingegen<br />

differenziert. Sie wird als bis heute „nicht geklärt“ bezeichnet bzw. wird Berber<br />

belastend ausgelegt 1553 . In seinen Memoiren merkt er zu seiner Tätigkeit während<br />

des Nationalsozialismus an:<br />

„In solchen Zeiten wird es zur Tugend, vorsichtig, zurückhaltend,<br />

klug, schlau, undurchsichtig, doppelgesichtig zu sein, Eigenschaften,<br />

die mancher mir für jene Zeit vorwerfen zu können glaubte, obwohl<br />

1549<br />

1550<br />

1551<br />

1552<br />

1553<br />

Schreiben Berbers an die ÖTV v. 18.02.1963, in: AdsD, HFA III, 5/ÖTVB821016.<br />

Berbers Vita mit Anmerkungen, in: Seeliger, Braune Universität, S. 10 ff.<br />

Bayer/Sparing/Woelk, Universitäten und Hochschulen im Nationalsozialismus und der<br />

frühen Nachkriegszeit, S. 16.<br />

Schreiben von Rolf Seeliger an die Bezieher des 1. Heftes der Dokumentation „Braune<br />

Universität – Deutsche Hochschullehrer gestern und heute“, v. Mai 1965, in: AdsD,<br />

HFA III, 5/ÖTVB821016.<br />

Als „nicht geklärt“, „fragwürdig“: Taschka, Diplomat ohne Eigenschaften, S. 213; a.A.<br />

die Berbers Tätigkeit im Dienste der Propaganda des Nationalsozialismus sehen: Toppe,<br />

Militär und Kriegsvölkerrecht, S. 218; Longerich, Propagandisten im Krieg, S. 53,<br />

Fn. 40; Meyer/Nathow, Dachauer Hefte 2006, 61; Botsch, Politische Wissenschaften im<br />

Zweiten Weltkrieg, S. 263.


306 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

sie doch in solcher Zeit die Bedingungen des Überlebens sind, wenn<br />

man nicht bloß stillsitzen und eine Pension verzehren, sondern aktiv<br />

wirksam sein will.“ 1554 .<br />

Unabhängig von der Einordnung der Person Berbers in die Zeit 1933 bis 1945,<br />

wird man im Hinblick auf sein Gutachten und des später erstellten Gegengutachtens<br />

zum Ergebnis kommen müssen, dass er die gutachterliche Tätigkeit<br />

objektiv und unvoreingenommen durchgeführt hat. Er erklärte im Vorfeld<br />

bereits, dass er nicht bereit sei, eine Expertise zu verfassen, welche die Ansicht<br />

der Bundesregierung widerlege, sondern dass er rein wissenschaftlich arbeite.<br />

Die erhobenen Vorwürfe gegen Berber in Bezug auf die Gutachten sind folglich<br />

als substanzlos anzusehen.<br />

II. Rechtsgutachten Ermacora<br />

Die beiden von der GdP in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten von<br />

Ermacora 1555 und Hamann beziehen sich im Gegensatz zu Berbers Gutachten<br />

direkt auf den von der Bundesregierung eingebrachten ersten Entwurf des<br />

BGSErgG.<br />

Ermacora untersucht in seinem Gutachten zunächst, ähnlich wie Berber, die<br />

Kategorien nach der HLKO und den Genfer Abkommen von 1949, welchen die<br />

Kombattanteneigenschaft zukommt. Hieran anknüpfend stellt er die zentrale<br />

Frage, ob der Bundesgrenzschutz als Teil der Armee angesehen werden kann,<br />

was er von vier Faktoren abhängig macht: Von der Entstehungsgeschichte, den<br />

zugewiesenen Aufgaben, der zugewiesenen Stellung im Gefüge der Staatsorganisation<br />

und der dienstrechtlichen Stellung der Angehörigen des<br />

Bundesgrenzschutzes 1556 .<br />

Ermacora kommt zu dem Ergebnis, dass es erstens die Zielsetzung der Gründung<br />

des Bundesgrenzschutzes gewesen sei, in Grenznähe polizeiliche<br />

1554<br />

1555<br />

1556<br />

Berber, Zwischen Macht und Gewissen, S. 90.<br />

Felix Ermacora (1923-1995), 1957 Professor für öffentliches Recht in Innsbruck, 1964<br />

bis 1994 Vorstand des Instituts für Staats- und Verwaltungsrecht in Wien, seit 1958<br />

Mitglied der Europäischen Menschenrechtskommission, Präsident der UN-<br />

Menschenrechtskommission 1974, vgl. Blumenwitz, ZfP 3/1995, 341.<br />

Ermacora, Rechtsgutachten 1963, S. 8.


§ 8 Kombattantenstatus für den Bundesgrenzschutz 307<br />

Aufgaben durchzuführen 1557 . Zweitens die zugewiesenen Aufgaben „polizeilicher<br />

Natur“ bzw. „typisch polizeiliche“ Aufgaben seien 1558 . Drittens der<br />

Bundesgrenzschutz „nie Militär war bzw. ist“ 1559 . Und abschließend viertens die<br />

Angehörigen des Bundesgrenzschutzes „anderen dienstrechtlichen Vorschriften“<br />

unterliegen als Soldaten 1560 . Ermacoras Analyse soll zeigen, dass der Bundesgrenzschutz<br />

nicht zum Heer im Sinne der HLKO gerechnet werden kann. Auf<br />

dieses Ergebnis hin stellt er die Frage, ob sich daran etwas ändern würde, wenn<br />

der eingebrachte erste Gesetzentwurf vom Bundestag verabschiedet werden<br />

würde. Ermacora vermag auch dies nicht zu bejahen. Mit dem Gesetzentwurf<br />

werde zwar dem Bundesgrenzschutz eine „neue Funktion“, die Abwehr militärischer<br />

Angriffe, übertragen, jedoch würden sich der „Charakter als<br />

Sonderpolizei“, der „organisatorische Aufbau“ und die Stellung der Beamten<br />

nicht verändern, was zur Folge hätte, dass der Bundesgrenzschutz eben nicht<br />

Teil der Armee würde 1561 . Der erste Entwurf der Bundesregierung hätte „vielleicht“<br />

zur Folge, dass der Bundesgrenzschutz „faktisch zu Teilen der<br />

bewaffneten Macht“ werden würde, dies würde aber keine notwendige „rechtliche<br />

Zugehörigkeit“ zu ihr begründen 1562 . Der alleinige Verteidigungsauftrag aus<br />

§ 2a des Gesetzentwurfes mache eine Person nicht zum „Mitglied einer bewaffneten<br />

Macht“ 1563 . Ermacora fasst seine Resultate am Ende des Gutachtens in<br />

zehn Punkten zusammen. Hier konstatiert er zwar mehrfach, dass der Bundesgrenzschutz<br />

kein Teil der Armee sei – weder im Sinne der HLKO noch im Sinne<br />

der Genfer Abkommen, relativiert jedoch sein vorher augenscheinlich deutliches<br />

Ergebnis in zwei Punkten. Ziffer 6 der Zusammenfassung lautet:<br />

„Bundesgrenzschutzbeamte könnten im Falle der Gesetzwerdung des<br />

Entwurfes nur dann zu Mitgliedern der ‚übrigen bewaffneten Macht’<br />

gerechnet werden, wenn man alleine den Verteidigungsauftrag, den<br />

der Gesetzentwurf niederlegt, als genügende gesetzliche Grundlage<br />

für die Neuorganisation des Bundesgrenzschutzes durch die Organisationsgewalt<br />

anerkennt.“ 1564<br />

1557<br />

1558<br />

1559<br />

1560<br />

1561<br />

1562<br />

1563<br />

1564<br />

Ebd., S. 10.<br />

Ebd.<br />

Ebd., S. 11.<br />

Ebd.<br />

Ebd., S. 12.<br />

Ebd.<br />

Ebd., S. 14.<br />

Ebd., S. 19.


308 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

Weiter lautet Ziffer 10 der Zusammenfassung:<br />

„Nur eine großzügige Interpretation kann die Absicht der Bundesregierung<br />

aus dem Gesetzentwurf selbst bestätigt sehen, dass bei<br />

Gesetzwerdung desselben durch diesen der Bundesgrenzschutz Teil<br />

der bewaffneten Macht würde.“ 1565<br />

Ermacora kommt deswegen zu diesen beiden Schlussfolgerung, weil er die<br />

Frage stellt, „ob man im ‚Ernstfall’ nicht auf dem Wege extensivster Interpretation<br />

der völkerrechtlichen Bestimmungen wie des innerstaatlichen Rechtes zu<br />

dem von der Bundesregierung erwünschten Ergebnis kommt, bzw. kommen<br />

muss.“ 1566 .<br />

Den Gesetzentwurf bzw. die Verschaffung der Kombattanteneigenschaft über<br />

die grundsätzliche Ablehnung der möglichen Zugehörigkeit des Bundesgrenzschutzes<br />

zu einer legalen Kombattantengruppe anzugreifen, hat sich somit nicht<br />

als sehr wirksam erwiesen. Besonders wird dies dadurch sichtbar, dass<br />

Ermacora sogar unter besonderen Umständen die Wirkung des ersten Gesetzentwurfes,<br />

die Verleihung des Kombattantenstatus an den Bundesgrenzschutz,<br />

anerkennen will, bzw. dadurch, dass eine Modifikation des ersten Gesetzentwurfes<br />

die von Ermacora und Berber aufgezeigten Mängel beseitigen kann.<br />

III. Rechtsgutachten Hamann<br />

Andreas Hamann 1567 war ebenso wie Ermacora von der GdP beauftragt worden,<br />

ein Rechtsgutachten zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf<br />

zu erstellen. Im Gegensatz zu Berber und Ermacora verfolgte Hamann<br />

eine andere Argumentationsstrategie. Er ging nicht weiter auf die legalen Kombattantenkategorien<br />

nach dem Völkerrecht ein, sondern stellte sogleich fest, dass<br />

es nicht anginge „in Art. 87 Abs. 1 GG eine über Art. 73 Ziff. 5 GG hinausgehende<br />

Ermächtigung an den Bund zu sehen, die es gestatten würde, dem<br />

Bundesgrenzschutz materiellrechtliche Funktionen zuzuweisen, die über die in<br />

1565<br />

1566<br />

1567<br />

Ebd.<br />

Ebd.<br />

Andreas Hamann (1904-1964), Rechtsanwalt, Mitbegründer des Grundgesetzkommentars<br />

Hamann/Lenz, vgl. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland,<br />

Bd. 4, S. 137.


§ 8 Kombattantenstatus für den Bundesgrenzschutz 309<br />

Art. 73 Ziff. 5 GG behandelte Materie hinausgehen“ 1568 . Hamann sieht es somit<br />

als fraglich an, ob den Angehörigen des Bundesgrenzschutzes „ohne förmliche<br />

Verfassungsänderung“ der Kombattantenstatus verliehen werden konnte 1569 .<br />

Anschließend wird die Rechtsstellung der Beamten des Bundesgrenzschutzes<br />

und derjenigen der von Soldaten verglichen. Der Status der Beamten des Bundesgrenzschutzes<br />

unterscheide sich maßgeblich von dem der Soldaten. Hamann<br />

macht dies vor allem an der Gehorsamspflicht fest. Beamte haben das Recht, bei<br />

Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit von Anordnungen beim nächst höheren<br />

Vorgesetzten zu remonstrieren 1570 , während Soldaten dieses Recht nur in deutlich<br />

begrenzterem Rahmen haben 1571 .<br />

Auch die Möglichkeit, Soldaten nach dem WStG zur Verantwortung zu ziehen,<br />

sei ein klares Abgrenzungskriterium. So stellt Hamann die rhetorische Frage, ob<br />

„diese nicht-soldatische Rechtsstellung [der Bundesgrenzschutzbeamten] es<br />

ausschließt, ihnen den völkerrechtlichen Kombattantenstatus zuzubilligen“ 1572 .<br />

Weiterhin sei die Zuweisung militärischer Aufgaben an Polizeibeamte nicht mit<br />

den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gemäß Art. 33 Abs. 5<br />

GG vereinbar.<br />

Bei den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums handelt es sich „um<br />

einen Kernbestand von Strukturprinzipien, die allgemein oder doch ganz überwiegend<br />

und während eines längeren, Tradition bildenden Zeitraums,<br />

mindestens unter der Reichsverfassung von Weimar, als verbindlich anerkannt<br />

und gewahrt worden sind“ 1573 . Die Regelungsinhalte der Grundsätze lassen sich<br />

in allgemeine Statusgrundsätze (Strukturprinzipien), Pflichtengrundsätze und<br />

Rechtegrundsätze einteilen 1574 . Von Bedeutung für vorliegende Problematik ist<br />

das Laufbahnprinzip, das zu den verfassungsrechtlichen Strukturprinzipien<br />

zählt. Gemäß dem Laufbahnprinzip tritt der Beamte nach seiner Ernennung<br />

grundsätzlich in das Eingangsamt einer bestimmten Laufbahn ein 1575 . Für diese<br />

1568<br />

1569<br />

1570<br />

1571<br />

1572<br />

1573<br />

1574<br />

1575<br />

Hamann, Rechtsgutachten 1963, S. 23.<br />

Ebd., S. 25.<br />

Vgl. § 63 Abs. 2 BBG.<br />

Vgl. § 11 Abs. 1 SG.<br />

Hamann, Rechtsgutachten 1963, S. 26.<br />

BVerfGE 8, 332 (343); zur Interpretationsformel des BVerfG: Summer, Beiträge zum<br />

Beamtenrecht, S. 180 ff. m.w.N.<br />

Leisner, in: Sodan, GG, Art. 33 Rn. 28.<br />

Franz, Einführung in die Verwaltungswissenschaft, S. 271.


310 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

Laufbahnen werden die „Beamten vorgebildet und ausgebildet“ 1576 . Hamann<br />

folgert aus diesem Grundsatz, dass dem Beamten neu übertragene Tätigkeiten<br />

(hier: Verteidigungsauftrag) adäquat zu seinem Amt sein müssen. Er führt als<br />

Beispiel an, dass einem Vermessungsbeamten auch nicht die Funktion eines<br />

Grundschullehrers übertragen werden könne 1577 . Ebensowenig wie der Techniker<br />

pädagogische Erziehungstätigkeit ausüben könne, wäre es von jeher<br />

anerkannt, dass die Abwehr „von außen drohender Gefahren“ nicht Aufgabe der<br />

Polizei, sondern der Streitkräfte sei 1578 . Aus diesem Grund sei die Übertragung<br />

der Verteidigungsaufgabe aus § 2a BGSErgG nicht mit Art. 33 Abs. 5 GG<br />

vereinbar.<br />

Dem muss entgegengehalten werden, dass dem Dienstherren sehr wohl das<br />

Recht zukommt, seinen Beamten neue Aufgaben zu übertragen. Hamann selbst<br />

erkennt an, dass man „fraglos dem Staate das Recht nicht absprechen“ könne,<br />

seinen Beamten „neue und zusätzliche Aufgaben zuzuweisen“ 1579 . Er will dies,<br />

wie bereits oben angedeutet, jedoch nur insoweit als zulässig erachten, insofern<br />

die neuen Aufgaben dem Amt und der für dieses zu leistenden Tätigkeit adäquat<br />

ist. Diese Auslegung ist jedoch zu eng gefasst. Das BVerwG hatte bereits zum<br />

damaligen Zeitpunkt entschieden, dass die „Auferlegung zusätzlicher Pflichten“<br />

grundsätzlich zulässig ist 1580 . Die Auftragung neuer Dienstpflichten ist mit Art.<br />

33 Abs. 5 GG „nicht schon dann unvereinbar, wenn es keinen hergebrachten<br />

Grundsatz gibt, der gerade eine solche Dienstpflicht positiv vorsieht, sondern<br />

erst dann, wenn die Auferlegung gerade dieser Dienstpflicht einem solchen<br />

Grundsatz zuwiderlaufen würde“ 1581 . Dies wäre der Fall, wenn das Laufbahnprinzip<br />

dadurch verletzt würde, dass den Grenzschutzbeamten durch § 2a<br />

BGSErgG Aufgaben zugewiesen worden wären, die nicht dem Typ ihrer Laufbahn<br />

entsprächen, für die keine Vor- und Ausbildung bestanden hätte, bzw. auf<br />

die sich ein Grenzschutzbeamter nicht hätte einstellen müssen. Die bereits<br />

ausführlich skizzierte Ausbildung und Ausrüstung des Bundesgrenzschutzes<br />

lässt diesbezüglich erkennen, dass die Ausführung der Verteidigungsaufgabe<br />

möglich war. Internen Dokumenten des BMI kann in diesem Zusammenhang<br />

entnommen werden, dass die Bundesgrenzschutzbeamten „ihrer Vor- und Aus-<br />

1576<br />

1577<br />

1578<br />

1579<br />

1580<br />

1581<br />

Merten, HGR V, § 114 Rn. 114.<br />

Hamann, Rechtsgutachten 1963, S. 27.<br />

Ebd., S. 27 f.<br />

Hamann, Rechtsgutachten 1963, S. 27.<br />

BVerwGE, 14, 21 (24).<br />

Becker, JöR n.F. 15 (1966), 263 (315).


§ 8 Kombattantenstatus für den Bundesgrenzschutz 311<br />

bildung sowie ihrer Ausrüstung nach in der Lage waren, auch die ihnen zusätzlich<br />

übertragene Verteidigungsaufgabe zu erfüllen“ 1582 . Ebenso änderte sich<br />

auch, anders als von Hamann behauptet, der sonderpolizeiliche Charakter des<br />

Bundesgrenzschutzes durch die neue Aufgabenzuweisung nicht. Bereits die<br />

Aufgabenzuweisung in § 2 BGSG 1951 umfasste die Abwehr aller Störungen<br />

der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im grenznahen Raum. Der Bundesgrenzschutz<br />

nahm an der Demarkationslinie die Funktion eines „Polizeipuffers“<br />

wahr. Einfachen Grenzverletzungen sollte nicht durch militärischen Kräfteeinsatz<br />

begegnet werden, welcher folgenschwere NATO-Mechanismen hätte<br />

auslösen können. Insofern war es jederzeit möglich, dass der Bundesgrenzschutz<br />

einem Gegner gegenübergestanden hätte, der beispielsweise durch Stoßtrupps<br />

der Grenztruppen der DDR verkörpert worden wäre. Selbst Ermacora gibt in<br />

seinem oben dargestellten Gutachten zu, dass die neu zugedachte Verteidigungsaufgabe<br />

„den Charakter des Bundesgrenzschutzes als Sonderpolizei nicht<br />

verändern“ würde 1583 . Auch im Innenausschuss bei der Beratung zum Gesetzentwurf<br />

wurde dies bestätigt: „Der grundsätzliche Charakter ihrer Aufgaben [der<br />

Bundesgrenzschutzbeamten] sei auch schon […] in dem Bundesgrenzschutzgesetz<br />

von 1951 enthalten“ 1584 . Darüber hinaus war es nicht Ziel des Gesetzentwurfes,<br />

dem Bundesgrenzschutz einen umfassenden Kampfauftrag<br />

zuzuweisen, sondern ihm zu ermöglichen, seine sonderpolizeilichen Aufgaben<br />

während eines bewaffneten Konfliktes wahrzunehmen. Dies wurde vor und nach<br />

Verkündung des BGSErgG mehrfach so bekanntgegeben. Bundesinnenminister<br />

Höcherl erklärte zum ersten Gesetzentwurf im Bundestag, dass es weder angedacht<br />

sei den polizeilichen Aufgabenkreis der Bundesgrenzschutzbeamten zu<br />

verändern noch dem Bundesgrenzschutz einen „militärischen Kampfauftrag“<br />

zuzuweisen 1585 . Nach Verabschiedung des Gesetzentwurfs äußerte sich Höcherl<br />

in ähnlicher Form. Einem Tagesbefehl kann entnommen werden: „Der Bundesgrenzschutz<br />

ist und bleibt Polizei, gleichgültig wann, wo und für welche Zwecke<br />

er tätig wird. Eine rein militärische Verwendung kommt nicht in Betracht“ 1586 .<br />

Für die Beibehaltung des polizeilichen Charakters spricht auch Sinn und Zweck<br />

des Verteidigungsauftrages. Es sollte verhindert werden, dass die Beamten des<br />

Bundesgrenzschutzes als Freischärler bestraft werden können, wenn sie bei der<br />

1582<br />

1583<br />

1584<br />

1585<br />

1586<br />

Anlage zu BMI-VI B 1-61 102 B-76/64, in: BArch B 136/1928, fol. 200.<br />

Ermacora, Rechtsgutachten 1963, S. 12.<br />

Sitzungsprotokoll des Innenausschusses v. 16.06.1964, S. 101/6, in: BArch B 136/1928,<br />

fol. 215.<br />

BT-Prot. vom 24.01.1963, 56. Sitzung, S. 2493C.<br />

Erlass an den Bundesgrenzschutz v. 16.07.1965, in: GMBl. 1965, S. 213.


312 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

Wahrnehmung ihrer Aufgaben mit bewaffneten Feindkräften in Kontakt kommen.<br />

Dem Bericht des Innenausschusses kann hierzu entnommen werden, dass<br />

§ 2b BGSErgG der „eigenen Verteidigung“ und der „Erfüllung von Sicherungsaufgaben<br />

im Inneren“ dient 1587 . Im Ergebnis hatte sich für die<br />

Grenzschutzbeamten somit keine wesentliche Änderung ihrer Aufgaben ergeben,<br />

die einen Verstoß gegen das Laufbahnprinzip aus Art. 33 Abs. 5 GG indiindizieren<br />

würde.<br />

Nach Hamanns Ansicht verstieß der Gesetzentwurf weiterhin gegen das Grundrecht<br />

der Freiheit der Berufswahl aus Art. 12 Abs. 1. S. 1 GG. Er bezieht sich in<br />

diesem Zusammenhang auf das Apotheken-Urteil des BVerfG 1588 . Diesem<br />

zufolge stellen die qualitativen Beschränkungen der Freiheit des Zuganges zum<br />

öffentlichen Dienst zugleich eine „gesetzliche Fixierung des Berufsbildes“<br />

dar 1589 . Ein bestimmtes Berufsbild könne demnach nicht mehr beliebig variiert<br />

werden. Zum Berufsbild des Polizeibeamten gehöre vornehmlich der „zivile<br />

Charakter“, welcher vom Berufsbild des Soldaten scharf zu trennen sei 1590 .<br />

Dieses Berufsbild liege bei der Berufswahl zugrunde. Durch Art. 12 GG werde<br />

die Erhaltung dieses „Berufsbildes“ garantiert 1591 . Hamann erkennt an, dass die<br />

Freiheit der Berufswahl durch ein Gesetz zum Schutz „überragender Gemeinschaftsgüter“<br />

eingeschränkt werden kann 1592 , worunter er im Übrigen auch die<br />

Abwehr von drohenden Gefahren von außen subsumieren will, jedoch würde<br />

dies im Fall des BGSErgG an der Verhältnismäßigkeit des Mittels scheitern, da<br />

die Möglichkeit bestünde, die Angehörigen des Bundesgrenzschutzes zum<br />

Wehrdienst heranzuziehen 1593 . Diese Auffassung von Hamann war nicht korrekt,<br />

da im Jahr 1962 eine Änderung des WPflG in Kraft trat 1594 , welche primär die<br />

Anhebung der Dauer des Grundwehrdienstes auf achtzehn Monate festlegte und<br />

darüber hinaus Wehrpflichtige von der Heranziehung zum Wehrdienst ausnahm,<br />

insofern sie dem Vollzugsdienst der Polizei oder Bundesgrenzschutz angehörten<br />

1595 . Die offizielle Begründung zum Gesetzentwurf zur Änderung des WPflG<br />

1587<br />

1588<br />

1589<br />

1590<br />

1591<br />

1592<br />

1593<br />

1594<br />

1595<br />

BT-Drs. IV/3200, S. 3.<br />

BVerfGE 7, 377 ff. = NJW 1958, 1035 ff. = DÖV 1958, 538 ff.<br />

Hamann, Rechtsgutachten 1963, S. 28.<br />

Ebd., S. 28.<br />

Ebd., S. 29.<br />

BVerfGE 7, 377 (409).<br />

Hamann, Rechtsgutachten 1963, S. 30.<br />

BGBl. I 1962, S. 349.<br />

Vgl. § 42 WPflG a.F.


§ 8 Kombattantenstatus für den Bundesgrenzschutz 313<br />

gibt nur wieder, dass Polizeivollzugsbeamte „nicht nur vom Grundwehrdienst,<br />

sondern überhaupt vom Wehrdienst freigestellt werden“ sollen 1596 . Hamann war<br />

dieser Umstand nicht entgangen und er erwähnte knapp, dass diese Vorschrift,<br />

da sie „nur einfach-gesetzlichen Rang [habe], nicht geeignet sein [könne], eine<br />

Einschränkung der verfassungskräftigen Garantie der Berufsfreiheit zu rechtfertigen“<br />

1597 . Abschließend führt Hamann an, dass das BGSErgG nicht den<br />

Erfordernissen aus Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG (Zitiergebot) entspreche. Ihm sei<br />

zwar bewusst, dass das Zitiergebot vornehmlich für die Fälle gelte, in denen der<br />

Gesetzgeber ausdrücklich zu Eingriffen in das Grundrecht ermächtigt sei, aber<br />

der Sinn im Zitiergebot bestehe darin, „den gesetzgebenden Organen die volle<br />

Schwere ihrer Verantwortung gegenüber und ihrer Bindung an die Grundrechte<br />

zum Bewusstsein zu bringen“ 1598 . Diese Auffassung zum Zitiergebot stellte im<br />

Jahr 1963 eine Mindermeinung dar, da bereits 1961 das BVerfG die Anwendung<br />

des Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG für Art. 12 GG ausgenommen hatte 1599 . Im Übrigen<br />

sind Hamanns Ausführungen zur Fixierung von Berufsbildern nicht durchschlagend.<br />

Art. 12 GG schützt zwar auch eine „Erweiterung oder Änderung der<br />

bisherigen Tätigkeit und ihrer Modalitäten“ 1600 , jedoch hat das BVerfG festgestellt,<br />

dass „für alle Berufe, die ‚öffentlicher Dienst‘ sind, Art. 33 GG weithin<br />

Sonderregelungen“ enthalte 1601 . Somit ist auch die Feststellung von Scheuner<br />

zutreffend, der diesbezüglich anmerkt, dass der „eigentliche Sitz der staatlichen<br />

Beschränkung bei der Berufsgestaltung […] nicht Art. 12 GG, sondern Art. 33<br />

GG“ ist 1602 . Insgesamt überzeugen Hamanns Ausführungen zur verfassungsrechtlichen<br />

Zulässigkeit eines Eingriffs in die Freiheit der Berufswahl nicht<br />

abschließend.<br />

IV. Rechtsgutachten Scheuner<br />

Das Bundesinnenministerium hatte Professor Ulrich Scheuner 1603 beauftragt, zur<br />

kriegsrechtlichen Stellung der Polizei im Verteidigungsfall ein Gutachten anzu-<br />

1596<br />

1597<br />

1598<br />

1599<br />

1600<br />

1601<br />

1602<br />

1603<br />

BT-Drs. III/1423, S. 20.<br />

Hamann, Rechtsgutachten 1963, S. 30.<br />

Ebd.<br />

BVerfGE 13, 97 (122).<br />

Katz, Staatsrecht, 18. Aufl., § 30 Rn. 791.<br />

BVerfGE 7, 377 (398).<br />

Scheuner, Rechtsgutachten 1963, S. 41 f.<br />

Ulrich Scheuner (1903-1981), von 1933 bis 1940 Professor für öffentliches Recht an<br />

der Universität Jena, 1940 Professor an der Universität Göttingen, 1941 Professor an


314 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

fertigen. Scheuner beginnt mit der Darstellung einer neuartigen Verteidigungssituation,<br />

bei der mit Kampfhandlungen „durch Luftlandetruppen,<br />

Kommandogruppen und ähnlichen kleineren Truppen“ gerechnet werden müsse<br />

1604 . Insofern man die Polizei oder den Bundesgrenzschutz in diesem Zusammenhang<br />

für Objektschutzaufgaben einsetzen wolle, bestünde immer die<br />

Möglichkeit, dass die Polizeiangehörigen in die Lage des Feindkontaktes kämen.<br />

Scheuner erklärt, dass es Aufgabe seines Gutachtens sei, „zu prüfen, unter<br />

welchen Voraussetzungen Polizei und Bundesgrenzschutz völkerrechtlich befugt<br />

sein können, sich an Kampfhandlungen zu beteiligen und welche verfassungsrechtlichen<br />

Probleme sich in diesem Zusammenhang ergeben können“ 1605 .<br />

Scheuner lagen auch die drei vorstehend skizzierten Gutachten von Berber,<br />

Ermacora und Hamann vor; gleichwohl teilte er deren Schlussfolgerungen<br />

nicht.<br />

In Übereinstimmung mit den anderen Gutachtern stellt Scheuner primär fest,<br />

dass Polizei und Bundesgrenzschutz in der bisherigen Form nicht zu legalen<br />

Kampfhandlungen gegenüber gegnerischen Streitkräften befugt seien. Hierzu<br />

müssten sie einer der drei Kategorien 1606 der legalen Kombattanten unterfallen.<br />

Für Scheuner kommt als Lösung nur eine Einfügung der Polizei und des Bundesgrenzschutzes<br />

in die regulären Streitkräfte in Form einer „Eingliederung“ in<br />

Betracht 1607 . Diese Eingliederung bedeute, dass Polizei und Bundesgrenzschutz<br />

als reguläre Streitkräfte verwendet werden müssten 1608 . Soweit stellen die Ausführungen<br />

Scheuners noch kein Novum dar. Denn wären Polizei oder<br />

Bundesgrenzschutz organisatorisch Teil der Streitkräfte, stünde die Kombattanteneigenschaft<br />

nicht in Frage 1609 . Im Sinne der Bundesregierung allerdings<br />

waren Scheuners Ausführungen zu der Form, welche eine Eingliederung in die<br />

1604<br />

1605<br />

1606<br />

1607<br />

1608<br />

1609<br />

der Reichsuniversität Straßburg, von 1950 bis 1972 Professor für öffentliches Recht und<br />

Kirchenrecht in Bonn, vgl. Kaiser, AöR 108 (1983), 5.<br />

Scheuner, Rechtsgutachten 1963, S. 2.<br />

Ebd., S. 4.<br />

Reguläre Streitkräfte gem. Art. 1, 1. Alt. HLKO, Art 4a Ziff. 1 GA III; irreguläre<br />

Streitkräfte und Widerstandsgruppen gem. Art. 1, 2. Alt. HLKO, Art. 4a Ziff. 2 GA III;<br />

Volkserhebung oder „levée en masse“ gem. Art. 2 HLKO, Art. 4a Ziff. 6 GA III.<br />

Scheuner, Rechtsgutachten 1963, S. 17.<br />

Ebd., S. 20.<br />

So im Übrigen bei der spanischen „Guardia Civil“, der französischen „Gendarmerie<br />

nationale“, den italienischen „Carabinieri“ oder der niederländischen „Koninklijke Marechaussee“,<br />

die allesamt eigene Teilstreitkräfte bilden und dem<br />

Verteidigungsministerium unterstehen, vgl. Leuenberger, Das Verhältnis von Militär<br />

und Polizei, S. 155.


§ 8 Kombattantenstatus für den Bundesgrenzschutz 315<br />

Streitkräfte tatsächlich und völkerrechtlich konform bewirken könnte. Ermacora<br />

hielt noch daran fest, dass der Gesetzesentwurf des BGSErgG den Bundesgrenzschutz<br />

zwar „faktisch“ zu Teilen der bewaffneten Macht machen, dies aber<br />

keine „rechtliche Zugehörigkeit“ zum Heer bedeuten würde und somit im Ergebnis<br />

wirkungslos sei 1610 . Scheuner hingegen wollte für eine wirksame<br />

Einfügung in die Streitkräfte den „faktischen Bestand“ gelten lassen 1611 . Insofern<br />

sei die Meinung Berbers irrig 1612 .<br />

Als Beispiel nennt Scheuner die im zweiten Weltkrieg eingesetzten Verbände<br />

der uniformierten Sicherheitspolizei, die nur aufgrund eines Runderlasses des<br />

Chefs des Sicherheitsdienstes, welcher faktisch eine Eingliederung in die Streitkräfte<br />

bewirkte, zu Kombattanten wurden 1613 . Es komme nur darauf an, dass die<br />

Anordnung der Eingliederung in die Streitkräfte „klar und unzweideutig durch<br />

Weisungen oder Anordnungen oder dergleichen vollzogen wird“ – es sei nicht<br />

einmal erforderlich, dass die Eingliederung durch Gesetz erfolge, welches „erst<br />

recht nicht“ nach „internem Verfassungsrecht rechtsgültig“ sein müsse 1614 .<br />

Scheuner stellt hier auf die sogenannte „Verfassungsblindheit“ des Völkerrechts<br />

ab 1615 . Es ist zutreffend, dass es im Zusammenhang mit der Wirksamkeit des<br />

Kombattantenstatus dahingestellt bleiben kann, „ob der innerstaatliche, der<br />

Notifikation vorausgehende Organisationsakt Zweifeln hinsichtlich seiner<br />

Verfassungsmäßigkeit oder Gesetzmäßigkeit unterliegt“ 1616 .<br />

Einen Kritikpunkt an dem ersten Gesetzentwurf der Bundesregierung hat<br />

Scheuner dennoch: Die bloße Ermächtigung zum Waffengebrauch sei nicht<br />

ausreichend 1617 . Es empfehle sich, den Gesetzentwurf „noch deutlicher zu gestalten“,<br />

indem ein „klarer und permanenter Verteidigungsauftrag“ vergeben<br />

werde 1618 .<br />

1610<br />

1611<br />

1612<br />

1613<br />

1614<br />

1615<br />

1616<br />

1617<br />

1618<br />

Ermacora, Rechtsgutachten 1963, S. 12.<br />

Scheuner, Rechtsgutachten 1963, S. 24.<br />

Ebd.<br />

Ebd., S. 15.<br />

Ebd., S. 24.<br />

Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, S. 139.<br />

Ipsen, in: Fleck (Hrsg.), Handbuch des humanitären Völkerrechts, Nr. 307, S. 64.<br />

Vgl. § 2a erster Entwurf des BGSErgG, BT-Drs. IV/343, S. 2: „Die Bundesgrenzschutzbehörden<br />

können bei Sicherung des Bundesgebietes im Sinne des § 2 auch mit<br />

militärischen Mitteln geführte Angriffe mit der Waffe abwehren“.<br />

Scheuner, Rechtsgutachten 1963, S. 38.


316 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

Anschließend geht Scheuner genauer auf die Kritikpunkte der Vorgutachten ein.<br />

Zunächst sei Art. 73 Ziff. 1 GG a.F. ausreichend, um „dem Bund auch die<br />

Möglichkeit einzuräumen ganze Verbände als solche für die Verteidigung zu<br />

erfassen“ 1619 . Somit stünden auch keine verfassungsrechtlichen Schranken, wie<br />

von Ermacora geltend gemacht, dem Vorhaben entgegen. Weiterhin seien<br />

Hamanns Bedenken beamtenrechtlicher Art „nicht stichhaltig“ 1620 . Art. 33 Abs.<br />

5 GG untersage keineswegs die „Umgestaltung der Beamtenpflichten“ und die<br />

hier „vorgesehene Umwandlung der Pflichten der Polizei- und Grenzschutzbeamten<br />

[sei] nur eine Form der Erfüllung der Wehrpflicht“ 1621 . Während<br />

Hammann den zivilen Charakter des Beamten in Abgrenzung zum Soldaten<br />

herausstellt 1622 , sieht Scheuner im Gesetzesvorhaben lediglich „eine besondere<br />

Form“ der Heranziehung zur Wehrpflicht, „ohne im Verteidigungsfall den Weg<br />

über eine formelle Einberufung gehen zu müssen“ 1623 .<br />

Scheuner bestätigte mit seinem Gutachten die theoretische Möglichkeit, den<br />

Bundesgrenzschutz zum Teil der bewaffneten Macht zu machen und diesem so<br />

den Kombattantenstatus zu verschaffen. Dass er den ersten Gesetzentwurf nicht<br />

billigen konnte war kein Hindernis, da er direkt vorgeschlagen hatte wie durch<br />

die Vergabe eines klaren und direkten Verteidigungsauftrages im Gesetzestext<br />

ein entsprechender völkerrechtsgültiger Entwurf, seiner Auffassung nach, auszusehen<br />

hätte. In diesem Punkt haben Scheuners Ausführungen überzeugt.<br />

Am Rande sei hier erwähnt, dass Scheuners Wirken während der NS-Zeit,<br />

ebenso wie das von Berber, einige Fragen aufwirft, da er u.a. „versuchte, die<br />

nationalsozialistische Machtergreifung staatsrechtlich zu erfassen“ und „sie als<br />

revolutionäre Aktion unter der zentralen Leitung einer straff organisierten<br />

Bewegung“ beschrieb 1624 . Im Unterschied zu Berber sind jedoch keine Hinweise<br />

vorhanden, dass versucht wurde, die Glaubwürdigkeit des Gutachtens oder des<br />

Gutachters aufgrund seiner Vergangenheit zu diskreditieren.<br />

1619<br />

1620<br />

1621<br />

1622<br />

1623<br />

1624<br />

Ebd., S. 40.<br />

Ebd., S. 41.<br />

Ebd., S. 43.<br />

Hamann, Rechtsgutachten 1963, S. 26.<br />

Scheuner, Rechtsgutachten 1963, S. 43.<br />

Schäfer, Juristische Lehre und Forschung an der Reichsuniversität Straßburg, S. 81.


§ 8 Kombattantenstatus für den Bundesgrenzschutz 317<br />

V. Erwiderung Berber auf Scheuner<br />

Die ÖTV nahm von Scheuners Gutachten Kenntnis und fragte am 11. September<br />

1963 bei Berber an, ob dieser erneut dafür bereitstünde, der ÖTV eine Expertise<br />

in Form eines Gegengutachtens zu Scheuner zu erstellen 1625 . Berber kam dem<br />

Wunsch der ÖTV nach. Leider trägt Berbers zweites Gutachten nicht durchschlagend<br />

zur Lösung der völkerrechtlichen Probleme, die mit dem Gesetzes-<br />

Gesetzesvorhaben verwoben waren, bei. Es ist vielmehr eine Apologie seines<br />

ersten Gutachtens, das nur wenige neue Gedanken enthält. Der Vollständigkeit<br />

halber wird es nachfolgend kurz zusammengefasst. Berber verwendet zunächst<br />

achtzehn Seiten seiner Erwiderung darauf, um „kleinere Missverständnisse“ zu<br />

berichtigen, die sein erstes Gutachten betreffen 1626 . Anschließend wiederholt er<br />

die für die Einstufung in den Kombattantenstatus maßgeblichen Grundsätze.<br />

Hier erklärt er in inhaltlicher Übereinstimmung mit Scheuner, dass die innerstaatliche<br />

Umwandlung „so deutlich und so präzise“ vorgenommen werden<br />

müsse, dass „unmissverständlich klar ist, welcher Personenkategorie […] die<br />

neu zu privilegierende Gruppe unterfallen soll“ 1627 . Darüber hinaus komme es<br />

nur auf die völkerrechtliche Interpretation an, denn nicht „die eigenen Innenministerien<br />

werden auszulegen haben, ob jemand Kombattant ist oder nicht,<br />

sondern, weil es sich um einen völkerrechtlich-kriegsrechtlichen Komplex<br />

handelt, obliegt die praktische Interpretation dieses Problems vor allem den<br />

Organen des Gegners, in dessen Hand die betreffende Person gefallen ist“ 1628 .<br />

Allerdings müsse die innerstaatliche Umwandlung des Status der Polizei oder<br />

des Bundesgrenzschutzes im Lichte der Verfassung geschehen und es sei eine<br />

„etwas kühne Annahme“, dass diese Umwandelung „eine die Verfassung und<br />

die Gesetze verletzende Regelung sein könnte“ 1629 . Berber nimmt hier Bezug<br />

auf diejenige Aussage Scheuners, dass „es nicht erforderlich sei, dass die innerstaatliche<br />

Anordnung nach internem Verfassungsrecht rechtsgültig sind“ 1630 .<br />

Scheuner hatte in seinem Gutachten zweifelsohne nicht gefordert, Art. 20 Abs. 3<br />

GG außer Acht zu lassen und eine verfassungswidrige Regelung anzustreben,<br />

sondern vielmehr auf Folgendes, um es mit Berbers eigenen Worten zu sagen,<br />

1625<br />

1626<br />

1627<br />

1628<br />

1629<br />

1630<br />

Schreiben ÖTV an Berber, Az.: Ho/se II-4/3111 v. 11.09.1963, in: AdsD, HFA III,<br />

5/ÖTVB821016.<br />

Berber, Erwiderung auf Scheuner 1963, S. 9.<br />

Ebd., S. 22.<br />

Ebd., S. 26.<br />

Ebd., S. 28.<br />

Scheuner, Rechtsgutachten 1963, S. 24.


318 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

hingewiesen: „Das Völkerrecht kümmert sich um diese internen Dinge<br />

nicht.“ 1631<br />

Am Ende seiner Erwiderung kommt Berber auf einen bedeutsamen Gesichtspunkt<br />

zu sprechen, welcher bisher in keinem der erstellen Gutachten<br />

Niederschlag gefunden hat. Er sieht in Art. 65a Abs. 1 GG a.F. ein Problem für<br />

die Verleihung der Kombattanteneigenschaft an Polizei und Bundesgrenzschutz.<br />

Dort ist davon die Rede, dass der Bundesminister der Verteidigung die Befehlsund<br />

Kommandogewalt über die Streitkräfte hat. Da aber explizit die „Streitkräfte“<br />

genannt sind und nicht etwa die Bundeswehr, müssten für den Fall einer<br />

Eingliederung auch Polizei und Bundesgrenzschutz hierunter fallen. Dies sei<br />

zwar kein Hindernis, aber man müsse überlegen, „ob die mit dieser Umwandlung<br />

notwendig verbundene Einbuße an Weisungs- und Organisationsgewalt<br />

[…] nicht ein zu hoher Preis für die Erlangung der Kombattanteneigenschaft“<br />

sei 1632 . Als Ausweg, wenn man also Polizei und Bundesgrenzschutz im Falle der<br />

Verleihung der Kombattanteneigenschaft nicht dem Bundesverteidigungsminister<br />

unterstellen will, nennt Berber den Weg der Verfassungsänderung in Bezug<br />

auf Art. 65a GG a.F. Seine Ausführungen sind auch in diesem Fall äußerst<br />

allgemein, da er sich immer wieder auf die Polizei bezieht und den Blick vom<br />

konkreten Gesetzgebungsvorhaben abwendet, das in Bezug auf die Kombattanteneigenschaft<br />

nur den Bundesgrenzschutz betraf. Der erste Entwurf war zwar,<br />

wie aus Scheuners und seinem eigenen Gutachten hervorgeht, nicht ideal, aber<br />

diesem konnte entnommen werden, dass der Bundesgrenzschutz nur im Verteidigungsfall<br />

Teil der bewaffneten Macht werden sollte. Da im Verteidigungsfall<br />

gemäß Art. 65a Abs. 2 GG a.F. die Befehlsgewalt vom Verteidigungsminister<br />

auf den Bundeskanzler überging, der wiederum diese auf den Bundesinnenminister<br />

delegieren konnte, war Berbers Hinweis ohnehin nicht stichhaltig. Zu<br />

welchem Unterstellungsverhältnis man letztlich auch gekommen sein mag,<br />

konnte dahingestellt bleiben, weil dieses, wie auch Berber im Übrigen selbst<br />

zugibt 1633 , zumindest keine Verfassungswidrigkeit des Gesetzentwurfes impli-<br />

1631<br />

1632<br />

1633<br />

Berber, Erwiderung auf Scheuner 1963, S. 24.<br />

Ebd., S. 37.<br />

Berber, Erwiderung auf Scheuner 1963, S. 36: „Die Bedeutung des Art. 65a liegt also<br />

nicht darin, dass er ein verfassungsrechtliches Hindernis für die Eingliederung der Polizei<br />

in die Streitkräfte sein würde, sondern darin, dass er bei den Innenministerien zu<br />

Überlegungen führen muss, ob die mit dieser Umwandlung notwendig verbundene Einbuße<br />

an Weisungs- und Organisationsgewalt gegenüber ihren eigenen Polizeiverbänden<br />

nicht ein zu hoher Preis für die Erlangung der Kombattanteneigenschaft ist“; a.A. Stein-


§ 8 Kombattantenstatus für den Bundesgrenzschutz 319<br />

zierte und nicht die völkerrechtliche Wirksamkeit des Kombattantenstatus in<br />

Frage gestellt hätte.<br />

Berber schließt sein Gutachten mit der Feststellung, dass die Länder aufgrund<br />

Art. 73 Ziff. 1, 87a GG keine Kompetenzen hätten, der eigenen Polizei die<br />

Kombattanteneigenschaft durch Eingliederung in die Streitkräfte zu verschaffen,<br />

sondern für eine solche Umwandlung „nicht Landesgesetze, sondern ein Bundesgesetz<br />

erforderlich“ sei 1634 . Auch diese Feststellung greift in Bezug auf das<br />

konkrete Gesetzgebungsvorhaben ins Leere, da dieses nur den Bundesgrenzschutz<br />

und nicht die Polizei der Länder betraf.<br />

G. Modifizierter Gesetzesentwurf<br />

Die anhaltende Kritik und nicht zuletzt die fachmännischen Hinweise in<br />

Scheuners Gutachten führten im Februar 1964 zu einer ersten Modifizierung des<br />

ursprünglichen Gesetzentwurfes. Diese Abänderung war von erheblicher Tragweite,<br />

da sie sowohl die Regelungen bezüglich der Aufgabenübertragung an den<br />

Zoll einschränkten, als auch den bloßen Ermächtigungscharakter zum Waffengebrauch<br />

in eine echte Verteidigungsaufgabe umwandelten.<br />

Der ursprüngliche Regelungsgehalt für den Zoll besagte, dass der Bundesminister<br />

des Inneren Aufgaben und Befugnisse, die sich aus dem BGSG 1951<br />

ergeben, in Zustimmung mit dem Bundesfinanzminister auf die Zollverwaltung<br />

übertragen kann 1635 . Da universell von „Aufgaben aus dem Gesetz“ die Rede<br />

war, schloss dies die im gleichen Gesetzentwurf enthaltene Ermächtigung zum<br />

Waffengebrauch bei mit militärischen Mitteln geführten Angriffen mit ein 1636 . In<br />

1634<br />

1635<br />

1636<br />

kamm, Die Streitkräfte im Kriegsvölkerrecht, S. 171 ff.: „Der Gesetzentwurf missachtet<br />

daher den vom GG festgelegten Rahmen der Wehrverfassung. Die für den BGS getroffene<br />

Regelung ist mithin als verfassungswidrig zu beurteilen, da sie der<br />

unveränderten Verfassungslage entspricht“.<br />

Berber, Erwiderung auf Scheuner 1963, S. 38.<br />

Vgl. § 2b erster Entwurf des BGSErgG, BT-Drs. IV/343, S. 2: „Der Bundesminister des<br />

Inneren kann Aufgaben und Befugnisse, sie sich aus diesem Gesetz ergeben, im Einvernehmen<br />

mit dem Bundesminister der Finanzen auf die Zollverwaltung zur Ausübung<br />

übertragen“.<br />

Vgl. § 2a erster Entwurf des BGSErgG, BT-Drs. IV/343, S. 2: „Die Bundesgrenzschutzbehörden<br />

können bei Sicherung des Bundesgebietes im Sinne des<br />

§ 2 auch mit militärischen Mitteln geführte Angriffe mit der Waffe abwehren“.


320 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

der ersten Lesung im Bundestag sprachen sich die SPD-Opposition und auch die<br />

Regierungspartei FDP geschlossen gegen eine Verwendung von Zollbeamten im<br />

Rahmen der Landesverteidigung aus 1637 . Diese Bedenken blieben nicht wirkungslos,<br />

da in dem neuen Entwurf nunmehr geregelt wurde, dass nur<br />

Aufgaben, die sich aus § 2 des Bundesgrenzschutzgesetzes ergeben, übertragen<br />

werden können. In § 2 BGSG 1951 ist nur die grenzpolizeiliche Gefahrenabwehr<br />

geregelt. Die Zollverwaltung wurde durch die Modifizierung des<br />

Gesetzentwurfes von der Verleihung des Kombattantenstatus und einer Ermächtigung<br />

zum Waffengebrauch im Verteidigungsfall bewusst ausgenommen 1638 .<br />

Die Formulierung aus dem ursprünglichen § 2a, mit welcher die Verleihung des<br />

Kombattantenstatus an den Bundesgrenzschutz erreicht werden sollte, wurde<br />

grundlegend geändert. Scheuner hatte eindringlich dazu geraten, von einer<br />

einfachen „Ermächtigung zum Waffengebrauch“ im Gesetz abzusehen und den<br />

Entwurf stattdessen „noch deutlicher“ zu formulieren 1639 . Der neue Gesetzesentwurf<br />

trug diesen Überlegungen Rechnung und lautete wie folgt:<br />

„Mit Beginn von Feindseligkeiten im Sinne eines bewaffneten Konfliktes<br />

gehört es zu den Aufgaben der Verbände des<br />

Bundesgrenzschutzes, mit militärischen Mitteln geführte Angriffe gegen<br />

das Bundesgebiet mit der Waffe abzuwehren. Mit gleichem<br />

Zeitpunkt sind die Verbände des Bundesgrenzschutzes Teil der bewaffneten<br />

Macht der Bundesrepublik Deutschland.“ 1640<br />

Die Begründung des neuen Entwurfes geht auf die von Scheuner geforderten<br />

Änderungen ein und führt aus, dass mit der Formulierung nunmehr in § 2b „die<br />

Verbände des Bundesgrenzschutzes den regulären Streitkräften der Bundesre-<br />

1637<br />

1638<br />

1639<br />

1640<br />

Vgl. die Reden von MdB Lünenstraß (SPD), BT-Prot. vom 24.01.1963, 56. Sitzung,<br />

S. 2539B und MdB Busse (FDP), BT-Prot. vom 24.01.1963, 56. Sitzung, S. 2544D.<br />

Nunmehr § 2a (die Nummerierung wurde im zweiten Entwurf gewechselt): „Der<br />

Bundesminister des Inneren kann im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen<br />

Aufgaben und Befugnisse, die sich aus § 2 dieses Gesetzes ergeben, auf die<br />

Zollverwaltung zur Ausübung übertragen“; diese Fassung von § 2a BGSErgG entspricht<br />

der vom BT verabschiedeten Fassung, vgl. BGBl. I 1965, S. 603.<br />

Scheuner, Rechtsgutachten 1963, S. 37.<br />

Zweiter Entwurf zu nunmehr § 2b BGSErgG, in: BArch B 136/1928, fol. 198; diese<br />

Fassung entspricht noch nicht der endgültig verabschiedeten Fassung.


§ 8 Kombattantenstatus für den Bundesgrenzschutz 321<br />

publik Deutschland im Sinne des Völkerrechts zugeordnet“ werden 1641 . Weiterhin<br />

wird betont, dass diese Regelung nur auf die bewaffneten Verbände des<br />

Bundesgrenzschutzes und nicht auf den Einzeldienst Anwendung findet. Dies<br />

stünde auch im Einklang mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums<br />

aus Art. 33 Abs. 5 GG, da die betroffenen Beamten aufgrund „ihrer<br />

Vor- und Ausbildung sowie ihrer Ausrüstung nach in der Lage sind, auch die<br />

ihnen zusätzlich übertragene Verteidigungsaufgabe zu erfüllen“ 1642 . Satz 2 des<br />

Entwurfes stelle darüber hinaus sicher, dass erst mit Beginn des bewaffneten<br />

Konfliktes die Verbände des Bundesgrenzschutzes „als selbständige Truppe den<br />

regulären Streitkräften […] im Sinne des Völkerrechts“ zugeordnet werden, da<br />

eine Eingliederung in Friedenszeiten aufgrund der „besonderen Funktion eines<br />

‚Polizeipuffers‘“ nicht in Betracht komme 1643 .<br />

H. Parlamentarische Behandlung und Entscheidung<br />

Der veränderte Gesetzentwurf wurde ab Juni 1964, wie vom Bundestag beschlossen,<br />

vom Innenausschuss federführend und vom Verteidigungs- und<br />

Rechtsausschuss mitberatend behandelt. Der Verteidigungsausschuss hatte keine<br />

Bedenken und empfahl dem Innenausschuss einstimmig, den Gesetzentwurf in<br />

der neuen Fassung anzunehmen 1644 . Im Innenausschuss wurde vornehmlich über<br />

beamtenrechtliche Fragen und das Unterstellungsverhältnis des Bundesgrenzschutzes<br />

im Verteidigungsfall debattiert. In Bezug auf Ersteres kam man zu dem<br />

Ergebnis, dass die Neuregelungen mit Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar seien 1645 . Die<br />

Problematik in Hinblick auf die Unterstellung des Bundesgrenzschutzes unter<br />

den Verteidigungsminister im Verteidigungsfall gemäß Art. 65a GG a.F. hatte<br />

bereits Berber in seiner Erwiderung auf Scheuner angeschnitten 1646 . Die Abgeordneten<br />

der CDU im Innenausschuss sahen darin kein gravierendes Problem,<br />

einigten sich jedoch auf Drängen von Hermann Schmitt-Vockenhausen (SPD)<br />

darauf, dass am Ende von § 2b ein Satz angefügt wurde, der klarstellen sollte,<br />

1641<br />

1642<br />

1643<br />

1644<br />

1645<br />

1646<br />

Begründung zum veränderten Gesetzentwurf v. 20.02.1964, S. 2, in: BArch<br />

B 136/1928, fol. 199.<br />

Ebd., S. 3.<br />

Ebd., S. 4.<br />

Vermerk über die Sitzung des Verteidigungsausschusses v. 15.06.1964, in: BArch<br />

B 136/1928, fol. 217.<br />

Sitzungsprotokoll des Innenausschusses v. 16.06.1964, S. 101/6, in: BArch B 136/1928,<br />

fol. 215.<br />

Berber, Erwiderung auf Scheuner 1963, S. 32 ff.


322 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

dass der Bundesgrenzschutz auch im Verteidigungsfall dem Bundesinnenminister<br />

unterstellt bliebe 1647 .<br />

Im Rechtsausschuss wurden vom Abgeordneten Friedrich Schäfer 1648 (SPD)<br />

Bedenken beamtenrechtlicher Natur gemacht. Er erklärte u.a., dass Bundesgrenzschutzbeamte<br />

in den Bundesgrenzschutz eingetreten seien, um polizeiliche<br />

Aufgaben zu erfüllen und dass mit dem vorgelegten Gesetzentwurf diesbezüglich<br />

eine Änderung eintreten werde 1649 . Auf die beamtenrechtlichen Statusfragen<br />

wurde jedoch nicht weiter eingegangen, sondern es erfolgte eine Grundsatzabstimmung<br />

im Ausschuss zu der Frage, ob der Bundesgrenzschutz den<br />

Kombattantenstatus erhalten solle. Dies wurde mit fünf Ja-Stimmen und zwei<br />

Enthaltungen bejaht.<br />

Schäfer sprach in Anschluss an die Abstimmung noch eine wichtige Materie an,<br />

die bisher weder in den Gutachten noch in den Ausschüssen Niederschlag<br />

gefunden hatte. Er zeigte sich besorgt darüber, dass mit der Formulierung im<br />

Gesetzentwurf „mit Beginn eines bewaffneten Konfliktes“ die Gefahr bestünde<br />

„das Ulbricht-Regime völkerrechtlich anzuerkennen“ 1650 . Schäfer ging irrig<br />

davon aus, dass mit der Verwendung des Terminus „bewaffneter Konflikt“ in<br />

Zusammenhang mit dem Bundesgrenzschutz, der als bewaffnetes Organ an der<br />

innerdeutschen Grenze stationiert war, im Sinne des Kriegsvölkerrechts impliziert<br />

werde, dass der mögliche Gegner, die DDR, in einem solchen Konflikt von<br />

der BRD als Staat anerkannt werden würde. Grundlage seiner Überlegung war<br />

die Tatsache, dass „ein internationaler bewaffneter Konflikt“ zwischen zwei<br />

Staaten, also Völkerrechtssubjekten stattfindet, während hingegen ein „nichtinternationaler<br />

bewaffneter Konflikt“ solche Auseinandersetzungen umfasst, in<br />

denen Streitkräfte, sonstige bewaffnete Gruppen oder Aufständische innerhalb<br />

1647<br />

1648<br />

1649<br />

1650<br />

Vgl. § 2b Abs. 1 S. 3 BGSErgG: „Die Vorschrift des § 1 Abs. 2 Satz 1 bleibt unberührt“;<br />

in § 1 Abs. 2. S. 1 BGSG 1951 ist das Unterstellungsverhältnis der<br />

Bundesgrenzschutzbehörden unter den Bundesminister des Inneren geregelt.<br />

Friedrich Schäfer (1915-1988), Jurist, seit 1969 Honorarprofessor Universität Tübingen,<br />

seit 1951 Mitglied der SPD, von 1951 bis 1956 verschiedene Funktionen bei der<br />

Polizei in Südbaden, von 1957 bis 1967 und 1969 bis 1980 Mitglied des Bundestages,<br />

vgl. Vierhaus/Herbst (Hrsg.), Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen<br />

Bundestages 1949-2002, Bd. 2, S. 721.<br />

Sitzungsprotokoll des Rechtsausschusses v. 16.11.1964, S. 3, in: BArch B 136/1928,<br />

fol. 225.<br />

Ebd.


§ 8 Kombattantenstatus für den Bundesgrenzschutz 323<br />

eines Staates untereinander kämpfen 1651 . Im Gesetzentwurf war jedoch nur von<br />

„bewaffneten Konflikten“ die Rede, da bis ins Jahr 1964 die Distinktion zwischen<br />

„internationalen“ und „nicht internationalen“ bewaffneten Konflikten<br />

noch nicht die gleiche Ausprägung und Bedeutung hatte wie heute 1652 .<br />

Insofern muss tatsächlich unter Berücksichtigung der damaligen völkerrechtlichen<br />

Definition davon ausgegangen werden, dass im Gesetzentwurf unter<br />

„bewaffnete[m] Konflikt“ vornehmlich die Auseinandersetzung mit anderen<br />

Staaten gemeint war. Hierfür spricht auch die Formulierung in der Begründung<br />

zum Gesetzentwurf, der im Zusammenhang mit dem Beginn eines bewaffneten<br />

Konfliktes die „Kampfhandlungen mit feindlichen Streitkräften“ nennt 1653 .<br />

Schäfers Bedenken wurden durch die Tatsache unterstützt, dass der DDR im<br />

Jahr 1964 keine völkerrechtliche Anerkennung, außer durch die Staaten im<br />

sozialistischen Lager, zukam. Er war jedoch in Bezug auf die Anerkennung in<br />

Unkenntnis über eine Erklärung, welche die Bundesregierung anlässlich des<br />

Beitrittes der DDR zu den Genfer Abkommen abgegeben hatte 1654 .<br />

Von westdeutscher Seite wurde am 28. Mai 1957 diesbezüglich erklärt, dass die<br />

Bundesrepublik „weder die in der sowjetischen Besatzungszone eingesetzten<br />

Stellen als Regierung“ anerkenne noch dass sie der DDR das Recht zugestehe,<br />

den Genfer Abkommen beizutreten; sie entnehme nur der Mitteilung der<br />

Schweizerischen Gesandtschaft über den Beitritt der DDR zu den Abkommen,<br />

„dass die in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands eingesetzten Stellen<br />

den Willen bekundet haben, im Falle eines Konfliktes die Bestimmungen der<br />

Genfer Abkommen vom 12. August 1949 zu beachten“ 1655 . Die Bundesrepublik<br />

hätte aber, unabhängig von ihrer Erklärung, die bewaffneten Organe der DDR<br />

nach Kriegsvölkerrecht behandeln müssen, da gemäß Art. 4 Ziff. 2 GA III<br />

Milizen und Freiwilligenkorps, wenn sie „zu einer am Konflikt beteiligten Partei<br />

1651<br />

1652<br />

1653<br />

1654<br />

1655<br />

Bothe, in: Vitzthum, Völkerrecht, S. 733.<br />

Zur Auslegung des Terminus „bewaffneter Konflikt“ zum Zeitpunkt des Gesetzgebungsvorhabens<br />

1963: Strebel, in: Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. II,<br />

S. 344; zur Anwendung der Genfer Abkommen auf nicht internationale bewaffnete<br />

Konflikte: Braun, Die Anwendung der Genfer Zivilkonvention in Kriegen nichtinternationalen<br />

Charakters, S. 47 ff.<br />

BT-Drs. IV/3200, S. 2.<br />

Die DDR trat am 30.08.1956 den vier Genfer Konventionen von 1949 bei, vgl. GBl.<br />

DDR I 1956, S. 917.<br />

Zit. nach IFZ, Akten zur Auswärtigen Politik der BRD 1963, Bd. II, Dok.-Nr. 284,<br />

S. 949, Fn. 5.


324 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

gehören“ als Kombattanten gelten 1656 . Die Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg<br />

mit Partisanen haben diese Regelungen erforderlich gemacht, auch die<br />

„bewaffneten Streitkräfte nicht anerkannter Staaten und Regierungen unter den<br />

allgemeinen Rechtsschutz zu stellen“ 1657 .<br />

Dennoch war sich die Bundesregierung in Bezug auf den Beitritt der DDR zu<br />

den Abkommen und ihrer abgegebenen Erklärung von 1957 nicht abschließend<br />

im Klaren darüber, ob die DDR sich ihrerseits gegenüber den bewaffneten<br />

Kräften der BRD ebenso an die Abkommen halten würde. Am 19. Juli 1962<br />

fand diesbezüglich eine geheime, ressortübergreifende Besprechung über die<br />

Frage der Geltung der vier Genfer Rotkreuz-Abkommen statt. Es wurde darüber<br />

debattiert, wie man es erreichen könne, die DDR „zur Einhaltung der aus den<br />

Genfer Abkommen fließenden Verpflichtungen“ zu bewegen, ohne diese jedoch<br />

„als Vertragspartei der Genfer Abkommen“ anzuerkennen 1<strong>658</strong> . Die Ministerialbeamten<br />

waren sich der Gefahr bewusst, dass die DDR die „vertragliche<br />

Bindung gegenüber denjenigen Staaten bestreiten kann, die ausdrücklich erklärt<br />

haben, mit ihr in keinem Vertragsverhältnis stehen zu wollen“ 1659 . Exakt dies<br />

hatte die Bundesregierung 1957 mit ihrer Erklärung jedoch getan. Als Ausweg<br />

schlug das Auswärtige Amt „im Falle eines kriegerischen Konflikts mit der<br />

SBZ“ vor, eine vorbereitete Erklärung öffentlich abzugeben und zu verbreiten<br />

1660 . In dieser sollte die Bundesregierung bekräftigen, dass man alle Genfer<br />

Abkommen von 1949 „sowie alle Regeln des geltenden völkerrechtlichen<br />

Kriegsgewohnheitsrechts auf die Angehörigen der Streitkräfte und auf die<br />

Zivilbevölkerung der sogenannten ‚Deutschen Demokratischen Republik‘ in<br />

vollem Umfang anwenden“ werde und gleichzeitig davon ausgehe, dass „die<br />

zivilen und militärischen Organe“ der DDR „auch ihrerseits die Bestimmungen<br />

der vier Genfer Rotkreuz-Abkommen und alle Regeln des geltenden völkerrechtlichen<br />

Kriegsgewohnheitsrechts auf die Streitkräfte und die<br />

Zivilbevölkerung“ in der BRD vollständig anwenden würden 1661 .<br />

In Bezug auf vorgenannte Materie dürfen einige Anmerkungen des BMI nicht<br />

unerwähnt bleiben, die allerdings erst einige Zeit später im Zusammenhang mit<br />

1656<br />

1657<br />

1<strong>658</strong><br />

1659<br />

1660<br />

1661<br />

Arnauld von, Völkerrecht, Rn. 1183.<br />

Menzel, Völkerrecht, § 72, S. 366.<br />

IFZ, Akten zur Auswärtigen Politik der BRD 1962, Bd. II, Dok.-Nr. 295, S. 1313.<br />

Ebd., S. 1312, Fn. 3.<br />

Ebd., S. 1315.<br />

Ebd.


§ 8 Kombattantenstatus für den Bundesgrenzschutz 325<br />

dem noch zu erläuternden Rechtsgutachten von Zippelius getätigt wurden.<br />

Einleitend geht Zippelius in seinem Gutachten, bevor er die entscheidenden<br />

beamtenrechtlichen Aspekte beleuchtet, auf die völkerrechtliche Bedeutung des<br />

Kombattantenstatus im Allgemeinen ein. Ebenso wie der Abgeordnete Schäfer<br />

im Innenausschuss nimmt er auch Bezug auf die Situation an der Zonengrenze.<br />

Zippelius war jedoch die Erklärung der Bundesregierung von 1957 in Zusammenhang<br />

mit dem Beitritt der DDR zu den Genfer Abkommen bekannt<br />

gewesen. Er führte aus, dass „sich die Bundesregierung im Konfliktfall durch<br />

ihre eigene Erklärung gehindert sehen wird, gegenüber der DDR den Schutz der<br />

Genfer Konventionen zugunsten der Beamten des Bundesgrenzschutzes zu<br />

beanspruchen“ 1662 . Dass dieser Hinweis nicht unbegründet war, zeigt die bereits<br />

erwähnte geheime Intention der Bundesregierung, eine entsprechende Note<br />

vorzubereiten, welche die DDR an die Einhaltung der Genfer Konventionen<br />

hätte binden sollen. Im Kontext des Gutachtens ist dieser Hinweis auf die Frage<br />

nach der Geltung der Genfer Konventionen eher sekundär, da Zippelius vorrangig<br />

versuchte, die Unvereinbarkeit von § 2b BGSG mit Art. 33 Abs. 5 GG zu<br />

begründen. Das BMI verfasste jedoch im Zuge der späteren Verfassungsbeschwerde<br />

eine Kurzstellungnahme zu Zippelius Gutachten. Das BMI war in<br />

dieser Stellungnahme bemüht, Zippelius Annahme bezüglich der Geltung der<br />

Genfer Konventionen gegenüber dem Bundesgrenzschutz zu widerlegen. Es<br />

führte aus, dass seine Ansicht aus folgenden Gründen fehlgehe:<br />

„Vom Standpunkt der SBZ läge ein internationaler Konflikt vor; völkerrechtliche<br />

Abkommen sind anzuwenden. Die Bundesregierung hat<br />

der SBZ zwar die Qualität abgesprochen, Vertragspartei der Genfer<br />

Abkommen zu sein. Sie hat jedoch die Erklärung der SBZ, die Abkommensregeln<br />

beachten zu wollen, zur Kenntnis genommen. Die<br />

SBZ müsste also die Wirksamkeit ihres Beitritts zu den Genfer Konventionen<br />

selbst in Zweifel setzen, wollte sie diese nicht<br />

anwenden.“ 1663 .<br />

Das Problem lag also nicht ausschließlich in der Frage danach, inwieweit man<br />

mit der Formulierung in § 2b BGSErgG einen Interpretationsspielraum schaffen<br />

1662<br />

1663<br />

Zippelius, Rechtsgutachten 1965, S. 13.<br />

Anlage zum Schreiben BMI-VI B 6-649 051/1 v. 10.10.1966, S. 1, in: AdsD, HFA III,<br />

5/ÖTVB821015; ebenso gegen Zippelius Auffassung: Schminck, Die völkerrechtliche<br />

und staatsrechtliche Problematik des Kombattantenstatus, S. 10.


326 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

würde, die DDR als Staat anzuerkennen, sondern darin, ob die DDR ihrerseits<br />

überhaupt aufgrund der Erklärung der Bundesregierung von 1957 den Bundesgrenzschutz<br />

nach den Regeln des Kriegsvölkerrechts im Falle eines bewaffneten<br />

Konfliktes behandeln würde, und ob diesbezüglich § 2b seinen völkerrechtlichen<br />

Zweck überhaupt erfüllen könnte.<br />

Der Abgeordnete Schäfer wurde im Übrigen noch während der Ausschusssitzung<br />

über die Erklärung der Bundesregierung aus dem Jahr 1957 in Kenntnis<br />

gesetzt. Er gestand daraufhin ein, dass ihm diese unbekannt gewesen und es ihm<br />

lediglich „um eine bessere politische Formulierung“ gegangen sei 1664 . Da es sich<br />

bei der Verwendung des Begriffes „bewaffneter Konflikt“ jedoch um einen<br />

völkerrechtlich notwendigen Terminus handelte, welcher in der genannten<br />

Regelungsmaterie in Bezug auf den Kombattantenstatus nicht hinweggedacht<br />

werden konnte, blieb die neugefasste Formulierung erhalten. Allerdings ist die<br />

später vom Bundestag verabschiedete Fassung trotzdem nicht kongruent mit<br />

derjenigen, die im Innenausschuss behandelt wurde.<br />

Der Entwurf lautete:<br />

„Mit dem Beginn von Feindseligkeiten im Sinne eines bewaffneten<br />

Konfliktes gehört es zu den Aufgaben des Bundesgrenzschutzes<br />

[…]“ 1665 .<br />

Die endgültige verabschiedete Fassung lautete hingegen:<br />

„Mit dem Beginn eines bewaffneten Konfliktes gehört es zu den Aufgaben<br />

des Bundesgrenzschutzes […]“ 1666 .<br />

Das Wort „Feindseligkeiten“ wurde aus dem zweiten Gesetzentwurf gestrichen.<br />

Aus den Akten im Bundesarchiv sowie aus dem Abschlussbericht des Innenausschusses<br />

geht nicht eindeutig hervor, wieso diese Streichung erfolgte. Eine<br />

Möglichkeit besteht darin, dass dem Bundesgrenzschutz möglichst früh, auch<br />

bereits zu Spannungszeiten, die einem bewaffneten Konflikt unmittelbar vorausgehen<br />

können, die Wirkung des Kombattantenstatus zukommen sollte. Im<br />

1664<br />

1665<br />

1666<br />

Sitzungsprotokoll des Rechtsausschusses v. 16.11.1964, S. 4, in: BArch, B 136/1928,<br />

fol. 226.<br />

Vgl. Zweiter Entwurf zu § 2b BGSErgG, in: BArch, B 136/1928, fol. 198.<br />

Vgl. § 2b BGSErgG, BT-Drs. IV/3200, S. 4.


§ 8 Kombattantenstatus für den Bundesgrenzschutz 327<br />

völkerrechtlichen Sinn werden Feindseligkeiten „enger verstanden als bloße<br />

‚bewaffnete Konflikte‘“ 1667 . Bei Beibehaltung des Wortes „Feindseligkeiten“<br />

wäre folglich eine Einordnung, vor allem unter Berücksichtigung der schwierigen<br />

Lage an der damaligen Demarkationslinie, ob bereits ein bewaffneter<br />

Konflikt vorliegt oder nicht und so dem Bundesgrenzschutz der Kombattantenstaus<br />

zukommt, wesentlich komplexer gewesen. Hierfür spricht auch die<br />

Formulierung im Abschlussbericht des Innenausschusses, dass „es sich auch<br />

häufig erst später feststellen lassen [wird], ob ein Grenzzwischenfall bereits den<br />

Beginn eines bewaffneten Konfliktes darstellte“ 1668 .<br />

Nach den Ausschusssitzungen unternahm die GdP noch zwei Versuche, Einfluss<br />

auf die Abstimmung im Bundestag zum Gesetzentwurf zu nehmen. Am 15. Juli<br />

1964 verschickte sie ein Schreiben an alle Fraktionen im Bundestag mit dem<br />

Titel „Trennung von Polizei und Bundesgrenzschutz“ 1669 . Sie begrüßte darin<br />

zwar die Erklärung der Bundesregierung, der Polizei der Länder und dem Zoll<br />

nicht den Kombattantenstatus verschaffen zu wollen, plädierte aber zugleich<br />

dafür, dass „um der absoluten Klarheit willen“ eine „Auflösung und gleichzeitige<br />

Überführung des Bundesgrenzschutzes“ in die Bundeswehr die beste Lösung<br />

sei 1670 .<br />

Die GdP begründete dies vorrangig damit, dass das Rechtsverhältnis von Kombattanten<br />

in einem besonderen Gesetz geregelt sein müsse und nicht wie bisher<br />

weiterhin im Bundespolizeibeamtengesetz 1671 Fortgeltung haben könne, welches<br />

gleichzeitig u.a. auch für Beamte des Bundeskriminalamtes gelte, welche keine<br />

Kombattanten sind. Staatssekretär im BMI Hölzl, der bereits den allerersten<br />

Gesetzentwurf mitverfasst hatte, reagierte auf das Schreiben der GdP und wies<br />

den Vorschlag der Herauslösung aus dem Bundespolizeibeamtengesetz zurück.<br />

Er führte im Wesentlichen aus, was bereits in der offiziellen Begründung des<br />

Gesetzentwurfes niedergeschrieben war und betonte, dass die Beamten des<br />

Bundesgrenzschutzes nur im Falle eines bewaffneten Konfliktes zu Kombattan-<br />

1667<br />

1668<br />

1669<br />

1670<br />

1671<br />

Hobe, in: DGVR, Moderne Konfliktformen, S. 62.<br />

BT-Drs. IV/3200, S. 2.<br />

Schreiben der GdP v. 15.07.1964, in: BArch B 136/1929, fol. 231.<br />

Ebd., S. 2.<br />

Der Bundestag hatte 1960 das Bundespolizeibeamtengesetz erlassen, um in Abgrenzung<br />

zu anderen Beamtenlaufbahnen der besonderen Rechtstellung der Polizeibeamten im<br />

Bundesdienst Rechnung zu tragen (z.B. Polizeidienstunfähigkeit, Berufsförderung), vgl.<br />

BGBl. I 1960, S. 569.


328 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

ten werden würden und darüber hinaus der grenzpolizeiliche Aufgabenbereich<br />

im Frieden „völlig unberührt“ bliebe 1672 . Diese Antwort stellte die GdP offenbar<br />

nicht zufrieden, da sie am 5. April 1965 erneut ein Schreiben, diesmal direkt an<br />

Adenauer persönlich, sandte.<br />

Hierin erklärte sie weitgehend inhaltsgleich zu ihrem ersten Schreiben an die<br />

Fraktionen, dass eine Abgrenzung von Kombattanten zur ordentlichen Polizei<br />

notwendig und deshalb eine Herauslösung des Bundesgrenzschutzes aus dem<br />

Bundespolizeibeamtengesetz unerlässlich sei. Sie bemühte sich, dies durch ein<br />

Deutlichmachen des Unterschiedes zwischen polizeilichen und militärischen<br />

Aufgaben zu unterstreichen. Der Polizeibegriff komme durch die Gesetzesvorlage<br />

„in ein falsches Licht, um dessen rein zivilen Inhalt“ sich die GdP<br />

bemühe 1673 . Es sei ausgeschlossen, polizeiliche und militärische Aufgaben von<br />

einem Verband her „gleichermaßen erfüllen zu können“ 1674 . Die GdP stützte<br />

sich diesbezüglich auf eine Studie aus dem Jahr 1929 mit dem Titel „Polizei und<br />

Heer“ 1675 , welcher zufolge die Polizei „nicht für kriegerische Zwecke brauchbar“<br />

sei und deshalb der Bundesgrenzschutz nicht zu „Polizei und zur<br />

kombattanten Truppe zugleich“ gemacht werden könne 1676 . Die GdP appellierte<br />

abschließend an Adenauer, „nicht auf halbem Wege stehenzubleiben“, sondern<br />

den Bundesgrenzschutz aus dem Bundespolizeibeamtengesetz herauszulösen,<br />

um eine klare Trennung zwischen Polizei und Bundesgrenzschutz zu erreichen<br />

1677 .<br />

Dieses grundsätzliche Anliegen der GdP mag man als nachvollziehbar betrachten<br />

– die Argumentation basierend auf einer Studie aus dem Jahr 1929, einer<br />

Zeit als die militärische und politische Ausgangssituation eine völlig andere war<br />

als 1965, erscheint jedoch eher fragwürdig 1678 , da es nicht Ziel der Gesetzesvor-<br />

1672<br />

1673<br />

1674<br />

1675<br />

1676<br />

1677<br />

1678<br />

Schreiben des BMI v. 10.08.1964, Az. VI B1-630200, in: BArch B 136/1929, fol. 243.<br />

Schreiben der GdP v. 05.04.1965, S. 3, in: BArch B 136/1929, fol. 248.<br />

Ebd., S. 4.<br />

Der Polizeimajor Alexander Andrae hatte 1929 eine wissenschaftliche Studie über die<br />

Aufgabenabgrenzung zwischen Polizei und Militär verfasst, vgl. Andrae, Polizei und<br />

Heer, Berlin 1929.<br />

Schreiben der GdP v. 05.04.1965, S. 5, in: BArch B 136/1929, fol. 248.<br />

Ebd., S. 7.<br />

Die Studie von Andrae scheint insgesamt nicht geeignet, auch aufgrund ihrer fragwürdigen<br />

Herausstellung der nationalen Identität, um hier einen Beweis in Zusammenhang<br />

mit dem Kombattantenstatus zu erbringen, vgl. Andrae, Polizei und Heer, S. 96: „Polizei<br />

und Heer haben die Aufgabe, an ihrem Teil, sich ‚durch Erfolge zu bewähren‘.


§ 8 Kombattantenstatus für den Bundesgrenzschutz 329<br />

lage war, Polizeieinheiten zum gezielten Kriegseinsatz heranzuziehen, sondern<br />

den Beamten des Bundesgrenzschutzes für eine schwierige Ausnahmesituation<br />

den höchstmöglichen völkerrechtlichen Schutz zukommen zu lassen. Die beiden<br />

Eingaben der GdP bezüglich des Bundespolizeibeamtengesetzes blieben im<br />

Ergebnis auch wirkungslos, da die Gesetzesvorlage nicht mehr geändert, bzw.<br />

keine Anstrengungen im Hinblick auf eine Herauslösung aus dem Bundespolizeibeamtengesetz<br />

vorgenommen wurden. Festzuhalten bleibt jedoch, dass sich<br />

die GdP mit ihren beiden in Auftrag gegebenen Gutachten bei Ermacora und<br />

Hamann sowie ihren beiden Schreiben energisch für den zivilen Charakter des<br />

Berufsbildes der Polizei einsetzte. Dieses Engagement wurde auch in der abschließenden<br />

Lesung im Bundestag von Wolfram Dorn 1679 (FDP) gewürdigt, der<br />

erklärte, dass durch die Gutachten und das Material für die Fraktionen dazu<br />

beigetragen worden sei, dass man zu der abschließenden Gesetzesvorlage gekommen<br />

wäre 1680 .<br />

Die endgültige Behandlung des Gesetzentwurfs fand am 12. Mai 1965 statt. In<br />

der zweiten Beratung äußerte sich Artur Anders 1681 (SPD) als einziger zum<br />

Gesetzentwurf. Er stellte heraus, dass der Entwurf der Fürsorgepflicht gegenüber<br />

den Bundesgrenzschutzbeamten diene und diese im Falle davor bewahre<br />

„von der anderen Seite eventuell als Partisanen behandelt zu werden“ 1682 . Er<br />

ging nur kurz auf die Entwicklungsgeschichte und Modifikation des Gesetzentwurfes<br />

ein und erwähnte knapp, dass der Entwurf umgestellt und „eindeutiger<br />

1679<br />

1680<br />

1681<br />

1682<br />

Gelingt ihnen das, dann wird ‚das Vertrauen der Menge‘ zur Führung auf diesen beiden<br />

Gebieten wenigstens reifen und sie werden wesentlich viel beigetragen haben zur Schaffung<br />

staatsbürgerlicher Erziehung des Deutschen zur politischen Reife, zu<br />

Staatsdisziplin und damit zur nationalen Erstarkung. Nichts würde die ersehnte Einheit<br />

des deutschen Volkes im Inneren so fördern, als die begeisterte Anerkennung, als das<br />

allseitig bewundernde Aufblicken zu den beiden stärksten und glänzendsten Exponenten<br />

des Staates: der Polizei und der Reichswehr“.<br />

Wolfram Dorn (1924-2014), Kaufmann, seit 1948 Mitglied der FDP, von 1961 bis 1972<br />

Mittglied des Bundestages, von 1969 bis 1972 Parlamentarischer Staatssekretär beim<br />

Bundesinnenministerium, vgl. Vierhaus/Herbst (Hrsg.), Biographisches Handbuch der<br />

Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949-2002, Bd. 1, S. 155.<br />

BT-Prot. vom 12.05.1965, 181. Sitzung, S. 9108A.<br />

Artur Anders (1896-1976), Verwaltungsangestellter, Teilnehmer des 1. Weltkrieges, seit<br />

1919 Mitglied der SPD, von 1963 bis 1965 Mitglied des Bundestages (als Nachfolger<br />

über die SPD-Landesliste NRW für den ausgeschiedenen Abgeordneten Heinz Kühn),<br />

vgl. Vierhaus/Herbst (Hrsg.), Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen<br />

Bundestages 1949-2002, Bd. 1, S. 15.<br />

BT-Prot. vom 12.05.1965, 181. Sitzung, S. 9107A.


330 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

gefasst“ wurde 1683 . In der dritten Beratung am gleichen Tag sprach einzig der<br />

Abgeordnete Dorn (FDP). Er machte keine besonderen inhaltlichen Anmerkungen<br />

zum Gesetz, sondern dankte wie bereits oben erwähnt der GdP und schloss<br />

seine Ausführungen mit der Hoffnung, dass der Bundesgrenzschutz die erteilten<br />

Aufgaben nie wahrnehmen müsse 1684 . In der anschließenden Abstimmung<br />

konnte das BGSErgG einstimmig angenommen werden.<br />

I. Widerstand nach Inkrafttreten des BGSErgG<br />

Unmittelbar nach Inkrafttreten des BGSErgG am 12. Juli 1965 gab die ÖTV<br />

erneut ein Gutachten, diesmal bei Professor Reinhold Zippelius 1685 , in Auftrag,<br />

welches an alle Abgeordneten des Bundestages verteilt wurde. Ursprünglich<br />

hatte die ÖTV beabsichtigte, erneut Professor Berber zu beauftragen. Allerdings<br />

war Berber anderweitig beschäftigt, sodass er den damals jüngeren Kollegen<br />

Zippelius vorschlug, welcher die Anfertigung des neuen Gutachtens übernahm<br />

1686 . Die ÖTV hoffte durch die Übergabe des Gutachtens an Politik und<br />

Öffentlichkeit, die Debatte um den Kombattantenstatus für den Bundesgrenzschutz<br />

neu entzünden zu können. Sie führte aus, dass das Gutachten ein<br />

„Anstoß“ sein solle, die „schwierige Problematik erneut zu durchdenken und<br />

auch zu prüfen, ob dieses Gesetz bestehen bleiben“ könne 1687 . Das Gutachten<br />

von Zippelius bildete darüber hinaus die Basis für eine Verfassungsbeschwerde<br />

gegen das BGSErgG, die von der ÖTV unterstützt wurde. Die Anstrengungen<br />

der ÖTV blieben nicht ungehört. So kann dem Magazin ‚Der Spiegel‘ aus dem<br />

Jahr 1966 entnommen werden, dass die dem Bundesgrenzschutz auferlegte<br />

„Order“, das Bundesgebiet mit der Waffe zu verteidigen, vor dem BVerfG<br />

angefochten werden sollte und dass die ÖTV den Beschwerdeführern, drei<br />

Beamten des Bundesgrenzschutzes, „fünf Anwälte“, „einen gutachtenden Professor“<br />

und eine „Kostenbürgschaft“ stellte 1688 .<br />

1683<br />

1684<br />

1685<br />

1686<br />

1687<br />

1688<br />

Ebd., S. 9106D.<br />

Ebd., S. 9108A.<br />

Reinhold Zippelius (*1928), emeritierter Professor für Rechtsphilosophie und öffentliches<br />

Recht an der Universität Erlangen-Nürnberg, Mitglied der Akademie der<br />

Wissenschaften zu Mainz und Leiter der Erlanger Arbeitsstelle für Staatsrecht und<br />

Staatstheorie, vgl. Würtenberger, NJW 2003, 1503.<br />

Brief von Zippelius an den Verfasser v. 19.01.2013.<br />

Zippelius, Rechtsgutachten 1965, S. 5.<br />

Der Spiegel 21/1966 vom 16.05.1966, S. 62.


§ 8 Kombattantenstatus für den Bundesgrenzschutz 331<br />

I. Rechtsgutachten Zippelius<br />

Zippelius untersucht in seinem Gutachten primär, wie bereits auch Hamann 1689 ,<br />

die Frage nach der Vereinbarkeit von § 2b BGSG mit den hergebrachten<br />

Grundsätzen des Berufsbeamtentums gemäß Art. 33 Abs. 5 GG. Hierzu stellt er<br />

einleitend fest, dass es nach vorliegender Rechtsprechung zu Art. 33 Abs. 5 GG<br />

nicht ausreichend geklärt sei, wo die Grenze einer „zulässigen Modifizierung<br />

des Beamtenverhältnisses“ liege 1690 . Der Dienstherr dürfe „seinen Beamten ohne<br />

deren Einverständnis nicht dauernd Aufgaben zuweisen, die wesentlich verschieden<br />

sind von dem Aufgabenbereich, der dem Typs ihrer Laufbahn<br />

entspricht und auf den sich Beamte dieser Laufbahn im Großen und Ganzen<br />

daher einstellen müssen“ 1691 . Die einseitige Zuweisung in § 2b BGSErgG,<br />

militärische Angriffe mit der Waffe abzuwehren, entspreche „nicht dem Berufsbild<br />

der Laufbahn von Polizeivollzugsbeamten“ und sei daher nicht mehr mit<br />

den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums zu vereinbaren 1692 .<br />

Darüber hinaus sah Zippelius anders als Hamann zwar keine Verletzung von<br />

Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG, dafür aber eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips. Es<br />

sei durch die Zuweisung der Verteidigungsaufgabe an den Bundesgrenzschutz in<br />

§ 2b BGSErgG das Prinzip der Rechtssicherheit, insbesondere das des Vertrauensschutzes<br />

verletzt, da der Beamte darauf vertrauen dürfe, dass ihm nicht<br />

Aufgaben zugewiesen würden „die außerhalb seines Berufsbildes liegen, auf die<br />

er sich also bei Eingehung des Beamtenverhältnisses nach menschlicher Voraussicht<br />

nicht einzustellen brauchte“ 1693 .<br />

Anschließend prüft Zippelius, ob § 2b BGSErgG gegen das Recht aus Art. 4<br />

Abs. 3 GG verstoßen könnte. Diesen Gedankengang, ob der Verteidigungsauftrag<br />

möglicherweise nicht mit dem Recht auf Kriegsdienstverweigerung in<br />

Einklang zu bringen ist, hat bisher noch keiner der Gutachter geprüft, obwohl er<br />

doch so naheliegend erscheint. Nach Art. 4 Abs. 3 GG darf niemand gegen sein<br />

Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Der Definition<br />

des BVerfG zu Folge besteht der Kernbereich des Grundrechts darin, „den<br />

1689<br />

1690<br />

1691<br />

1692<br />

1693<br />

Vgl. Hamann, Rechtsgutachten 1963, S. 26 ff.<br />

Zippelius, Rechtsgutachten 1965, S. 16<br />

Ebd., S. 18.<br />

Ebd., S. 20.<br />

Ebd., S. 22.


332 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

Kriegsdienstverweigerer vor dem Zwang zu bewahren, in einer Kriegshandlung<br />

einen anderen töten zu müssen, wenn ihm sein Gewissen eine Tötung grundsätzlich<br />

und ausnahmslos zwingend verbietet“ 1694 . Nur die „prinzipielle,<br />

kategorische Ablehnung“ des Waffendienstes unterfällt dem von Art. 4 Abs. 3<br />

GG geschützten Bereich 1695 . In der Ablehnung, einen Menschen mit Waffen<br />

töten zu müssen, „liegt nach dem Grundgesetz für den Einzelnen die schwere<br />

innere Belastung, die es rechtfertigt, seine ablehnende Gewissensentscheidung<br />

anzuerkennen“ 1696 . Gründet sich die Verweigerung zum Kriegsdienst jedoch<br />

darauf, dass nur die Teilnahme an einem bestimmten Krieg (bspw. Atomkrieg)<br />

oder gegen einen bestimmten Gegner oder unter bestimmten politischen Situationen<br />

abgelehnt wird, kann das Grundrecht nicht in Anspruch genommen werden<br />

(sogenannte „situationsbedingte Kriegsdienstverweigerung“) 1697 .<br />

Auf Art. 4 Abs. 3 GG könnten sich aber die Beamten des Bundesgrenzschutzes<br />

nur berufen, wenn er für sie uneingeschränkt Geltung entfalten würde. In Art. 33<br />

Abs. 5 GG könnte eine verfassungsimmanente Schranke liegen, wonach „für<br />

Angehörige des öffentlichen Dienstes, die sich in einem besonderen Gewaltverhältnis<br />

befinden“, Einschränkungen der Grundrechte möglich wären 1698 . Da nach<br />

seiner Auffassung der Dienst an der Waffe aber nicht zum Berufsbild der Polizeibeamten<br />

im Bundesgrenzschutz gehöre, gebe es auch keinen hergebrachten<br />

Grundsatz, „der die Anwendbarkeit des Art. 4 Abs. 3 GG für die Beamten des<br />

Bundesgrenzschutzes ausschlösse“ 1699 . Ein Verzicht auf dieses Recht komme<br />

auch nicht in Betracht, da zumindest den Beamten, die vor Geltung des<br />

BGSErgG in den Bundesgrenzschutz eingetreten sind, nicht klar war, dass mit<br />

Eingehung ihres Dienstverhältnisses auch eine Bindung einhergehen könne, „ein<br />

bestimmtes Grundrecht nicht oder nur eingeschränkt auszuüben“ 1700 . Insgesamt<br />

kommt Zippelius zu dem Ergebnis, dass die sich Beamten, die bereits vor Geltung<br />

des BGSErgG im Dienst des Bundesgrenzschutzes standen, in jedem Fall<br />

auf Art. 4 Abs. 3 S. 1 GG berufen können. Diese Rechtsauffassung bestätigte<br />

1694<br />

1695<br />

1696<br />

1697<br />

1698<br />

1699<br />

1700<br />

BVerfGE 48, 127 (163).<br />

Herdegen, HGR IV, § 98 Rn. 65 f.<br />

Engler, JöR n.F. 15 (1966), 137 (158).<br />

Wenckstern, in: Umbach/Clemens, GG, Bd. I, Art. 4 III, Rn. 164; ausführlich zur<br />

prinzipiellen und situationsbedingten Kriegsdienstverweigerung: Borowski, Die Glaubens-<br />

und Gewissensfreiheit des Grundgesetzes, S. 578 ff.<br />

Zippelius, Rechtsgutachten 1965, S. 26.<br />

Ebd.<br />

Ebd., S. 27.


§ 8 Kombattantenstatus für den Bundesgrenzschutz 333<br />

sich später zumindest in Bezug auf die Grenzschutzdienstpflichtigen in der<br />

Gesetzesvorlage zur Grenzschutzdienstpflicht 1969. Im dortigen Gesetzentwurf<br />

ist ausgeführt, dass „im Hinblick auf die in § 2b […] dem Bundesgrenzschutz<br />

zugewiesenen Aufgaben das Recht der Kriegsdienstverweigerung sich auch auf<br />

die Grenzschutzschutzdienstpflicht erstrecken muss“ 1701 .<br />

Zippelius Ausführungen zur Vereinbarkeit von § 2b BGSErgG mit den hergebrachten<br />

Grundsätzen des Berufsbeamtentums knüpfen im Wesentlichen an<br />

Hamanns bereits dargestellte Auffassung an und ergänzen diese umfangreich.<br />

Diesbezüglich kann auf die Ausführungen zu Hamanns Darstellung weiter oben<br />

verwiesen werden 1702 . Zippelius konnte darüber hinaus überzeugend darstellen,<br />

dass sich das Recht der Kriegsdienstverweigerung aus Art. 4 Abs. 3 GG auch<br />

auf die Grenzschutzbeamten beziehen muss.<br />

II. Verfassungsbeschwerde<br />

Drei Beamte des Bundesgrenzschutzes erhoben gegen § 2b BGSErgG Verfassungsbeschwerde,<br />

welche maßgeblich von der ÖTV initiiert und finanziert<br />

wurde. In einem internen Aktenvermerk vom 11. Dezember 1964 legte die<br />

Gewerkschaft ihr weiteres Vorgehen „für den Fall, dass der Bundestag die<br />

Änderung des Gesetzes über den Bundesgrenzschutz beschließt“, fest 1703 . Würde<br />

dieser Fall eintreten, seien „geeignete Kläger zu suchen, die Mitglied der ÖTV<br />

sind“ 1704 . Am 11. Juli 1965 trat dieser Fall mit der Ausfertigung des BGSErgG<br />

ein.<br />

Die ÖTV gewährte drei Beamten des Bundesgrenzschutzes, die mit der Verleihung<br />

des Kombattantenstatus nicht einverstanden waren, Rechtsschutz und<br />

beauftrage eine Stuttgarter Kanzlei mit der Verfassungsbeschwerde. Die Klageschrift<br />

vom 26. Januar 1966 rügt die Unvereinbarkeit von § 2b BGSErgG mit<br />

Art. 33 Abs. 5 GG. Die Klageschrift bezieht sich maßgeblich auf die Argumentation<br />

von Zippelius und nimmt direkt darauf Bezug. Im Einzelnen wird<br />

dargelegt, dass der Verteidigungsauftrag mit dem Berufsbild eines Polizeivoll-<br />

1701<br />

1702<br />

1703<br />

1704<br />

BT-Drs. V/2873, S. 5.<br />

Vgl. S. 310 f.<br />

Aktenvermerk der HFA III v. 11.12.1964, in: AdsD, HFA III, 5/ÖTVB821015.<br />

Ebd.


334 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

zugsbeamten nicht zu vereinbaren ist 1705 . Das Berufsbild des Polizeibeamten sei<br />

geprägt durch den „allgemeinen Polizeibegriff, der niemals Aufgaben der Landesverteidigung<br />

umfasst“ habe und somit der Gesetzgeber den Bundesgrenzschutzbeamten<br />

„keine Verteidigungsaufgabe [hätte] übertragen dürfen“ 1706 .<br />

Das BMI nahm, bevor eine Entscheidung in der Sache erging, Stellung zu dem<br />

Rechtsgutachten von Zippelius, welches die materielle Basis der Klageschrift<br />

bildete. In dieser Stellungnahme führte das BMI an, dass es die von den Klägern<br />

betonte Fixierung des Berufsbildes nicht gebe und es auch kein anerkannter<br />

Grundsatz bestehe, „der es verböte, Polizeivollzugsbeamten für den Kriegsfall<br />

auch eine Verteidigungsaufgabe zuzuweisen“ 1707 . Zumal würden sich gerade die<br />

Aufgaben der Polizeivollzugsbeamten im Bundesgrenzschutz erheblich von<br />

denen des Polizeidienstes in den Ländern unterscheiden, was besonders in<br />

Truppenorganisation, Ausbildung und Ausrüstung seinen Ausdruck finde. Die<br />

wesentlichen Überlegungen aus dieser Stellungnahme wurden vom BVerfG<br />

übernommen.<br />

Das Annahmeverfahren beim BVerfG 1966 fand seine Grundlage in dem erst<br />

1963 neu eingefügten § 93a BVerfGG a.F. Gemäß § 93a Abs. 3 BVerfGG a.F.<br />

konnte ein Vorprüfungsausschuss durch einstimmigen Beschluss die Annahme<br />

der Verfassungsbeschwerde ablehnen, wenn sie formwidrig, unzulässig, verspätet,<br />

von einem offensichtlich Nichtberechtigten erhoben oder offensichtlich<br />

unbegründet war 1708 . Die Entscheidung im Falle der Nichtannahme musste<br />

gemäß § 93 Abs. 5 S. 1 BVerfGG a.F. nicht begründet werden, lediglich ein<br />

„Hinweis“ darauf, welcher rechtliche Gesichtspunkt für die Ablehnung maßgeblich<br />

war, musste dem Beschwerdeführer mitgeteilt werden 1709 . Dem offiziellen<br />

unanfechtbaren Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 15. Dezember 1966<br />

kann somit nur entnommen werden, dass „die Verfassungsbeschwerde […] aus<br />

den im Schreiben des Berichterstatters vom 7. Dezember 1966 angeführten<br />

Gründen nicht zur Entscheidung angenommen“ wurde 1710 . Das Schreiben des<br />

1705<br />

1706<br />

1707<br />

1708<br />

1709<br />

1710<br />

Klageschrift v. 26.01.1966, S. 5, in: AdsD, HFA III, 5/ÖTVB821015.<br />

Ebd., S. 6.<br />

Anlage zum Schreiben BMI-VI B 6-649 051/1 v. 10.10.1966, S. 3, in: AdsD, HFA III,<br />

5/ÖTVB821015.<br />

Dieses Annahmeverfahren war vor allem im Hinblick auf die Formulierung „offensichtlich<br />

unbegründet“ fragwürdig und wurde bereits 1985 neu gestaltet, vgl. Gehle, in:<br />

Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl., Vor §§ 93a ff. Rn. 3.<br />

Vgl. § 93a Abs. 5 S. 3 BVerfGG a.F.<br />

BVerfG, Az. 2 BvR 63/66 v. 15.12.1966.


§ 8 Kombattantenstatus für den Bundesgrenzschutz 335<br />

Berichterstatters wurde am 7. Dezember den Prozessbevollmächtigten mit dem<br />

Hinweis zugestellt, dass gegen die Verfassungsbeschwerde „folgende Bedenken“<br />

bestünden 1711 :<br />

Der Aufgabenbereich des Bundesgrenzschutzes als Sonderpolizei resultiere aus<br />

einer „geschichtlich präzedenzlosen Ausnahmesituation im geteilten Deutschland“<br />

1712 . Für eine „Sonderformation mit solchen Funktionen gebe es im<br />

hergebrachten Beamtenrecht kein Vorbild und keine vergleichbare Beamtengruppe“;<br />

insofern könne es für den Bundesgrenzschutz auch keine hergebrachhergebrachten<br />

Grundsätze i.S.v. Art. 33 Abs. 5 GG geben, „die etwas darüber<br />

aussagen, welche Aufgaben des Gebietsschutzes der Gesetzgeber dieser Sonderformation<br />

zuweisen darf“ 1713 .<br />

§ 2 BGSG beschränke den Bundesgrenzschutz „nicht auf die typischen polizeilichen<br />

Aufgaben im überkommenen Sinn“ 1714 . Die Aufgaben des Bundesgrenzschutzes<br />

könnten vielmehr bei Beginn eines bewaffneten Konfliktes von<br />

der Landesverteidigung nicht mehr sicher unterschieden werden. Somit komme<br />

es auf das Berufsbild des Landespolizeibeamten nicht an, da es für die Beamten<br />

des Bundesgrenzschutzes keinen hergebrachten Grundsatz gebe, „dass der<br />

Gesetzgeber sie auch für den Fall des bewaffneten Konfliktes lediglich mit<br />

polizeilichen Funktionen nicht aber mit Verteidigungsaufgaben betrauen“ könne<br />

1715 . Die besondere Grenzsicherungsaufgabe setze die Beamten des<br />

Bundesgrenzschutzes vielmehr der Gefahr aus, „ohne den völkerrechtlichen<br />

Schutz in Kampfhandlungen verwickelt zu werden“ 1716 . Folglich würden durch<br />

das BGSErgG insgesamt weder hergebrachte Grundsätze des Beamtentums noch<br />

Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes, noch sonstige<br />

Grundrechte aus Art. 3, 12, oder 14 GG verletzt 1717 .<br />

1711<br />

1712<br />

1713<br />

1714<br />

1715<br />

1716<br />

1717<br />

Schreiben des Berichterstatters RiBVerfG Hans Kutscher (1911-1993) v. 07.12.1966,<br />

in: AdsD, HFA III, 5/ÖTVB821015; ebenso abgedruckt in: PK 1/1967, 3; ein Teilauszug<br />

in: BGSZ 1975 (Nr. 1), 18.<br />

Schreiben des Berichterstatters, S. 2, in: AdsD, HFA III, 5/ÖTVB821015.<br />

Ebd.<br />

Ebd., S. 3.<br />

Ebd., S. 4.<br />

Ebd., S. 3.<br />

Ebd., S. 4.


336 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

Wie bereits angemerkt, ist die Begründung des Berichterstatters inhaltlich<br />

angelehnt an die Stellungnahme des BMI zum Gutachten von Zippelius. Ohne<br />

Frage war die Entscheidung des Ausschusses im Sinne der Bundesregierung.<br />

Jedoch kann die reine Berufung auf das Nichtbestehen von hergebrachten beamtenrechtlichen<br />

Grundsätzen als fragwürdig angesehen werden. Der<br />

Berichterstatter betont in seinem Schreiben, dass die Besonderheit der Aufgaben<br />

des Bundesgrenzschutzes aus der „präzedenzlosen Ausnahmesituation“ im<br />

geteilten Deutschland resultiere und es „im hergebrachten Beamtenrecht kein<br />

Vorbild und keine vergleichbare Beamtengruppe“ gebe und zudem sich die<br />

Grenzsicherungsaufgabe „vom hergebrachten typischen Aufgabenkreis der<br />

Polizei“ unterscheide 1718 . Dem kann entgegengehalten werden, dass es vor sowie<br />

nach Inkrafttreten des Grundgesetzes ähnliche Formationen gab, die mit einer<br />

polizeilichen Grenzsicherungsaufgabe betraut waren. Zu nennen sind hier beispielhaft<br />

die Bayerische Grenzpolizei vor und nach 1949, die hessische<br />

Grenzpolizei vor 1949, der Zollgrenzdienst im Vereinigten Wirtschaftsgebiet<br />

1948 und der Zollgrenzdienst/Zollgrenzschutz vor 1933.<br />

Die Grenzpolizeien sowie der Zollgrenzdienst im Vereinigten Wirtschaftsgebiet<br />

hatten die polizeiliche Funktion, die Grenze zu sichern und zu bewachen 1719 . Der<br />

Zollgrenzdienst vor 1933 war zwar auch für die polizeiliche Bewachung der<br />

Grenze zuständig, wurde jedoch ab 1929 in die Reichsverteidigung eingebaut<br />

und somit im Verteidigungsfall, ebenso wie der Bundesgrenzschutz, Teil der<br />

bewaffneten Macht 1720 . Insofern wäre zumindest die Erwähnung des Zollgrenzdienstes<br />

eine Unterstützung der Argumentationslinie des Berichterstatters<br />

gewesen. Jedoch liegt es näher, den Bundesgrenzschutz mit neueren polizeilichen<br />

Formationen, wie der Bayerischen oder Hessischen Grenzpolizei, zu<br />

vergleichen. Hierfür spricht, dass in der Begründung zum ersten Bundesgrenzschutzgesetz<br />

1951 erwähnt wird, dass den Bundesgrenzschutzbehörden „kein<br />

militärische Charakter“ innewohne und diese „ähnlich den Polizeibehörden“<br />

ausgestattet werden sollten 1721 .<br />

1718<br />

1719<br />

1720<br />

1721<br />

Ebd.<br />

Zum Aufgabenkreis des Zollgrenzdienstes, der demnach auch für die „Grenzbewachung“<br />

zuständig sein soll Vogel, Westdeutschland 1945-1950, S. 35; zur Hessischen<br />

Grenzpolizei Ritter/Lapp, Die Grenze, S. 156: „Einsatz an der Demarkationslinie“; zur<br />

Bayerischen Grenzpolizei Volkert, Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und<br />

Gerichte 1799-1980, S. 57: „polizeilicher Schutz der Grenze“.<br />

Ohrband, Der Grenzschutz in Deutschland seit dem Deutschen Reich 1871, S. 17.<br />

Begründung zum Gesetzentwurf v. 06.12.1950, in: PA-DBT 4000, I/125.


§ 8 Kombattantenstatus für den Bundesgrenzschutz 337<br />

Auch hatte Bundesinnenminister Lehr in der ersten Lesung zum Gesetzentwurf<br />

ausdrücklich betont, dass es sich beim Bundesgrenzschutz um „reine Polizeibehörden“<br />

1722 handele, die den „polizeilichen Schutz der Grenzen“ 1723<br />

gewährleisten sollen. Somit wäre auch das Ergebnis vertretbar gewesen, dass es<br />

für die Beamten des Bundesgrenzschutzes durchaus „ein Vorbild und eine<br />

vergleichbare Beamtengruppe gebe“, nämlich die des Grenzpolizeivollzugsbeamten<br />

der Länder oder die der ehemaligen Zollgrenzschutzbeamten. Im Übrigen<br />

war der Bundesgrenzschutz nicht nur an der Grenze zur SBZ, sondern auch an<br />

der Grenze zur Tschechoslowakei eingesetzt, welche keine „präzedenzlose<br />

Ausnahme“ darstellte, sondern, wie auch die ÖTV in einem internen Vermerk<br />

zum Berichterstatterschreiben richtig feststellte, „eine geschichtlich seit langem<br />

existierende Tatsache“ 1724 .<br />

Die historisch „präzedenzlose“ Ausnahmesituation an der Zonengrenze war<br />

nicht der Ursprung eines neuen Typus von Vollzugsbeamten, denen im hergebrachten<br />

Beamtenrecht kein Vorbild und keine vergleichbare Beamtengruppe<br />

entsprach, sondern lediglich der Katalysator, um eine bundespolizeiliche Formation<br />

schnell errichten zu können. Einen möglichen Lösungsweg, die Beamten<br />

des Bundesgrenzschutzes in Einklang zu Art. 33 Abs. 5 GG mit Verteidigungsaufgaben<br />

zu betrauen, hatte Scheuner in seinem Gutachten beschrieben. Er hielt<br />

es keineswegs für unzulässig, Bundesgrenzschutz- oder Polizeibeamten neue<br />

Pflichten aufzuerlegen, vor allem wenn diese neue Pflicht der Erfüllung der<br />

Wehrpflicht diene 1725 .<br />

Seiner Ansicht nach war die Betrauung mit der Verteidigungsaufgabe nur eine<br />

besondere Form, „geeignete und ausgebildete Kräfte zu Wehrdiensten heranzuziehen<br />

[…] ohne für sie im Verteidigungsfalle notwendig den Weg über eine<br />

formelle Einberufung gehen zu müssen“ 1726 . Im Ergebnis kann es jedoch dahingestellt<br />

bleiben, welcher Argumentation man folgen will. § 2b BGSErgG<br />

verletzte keine hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums – auch wenn<br />

Scheuners Lösung eleganter gewesen wäre, da sie nicht den Makel mit sich<br />

1722<br />

1723<br />

1724<br />

1725<br />

1726<br />

BT-Prot. vom 25.01.1951, 114. Sitzung, S. 4274C.<br />

Ebd., S. 4275A.<br />

Aktenvermerk v. 16.12.1966 zur Verfassungsbeschwerde, in: AdsD, HFA III,<br />

5/ÖTVB821015.<br />

Scheuner, Rechtsgutachten 1963, S. 42.<br />

Ebd., S. 43.


338 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

gebracht hätte, die Bundesgrenzschutzbeamten formal aus dem typischen Berufsbild<br />

eines Polizeibeamten auszugrenzen.<br />

J. Fazit<br />

Mit dem Vorhaben, den Beamten des Bundesgrenzschutzes den Kombattantenstatus<br />

zukommen zu lassen, brachte die Bundesregierung mehrere<br />

Berufsvertretungsverbände gegen sich auf, die sich für den zivilen Charakter des<br />

Polizeiberufes einsetzten. Dieses Engagement kann aus damaliger Sicht nicht als<br />

selbstverständlich angesehen werden, zumal sich in dem gesamten Verfahren<br />

um den Kombattantenstatus ausnahmslos Gewerkschaften wie die GdP und die<br />

ÖTV engagiert haben, deren Mitglieder vornehmlich Beamte der Landespolizei<br />

waren. Betroffen war aber letztendlich nach dem Gesetzentwurf nur der Bundesgrenzschutz.<br />

Dieser hatte damals im Gegensatz zu den Landespolizeien noch<br />

militärische Dienstgrade und teilweise militärische Bewaffnung.<br />

Somit stellt sich die Frage, warum die Berufsvertretungsverbände der Landespolizeien<br />

sich für die Beamten des Bundesgrenzschutzes engagierten und diese<br />

nicht ihrem Schicksal überließen. Der Abgeordnete Busse erklärte in seiner<br />

Bundestagsrede, dass „was man bei dem Bundesgrenzschutz vielleicht tun kann,<br />

kann man noch nicht ohne weiteres für weitere zivile Beamte unternehmen“ 1727 .<br />

Er spielte darauf an, dass die Verschaffung des Kombattantenstatus für den<br />

Bundesgrenzschutz möglicherweise noch durchsetzbar sei, aber für die Polizei<br />

dies nicht so einfach erfolgen könne.<br />

In der ersten Phase des Gesetzgebungsprozesses war zudem noch nicht abschließend<br />

ersichtlich, ob die Bundes- und Landesregierungen das Vorhaben<br />

Kombattantenstatus auch auf die Polizeien der Länder ausweiten wollten 1728 .<br />

Hinzu kam die Erklärung der Innenministerkonferenz, welche den Kombattantenstatus<br />

ebenso für die Länderpolizeien notwendig hielt 1729 . Für die<br />

1727<br />

1728<br />

1729<br />

BT-Prot. vom 24.01.1963, 56. Sitzung, S. 2544D.<br />

Bundesinnenminister Höcherl erklärte in seiner Bundestagsrede, dass es für eine<br />

Ausdehnung des Kombattantenstatus auf die Polizei der Länder „gute Gründe“ gebe,<br />

vgl. BT-Prot. vom 24.01.1963, 56. Sitzung, S. 2484A.<br />

Schreiben des BMI v. 12.09.1962, in: BArch B 136/5044: „Die Konferenz hielt es für<br />

notwendig, der uniformierten Polizei in der Bundesrepublik völkerrechtlich den Kombattantenstatus<br />

zu verleihen […]“.


§ 8 Kombattantenstatus für den Bundesgrenzschutz 339<br />

Berufsvertretungsverbände muss dies anfänglich wie ein Schock gewirkt haben.<br />

So lässt sich das frühe Engagement als präventive Maßnahme beschreiben, die<br />

verhindern sollte, dass vor allem der Landespolizei der Kombattantenstatus<br />

verschafft wurde – um den Bundesgrenzschutz ging es in erster Linie nicht 1730 .<br />

Dieses Ziel konnte auch erreicht werden, da von der Bundesregierung keine<br />

weiteren Pläne verfolgt wurden, den Bereitschaftspolizeien der Länder den<br />

Kombattantenstatus zu verleihen 1731 .<br />

In Bezug auf den Gesetzentwurf haben die Gutachten dazu beigetragen, dass das<br />

Bundesinnenministerium ein Gegengutachten in Auftrag gab und so der gesamte<br />

völkerrechtliche Bezug erneut aufgearbeitet und ein verbesserter Gesetzentwurf<br />

erstellt wurde. Nach Verabschiedung des BGSErgG ist eine weitere Tatsache in<br />

Bezug auf die beiden agierenden Gewerkschaften ÖTV und GdP zu beobachten.<br />

Die GdP forderte nun eine klare Trennung zwischen Polizei und Bundesgrenzschutz,<br />

im Besonderen sogar die Herauslösung der Bundesgrenzschutzbeamten<br />

aus dem Bundespolizeibeamtengesetz – „um der absoluten Klarheit willen“<br />

sogar „eine Auflösung und gleichzeitige Überführung des Bundesgrenzschutzes<br />

in den Verband der Streitkräfte“ 1732 .<br />

Die ÖTV hingegen engagierte sich weiter gegen den Kombattantenstatus für die<br />

Bundesgrenzschutzbeamten mit einem erneuten Gutachten von Zippelius und<br />

Unterstützung der Verfassungsbeschwerde. Die Ursachen für dieses in der Sache<br />

divergierendes Engagement der beiden Gewerkschaften, die ursprünglich an<br />

einem Strang zogen, lassen sich nicht mehr genau ermitteln. Eine mögliche<br />

Erklärung liegt in dem bisher nicht erwähnten Konkurrenzverhältnis der beiden<br />

Gewerkschaften. Die GdP war die größte Gewerkschaft für die Polizeibeamten<br />

der Länder. Die ÖTV organisierte ebenso Landespolizeibeamte wie Bundesgrenzschutzbeamte.<br />

Das Verhältnis von GdP und ÖTV zueinander, war<br />

gekennzeichnet durch „jahrelange Querelen“ 1733 . Ebenso wollte die ÖTV die<br />

1730<br />

1731<br />

1732<br />

1733<br />

Hierfür spricht vor allem das erste Gutachten von Berber, das sich nur allgemein mit der<br />

„uniformierten Polizei“ beschäftigt und in keinem Fall besonders auf den Bundesgrenzschutz<br />

eingeht; vgl. Berber, Rechtsgutachten 1963, S. 5; die beiden GdP Gutachten<br />

gehen zwar auf den Bundesgrenzschutz ein, betonen in der Gesamtheit jedoch vor allem<br />

den zivilen Status der Polizei der Länder, vgl. GdP (Hrsg.), Polizei muss Polizei bleiben,<br />

Vorwort zu den Gutachten, S. 4.<br />

Siehe Fn. 1507.<br />

Schreiben der GdP „Trennung von Polizei und Bundesgrenzschutz“, Az.: 20.00<br />

Ku/scha, v. 15.07.1964, in: BArch B 136/1929, fol. 231.<br />

Winter, Politikum Polizei, S. 120.


340 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

Konkurrentin GdP in ihrem „Alleinvertretungsanspruch von Polizisten“ schwächen“<br />

1734 . Somit bestand die Möglichkeit, dass die ÖTV sich in der Sache gegen<br />

die GdP profilieren wollte und deshalb weiter gegen den Kombattantenstatus<br />

kämpfte, obwohl die GdP bereits ihren Widerstand aufgegeben hatte, da ihr<br />

Hauptziel, die Verhinderung der Kombattanteneigenschaft für Landespolizeibeamte,<br />

erreicht war. Hierfür spricht auch der Vermerk in einem internen<br />

Dokument, dass die ÖTV auch nach der Feststellung, dass den Länderpolizeien<br />

nicht mehr der Kombattantenstatus verliehen werden sollte, „den Fragenkomplex<br />

aber nicht für abgeschlossen“ hielt 1735 .<br />

Von zentraler Bedeutung ist die Frage, ob § 2b BGSErgG Einfluss auf den<br />

polizeilichen Charakter des Bundesgrenzschutzes hatte. Diesbezüglich ist zunächst<br />

festzustellen, dass die Übertragung der Verteidigungsaufgabe in §2b<br />

BGSErgG keine Beschränkung der Aufgabe der grenzpolizeilichen Gefahrenabwehr<br />

aus § 2 BGSG 1951 mit sich brachte. Vielmehr ist herausgestellt<br />

worden, dass der Bundesgrenzschutz gerade bei der Erfüllung seiner grenzpolizeilichen<br />

Aufgaben nach § 2 BGSG 1951 mit militärischen Mitteln angegriffen<br />

werden könnte 1736 . An seiner Aufgabenwahrnehmung hatte sich folglich nichts<br />

geändert. Die Kombattanteneigenschaft „berührt in keiner Weise die in § 2<br />

[BGSG 1951] bezeichneten polizeilichen Grenzsicherungsfunktionen“ 1737 . § 2b<br />

BGSErgG erlangte mit Beginn eines bewaffneten Konflikts Wirkung. Dies ist<br />

mit dem Verteidigungsfall gleichzusetzen 1738 .<br />

Somit muss untersucht werden, welche Auswirkungen in verfassungsrechtlicher<br />

Hinsicht der Beginn des Verteidigungsfalles für den Bundesgrenzschutz mit sich<br />

bringt. Gemäß Art. 115f Abs. 1 Nr. 1 GG kann die Bundesregierung im Verteidigungsfalle<br />

den Bundesgrenzschutz im gesamten Bundesgebiet einsetzen. Der<br />

Einsatz der Streitkräfte hingegen ist in Art. 87a GG geregelt, welcher in Abs. 4<br />

ausdrücklich zwischen dem Einsatz der Polizeikräfte einschließlich des Bundesgrenzschutzes<br />

und den Streitkräften andererseits unterscheidet. Das Grundgesetz<br />

differenziert also mit Eintreten des Verteidigungsfalles deutlich zwischen Streitkräften<br />

und dem Bundesgrenzschutz. Die Textgeschichte der Notstands-<br />

1734<br />

1735<br />

1736<br />

1737<br />

1738<br />

Ebd.<br />

Schreiben ÖTV an den Vorsitzenden des Innenausschusses Schmitt-Vockenhausen, Az.:<br />

Bk/Kr-Se I-1/474, v. 15.06.1964, S. 2, in: AdsD, HFA III, 5/ÖTVB821015.<br />

BT-Drs. IV/343, S. 3.<br />

Andrews, BGSZ 5/1962, 4.<br />

Keidel, Polizei und Polizeigewalt im Notstandsfall, S. 39.


§ 8 Kombattantenstatus für den Bundesgrenzschutz 341<br />

verfassung, durch welche Art. 115f erst neu in Grundgesetz eingefügt wurde,<br />

gibt hierüber näheren Aufschluss. Der erste Fassungsvorschlag für Art. 115f<br />

Abs. 1 Nr. 1 lautete:<br />

„Die Bundesregierung kann im Zustand äußerer Gefahr, soweit es zu<br />

deren Abwehr erforderlich ist, außer dem Bundesgrenzschutz und den<br />

Polizeikräften der Länder, soweit diese nicht ausreichen, auch die<br />

Streitkräfte als Polizeikräfte einsetzen […]“ 1739 .<br />

Die Bundesregierung begründete diese Fassung mit der Notwendigkeit, im<br />

„Zustand äußerer Gefahr besonders kritische Probleme auf dem Gebiete der<br />

inneren Sicherheit und Ordnung“ durch den Einsatz der hierfür insgesamt zur<br />

Verfügung stehenden Kräfte zentral steuern zu können 1740 . Gegen diese Fassung<br />

erhob der Rechtsausschuss des Bundestags jedoch verfassungsrechtliche Bedenken.<br />

Besonders die Formulierung „soweit es zu deren Abwehr erforderlich ist“<br />

könne zu Missverständnissen führen, als ob die Polizei oder der Bundesgrenzschutz<br />

für „Zwecke der Abwehr des Verteidigungsfalles auch zum militärischen<br />

Einsatz herangezogen werden könne“ 1741 . Weiterhin gehe der Einsatz der Streitkräfte<br />

als Polizei in dieser „generellen Form zu weit“ und sei<br />

verfassungsrechtlich nicht regelbar 1742 . Aus diesem Grund wurde der Einsatz der<br />

Bundeswehr im Inneren an der systematisch passenderen Stelle des Art. 87a<br />

Abs. 4 GG geregelt. Die Polizeikräfte der Länder wurden expressis verbis in<br />

Art. 115f Abs. 1 GG nicht mehr genannt, da deren Einsatz auch über das Weisungsrecht<br />

der Bundesregierung an die Landesregierungen (Art. 115f Abs. 2<br />

GG) erreicht wurde.<br />

Die vom Rechtsausschuss vorgeschlagene Fassung wurde schließlich vom<br />

Bundestag angenommen 1743 . Insbesondere sind die Anmerkungen des Rechtsausschusses,<br />

dass keine Missverständnisse über den Einsatz von Polizeikräften<br />

zum militärischen Einsatz entstehen dürften, stichhaltig. Hier bestätigt sich<br />

Vorgesagtes, dass das Grundgesetz eine klare Trennung zwischen Streitkräften<br />

und Bundesgrenzschutz im Verteidigungsfall trifft 1744 . Innerstaatlich bleibt der<br />

1739<br />

1740<br />

1741<br />

1742<br />

1743<br />

1744<br />

BT-Drs. V/1879, S. 4.<br />

Ebd., S. 28.<br />

BT-Drs. V/2873, S. 18.<br />

Ebd.<br />

BGBl. 1968 I, S. 713.<br />

Vgl. hierzu auch: Keidel, Polizei und Polizeigewalt im Notstandsfall, S. 40 f.


342 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

Bundesgrenzschutz somit auch nach Eintritt des Verteidigungsfalles „dem<br />

materiellen Polizeibegriff zugeordnet“ 1745 . Dies korrespondiert auch mit § 2b<br />

S. 3 BGSErgG, wonach der Bundesgrenzschutz mit Eintritt des Verteidigungsfalles<br />

dem Bundesminister des Inneren unterstellt bleibt.<br />

§ 2b BGSErgG enthielt darüber hinaus keinen umfassenden Kampfauftrag an<br />

die Verbände des Bundesgrenzschutzes. Sinn und Zweck des Gesetzes war es zu<br />

verhindern, dass Beamte des Bundesgrenzschutzes als Freischärler behandelt<br />

wurden. Der Bundesgrenzschutz sollte bei Beginn eines bewaffneten Konfliktes<br />

vielmehr von der Grenze zurückgezogen werden 1746 . Jedoch könne niemand<br />

„garantieren, dass diese Zurückziehung noch vor einem militärischen Zusammenstoß<br />

durchführbar war“ 1747 . Heranrückende Truppen des Gegners hätten<br />

somit im Zweifel nicht erkennen können, ob es sich bei den verbandsmäßig<br />

gegliederten Einheiten im Grenzgebiet um Streitkräfte oder Einheiten des Bundesgrenzschutzes<br />

handelte. Bei etwaiger Gegenwehr und anschließender<br />

Gefangennahme wären die Beamten des Bundesgrenzschutzes, ohne Kombattanteneigenschaft,<br />

als Freischärler zur Rechenschaft zu ziehen gewesen. Ziel des<br />

Gesetzentwurfs war es, die Bundesgrenzschutzbeamten bei der „Erfüllung ihres<br />

verantwortungsvollen Polizeidienstes vor Zweifeln über die richtige Verhaltensweise<br />

in nicht übersehbaren Lagen zu bewahren und sie dagegen zu sichern,<br />

wegen einer sich aus unklaren Verhältnissen ergebenden möglichen Verletzung<br />

des Völkerrechts zur Verantwortung gezogen zu werden“ 1748 .<br />

Im Ergebnis verlieh § 2b BGSErgG dem Bundesgrenzschutz „in völkerrechtlich<br />

und verfassungsrechtlich einwandfreier Weise“ 1749 den Kombattantenstatus,<br />

ohne jedoch seine sonderpolizeiliche Aufgabenstellung zu ändern. Das Argument,<br />

den Beamten des Bundesgrenzschutzes eine Schutzfunktion zukommen zu<br />

lassen und die Beamten des Bundesgrenzschutzes vor einer Behandlung als<br />

Freischärler schützen zu wollen, kann retrospektiv als nachvollziehbar und der<br />

1745<br />

1746<br />

1747<br />

1748<br />

1749<br />

Hellenthal, Frauen im Bundesgrenzschutz, S. 67; so auch: Schreiben des BMI v.<br />

10.08.1964, Az. VI B1-630200, in: BArch B 136/1929, fol. 243: „Es ist nicht daran gedacht,<br />

hierüber besteht innerhalb der Bundesregierung Einvernehmen, die Verbände des<br />

Bundesgrenzschutzes auch staatsrechtlich den Streitkräften einzugliedern […]“.<br />

BT-Drs. IV/3200, S. 2.<br />

Dierske, Der Bundesgrenzschutz, S. 57.<br />

Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, Nr. 123 vom<br />

20.07.1965, S. 993.<br />

Schminck, Die völkerrechtliche und staatsrechtliche Problematik des Kombattantenstatus,<br />

S. 254.


§ 8 Kombattantenstatus für den Bundesgrenzschutz 343<br />

besonderen Lage an der Demarkationslinie angepasst betrachtet werden und<br />

überzeugt daher im Ganzen.<br />

Die Kombattanteneigenschaft überdauerte die Zeit jedoch nicht. Während<br />

hingegen andere multifunktionale Polizeibehörden in Europa wie die spanische<br />

„Guardia Civil“, die französische „Gendarmerie nationale“, die italienischen<br />

„Carabinieri“ und die niederländische „Koninklijke Marechaussee“ allesamt im<br />

Falle eines bewaffneten Angriffs auf ihr Staatsgebiet noch zu den Kombattanten<br />

zählen, wurde der Kombattantenstatus für den Bundesgrenzschutz im Jahr 1994<br />

abgeschafft 1750 . Das Festhalten der anderen europäischen Staaten an Polizeieinheiten,<br />

die originär dem militärischen Sektor entstammen, ist historisch bedingt.<br />

So wurden beispielsweise die französische Gendarmerie Nationale im Jahr 1791<br />

und die italienischen Carabinieri im Jahr 1814 gegründet 1751 . Sie sind seither,<br />

wie auch die Wachkörper der Guardia Civil in Spanien und die Marechaussee in<br />

den Niederlanden, fester Bestandteil des jeweiligen nationalen Sicherheitssystems.<br />

Zur Abschaffung des Kombattantenstatus beim Bundesgrenzschutz führte<br />

die Bundesregierung 1994 aus, dass die Zuerkennung des Kombattantenstatus<br />

„obsolet“ geworden sei, da „die Notwendigkeit eines ‚Polizeipuffers‘ im Grenzbereich<br />

der früheren Machtblöcke mit der deutschen Wiedervereinigung und<br />

dem Zusammenbruch des Ostblockes endgültig entfallen“ sei 1752 .<br />

Ebenso wären mit dem Fortbestehen der Kombattanteneigenschaft die Verbände<br />

des Bundesgrenzschutzes auch „legitime Angriffsziele des Gegners und könnten<br />

sich mit ihrer polizeilichen Bewaffnung, sonstigen Ausrüstung und Ausbildung<br />

nur unzulänglich gegen militärische Angriffe zur Wehr setzen“ 1753 . Das letztgenannte<br />

Argument überzeugt wenig, da diese Gefahr auch schon 1965 bestand.<br />

Die Ausrüstung des Bundesgrenzschutzes mit leichten Infanteriewaffen sowie<br />

leichten gepanzerten Fahrzeugen in den sechziger Jahren hätte kaum ausgereicht,<br />

um wirksam gegen die zahlenmäßig überlegene Panzerwaffe des<br />

Warschauer Paktes vorzugehen 1754 .<br />

1750<br />

1751<br />

1752<br />

1753<br />

1754<br />

Gesetz zur Neuregelung der Vorschriften über den Bundesgrenzschutz, BGBl. I 1994,<br />

S. 2978; Begründung zum Gesetzentwurf, BT-Drs. 12/7562, S. 33.<br />

Vgl. Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt, S. 367 f.<br />

BT-Drs. 12/7562, S. 33.<br />

Ebd.<br />

Vgl. Umbach, Das rote Bündnis, Entwicklung und Zerfall des Warschauer Paktes<br />

1955-1991, S. 180.


344 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

Ein stichhaltiges, praktisches Argument gegen den Kombattantenstatus lieferte<br />

in diesem Zusammenhang Steinkamm, der darauf hinwies, dass die Wahrnehmung<br />

von Aufgaben wie Objektschutz oder Flüchtlingsstromlenkung, die der<br />

Bundesgrenzschutz im Kriegsfall hätte übernehmen sollen, eine „Völkerrechtswidrigkeit“<br />

darstellten, da ein Nebeneinander von völkerrechtlich geschützten<br />

und ungeschützten Objekten entstehe 1755 . Mit anderen Worten ziehe der Bundesgrenzschutz<br />

geradezu Feindseligkeiten der anderen bewaffneten Kräfte auf<br />

sich, wenn er den Kombattantenstatus besitze. Die Zivilisten, die sich in der<br />

Nähe des Bundesgrenzschutzes bei Verkehrslenkung oder Objektschutz befänden,<br />

würden „gut daran tun, sich rechtzeitig von den BGS-Verbänden<br />

abzusetzen“, um nicht selbst in Mitleidenschaft gezogen zu werden 1756 .<br />

Diese Argumentation ist auch nicht dadurch zu entkräften, dass Zivilisten im<br />

Zugegensein von Kombattanten ohnehin hinreichend durch das Kriegsvölkerrecht<br />

geschützt wären. Für die Zeit ab 1977, mit der Geltung des ZP I, mag dies<br />

in Betracht kommen. Jedoch waren 1965 die Ächtung und das Verbot der „unvermeidlichen<br />

Nebenschäden“ noch nicht so weit fortgeschritten 1757 . Gemäß Art.<br />

48 ZP I dürfen sich Kriegshandlungen nur gegen militärische Ziele richten.<br />

Doch selbst die Inkaufnahme von unvermeidbaren Nebenschäden (Kollateralschäden<br />

1758 ), also auch der Verlust von Zivilisten, bei beispielsweise einem<br />

Angriff auf ein vom Bundesgrenzschutz bewachtes Objekt, konnte rechtmäßig<br />

sein 1759 .<br />

Die Inkaufnahme von Kollateralschäden ist nur dann gemäß Art. 52 Abs. V lit. b<br />

ZP I völkerrechtswidrig, „wenn der Verlust an Zivilpersonen oder zivilen Anlagen<br />

in keinem Verhältnis zum erwarteten militärischen Vorteil steht“ 1760 . Somit<br />

ist Steinkamms Argument, vor allem aus der Sicht vor Geltung des ZP I, nicht<br />

von der Hand zu weisen, besonders auch, da der Bundesgrenzschutz im Falle<br />

1755<br />

1756<br />

1757<br />

1758<br />

1759<br />

1760<br />

Steinkamm, Die Streitkräfte im Kriegsvölkerrecht, S. 163.<br />

Ebd.<br />

Art. 3 GA IV bestimmt, dass Zivilisten „unter allen Umständen mit Menschlichkeit“<br />

behandelt werden müssen und in jedem Fall „Angriffe auf Leib und Leben“ verboten<br />

sind, was jedoch nicht bedeutet, dass ein Angriff auf Kombattanten unzulässig wäre, in<br />

deren Nähe sich Zivilsten aufhalten.<br />

Die Formulierung „unvermeidbare Nebenschäden“ war zu verharmlosend, deshalb hat<br />

sich ab den späten siebziger Jahren der Ausdruck „Kollateralschäden“ durchgesetzt, vgl.<br />

Kimminich, in: Münch, FS Schlochauer, S. 414.<br />

Zimmermann, HuV-I 4/2007, 200 (209).<br />

Lorenzmeier/Rohde, Völkerrecht, S. 190.


§ 8 Kombattantenstatus für den Bundesgrenzschutz 345<br />

des bewaffneten Konfliktes eher als die Bundeswehr mit Zivilisten in Berührung<br />

gekommen wäre.<br />

Über zwanzig Jahre nach der Einführung bot der Kombattantenstatus erneut<br />

Anlass zur kritischen Betrachtung: Am 1. Oktober 1987 wurden in den Bundesgrenzschutz<br />

die ersten Frauen eingestellt 1761 .<br />

Da bereits erwähnt wurde, dass der Kombattantenstatus erst mit dem neuen<br />

Bundesgrenzschutzgesetz von 1994 abgeschafft wurde, stellte sich die Frage,<br />

wie dieser mit Art. 12 a Abs. 4 S. 2 GG zu vereinbaren war. Die Fassung von<br />

Art. 12a Abs. 4 S. 2 GG a.F. zum Zeitpunkt der Einstellung der ersten Frauen im<br />

Bundesgrenzschutz lautete: „Sie dürfen auf keinen Fall Dienst mit der Waffe<br />

leisten“. Es wurden Überlegungen angestellt, die weiblichen Polizeivollzugsbeamten<br />

beim Bundesgrenzschutz mit Beginn einer bewaffneten<br />

Auseinandersetzung den Länderpolizeien zu überstellen 1762 . Praktische Bedeutung<br />

dürften derartige Vorhaben jedoch nicht mehr entfaltet haben, da die<br />

Ausbildung im mittleren Vollzugsdienst bereits 1987 zweieinhalb Jahre dauerte<br />

1763 , was bedeutete, dass die ersten Frauen frühestens im Mai 1990, als eine<br />

deutliche Entspannung der Lage an der innerdeutschen Grenze eintrat, ihre<br />

Ausbildung abgeschlossen hatten. Ebenso muss unter „Kriegsdienst mit der<br />

Waffe“ ausschließlich die Tätigkeit in den Streitkräften verstanden werden, die<br />

„auf die Vernichtung des militärischen Gegners gerichtet sind“ 1764 . Die Begründung<br />

zum Gesetzentwurf des BGSErgG hatte hierzu ausgeführt, dass die<br />

Verbände des Bundesgrenzschutzes nicht „unter dem im Grundgesetz verwandten<br />

innerstaatlichen Begriff ‚Streitkräfte‘“ fallen 1765 . Somit lässt sich im<br />

Ergebnis feststellen, dass Art. 12a Abs. 4 S. 2 GG a.F. auch einer Verwendung<br />

von Frauen im Bundesgrenzschutz weder im Frieden noch im Verteidigungsfall<br />

entgegenstand 1766 . Insgesamt kann die Verschaffung der Kombattanteneigenschaft<br />

im Jahr 1965 als eine aus Fürsorgegründen notwendige Handlung<br />

angesehen werden, die den besonderen Umständen an der Grenzlinie zur sowje-<br />

1761<br />

1762<br />

1763<br />

1764<br />

1765<br />

1766<br />

Vgl. Frost, Bundespolizei-Kompakt 5/2012, 6 ff.<br />

Der Spiegel 25/1987 v. 15.06.1987, S. 53.<br />

§ 13 Abs. 1 BGSLV v. 02.07.1976 (BGBl. I 1976, S. 1723).<br />

Hellenthal, Frauen im Bundesgrenzschutz, S. 51.<br />

BT-Drs. IV/3200, S. 2.<br />

So auch: Hellenthal, Frauen im Bundesgrenzschutz, S. 72.


346 Dritter Teil: Zwischenphase 1954-1966<br />

tischen Besatzungszone Rechnung trug 1767 . Die völkerrechtliche Geltung von<br />

§ 2b BGSErgG und die damit verbundene Kombattanteneigenschaft konnte<br />

zudem mit der verabschiedeten, gegenüber dem ersten Entwurf modifizierten,<br />

Fassung nicht in Zweifel gezogen werden 1768 .<br />

1767<br />

1768<br />

In der Fachliteratur wurde die Kombattanteneigenschaft für die Beamten der Verbände<br />

des Bundesgrenzschutzes ebenso als folgerichtig angesehen: Haedge, BWV 1965, 258<br />

(260); Mangelsdorff, WK 1966, 36 (38); Mangelsdorff, Die Polizei 1/1966, 12.<br />

So im Ergebnis auch: Schminck, Die völkerrechtliche und staatsrechtliche Problematik<br />

des Kombattantenstatus, S. 214.


Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

Nach Verleihung des Kombattantenstatus an den Bundesgrenzschutz begann<br />

eine hier als Konsolidierungsphase bezeichnete Zeitspanne, die als Weichenstellung<br />

für die gesamte spätere Ausrichtung des Bundesgrenzschutzes als Polizei<br />

des Bundes bezeichnet werden kann.<br />

Die Bundesregierung bemühte sich bereits seit Mitte der sechziger Jahre um<br />

eine Grenzschutzdienstpflicht. Es wird sich herausstellen, dass die Einführung<br />

der Grenzschutzdienstpflicht alleine dem personalwirtschaftlichen Fehlbestand<br />

beim Bundesgrenzschutz entgegenwirken sollte. Die Einführung der Grenzschutzdienstpflicht<br />

ist eng verknüpft mit der Verabschiedung der<br />

Notstandsverfassung, welche im gleichen Zeitraum erfolgte. Die Neuregelungen<br />

im Rahmen der Notstandsverfassung ermöglichten den Einsatz des Bundesgrenzschutzes<br />

im Rahmen des Art. 35 GG auch zu Einsätzen im<br />

Aufgabenbereich der Landespolizeien. Dies stellte ein Novum in der bisherigen<br />

Entwicklung dar, da es so schien, als wäre der Bundesgrenzschutz zuletzt mit<br />

der Verleihung des Kombattantenstatus in den paramilitärischen Bereich gedrängt<br />

worden. Stattdessen war nun im Zuge der Notstandsverfassung ein<br />

Einsatz des Bundesgrenzschutzes im Landesinneren möglich. Im Ergebnis<br />

bedeutete dies, dass dem Bundesgrenzschutz neue polizeiliche Aufgaben übertragen<br />

wurden. Darüber hinaus wird sich zeigen, dass die innere Sicherheit<br />

gegen Ende der sechziger Jahre eine erhebliche Bedrohung durch den linksgerichteten<br />

und den internationalen Terrorismus erfuhr. Es wird sich herausstellen,<br />

dass diese Ereignisse dazu führten, dass ein neues Bundesgrenzschutzgesetz<br />

erlassen werden konnte. Es wird weiterhin deutlich werden, dass dieses neue<br />

Gesetz eine andere Qualität als alle bisherigen Gesetze betreffend den Bundesgrenzschutz<br />

hatte. Es war nicht nur angereichert mit neuen Verwendungen, die<br />

dem Bundesgrenzschutz im Rahmen der Notstandsverfassung übertragen wurden,<br />

sondern enthielt darüber hinaus neue polizeiliche Aufgaben und<br />

Eingriffsermächtigungen. Die nachfolgende Untersuchung wird ferner abschließend<br />

zeigen, dass die Umwandlung des Bundesgrenzschutzes in eine Polizei des<br />

Bundes mit dem Bundesgrenzschutzgesetz von 1972 endgültig vollzogen wurde.


348 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

§ 9 Einführung der Grenzschutzdienstpflicht<br />

A. Einleitung<br />

Die Einführung der Grenzschutzdienstpflicht im Jahr 1969 war die Konsequenz<br />

aus den Langzeitfolgen, welche durch den Übertritt im Jahr 1956 eines Großteils<br />

der Angehörigen des Bundesgrenzschutzes in die Bundeswehr entstanden waren<br />

1769 . Bundesinnenminister Schröder hatte während den Beratungen zum<br />

BGSG 1956 am Rande mehrfach erklärt, dass es zukünftig schwer sein würde,<br />

den Bundesgrenzschutz aufgrund der Bewerberlage und der Konkurrenz durch<br />

die Bundeswehr, welche einen besseren Stellenkegel aufweisen konnte, wieder<br />

auf seine Sollstärke von 20.000 Mann aufzufüllen 1770 . Schröders Annahme<br />

bestätigte sich im Laufe der Zeit. Der Bundesgrenzschutz konnte zwar bis 1964<br />

wieder personell gestärkt werden, seine Höchstgrenze erreichte er jedoch nie 1771 .<br />

Eine Grenzschutzdienstpflicht sollte nach Vorstellung der Bundesregierung das<br />

anhaltende Personalproblem lösen und es dem Bundesgrenzschutz im Bedarfsfalle<br />

ermöglichen, seine volle Sollstärke zurück zu erlangen.<br />

Eine wesentliche Hürde in diesem Vorhaben bestand in der verfassungsrechtlichen<br />

Verankerung der Grenzschutzdienstpflicht im Grundgesetz. Die Änderungen<br />

des Grundgesetzes im Rahmen der Notstandsverfassung, welche zur<br />

gleichen Zeit wie die Überlegungen zur Grenzschutzdienstpflicht Form annahmen,<br />

ermöglichten schließlich die Aufnahme derselben im neu eingefügten Art.<br />

12a GG.<br />

Die Notstandsverfassung erweiterte neben der Grenzschutzdienstpflicht jedoch<br />

auch den Aufgabenbereich des Bundesgrenzschutzes erheblich. Der Einsatz des<br />

Bundesgrenzschutzes im Notstands-, Unglücks- und Verteidigungsfall wurde im<br />

Zuge der Notstandsverfassung auch im Landesinneren möglich. Insofern konnte<br />

das BGSG 1951 als überholt, in jedem Fall aber nicht mehr als ausreichend<br />

1769<br />

1770<br />

1771<br />

Von der Gesamtstärke in Höhe von ca. 17.577 Mann im Juni 1956 verblieben nach den<br />

Übertritten in die Bundeswehr noch ca. 7.488 Mann, vgl. Scholzen, Bundesgrenzschutz,<br />

S. 98.<br />

Vgl. Fn. 1332.<br />

Die Stärke der Grenzschutztruppe betrug am 01.08.1965 15.695 Mann, vgl. Schreiben<br />

des Bundeskanzleramtes v. 12.08.1965, S. 1, in: BArch B 136/5040; am 15.08.1968 war<br />

die Stärke weiter abgesunken auf 14.502 Mann, vgl. Schreiben des BMI, Az. ÖS II 1-<br />

630 113/1, v. 10.09.1968, in: BArch B 136/5042.<br />

D. Parma, Installation und Konsolidierung des Bundesgrenzschutzes 1949 bis 1972,<br />

DOI 10.1007/978-3-<strong>658</strong>-<strong>10928</strong>-8_9, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2016


§ 9 Einführung der Grenzschutzdienstpflicht 349<br />

betrachtet werden, da es nach wie vor nur die Aufgabe des polizeilichen Grenzschutzes<br />

und seit 1965 den Verteidigungsauftrag beinhaltete.<br />

So lag der Gedanke nicht fern, bei einer Regelung über die Dienstpflicht das<br />

gesamte Bundesgrenzschutzrecht zu novellieren und die Änderungen, die sich<br />

aus der Notstandsverfassung ergeben hatten, mit in einem neuen BGSG zu<br />

regeln. Im Nachfolgenden wird der Gesetzgebungsvorgang zur Grenzschutzdienstpflicht<br />

untersucht. Schwerpunktmäßig wird dargestellt, welche<br />

Überlegungen dazu führten, dem Bundesgrenzschutz im Rahmen der Notstandsverfassung<br />

neue Aufgaben zukommen zu lassen. In diesem Zusammenhang<br />

stellt sich die Frage, warum 1969 von einer gesamten Erneuerung des BGSG<br />

zunächst Abstand genommen und im genannten Jahr nur die Dienstpflicht für<br />

den Bundesgrenzschutz eingeführt wurde, obwohl von der Systematik her<br />

bereits zu diesem Zeitpunkt ein neues BGSG hätte verabschiedet werden können.<br />

B. Erste Entwürfe für eine Grenzschutzdienstpflicht<br />

Das Bundesinnenministerium legte am 27. Juli 1964 dem Bundeskanzleramt<br />

erstmals ein Dokument vor, in welchem die „Notwendigkeit einer Grenzschutzdienstpflicht“<br />

begründet wurde 1772 . Hierzu wurde ausgeführt, dass der<br />

Bundesgrenzschutz nach Überführung eines großen Teils des Personals in die<br />

Bundeswehr seine Gesamtstärke nicht mehr ausgefüllt habe und „die notwendige<br />

Stärke nicht durch Freiwillige, sondern nur auf dem Weg über eine<br />

Dienstpflicht erreicht werden“ könne 1773 . Nachdem im Laufe von zehn Jahren ab<br />

1956 die Sollstärke von 20.000 Mann nicht mehr erreicht werden konnte, stellt<br />

sich die Frage, warum nicht bereits eher Überlegungen zur Verstärkung des<br />

Bundesgrenzschutz angestellt wurden – vor allem im Hinblick darauf, dass<br />

bereits 1953 mehrfach von Bundesinnenminister Lehr erklärt wurde, eine Verstärkung<br />

des Bundesgrenzschutzes auf 20.000 Mann sei dringend<br />

erforderlich 1774 . Tatsächlich hatte die Bundesregierung intensive Werbemaßnahmen<br />

eingeleitet und versucht, mit der Änderung des Wehrpflichtgesetzes<br />

1772<br />

1773<br />

1774<br />

Schreiben des BMI, Az.: VI B 1, 630 113/I, v. 27.07.1964, in: BArch B 136/5041.<br />

Ebd., Anlage, S. 1.<br />

Vgl. die Ausführungen von Lehr, BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 5<br />

(1952), S. 349; BT-Prot. vom 19.06.1953, 274. Sitzung, S. 13599C.


350 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

1962 einen Anreiz zu schaffen, um kurzzeitig dienende Beamte im Bundesgrenzschutz<br />

anzustellen 1775 . Durch die Neufassung des § 42 WPflG von 1962<br />

erlosch die Verpflichtung, Grundwehrdienst zu leisten, wenn ein Wehrpflichtiger<br />

bereits achtzehn Monate Dienst beim Bundesgrenzschutz oder der Polizei<br />

geleistet hatte. Dennoch reichten diese Maßnahmen nicht aus, den Bundesgrenzschutz<br />

personell aufzufüllen. Somit ist es nachvollziehbar, dass das BMI andere<br />

Lösungsmöglichkeiten, beispielsweise die Einführung einer Grenzschutzdienstpflicht,<br />

in Betracht zog, um das Personalproblem in Griff zu bekommen.<br />

Beachtenswert ist der Blick auf die Argumentation zur Erforderlichkeit der<br />

Grenzschutzdienstpflicht im Zusammenhang mit der Aufgabenerfüllung des<br />

Bundesgrenzschutzes. Das Schreiben des BMI enthält keinen Hinweis darauf,<br />

dass es aufgrund der grenzpolizeilichen Lage an der Zonengrenze erforderlich<br />

gewesen sei, den Bundesgrenzschutz mit voller Stärke einzusetzen. Die materielle<br />

Begründung des BMI für eine Erhöhung des Personalstandes durch die<br />

Grenzschutzdienstpflicht liegt vielmehr darin, dass es die im Verteidigungsfall<br />

„zu bewältigenden Aufgaben“ erforderlich machen würden, eine Personalreserve<br />

zu schaffen, welche im Bedarfsfall zwangsweise zum Dienst verpflichtet<br />

werden könne 1776 . Es werden keine Darlegungen polizeitechnischer Natur angeführt,<br />

dass beispielsweise vermehrt festgestellte illegale Grenzübertritte oder<br />

generell die grenzüberschreitende Kriminalität zu bekämpfen wären und deshalb<br />

die Auffüllung des Bundesgrenzschutzes erforderlich sei, sondern es wird<br />

ausschließlich militärische Terminologie verwendet. Besonders deutlich wird<br />

dies in einer offiziellen Mitteilung des Bundesinnenministers Höcherl vom<br />

September 1964 im Bulletin der Bundesregierung. Er führte dort in einem<br />

Aufsatz mit dem Titel „Grenzschutz-Dienstpflicht“ an, dass die Welt seit 1945<br />

mehr als vierzig Kriege erlebt habe, welche auch die „Kampfform des subversiven<br />

Krieges angenommen haben“, dass der „kommunistische Gegner“<br />

verschiedenste Kampfmittel wie „Infiltration, Sabotage, Terror“ und Umsturz-<br />

1775<br />

1776<br />

Vgl. § 42 Abs. 1 Wehrpflichtgesetz v. 22.03.1962, BGBl. I 1962, S. 171; selbst nach<br />

Verabschiedung der Grenzschutzdienstpflicht hatte die Bundesregierung Anreize für eine<br />

Verpflichtung beim Bundesgrenzschutz in Form einer „Dienstzeitprämie“ von bis zu<br />

6.000 DM bei einer mehrjährigen Verpflichtung geschaffen, vgl. § 47c Abs. 2 BBesG<br />

a.F. (BGBl. I 1969, S. 1004).<br />

Schreiben des BMI, Az.: VI B 1, 630 113/I, v. 27.07.1964, Anlage 1, S. 1, in: BArch<br />

B 136/5041.


§ 9 Einführung der Grenzschutzdienstpflicht 351<br />

versuche einsetzen werde 1777 . Dem Bundesgrenzschutz würden als einer Polizei<br />

mit Kombattantenstatus im Falle eines bewaffneten Konfliktes bestimmte Aufgaben<br />

zukommen, die er in seiner bisherigen Stärke nicht bewältigen könne.<br />

Deshalb müssten im Frieden Reserven gebildet werden, auf die im Bedarfsfall<br />

zurückgegriffen werden könne 1778 .<br />

Es muss hier darauf hingewiesen werden, dass das BGSErgG, welches mit der<br />

Einfügung des § 2b die Verteidigungsaufgabe des Bundesgrenzschutzes erst<br />

begründet hat, zur Zeit der ersten Konzeptionen der Grenzschutzdienstpflicht<br />

und zur Zeit der Veröffentlichung von Höcherls Aufsatz (September 1964) noch<br />

gar nicht verabschiedet worden war 1779 . Deswegen ist es nicht verwunderlich,<br />

dass Höcherl in seinem gerade erwähnten Text zur Grenzschutzdienstpflicht in<br />

Zusammenhang mit der Bekämpfung der subversiven Kriegsführung anführte,<br />

dass diesbezüglich eine Polizei eingesetzt werden solle, „die den Kombattantenstatus“<br />

besitze und gegen Angehörige der feindlichen Streitkräfte mit der Waffe<br />

vorgehen könne 1780 . Somit kann die Begründung der Grenzschutzdienstpflicht<br />

nicht losgelöst von der Verleihung des Kombattantenstatus betrachtet werden<br />

kann. Die Formulierung in der Begründung zum Gesetzentwurf zur Grenzschutzdienstpflicht<br />

bringt diesen Konnex auf den Punkt: „Der Einsatzwert des<br />

Bundesgrenzschutzes als ‚kombattante Polizeitruppe’ im Verteidigungsfall steht<br />

und fällt mit der Iststärke der erforderlichen Einheiten“ 1781 .<br />

Die beschriebene Begründung kann allerdings nicht als Hinweis darauf angesehen<br />

werden, dass das Bundesinnenministerium die Erfüllung der<br />

Verteidigungsaufgabe vor die Erfüllung der grenzpolizeilichen Aufgaben gestellt<br />

hatte, denn es erscheint aus grundsätzlichen Überlegungen zweifelhaft, ob<br />

der Wehrpflicht unterliegende Kurzzeitdienende einen Ersatz für vollwertig<br />

ausgebildete Polizeivollzugsbeamte hätten darstellen können. Mit anderen<br />

Worten konnte über eine Grenzschutzdienstpflicht lediglich der Bedarf an<br />

1777<br />

1778<br />

1779<br />

1780<br />

1781<br />

Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, Nr. 135 vom<br />

02.09.1964, S. 1261.<br />

Ebd.<br />

Der Bundesgrenzschutz erhielt den Kombattantenstatus erst mit Inkrafttreten des<br />

BGSErgG v. 11.07.1965, vgl. BGBl. I 1965, S. 603.<br />

Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, Nr. 135 vom<br />

02.09.1964, S. 1261.<br />

Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über die Dienstpflicht, v. 01.10.1964, S. 3, in:<br />

BArch B 136/5041.


352 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

Personal für eine Ausnahmesituation, den Fall des bewaffneten Angriffs, gedeckt<br />

werden, welcher es nicht in jedem Fall erforderlich machte, dass die<br />

Aufgaben i.S.v. § 2b BGSG 1956 von voll ausgebildeten Polizeivollzugsbeamten<br />

wahrgenommen wurden. Grenzschutzdienstpflichtige hätten im Verteidigungsfall<br />

für das Stammpersonal des Bundesgrenzschutzes durchaus eine<br />

wertvolle Unterstützung im Rahmen beispielsweise von Verkehrslenkungsmaßnahmen<br />

oder beim Objektschutz sein können.<br />

Differenziert betrachtet hat das BMI mit dem Gesetzesvorhaben folglich relativ<br />

schnell gehandelt, um die Verteidigungsaufgaben de lege ferenda wirksam mit<br />

der Sollstärke und mit Rückgriff auf eine Grenzschutzreserve wahrnehmen zu<br />

können. Dies wird auch durch die Formulierung bestätigt, dass die Grenzschutzdienstpflicht<br />

erforderlich für „den Einsatz des Bundesgrenzschutzes im<br />

Verteidigungsfall“ sei und dass es nicht Zweck des Grenzschutzdienstpflichtigen<br />

sei, „im Frieden zur Ableistung von aktivem Polizeidienst“ herangezogen zu<br />

werden 1782 .<br />

Dem hier eingangs zitierten Schreiben des BMI vom 27. Juli 1964 kann der<br />

Hinweis entnommen werden, dass die Einführung einer Grenzschutzdienstpflicht<br />

eine Verfassungsänderung erfordere, die nur mit den Stimmen der<br />

Opposition durchgeführt werden könne 1783 .<br />

Zum Zeitpunkt des Schreibens, während der vierten Wahlperiode, bestand die<br />

Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP; erst in der fünften Wahlperiode ab<br />

1966, nach Austritt der FDP aus der Regierung und mit Bildung der großen<br />

Koalition, rückte die Verfassungsänderung in greifbare Nähe. Insgesamt kann<br />

der Vorstoß des BMI als Konzeptentwurf betrachtet werden, da zu diesem<br />

Zeitpunkt weder die verfassungsrechtliche Grundlage für eine Grenzschutzdienstpflicht<br />

geschaffen noch die politische Möglichkeit hierzu sichtbar war.<br />

Diesbezüglich geht aus einem weiteren Dokument des Bundeskanzleramtes vom<br />

5. August 1964 hervor, dass die SPD im Hinblick auf die Grenzschutzdienstpflicht<br />

eher Wert auf Reserven als auf die Erhöhung der Sollstärke lege, und<br />

dass zur Zeit überlegt werde, „wie man den Wünschen der SPD näher kommen<br />

kann, da mit dem Gesetz eine Grundgesetzänderung verbunden ist, für die die<br />

1782<br />

1783<br />

Ebd., S. 6.<br />

Schreiben des BMI, Az.: VI B 1, 630 113/I, v. 27.07.1964, Anlage 1, S. 2, in: BArch<br />

B 136/5041.


§ 9 Einführung der Grenzschutzdienstpflicht 353<br />

Stimmen der SPD benötigt werden“ 1784 . Darüber hinaus erscheine es dem Dokument<br />

vom 5. August zufolge grundlegend als zweifelhaft, ob das angestrebte<br />

Gesetz noch in der vierten Wahlperiode verabschiedet werden könne.<br />

I. Pläne zur verfassungsrechtlichen Verankerung<br />

Am 23. April 1965 teilte das BMI den anderen beteiligten Ressorts und dem<br />

Bundeskanzleramt seine Rechtsauffassung zu einer möglichen Verankerung der<br />

Grenzschutzdienstpflicht mit. Demnach sollte die verfassungsrechtliche Grundlage<br />

durch die Einfügung eines Art. 12 Abs. 2a GG geschaffen werden 1785 . Eine<br />

Ergänzung des Art. 12 GG sei bereits durch den Rechtsausschuss des Bundestages<br />

im Rahmen der Verhandlungen zur Notstandsverfassung beschlossen<br />

worden. Demnach sei beabsichtigt, dem neu einzufügenden Abs. 2a GG folgenden<br />

Wortlaut zu geben:<br />

„Männer können vom vollendeten 18. Lebensjahr an zum Grenzschutzdienst<br />

verpflichtet werden.“ 1786<br />

Das BMI hielt darüber hinaus noch eine Ergänzung von Art. 17a und Art. 87b<br />

GG für notwendig. In Art. 17a sollte ein neu einzufügender Abs. 3 festlegen,<br />

dass ein Gesetz über die Grenzschutzdienstpflicht die Einschränkung des Grundrechtes<br />

auf Freizügigkeit bestimmen könne, da die Verpflichtung zum Wohnen<br />

in einer Gemeinschaftsunterkunft zwangsläufig einen Ortswechsel voraussetze<br />

und so eine Beeinträchtigung des Rechtes aus Art. 11 GG nach sich ziehen<br />

könne 1787 . Art. 87b Abs. 2 S. 1 sollte schlicht um die Formel „oder im Bundesgrenzschutz“<br />

ergänzt werden, damit die Ausführung der Vorschriften des<br />

Bundesversorgungsgesetzes und des Unterhaltssicherungsgesetzes, soweit diese<br />

auf die Grenzschutzdienstpflichtigen anwendbar sind, grundsätzlich von den<br />

Ländern im Auftrag des Bundes erfolgt 1788 .<br />

In dieser frühen Phase war noch nicht endgültig entschieden, in welcher Form<br />

die Grenzschutzdienstpflicht tatsächlich im Grundgesetz verankert werden<br />

1784<br />

1785<br />

1786<br />

1787<br />

1788<br />

Vermerk des Bundeskanzleramtes, Referat 5, v. 05.08.1964, in: BArch B 136/5041.<br />

Schreiben des BMI, Az. I A 1-110 020-1/2, v. 23.04.19665, in: BArch B 136/5041.<br />

Ebd.<br />

Ebd., S. 3.<br />

Ebd.


354 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

sollte, bzw. ob eine Ergänzung der Art. 17a und 87b überhaupt erforderlich sein<br />

würde 1789 . Alle Entwürfe zur Notstandsverfassung ab 1965 sahen eine Grenzschutzdienstpflicht<br />

vor – teilweise wurde sogar in Erwägung gezogen, eine<br />

Verpflichtung zum Landespolizeidienst ins Grundgesetz mit aufzunehmen. Auf<br />

diese wurde jedoch verzichtet, da man der Auffassung war, dass im Bedarfsfalle<br />

„die Verpflichtung zum Polizeidienst mit unter die Verpflichtung zu zivilen<br />

Dienstleistungen zum Zwecke der Verteidigung“ zu subsumieren wäre 1790 . Die<br />

Grenzschutzdienstpflicht selbst wurde, ebenso wie bereits in den inneradministrativen<br />

Vorgängen 1791 , damit begründet, dass die notwendige Verstärkung des<br />

Bundesgrenzschutzes „in absehbarer Zeit allein auf freiwilliger Basis wohl nicht<br />

erreicht werden“ könne 1792 . Im letzten Entwurf zur Notstandsverfassung rückte<br />

die Grenzschutzdienstpflicht systematisch an eine Stelle im Grundgesetz zusammen<br />

mit den Dienstverpflichtungen in den Streitkräften oder in einem<br />

Zivilschutzverband. Die Erwägung hierfür war, dass für diese drei Arten des<br />

Dienstes (Streitkräfte, Grenzschutz und Zivilschutz) ein Einsatz „nur dadurch<br />

gesichert werden kann, dass bereits in Normalzeiten eine Ausbildung von gewisser<br />

Dauer erfolgt“ 1793 . Die abschließende Fassung von Art. 12a des<br />

Gesetzentwurfs enthielt die bis heute gültige Formulierung:<br />

„Männer können vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum<br />

Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband<br />

verpflichtet werden.“<br />

II. Aufgabenakkumulation durch die Notstandsverfassung<br />

Gemäß Art. 5 Abs. 2 des Deutschlandvertrages behielten sich die Alliierten die<br />

Ausübung ihrer innegehabten Rechte vor, solange nicht die zuständigen deutschen<br />

Behörden „entsprechende Vollmachten durch die deutsche Gesetzgebung<br />

erhalten haben und dadurch in Stand gesetzt sind, wirksame Maßnahmen zum<br />

Schutz der Sicherheit“ der alliierten Streitkräfte zu treffen, „einschließlich der<br />

1789<br />

1790<br />

1791<br />

1792<br />

1793<br />

Auf eine Ergänzung von Art. 17a, 87b GG wurde abschließend verzichtet.<br />

BT-Drs. IV/3494, S. 6.<br />

Schreiben des BMI, Az.: VI B 1, 630 113/I, v. 27.07.1964, Anlage, S. 1, in: BArch<br />

B 136/5041: „Nach der Lage der Dinge kann die notwendige Stärke nicht durch Freiwillige,<br />

sondern nur auf dem Weg über eine Dienstpflicht erreicht werden“.<br />

BT-Drs. IV/3494, S. 6.<br />

BT-Drs. V/2873, S. 5.


§ 9 Einführung der Grenzschutzdienstpflicht 355<br />

Fähigkeit, einer ernstlichen Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu<br />

begegnen“ 1794 . Es bestand kein Zweifel daran, dass das Grundgesetz seinerzeit<br />

„keine ausreichenden Vollmachten“ gewährte, um „ernsthaften Gefahren entgegenzutreten,<br />

die für den Bestand von Bund und Ländern oder für die freiheitlichdemokratische<br />

Grundordnung“ hätten eintreten können 1795 . Das Ziel der Bundesregierung<br />

bestand darin, durch die Verabschiedung einer Notstandsverfassung<br />

die alliierten Vorbehaltsrechte aus Art. 5 des Deutschlandvertrages ablösen zu<br />

können. Die ersten Entwürfe für eine Notstandsverfassung gehen bis in das Jahr<br />

1960 zurück – eine Verabschiedung war jedoch erst 1968 mit der großen Koalition<br />

möglich. In der Thematik bestand von Beginn an die Sorge, dass „die<br />

Übertragung weitgehender Vollmachten an die Staatsführung […] die noch<br />

nicht gefestigte demokratische Struktur der Bundesrepublik einer gefährlichen<br />

Zerreißprobe aussetzen“ könnte 1796 . Ein langer Gestaltungs- und Diskussionsprozess<br />

über mehrere Wahlperioden war nötig, um die Notstandsverfassung, vor<br />

allem auch gegen den Widerstand der APO und des DGB, durchzusetzen.<br />

Entscheidend für die Umsetzung war das Bestehen einer politischen Mehrheit<br />

im Bundestag. Der Kabinettssitzung vom 25. Januar 1961 kann entnommen<br />

werden, dass eine Änderung des Grundgesetzes „bei der gegenwärtigen Zusammensetzung<br />

des Bundestages nicht durchzusetzen“ sei 1797 . Erst ab 1966, seit<br />

Bestehen der großen Koalition, eröffnete sich die Möglichkeit, eine umfassende<br />

Grundgesetzänderung durchzuführen. Bundeskanzler Kiesinger erklärte in der<br />

Kabinettssitzung am 10. März 1967, dass die Verabschiedung einer Notstandsverfassung<br />

„nicht mehr länger hinausgezögert werden dürfe“ 1798 . Am 30. Mai<br />

1968 konnte der sogenannte „Lücke-Entwurf“ im „Wege des Kompromisses<br />

zwischen verfassungsstaatlicher Verrechtlichung und politischer Effektivität die<br />

parlamentarischen Hürden“ der Zweidrittelmehrheit nehmen 1799 . Mit der Verabschiedung<br />

der Notstandsverfassung erhielt der Bundesgrenzschutz mehrere neue<br />

Aufgaben.<br />

1794<br />

1795<br />

1796<br />

1797<br />

1798<br />

1799<br />

Art. 5 Abs. 2 Deutschlandvertrag (BGBl. II 1955, S. 305).<br />

Schäfer, NJW 1960, 1129.<br />

Benda, Die Notstandsverfassung, S. 13.<br />

BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 14 (1961), S. 73; weder der sog. „Höcherl-Entwurf“<br />

(BT-Drs. IV/891), noch der sog. „Benda-Entwurf (BT-Drs. IV/3494)<br />

fand im Bundestag eine Mehrheit, vgl. Görtemaker, Geschichte der BRD,<br />

S. 455.<br />

BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 20 (1967), S. 180.<br />

Vgl. Hofmann, Verfassungsrechtliche Perspektiven, S. 232.


356 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

1. Art. 35 GG<br />

Im Rahmen der Grundgesetzänderung 1968 wurden die Absätze 2 und 3 in Art.<br />

35 GG mit der Begründung neu eingefügt, dass das „Verhältnis von Bund und<br />

Ländern und der Länder zueinander bei Hilfeleistungen […] der grundgesetzlichen<br />

Regelung bedarf“ 1800 . Durch die Ergänzung wurde der<br />

Katastrophennotstand umfassend geregelt, wobei die praktische Bedeutung der<br />

Vorschrift als gering angesehen werden kann, da Naturkatastrophen oder Unglückfälle<br />

i.S.v. Art. 35 GG in Deutschland selten auftreten dürften 1801 . Die<br />

Hilfeleistung durch den Bundesgrenzschutz im Falle einer Naturkatastrophe<br />

(beispielsweise Überschwemmungen) oder eines besonders schweren Unglücksfalles<br />

(beispielsweise Explosionsunglück) erfuhr hier erstmals eine<br />

grundgesetzliche Regelung. Der rein technische Hilfseinsatz des Bundesgrenzschutzes,<br />

wie etwa bei der Hamburger Flutkatastrophe 1962, war zwar<br />

„unbestritten“ schon immer im Rahmen der Amtshilfe möglich, jedoch umfasste<br />

ein solcher nicht das Recht zur Ausübung von polizeilichen Vollzugsmaßnahmen<br />

1802 . Nach Art. 35 Abs. 2 GG untersteht der Bundesgrenzschutz bei einem<br />

Einsatz des „im Einsatzland geltenden Landespolizeirechts“ 1803 . Als konkrete<br />

Maßnahmen für den Bundesgrenzschutz i.S.v. Art. 35 Abs. 2 und 3 GG kommen<br />

beispielsweise die „Sicherung und Absperrung von Katastrophengebieten“ und<br />

„Verkehrslenkungsaufgaben“ in Betracht 1804 .<br />

Darüber hinaus wurde in Art. 35 Abs. 3 GG der Bundesregierung die Befugnis<br />

eingeräumt, insofern eine Naturkatastrophe oder ein Unglücksfall das Gebiet<br />

mehr als eines Landes gefährdet, den Landesregierungen die Weisung erteilen<br />

zu können, Polizeikräfte anderen Ländern zur Verfügung zu stellen, sowie<br />

Einheiten des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte zur Unterstützung<br />

einzusetzen. Dies muss allerdings subsidiär gelten, da die Bekämpfung eines<br />

Katastrophennotstandes in erster Linie Sache der Länderpolizeien ist 1805 .<br />

Die heute gültige Fassung des Art. 35 Abs. 2 GG, wonach ein Land zur Aufrechthaltung<br />

oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung<br />

1800<br />

1801<br />

1802<br />

1803<br />

1804<br />

1805<br />

BT-Drs. V/2873, S. 9.<br />

Lenz, Kommentar zur Notstandsverfassung, Art. 35 Rn. 5.<br />

Keidel, Polizei und Polizeigewalt im Notstandsfall, S. 39, Fn. 110.<br />

BT-Drs. V/2873, S. 10.<br />

Begründung für ein neues BGS-Gesetz v. 10.09.1968, S. 5, in: BArch B 136/5042.<br />

Lenz, Kommentar zur Notstandsverfassung, Art. 35 Rn. 16.


§ 9 Einführung der Grenzschutzdienstpflicht 357<br />

in Fällen besonderer Bedeutung „Kräfte und Einrichtungen des Bundesgrenzschutzes“<br />

anfordern kann, wurde nicht durch die Ergänzung im Rahmen der<br />

Notstandsgesetzgebung neu gefasst, sondern erst 1972 zusammen mit einer<br />

Ergänzung von Art. 73 Ziff. 10 GG a.F. 1806 .<br />

Im Zusammenhang mit den vorgenannten Änderungen von Art. 35 GG darf<br />

nicht unerwähnt bleiben, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber 1968 auch<br />

den Einsatz der Bundeswehr zur Hilfeleistung bei einer Naturkatastrophe oder<br />

bei einem besonders schweren Unglücksfall gesetzlich in Art. 35 Abs. 2 und<br />

Abs. 3 GG geregelt hat. Die Erfahrungen während Hamburger Flutkatastrophe<br />

hätten gezeigt, dass ein Einsatz der Bundeswehr „nicht unzweifelhaft“ nach<br />

bisher geltendem Verfassungsrecht möglich gewesen wäre und deshalb eine<br />

Aufnahme entsprechender Regelungen im Grundgesetz erforderlich sei 1807 .<br />

Rund 8.000 Bundeswehrsoldaten waren im Rahmen der Ereignisse um die<br />

Hamburger Sturmflut 1962 zur Hilfeleistung auf Anforderung des damaligen<br />

Hamburger Innensenators Helmut Schmidt im Einsatz 1808 . Im Nachhinein<br />

herrschte Unklarheit darüber, „in welchem Umfang und mit welchen Kompetenzen“<br />

die Bundeswehr eingesetzt werden konnte 1809 . Aus diesem Grund wurde in<br />

Art. 35 Abs. 2 GG aufgenommen, dass ein Land zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe<br />

oder bei einem besonders schweren Unglücksfall neben Einheiten des<br />

Bundesgrenzschutzes auch die Bundeswehr anfordern kann. Hierbei unterstehen<br />

die Einheiten der Bundeswehr den „Rechtsnormen des im Einsatzland geltenden<br />

Polizeirechts“ 1810 . Die Hilfeleistung durch die Bundeswehr i.S.v. Art. 35 Abs. 2<br />

GG umfasst hierbei Aufgaben polizeilicher Art, wie Absperr- und Verkehrslenkungsmaßnahmen.<br />

Nach Art. 35 Abs. 3 GG kann die Bundesregierung, insofern<br />

die Naturkatastrophe oder der Unglücksfall das Gebiet mehr als eines Landes<br />

gefährdet und es zur wirksamen Bekämpfung erforderlich ist, den Landesregierungen<br />

die Weisung erteilen, Einheiten des Bundesgrenzschutzes und der<br />

Streitkräfte zur Unterstützung der Polizeikräfte einzusetzen. Besondere Aktualität<br />

erhält die Betrachtung von Art. 35 Abs. 2, 3 GG durch die Verabschiedung<br />

des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben im Jahr 2005 1811 .<br />

Gemäß § 13 Abs. 1 LuftSiG kann die Bundesregierung bei Vorliegen eines<br />

1806<br />

1807<br />

1808<br />

1809<br />

1810<br />

1811<br />

BGBl. I 1972, S. 1305.<br />

BT-Drs. V/1879, S. 23.<br />

Der Spiegel 10/1962 vom 07.03.1962, S. 26.<br />

Knelangen, in: Gareis/Klein, Handbuch Militär, S. 1147.<br />

BT-Drs. V/2873, S. 10.<br />

Luftsicherheitsgesetz v. 11.01.2005 (BGBl. I 2005, S. 78 ff.).


358 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

erheblichen Luftzwischenfalls 1812 , soweit dadurch Tatsachen bestehen, die im<br />

Rahmen der Gefahrenabwehr die Annahme begründen, dass ein besonders<br />

schwerer Unglücksfall nach Art. 35 GG bevorsteht, die Streitkräfte zur Unterstützung<br />

der Polizeikräfte der Länder im Luftraum einsetzen. Im Rahmen des<br />

Einsatzes nach § 13 LuftSiG waren gemäß § 14 Abs. 1 LuftSiG die Maßnahmen<br />

des Abdrängens, des zur Landung Zwingens, aber auch die Androhung und<br />

Abgabe von Warnschüssen zugelassen. Nach § 14 Abs. 3 LuftSiG war die<br />

unmittelbare Einwirkung von Waffengewalt dann zulässig, wenn nach den<br />

Umständen davon auszugehen war, dass ein Luftfahrzeug gegen das Leben von<br />

Menschen eingesetzt würde und der Einsatz von Waffengewalt das einzige<br />

Mittel zur Abwehr der gegenwärtigen Gefahr wäre.<br />

Hierbei sei angemerkt, dass keineswegs davon die Rede sein kann, dass bereits<br />

im Vorfeld die Regelungen des §§ 13, 14 LuftSiG nicht kritisch betrachtet<br />

wurden. Während des Gesetzgebungsvorganges zum LuftSiG nahmen zahlreiche<br />

namhafte Sachverständige ablehnend Stellung – sowohl zu § 13 LuftSiG,<br />

der auf Art. 35 Abs. 2 GG als Grundlage für den Einsatz der Bundeswehr verweist<br />

als auch zu der Befugnis des Einsatzes von Waffengewalt gegen<br />

Luftfahrzeuge aus § 14 Abs. 3 LuftSiG. Tettinger führte aus, dass „Art. 35 Abs.<br />

2 S. 2 GG in derzeitiger Fassung keine hinreichend belastbare Grundlage für<br />

Einsätze der Bundeswehr im Inneren zur Terrorabwehr“ sei 1813 . Im gleichen<br />

Sinn erklärte Scholz, dass es für eine Zuständigkeit der Bundeswehr zur Terrorabwehr<br />

einer „verfassungsrechtlichen Ermächtigung“ bedürfe und ein solcher<br />

Auftrag sich „nicht im Wege des einfachen Gesetzes“ schaffen lasse, sondern<br />

nur über eine „Neufassung des Art. 35 GG“ 1814 . Auch Ronellenfitsch hielt den<br />

„Gesetzentwurf [für] konzeptionell verfehlt“ 1815 . In der öffentlichen Anhörung<br />

äußerte er weiterhin, dass sich auf der Grundlage des Polizeirechts „niemals das<br />

Abschießen entführter Flugzeuge unter Inkaufnahme des Opfers unschuldiger<br />

Geiseln rechtfertigen“ lassen werde 1816 . Ipsen stellte während der Anhörung<br />

1812<br />

1813<br />

1814<br />

1815<br />

1816<br />

Ein Luftzwischenfall ist nach Definition der Bundesregierung jegliche Abweichung<br />

vom „normalen Flugbetrieb“, hierunter werden nicht nur entführte Flugzeuge subsumiert,<br />

sondern auch Ballons, Raketen oder sonstige Flugkörper, vgl. BT-Drs. 15/2361,<br />

S. 20.<br />

Tettinger, Stellungnahme zum LuftSiG, A-Drs. 15(4)102C, S. 4.<br />

Scholz, Stellungnahme zum LuftSiG, A-Drs. 15(4)102E, S. 15 f.<br />

Ronellenfitsch, Stellungnahme zum LuftSiG, A-Drs. 15(4)102F, Teil 1, S. 1.<br />

Innenausschuss, Protokoll der 35. Sitzung, Öffentliche Anhörung der Sachverständigen,<br />

Prot.- Nr. 15/35 v. 26.04.2004, S. 19.


§ 9 Einführung der Grenzschutzdienstpflicht 359<br />

heraus, dass man sich fragen müsse, ob „eine derartige Grenzsituation überhaupt<br />

regelbar“ oder ob „das Recht nicht von vornherein überfordert“ sei 1817 . Darüber<br />

hinaus hielt auch er den Weg einer Verfassungsänderung für den Richtigen. Im<br />

gleichen Tenor äußerten sich Politiker der damaligen Opposition im Bundestag.<br />

So erklärte beispielsweise Wolfgang Bosbach (CDU), dass die entsprechenden<br />

Vorschriften des LuftSiG ohne Verfassungsänderung verfassungswidrig und die<br />

Grenzen der Amtshilfe durch die Bundeswehr überschritten seien 1818 . Trotz der<br />

geäußerten Bedenken von Seiten der Sachverständigen und der Opposition<br />

verabschiedete die damalige Koalition, bestehend aus SPD und Bündnis 90/Die<br />

Grünen, am 18. Juni 2004 das LuftSiG 1819 . Gegen § 14 Abs. 3 LuftSiG legten<br />

daraufhin u.a. mehrere ehemalige deutsche Politiker, bspw. Gerhart Baum<br />

(FDP) und Burkhard Hirsch (FDP), Verfassungsbeschwerde ein.<br />

Das BVerfG entschied am 15. Februar 2006, dass die Ermächtigung, gemäß §<br />

14 Abs. 3 LuftSiG durch unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt ein Luftfahrzeug<br />

abzuschießen, das gegen das Leben von Menschen eingesetzt werden<br />

soll, mit dem Recht auf Leben nach Art 2. Abs. 2 S. 1 GG i.V.m. der Menschenwürdegarantie<br />

des Art. 1 Abs. 1 GG nicht vereinbar sei, soweit davon<br />

tatunbeteiligte Menschen an Bord des Luftfahrzeugs betroffen wären 1820 . Weiterhin<br />

erlaubt es Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 S. 1 GG dem Bund nicht, „die<br />

Streitkräfte bei der Bekämpfung von Naturkatastrophen und besonders schweren<br />

Unglücksfällen mit spezifisch militärischen Waffen einzusetzen“ 1821 . Zwar<br />

erkannte das BVerfG an, dass es sich bei einem entführten Flugzeug, das durch<br />

Terroristen zum Absturz gebracht werden soll, um einen schweren Unglücksfall<br />

i.S.v. Art. 35 Abs. 2 GG handelt 1822 , jedoch ermächtigt Art. 35 Abs. 2 GG die<br />

Streitkräfte nicht zur Bekämpfung von Naturkatastrophen oder Unglücksfällen<br />

„mit spezifisch militärischen Waffen“, wie etwa Bordwaffen 1823 . Die Art der<br />

Hilfsmittel, die durch die Streitkräfte im Rahmen von Art. 35 GG eingesetzt<br />

werden, dürfen nicht von anderer Art sein als diejenigen, die den Polizeien der<br />

1817<br />

1818<br />

1819<br />

1820<br />

1821<br />

1822<br />

1823<br />

Ebd., S. 22.<br />

BT-Prot. vom 30.01.2004, 89. Sitzung, S. 7884A.<br />

BT-Prot. vom 18.06.2004, 115. Sitzung, S. 10545D.<br />

BVerfGE 115, 118 (Leitsatz 3).<br />

BVerfGE 115, 118 (Leitsatz 2).<br />

BVerfGE 115, 118 (143).<br />

BVerfGE 115, 118 (146).


360 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

Länder zur Verfügung stehen. Die Art. 35 Abs. 2 und Abs. 3 GG umfassen<br />

demnach nur „Aufgaben und Zwangsbefugnisse polizeilicher Art“ 1824 .<br />

Zeitgleich mit vorbezeichneter Verfassungsbeschwerde beim ersten Senat des<br />

BVerfG stellten die Staatsregierungen der Länder Bayern und Hessen Antrag<br />

auf Normenkontrolle beim zweiten Senat, ob die §§ 13, 14 Abs. 1, 2 und 4 und §<br />

15 LuftSiG, welche die Voraussetzungen und Modalitäten eines Einsatzes der<br />

Streitkräfte zur Abwehr besonders schwerer, von Luftfahrzeugen ausgehender<br />

Unglücksfälle regeln, mit dem Grundgesetz vereinbar seien. Der zweite Senat<br />

stellte die Bearbeitung des Verfahrens zurück, bis der erste Senat über die<br />

Verfassungsbeschwerde entschieden hatte. Nach der Entscheidung zum<br />

LuftSiG, stellte der zweite Senat gemäß § 48 Abs. 2 der BVerfGGO 1825 eine<br />

Anfrage beim ersten Senat, ob dieser u.a. an seiner Rechtsauffassung festhalte,<br />

wonach Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG einen Einsatz der Streitkräfte mit<br />

spezifisch militärischen Waffen nicht zulasse 1826 . Der erste Senat erklärte, dass<br />

er von dieser Rechtsauffassung nicht abweiche. Da der zweite Senat jedoch<br />

beabsichtigte, von der Rechtsmeinung des ersten Senates abzuweichen, war die<br />

Anrufung des Plenums erforderlich. Das Plenum des BVerfG entschied am 3.<br />

Juli 2012, dass die Verwendung spezifisch militärischer Waffen bei Einsätzen<br />

der Streitkräfte nach Art 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 GG nicht grundsätzlich ausgeschlossen<br />

ist 1827 . Insofern stellt die Plenumsentscheidung eine teilweise Aufgabe<br />

der Entscheidung des ersten Senates dar. Dies gilt jedoch nur in Bezug auf den<br />

Streitkräfteeinsatz mit militärischen Mitteln im Inland. An dem Leitsatz der<br />

Entscheidung des ersten Senates zur Unvereinbarkeit der Abschussermächtigung<br />

aus § 14 Abs. 3 LuftSiG mit dem Grundrecht auf Leben und der Menschenwürdegarantie<br />

wurde festgehalten. Das Plenum stützte seine Auffassung, dass die<br />

Streitkräfte nach Art. 35 GG auch militärische Mittel einsetzen können, vor<br />

allem auf systematische Erwägungen. Eine „Beschränkung des Streitkräfteeinsatzes<br />

auf diejenigen Mittel, die nach dem Gefahrenabwehrrecht des<br />

Einsatzlandes der Polizei zur Verfügung stehen oder verfügbar gemacht werden<br />

dürften, ist durch den Wortlaut des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG und die<br />

1824<br />

1825<br />

1826<br />

1827<br />

BVerfGE 115, 118 (148).<br />

Insofern ein Senat von der Rechtsauffassung des anderen Senates abweichen will, muss<br />

er das Plenum durch Beschluss anrufen; dies ist insofern entbehrlich, als wenn der Senat,<br />

von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage erklärt, dass er an<br />

seiner Rechtsauffassung nicht festhalte, vgl. § 48 Abs. 2 BVerfGGO.<br />

BVerfG, Beschluss vom 19.05.2010, Az. 2 BvF 1/05.<br />

BVerfG, Beschluss vom 03.07.2012, Az. 2 PBvU 1/11, juris Rn. 24.


§ 9 Einführung der Grenzschutzdienstpflicht 361<br />

Systematik des Grundgesetzes nicht zwingend vorgegeben“ 1828 . Es ist vielmehr<br />

nach Art. 35 GG nicht festgelegt, mit welchen Mitteln die Streitkräfte Unterstützung<br />

leisten dürfen. Es sprechen jedoch systematische Erwägungen dafür, „dass<br />

aus der von Art. 35 Abs. 2 und 3 GG vorgegebenen unterstützenden Funktion<br />

der Streitkräfte keine Beschränkung auf die aktuell oder potentiell polizeirechtlich<br />

zulässigen Einsatzmittel folgt. Denn auch Art. 87a Abs. 4 Satz 1 GG lässt<br />

für den dort umschriebenen Fall des inneren Notstandes einen Einsatz der<br />

Streitkräfte nur ‚zur Unterstützung‘ der Landes- und der Bundespolizei zu,<br />

beschränkt damit aber anerkanntermaßen den dort geregelten Einsatz, jedenfalls<br />

soweit es um die Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer<br />

geht, nicht von vornherein auf die Mittel, die den unterstützten<br />

Polizeien zur Verfügung stehen“ 1829 . Das Plenum berücksichtigte auch die<br />

Entwicklung des internationalen Terrorismus, welche die Belange der inneren<br />

Sicherheit im Hinblick auf den Luftverkehr modifiziert haben. Der Wortlaut und<br />

die Systematik schließen es nicht aus, Art. 35 Abs. 2 und 3 GG auch auf „andersartige<br />

von Wortlaut und Systematik der Vorschrift erfasste Bedrohungslagen<br />

anzuwenden“, sondern zwingen vielmehr nicht „zu einer angesichts heutiger<br />

Bedrohungslagen nicht mehr zweckgerechten Auslegung“ 1830 . Abschließend<br />

wurde jedoch darauf hingewiesen, dass der Einsatz von militärischer Waffengewalt<br />

nur das letzte Mittel sein dürfe. Dies wurde im endgültigen Beschluss des<br />

zweiten Senates zur Normenkontrolle der Landesregierungen, welcher nun nach<br />

Entscheidung des Plenums getroffen werden konnte, noch einmal bestätigt.<br />

Demnach ist der Streitkräfteeinsatz nach Art. 35 GG mit militärischen Mitteln<br />

nur als ultima ratio zugelassen 1831 . Besonders der Beschluss des Plenums, von<br />

der Entscheidung des ersten Senates abzuweichen, ist nicht ohne Kritik aufgenommen<br />

worden. RiBVerfG Gaier, welcher eine vom Plenum unterscheidende<br />

Meinung vertrat, stellte heraus, dass „der Ausschluss bewaffneter Einsätze der<br />

Streitkräfte im Inland […] ein fundamentales Prinzip des Staatswesens“ darstelle<br />

und der Beschluss des Plenums „die Wirkung einer Verfassungsänderung“<br />

habe, da er „die einschlägigen Verfassungsnormen weder ihrem Wortlaut noch<br />

1828<br />

1829<br />

1830<br />

1831<br />

Ebd., juris Rn. 28.<br />

Ebd., juris Rn. 30.<br />

Ebd., juris Rn. 32.<br />

BVerfG, Beschluss vom 20.03.2013, Az. 2 BvF 1/05, juris Rn. 74.


362 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

ihrer Systematik nach hinreichend“ würdige 1832 . In diesem Sinn bezeichnet van<br />

Ooyen die Plenarentscheidung zutreffend als „kalte“ Verfassungsänderung 1833 .<br />

In Bezug auf vorliegende Untersuchung lässt die Entscheidung des Plenums<br />

argumentativ damit untermauern, dass die Polizei im Zuge der Notstandsgesetzgebung<br />

eine „Abrüstung“ erfuhr. Wie bereits hier an vorheriger Stelle dargelegt,<br />

wurden beim Bundesgrenzschutz und den Bereitschaftspolizeien bestimmte<br />

schwere Waffen ausgemustert, nachdem die Bundeswehr gemäß Art. 87a Abs. 4<br />

GG im Inneren eingesetzt werden konnte 1834 . Der ehemalige niedersächsische<br />

Innenminister Lehners führte hierzu aus, dass seitdem die Notstandsgesetze<br />

bestünden, er „in Maschinengewehren und Handgranaten“ keine Polizeiwaffen<br />

mehr sehe, da im Inneren nun auch die Bundeswehr eingesetzt werden könne<br />

1835 . Es erscheint daher folgerichtig, dass Streitkräfte bei ihrem Einsatz im<br />

Inneren auch die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel nutzen – besonders auch<br />

deswegen, da durch die Abrüstung bei Polizei und Bundesgrenzschutz ein<br />

Vakuum an Einsatzmitteln entstünde, wenn die Bundeswehr nur auf typische<br />

polizeiliche Mittel beschränkt sei. Dies steht auch im Einklang mit den Formulierungen<br />

in Art. 35 und 87a GG. In Art. 35 Abs. 3 GG ist die Rede davon, dass<br />

die Bundesregierung, soweit es zur „wirksamen Bekämpfung“ erforderlich ist,<br />

Einheiten der Streitkräfte einsetzen kann. Die wirksame, also eine taugliche und<br />

dienliche Bekämpfung eines von Dritten herbeigeführten Unglücksfalles (bspw.<br />

das geplante zum Absturzbringen eines Flugzeuges) schließt konsequenterweise<br />

die Verwendung von militärischen Waffen ein. Hierbei sind nicht die Abschussfälle<br />

gemeint, die das BVerfG als nicht mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt<br />

hat (Abschuss eines Passagierflugzeuges), sondern die Fälle, in denen sich ein<br />

Terrorist beispielsweise alleine in einem Flugzeug befindet und dieses zum<br />

Absturz bringen oder in sonstiger Weise gegen Menschenleben einsetzen will,<br />

sodass nur ein Abschuss den Schadenseintritt verhindern kann. Der erste Senat<br />

hatte bereits in diesen Fällen einen Abschuss für zulässig gehalten. Es führte<br />

diesbezüglich aus, dass § 14 Abs. 3 LuftSiG mit Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2<br />

Abs. 2 S. 1 GG vereinbar sei, insofern „als sich die unmittelbare Einwirkung mit<br />

1832<br />

1833<br />

1834<br />

1835<br />

BVerfG, Beschluss vom 03.07.2012, Az. 2 PBvU 1/11, juris Rn. 61.<br />

Van Ooyen, RuP 2013, 26; ebenso kritisch zur Plenumsentscheidung, Wette, Betrifft<br />

Justiz 2012, 400 ff.; Bünnigmann, DVBl. 2013, 621 ff.; Ladiges, NVwZ 2012, 1225 ff.;<br />

befürwortend die Entscheidung des Plenums, Wiefelspütz, NZWehrR 2013, 1 ff.;<br />

Wiefelspütz, DVBl. 2012, 1233 ff.; Fastenrath, JZ 2012, 1128 ff.<br />

Vgl. hierzu S. 216.<br />

Zit. nach, Der Spiegel 42/1970 v. 12.10.1970, S. 76.


§ 9 Einführung der Grenzschutzdienstpflicht 363<br />

Waffengewalt gegen ein unbemanntes Luftfahrzeug oder ausschließlich gegen<br />

Personen richtet, die das Luftfahrzeug als Tatwaffe gegen das Leben von Menschen<br />

auf der Erde einsetzen wollen“ 1836 . Insgesamt erscheint somit die<br />

Entscheidung des Plenums und des zweiten Senates, dass die Verwendung<br />

spezifisch militärischer Waffen bei Einsätzen der Streitkräfte nach Art. 35 Abs.<br />

2 S. 2, Abs. 3 GG nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist, folgerichtig.<br />

2. Art. 91 GG<br />

Die Fassung des Art. 91 GG enthielt ursprünglich als Möglichkeit zur Abwehr<br />

einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische<br />

Grundordnung des Bundes oder eines Landes nur den Einsatz von Landespolizeikräften.<br />

Es war während des Verfassungsgebungsprozesses ausdrücklich<br />

festgelegt worden, dass der Bund keine eigenen Exekutivkräfte erhalten sollte,<br />

sondern im besonderen Falle nur die Option des Rückgriffs auf die Landespolizeien<br />

1837 . Nach Aufstellung des Bundesgrenzschutzes stellte sich die Frage, ob<br />

dieser auch nach Art. 91 GG eingesetzt werden könne, wenngleich er dort nicht<br />

genannt sei. Die Bundesregierung war der Auffassung, dass ein Einsatz des<br />

Bundesgrenzschutzes im Rahmen des Art. 91 GG möglich sei 1838 , während<br />

hingegen dies vor allem aus den Reihen der SPD bestritten wurde 1839 . Die Auffassung,<br />

dass der Bund nach Art. 91 GG auch eigene Polizeikräfte im<br />

besonderen Gefahrenfall zum Einsatz bringen kann, lässt sich vertreten. Im<br />

Umkehrschluss zur ursprünglichen Fassung von Art. 91 Abs. 2 GG wäre es<br />

sogar geradezu widersinnig, dass der Bund eigene Vollzugskräfte nicht einsetzen<br />

darf, um die Gefahr in einem Land zu bekämpfen, das selbst zur<br />

Bekämpfung der Gefahr nicht in der Lage ist, aber sich zu diesem Zweck Polizeikräfte<br />

anderer Länder unterstellen kann. Insofern erscheint, unabhängig von<br />

der Notstandsverfassung, die Aufnahme des Bundesgrenzschutzes in Art. 91 GG<br />

als folgerichtig.<br />

Bevor ein Gesetzentwurf zu Art. 91 GG in Angriff genommen wurde, wollte der<br />

Gesetzgeber die Materie in einem neu einzufügenden Art. 115a GG regeln.<br />

Nach dem Gesetzentwurf zur Notstandsverfassung von 1960 enthielt ein neu<br />

1836<br />

1837<br />

1838<br />

1839<br />

BVerfGE 115, 118 (160).<br />

Vgl. S. 70 ff.<br />

So Lehr, vgl., BT-Prot. vom 15.02.1951, 118. Sitzung, S. 4516C, 4528A.<br />

So Menzel, vgl., BT-Prot. vom 15.02.1951, 118. Sitzung, S. 4517C.


364 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

einzufügender Art. 115a GG die Befugnis für die Bundesregierung, im Falle<br />

eines Ausnahmezustandes, der dann eintreten solle, wenn einer Gefahr mit den<br />

Mitteln des Art. 91 GG nicht mehr begegnet werden könne, die Polizeikräfte des<br />

Bundes einzusetzen 1840 . In diesem Entwurf war der Bundesgrenzschutz unter der<br />

Bezeichnung „Polizeikräfte des Bundes“ zusammengefasst 1841 . Ebenso verwendete<br />

dieser Entwurf die Bezeichnung „Ausnahmezustand“, auf welchen in der<br />

verabschiedeten Notstandsverfassung vollständig verzichtet wurde. Gleichwohl<br />

setzte sich die Systematik dieses Entwurfes nicht durch, da u.a. der dort genannte<br />

„Ausnahmezustand“ nicht hinreichend zwischen einer inneren und äußeren<br />

Gefahr differenzierte 1842 .<br />

Die späteren Gesetzentwürfe ergänzten nun Art. 91 GG, welcher der Abwehr<br />

des inneren Notstandes dient, um die Einsatzmöglichkeit des Bundesgrenzschutzes.<br />

In der Begründung ist festgehalten, dass die Möglichkeiten des Landes zur<br />

Bekämpfung einer Gefahr nach Art. 91 Abs. 1 GG um den Einsatz des Bundesgrenzschutzes<br />

sowie anderer Verwaltungen „verstärkt“ werden müssen 1843 . Nach<br />

der bisherigen Fassung des Art. 91 Abs. 2 GG konnte die Bundesregierung für<br />

den Fall, dass ein Land, in dem eine Gefahr drohte und das nicht selbst zur<br />

Bekämpfung der Gefahr bereit oder in der Lage war, nur die Polizei in diesem<br />

Land oder die Polizeikräfte anderer Länder ihren Weisungen unterstellen. Nunmehr<br />

sollte die Bundesregierung über die Polizeikräfte der Länder hinaus auch<br />

den Bundesgrenzschutz einsetzen können. Zusätzlich wurden in Art. 91 Abs. 2<br />

GG die eingeräumten Befugnisse des Bundes gegenüber den Landesregierungen<br />

im Falle eines überregionalen inneren Notstandes erweitert. In der Begründung<br />

zum Einsatz des Bundesgrenzschutzes im Rahmen von Art. 91 Abs. 2 GG findet<br />

sich folgender Hinweis:<br />

„Hinsichtlich des Bundesgrenzschutzes dürfte es sich bei der vorgeschlagenen<br />

Neufassung nur um eine Klarstellung handeln, da die<br />

gleiche Befugnis sich bereits aus einer Auslegung des geltenden Verfassungsrechts<br />

ergibt.“ 1844<br />

1840<br />

1841<br />

1842<br />

1843<br />

1844<br />

BT-Drs. III/1800, S. 2.<br />

Ebd.<br />

BT-Drs. IV/3494, S. 3.<br />

BT-Drs. V/1879, S. 23.<br />

Ebd.


§ 9 Einführung der Grenzschutzdienstpflicht 365<br />

Dies deckte sich mit der jahrelangen Rechtsauffassung der Bundesregierung,<br />

den Bundesgrenzschutz im Falle eines inneren Notstandes auch nach Art. 91 GG<br />

einsetzen zu können, obwohl er dort nicht explizit genannt war 1845 . Im Falle des<br />

inneren Notstandes kommen für den Bundesgrenzschutz beispielsweise der<br />

„Schutz des Verkehrs sowie lebenswichtiger Betriebe und Einrichtungen (Versorgung,<br />

Industrie u.Ä.) gegenüber organisiert auftretenden Stören“, die „Siche-<br />

„Sicherung schutzbedürftiger Objekte vor Sabotageaktionen“, die „Sicherung<br />

der obersten Organe des Bundes“ sowie die „Bekämpfung organisierter, bewaffneter<br />

Aufständischer“ in Betracht 1846 .<br />

3. Art. 115f GG<br />

In Art. 115f GG ist der Einsatz des Bundesgrenzschutzes im Falle des äußeren<br />

Notstandes geregelt. Die Fassung des durch die Notstandsverfassung verabschiedeten<br />

Art. 115f Abs. 1 Nr. 1 GG lautet:<br />

„Die Bundesregierung kann im Verteidigungsfalle, soweit es die Verhältnisse<br />

erfordern, den Bundesgrenzschutz im gesamten<br />

Bundesgebiete einsetzen“.<br />

Art. 115f GG ermöglichte bereits einen Einsatz des Bundesgrenzschutzes,<br />

insofern ein unmittelbarer Angriff auf das Bundesgebiet droht, aber noch nicht<br />

begonnen hat 1847 . Der Gesetzentwurf verfolgte das Ziel, in der Lage der äußeren<br />

Gefahr den Bundesgrenzschutz „nicht nur an der Grenze, wie es an sich sein<br />

Name besagt, sondern im gesamten Bundesgebiet einsetzen zu können“ 1848 . Die<br />

Regelung aus Art. 115f GG schließen die Einsatzoptionen für den Bundesgrenzschutz<br />

im Rahmen der Notstandsverfassung ab. Im Verteidigungsfall kommt<br />

dem Bundesgrenzschutz gemäß Art. 115f GG, neben dem Auftrag aus § 2b<br />

1845<br />

1846<br />

1847<br />

1848<br />

Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über die Dienstpflicht, v. 01.10.1964, S. 1, in:<br />

BArch B 136/5041: „Im Notstandsfall kann der Bundesgrenzschutz nach Artikel 91<br />

Abs. 2 GG außerdem für allgemeine polizeiliche Aufgaben im Inneren des Bundesgebietes<br />

eingesetzt werden“; ebenso zustimmend zu einem Einsatz des<br />

Bundesgrenzschutzes nach Art. 91 GG: Köttgen, JöR n.F. 3 (1954), 67 (99).<br />

Begründung für ein neues BGS-Gesetz v. 10.09.1968, S. 4, in: BArch B 136/5042.<br />

Lenz, Kommentar zur Notstandsverfassung, Art. 115f Rn. 2; ausführlich zum Begriff<br />

des „unmittelbar drohenden Angriffs“: Deiseroth, in: Umbach/Clemens, GG, Bd. II,<br />

Art. 115a Rn. 15.<br />

BT-Drs. V/2873, S. 18.


366 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

BGSErgG, das Bundesgebiet mit der Waffe zu verteidigen, beispielsweise die<br />

Abwehr „subversiver Aktionen, die gegen die Bevölkerung sowie zivile Behörden<br />

und Betriebe gerichtet werden, einschließlich der Bandenbekämpfung“ zu<br />

oder die „Lenkung von Bevölkerungsbewegungen“ 1849 .<br />

C. Umsetzung der Grenzschutzdienstpflicht<br />

Die entscheidende Vorarbeit für eine Grenzschutzdienstpflicht wurde in der<br />

vierten Wahlperiode geleistet. Jedoch erst mit der Verankerung des neuen Art.<br />

12a Abs. 1 GG in der fünften Wahlperiode im Rahmen der Notstandsverfassung<br />

mit Wirkung zum 28. Juni 1968, welcher die Möglichkeit eröffnete, Männer<br />

zum Dienst im Bundesgrenzschutz zu verpflichten, konnte die Vorarbeit für eine<br />

Grenzschutzdienstpflicht ihren Abschluss finden. Gleichwohl waren erneut nicht<br />

unerhebliche Anstrengungen notwendig, da die Bundesregierung mittlerweile<br />

auf Basis der großen Koalition regierte und sowohl ein neuer Bundeskanzler wie<br />

Innenminister, als auch die SPD als Koalitionspartner an den Vorgängen beteiligt<br />

war.<br />

Kurze Zeit nach Inkrafttreten der Notstandsverfassung wandte sich der damalige<br />

Bundesinnenminister Benda mit der Bitte an Bundeskanzler Kiesinger, dass<br />

dieser mit den Koalitionspartnern ein „Grundsatzgespräch“ über die Frage<br />

herbeiführen solle, ob noch in der fünften Legislaturperiode, also bis spätestens<br />

1969, die Grenzschutzdienstpflicht sowie ein neues Bundesgrenzschutzgesetz<br />

verabschiedet werden könne 1850 . Die Anregung Bendas, der Kanzler solle ausloten,<br />

inwieweit die SPD ein neues Bundesgrenzschutzgesetz und die<br />

Grenzschutzdienstpflicht mittragen würde, fand ihren Ursprung in einer Richtlinienentscheidung<br />

des Kanzlers aus dem Mai 1969. Bundeskanzler Kiesinger<br />

hatte am 29. Mai 1968, also noch vor Inkrafttreten der Änderungen zum Grundgesetz,<br />

mitgeteilt, dass die Koalitionsfraktionen angeregt hätten, „nach der<br />

Verabschiedung der Notstandsverfassung vorübergehend etwas Ruhe“ eintreten<br />

zu lassen und er dem zustimme. 1851 Benda entgegnete daraufhin, dass er zwar<br />

auch für „Zurückhaltung“ sei, diese Prämisse jedoch „durch eine gesetzliche<br />

Neuregelung für den Bundesgrenzschutz demnächst werde durchbrochen wer-<br />

1849<br />

1850<br />

1851<br />

Begründung für ein neues BGS-Gesetz v. 10.09.1968, S. 4, in: BArch B 136/5042.<br />

Schreiben BMI, Az.: ÖS II 1-630 113/1 v. 10.09.1968, S. 6, in: BArch B 136/5042.<br />

BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 21 (1968), S. 227.


§ 9 Einführung der Grenzschutzdienstpflicht 367<br />

den müssen“ 1852 . Diese „Durchbrechung der politischen Ruhe“ nach Verabschiedung<br />

der Notstandsgesetze wollte Benda nun mit den gleichen Gründen<br />

rechtfertigen, die bereits 1964 zu Überlegungen geführt hatten, eine Grenzschutzdienstpflicht<br />

einzuführen. Die Personalstärke liege seit Jahren erheblich<br />

unter der Sollstärke von 20.000 Mann. Der Personalfehlbestand betrage ca. „ein<br />

Viertel der Gesamtstärke“ 1853 . Weiterhin könne man das „Personalproblem des<br />

Bundesgrenzschutzes auf der ausschließlichen Grundlage der Freiwilligkeit“<br />

nicht lösen und deshalb sei die Einführung einer Grenzschutzdienstpflicht<br />

notwendig 1854 . Benda legte gleichzeitig mit genanntem Schreiben einen Entwurf<br />

für ein neues Bundesgrenzschutzgesetz vor, welches die Neuerungen aus der<br />

Notstandsverfassung mitbehandelte. Der Entwurf für das neue Bundesgrenzschutzgesetz<br />

war relativ schlank und enthielt in einem neu gefassten § 3 BGSG<br />

enumerativ die Aufgaben aus der Notstandsverfassung 1855 . Zudem enthielt<br />

Bendas Schreiben noch einen eigenen Entwurf eines „Gesetzes über die Dienstpflicht<br />

im Bundesgrenzschutz“. Die Regelung der Grenzschutzdienstpflicht<br />

wurde aber letztlich im Wehrpflichtgesetz verankert. Daher wird dieser Entwurf<br />

hier nicht näher behandelt, da er inhaltlich weitgehend deckungsgleich mit den<br />

später beschrieben Regelungen im Wehrpflichtgesetz ist.<br />

1852<br />

1853<br />

1854<br />

1855<br />

Ebd.<br />

Schreiben BMI, Az.: ÖS II 1-630 113/1 v. 10.09.1968, S. 1, in: BArch B 136/5042.<br />

Ebd., S. 2.<br />

„Als neuer § 3 wird eingefügt:<br />

(1) Wird der Bundesgrenzschutz nach den Artikeln 91 oder 115f des Grundgesetzes<br />

verwendet, so hat er im Zusammenwirken mit den zuständigen Behörden der Länder im<br />

Rahmen der geltenden Gesetze die nach pflichtgemäßen Ermessen notwendigen Maßnahmen<br />

zu treffen, um von der Allgemeinheit oder dem einzelnen Gefahren<br />

abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird.<br />

(2) Wird der Bundesgrenzschutz nach Artikel 35 Abs. 2 oder 3 des Grundgesetzes verwendet,<br />

so hat er im Zusammenwirken mit den zuständigen Behörden der Länder auch<br />

Maßnahmen gemäß Absatz 1 zu treffen.<br />

(3) Einem Ersuchen von zuständigen Behörden der Länder um Unterstützung durch den<br />

Bundesgrenzschutz ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 zu entsprechen, wenn nicht<br />

schwerwiegende Gründe entgegenstehen.<br />

(4) Die zuständigen Behörden der Länder können den Bundesgrenzschutz auch in<br />

anderen Fällen um Unterstützung für Maßnahmen nach Abs. 1 ersuchen. Dem Ersuchen<br />

soll entsprochen werden, wenn nicht dienstliche Gründe entgegenstehen.“,<br />

vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Bundesgrenzschutz<br />

und die Einrichtung von Bundesgrenzschutzbehörden v. 30.08.1968, in: BArch<br />

B 136/5042.


368 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

Auf Bendas Initiative hin wandte sich am 19. September 1968 der Parlamentarische<br />

Staatssekretär im Auswärtigen Amt und spätere Bundesjustizminister<br />

Gerhard Jahn (SPD) an den damaligen Chef des Bundeskanzleramtes, Karl<br />

Carstens (CDU), mit dem Hinweis, dass gegen die Vorlage eines Grenzschutzdienstpflichtgesetzes<br />

„in Kreisen der SPD Bedenken erhoben [werden] wegen<br />

der möglichen politischen Folgen“, da in einem solchen Gesetz „der Anreiz<br />

liegen“ könne, „die Diskussion um die Notstandsgesetzgebung von einer ganz<br />

ungeeigneten Stelle wieder zu beleben“ 1856 . Diese Befürchtungen legte die SPD<br />

jedoch schnell beiseite. In der Fraktionssitzung der SPD vom 16. Oktober 1968<br />

zeigte der Vorsitzende des Innenausschusses, Schmitt-Vockenhausen (SPD),<br />

Verständnis für eine Grenzschutzdienstpflicht und erklärte, dass es „nach wie<br />

vor schwierig [sei], den Bundesgrenzschutz auf Sollstärke zu bringen“ 1857 .<br />

Weitere Bedenken wurden ab diesem Zeitpunkt von der SPD nicht mehr erhoben.<br />

In einer internen Stellungnahme des Bundeskanzleramtes zu dem<br />

Gesetzesvorhaben wird die politische Dimension der Grenzschutzdienstpflicht<br />

wie folgt zusammengefasst:<br />

„Politische Bedenken dürften gegen die Einführung einer Grenzschutzdienstpflicht<br />

im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht bestehen. Die<br />

Öffentlichkeit ist in den letzten Tagen durch verschiedene Presseveröffentlichungen<br />

auf die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme<br />

vorbereitet worden. Sie wird unter dem Eindruck der CSSR-Krise im<br />

derzeitigen Augenblick noch am ehesten Verständnis dafür haben,<br />

zumal wenn ihr die Funktion des BGS als Polizeipuffer in Krisenzeiten<br />

deutlich gemacht wird.“ 1858<br />

Der Hinweis auf die Krise in der Tschechoslowakei 1968 („Prager Frühling“)<br />

war nicht abwegig. Ereignisse in diesem Zusammenhang hätten tatsächlich<br />

einen Einsatz des Bundesgrenzschutzes notwendig machen können. Gemäß<br />

einer Ressortbesprechung über „Sicherungsmaßnahmen an der deutschtschechischen<br />

Grenze für den Fall größerer Fluchtbewegungen und Kampfhandlungen“<br />

wäre ein Einsatz des Bundesgrenzschutzes unumgänglich gewesen, da<br />

für die Soldaten der Bundeswehr „ein Verbot bestehe, sich mehr als fünf km der<br />

1856<br />

1857<br />

1858<br />

Schreiben Jahn an Carstens, Az.: PStS 1451/68 v. 19.09.1968, in: BArch B 136/5042.<br />

Becker/Hockerts/Schwarz, Sitzungsprotokolle 1966-1969, S. 466.<br />

Entwurf einer Stellungnahme des Bundeskanzleramtes zur Grenzschutzdienstpflicht für<br />

den Bundeskanzler, S. 3, v. 19.09.1968, in: BArch B 136/5042.


§ 9 Einführung der Grenzschutzdienstpflicht 369<br />

Grenze zu nähern“ 1859 . Um Grenzzwischenfälle zu vermeiden und das Risiko<br />

einer militärischen Eskalation zu minimieren, wurden die Soldaten der Bundeswehr<br />

angewiesen, „in und außer Dienst in Uniform einen Streifen von 1000 m<br />

Breite entlang der Grenze zur CSR und der SBZ-DL nicht zu betreten“, bzw.<br />

durfte ein Streifen von 5000 Meter Breite von „geschlossenen Einheiten ab<br />

Kompaniestärke aufwärts nicht betreten werden“ 1860 . Benda hatte ebenso die<br />

Bedeutung der Krise in der Tschechoslowakei erkannt und verwendete diese als<br />

Argument für die Grenzschutzdienstpflicht. Er legte dar, dass die Stärke der<br />

betreffenden Einheit an der bayerisch-tschechischen Grenze, die Grenzschutzgruppe<br />

1, eine „Antretestärke von 664 Mann“ bei einer Sollstärke von 1.823<br />

Mann 1861 habe. Somit könne die Grenzschutzgruppe 1 (Raum Bayern) ihre<br />

Aufgabe nicht voll erfüllen.<br />

Die Bundesregierung hatte die Notwendigkeit für eine Auffüllung des Bundesgrenzschutzes,<br />

auch unter Zuhilfenahme des Eindruckes aus der damaligen<br />

gegenwärtigen Krise im Nachbarland Tschechoslowakei, hinreichend klar<br />

herausgestellt. Da kein Widerstand von Seiten des Koalitionspartners SPD<br />

vorhanden war, stand einer Umsetzung der Grenzschutzdienstpflicht im Herbst<br />

1968 kein Hindernis mehr im Wege. Das neue Bundesgrenzschutzgesetz, welches<br />

Benda gleichzeitig mit dem Grenzschutzdienstpflichtgesetz vorgelegt hatte,<br />

konnte in der fünften Wahlperiode jedoch nicht mehr verabschiedet werden. Der<br />

Grund hierfür lag darin, dass Bendas Entwurf nur die Konsequenzen aus der<br />

Notstandsverfassung in das neue Bundesgrenzschutzgesetz einarbeitete, jedoch<br />

einer umfassenden Regelung, „die auch das materielle Polizeirecht des Bundes“<br />

enthalten sollte, Vorzug gegeben wurde, was aber gleichzeitig „so viele schwierige<br />

Fragen“ aufwerfe, dass sie in dieser Legislaturperiode nicht mehr<br />

ausgearbeitet werden könne 1862 . Das neue umfassende Gesetz über den Bundesgrenzschutz<br />

wurde erst in der sechsten Wahlperiode verabschiedet. Bendas<br />

ursprüngliches Vorhaben, die Grenzschutzdienstpflicht in einem eigenen<br />

„Grenzschutzdienstpflichtgesetz“ zu verankern, wurde ebenso nicht umgesetzt,<br />

da man zuerst Erfahrungen mit Grenzschutzdienstpflichtigen sammeln und dann<br />

bis zum 1. April 1970 ein umfassendes Grenzschutzdienstpflichtgesetz vorlegen<br />

1859<br />

1860<br />

1861<br />

1862<br />

Schwarz, VfZ 2/1999, 159 (171).<br />

Moldenhauer, BGS-Taschenbuch, 2. Aufl., Kap. L 3, S. 4.<br />

Schreiben des BMI, Az. ÖS II 1-630 113/1 v. 10.09.1968, S. 2, in: BArch B 136/5042.<br />

Schreiben BMI zum Gesetzentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den<br />

Bundesgrenzschutz, Az.: ÖS II 1-630 114/2, v. 19.08.1968, S. 1, in: BArch<br />

B 106/83871.


370 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

wollte 1863 . Die Grenzschutzdienstpflicht wurde schließlich am 6. Dezember 1968<br />

vom Bundestag im neu eingefügten § 42a des Wehrpflichtgesetzes mit der<br />

Begründung des „Personalmangels“ beim Bundesgrenzschutz verabschiedet 1864 .<br />

D. Fazit<br />

Die Grenzschutzdienstpflicht wurde zur personellen Stärkung des Bundesgrenzschutzes<br />

eingeführt, da über Jahre hinweg nicht genügend freiwillige Bewerber<br />

sich dauerhaft oder auch nur vorübergehend als Grenzschutzbeamte verpflichteten.<br />

Dass eine personelle Auffüllung des Bundesgrenzschutzes notwendig war,<br />

ergab sich zudem aus den im Rahmen der Notstandsverfassung neu übertragenen<br />

Aufgaben im Falle eines inneren oder äußeren Notstandes, welche am<br />

wirksamsten nur mit voller Sollstärke hätten wahrgenommen werden können.<br />

Die Grenzschutzdienstpflicht ist zu Recht als „Notlösung“ 1865 bezeichnet worden,<br />

da auch die Entscheidung zur Ergreifung des Polizeiberufs beim<br />

Bundesgrenzschutz von Dauer sein sollte. Dennoch konnte die Einberufung von<br />

3.862 Wehrpflichtigen 1866 im Zeitraum zwischen 1969 und 1972 den Bundesgrenzschutz<br />

personell erheblich stärken – wenn auch nur immer vorübergehend.<br />

Aus einem bislang noch nicht erwähnten Gesichtspunkt erscheint die Grenzschutzdienstpflicht<br />

verfassungsrechtlich bedenklich. Die Überlegung basiert auf<br />

dem Zweck des neu eingefügten Art. 12a GG, der die Grundlage der Grenzschutzdienstpflicht<br />

bildet. Art. 12a GG dient dem alleinigen Zweck der<br />

sogenannten „Verteidigungsvorsorge“ 1867 und ist „verfassungssystematisch Teil<br />

der Wehrverfassung“ 1868 . In Bezug auf den Bundesgrenzschutz sollte Art. 12a<br />

GG sicherstellen, dass „in Normalzeiten eine Ausbildung von gewisser Dauer<br />

erfolgt“ 1869 . § 2b BGSG dient unzweifelhaft der Verteidigung, da die Beamten<br />

1863<br />

1864<br />

1865<br />

1866<br />

1867<br />

1868<br />

1869<br />

BT-Drs. V/3568, S. 2.<br />

BT-Prot. vom 06.12.1968, 203. Sitzung, S. 10972A. § 42a WPflG a.F. (BGBl. I 1969,<br />

S. 41): „Wehrpflichtige, die einem aufgerufenen Geburtsjahrgang angehören und nach<br />

dem Musterungsergebnis für den Wehrdienst zur Verfügung stehen, sowie Wehrpflichtige,<br />

die als Polizeivollzugsbeamte aus dem Bundesgrenzschutz ausgeschieden sind,<br />

können zum Polizeivollzugsdienst im Bundesgrenzschutz verpflichtet werden. […]“.<br />

Kreutzer, DVBl. 1970, 445.<br />

Scholzen, Bundesgrenzschutz, S. 99.<br />

BT-Drs. V/2873, S. 4.<br />

Sodan, in: ders., GG, Art. 12a Rn. 1.<br />

BT-Drs. V/2873, S. 5.


§ 9 Einführung der Grenzschutzdienstpflicht 371<br />

des Bundesgrenzschutzes verpflichtet wurden, Angriffe auf das Bundesgebiet<br />

mit der Waffe abzuwehren. Die Ausbildung von einberufenen Wehrpflichtigen<br />

im Bundesgrenzschutz steht also nicht im Widerspruch zur Verteidigungsvorsorge<br />

aus Art. 12a GG. Jedoch sollte die Heranziehung von Wehrpflichtigen<br />

nicht nur der Verteidigungsvorsorge, also der Aufstellung einer Reservistentruppe,<br />

sondern vor allem der Abhilfe aufgrund der generellen<br />

Personalknappheit dienen. Der Begründung zu § 42a Wehrpflichtgesetz kann<br />

entnommen werden, „dass die personellen Probleme“ beim Bundesgrenzschutz<br />

„dringend einer Abhilfe bedürfen“, weil dieser Personalmangel „den Bundesgrenzschutz<br />

bei der Erfüllung seiner Aufgaben“ so stark behindere, „dass er<br />

möglichst schnell beseitigt werden muss“ 1870 . Weiter ist dort angeführt, dass die<br />

Einführung der Grenzschutzdienstpflicht es ermöglichen soll, den Bundesgrenzschutz<br />

auf Sollstärke „zu halten“ 1871 . Benda hatte in seinem Initiativschreiben an<br />

Kiesinger erklärt, dass die Grenzschutzdienstpflicht die Einheiten auf einen<br />

Stand bringe, „der einen sinnvollen Dienstbetrieb zulässt“ 1872 . Benda berichtete<br />

weiter, dass der Bundesgrenzschutz „bald nicht einmal mehr die normale<br />

Grenzüberwachung hinreichend vornehmen könnte, wenn nicht bald Entscheidendes<br />

geschieht“ 1873 . Darüber hinaus ist folgende aufschlussreiche Passage in<br />

dem internen Schreiben enthalten:<br />

„Die Notwendigkeit der vorgeschlagenen Gesetze [Grenzschutzdienstpflichtgesetz]<br />

folgt nicht in erster Linie aus der<br />

Notstandsverfassung, sondern vor allem aus dem Zwang, dem Bundesgrenzschutz<br />

die Erfüllung seiner normalen Aufgaben der<br />

Grenzsicherung zu ermöglichen“ 1874 .<br />

Insofern ist es fraglich, inwieweit die Heranziehung von Männern im wehrpflichtigen<br />

Alter zum Dienst im Bundesgrenzschutz mit Art. 12a GG vereinbar<br />

war, wenn der Dienst im Bundesgrenzschutz nur, wie in der offiziellen Begründung<br />

zum Gesetzentwurf „seinen Aufgaben“ oder, um es mit den Worten<br />

Bendas zu sagen, nur „seinen normalen Aufgaben“ dienen solle. Denn nicht jede<br />

„seiner Aufgaben“, wie etwa die Katastrophenhilfe nach Art. 35 GG, die Hilfe-<br />

1870<br />

1871<br />

1872<br />

1873<br />

1874<br />

BT-Drs. V/3568, S. 1.<br />

Ebd., S. 2.<br />

Schreiben des BMI, Az. ÖS II 1-630 113/1, v. 10.09.1968, S. 3, in: BArch B 136/5042.<br />

Ebd., S. 5.<br />

Ebd., die Unterstreichung ist im Originaltext enthalten.


372 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

leistung im Rahmen des inneren Notstandes nach Art. 91 GG oder selbst die<br />

Aufgabe des polizeilichen Grenzschutzes nach § 2 BGSG dient der Landesverteidigung.<br />

Nur die Wahrnehmung von Aufgaben nach § 2b BGSG dient der<br />

Verteidigung.<br />

Die Einschränkung der Berufsfreiheit nach Art. 12a GG ist nur zu Zwecken der<br />

Landesverteidigung zulässig 1875 . Die Begründung zur Notstandsverfassung<br />

spricht deswegen folgerichtig auch nur davon, dass ein Einsatz der Streitkräfte<br />

oder des Bundesgrenzschutz durch eine Ausbildung in Friedenszeiten zu sichern<br />

ist 1876 . Die Begründung der Grenzschutzdienstpflicht im fünften Gesetz zur<br />

Änderung des Wehrpflichtgesetzes dagegen überzeugt wenig, wenn sie davon<br />

spricht, dass der Personalmangel behoben werden müsse, da er den Bundesgrenzschutz<br />

bei der Erfüllung seiner Aufgaben so stark behindere 1877 .<br />

Eine klarere Formulierung im Wehrpflichtgesetz oder zumindest in der Begründung<br />

des Gesetzentwurfs wäre wünschenswert gewesen, um eine eindeutige<br />

Zuordnung der Grenzschutzdienstpflicht zum Zwecke der Verteidigungsvorsorge<br />

zu schaffen und nicht den Eindruck zu erwecken, so wie man in Bendas<br />

Schreiben an den Bundeskanzler erkennen mag, die Grenzschutzdienstpflicht sei<br />

nur ein adäquates Mittel, um den Bundesgrenzschutz wieder auf Sollstärke zu<br />

bringen, weil sich nicht genug jungen Menschen für den Beruf des Polizeibeamten<br />

beim Bundesgrenzschutz entschieden hätten.<br />

Es stellt sich weiterhin die Frage, ob die Grenzschutzdienstpflicht Auswirkungen<br />

auf den polizeilichen Charakter des Bundesgrenzschutzes hatte. Insofern der<br />

Pflichtdienst beim Bundesgrenzschutz als Kriegsdienst i.S.v. Art. 4 Abs. 3 GG<br />

anzusehen ist, hätte dies erheblichen Einfluss auf die Beantwortung der Frage.<br />

Unter Kriegsdienst versteht man nach der Definition des BVerfG diejenigen<br />

Tätigkeiten, „die in einem nach dem Stand der jeweiligen Waffentechnik unmittelbaren<br />

Zusammenhang mit dem Einsatz von Kriegswaffen stehen“ 1878 . Erfasst<br />

ist in diesem Sinne die Durchführung von Kampfhandlungen entsprechender<br />

Truppen 1879 . Von Bedeutung ist hier die Erwähnung der Kriegswaffen. Wie<br />

1875<br />

1876<br />

1877<br />

1878<br />

1879<br />

Sodan, in: ders., GG, Art. 12a Rn. 1.<br />

BT-Drs. V/2873, S. 5.<br />

BT-Drs. V/3568, S. 1.<br />

BVerfGE 69, 1 (56).<br />

Borowski, Die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Grundgesetzes, S. 576.


§ 9 Einführung der Grenzschutzdienstpflicht 373<br />

bereits die Untersuchung der beim Bundesgrenzschutz verwendeten Waffen<br />

gezeigt hat, handelt es sich hierbei um polizeitypische Waffen, die auch bei den<br />

Bereitschaftspolizeien Verwendung finden 1880 . Es besteht beim Bundesgrenzschutz<br />

ein polizeilicher Auftrag, der den Waffeneinsatz im Rahmen der<br />

Vorschriften über den unmittelbaren Zwang zulässt. Ziel ist hier nur die Herbeiführung<br />

der Angriffs- oder Fluchtunfähigkeit und nicht die zielgerichtete Ver-<br />

Vernichtung des militärischen Gegners mit Kriegswaffen 1881 . Die Merkmale des<br />

Kriegsdienstes, wie sie vom BVerfG beschrieben wurden, sind beim Bundesgrenzschutz<br />

zunächst nicht vorhanden. Dies ändert sich jedoch mit Eintritt des<br />

Verteidigungsfalles. Aus der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Gesetz<br />

über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte<br />

des Bundes geht hervor, dass die Vollzugsbeamten bei den<br />

Verbänden des Bundesgrenzschutzes mit Beginn eines bewaffneten Konfliktes<br />

die Befugnis haben, „Waffen nach den Grundsätzen des Kriegsvölkerrechts zu<br />

gebrauchen“ 1882 . Dies ist schwer in Einklang mit dem bloßen Recht zur Selbstverteidigung<br />

oder den polizeilichen Vorschriften über die Anwendung des<br />

unmittelbaren Zwangs zu bringen, denn Ziel des kriegsvölkerrechtlichen Waffeneinsatzes<br />

ist die Vernichtung des Gegners und nicht die Herbeiführung der<br />

Angriffs- oder Fluchtunfähigkeit 1883 . Insofern diese Befugnis zum kriegsvölkerrechtlichen<br />

Waffeneinsatz keine Einschränkung erfährt, wie sie erst in § 64<br />

BGSG 1972 enthalten ist, also die klare Herausstellung, dass der Bundesgrenzschutz<br />

zur Abwehr mit militärischen Mitteln geführter Angriffe nur im Rahmen<br />

der Selbstverteidigung oder im Rahmen seiner polizeilichen Aufgaben eingesetzt<br />

werden soll, eröffnet dies schwerwiegende Bedenken, ob mit Beginn des<br />

Verteidigungsfalles der Polizeidienst in den Verbänden des Bundesgrenzschutzes<br />

nicht doch Kriegsdienst ist, da keine Gewähr dafür besteht, in welcher Form<br />

die Beamten eingesetzt werden. Dieses Argument lässt sich allenfalls durch die<br />

Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zum Kombattantenstatus relativieren,<br />

wonach es nicht ausgeschlossen ist, den Beamten des<br />

Bundesgrenzschutzes aufgrund der präzedenzlosen Ausnahmesituation an der<br />

Grenze auch Verteidigungsaufgaben zuzuweisen 1884 . Es ist somit vertretbar, zu<br />

dem Ergebnis zu kommen, dass der Dienst in den Verbänden des Bundesgrenz-<br />

1880<br />

1881<br />

1882<br />

1883<br />

1884<br />

Vgl. hierzu S. 210 ff.<br />

Ebd.<br />

AVV UZwG-BMI, Ziff. I (6), GMBl. 1969, S. 58.<br />

Vgl. Fn. 1083.<br />

Vgl. S. 333 ff.


374 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

schutzes mit Eintritt des Verteidigungsfalles Kriegsdienst i.S.v. Art. 4 Abs. 3<br />

GG darstellt.<br />

Demgegenüber spricht gegen die Kriegsdiensteigenschaft beim Bundesgrenzschutz<br />

eine Norm im Zivildienstrecht. Das Zivildienstgesetz geht von einer<br />

Vereinbarkeit von Kriegsdienstverweigerern und der Zugehörigkeit zum Polizeivollzugsdienst<br />

aus:<br />

„Anerkannte Kriegsdienstverweigerer, die dem Vollzugsdienst der Polizei<br />

angehören oder für diesen durch schriftlichen Bescheid<br />

angenommen sind, werden bis zur Beendigung dieses Dienstes nicht<br />

zum Zivildienst herangezogen.“ 1885<br />

Aus diesem Gesichtspunkt ist die Grenzschutzdienstpflicht nicht geeignet, dem<br />

Bundesgrenzschutz den polizeilichen Charakter abzusprechen. Allerdings<br />

spricht wiederum Art. 12a Abs. 2 S. 3 GG dafür, dass der Dienst im Bundesgrenzschutz<br />

doch Kriegsdienst sein könnte. Demnach darf der Ersatzdienst „in<br />

keinem Zusammenhang mit den Verbänden der Streitkräfte und des Bundesgrenzschutzes<br />

stehen“ 1886 . Die Ergänzung von Art. 12a Abs. 2 S. 3 um den<br />

Bundesgrenzschutz erfolgte in gleichem Zuge mit der Einführung der Grenzschutzdienstpflicht.<br />

Der offiziellen Begründung zum Gesetzentwurf kann<br />

entnommen werden, dass die Ergänzung um das Wort „Bundesgrenzschutz“ im<br />

Hinblick auf § 2b BGSErgG (Verleihung des Kombattantenstatus) notwendig<br />

sei und sich das Recht der Kriegsdienstverweigerung auch auf die Grenzschutzdienstpflicht<br />

erstrecken müsse 1887 . Hellenthal will hierin aber kein Argument für<br />

den Kriegsdienst beim Bundesgrenzschutz sehen. Mit der Einfügung des Bundesgrenzschutzes<br />

in Art. 12a Abs. 2 S. 3 GG habe der Gesetzgeber nur ein<br />

„Korrelat zur Grenzschutzdienstpflicht schaffen“ wollen, unabhängig davon,<br />

dass es sich beim Polizeidienst im Bundesgrenzschutz nicht um Kriegsdienst<br />

handele 1888 . Für diese Auffassung spricht, dass der Bundesgrenzschutz nicht Teil<br />

der Bundeswehr und ihm ebenso wenig mit § 2b BGSErgG ein umfassender<br />

Kampfauftrag zugewiesen worden war. Wie bereits dargelegt wurde, erfolgte<br />

die Verleihung des Kombattantenstatus aus reinen fürsorgerechtlichen Gesichts-<br />

1885<br />

1886<br />

1887<br />

1888<br />

§ 15 Abs. 1 ZDG.<br />

Vgl. Art. 12a Abs. 2. S. 3 GG.<br />

BT-Drs. V/2873, S. 5.<br />

Hellenthal, Frauen im Bundesgrenzschutz, S. 71.


§ 9 Einführung der Grenzschutzdienstpflicht 375<br />

punkten. Es war nicht beabsichtigt, den Bundesgrenzschutz als kämpfende<br />

Truppe zu verwenden, sondern ihn in Spannungszeiten weiter mit seinen polizeilichen<br />

Aufgaben zu betrauen und dabei den Beamten den größtmöglichen<br />

kriegsvölkerrechtlichen Schutz zukommen zu lassen. Dies fand zwar nicht<br />

Ausdruck im Gesetzestext, wie später in § 64 BGSG 1972 erfolgt, ergibt sich<br />

aber aus der oben dargestellten Analyse der Gesetzgebungsvorgänge 1889 . Demnach<br />

besteht der Sinn und Zweck in § 2b BGSErgG darin, dass der<br />

Bundesgrenzschutz auch im Verteidigungsfall diejenigen ihm zugewiesenen<br />

polizeilichen Aufgaben wahrnehmen konnte, bei denen die Gefahr bestand, dass<br />

ihm ein kombattanter Gegner entgegentrat 1890 . Eine „rein militärische Verwendung“<br />

kam deshalb Benda zufolge nicht in Betracht 1891 . Nach diesen<br />

Gesichtspunkten kann man trotz der Erwähnung des Bundesgrenzschutzes in<br />

Art. 12a Abs. 2 S. 3 GG der Auffassung sein, dass es sich beim Polizeidienst im<br />

Bundesgrenzschutz nicht um Kriegsdienst handelte.<br />

Insgesamt bleibt festzustellen, dass die Einführung der Grenzschutzdienstpflicht<br />

isoliert betrachtet noch kein Kriterium darstellt, um dem Bundesgrenzschutz den<br />

polizeilichen Charakter abzusprechen. Jedoch wirft diesbezüglich die Verbindung<br />

mit der Frage nach der Kriegsdiensteigenschaft schwerwiegende Bedenken<br />

auf. Es bestand bis zum Erlass des BGSG 1972 keine Gewähr für einen Grenzschutzdienstpflichtigen,<br />

dass er im Rahmen eines militärischen Angriffs auf das<br />

Bundesgebiet nur im Rahmen der Selbstverteidigung oder zur Ausübung der<br />

dem Bundesgrenzschutz übertragenen polizeilichen Aufgaben eingesetzt werden<br />

würde. Taktische und strategische Überlegungen aus militärischer Sicht hätten<br />

dazu führen können, die Verbände des Bundesgrenzschutzes dem militärischen<br />

Gegner entgegenzuwerfen. Zwar kann der militärischen Fachliteratur entnommen<br />

werden, dass im Verteidigungsfalle dem Bundesgrenzschutz „keine<br />

militärischen Aufgaben übertragen werden sollten“ und er „ins Hinterland<br />

verlegt“ werden soll 1892 , aber dies waren bloße Empfehlungen, was auch aus der<br />

Formulierung „sollte“ ersichtlich ist. Die Folgerung hieraus muss jedoch nicht<br />

darin kulminieren, dem Bundesgrenzschutz den polizeilichen Charakter abzusprechen.<br />

Der Bundesgrenzschutz bleibt im Friedensfall rein polizeiliches<br />

Instrument zur Gefahrenabwehr. Im Verteidigungsfall entsteht eine ungünstige<br />

1889<br />

1890<br />

1891<br />

1892<br />

Siehe S. 311.<br />

BT-Prot. vom 08.11.1967, 131. Sitzung, S. 6619D.<br />

Ebd.<br />

Mangelsdorff, WK 1/1966, 35 (38).


376 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

Situation, die der Gesetzgeber durch eine Vielzahl von Normen und Äußerungen<br />

von Politikern nicht aufzulösen im Stande war. Zum einen ist der Bundesgrenzschutz<br />

nach § 2b BGSErgG befugt, militärisch geführte Angriffe gegen das<br />

Bundesgebiet abzuwehren. Zum anderen soll dies jedoch nur im Rahmen der<br />

polizeilichen Aufgabenwahrnehmung gelten – also zur Selbstverteidigung. Dies<br />

hat allerdings bis 1972 nirgends seinen Niederschlag im Recht gefunden, sondern<br />

ergibt sich nur aus den Aussagen von Politikern und internen Vorgängen,<br />

die zur damaligen Zeit der Geheimhaltung unterlagen und nicht öffentlich<br />

zugänglich waren. Mit Eintritt des Verteidigungsfalles kam dem Bundesgrenzschutz<br />

somit nicht mehr nur ein rein polizeilicher Charakter zu, sondern<br />

zusätzlich, zumindest den Verbänden des Bundesgrenzschutzes, auch ein militärischer<br />

Charakter. Auch wenn Hellenthal zu einem gegenteiligen Ergebnis<br />

kommen will und die Bundesregierung seiner Zeit immer nur den „polizeilichen<br />

Charakter“ des Bundesgrenzschutzes herausstellte, lässt sich aufgrund der<br />

Fakten nicht leugnen, dass dem Bundesgrenzschutz eine Zwitterstellung zukam.<br />

Dies gilt für den Zeitraum von 1965 bis 1972. Die weitere Untersuchung wird<br />

zeigen, dass mit dem BGSG von 1972 eine klare Abgrenzung zur theoretisch<br />

rein möglichen militärischen Verwendung der Verbände des Bundesgrenzschutzes<br />

im Verteidigungsfalle erfolgte und der polizeiliche Charakter in Bezug auf<br />

den Kombattantenstatus eindeutig herausgestellt wurde.


§ 10 Bundesgrenzschutzgesetz 1972 377<br />

§ 10 Bundesgrenzschutzgesetz 1972<br />

A. Einleitung<br />

Mit dem BGSG 1972 findet die Konsolidierung des Bundesgrenzschutzes im<br />

föderalen Sicherheitssystem einen Abschlusspunkt. Das BGSG 1972 transferiert<br />

den Bundesgrenzschutz endgültig von der reinen Grenzpolizei mit partiellen<br />

Verteidigungsaufgaben zur Polizei des Bundes mit erweitertem Aufgabenspektrum<br />

und eigenem materiellen Polizeirecht. Die Sicherheitslage von 1968 bis<br />

1972 wirkte, wie auch bereits die Spannungslage 1951 an der innerdeutschen<br />

Grenze, katalysatorisch auf die Entwicklung des Bundesgrenzschutzes.<br />

Aus einem Vermerk des Arbeitskreises II (Innere Sicherheit) der Innenministerkonferenz<br />

aus dem Jahr 1970 geht hervor, dass sich aus Untersuchungen „ernste<br />

Bedenken“ ergäben, ob generell „die innere Sicherheit bei schweren und länger<br />

andauernden Störungen gewährleistet werden kann“ 1893 . Die Heranziehung des<br />

Bundesgrenzschutzes zur Stärkung der inneren Sicherheit im Allgemeinen war<br />

neben der Intention, die neuen Aufgaben der Notstandsverfassung ins BGSG<br />

aufzunehmen, entscheidender Punkt bei dem Gesetzesvorhaben von 1972. Die<br />

Verabschiedung des Gesetzes war nicht frei von Widerstand der Föderalisten<br />

und der Polizeigewerkschaften. Denn einerseits wurde mit dem BGSG 1972 der<br />

Einsatz des Bundesgrenzschutzes im Landesinneren möglich. Hierin sah eine<br />

Minderheit einen Verstoß gegen die Polizeihoheit der Länder. Andererseits<br />

rückte der Bundesgrenzschutz in Form und Handlungsreichweite mit dem neuen<br />

BGSG deutlich näher an die Polizeien der Länder heran. Die GdP, die hauptsächlich<br />

die Interessen der Landespolizeien vertrat, stellte sich diesbezüglich<br />

entschieden gegen das neue BGSG, denn nach deren Auffassung wurde damit<br />

der Bundesgrenzschutz zur Bundespolizei ausgebaut. Im Nachfolgenden wird<br />

untersucht, unter welchen Voraussetzungen das neue BGSG erarbeitet und<br />

verabschiedet wurde und welche Widerstände sich gegen die Konsolidierung<br />

des Bundesgrenzschutzes von föderaler und gewerkschaftlicher Seite wandten.<br />

1893<br />

Bericht über den Einsatz des BGS zur Unterstützung der Länderpolizeien und der damit<br />

zusammenhängenden Fragen wie Abgrenzungen von Schwerpunktaufgaben und Führungsprobleme,<br />

S. 3, in: BArch B 106/83872.<br />

D. Parma, Installation und Konsolidierung des Bundesgrenzschutzes 1949 bis 1972,<br />

DOI 10.1007/978-3-<strong>658</strong>-<strong>10928</strong>-8_10, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2016


378 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

B. Konsolidierungsbedarf des BGSG<br />

Nach Verabschiedung der Notstandsverfassung am 27. Juni 1968, welche dem<br />

Bundesgrenzschutz weitere Aufgaben in besonderen Fällen zuwies 1894 , wäre die<br />

Neufassung des BGSG zweckmäßig gewesen, da dieses den Bundesgrenzschutz<br />

einseitig als Grenzpolizei auswies. Kurz nach Verabschiedung der Notstandsverfassung<br />

wandte sich der damalige Bundesinnenminister Benda mit dem<br />

Vorschlag an Bundeskanzler Kiesinger, ein neues BGSG zu verabschieden.<br />

Benda führte aus, dass das Bundesgrenzschutzgesetz aus dem Jahr 1951 „nicht<br />

mehr den rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten“ entspräche 1895 . Darüber<br />

hinaus sollten seiner Auffassung nach die Aufgaben aus der Notstandsverfassung<br />

in einem neuen Gesetz Niederschlag finden. Dass mit der Neufassung des<br />

BGSG nicht nur eine formale Anpassung erfolgen sollte, sondern auch eine<br />

stückweise Neuorientierung des Bundesgrenzschutzes im gesamten Sicherheitsgefüge,<br />

wird durch folgende Aussage Bendas bestätigt:<br />

„Es ist daher notwendig, Auftrag und Stellung des Bundesgrenzschutzes<br />

innerhalb der Sicherheitsorgane der Bundesrepublik neu zu<br />

definieren.“ 1896<br />

Die Verabschiedung eines neuen BGSG war jedoch politisch nicht unproblematisch.<br />

Benda gab in seinem Schreiben an Kiesinger selbst zu, dass er die<br />

politischen Risiken nicht verkenne, die der Gesetzentwurf „wegen eines gewissen<br />

Zusammenhangs mit der Notstandsverfassung“ mit sich bringe 1897 . Benda<br />

hatte bereits in einer Kabinettssitzung kurz vor Verabschiedung der Notstandsverfassung<br />

am 29. Mai 1968 erklärt, dass der Grundsatz der Zurückhaltung (es<br />

wurde angeregt, „nach Verabschiedung der Notstandsverfassung vorübergehend<br />

etwas Ruhe eintreten zu lassen“) durch die Neuregelungen für den Bundesgrenzschutz<br />

„durchbrochen werden müsse“ 1898 . Gleichwohl war gegen Ende der<br />

fünften Wahlperiode nicht mehr genügend Zeit, um ein so umfangreiches Gesetzesvorhaben,<br />

das hinzukommend Konfliktpotential im Hinblick auf die<br />

Polizeihoheit der Länder bot, durchzuführen. Aus internen Dokumenten des<br />

1894<br />

1895<br />

1896<br />

1897<br />

1898<br />

Siehe hierzu S. 353 ff.<br />

Schreiben Benda an Kiesinger, v. 10.09.1968, Az. ÖS II 1-630 113/1, S. 4, in: BArch<br />

B 136/5042.<br />

Ebd.<br />

Ebd., S. 5.<br />

BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 21 (1968), S. 227.


§ 10 Bundesgrenzschutzgesetz 1972 379<br />

Bundesinnenministeriums geht hervor, dass man zwar einer umfassenden Neuregelung<br />

Vorzug geben wolle, jedoch werfe diese „so viele schwierige Fragen<br />

auf, dass sie in dieser Legislaturperiode nicht mehr erfolgen könne“ 1899 . Die<br />

Neufassung des BGSG konnte dementsprechend erst in der sechsten Wahlperiode<br />

in Angriff genommen werden. Auf den Beginn der sechsten Wahlperiode<br />

fielen verschiedene sicherheitspolitisch relevante Ereignisse, die eine stärkere<br />

Einbindung des Bundesgrenzschutzes in die föderale Sicherheitsarchitektur<br />

erforderlich machten und so auch dem Gesetzesvorhaben der Bundesregierung<br />

Auftrieb verliehen.<br />

C. Veränderte Lage im Bereich der inneren Sicherheit<br />

Nicht nur die neuzugewiesenen Aufgaben im Zuge der Notstandsverfassung<br />

gaben Anlass zu einer Erneuerung des Bundesgrenzschutzgesetzes, sondern<br />

auch die Gesamtlage im Bereich der inneren Sicherheit. Gegen Ende der sechziger<br />

Jahre und zu Beginn der siebziger Jahre sah sich die Bundesrepublik mit<br />

einer Vielzahl an Ereignissen konfrontiert, die einen massierten Einsatz von<br />

Polizeieinheiten sowie eine Intensivierung der Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung<br />

unerlässlich machten. Die Polizei-Ressource Bundesgrenzschutz<br />

sollte über das Gebiet der Grenzsicherung hinaus auch im Landesinneren besser<br />

und effektiver genutzt werden.<br />

Die studentischen Protestbewegungen weiteten sich 1968 nach dem Tod von<br />

Benno Ohnesorg aus und radikalisierten sich 1900 . Es waren 1968 teilweise mehr<br />

als 21.000 Polizisten bundesweit im Rahmen von Demonstrationen im Einsatz<br />

1901 . In dieser Zeit erlebte die Bundesrepublik „die schwersten<br />

Straßenschlachten ihrer Geschichte“ 1902 . Die Bewältigung von derartigen polizeilichen<br />

Großlagen forderte einen mobilen polizeilichen Kräfteansatz in bisher<br />

ungekannten Dimensionen. Der Bundesgrenzschutz sollte bei solchen Ereignissen<br />

für die Länder als Personalreserve zur Verfügung stehen. Neben den<br />

polizeilichen Großlagen erlangte die Bekämpfung des Terrorismus besondere<br />

Bedeutung. Als Initialereignis des linksgerichteten Terrorismus in Deutschland<br />

1899<br />

1900<br />

1901<br />

1902<br />

Schreiben BMI v. 19.08.1968, Az. ÖS II-630 114/2, S. 1, in: BArch B 106/83871.<br />

Recker, Geschichte der BRD, S. 54.<br />

Ohme-Reinicke, Moderne Maschinenstürmer, S. 101.<br />

Mieder, Die Geschichte Deutschlands nach 1945, S. 127.


380 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

können die Brandanschläge vom 2. April 1968 auf zwei Frankfurter Kaufhäuser<br />

gesehen werden 1903 . Mit der Befreiung von Andreas Baader am 14. Mai 1970 in<br />

Berlin erreichte der Terrorismus ein „neues Stadium“, da er sich fortan auch<br />

gegen die körperliche Unversehrtheit von Personen richtete 1904 . Auch im Rahmen<br />

der Terrorismusbekämpfung, im Zuge welcher vor allem das Bundeskrimi-<br />

Bundeskriminalamt weiter ausgebaut wurde, sollte der Bundesgrenzschutz auf<br />

Anforderung der Länder, beispielsweise bei Fahndungseinsätzen oder anlässlich<br />

des Objektschutzes, eingesetzt werden. Ebenso kam ein Einsatz des Bundesgrenzschutzes<br />

auf Großflughäfen wie Frankfurt/Main in Betracht.<br />

Der deutsche Luftverkehr rückte mit Beginn des Jahres 1970 ins Visier des<br />

internationalen Terrorismus, nachdem ab 1968 eine Entführungswelle von<br />

Luftfahrzeugen im europäischen Raum zu verzeichnen war, für welche arabische<br />

Terroristen verantwortlich waren 1905 . So explodierte am 21. Februar 1970<br />

im Frachtraum einer Maschine der Austrian Airlines, die von Frankfurt/Main<br />

aus gestartet war, ein Sprengsatz, der sich in einer Paketsendung mit Zielort<br />

Israel befand 1906 . Bereits am 10. Februar 1970 hatten drei Terroristen am Flughafen<br />

München-Riem ein Attentat auf israelische Passagiere verübt, bei<br />

welchem ein Toter sowie elf Verletzte zu verzeichnen waren 1907 .<br />

Die Bundesregierung reagierte auf die beschriebene Gesamtlage gegen Ende des<br />

Jahres 1969 mit einem „Sofortprogramm zur Modernisierung und Intensivierung<br />

der Verbrechensbekämpfung“ 1908 und im Frühjahr 1972 mit dem Schwerpunkt-<br />

1903<br />

1904<br />

1905<br />

1906<br />

1907<br />

1908<br />

Görtemaker, Kleine Geschichte der BRD, S. 312.<br />

Schwind, in: ders., Ursachen des Terrorismus in der BRD, S. 31.<br />

Anschlag vom 23.07.1968 auf eine EL-Al Maschine auf dem Flug von Rom nach Tel<br />

Aviv, Angriff auf eine EL-Al Maschine am 26.12.1968 auf dem Flughafen von Athen<br />

und Tötung eines Passagiers, Angriff auf eine EL-Al Maschine am 18.02.1969 in Zürich<br />

und Tötung eines Piloten, Entführung einer Linienmaschine am 29.08.1969 und Sprengung<br />

der Maschine in Damaskus, Handgranatenanschlag auf das EL-AL Büro in<br />

Brüssel am 08.09.1969 mit zwei Verletzten, Bombenanschlag auf das EL-AL Büro in<br />

Athen am 11.11.1969 und Tötung eines Kindes, versuchte Flugzeugentführung in Athen<br />

am 22.12.1969, Bombenanschlag auf eine österreichische Maschine am 21.02.1970,<br />

Flugzeugentführung am 22.07.1970 in Athen, vgl. Der Spiegel 38/1970 v. 14.09.1970,<br />

S. 102.<br />

Riegler, Österreich und der Nahostterrorismus 1973 bis 1985, S. 32.<br />

Vgl. Der Spiegel 38/1970 v. 14.09.1970, S. 102.<br />

Sofortprogramm abgedruckt als BT-Drs. VI/1334 sowie als Veröffentlichung des BMI<br />

(Hrsg.) in der Schriftenreihe „betrifft“ 1970, Nr. 4, S. 3-25.


§ 10 Bundesgrenzschutzgesetz 1972 381<br />

programm „Innere Sicherheit“ 1909 . Das „Sofortprogramm zur Modernisierung<br />

und Intensivierung der Verbrechensbekämpfung“ diente vor allem der Kriminalitätsbekämpfung<br />

im Allgemeinen und der Stärkung des Bundeskriminalamtes<br />

als Zentralstelle. Jedoch sind auch bezüglich des Bundesgrenzschutzes einige<br />

Kernaussagen festgehalten. So wird als Maßnahme im Zusammenhang mit der<br />

Sicherung des Luftverkehrs genannt, dass der Bundesgrenzschutz seit dem 24.<br />

Februar 1970 auf Ersuchen der Länder täglich 150 Beamte für Aufgaben der<br />

Luftsicherheit an den Flughäfen Frankfurt/Main, Hamburg, Hannover und<br />

Bremen abgestellt hat 1910 . Die Aufgabe Luftsicherheit wurde zu diesem Zeitpunkt<br />

von den Ländern ausgeübt. 1961 wurde zwar Art. 87d neu ins GG<br />

eingefügt 1911 , welchem zufolge die Luftverkehrsverwaltung in bundeseigener<br />

Verwaltung geführt wird. Jedoch können gemäß Art. 87d Abs. 2 GG Aufgaben<br />

der Luftverkehrsverwaltung den Ländern als Auftragsverwaltung übertragen<br />

werden 1912 . Mit § 31 Abs. 1 Nr. 18 des Gesetzes über die Zuständigkeiten in der<br />

Luftverkehrsverwaltung vom 8. Februar 1961 wurde festgelegt, dass die Ausübung<br />

der Luftaufsicht gemäß § 29 LuftVG 1913 durch Länder im Auftrag des<br />

Bundes erfolgt. Somit hatte der Bund zum damaligen Zeitpunkt keine Zuständigkeit<br />

im Bereich der Luftsicherheit.<br />

Der Einsatz des Bundesgrenzschutzes auf Flughäfen sollte vor allem vermeiden,<br />

dass die Polizeien der Länder „aus ihren unmittelbaren Aufgabenbereichen<br />

abgezogen werden“ 1914 . Weiterhin ist im „Sofortprogramm“ erwähnt, dass der<br />

1909<br />

1910<br />

1911<br />

1912<br />

1913<br />

1914<br />

Bericht zum Schwerpunktprogramm „Innere Sicherheit“, in: Bulletin des Presse- und<br />

Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 46 v. 28.03.1972, S. 685-687.<br />

BT-Drs. VI/1334, S. 16.<br />

BGBl. I 1961, S. 65.<br />

Zum Luftsicherheitsrecht 1961: Giemulla, Recht der Luftsicherheit, S. 110.<br />

§ 29 Abs. 1 LuftVG a.F.: „Die Abwehr von Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs<br />

sowie für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch die Luftfahrt<br />

(Luftaufsicht) ist Aufgabe der Luftfahrtbehörden“.<br />

BT-Drs. VI/1334, S. 19; so auch der damalige Bundesinnenminister Genscher in seiner<br />

Rede vor dem Bundestag anlässlich des Sofortprogramms: „[…] in der ungewöhnlich<br />

angespannten Personalnot auch bei den Polizeien der Länder haben wir in den letzten<br />

Monaten ein zusätzlich dem Bund zur Verfügung stehendes Sicherheitspotential ausgeschöpft,<br />

indem wir z.B. für Sicherungsaufgaben auf den Flughäfen Beamte des Bundes-<br />

Bundesgrenzschutzes eingesetzt haben mit dem Ziel, es den Ländern zu ermöglichen,<br />

mit den vorhandenen Polizeibeamten weiter die Aufgabe der unmittelbaren Verbrechensbekämpfung<br />

zu erfüllen, so dass sie nicht genötigt sind, aus diesem Bereich<br />

Beamte für die Flughäfen abzuziehen.“, vgl. BT-Prot. vom 04.11.1970, 75. Sitzung,<br />

S. 4216D.


382 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

Bundesgrenzschutz personell verstärkt werden und generell den Ländern „auf<br />

deren Anforderung in besonderen Situationen zur Verfügung stehen“ soll 1915 . Im<br />

Schwerpunktprogramm „Innere Sicherheit“ wurde dies konkretisiert. Der Bundesgrenzschutz<br />

werde durch das neue Bundesgrenzschutzgesetz „zu einem<br />

zusätzlichen, jederzeit abrufbaren Sicherheitspotential“ 1916 .<br />

An polizeilichen Anlässen zur Verstärkung der Landespolizei durch den Bundesgrenzschutz<br />

mangelte es aufwachsend ab dem Jahr 1968 nicht – eine<br />

entsprechende gesetzliche Grundlage war allerdings nicht vorhanden. Weder<br />

aufgrund einer Norm im damals geltenden BGSG noch aufgrund der dem Bundesgrenzschutz<br />

im Rahmen der Notstandsverfassung zugewiesenen Aufgaben<br />

hätte sich ein Einsatz von Bundesgrenzschutzbeamten bei einer Demonstration<br />

oder in Zusammenhang mit der Fahndung nach Terroristen im Landesinneren<br />

rechtfertigen lassen 1917 . Der Einsatz des Bundesgrenzschutzes für die genannten<br />

Zwecke konnte nur aufgrund der Anforderung eines Landes erfolgen. Eine<br />

entsprechend korrespondierende Vorschrift, gemäß welcher der Bundesgrenzschutz<br />

auf Ersuchen bei besonderen polizeilichen Ereignissen im Landesinneren<br />

eingesetzt werden konnte, fehlte bislang im BGSG und sollte mit dem Gesetzesvorhaben<br />

1972 geschaffen werden. Im Gesetzgebungsprozess wurde darüber<br />

hinaus deutlich, dass allein eine Norm im BGSG, gemäß welcher ein Unterstützungseinsatz<br />

zu Gunsten der Länder ermöglicht werden sollte, allein gerade<br />

nicht ausreichend ist, sondern hierfür zusätzlich eine Ergänzung des Art. 35 GG<br />

notwendig war.<br />

D. Gesetzentwurf<br />

Bereits in der fünften Wahlperiode, kurz nach Verabschiedung der Notstandsverfassung,<br />

wurde vom damaligen Bundesinnenminister Benda ein Entwurf für<br />

ein neues BGSG ausgearbeitet, der allerdings weder materielles Polizeirecht des<br />

Bundes noch eine organisatorische Anpassung der Bundesgrenzschutzbehörden<br />

1915<br />

1916<br />

1917<br />

BT-Drs. VI/1334, S. 19<br />

Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 46 v. 28.03.1972,<br />

S. 685.<br />

Abgesehen von dem Fall des Art. 91 GG. Bundesinnenminister Benda erklärte am<br />

30.04.1968 vor dem Bundestag im Zusammenhang mit den Ausschreitungen im Frühjahr<br />

1968, dass zu „keinem Zeitpunkt“ ein innerer Notstand gem. Art 91 GG vorgelegen<br />

habe, vgl. BT-Prot. vom 30.04.1968, 169. Sitzung, S. 8992C.


§ 10 Bundesgrenzschutzgesetz 1972 383<br />

enthielt, sondern nur die Aufgaben aus der Notstandsverfassung in das Gesetz<br />

implementierte. Der Benda-Entwurf von 1968 hatte rein das Ziel, das neue<br />

BGSG „den verfassungsrechtlichen Gegebenheiten anzupassen“ 1918 . Polizeiliche<br />

Befugnisse und eine Norm, nach welcher der Bundesgrenzschutz auch zur<br />

Unterstützung der Länder über Art. 35 und Art. 91 GG hinaus eingesetzt werden<br />

konnte, waren in dem Entwurf nicht enthalten. Dieser minimalistische Entwurf<br />

aus dem Jahr 1968 war nicht geeignet, um Bendas eigenen Forderungen, „die<br />

Stellung des Bundesgrenzschutzes innerhalb der Sicherheitsorgane der Bundesrepublik<br />

neu zu definieren“, gerecht zu werden 1919 . Hierfür hätte es<br />

umfangreicher Ergänzungen des Entwurfes bedurft, die in der fünften Wahlperiode<br />

nicht mehr durchgeführt werden konnten.<br />

Zu Beginn der sechsten Wahlperiode wurde die Arbeit an dem Gesetzesvorhaben<br />

zügig wieder aufgenommen. Das Bundesinnenministerium befasste sich ab<br />

1970 intensiv mit der Vorarbeit zu einem neuen BGSG. Besonders hervorzuheben<br />

sind hier die nachfolgend als Vorüberlegungen bezeichneten Vorgänge. Das<br />

Bundesinnenministerium hatte sorgsam Detailfragen zu einem neuen BGSG im<br />

Vorhinein ressortintern klären lassen. Die Dokumente des BMI geben gründlichen<br />

Aufschluss über die Vorarbeit des Gesetzgebungsprozesses und das darin<br />

enthaltene Konfliktpotential.<br />

I. Vorüberlegungen<br />

Die Kernfrage für ein neues BGSG war diejenige nach dem Umfang der Befugnisse<br />

und Aufgaben. Das bisherige BGSG aus dem Jahr 1951 regelte keine<br />

polizeilichen Befugnisse. Diese ergaben sich aus der sogenannten „Dienstanweisung<br />

des BMI über Aufgaben und Befugnisse des Bundesgrenzschutzes“ 1920 . In<br />

der Dienstanweisung waren sachliche und örtliche Zuständigkeiten und gewisse<br />

polizeiliche Standardbefugnisse wie Gewahrsam, Identitätsfeststellung, Durch-<br />

1918<br />

1919<br />

1920<br />

Allgemeine Begründung zum Gesetzentwurf, als Anlage zur Schreiben ÖS II 1-630<br />

114/2 v. 19.08.1968, S. 1, in: BArch B 106/83871.<br />

Vgl. Bendas Ausführungen zu einem neuen BGSG an Kiesinger, S. 372.<br />

Erste Fassung der Dienstanweisung über die Aufgaben und Befugnisse des Bundesgrenzschutzes<br />

v. 05.06.1953 = GMBl. 1953, Nr. 13, S. 194 ff.


384 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

suchung und Sicherstellung geregelt 1921 . Die Landespolizeigesetze enthielten zu<br />

dieser Zeit durchweg bereits materielles Polizeirecht 1922 .<br />

Ebenso stellte sich die Frage, inwieweit neue Aufgaben für den Bundesgrenzschutz<br />

in das Gesetz hätten übernommen werden können. Dies betraf nicht die<br />

hinzugekommenen Aufgaben aus der Notstandsverfassung, sondern vor allem<br />

den Schutz von Verfassungsorganen, den Schutz eigener Einrichtungen und<br />

besonders die Unterstützung der Landespolizeien auf deren Anforderung hin.<br />

Der Bundesgrenzschutz nahm bereits seit 1951 Objektschutzaufgaben für Verfassungsorgane<br />

wahr. So wurden (innerhalb der Umzäunung) der Sitz des<br />

Bundeskanzlers, das Palais Schaumburg, sowie Adenauers Privatanwesen in<br />

Rhöndorf von Einheiten des Bundesgrenzschutzes bewacht 1923 . Darüber hinaus<br />

nahm der Bundesgrenzschutz den polizeilichen Schutz eigener Einrichtungen<br />

wahr. Diese Objektschutzaufgaben sollten der Konzeption nach mit in ein neues<br />

BGSG aufgenommen werden. Auch die Möglichkeit der Unterstützung von<br />

Landespolizeien auf deren Anforderung in anderen als den im Grundgesetz bis<br />

dahin genannten Fällen, sollte Einzug in das neue Gesetz halten. Letzteres<br />

entsprach in erster Linie der Intention der Bundesregierung, die auch bereits im<br />

„Sofortprogramm zur Modernisierung und Intensivierung der Verbrechensbekämpfung“<br />

sichtbar war, den Landespolizeien durch Rückgriff auf die<br />

Ressource Bundesgrenzschutz bei Spitzenbelastungen beizustehen 1924 .<br />

Aus mehreren internen Dokumenten des BMI lässt sich die Vorarbeit zu den<br />

genannten Hauptfragen betreffend Aufgaben und Befugnissen untersuchen. Es<br />

geht hieraus hervor, dass die Befugnisse zunächst nicht in einem neuen BGSG<br />

geregelt sein sollten, sondern in einem zeitgleich zu verabschiedenden „Bundespolizeigesetz“<br />

1925 . Für ein separates Bundespolizeigesetz zur Regelung der<br />

Befugnisse spreche, dass dieses Gesetz auch für andere Polizeiorgane des Bun-<br />

1921<br />

1922<br />

1923<br />

1924<br />

1925<br />

Vgl. Ziff. V der DA (Fn. 1920).<br />

So z.B. Hessisches Polizeigesetz v. 10.11.1954, GVBl. HE 1954, S. 203; Niedersächsisches<br />

Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung v. 21.03.1951, GVBl. Nds.<br />

1951, S. 79; Polizeigesetz Baden-Württemberg v. 21.11.1955, GVBl. BW 1955, S. 249;<br />

Polizeiaufgabengesetz Bayern v. 16.10.1954, GVBl. BY 1954, S. 237.<br />

Schreiben des Bundeskanzleramtes v. 20.09.1951 betreffend der „Übernahme Wache<br />

‚Palais Schaumburg‘ und Wache Rhöndorf“, S. 1, in: BArch B 136/4309; vgl. hierzu<br />

auch ausführlich, S. 219 ff.<br />

Vgl. hierzu S. 379.<br />

Dokument „Fragen zum BGS-Gesetz“, Az. BGS I 1-630 114/2, S. 1, in: BArch<br />

B 106/83872.


§ 10 Bundesgrenzschutzgesetz 1972 385<br />

des, wie Bundeskriminalamt, Bundestagspolizei oder Bahnpolizei, Geltung<br />

entfalten könne 1926 . Gegen ein Bundespolizeigesetz wurden drei Punkte genannt:<br />

„a) BGS erhielte geschlossenes Gesetz, das Aufgaben, Organisation<br />

und Befugnisse regelt,<br />

b) Befugnisregelung im BGS-Gesetz wären bei Ländern leichter<br />

durchsetzbar als besonderes Bundespolizeigesetz,<br />

c) Bundespolizeigesetz stößt u.U. auch bei anderen Bundesressorts auf<br />

Widerstand.“ 1927<br />

Besonders bestand bei der Bezeichnung „Bundespolizei-Gesetz“ die Möglichkeit,<br />

dass die Länder diesem mit Kritik und Ablehnung begegnen würden, wie es<br />

bereits auch bei der Transliteration des Polizeibriefes in das Grundgesetz 1949<br />

der Fall gewesen war 1928 . Die hier dargestellten Erwägungen gegen ein Bundespolizeigesetz<br />

dominierten letztendlich, sodass dieses nicht mehr in Betracht<br />

gezogen wurde. Es galt stattdessen, die polizeilichen Befugnisse des Bundesgrenzschutzes<br />

mit in ein neues Bundesgrenzschutzgesetz einzuarbeiten.<br />

Zur Frage des Objektschutzes äußert sich das BMI positiv. In das neue Gesetz<br />

solle sowohl der polizeiliche Schutz der eigenen Einrichtungen, als auch als<br />

„Kann Regelung“ der polizeiliche Schutz von Verfassungsorganen mit aufgenommen<br />

werden. Der Bundesgrenzschutz dürfe „beim Schutz seiner<br />

Einrichtungen nicht auf private Rechte und die jedermann zustehenden Rechte<br />

beschränkt bleiben“ 1929 . In Bezug auf den Schutz von Verfassungsorganen habe<br />

sich gezeigt, dass die zuständige Landespolizei bei Wahrnehmung der entsprechenden<br />

Schutzaufgabe „überfordert“ sein könne und so eine Regelung im Sinne<br />

einer Aufgabe des Bundesgrenzschutzes spreche 1930 . Das BMI war sich gleichwohl<br />

bewusst, dass die Aufnahme dieser neuen Aufgaben in das BGSG auch<br />

problembehaftet war. So kann den Dokumenten entnommen werden, dass<br />

aufgrund der neuen Aufgaben „Widerstände der Länder gegen Beschränkungen<br />

ihrer Polizeihoheit“ möglich wären, die sich allerdings „von Land zu Land<br />

1926<br />

1927<br />

1928<br />

1929<br />

1930<br />

Anlage zum Schreiben BMI, Az. BGS I 1-630 114/2, v. 10.03.1970, S. 1, in: BArch<br />

B 106/83872.<br />

Ebd.<br />

Siehe S. 82.<br />

Anlage zum Schreiben BMI, Az. BGS I 1-630 114/2, v. 10.03.1970, S. 3, in: BArch<br />

B 106/83872.<br />

Ebd.


386 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

unterschiedlich“ gestalten dürften 1931 . Auch an dieser Stelle waren die Bedenken<br />

des BMI nicht unbegründet. Zwar hatte der Bundesgrenzschutz bereits das<br />

Grundstück des Sitzes des Bundeskanzlers, sowie das Palais Schaumburg auf<br />

der „Grundlage von Hausrechten“ bewacht 1932 . Jedoch bedeutete die Aufnahme<br />

der hoheitlichen Aufgabe „Objektschutz für Verfassungsorgane“ eine neue, der<br />

Grenzschutzaufgabe sachfremden Materie, die sich nicht ohne Weiteres auf eine<br />

Gesetzgebungskompetenz des Bundes stützen ließ. Die Länder waren mit der<br />

ursprünglichen Formulierung im Gesetzentwurf diesbezüglich, besonders mit<br />

der geplanten Möglichkeit der einseitigen Aufgabenübernahme durch den Bund,<br />

nicht einverstanden 1933 .<br />

An zwei Stellen gestalten sich die Vorüberlegungen geradezu radikal. Es wurden<br />

Überlegungen angestellt, den an der Grenze tätigen Zollgrenzdienst des<br />

Bundesfinanzministeriums in den Bundesgrenzschutz zu integrieren. Der Zollgrenzdienst<br />

nehme an der Grünen Grenze ohnehin nur grenzpolizeiliche<br />

Aufgaben wahr. Zudem seien die zollrechtlichen Aufgaben seit der Zollunion<br />

1968 wesentlich reduziert, da die Zollerhebung im Reiseverkehr weggefallen<br />

sei 1934 . Aus diesen Gründen sei eine „Zersplitterung“ der grenzpolizeilichen<br />

Aufgabe an zwei Behörden undienlich und führe zu „Reibungsverlusten“ 1935 .<br />

Allerdings spreche gegen eine Übernahme des Zollgrenzdienstes „der zu erwartende<br />

heftige Widerstand des BMF“ 1936 . Nähere Informationen außer dem<br />

Argument „Reibungsverlust“ sind in den Dokumenten nicht enthalten, warum<br />

der Zollgrenzdienst übernommen werden sollte.<br />

Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass die Überlegung der Übernahme mit der<br />

Personalknappheit beim Bundesgrenzschutz, die auch 1970 noch vorherrschte,<br />

in Zusammenhang steht. Erst 1969 war die Grenzschutzdienstpflicht eingeführt<br />

worden, um den Bundesgrenzschutz wieder schrittweise aufzufüllen 1937 . Der<br />

Zollgrenzdienst umfasste bereits über 5.000 Beamte 1938 und wäre eine zahlen-<br />

1931<br />

1932<br />

1933<br />

1934<br />

1935<br />

1936<br />

1937<br />

1938<br />

Ebd.<br />

Heesen/Hönle/Peilert, BGSG, 4. Aufl., § 5 Rn. 1.<br />

Siehe hierzu S. 412.<br />

Anlage zum Schreiben BMI, Az. BGS I 1-630 114/2, v. 10.03.1970, S. 5, in: BArch<br />

B 106/83872.<br />

Ebd.<br />

Ebd.<br />

Siehe hierzu S. 344.<br />

BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 4 (1951), S. 79, Fn. 39.


§ 10 Bundesgrenzschutzgesetz 1972 387<br />

mäßig lohnende Verstärkung für den Bundesgrenzschutz gewesen. Jedoch war<br />

es abwegig, große Teile des Zollgrenzdienstes aufzulösen und in den Bundesgrenzschutz<br />

zu integrieren, da die Aufgaben völlig verschieden waren und seit<br />

Beginn der Bundesrepublik eine strikte organisatorische Trennung zwischen<br />

Bundesfinanzverwaltung und Grenzschutz festgelegt war. Dieses Vorhaben trat<br />

folglich auch nicht aus der Vorüberlegungsphase hinaus und fand im weiteren<br />

Gesetzgebungsprozess keinen Niederschlag mehr.<br />

Das Bundesinnenministerium plante weiterhin, mit dem neuen Gesetz den<br />

Ländern die „bereits jetzt umstrittene Möglichkeit […] im Grenzschutz aufgrund<br />

eigener Verwaltungskompetenzen tätig zu werden“ zu nehmen 1939 . Die Bundesregierung<br />

hatte zu Beginn der fünfziger Jahre mit den Ländern Hamburg,<br />

Bremen und Bayern Verwaltungsabkommen geschlossen 1940 . Seither wurde in<br />

den Seehäfen Hamburg und Bremen sowie an der bayerisch-tschechischen<br />

Grenze die grenzpolizeiliche Kontrolle des Verkehrs durch die Landesbehörden<br />

wahrgenommen. Es wurde teilweise als strittig angesehen, ob der Bund überhaupt<br />

die Möglichkeit hatte, aufgrund der fehlenden ausdrücklichen Ermächtigung<br />

im bisher gültigen BGSG Verwaltungsabkommen mit den Ländern<br />

zu schließen 1941 . Es stellte sich die Frage, inwieweit ein neues BGSG die Übertragung<br />

von Grenzschutzaufgaben an Landesbehörden durch schriftliche<br />

Vereinbarung ausdrücklich erlauben sollte oder dem gegenüber „den Ländern<br />

die bereits jetzt umstrittene Möglichkeit endgültig genommen werden“ sollte 1942 .<br />

Es ist dokumentiert, dass jedoch gegen eine solche Regelung der „Widerstand<br />

Bayerns […] zu erwarten“ sei 1943 .<br />

Das Land Bayern hatte sich bereits 1952 vehement dafür eingesetzt, selbst die<br />

Aufgaben der Passkontrolle an der bayerisch-tschechischen Grenze mit Kräften<br />

der Bayerischen Grenzpolizei wahrnehmen zu können 1944 . So ist die Schlussfolgerung<br />

des BMI, dass von bayerischer Seite Widerstand zu erwarten sei, überaus<br />

nachvollziehbar. Aus diesem Grund wurde folglich vorgeschlagen, das Tätig-<br />

1939<br />

1940<br />

1941<br />

1942<br />

1943<br />

1944<br />

Dokument „Fragen zum BGS-Gesetz“, Az. BGS I 1-630 114/2, S. 1, in: BArch<br />

B 106/83872.<br />

Siehe hierzu S. 223.<br />

Vgl. S. 198.<br />

Anlage zum Schreiben BMI, Az. BGS I 1-630 114/2, v. 10.03.1970, S. 6, in: BArch,<br />

B 106/83872.<br />

Ebd.<br />

Siehe S. 222 ff.


388 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

werden der Länder im Bereich des Grenzschutzes weiter zu ermöglichen 1945 .<br />

Dies war auch konsequent, denn der Bundesgrenzschutz war in die sehr spezielle<br />

Form der grenzpolizeilichen Tätigkeit auf den Weltseehäfen Hamburg und<br />

Bremen nicht eingewiesen, da dort seit jeher die Wasserschutzpolizeien diese<br />

Aufgabe wahrnahmen. In Bezug auf Bayern dürften eher politische als praktische<br />

Erwägungen im Vordergrund gestanden haben, an den Verwaltungsabkommen<br />

festzuhalten. Wie erwähnt, war bereits 1952 eine nicht unerhebliche<br />

politische Debatte entbrannt, ob Bayern die Passkontrolle an den Grenzübergangsstellen<br />

selbst vornehmen können sollte. Die Möglichkeit des Widerstandes<br />

von bayerischer Seite gegen eine entsprechende Regelung, die keinen landeseigenen<br />

Vollzug von grenzpolizeilichen Kontrollaufgaben mehr zuließe, wäre<br />

1972 in Anbetracht der Tatsachen groß gewesen.<br />

Zur künftigen Organisation des Bundesgrenzschutzes hat Generalmajor im BGS<br />

Detlev von Platen im Auftrag des Bundesinnenministers Stellung genommen. Er<br />

schlug drei denkbare Organisationsformen vor. Zukünftig könnten „Grenzschutzkampftruppen“<br />

gebildet werden, eine Zweiteilung der Truppe in<br />

„Kampfverbände“ und „Bereitschaftspolizeigruppierungen“ durchgeführt oder<br />

„Allzweckverbände“ gebildet werden 1946 . Diese Vorschläge gründen auf v.<br />

Platens´ Analyse, dass der Bundesgrenzschutz nach wie vor an der innerdeutschen<br />

Grenze in gleicher Form wie bisher benötigt werde und gleichzeitig<br />

jedoch auch Aufgaben im Rahmen der Notstandsverfassung sowie zur Unterstützung<br />

der Länder zu erfüllen seien. Seiner Auffassung nach entspreche die<br />

Lösung der Allzweckverbände am meisten den an den „Bundesgrenzschutz als<br />

Bundesexekutive zu stellenden Aufgaben“ 1947 . Unter Allzweckverbänden versteht<br />

v. Platen im Kern die bisherige Organisationsform des Bundesgrenzschutzes,<br />

unter Einbeziehung einer Angleichung an die Ausbildung der<br />

Landespolizeien, welche sowohl die konzentrierte Beseitigung von Störungen an<br />

der Grenze als auch die verbandsmäßige polizeiliche Unterstützung der Länder<br />

ermöglichen soll. Eine Zweiteilung des Bundesgrenzschutzes in Kampfverbände<br />

und Bereitschaftspolizei oder die Schaffung von reinen Grenzschutzkampftruppen<br />

wäre wohl schwer mit einem polizeilichen Einsatz im Inneren zur<br />

1945<br />

1946<br />

1947<br />

Anlage zum Schreiben BMI, Az. BGS I 1-630 114/2, v. 10.03.1970, S. 6, in: BArch,<br />

B 106/83872.<br />

Schreiben von Generalmajor v. Platen v. 01.09.1970, S. 2, in: BArch B 106/83872.<br />

Ebd.


§ 10 Bundesgrenzschutzgesetz 1972 389<br />

Unterstützung der Länder, wie auch mit der modernen angestrebten Polizei des<br />

Bundes, in Einklang zu bringen gewesen.<br />

Die Vorüberlegungen für ein neues BGSG können insgesamt auf der Basis<br />

beschrieben werden, den Bundesgrenzschutz zu einer modernen, progressiven<br />

Polizei des Bundes mit erweiterten Aufgaben sowie zeitgemäßem Polizeigesetz<br />

auszubauen. Dieses Vorhaben inkludierte zwangsläufig Konfliktpotential, da<br />

man in dem „neuen“ Bundesgrenzschutz durchaus einen Angriff auf die Polizeihoheit<br />

der Länder erkennen konnte. Dies gründet sich vor allem auf die<br />

Tatsache, dass der Bundesgrenzschutz erstmals seit seinem Bestehen 1951 aus<br />

dem Schatten seines (grenz-)polizeilichen Daseins sui generis heraustreten und<br />

faktisch in die bisher unstrittig geschützte Atmosphäre der Polizeihoheit der<br />

Länder stückweise eintreten sollte. Deutlich wird dies besonders an den Objektschutzaufgaben<br />

im Landesinneren sowie den Unterstützungshandlungen<br />

zugunsten der Länder. Zum ersten Mal sollten Grenzschutzbeamte auf gesetzlicher<br />

Grundlage originär polizeiliche Aufgaben im Inneren übernehmen, wie die<br />

Bewachung von Verfassungsorganen, oder sogar auf Anforderung zu jedem<br />

denkbaren polizeilichen Einsatz im Inneren eingesetzt werden können.<br />

II. Entwurf<br />

Der Entwurf des neuen BGSG vom 14. September 1971 regelte in 74 Paragraphen<br />

Aufgaben, Befugnisse und Organisation einschließlich der<br />

Grenzschutzdienstpflicht 1948 . Der Entwurf trug die Form eines modernen Polizeigesetzes.<br />

Polizeiliche Befugnisse, die sich bislang für den Bundesgrenzschutz<br />

noch aus einer Dienstanweisung 1949 ergaben, wurden nun in umfangreicher Form<br />

in den Entwurf mit aufgenommen. Diese bilden nachfolgend keinen Schwerpunkt<br />

und bedürfen keiner weiteren Erörterung, zumal der zweite Abschnitt des<br />

Entwurfes, welcher die Befugnisse enthält, ohne Veränderung oder nennenswerte<br />

Diskussion den parlamentarischen Prozess durchlief. Maßgeblicher<br />

Kernpunkt des Entwurfes sind die Regelungen über Aufgaben und Verwendungen<br />

des Bundesgrenzschutzes sowie diejenigen über die Zusammenarbeit mit<br />

den Polizeibehörden der Länder.<br />

1948<br />

1949<br />

Entwurf des BGSG 1972 = BR-Drs. 491/71.<br />

Siehe S. 383.


390 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

Gemäß § 1 des Entwurfes sollten dem Bundesgrenzschutz die Aufgaben Grenzschutz,<br />

polizeiliche Schutz- und Sicherungsaufgaben in den Fällen der Art. 91,<br />

115f des Grundgesetzes sowie all diejenigen sonstigen Aufgaben obliegen, die<br />

ihm durch das BGSG oder durch andere Rechtsvorschriften des Bundes zugewiesen<br />

werden. Besonders in Letztgenanntem wird die extensive Struktur im<br />

Gegensatz zum BGSG 1951 deutlich. Der Entwurf beabsichtigte, dass dem<br />

Bundesgrenzschutz durch Rechtsvorschriften weitere Aufgaben zugewiesen<br />

werden konnten. Diese Möglichkeit beinhaltete Konfliktpotential, da es nicht im<br />

Interesse der Länder sein konnte, dass der Bund seine sonderpolizeilichen<br />

Kompetenzen per Rechtsverordnung selbständig erweitern hätte können. Aus<br />

Sicht der Verfechter der Polizeihoheit der Länder, musste konsequenterweise ein<br />

Interesse an einer enumerativ abschließenden Nennung der Aufgaben des Bundesgrenzschutzes<br />

bestehen.<br />

Die Aufgabe Grenzschutz ist in Zusammenhang mit § 63 des Entwurfs zu sehen.<br />

Hiernach hätte der Bundesinnenminister grenzpolizeiliche Aufgaben den Ländern<br />

zur Ausübung „überlassen“ können 1950 . Zwar wurde somit gemäß den<br />

Vorüberlegungen die Möglichkeit aufrechterhalten, dass die Länder im Bereich<br />

des Grenzschutzes tätig werden können. Jedoch war die sehr selbstbewusste<br />

Formulierung, dass der Bundesinnenminister eigenem Ermessen nach eine<br />

Aufgabe einseitig „überlassen“ könne, nicht unbedingt geeignet, um die jahrelange<br />

Staatspraxis mit den Ländern Hamburg, Bremen und Bayern, welche<br />

allesamt seit 1953 ein Abkommen über die Ausübung der Passnachschau mit<br />

dem Bund geschlossen hatten, auf eine einvernehmliche Zukunftsbasis zu<br />

stellen.<br />

Der selbstbewusste Duktus des Entwurfes wird auch in der Aufgabenbeschreibung<br />

für den Schutz von Bundesorganen sichtbar. Gemäß § 4 des Entwurfes<br />

„hat“ der Bundesgrenzschutz Verfassungsorgane zu schützen, „wenn diese<br />

darum ersuchen, weil ihre angemessene Sicherung anderweitig nicht gewährleistet<br />

ist“ 1951 . Weiterhin sollte über die Übernahme von Schutzaufgaben der<br />

Bundesinnenminister mit dem betreffenden Land im Benehmen entscheiden.<br />

Dies hätte bedeutet, dass der Bund zwar hätte zur Kenntnis nehmen müssen,<br />

welchen Standpunkt ein Land zur Übernahme der Schutzaufgabe einnahm,<br />

abschließend zu beachten bräuchte der Bundesinnenminister, im Gegensatz bei<br />

1950<br />

1951<br />

Vgl. § 63 Abs. 1 des Entwurfes, BR-Drs. 491/71, S. 14.<br />

Ebd., S. 4.


§ 10 Bundesgrenzschutzgesetz 1972 391<br />

der „Einvernahme“, dies aber nicht 1952 . Gerade diese einseitige Möglichkeit des<br />

Bundes, im eigentlich örtlich- und sachlichen Zuständigkeitsbereich der Länder<br />

polizeiliche Aufgaben wahrzunehmen, konnte als von Anfang an umstritten<br />

angesehen werden. Es war zur damaligen Zeit ohnehin ein Novum, dass der<br />

Bundesgrenzschutz nun für alle Verfassungsorgane zuständig sein sollte, da er<br />

bislang nur den Amtssitz des Bundeskanzlers bewacht hatte. Dass der Entwurf<br />

faktisch die Möglichkeit bot, die Wahrnehmung von Objektschutzaufgaben<br />

durch einseitige Erklärung an sich zu ziehen, konnte als Hinweis auf eine Verletzung<br />

der Polizeihoheit der Länder angesehen werden.<br />

Gemäß § 9 des Entwurfes sollte der Bundesgrenzschutz zur Unterstützung eines<br />

Landes verwendet werden können, wenn die zuständige Landesbehörde diesen<br />

anfordert, für Maßnahmen zur „Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der<br />

öffentlichen Sicherheit oder Ordnung […], soweit das Landesrecht es vorsieht<br />

und die Polizei des Landes ohne diese Unterstützung eine Aufgabe nicht oder<br />

nur unter erheblichen Schwierigkeiten erfüllen“ könnte 1953 . Auf Anforderung der<br />

Länder konnte der Bundesgrenzschutz zu „gewöhnlichen“ polizeilichen Aufgaben<br />

herangezogen werden. Im Ergebnis bedeutete dies, insbesondere die<br />

Formulierung „oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten“, dass der Bundesgrenzschutz<br />

zwar nur auf Anforderung, aber dennoch überall im Bundesgebiet<br />

zu quasi jeder polizeilichen Störungsbeseitigung eingesetzt werden hätte können.<br />

Dies steht zwar in vollkommener Übereinstimmung mit dem<br />

Sofortprogramm von 1969 und auch mit dem Schwerpunktprogramm „Innere<br />

Sicherheit“ von 1972, welche beide eine Entlastung der Länder durch den<br />

Bundesgrenzschutz anstrebten. Jedoch stellte sich die Frage, wie ein derartiger<br />

Einsatz des Bundesgrenzschutzes überhaupt mit der damals geltenden Fassung<br />

von Art. 35 GG in Einklang zu bringen war, welche eine Unterstützung der<br />

Länder durch den Bundesgrenzschutz nur zur Katastrophen- und Unglückshilfe<br />

zuließ. Auf Art. 91 GG konnte ein derartiger Einsatz nach § 9 des Entwurfs auch<br />

nicht gestützt werden, da hier Voraussetzung ist, dass der Bestand oder die<br />

demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes gefährdet ist. Es<br />

zeichnete sich früh ab, dass dieser weitreichende Schritt, dem Bundesgrenzschutz<br />

die Möglichkeit zu geben, im Landesinneren zur allgemeinen<br />

Gefahrenabwehr eingesetzt zu werden, auf verfassungsrechtliche Grundlage<br />

gestellt werden muss.<br />

1952<br />

1953<br />

Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 449.<br />

Vgl. § 63 Abs. 1 des Entwurfes, BR-Drs. 491/71, S. 5.


392 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

Eine bedeutende Ergänzung enthielt der Gesetzentwurf in Bezug auf den Kombattantenstatus.<br />

In § 64 erfährt der bisherige Verteidigungsauftrag eine einschränkende<br />

Klausel. Der Bundesgrenzschutz sollte demnach zur Abwehr mit<br />

militärischen Mitteln geführter Angriffe gegen das Bundesgebiet nur eingesetzt<br />

werden, wenn dies aus Anlass der Wahrnehmung der gesetzlich zugewiesenen<br />

Aufgaben oder zur eigenen Verteidigung erfolge 1954 .<br />

Im Übrigen enthielt der Entwurf noch Regelungen über Schadensausgleich,<br />

Organisation, die Grenzschutzdienstpflicht und sonstige Schluss- und Übergangsvorschriften,<br />

die nachfolgend keinen Schwerpunkt bilden und hier keiner<br />

Erörterung bedürfen.<br />

III. Begründung<br />

Die umfangreiche Begründung des Gesetzentwurfes gibt einleitend wieder, dass<br />

eine Neufassung des veralteten BGSG aufgrund der veränderten Lage dringend<br />

notwendig sei. In den letzten zwanzig Jahren habe sich „auf allen Gebieten des<br />

öffentlichen Lebens in der Bundesrepublik Deutschland ein vielseitiger Wandel<br />

vollzogen, dem sich keine staatliche Institution entziehen“ könne und auch der<br />

Bundesgrenzschutz unterliege „diesem Zwang zur Neuorientierung“ 1955 . Anschließend<br />

wird dargelegt, dass der Bundesgrenzschutz im Laufe seines<br />

Bestehens z.B. vereinzelte Objektschutzaufgaben (Bundeskanzleramt) wahrgenommen,<br />

ihm die Notstandsverfassung neue Aufgabenbereiche zugeteilt und er<br />

den Ländern mehrfach polizeiliche Hilfe gewährt habe. Es ergebe sich somit,<br />

dass „der Bundesgrenzschutz heute nicht mehr nur als Grenzpolizei verstanden<br />

werden“ könne, sondern dieser eine Polizei des Bundes darstelle, der weitere<br />

polizeiliche Aufgaben obliegen würden und „die als Reserve für polizeiliche<br />

Notlagen zur Verfügung“ stehen müsse 1956 .<br />

Das neue Gesetz verfolge vor allem die Ziele, die Aufgaben des Bundesgrenzschutzes<br />

klar zu umschreiben, den polizeilichen Charakter zu verdeutlichen und<br />

die Befugnisse gesetzlich zu regeln 1957 . In Bezug auf § 1 Abs. 3 des Entwurfes,<br />

1954<br />

1955<br />

1956<br />

1957<br />

Vgl. § 64 Abs. 2 des Entwurfes, BR-Drs. 491/71, S. 15.<br />

BR-Drs. 491/71, S. 19.<br />

Ebd., S. 20.<br />

Ebd., S. 21.


§ 10 Bundesgrenzschutzgesetz 1972 393<br />

nach welchem weitere Aufgaben durch Rechtsverordnung an den Bundesgrenzschutz<br />

übertragen werden können, wird ausdrücklich erwähnt, dass eine<br />

Aufgabenerweiterung, z.B. zum Zweck der Wahrnehmung von Luftsicherheitsaufgaben,<br />

denkbar sei 1958 .<br />

Zu den Aufgaben Grenzschutz im Allgemeinen und den Aufgaben im Notstands-<br />

und Verteidigungsfall enthält der Entwurf keine nennenswerten Überlegungen,<br />

da in diesen Fällen die Kompetenz des Bundes zur Regelung der<br />

Materie unstrittig ist. In Bezug auf § 4 des Entwurfes (Schutz von Bundesorganen)<br />

kann dem Entwurf entnommen werden, dass die Beamten des Bundesgrenzschutzes<br />

bisher die Wach- und Sicherungsaufgaben nur basierend auf<br />

Jedermannsrechten ausübten und sie deshalb bei Wahrnehmung dieser Aufgabe<br />

mit polizeilichen Befugnissen ausgestattet werden müssten. Die Gesetzgebungsund<br />

Verwaltungskompetenz des Bundes für die Regelung der Schutzaufgaben<br />

für Verfassungsorgane ergebe sich aus dem Grundsatz, dass der Bund in der<br />

Lage sein müsse, „die Funktionsfähigkeit seiner zentralen Organe notfalls durch<br />

eigene Kräfte sicherzustellen“ 1959 . Es wird als strittig angesehen, ob der Bund<br />

aufgrund der Kompetenz Natur der Sache in diesem Bereich überhaupt Regelungen<br />

treffen kann 1960 .<br />

Ebenso wie bisher beim Schutz von Verfassungsorganen konnten die Beamten<br />

des Bundesgrenzschutzes bei der Wahrnehmung der Sicherung von eigenen<br />

Einrichtungen nur die Jedermann zustehenden hausrechtlichen Maßnahmen<br />

treffen. Durch § 5 des Entwurfes sollte der Bundesgrenzschutz die Aufgabe<br />

erhalten, eigene Einrichtungen gegen Störungen und Gefahren zu sichern,<br />

einschließlich der Möglichkeit gegen derartige Störungen mit polizeilichen<br />

Mitteln vorzugehen. Die Durchführung dieser Aufgabe beeinträchtige auch nicht<br />

die Polizeihoheit der Länder 1961 .<br />

In Bezug auf § 9 des Entwurfs, der die Unterstützung der Länder durch den<br />

Bundesgrenzschutz in anderen als in den Fällen der Amtshilfe regeln sollte,<br />

bedient sich der Entwurf einer teleologischen Auslegung des Art. 35 GG a.F.<br />

und des Art. 91 GG a.F. Es könne nicht „Sinn des Grundgesetzes sein, eine<br />

1958<br />

1959<br />

1960<br />

1961<br />

Ebd.<br />

Ebd., S. 23.<br />

Vgl. Fn. 1984.<br />

BR-Drs. 491/71, S. 24.


394 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

Unterstützung der Landespolizei durch Bundesgrenzschutz auch dann zu verbieten,<br />

wenn der Landespolizei die Beseitigung einer Störung oder die Abwehr<br />

einer Gefahr aus besonderen Gründen nicht möglich“ sei 1962 . In diesem Zusammenhang<br />

sahen zum damaligen Zeitpunkt nahezu alle Polizeigesetze der Länder<br />

bereits vor, dass der Bundesgrenzschutz auch in anderen als den in den Fällen<br />

des Art. 35 GG a.F. oder Art. 91 GG a.F. zur Erfüllung von Aufgaben der Länderpolizeien<br />

nach dem Polizeirecht des jeweiligen Landes tätig werden kann 1963 .<br />

Derartige Regelungen seien „verfassungsrechtlich zulässig“, da es sich um die<br />

„in der Staatspraxis anerkannte Organleihe“ handele 1964 . Im Übrigen berühre<br />

diese Organleihe das Bundesstaatsprinzip nicht, „wenn sie auf besondere Ausnahmefälle<br />

beschränkt“ sei 1965 . Zum Zeitpunkt des Gesetzentwurfes war die<br />

Zulässigkeit der Organleihe nicht abschließend geklärt 1966 . Erst 1983 wurde<br />

durch das BVerfG die Organleihe näher definiert und als grundsätzlich zulässig<br />

erachtet 1967 . Es kann jedoch als fraglich angesehen werden, ob das reine Vorhandensein<br />

einer Norm in Landespolizeigesetzen und dem BGSG eine<br />

sonderpolizeiliche Behörde alleinig und ohne verfassungsrechtliche Grundlage<br />

dazu ermächtigen kann, die originären Aufgaben einer Landesbehörde zu erfüllen.<br />

Von diesem Standpunkt her war es nur folgerichtig, dass später im<br />

Gesetzgebungsprozess gefordert wurde, die Organleihe verfassungsrechtlich in<br />

Art. 35 GG zu verankern.<br />

Mit dem neuen BGSG sollte der Auftrag des Bundesgrenzschutzes im Falle<br />

eines bewaffneten Angriffs auf das Bundesgebiet detaillierter gefasst werden. §<br />

2b BGSG, der durch das BGSErgG 1965 eingefügt wurde, wies dem Bundesgrenzschutz<br />

die Aufgaben zu, auch mit militärischen Mitteln geführte Angriffe<br />

gegen das Bundesgebiet mit der Waffe abzuwehren. Dies könne der Formulie-<br />

1962<br />

1963<br />

1964<br />

1965<br />

1966<br />

1967<br />

Ebd., S. 26.<br />

Bspw. Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) v.<br />

17.12.1964 (GVBl. HE 1964, S. 209), § 79 Abs. 1 HSOG: „Für Polizeibeamte des Bundes<br />

oder eines anderen Landes der Bundesrepublik Deutschland, die auf Ersuchen oder<br />

mit Zustimmung oder zuständigen Behörde oder im Fall des Art. 91 des Grundgesetzes<br />

im Land Hessen tätig werden, gelten die Vorschriften dieses Gesetzes entsprechend“.<br />

BR-Drs. 491/71, S. 25.<br />

Ebd.<br />

Vgl. Vogel, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, Bd. II, § 22<br />

Rn. 106.<br />

BVerfGE 63, 1 (32): „Es werden nicht Kompetenzen auf diese Einrichtung ‚verlagert‘;<br />

‚verlagert‘ werden vielmehr personelle und sächliche Verwaltungsmittel von der entliehenen<br />

Einrichtung zu der entleihenden Einrichtung“.


§ 10 Bundesgrenzschutzgesetz 1972 395<br />

rung nach „als ein umfassender Kampfauftrag verstanden werden“ 1968 . Jedoch<br />

sei nach Willen des Gesetzgebers und der Bundesregierung der Auftrag einschränkend<br />

auszulegen. Der Bundesgrenzschutz solle nur die Möglichkeit<br />

haben, seine polizeilichen Aufgaben auch dann noch durchzuführen, wenn ihm<br />

dabei „kombattante Feindkräfte gegenüberstehen“ 1969 . In diesem Zusammenhang<br />

geht aus einem internen Dokument hervor, dass diese Neufassung<br />

gemeinsam mit Scheuner 1970 eingehend geprüft wurde. Scheuner erklärte, dass<br />

„innerstaatliche Einschränkungen des Kampfauftrages möglich“ seien, ohne den<br />

Kombattantenstatus zu gefährden 1971 . Nach Scheuners Auffassung war die neue<br />

Formulierung „ausdrücklich als völkerrechtlich unbedenklich bezeichnet worden“<br />

1972 .<br />

E. Parlamentarische Behandlung des Gesetzentwurfs<br />

In den parlamentarischen Behandlungen zeigte sich, dass vereinzelt Widerstand<br />

gegen das neue BGSG zu verzeichnen war. Dieser kam vor allem aus Bayern<br />

und Hessen im Rahmen der Bundesratssitzungen und den Ausschusssitzungen<br />

des Bundesrates. Bayern legte besonderen Wert darauf, dass im Gesetzentwurf<br />

eine Ergänzung angefügt werde, dass dem Bundesgrenzschutz der Grenzschutz<br />

nur insoweit obliege, als nicht ein Land im Einvernehmen mit dem Bund Aufgaben<br />

des grenzpolizeilichen Einzeldienstes mit eigenen Kräften (Bayerische<br />

Grenzpolizei) wahrnehme. Die bayerische Seite verfolgte mit dieser Ergänzung<br />

das Ziel, die Aufgaben für die eigene Grenzpolizei dauerhaft zu sichern. Die<br />

Gefahr in dieser Formulierung bestand darin, dass Bayern behaupten hätte<br />

können, es „handele im Bereich des Grenzschutzes in eigener Verwaltungskompetenz<br />

und nicht in Ausübung einer Verwaltungskompetenz des Bundes“ 1973 .<br />

Dies konnte jedoch im Ergebnis dahingestellt bleiben, da das BGSG unverändert<br />

in § 63 vorschrieb, dass ein Land die Aufgaben des grenzpolizeilichen Einzel-<br />

1968<br />

1969<br />

1970<br />

1971<br />

1972<br />

1973<br />

BR-Drs. 491/71, S. 46.<br />

Ebd., S. 47.<br />

Ulrich Scheuner (1903-1981), Professor für öffentliches Recht; Scheuner hatte die<br />

Bundesregierung in Zusammenhang mit der Verleihung des Kombattantenstatus an den<br />

BGS beraten, vgl. S. 313 ff.<br />

Schreiben BMI „Kombattantenstatus für die Verbände des BGS“, v. 28.02.1972, S. 2,<br />

in: BArch B 106/83881.<br />

Ebd.<br />

Sachdarstellung des BMI, Az. BGS I 1-630 114/2, v. 30.06.1972, S. 1, in: BArch<br />

B 106/83882.


396 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

dienstes nur im Einvernehmen mit dem Bund aufgrund einer schriftlichen<br />

Vereinbarung wahrnehmen konnte.<br />

Der schärfste Gegner des neuen BGSG war überraschenderweise nicht Bayern,<br />

sondern das Land Hessen. Die hessischen Vertreter im Bundesrat griffen mehrere<br />

Vorschriften des BGSG an und zweifelten an der polizeilichen<br />

Grundausrichtung des Bundesgrenzschutzes. Der hessische Vertreter im Bundesrat<br />

war schließlich der einzige neben dem Vertreter aus Berlin 1974 , der seine<br />

Zustimmung in der abschließenden Abstimmung verweigerte.<br />

Weiterhin ist ein zentraler Punkt in der Behandlung des Gesetzentwurfs, die<br />

Frage danach, ob mit dem Vorhaben, den Bundesgrenzschutz auf Anforderung<br />

der Landesbehörden zu polizeilichen Aufgaben in den Ländern heranzuziehen,<br />

zwingend eine Verfassungsänderung verbunden sein muss. Die Bundesregierung<br />

vertrat den Standpunkt, dass dies nicht erforderlich sei. Dennoch konnte maßgeblich<br />

auf Einfluss der SPD-Bundestagsfraktion letztlich eine Änderung von<br />

Art. 35 GG durchgesetzt werden, damit der Einsatz des Bundesgrenzschutzes im<br />

Landesinneren verfassungsrechtlich abgesichert werden konnte.<br />

I. Erste Behandlung im Bundesrat<br />

Sehr aufschlussreiche und fundierte Beiträge zum Gesetzentwurf der Bundesregierung<br />

lieferte zunächst der Rechtsausschuss des Bundesrates, welcher sich am<br />

28. September 1971 als erstes Gremium mit dem Entwurf beschäftigte. Einleitend<br />

kann dem Protokoll der Ausschusssitzung entnommen werden, dass<br />

verfassungsrechtlich geprüft wurde, welche Regelungen der Bundesgesetzgeber<br />

überhaupt aufgrund seiner Kompetenz aus Art. 73 Ziff. 5 GG a.F. treffen kann.<br />

Der Rechtsausschuss kam zu dem Ergebnis, dass der Bund „nur zum Erlass<br />

solcher Normen ermächtigt [sei], die dem Schutz der Grenzen des Bundesgebietes<br />

gegen Verletzungen dienen und mit dieser Aufgabe in unmittelbarem<br />

Sachzusammenhang stehen“ und, dass folglich „Organisation und Zuständig-<br />

1974<br />

Im Protokoll ist vermerkt, dass Hessen und Berlin sich der Stimme enthalten. Aufgrund<br />

der Tatsache, dass es in Berlin keinen Bundesgrenzschutz gab, kann die Enthaltung als<br />

Formel der Neutralität gesehen werden. Westberlin hatte im Bundesrat nur eingeschränktes<br />

Stimmrecht, jedoch war es politische Praxis, dass Westberlin bei allen<br />

Beschlüssen, die nur Innenwirkung hatten, volles Stimmrecht wahrnahm, vgl.<br />

Kilper/Lhotta, Föderalismus in der BRD, S. 116.


§ 10 Bundesgrenzschutzgesetz 1972 397<br />

keit“ der aufgrund von Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG eingerichteten Grenzschutzbehörden<br />

„nur in diesem Rahmen“ ausgestaltet werden dürfe 1975 . Konkret wurde<br />

dargelegt, dass der Bundesgrenzschutz daher „nur gemäß dem verfassungsrechtlich<br />

vorgegebenen, vom typischen Aufgabenbereich der Polizei verschiedenen<br />

besonderen Grenzsicherungsauftrag mit Befugnissen betraut“ werden solle 1976 .<br />

Der Rechtsausschuss mahnte weiter an, dass der Bundesgesetzgeber bei Inanspruchnahme<br />

der Gesetzgebungszuständigkeit den „ursprünglichen Sinn“<br />

beachten müsse, mit dem „der Begriff in das Grundgesetz aufgenommen wurde“<br />

und dass dieser Begriff „nicht einen grundlegenden Bedeutungswandel“ erfahren<br />

dürfe, um damit eine Verfassungsänderung zu umgehen 1977 . Trotz dieser<br />

relativ deutlichen Ausführungen zu Art. 73 Ziff. 5, 87 GG äußerte der Rechtsausschuss<br />

nur an einer einzigen Stelle Zweifel, ob die Übertragung von<br />

weitergehenden Aufgaben zulässig sei.<br />

Bedenken gegen den Entwurf erhoben im Übrigen besonders die Vertreter der<br />

Länder Bayern, Hessen und Bremen. Hessen wandte sich vor allem gegen § 1<br />

Abs. 3 des Entwurfes, der vorsah, dem Bundesgrenzschutz weitere Aufgaben<br />

durch andere Rechtsvorschriften übertragen zu können. Der hessischen Auffassung<br />

nach müssten hingegen abschließend im Interesse der Rechtsklarheit alle<br />

Aufgaben aufgezählt werden, die dem Bundesgrenzschutz im Rahmen des<br />

„verfassungsrechtlich fixierten Kompetenzbereichs“ zugewiesen werden sollten<br />

1978 . Die Bedenken von hessischer Seite wurden insgesamt nicht geteilt, da §<br />

1 Abs. 3 nur einen Hinweis darauf gab, dass weitere Aufgaben in verfassungskonformer<br />

Weise übertragen werden könnten. Gegen die Stimmen Bayerns,<br />

Hessens und des Saarlandes wurde der Änderungsantrag abgelehnt 1979 .<br />

Der bayerische Vertreter beantragte, dass in § 2 des Entwurfes, der die Materie<br />

Grenzschutz regeln sollte, folgender Satz angefügt werde:<br />

„[…] soweit nicht die Länder den grenzpolizeilichen Einzeldienst<br />

durch eigene Kräfte wahrnehmen.“ 1980<br />

1975<br />

1976<br />

1977<br />

1978<br />

1979<br />

1980<br />

Protokoll BR UA-RA, v. 28.09.1971, S. 3, in: PA-DBT 4000, VI/319.<br />

Ebd., S. 4.<br />

Ebd.<br />

Protokoll BR UA-RA, v. 28.09.1971, S. 5, in: PA-DBT 4000, VI/319.<br />

Ebd., S. 19.<br />

Ebd.


398 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

Der Antrag ist in Zusammenhang mit der bayerischen Grenzpolizei zu sehen, die<br />

seit dem Verwaltungsabkommen von 1953 die Aufgabe des grenzpolizeilichen<br />

Einzeldienstes an der bayerisch-tschechischen sowie an der innerdeutschen<br />

Grenze auf bayerischem Staatsgebiet wahrnahm. Der Entwurf sah zwar weiterhin<br />

die Möglichkeit vor, dass Länder die Aufgaben im Bereich des<br />

Grenzschutzes übernehmen könnten, jedoch nur aufgrund der alleinigen Zustimmung<br />

des Bundesinnenministeriums 1981 . Dass „lediglich in § 63 eine im<br />

Ermessen des Bundes stehende Überlassung solcher Aufgaben auf Polizeikräfte<br />

der Länder möglich sein soll“ 1982 , konnte nach bayerischer Auffassung nicht<br />

hingenommen werden. Weiterhin erklärte der bayerische Vertreter, dass dem<br />

Bundesgrenzschutz nur die truppenmäßige Sicherung der Grenzen obliege,<br />

jedoch diesem keine sonstigen polizeilichen Aufgaben zustünden.<br />

Dies könne man auch darauf stützen, dass in Art. 73 Ziff. 5, 87 GG nicht von<br />

„Polizei“ die Rede sei, sondern nur von Grenzschutz. In dieser Hinsicht bediente<br />

sich der bayerische Vertreter einer selbst für die damalige Zeit minder vertretenen<br />

Auffassung, da bereits das BGSG 1951 den Bundesgrenzschutz in § 2<br />

ermächtigte, das Bundesgebiet gegen verbotene Grenzübertritte, insbesondere<br />

durch die Ausübung der Passnachschau, zu sichern – also eine polizeiliche<br />

Sicherung der Grenzen durchzuführen. Dass der Bundesgrenzschutz zugleich<br />

truppenmäßig gegliedert war, schloss nicht aus, dass die Ausführung des Grenzschutzes<br />

mit polizeilichen Mitteln erfolgte. So erscheint der im Protokoll nur<br />

sehr knappe Vermerk, dass der bayerische Antrag keine Unterstützung finde,<br />

nachvollziehbar.<br />

Bedenken wurden von Seiten des Rechtsausschusses nur bezüglich des Objektschutzes<br />

von Bundesorganen geäußert. Es ist festgehalten, dass der<br />

Rechtsausschuss „erhebliche Zweifel“ habe, ob in Bezug auf § 4 des Entwurfes<br />

(Schutz von Bundesorganen) die Gesetzgebungskompetenz des Bundes gegeben<br />

sei 1983 .<br />

Der Schutz von Bundesorganen lasse sich weder auf eine Annex-Kompetenz zu<br />

Art. 73 Ziff. 5 GG a.F. noch auf eine Gesetzgebungsbefugnis kraft Natur der<br />

Sache stützen. Bis heute kann es als umstritten angesehen werden, ob der Bund<br />

1981<br />

1982<br />

1983<br />

Vgl. hierzu S. 388 ff.<br />

Protokoll BR UA-RA, v. 28.09.1971, S. 6, in: PA-DBT 4000, VI/319.<br />

Ebd., S. 8.


§ 10 Bundesgrenzschutzgesetz 1972 399<br />

eine Gesetzgebungskompetenz für den Schutz von Verfassungsorganen für sich<br />

in Anspruch nehmen kann 1984 . Vom Standpunkt der Bedenken aus sowie unter<br />

Berücksichtigung der zu Beginn vom Rechtsausschuss herausgestellten Fixierung<br />

des Kompetenzbereiches Grenzschutz ist es unverständlich, warum dieser<br />

eine Änderung oder Streichung von § 4 des Entwurfes schließlich nicht vorgeschlagen<br />

hatte. Es wird nur kurz erwähnt, dass der Bundesgrenzschutz seit den<br />

fünfziger Jahren den Schutz von Verfassungsorganen im Raum Bonn kontinuierlich<br />

wahrgenommen und der Bundesgesetzgeber diese Situation bereits im<br />

Jahre 1956 bei Änderung des BGSG vorgefunden habe.<br />

Der Hinweis auf das Zweite Gesetz über den Bundesgrenzschutz war an dieser<br />

Stelle nicht hilfreich, da 1956 lediglich die Überführung in die Bundeswehr im<br />

Vordergrund stand und keine umfassende Neuregelung der Aufgaben erfolgen<br />

sollte. An der einzigen Stelle, an welcher der Rechtsausschuss erhebliche Zweifel<br />

anmeldete, konnte er sich nicht dazu entschließen, eine Änderung des<br />

Entwurfs zu fordern.<br />

Hessen stellte weiterhin den Antrag § 9 Abs. 1 Nr. 3 des Entwurfes, nach welchem<br />

eine Unterstützung der Länder durch den Bundesgrenzschutz auch über<br />

die im Grundgesetz genannten Fälle hinaus zur Aufrechterhaltung der öffentlichen<br />

Sicherheit oder Ordnung zulässig sein sollte, zu streichen. Der hessische<br />

Vertreter erklärte, dass der Bund aufgrund des Art. 73 Ziff. 5 GG a.F. den<br />

Bundesgrenzschutz nicht mit der Aufgabe betrauen könne, als „bundespolizeiliche<br />

Einsatzreserve auf Anforderung von Landesbehörden öffentliche Sicherheit<br />

und Ordnung in den Ländern zu schützen oder wiederherzustellen“ 1985 . Art. 35<br />

und 91 GG würden alle Ausnahmesituationen abschließend regeln, in welchen<br />

der Bundesgrenzschutz zur Unterstützung von Länderbehörden eingesetzt<br />

werden könne. Somit sei es verfassungsrechtlich nicht zulässig, „eine allgemei-<br />

1984<br />

1985<br />

Im Ergebnis zustimmend: Einwag/Schoen, BGSG, § 4 Rn. 4; Heesen/Hönle/Peilert,<br />

BGSG, 4. Aufl., § 5 Rn. 1; Blümel/Drewes/Malmberg/Walter, BPolG, 3. Aufl., § 5<br />

Rn. 5; Willich, BGS, S. 243; Maunz/Dürig, GG, 64. Lfg. 1/2012, Art. 87 Rn. 97 ff.;<br />

Jestaedt, in: Umbach/Clemens, GG, Bd. II, Art. 87 Rn. 73; Fisahn, Verfassungsrecht<br />

konkret, S. 69; ebenso Schoen, der sogar den (Personen-)Schutz von Angehörigen von<br />

Verfassungsorganen außerhalb der Grundstücke durch den Bundesgrenzschutz als zulässig<br />

sehen will: Schoen, DVBl. 1988, 18; ablehnend: Winkeler, Grenzpolizei,<br />

S. 159; Bull, AK-GG, GW 2001, 3. Aufl., Art. 87 Rn. 69; bedenklich auch: Sachs, GG,<br />

3. Aufl., Art. 87 Rn. 38.<br />

Protokoll BR UA-RA, v. 28.09.1971, S. 9, in: PA-DBT 4000, VI/319.


400 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

ne polizeiliche Reservezuständigkeit zu schaffen“ 1986 . Ebenso verstoße ein<br />

Einsatz des Bundesgrenzschutzes für allgemeine Polizeiaufgaben gegen den<br />

Grundsatz der Funktionstrennung von Polizei und bewaffneter Macht. Der<br />

Antrag wurde gegen die Stimmen Bayerns, Hessens und Bremens abgelehnt.<br />

Während der Sitzung des Innenausschusses des Bundesrates am 6. Oktober 1971<br />

beantragte der Vertreter Bayerns zu empfehlen, den Gesetzentwurf abzulehnen.<br />

Bayern war seit langem der Auffassung, dass der Bund ausschließlich damit<br />

beauftragt sei, die Bundesgrenzen durch „truppenmäßigen Einsatz vor Gefahren<br />

und Störungen zu schützen, die ihren Ursprung außerhalb des Bundesgebietes<br />

haben“ 1987 . Darüber hinaus sei anerkannt, dass der Bund kein materielles Polizeirecht<br />

setzen könne. Der Entwurf des neuen BGSG würde diese Schranken<br />

überschreiten und dem Bundesgrenzschutz beispielsweise durch die neue Aufgabe<br />

des Objektschutzes von Verfassungsorganen allgemeine polizeiliche<br />

Aufgaben zuweisen. Da der Entwurf nach Streichung „der im Widerspruch zum<br />

Grundgesetz stehenden Vorschriften nicht ohne grundlegende Umarbeitung<br />

aufrechterhalten werden kann, ist ihm die Zustimmung insgesamt zu versagen“<br />

1988 . Der bayerische Vertreter forderte zudem eine Änderung von Art. 35<br />

GG, so dass ein Einsatz des Bundesgrenzschutzes auf Anforderung der Länder<br />

verfassungsrechtlich abgesichert war.<br />

Der damalige Bundesinnenminister Genscher erwiderte auf die vorgehenden<br />

Ausführungen des bayerischen Vertreters, dass ein Verzicht auf materielles<br />

Polizeirecht des Bundes aus rechtsstaatlichen Erwägungen nicht möglich und<br />

dass die verfassungsrechtliche Grundlage eines Einsatzes des Bundesgrenzschutzes<br />

auf Anforderung der Länder ausreichend sei. Der Antrag Bayerns auf<br />

Empfehlung der Ablehnung des Entwurfes wurde bei Stimmenthaltung von<br />

Berlin und Schleswig-Holstein abgelehnt. Insgesamt verabschiedete der Innenausschuss<br />

bei Stimmenthaltung von Bayern und Berlin die Entschließung, dass<br />

der Bundesrat den Gesetzentwurf für eine geeignete Grundlage halte, die innere<br />

Sicherheit zu gewährleisten und gemäß Art. 76 Abs. 2 GG keine Einwendungen<br />

zu erheben sein.<br />

1986<br />

1987<br />

1988<br />

Ebd.<br />

Protokoll 350. Sitzung, Innenausschuss, v. 06.10.1971, S. 14, in: PA-DBT 4000,<br />

VI/319.<br />

Ebd.


§ 10 Bundesgrenzschutzgesetz 1972 401<br />

Die ersten Beratungsabläufe in den Ausschüssen des Bundesrates zeigten insbesondere<br />

drei Schwachpunkte im Gesetzentwurf: Zum einen die Frage danach,<br />

wie die Wahrnehmung von Grenzschutzaufgaben durch Landesbehörden in<br />

einem neuen BGSG zu regeln sei, zum anderen ob die Wahrnehmung von<br />

Objektschutzaufgaben zu Gunsten von Verfassungsorganen durch einseitige<br />

Erklärung des Bundes erfolgen sollte, und ob der Einsatz des Bundesgrenzschutzes<br />

auf Anforderung der Länder nicht auf verfassungsrechtliche Grundlage<br />

gestellt werden müsse. Es zeigte sich ebenso, dass der Entwurf nicht nur von<br />

bayerischer Seite kritisiert wurde, sondern dass auch Hessen und Bremen Bedenken<br />

hegten. Auch das Saarland meldete, wie in den Abstimmungen deutlich<br />

wurde, gewisse Vorbehalte an, denn die neuen Aufgaben konnten im föderalen<br />

Sicherheitsgefüge durchaus als Einbruch in die Polizeihoheit der Länder angesehen<br />

werden. Als besonders problematisch konnte der mögliche Einsatz des<br />

Bundesgrenzschutzes im Landesinneren gewertet werden – abgesehen von der<br />

Frage nach der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit eines solchen Einsatzes.<br />

Bisher war es nicht vorstellbar, dass der Bundesgrenzschutz zu Aufgaben herangezogen<br />

wird, die normalerweise in die Zuständigkeit der Länder fallen. In der<br />

öffentlichen Meinung kursierten hierzu verschiedenste Vorstellungen. So wurde<br />

im Laufe des Jahres 1972 an den Innenminister des Landes Hessen Bielefeld die<br />

Frage gerichtet, ob der Bundesgrenzschutz zur „Befriedung von Demonstranten“<br />

mit „Schnellfeuerkanonen, leichten Panzerwagen und Handgranaten“ anrücke?<br />

1989 Dieses falsche Bild von einem Einsatz des Bundesgrenzschutzes zur<br />

Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit änderte sich mit der Zeit von<br />

selbst. Bielefeld erwiderte auf die provokant an ihn gerichtete Frage, dass der<br />

Bundesgrenzschutz nicht „im normalen Ordnungsdienst“ eingesetzt werden<br />

solle, er sich grundsätzlich gegen eine Bundespolizei ausgesprochen habe und<br />

keine Kompetenzverlagerung in Sachen Polizei auf den Bund vollzogen werden<br />

dürfe 1990 .<br />

Die abschließende Entscheidung darüber, ob der Bundesrat gemäß Art. 76 Abs.<br />

2 GG Einwände gegen die Vorlage der Bundesregierung erheben sollte, wurde<br />

in der Sitzung des Bundesrates am 22. Oktober 1971 getroffen. Das Land Bayern<br />

stellte hierzu erneut den Antrag, den Gesetzentwurf für ein neues BGSG<br />

abzulehnen. Die Begründung hierfür ist wortgleich mit derjenigen, die der<br />

bayerische Vertreter bereits im Innenausschuss des Bundesrates am 6. Oktober<br />

1989<br />

1990<br />

Der Spiegel 28/1972 v. 03.07.1972, S. 69.<br />

Ebd.


402 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

1971 abgegeben hatte 1991 . Der Antrag ergänzte die bereits getätigten Aussagen<br />

nur um die Feststellung, dass eine Enquete-Kommission sich grundsätzlich mit<br />

der Frage beschäftigen solle, auf welcher verfassungsrechtlichen Grundlage ein<br />

Einsatz des Bundesgrenzschutzes auf Anforderung der Länder erfolgen könne<br />

und welche Änderungen des Grundgesetzes hierfür gegebenenfalls notwendig<br />

seien.<br />

Der Hamburger Innensenator Heinz Ruhnau (SPD) 1992 äußerte sich als Berichterstatter<br />

in der Bundesratssitzung als erstes zum Gesetzentwurf der<br />

Bundesregierung. Er sprach sich dafür aus, dass das Gesetz möglichst schnell in<br />

Kraft treten könne, da die „Kräfteanspannung der Polizeien aller unserer Länder“<br />

immer größer werde und „jede außergewöhnliche Situation“ die Länder in<br />

große Schwierigkeiten bringen könne 1993 . Als konkretes Beispiel, in Bezug auf<br />

welches die Kräfte der Landespolizei nicht ausreichen würden, nannte Ruhnau<br />

die anstehende Großfahndung nach RAF-Mitgliedern in Hamburg. Auslöser für<br />

die besagte Großfahndung war der Tod des Polizeibeamten Norbert Schmid, der<br />

von Mitgliedern der RAF am Sitzungstag des Bundesrates erschossen worden<br />

war. Der zweifache Familienvater Schmid war das erste Mordopfer der RAF 1994 .<br />

Weiterhin sprach Ruhnau die von Bayern geltend gemachten Bedenken bezüglich<br />

des materiellen Polizeirechts und des Einsatzes auf Anforderung der Länder<br />

an. Er erklärte hierzu, dass die Mehrheit in den Ausschüssen diese nicht teile<br />

und eine Verfassungsänderung für nicht notwendig erachte 1995 .<br />

1991<br />

1992<br />

1993<br />

1994<br />

1995<br />

Vgl. S. 398; Antrag des Freistaats Bayern zur Ablehnung des Gesetzentwurfes v.<br />

20.10.1971 = BR-Drs. 491/2/71, in: PA-DBT 4000, VI/319.<br />

Heinz Ruhnau (*1929), Betriebswirt, seit 1949 Mitglied der SPD, 1961 bis 1974<br />

Mitglied der Hamburger Bürgerschaft, 1963 bis 1965 Hamburger Innensenator, 1974<br />

bis 1982 Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, vgl. Oldenburg, Die Hamburger<br />

SPD von 1950-1966, S. 740.<br />

BR-Prot. vom 22.10.1971, 372. Sitzung, S. 293B.<br />

Mehrere RAF-Mitglieder hatten sich in Hamburg in einer konspirativen Wohnung<br />

versammelt. Ulrike Meinhof verließ in diesem Zusammenhang mit zwei weiteren RAF-<br />

Mitgliedern, Margrit Schiller und Gerhard Müller, die Wohnung. Hierbei wurden sie<br />

von Schmid und seinem Kollegen gesehen. Auf der Flucht erschoss der Terrorist Müller<br />

den Beamten Schmid, vgl. Sontheimer, Kurze Geschichte der RAF, S. 53.<br />

BR-Prot. vom 22.10.1971, 372. Sitzung, S. 293D.


§ 10 Bundesgrenzschutzgesetz 1972 403<br />

Der bayerischer Innenminister Bruno Merk (CSU) 1996 stellte sich in seiner Rede<br />

vor dem Bundesrat vehement gegen den Gesetzentwurf. Der Entwurf stelle<br />

einen „Wendepunkt in der Politik der inneren Sicherheit“ dar, dessen Ziel es sei,<br />

den Bundesgrenzschutz zu einer „Bundespolizei auszubauen, deren Aufgabenbereich<br />

weit über die Sicherung der Bundesgrenzen“ hinausgehe 1997 . Das<br />

Grundgesetz kenne keine Bundespolizei und lasse sie auch nicht zu. Der Entwurf<br />

verletzte somit auch das Rechtsstaatsprinzip. Im Übrigen würde fast jede<br />

neue Aufgabe die „Tendenz zur Ausweitung“ in sich tragen und der Bundesgrenzschutz<br />

mit dem neuen Gesetz zum „Hans-Dampf-in-allen-Gassen“<br />

werden 1998 . Der Gesetzentwurf sei insgesamt nicht gelungen. Merk nannte<br />

abschließend ein nicht von der Hand zu weisendes Argument. Es könne nicht<br />

sein, dass „in der Verfassungswirklichkeit geschaffene Zustände“ ungeprüft in<br />

das System der Verfassung übernommen würden 1999 . Bereits der Rechtsausschuss<br />

hatte in einigen Punkten erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel<br />

geäußert, diese jedoch offensichtlich nicht als so weitreichend empfunden, dass<br />

er einen Antrag auf Streichung der entsprechenden Aufgaben im Gesetzentwurf<br />

hätte stellen müssen, da seit den 50er Jahren eine entsprechende Staatspraxis<br />

bestünde 2000 .<br />

Die Bedenken konnte der damalige Bundesinnenminister Genscher nicht teilen.<br />

Er erklärte, dass der Gesetzentwurf die „Priorität der inneren Sicherheit“ betone<br />

und es notwendig sei, dass den für innere Sicherheit zuständigen Stellen in der<br />

Bundesrepublik ein „jederzeit abrufbereites, abrufbares zusätzliches Sicherheitspotential“<br />

zur Verfügung stehe 2001 . Darüber hinaus habe der Verfassungsgeber<br />

gerade mit Verabschiedung der Notstandsgesetzgebung 1968<br />

deutlich gemacht, dass dem Bundesgrenzschutz andere Aufgaben über die reine<br />

Grenzsicherung hinaus zukommen könnten. Man könne auch nicht, wie es von<br />

Bayern vorgeschlagen wurde, abwarten, bis eine Enquete-Kommission zu einem<br />

Ergebnis käme, da dies nicht mit „den Notwendigkeiten der inneren Sicherheit<br />

1996<br />

1997<br />

1998<br />

1999<br />

2000<br />

2001<br />

Bruno Merk (1922-2013), Jurist, Mitglied der CSU, von 1958 bis 1977 Mitglied des<br />

Bayerischen Landtages, von 1966 bis 1977 Innenminister, 1985 bis 1990 Präsident des<br />

Bayerischen Roten Kreuzes, vgl. GDA, Nachlässe im BayHStA, S. 182.<br />

BR-Prot. vom 22.10.1971, 372. Sitzung, S. 294A.<br />

Ebd., S. 294C.<br />

Ebd.<br />

In Bezug auf den Schutz von Verfassungsorganen, vgl. S. 397.<br />

BR-Prot. vom 22.10.1971, 372. Sitzung, S. 295B.


404 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

der Bundesrepublik“ zu vereinbaren sei und im Übrigen hierdurch „eine Lücke<br />

entstehe, die durch keine andere Institution geschlossen werden“ könne 2002 .<br />

Der hessische Vertreter im Bundesrat, Justizminister Karl Hemfler 2003 , meldete<br />

ebenso wie sein bayerischer Kollege Merk verfassungsrechtliche Bedenken an.<br />

Mit bestechender Nüchternheit schilderte Hemfler die Situation, wie sie sich<br />

seiner Auffassung nach darstellte. Er erklärte, dass alle Anwesenden wüssten,<br />

woraus die „weitgehende Bereitschaft der Länder“ resultiere, die verfassungsrechtlichen<br />

Bedenken gegen die „bundespolizeiliche Funktionsausweitung des<br />

Bundesgrenzschutzes“ zurückzustellen – es sei die „drückende Last zunehmender<br />

Sicherungsaufgaben“, die kaum noch zu bewältigen sei 2004 . Überaus<br />

zutreffend legte Hemfler in Bezug auf den Bundesgrenzschutz weiter dar:<br />

„Seine Funktion hat sich gewandelt, und seine Kapazität hat die verfassungsrechtliche<br />

Aufgabe überholt.“ 2005<br />

Hemfler erinnerte anschließend daran, dass von Hessischer Seite bereits 1955/56<br />

der Vorschlag getätigt worden sei, den Bundesgrenzschutz aufzulösen 2006 und<br />

nun sollte dieser zu einer „eigenständigen Bundespolizei“ ausgebaut werden 2007 .<br />

Die hessische Landesregierung sei insgesamt der Auffassung, dass mit den<br />

Aufgabenerweiterungen, die nichts mit der sachlichen und räumlichen Aufgabe<br />

Grenzschutz zu tun hätten, die verfassungsrechtlichen Grenzen überschritten<br />

würden. Weitere Gegenstimmen waren im Bundesrat nicht mehr zu vernehmen.<br />

Der Antrag des Landes, den Gesetzentwurf abzulehnen, fand ebenso keine<br />

Mehrheit. Nach Abstimmung beschloss der Bundesrat, weiterhin keine Einwände<br />

gegen den Entwurf zu erheben 2008 .<br />

Auffällig an der Argumentationsstrategie, die bisher in der Begründung zum<br />

Entwurf und durch Genschers Aussagen im Bundesrat sichtbar wurde, ist die<br />

2002<br />

2003<br />

2004<br />

2005<br />

2006<br />

2007<br />

2008<br />

Ebd., S. 295D.<br />

Karl Hemfler (1915-1995), Jurist, seit 1951 Mitglied der SPD, Staatssekretär im Innensowie<br />

Justizministerium Hessen von 1967 bis 1969, 1970 bis 1974 Mitglied des Hessischen<br />

Landtages, von 1969 bis 1974 Hessischer Justizminister, vgl. Beier,<br />

Arbeiterbewegung in Hessen, S. 444.<br />

BR-Prot. vom 22.10.1971, 372. Sitzung, S. 296B.<br />

Ebd.<br />

Vgl. S. 268 ff.<br />

BR-Prot. vom 22.10.1971, 372. Sitzung, S. 296C.<br />

Ebd., S. 299A.


§ 10 Bundesgrenzschutzgesetz 1972 405<br />

Rezidivität auf die Herausstellung der Notwendigkeit und einer absoluten Priorität.<br />

Genscher bediente sich der gleichen Polemik wie einst Lehr 1951 bei der<br />

Inkraftsetzung des BGSG sowie Schröder 1956 bei der Überführung des Bundesgrenzschutzes<br />

in die Bundeswehr. Genscher erklärte, dass das neue Gesetz in<br />

Zusammenhang mit der „Priorität der inneren Sicherheit“ zu sehen sei und eine<br />

„zeitliche Verzögerung […] nicht vertretbar“ sei 2009 . Lehr hatte 1951 knapp<br />

dargelegt, dass es aufgrund der Situation an der Zonengrenze erforderlich sei,<br />

den Bundesgrenzschutz zu errichten 2010 . Schröder hatte 1956 argumentiert, dass<br />

aus bestimmten Erwägungen die Überführung in die Bundeswehr prioritär<br />

notwendig sei 2011 . Es ist deutlich erkennbar, dass auch 1971/72 vorrangig bestimmte<br />

Ereignisse, wie beispielsweise der aufkommende RAF-Terrorismus,<br />

katalysatorisch den Gesetzgebungsprozess um ein neues BGSG beeinflussten,<br />

wie dies bereits 1951 und 1956 (Situation an der Zonengrenze und Sicherheitsleck<br />

im Bereich der kasernierten Polizei 1951, Mängel beim Bundeswehraufbau<br />

1956) bei früheren Gesetzgebungsverfahren um den Bundesgrenzschutz der Fall<br />

war, und so es der Bundesregierung aufgrund der besonderen Begebenheiten<br />

möglich war, ihre Argumentationslinie durch Verwendung von Begriffen wie<br />

„Notwendigkeit“ und „Priorität“ nachvollziehbar zu untermauern. Gleichwohl<br />

überdeckte die Herausstellung einer absoluten Notwendigkeit des Handelns im<br />

Bereich der inneren Sicherheit in Bezug auf bestimmte Teile des Gesetzes den<br />

vertieften Blick auf die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit, was beispielsweise<br />

durch das Ergebnis des Rechtsausschusses hinsichtlich des § 5 (Schutz von<br />

Verfassungsorganen), trotz erheblicher rechtlicher Bedenken keinen Änderungsantrag<br />

zu stellen, sichtbar wurde.<br />

II. Erste Behandlung im Bundestag<br />

Die erste Beratung im Bundestag zum Gesetzentwurf fand am 19. Januar 1972<br />

statt. In dieser Sitzung wurde nur sehr kurz über den Entwurf, ohne besondere<br />

Erkenntnisse für die vorliegende Untersuchung, beraten. Erwähnenswert bezüglich<br />

der Verhandlungen in der sechsten Wahlperiode ist, dass<br />

fraktionsübergreifend alle Parteien, auch die CDU/CSU-Opposition, den Gesetzentwurf<br />

der Bundesregierung weitgehend unterstützten.<br />

2009<br />

2010<br />

2011<br />

Ebd., S. 296A.<br />

Vgl. S. 199.<br />

Vgl. S. 264, 274.


406 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

Bundesinnenminister Genscher eröffnete seine Rede mit der Feststellung, dass<br />

der Bundesgrenzschutz seit seiner Gründung zusätzliche Aufgaben übernommen<br />

und die Länder durch seinen Einsatz entlastet habe. Diese Einsätze hätten bewiesen,<br />

dass der Bundesgrenzschutz „ein jederzeit abrufbares und einsetzbares<br />

Sicherheitspotential“ darstelle 2012 . Der Gesetzentwurf sei die „Antwort eines<br />

föderalistischen Staatswesens, auf Fragen, die die innere Sicherheit […] mit<br />

zwingender Notwendigkeit“ stelle 2013 . Weiter erklärte Genscher, dass der Entwurf<br />

die Polizeihoheit der Länder unangetastet lasse.<br />

Der Abgeordnete August Hanz 2014 (CDU) begrüßte ebenso den Gesetzentwurf<br />

und wies darauf hin, dass damit auch der „Polizeicharakter“ des Bundesgrenzschutzes<br />

verdeutlich werde 2015 . Gleichwohl dürfe die Polizeihoheit der Länder<br />

nicht angetastet werden. Weiterhin erkenne Hanz an, dass der Entwurf zwar<br />

„ernste verfassungsrechtliche Fragen“ mit sich brächte, diese würden aber in den<br />

kommenden Ausschusssitzungen näher behandelt werden. Ebenso wie Genscher<br />

sah er in der Gesetzesvorlage einen nicht „unwesentlichen Schritt auf dem Wege<br />

zur Verbesserung der inneren Sicherheit“ 2016 .<br />

Der Abgeordnete Heinz Pensky 2017 (SPD) bezeichnete den bisherigen Zustand<br />

als unbefriedigend und stellte dar, dass die Anpassung an die im Rahmen der<br />

Notstandsverfassung übertragenen Aufgaben an den Bundesgrenzschutz richtig<br />

sei. Die Verdeutlichung des polizeilichen Charakters des Bundesgrenzschutzes<br />

durch das neue Gesetz sei „nicht zuletzt auch auf dem Hintergrund der Entspannungspolitik<br />

dieser Bundesregierung gegenüber den Ostblockstaaten […] eine<br />

politische Notwendigkeit“ 2018 . In Bezug auf die verfassungsrechtlichen Bedenken<br />

bei der Übernahme von Schutzaufgaben für Verfassungsorgane bemerkte<br />

Pensky, dass es dann eben notwendig sei „diesen Tatbestand zu legalisieren“,<br />

2012<br />

2013<br />

2014<br />

2015<br />

2016<br />

2017<br />

2018<br />

BR-Prot. vom 19.01.1972, 162. Sitzung, S. 9397A.<br />

Ebd., S. 9397B.<br />

August Hanz (1925-2008), Kaufmännischer Angestellter, seit 1950 Mitglied der CDU,<br />

von 1957 bis 1965 Mitglied des Landtages Rheinland-Pfalz, von 1965 bis 1972 und<br />

1976 bis 1987 Mitglied des Bundestages, vgl. Vierhaus/Herbst (Hrsg.), Biographisches<br />

Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949-2002, Bd. 1, S. 306.<br />

BR-Prot. vom 19.01.1972, 162. Sitzung, S. 9398D.<br />

Ebd., S. 9399A.<br />

Heinz Pensky (1921-2009), Gewerkschaftsfunktionär, seit 1953 Mitglied der SPD, von<br />

1969 bis 1983 Mitglied des Bundestages, vgl. Vierhaus/Herbst (Hrsg.), Biographisches<br />

Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949-2002, Bd. 2, S. 635.<br />

BR-Prot. vom 19.01.1972, 162. Sitzung, S. 9401A.


§ 10 Bundesgrenzschutzgesetz 1972 407<br />

wenn es sich als erforderlich erwiesen habe, dass der Bundesgrenzschutz den<br />

Schutz von Verfassungsorganen gewährleisten müsse 2019 . Die Unterstützung der<br />

Polizeien der Länder auf Anforderung sei, wie sich zuletzt beim Banküberfall in<br />

Köln 2020 gezeigt habe, notwendig. Die verfassungsrechtlichen Fragen in diesem<br />

Zusammenhang müssten in den Ausschusssitzungen vertieft werden. Jedoch sei<br />

alles das, was auch sicherheitspolitischen Erwägungen zufolge für notwendig<br />

gehalten werde „verfassungsrechtlich eindeutig, unzweifelhaft abgesichert“ 2021 .<br />

Pensky schloss seine Rede mit der Feststellung, dass es darauf ankäme, „ohne<br />

die Polizeihoheit der Länder einzuschränken, den Bundesgrenzschutz als Sonderpolizei<br />

des Bundes mit begrenzten polizeilichen Aufgaben in ein<br />

Gesamtsicherheitssystem mit dem Ziele einzubeziehen, ein Höchstmaß an<br />

innerer Sicherheit zu erreichen“ 2022 .<br />

Penskys Ausführungen bedürfen der Kritik. Zum einen nennt er, im Übrigen<br />

ebenso wie Genscher in seiner Rede 2023 , als einen Grund für die polizeiliche<br />

Verstärkung der Länder den Banküberfall in Köln 1971. Im Jahr 1971 wurden<br />

auf spektakuläre Weise mehrere Banküberfälle verübt, die zu einem polizeilichen<br />

Großeinsatz führten. So fanden am 4. August 1971 in München und am 22.<br />

Dezember 1971 in Duisburg Banküberfälle statt, bei denen insgesamt mehrere<br />

Tote zu verzeichnen waren 2024 . In beiden Fällen war eine Unterstützung durch<br />

den Bundesgrenzschutz nicht notwendig. In München wäre es zudem als höchst<br />

fraglich anzusehen gewesen, ob die bayerische Polizei sich einer Hilfe durch den<br />

Bundesgrenzschutz beispielsweise für Absperrmaßnahmen bedient hätte. Die<br />

Frage danach, ob eine Unterstützung der Länderpolizeien durch den Bundesgrenzschutz<br />

generell aufgrund der Zunahme bestimmter Kriminalitätserscheinungen<br />

unerlässlich wäre, richtete sich stark nach örtlichen<br />

Begebenheiten – in jedem Fall kann es als höchst zweifelhaft angesehen werden,<br />

die Argumentation zugunsten einer notwendigen Unterstützung an einem einzigen<br />

Banküberfall im Jahr 1971 festzumachen.<br />

2019<br />

2020<br />

2021<br />

2022<br />

2023<br />

2024<br />

Ebd., S. 9402A.<br />

Am 27.12.1971 hatten drei Bankräuber in Köln eine Bank überfallen und zwei Geiseln<br />

genommen. Zwei Tage lang wurden die Straftäter von der Polizei länderübergreifend<br />

verfolgt und konnten schließlich gestellt werden, vgl. Bauer, in: Sieverts/Schneider,<br />

Handwörterbuch der Kriminologie, Bd. 4, S. 89.<br />

BR-Prot. vom 19.01.1972, 162. Sitzung, S. 9402C.<br />

Ebd.<br />

Ebd., S. 9397A.<br />

Bauer, in: Sieverts/Schneider, Handwörterbuch der Kriminologie, S. 89.


408 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

Der Abgeordnete Lothar Krall 2025 (FDP) betonte, dass es aufgrund der Entwicklungen<br />

im Bereich des Terrorismus und der steigenden Kriminalität, die sogar<br />

dazu führe, dass die Polizeien der Länder überfordert seien, notwendig sei, die<br />

Sicherheitslage insgesamt zu verbessern. Eine gegenseitige Unterstützung der<br />

Polizeien der Länder und des Bundesgrenzschutzes sei daher „unumgänglich“<br />

2026 . Auch in Bezug auf die Kritik an Penzkys Argumentation unter<br />

Zuhilfenahme des Beispiels „Banküberfall“ kann Krall entgegengehalten werden,<br />

dass es in erster Linie die Aufgabe der Länder ist, die öffentliche Sicherheit<br />

zu gewährleisten. Wenn die Länder in einem originären Zuständigkeitsbereich<br />

überfordert sind, muss die Korrektur zunächst einmal auf Landesebene erfolgen.<br />

Im Übrigen kann die Aussage, dass die Länder mit der Sicherheitslage 1971<br />

überfordert waren, als fraglich angesehen werden. Als erwiesen gilt allenfalls<br />

eine punktuelle Überbelastung der Polizei in bestimmten Bereichen (gezielte<br />

Geiselbefreiung, Vorhalten von Spezialeinheiten) in Zusammenhang mit den<br />

Olympischen Spielen im Jahr 1972.<br />

Die Gesetzesvorlage wurde anschließend an den Innenausschuss federführend,<br />

dem Haushalts-, Rechts- und Finanzausschuss zur Mitberatung, überwiesen.<br />

III. Ausschüsse Bundestag<br />

Die maßgeblichen Beratungen zum Entwurf fanden im Innen- und Rechtsausschuss<br />

statt. Der Innenausschuss tagte erstmals am 27. Januar 1972.<br />

Bundesinnenminister Genscher wiederholte im Kern seine bereits im Bundesrat<br />

und Bundestag getätigten Aussagen und wies darauf hin, dass eine Neuregelung<br />

dringend erforderlich sei, da das alte Gesetz überholt sei und den Ländern<br />

zusätzliches Sicherheitspotential zur Verfügung gestellt werden sollte.<br />

Der bayerische Innenminister Merk erwiderte auf Genschers Konzeption direkt,<br />

dass die Länder „auch ohne Hilfe von außen abwehrbereit“ seien 2027 . Gleich-<br />

2025<br />

2026<br />

2027<br />

Lothar Krall (1924-2000), Jagdflieger, 1951 Eintritt in den Bundesgrenzschutz, 1956<br />

Übertritt zur Bundeswehr, seit 1960 Mitglied der FDP, von 1970 bis 1976 Mitglied des<br />

Bundestages, vgl. Vierhaus/Herbst (Hrsg.), Biographisches Handbuch der Mitglieder<br />

des Deutschen Bundestages 1949-2002, Bd. 1, S. 450.<br />

BR-Prot. vom 19.01.1972, 162. Sitzung, S. 9403B.<br />

Protokoll BT-Innenausschuss , v. 27.01.1972, 75. Sitzung, S. 21, in: PA-DBT 4000,<br />

VI/319.


§ 10 Bundesgrenzschutzgesetz 1972 409<br />

wohl erkannte er das Vorhaben an, den Ländern bei Spitzenbelastungen Sicherheitspotential<br />

zur Verfügung zu stellen, erklärte in diesem Zusammenhang aber,<br />

dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung weiter gehe, als er zur Verwirklichung<br />

dieses Ziels notwendig sei. Merk bezweifelte vor allem die neue<br />

polizeiliche Ausrichtung des Bundesgrenzschutzes und die neuen Kompetenzen,<br />

die „nicht ohne weiteres hingenommen werden können“ 2028 . Besonders die<br />

Aufgabe „Schutz von Verfassungsorganen“ habe nichts mit dem Grenzschutz<br />

aus Art. 73 Ziff. 5 GG a.F. zu tun, sondern sei eine rein polizeiliche Funktion.<br />

Insgesamt bejahe Bayern die Rolle des Bundesgrenzschutzes als Eingreifreserve,<br />

stehe jedoch den anderen Bestimmungen des Entwurfs, die neue<br />

Kompetenzen begründen, kritisch gegenüber.<br />

Der Vorsitzende des Innenausschusses, Friedrich Schäfer (SPD), bemerkte, dass<br />

möglicherweise die geltenden Bestimmungen des Grundgesetzes den Notwendigkeiten<br />

im Bereich der inneren Sicherheit nicht gerecht würden und eine<br />

Grundgesetzänderung ins Auge gefasst werden könne 2029 . Schäfer bezog sich<br />

hier auf Art. 35 GG, der bislang einen Einsatz des Bundesgrenzschutzes in den<br />

Ländern nur zur Katastrophen- oder Unglückshilfe erlaubte.<br />

Merk sah Schäfers Vorschlag wohlwollend entgegen und betonte wiederholt, es<br />

sei für ihn entscheidend, dass der Bund nur „die zur Verwirklichung des Sicherheitskonzepts<br />

unbedingt erforderlichen Befugnisse erhalte“ 2030 .<br />

Genscher führte daraufhin aus, er sei der Auffassung, dass der Entwurf im<br />

Einklang mit dem Grundgesetz stünde. Abschließend wurde Genscher gebeten,<br />

eine Stellungnahme zum Bundesgrenzschutz und den verfassungsrechtlichen<br />

Einwänden zu verfassen und diese den Ausschussmitgliedern zur Verfügung zu<br />

stellen.<br />

In einem vierunddreißig Seiten umfassenden Konzeptpapier verteidigte das<br />

Bundesinnenministerium das Gesetzesvorhaben und versuchte die bereits getätigten<br />

Einwände und verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Entwurf zu<br />

entkräften. Einleitend kann dem Konzept mit dem Titel „Bestandsaufnahme<br />

Innere Sicherheit“ die Entwicklungstendenz der Kriminalität entnommen wer-<br />

2028<br />

2029<br />

2030<br />

Ebd.<br />

Ebd., S. 26.<br />

Ebd.


410 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

den 2031 . Die Beschreibung der Situation ist inhaltlich weitgehend deckungsgleich<br />

mit derjenigen, die das Bundesinnenministerium bereits im „Sofortprogramm<br />

zur Modernisierung und Intensivierung der Verbrechensbekämpfung“ 2032 verwendete.<br />

Aufgrund der Sicherheitslage sei die Stellung des Bundesgrenzschutzes<br />

„deutlicher und bedeutsamer“ geworden 2033 . Der Bundesgrenzschutz<br />

müsse ein „ständig abrufbereites zusätzliches Sicherheitspotential<br />

zur Unterstützung der übrigen Sicherheitsorgane bei Spitzenbelastungen auf<br />

Anforderung der Länder“ sein 2034 . Die Stellungnahme äußerte sich auch in<br />

Bezug auf die verfassungsrechtlichen Bedenken. Es treffe nicht zu, dass mit dem<br />

neuen BGSG eine Bundespolizei errichtetet werden würde. Der Entwurf beschränke<br />

sich darauf, dem Bundesgrenzschutz einzelne polizeiliche Aufgaben<br />

zuzuweisen, für die der Bund ohnehin zuständig sei. Im Übrigen seien die<br />

polizeilichen Aufgaben des Bundes nicht auf diejenigen im Gesetzentwurf<br />

beschränkt, sondern vielmehr ergeben sich noch weitere polizeiliche Zuständigkeiten<br />

wie „Bahnpolizei, Luftaufsicht, Zuständigkeiten des BKA usw.“ 2035 . Auf<br />

den Vorhalt, dass es für den Schutz von Verfassungsorganen keine Bundeskompetenz<br />

gebe, wurde erwidert, dass der „Schutz höchster Bundesorgane […] aus<br />

der Natur der Sache heraus Aufgabe des Bundes“ sei 2036 .<br />

Ebenso war vorgesehen, den Kombattantenstatus aufrecht zu erhalten. Vereinzelt<br />

wurde im Innenausschuss kritisiert, dass es zur Begründung der<br />

Kombattanteneigenschaft nicht genüge, dass „dieser durch staatlichen Hoheitsakt<br />

verliehen werde“ 2037 . Seit dem BGSErgG 1965 bestanden über diese Frage<br />

verschiedene Auffassungen, ob die Verleihung des Kombattantenstatus durch<br />

innerstaatliches Gesetz völkerrechtswirksam erfolgt sei. Erst 1977, mit dem<br />

Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen, konnte die Stellung des Bundesgrenzschutzes<br />

als kriegsvölkerrechtlich endgültig geklärt bezeichnet werden 2038 .<br />

Jedoch hatte die Bundesregierung in dieser Angelegenheit eine unverrückbare<br />

2031<br />

2032<br />

2033<br />

2034<br />

2035<br />

2036<br />

2037<br />

2038<br />

Stellungnahme zum BGSG, Az. BGS I1-630 114/2, v. 12.05.1972, Ziff. II, in: PA-DBT<br />

4000, VI/319.<br />

Vgl. S. 380.<br />

Stellungnahme zum BGSG (Fn. 2031), S. 1.<br />

Ebd., Ziff. II, S. 2.<br />

Ebd., Ziff. III, S. 3.<br />

Ebd., Ziff. III, S. 8.<br />

So der Abgeordnete Heinz Pensky (SPD), vgl. Protokoll BT-Innenausschuss, v.<br />

27.01.1972, 75. Sitzung, S. 24, in: PA-DBT 4000, VI/319.<br />

Vgl. hierzu S. 289.


§ 10 Bundesgrenzschutzgesetz 1972 411<br />

Position eingenommen, die durch das Rechtsgutachten von Scheuner 2039 und<br />

letztlich auch durch einen Nichtannahmebeschluss des BVerfG 2040 bestätigt<br />

wurde. Von daher erscheint die Aussage des Bundesinnenministeriums zu dieser<br />

Frage nach dem Sachstand von 1972 nachvollziehbar, wenn dargelegt wird, dass<br />

der Gesetzentwurf „den Erfordernissen des Kriegsvölkerrechts“ genüge 2041 .<br />

Der Rechtsausschuss befasste sich mit der Gesetzesvorlage am 15. Juni 1972. In<br />

dieser Sitzung wurden einige maßgebliche Änderungen des ursprünglichen<br />

Entwurfes mit auf den Weg gebracht. Der Abgeordnete Claus Arndt 2042 (SPD)<br />

erklärte, dass nach Auffassung der SPD der Einsatz des Bundesgrenzschutzes<br />

zugunsten eines Landes auf dessen Anforderung einer „bundesverfassungsrechtlichen<br />

Ermächtigung“ bedürfe 2043 . Arndt beantragte daher die Anfügung eines<br />

Abs. 4 in Art. 35 GG mit folgendem Wortlaut:<br />

„Für Maßnahmen zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der<br />

öffentlichen Sicherheit oder Ordnung kann ein Land in Fällen besonderer<br />

Bedeutung Kräfte des Bundesgrenzschutzes zur Unterstützung<br />

seiner Polizei anfordern, wenn die Polizei ohne diese Unterstützung<br />

eine Aufgabe nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten erfüllen<br />

könnte.“ 2044<br />

Diese Formulierung ist wortgleich mit der bis heute geltenden Fassung, mit der<br />

Ausnahme, dass die Worte „für Maßnahmen“ gestrichen wurden und die Vorschrift<br />

an der systematisch geeigneteren Stelle, dem Art. 35 Abs. 2 GG,<br />

vorangestellt wurde. Der Abgeordnete Fritz Wittmann 2045 (CSU) begrüßte den<br />

2039<br />

2040<br />

2041<br />

2042<br />

2043<br />

2044<br />

2045<br />

Vgl. S. 313 ff.<br />

Vgl. S. 333 ff.<br />

Stellungnahme zum BGSG, Az. BGS I1- 630 114/2, v. 12.05.1972, Ziff. IV, S. 5, in:<br />

PA-DBT 4000, VI/319.<br />

Claus Arndt (1927-2014), Jurist, Dozent an der Universität Hamburg 1973/74, seit 1951<br />

Mitglied der SPD, Mitglied des Bundestages von 1968 bis 1972 und 1974 bis 1976, vgl.<br />

Vierhaus/Herbst (Hrsg.), Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages<br />

1949-2002, Bd. 1, S. 20.<br />

Protokoll BT-Rechtsausschuss, v. 15.06.1972, 89. Sitzung, S. 23, in: PA-DBT 4000,<br />

VI/319.<br />

Ebd.<br />

Fitz Wittmann (*1933), Jurist, von 1963 bis 1967 Referent im Bundesjustizministerium,<br />

seit 1952 Mitglied der CSU, von 1971 bis 1983 Mitglied des Bundestages, vgl. Vierhaus/Herbst<br />

(Hrsg.), Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen<br />

Bundestages 1949-2002, Bd. 2, S. 967.


412 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

Vorschlag der Verfassungsänderung, wies jedoch darauf hin, dass diese nur<br />

einen Teilbereich „legalisiere“ und einige weitere Bestimmungen des BGSG der<br />

Korrektur bedürften 2046 . So müsse § 1 Nr. 3 des Entwurfes, welcher es zulässt,<br />

dem Bundesgrenzschutz andere Aufgaben durch Rechtsvorschriften zu übertragen,<br />

gestrichen werden und stattdessen alle Kompetenzen, die zugedacht seien,<br />

abschließend aufgezählt werden. Was den Schutz von Verfassungsorganen<br />

angehe, sei ebenfalls eine entscheidende Änderung notwendig. In § 4 solle das<br />

Wort „Benehmen“ durch „Einvernehmen“ ersetzt werden. Damit sollte klargestellt<br />

werden, dass der Bund hier nur ein erweitertes Hausrecht wahrnehme, aber<br />

keine Polizeihoheit im umfassenden Sinn statuiere.<br />

Bundesinnenminister Genscher erklärte in Bezug auf die vorgeschlagene Verfassungsänderung,<br />

dass er diese für unschädlich halte, dieser nur „klarstellende<br />

Funktion“ beimesse und sie dann begrüßenswert sei, wenn „sie dem Gesetz eine<br />

Mehrheit zu sichern in Lage sei“ 2047 . Seiner Aussage zufolge billigte Genscher<br />

einer Änderung von Art. 35 GG nur deklaratorischen Charakter zu, während<br />

hingegen die SPD diese als konstitutive Voraussetzung für einen Einsatz des<br />

Bundesgrenzschutzes im Landesinneren sah. Der letzten Auffassung ist zu<br />

folgen. Ohne eine Änderung von Art. 35 GG hätte ein Einsatz des Bundesgrenzschutzes<br />

auf Anforderung eines Landes nur auf einfachgesetzliche Grundlage im<br />

BGSG gestellt werden können, was in Bezug auf die Polizeihoheit der Länder<br />

höchst fragwürdig erscheinen muss.<br />

Abschließend wurde vor der zweiten und dritten Lesung im Bundestag die<br />

Gesetzesvorlage im Innenausschuss ein zweites Mal beraten. In dieser Sitzung<br />

beantragte der Abgeordnete Hanz, in § 1 Abs. 1 des Entwurfs folgenden Halbsatz<br />

aufzunehmen:<br />

„[…] soweit nicht ein Land im Einvernehmen mit dem Bund Aufgaben<br />

des grenzpolizeilichen Einzeldienstes mit eigenen Kräften<br />

wahrnimmt.“ 2048<br />

2046<br />

2047<br />

2048<br />

Protokoll BT-Rechtsausschuss, v. 15.06.1972, 89. Sitzung, S. 24, in: PA-DBT 4000,<br />

VI/319.<br />

Ebd., S. 27.<br />

Protokoll BT-Innenausschuss, v. 15.06.1972, 89. Sitzung, S. 15, in: PA-DBT 4000,<br />

VI/319.


§ 10 Bundesgrenzschutzgesetz 1972 413<br />

Diese Ergänzung sollte dem Umstand Rechnung tragen, dass seit vielen Jahren<br />

bspw. die Länder Bayern, Bremen und Hamburg Aufgaben des grenzpolizeilichen<br />

Einzeldienstes mit eigenen Kräften wahrnahmen 2049 .<br />

Ebenso wie bereits im Rechtsausschuss vom Abgeordneten Wittmann vorgeschlagen,<br />

regte der Vorsitzende des Innenausschusses Schäfer an, dass alle zu<br />

übertragenden Aufgaben im Gesetz einzeln aufzuführen seien 2050 .<br />

Der bayerische Innenminister Merk und der rheinland-pfälzische Innenminister<br />

Schwarz wiesen „nachdrücklich auf die Zuständigkeit der Landespolizei für den<br />

Schutz von Bundesorganen“ hin 2051 . Dieser Einwand war der letzte Versuch der<br />

Föderalisten, eine Zuständigkeit des Bundesgrenzschutzes für den Schutz von<br />

Bundesorganen zu verhindern. Es konnte sich keine Mehrheit im Ausschuss<br />

finden, welche für eine Streichung der von § 4 des Gesetzentwurfes (Schutz von<br />

Verfassungsorganen) eingetreten wäre.<br />

Die wesentlichen Änderungen, die im Rahmen der Ausschussberatungen erarbeitet<br />

wurden, waren zusammenfassend die Folgenden:<br />

1. Erweiterung von § 1 Nr. 1 um die Textpassage, dass dem Bund der grenzpolizeiliche<br />

Schutz des Bundesgebietes obliege, soweit nicht ein Land im<br />

Einvernehmen mit dem Bund Aufgaben des grenzpolizeilichen Einzeldienstes<br />

mit eigenen Kräften wahrnimmt.<br />

2. Abschließende Aufzählung aller Aufgaben in § 1 Nr. 3, die dem Bundesgrenzschutz<br />

durch andere Gesetze zugewiesen werden 2052 .<br />

2049<br />

2050<br />

2051<br />

2052<br />

Schriftlicher Bericht des Innenausschusses, zu BT-Drs. VI/3569, S. 3.<br />

Protokoll BT-Innenausschuss, v. 15.06.1972, 89. Sitzung, S. 16, in: PA-DBT 4000,<br />

VI/319.<br />

Ebd., S. 18.<br />

Hierbei handelte es sich vorwiegend um Aufgaben die in Zusammenhang mit den<br />

Aufgaben auf See (bspw. Überwachung der Gewinnung von Bodenschätzen am Festlandsockel<br />

gem. § 4 Abs. 1 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechte am<br />

Festlandsockel v. 24.07.1964, BGBl. I 1964, S. 497) oder der Grenzkontrolle (bspw. der<br />

Ausstellung von Passersatzpapieren gem. § 4 der Verordnung zur Durchführung des<br />

Ausländergesetzes in der Fassung vom 12.03.1969, BGBl. I 1969, S. 209) standen.<br />

Durch diese enumerativ abschließende Aufzählung sollte erschwert werden, dass eine<br />

Neuzuweisung von Aufgaben ohne Änderung des BGSG möglich wäre, vgl. Schriftlicher<br />

Bericht des Innenausschusses, zu BT-Drs. VI/3569, S. 3.


414 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

3. Klarstellung, dass es sich bei dem Schutz von Verfassungsorganen nach<br />

§ 4 um eine Kannvorschrift handelt, die nur dann zum Tragen kommt,<br />

wenn Einvernehmen zwischen dem Bundesminister des Inneren und dem<br />

beteiligten Land besteht, dass die der Verfassungsorgane des Bundes angemessene<br />

Sicherung anderweitig nicht gewährleistet ist.<br />

4. Ergänzung des Art. 35 GG um die Möglichkeit, dass ein Land unter bestimmten<br />

Voraussetzungen zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung<br />

der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung Kräfte des Bundesgrenzschutzes<br />

anfordern kann.<br />

IV. Abschließende Behandlung im Bundestag<br />

Die zweite und dritte Beratung im Bundestag fand am 22. Juni 1972 statt. In<br />

dieser Sitzung wurde ebenso die mit der Neufassung des BGSG verbundene<br />

Änderung von Art. 35 GG beschlossen. Hierzu erklärte der Abgeordnete Arndt,<br />

dass nach Meinung der SPD eine Grundgesetzänderung notwendig sei, um den<br />

Bundesgrenzschutz auch außerhalb der Grenzzone einsetzen zu können. Das<br />

Grundgesetz spreche nämlich nur von Grenzschutz und „nicht von einer Bundespolizei<br />

oder auch nur von einer Bundespolizeireserve“ 2053 . Das Grundgesetz<br />

müsse von jedem auch ohne Kommentar gelesen und verstanden werden können.<br />

Von daher sei eine Ergänzung und Klarstellung in Art. 35 GG notwendig.<br />

Weitere nennenswerte Wortbeiträge waren nicht vorhanden. Bei nur einer<br />

Gegenstimme und fünf Enthaltung wurde die Änderung von Art. 35 GG beschlossen<br />

2054 .<br />

Zum BGSG äußerte sich zunächst der Abgeordnete Hanz (CDU). Er erklärte,<br />

dass dieses Gesetz ein wesentlicher „Beitrag zur Verbesserung der inneren<br />

Sicherheit“ sei 2055 . Weiterhin werde der Bundesgrenzschutz damit nicht zur<br />

Bundespolizei ausgebaut. Der Bundesgrenzschutz müsse als „zusätzliches<br />

Potential in besonderen Situationen“ angesehen werden 2056 . Auch Vertreter der<br />

SPD, u.a. der Abgeordnete Konrad, sahen in der Gesetzesvorlage einen Beitrag<br />

zur Erhöhung der inneren Sicherheit 2057 . Im Übrigen sprachen sich auch ein<br />

2053<br />

2054<br />

2055<br />

2056<br />

2057<br />

BT-Prot. vom 22.06.1972, 195. Sitzung, S. 11430A.<br />

Ebd., S. 11433C.<br />

Ebd., S. 11456A.<br />

Ebd., S. 11457D.<br />

Ebd., S. 11458B.


§ 10 Bundesgrenzschutzgesetz 1972 415<br />

Vertreter der FDP-Fraktion sowie der Bundesinnenminister für das neue Gesetz,<br />

bei gleicher Argumentation wie ihre Vorredner, aus. In der dritten Lesung<br />

erfolgten zum BGSG keine direkten Redebeiträge mehr. Es wurde einstimmig<br />

angenommen 2058 .<br />

V. Abschließende Behandlung im Bundesrat<br />

Der Unterausschuss des Rechtsausschusses des Bundesrates befasste sich am 26.<br />

Juni 1972 mit dem BGSG. Es wurde festgestellt, dass mit der vom Bundestag<br />

beschlossenen Neufassung des Art. 35 GG eine „klare verfassungsrechtliche<br />

Grundlage für die Anforderung und Verwendung“ des Bundesgrenzschutzes<br />

geschaffen worden war 2059 . Die verfassungsrechtlichen Bedenken einiger Länder<br />

seien mit der Grundgesetzänderung entfallen. Eine wesentliche Entschließung<br />

wurde in dieser Sitzung noch getroffen. Die Grenzschutzdienstpflicht und der<br />

Kombattantenstatus, beide sind in der gesamten Behandlung im Bundesrat wie<br />

Bundestag weitgehend unbehandelt geblieben, sollten nach Auffassung des<br />

Unterausschusses zum 31. Dezember 1974 außer Kraft treten. Begründet wurde<br />

dies damit, dass der Bundesgrenzschutz als bundespolizeiliche Einsatzreserve<br />

nicht zugleich im Ernstfall Teil der Streitkräfte sein könne. Eine solche „Funktionsvermischung“<br />

schade im Frieden dem Rechtsstaat und sei im Ernstfall von<br />

„fragwürdigem Wert“ 2060 . Aus gleichen Erwägungen müsse auch die Grenzschutzdienstpflicht<br />

entfallen. Die Grenzschutzdienstpflicht sei „wesentliches<br />

Merkmal einer militärischen oder militärähnlichen Streitmacht“ 2061 .<br />

Der Bundesrat beriet sich am 7. Juli 1972 abschließend zum BGSG. Wie auch<br />

im Bundestag sprach sich die Mehrheit für das neue BGSG aus. Nur der hessische<br />

Ministerpräsident Albert Osswald (SPD) kritisierte in seiner Rede massiv<br />

das Vorhaben der Bundesregierung. Zwar hätten auch die hessischen Vertreter<br />

für eine Grundgesetzänderung gestimmt, jedoch habe mit dieser Abstimmung<br />

„die bundesstaatliche Ordnung eine Niederlage“ erlitten 2062 . Die Neufassung des<br />

Art. 35 GG widerspreche dem „Selbstverständnis des Bundesstaates“, da sie<br />

unterstelle, die Länder wären nicht in der Lage, ihre „Normalaufgabe der poli-<br />

2058<br />

2059<br />

2060<br />

2061<br />

2062<br />

Ebd., S. 11468C.<br />

Protokoll BR UA-RA, v. 26.06.1972, S. 22, in: PA-DBT 4000, VI/319.<br />

Ebd., S. 27.<br />

Ebd., S. 28.<br />

BR-Prot. vom 07.07.1972, 383. Sitzung, S. 601A.


416 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

zeilichen Ordnungssicherung“ zu erfüllen 2063 . Ein solches „Misstrauensvotum<br />

der Verfassung gegen ihr eigenes föderalistisches Grundprinzip“ bringe den<br />

Bundesstaat „politisch in Misskredit“ 2064 . Das eigentliche Problem liege darin,<br />

dass die Länder nicht über hinreichend finanzielle Mittel verfügen würden. Der<br />

richtige Weg wäre gewesen, Ausstattung und Organisation bei der Polizei der<br />

Länder zu verbessen. Deswegen könne Hessen dem BGSG als Ganzes nicht<br />

zustimmen. In der Schlussabstimmung wurde gegen die Stimmen der Länder<br />

Hessen und Berlin (Stimmenthaltung) beschlossen, dem Gesetz gemäß Art. 84<br />

Abs. 1 GG zuzustimmen. Die Änderungsvorschläge des Unterausschusses<br />

bezüglich des Kombattantenstatus und der Grenzschutzdienstpflicht wurden<br />

ebenso verworfen. Das neue BGSG wurde am 18. August 1972 verkündet 2065 .<br />

F. Gewerkschaftliche Stellungnahmen<br />

Wie bereits beim BGSErgG 1965 engagierten sich die GdP und die ÖTV auch<br />

beim BGSG 1972 mit unterschiedlicher Zielrichtung. Die GdP, deren Mitglieder<br />

ausschließlich bei den Polizeien der Länder zu finden waren, vertrat einen<br />

energischen Standpunkt gegen das neue BGSG als Ganzes. Die ÖTV hingegen,<br />

die auch Mitglieder aus dem Bundesgrenzschutz bei sich organisierte, begrüßte<br />

das neue Gesetz mit Ausnahme des Kombattantenstatus.<br />

Die ÖTV hatte sich vorangehend 1965 erfolglos gegen die Verleihung des<br />

Kombattantenstatus an den Bundesgrenzschutz gewandt. Sie nahm das neue<br />

Gesetz zum Anlass, um ihr altes Anliegen wieder aufzunehmen. In einem persönlichen<br />

Schreiben an Bundesinnenminister Genscher erklärte der ÖTV-<br />

Vorstand, dass die im Gesetz enthaltenen Vorschriften über den Kombattantenstatus<br />

„ersatzlos gestrichen“ werden sollen 2066 . Eine nähere Begründung enthält<br />

das Schreiben nicht, sondern nur den Hinweis, dass die Problematik zur Genüge<br />

diskutiert worden sei und keiner erneuten Kommentierung bedürfe. Ebenso wird<br />

die Grenzschutzdienstpflicht abgelehnt und die Streichung aus dem Gesetz<br />

2063<br />

2064<br />

2065<br />

2066<br />

Ebd.<br />

Ebd., S. 601B.<br />

BGBl. I 1972, S. 1834; die Masse der Bestimmungen des neuen BGSG traten erst am<br />

01.03.1973 in Kraft, vgl. § 74 Abs. 2 BGSG. Nach § 74 Abs. 1 BGSG traten allerdings<br />

einige Vorschriften, wie der Schutz von Verfassungsorganen gem. § 4 BGSG, bereits<br />

am Tag nach der Verkündung in Kraft.<br />

Schreiben ÖTV an Genscher, v. 10.05.1971, S. 1, in: PA-DBT 4000, VI/319.


§ 10 Bundesgrenzschutzgesetz 1972 417<br />

beantragt. Die ÖTV sah den Gesetzentwurf darüber hinaus als Versuch an, den<br />

Bundesgrenzschutz „als Bundespolizei aufzuwerten“ 2067 . Die ÖTV stand aber<br />

dieser Entwicklung gesamt nicht negativ gegenüber, sondern begrüßte sie. Dies<br />

lag an der Grundausrichtung der ÖTV, eine Fortentwicklung des Bundesgrenzschutzes<br />

zu unterstützen.<br />

Die GdP verfolgte ein der ÖTV entgegengesetztes Interesse. Die GdP stand für<br />

eine absolute Beibehaltung des Status quo und stellte sich gegen jeden Aufgabenzuwachs<br />

des Bundesgrenzschutzes, der auch nur geeignet war, die<br />

Polizeihoheit der Länder zu beeinträchtigen. Die GdP ließ eine wissenschaftliche<br />

Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung erstellen, welche<br />

sie jedem Abgeordneten des Bundestages zukommen ließ. In der Stellungnahme<br />

wurde versucht zu beweisen, dass der Gesetzentwurf das Ziel verfolge, eine<br />

Bundespolizei aufzubauen und dass ein solches Vorhaben verfassungswidrig sei.<br />

Einleitend wird erklärt, dass das Grundgesetz keine Bundespolizei kenne und<br />

eine solche auch nicht zulasse. Eine tatsächliche Aufgabenerweiterung, wie von<br />

der Bundesregierung dargestellt, habe nie stattgefunden, denn die Notstandsverfassung<br />

habe nur Aufgaben für den Verteidigungs- und Notstandsfall an den<br />

Bundesgrenzschutz übertragen. Es liege auf der Hand, dass die Länder ihre<br />

verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Entwurf nur deswegen zurückstellten,<br />

weil zunehmende Aufgaben und Kosten im Bereich der inneren Sicherheit<br />

die Länder belasteten. Damit lasse sich aber die „vorgesehene Funktionsausweitung“<br />

des Bundesgrenzschutzes nicht rechtfertigen 2068 . In einem demokratischen<br />

Rechtsstaat könnten „verfassungsrechtliche und politische Probleme von der<br />

hier gegebenen Größenordnung nicht unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit<br />

entschieden werden“ 2069 .<br />

Die GdP sah den Bundesgrenzschutz in einer äußert begrenzten Funktion. So<br />

diene der Bundesgrenzschutz, ebenso wie die Bundeswehr, der „politischen<br />

Selbsterhaltung des Staates“ – er sei „insoweit Machtinstrument“ 2070 . Die Polizei<br />

hingegen sei Rechtschutzinstrument. Der Bundesgrenzschutz könne nicht als<br />

Polizei verstanden werden. Die Wahrnehmung von Schutzaufgaben für Verfas-<br />

2067<br />

2068<br />

2069<br />

2070<br />

Ebd., Anlage, S. 1.<br />

„Stellungnahme der Gewerkschaft der Polizei zum Entwurf eines Gesetzes über den<br />

Bundesgrenzschutz, Bundesratsdrucksache Nr. 491/71“, S. 4, in: PA-DBT 4000,<br />

VI/319.<br />

Ebd., S. 5.<br />

Ebd., S. 11.


418 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

sungsorgane sei im Grundgesetz nicht vorgesehen. Insgesamt vermisste die GdP<br />

die „Einhaltung des durch das Grundgesetz abgesteckten verfassungsrechtlichen<br />

Rahmens“ 2071 . Bei der Erstellung des Gesetzentwurfs sei „in erschreckender<br />

Weise das Grundgesetz missachtet“ worden 2072 .<br />

Die Ausführungen der GdP sind durchgängig nicht als Überraschung anzusehen.<br />

Zur damaligen Zeit, als die GdP ausschließlich eine Gewerkschaft für Polizeibeamte<br />

der Länder war, war es nachvollziehbar, dass sie eine Position einnehmen<br />

musste, die jeder Ausweitung des Bundesgrenzschutzes auf Kosten der Länderpolizeien<br />

kritisch gegenüberstand. Die Kritik der GdP verhallte weitestgehend<br />

ungehört, obwohl sich das Bundesinnenministerium mit einzelnen Vorhalten<br />

beschäftigte. In dem bereits erwähnten Schreiben, das der Vorsitzenden des<br />

Innenausschuss Schäfer vom Bundesinnenministerium angeforderte, wurde<br />

teilweise auf die GdP-Vorhalte eingegangen. So sei der Bundesgrenzschutz kein<br />

Machtinstrument, wie die GdP dies behaupte, sondern ebenso wie die Polizei ein<br />

Rechtsschutzinstrument mit ausnahmslos polizeilichen Aufgaben 2073 .<br />

G. Synoptische Darstellung<br />

Die These, dass das BGSG 1972 den Bundesgrenzschutz zur Polizei des Bundes<br />

transferiert hat, lässt sich am besten mit einer vergleichenden Darstellung des<br />

Polizeirechts beweisen. Hierbei werden nachfolgend das BGSG 1951 mit dem<br />

BGSG 1972 sowie dem Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des<br />

Bundes und der Länder 1976 verglichen. Die Ständige Konferenz der Innenminister-<br />

und Innensenatoren des Bundes und der Länder forderte 1972 im<br />

Rahmen des „Programm für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland“<br />

die Ausarbeitung eines Musterentwurfs für ein einheitliches Polizeirecht<br />

in Bund und Ländern 2074 . Nach einem Vorentwurf und Abänderungen verabschiedete<br />

die Innenministerkonferenz 1977 den Musterentwurf eines ein-<br />

2071<br />

2072<br />

2073<br />

2074<br />

Ebd., S. 27.<br />

Ebd.<br />

Stellungnahme zum BGSG, Az. BGS I1-630 114/2, v. 12.05.1972, Ziff. III, S. 3, in:<br />

PA-DBT 4000, VI/319.<br />

Programm für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, in: GMBl. 1974,<br />

S. 155.


§ 10 Bundesgrenzschutzgesetz 1972 419<br />

heitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder (MEPolG) 2075 . Ziel des<br />

MEPolG war die „Vereinheitlichung des materiellen Polizeirechts unter Beschränkung<br />

auf reines Gefahrenabwehrrecht“ 2076 . Ein zentrales Anliegen des<br />

MEPolG war weiterhin die Regelung von polizeilichen Standardbefugnissen 2077 .<br />

Bayern regelte als erstes Bundesland sein Polizeirecht auf Grundlage des Musterentwurfs<br />

in der Fassung von 1977 neu 2078 . Auch die übrigen westdeutschen<br />

Bundesländer überarbeiteten ihre Polizeigesetze und passten diese individuell an<br />

den Musterentwurf an 2079 . Das BGSG nannte in seiner ursprünglichen Form bis<br />

1972 weder polizeiliche Eingriffsnormen noch eine Generalermächtigung, den<br />

Verhältnismäßigkeitsgrundsatz oder Entschädigungsnormen. Es trug nicht die<br />

Handschrift eines Polizeigesetzes. Es wird sich nachfolgend zeigen, dass mit der<br />

Neufassung des BGSG 1972 der Bundesgrenzschutz ein fortschrittliches Polizeigesetz<br />

erhielt, dass ihn als moderne Polizei auswies.<br />

Gemäß § 1 MEPolG hat die Polizei die Aufgabe, Gefahren für die öffentliche<br />

Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Die Polizei erhält in § 1 MEPolG die<br />

allgemeine Aufgabenzuweisung, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und<br />

Ordnung abzuwehren. Dem Bund kommt im Bereich der allgemeinen Abwehr<br />

von Gefahren keine Gesetzgebungskompetenz zu. Der sonderpolizeiliche Aufgabenbereich<br />

des Grenzschutzes und die weiteren Aufgabenbereiche, die dem<br />

Bundesgrenzschutz im BGSG 1972 zukommen, sind jedoch gemäß § 7 BGSG<br />

1972 ebenso an den Begriff der Gefahrenabwehr aus § 1 MEPolG geknüpft.<br />

2075<br />

2076<br />

2077<br />

2078<br />

2079<br />

MEPolG Fassung 1977, abgedruckt bei: Heise/Riegel, MEPolG, 2. Aufl.; Schenke,<br />

Polizei- und Ordnungsrecht, 8. Aufl., Anhang, S. 395 ff.<br />

Riegel, DVBl. 1979, 709.<br />

Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 13. Aufl., § 4 Rn. 59.<br />

Polizeiaufgabengesetz Bayern, v. 24.8.1978 (GVBl. BY 1978, S. 561).<br />

Eine Übersicht der Verwirklichung des Musterentwurfs in den Ländern bei: Rasch,<br />

DVBl. 1982, 126 ff.


420 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

§ 1 MEPolG i.d.F. 1977 2080<br />

§ 7 BGSG 1972<br />

(1) Die Polizei hat die Aufgabe, Gefahren<br />

für die öffentliche Sicherheit abzuwehren.<br />

Sie hat im Rahmen dieser Aufgabe auch<br />

für die Verfolgung von Straftaten vorzusorgen<br />

und Straftaten zu verhüten (vorbeugende<br />

Bekämpfung von Straftaten) sowie<br />

Vorbereitungen zu treffen, künftige Gefahren<br />

abwehren zu können (Vorbereitung auf<br />

die Gefahrenabwehr).<br />

[…]<br />

Störungen und Gefahren im<br />

Sinne dieses Gesetzes sind Störungen<br />

und Gefahren für die<br />

öffentliche Sicherheit oder Ordnung<br />

im Bereich der Aufgaben,<br />

die dem Bundesgrenzschutz nach<br />

den §§ 1 bis 6 obliegen.<br />

§ 1 MEPolG enthält auch den Begriff der Gefahrenvorsorge 2081 . Es heißt jedoch,<br />

dass die Gefahrenvorsorge und die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten „im<br />

Rahmen dieser Aufgabe“, also nach der allgemeinen Gefahrenabwehr zu treffen<br />

ist. Das BGSG 1972 verzichtet zwar auf eine explizite Nennung dieser Ausprägungen<br />

der Gefahrenabwehr, jedoch geht aus dem Gesetzentwurf hervor, dass<br />

auch dem Bundesgrenzschutz zumindest im Rahmen der Aufgabe des polizeilichen<br />

Grenzschutzes die Gefahrenvorsorge zukommt. Es ist davon die Rede, dass<br />

auch die „vorbeugende Beobachtung“ der Grenze durchzuführen ist, um bei<br />

Störungen eingreifen zu können 2082 .<br />

Die Hauptaufgabe des Bundesgrenzschutzes nach § 2 BGSG wurde 1972 ebenso<br />

angepasst. Die neue Formulierung von § 2 stellt die grenzpolizeiliche Aufgabe<br />

der Gefahrenabwehr heraus. Dies findet seinen Ausdruck vor allem in der<br />

Formulierung „polizeiliche Überwachung“ in § 2 Nr. 1.<br />

2080<br />

2081<br />

2082<br />

MEPolG (Fn. 2075).<br />

Siehe hierzu S. 18 ff.<br />

BR-Drs. 491/71, S. 22.


§ 10 Bundesgrenzschutzgesetz 1972 421<br />

§ 2 BGSG 1951<br />

§ 2 BGSG 1972<br />

Die Bundesgrenzschutzbehörden<br />

sichern das Bundesgebiet gegen<br />

verbotene Grenzübertritte, insbesondere<br />

durch die Ausübung der<br />

Paßnachschau. Sie sichern das Bundesgebiet<br />

ferner gegen sonstige, die<br />

Sicherheit der Grenzen gefährdende<br />

Störungen der öffentlichen Ordnung<br />

im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von<br />

30 Kilometern; das Recht der Nacheile<br />

bleibt unberührt. Soweit die Polizeiaufgaben<br />

der Länder hierdurch berührt<br />

werden, handeln die Bundesgrenzschutzbehörden<br />

im Benehmen mit den<br />

Polizeibehörden des beteiligten Landes.<br />

Der Grenzschutz (§ 1 Nr. 1) umfaßt:<br />

1. die polizeiliche Überwachung<br />

der Grenzen,<br />

2. die polizeiliche Kontrolle des<br />

grenzüberschreitenden Verkehrs<br />

einschließlich<br />

a) der Überprüfung der<br />

Grenzübertrittspapiere<br />

b) der Grenzfahndung<br />

c) der Beseitigung von Störungen<br />

und der Abwehr von<br />

Gefahren, die ihren Ursprung<br />

außerhalb des<br />

Bundesgebietes haben,<br />

3. im Grenzgebiet bis zu einer<br />

Tiefe von 30 Kilometern die<br />

Beseitigung von Störungen<br />

und die Abwehr von Gefahren.<br />

Weiterhin unterscheidet der MEPolG als zeitgemäßer Entwurf eines Polizeigesetzes<br />

zwischen Aufgaben und Befugnissen. Aufgabe meint den<br />

Tätigkeitsbereich, den der Gesetzgeber der Polizei zugewiesen hat. Unter Befugnissen<br />

sind die Rechtsgrundlagen zu verstehen, die nach Art. 20 Abs. 3 GG<br />

für einen Rechtseingriff durch die Polizei notwendig sind. Das BGSG 1972<br />

nimmt diese Trennung ebenso vor. Es enthält jedoch nicht nur die Aufgabe des<br />

polizeilichen Grenzschutzes gemäß § 2, sondern gemäß § 3 die Aufgaben im<br />

Notstands- und Verteidigungsfall nach Art. 91 Abs. 2 GG und Art. 115f Abs. 1<br />

Nr. 1 GG, gemäß § 4 den Schutz von Bundesorganen, gemäß § 5 die Sicherung<br />

eigener Einrichtungen und gemäß § 6 Aufgaben auf hoher See.<br />

Das BGSG 1951 enthielt keine polizeilichen Standardbefugnisse. Diese waren in<br />

der Dienstanweisung des BMI über Aufgaben und Befugnisse des Bundesgrenzschutzes<br />

geregelt 2083 . Laut dieser Dienstanweisung würden sich aus der<br />

2083<br />

Dienstanweisung des BMI über Aufgaben und Befugnisse des Bundesgrenzschutzes v.<br />

05.06.1953, GMBl. 1953, S. 194.


422 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

„sonderpolizeilichen Generalvollmacht“ des § 2 BGSG 1951 die polizeilichen<br />

Einzelbefugnisse ergeben 2084 . So wäre die polizeiliche Verwahrung einer Person<br />

unter bestimmten Voraussetzungen, also eine Freiheitsentziehung, ebenso<br />

zulässig wie die Identitätsfeststellung und Durchsuchung. Es ist verfassungsrechtlich<br />

bedenklich, die erhebliche polizeiliche Eingriffsmaßnahme der<br />

Freiheitsentziehung auf eine Dienstanweisung zu stützen. Art. 104 Abs. 1 GG<br />

sieht vor, dass die Freiheit der Person nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes<br />

und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden<br />

darf. Nur Gesetze, die im Rahmen des verfassungsrechtlich vorgesehenen Gesetzgebungsverfahrens<br />

durch das Parlament zustande gekommen sind, gelten im<br />

Sinne des Grundgesetzes als förmliche Gesetze 2085 . Eine Dienstanweisung fällt<br />

nicht unter diesen Begriff. Es darf diesbezüglich nicht unerwähnt bleiben, dass<br />

der Schluss von einer Aufgabe auf eine polizeiliche Befugnis unzulässig ist. Ist<br />

der Polizei eine bestimmte Aufgabe zugewiesen, bedeutet dies nicht, dass sie<br />

einschreiten darf. Im Sinne von Art. 20 Abs. 3 GG muss eine Eingriffsbefugnis<br />

vorliegen. Umgekehrt jedoch ist der Schluss von einer Befugnis auf eine Aufgabe<br />

zulässig 2086 . Aus diesen Gründen war die Regelung von polizeilichen<br />

Standardbefugnissen für den Bundesgrenzschutz in einem förmlichen Gesetz<br />

dringend notwendig. Dies erfolgte 1972 mit dem BGSG. Hierbei zeigt sich, dass<br />

die polizeilichen Befugnisse im BGSG 1972 denen des MEPolG gleichen. Das<br />

BGSG 1972 verzichtet, ebenso wie der MEPolG, nicht auf eine polizeiliche<br />

Generalklausel oder Generalermächtigung 2087 .<br />

§ 8 MEPolG i.d.F. 1977<br />

§ 10 BGSG 1972<br />

(1) Die Polizei kann die notwendigen<br />

Maßnahmen treffen, um eine im<br />

einzelnen Falle bestehende Gefahr für<br />

die öffentliche Sicherheit oder Ordnung<br />

(Gefahr) abzuwehren, soweit<br />

nicht die §§ 9 bis 24 die Befugnisse<br />

der Polizei besonders regeln.<br />

(1) Der Bundesgrenzschutz kann zur<br />

Erfüllung seiner Aufgaben nach den<br />

§§ 1 bis 6 die nach pflichtgemäßem<br />

Ermessen notwendigen Maßnahmen<br />

treffen. Insbesondere hat er die sich<br />

aus diesem Abschnitt ergebenden<br />

Befugnisse.<br />

2084<br />

2085<br />

2086<br />

2087<br />

Ebd., Ziff. V.<br />

Ossenbühl, HStR V 3, § 100 Rn. 9.<br />

Berner/Köhler/Käß, Polizeiaufgabengesetz, 20. Aufl., Art. 2 Rn. 66.<br />

Zur Generalklausel im MEPolG, Riegel, BayVBl. 1977, 682 (683).


§ 10 Bundesgrenzschutzgesetz 1972 423<br />

(2) Zur Erfüllung der Aufgaben, die<br />

der Polizei durch andere Rechtsvorschriften<br />

zugewiesen sind (§ 1 Absatz<br />

4), hat sie die dort gesehenen Befugnisse.<br />

Soweit solche Rechtsvorschriften<br />

Befugnisse der Polizei<br />

nicht regeln, hat sie die Befugnisse,<br />

die ihr nach diesem Gesetz zustehen.<br />

(2) Zur Erfüllung der Aufgaben, die<br />

sich aus anderen Rechtsvorschriften<br />

des Bundes ergeben, hat der Bundesgrenzschutz<br />

die Befugnisse nach<br />

diesem Gesetz, soweit die anderen<br />

Rechtsvorschriften nicht inhaltsgleiche<br />

oder entgegenstehende Bestimmungen<br />

enthalten.<br />

(3) In den Fällen des § 9 richten sich<br />

die Befugnisse des Bundesgrenzschutzes<br />

nach dem Recht des Landes,<br />

in dem er verwendet wird.<br />

§ 10 Abs. 1 S. 2 BGSG 1972 schreibt ebenso wie § 8 Abs. 1 HS 2 MEPolG vor,<br />

dass die Generalklausel nur subsidiär anzuwenden ist. Vorrangig sind die im<br />

Gesetz genannten Standardbefugnisse zu prüfen. Insofern keine Maßnahme zur<br />

Gefahrenabwehr geeignet ist, kann, gestützt auf die Generalklausel, ein Eingriff<br />

vorgenommen werden. Das BGSG 1972 nennt an polizeilichen Spezialbefugnissen<br />

gemäß § 17 das Anhalterecht (Identitätsfeststellung), gemäß § 18 die<br />

Vorladung, gemäß § 19 die erkennungsdienstliche Maßnahmen, gemäß § 20 den<br />

Gewahrsam, gemäß §§ 23, 24 die Durchsuchung von Personen und Sachen,<br />

gemäß § 25 die Durchsuchung von Wohnungen einschließlich der entsprechenden<br />

Verfahrensvorschriften in § 26, gemäß § 27 die Sicherstellung, gemäß § 28<br />

die Beschlagnahme einschließlich der Verfahrensvorschriften in den §§ 29 bis<br />

32 und abschließend gemäß § 33 die besonderen Befugnisse zur Durchführung<br />

des Grenzschutzes, wie etwa das Betreten von Grundstücken. Diese Befugnisse<br />

sind analog den Befugnissen im zweiten Abschnitt des MEPolG.<br />

Gemäß § 10 Abs. 3 BGSG 1972 richten sich die Befugnisse des Bundesgrenzschutzes<br />

nach dem Recht des Landes, in welchem dieser verwendet wird. Nach<br />

§ 9 BGSG 1972 kann der Bundesgrenzschutz auf Anforderung der zuständigen<br />

Landesbehörde gemäß Art. 35 Abs. 2 S. 1 GG zur Aufrechterhaltung oder<br />

Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung in Fällen besonderer<br />

Bedeutung verwendet werden. Dies gilt ebenso bei Naturkatastrophen oder<br />

schweren Unglücksfällen. Es wurde bereits oben ausführlich dargestellt, dass<br />

diese Norm dazu diente, den Bundesgrenzschutz den Ländern als abrufbares


424 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

Sicherheitspotential zur Verfügung zu stellen. Die Kräfte des Bundesgrenzschutzes<br />

konnten nach Art. 35 GG i.V.m. § 10 BGSG 1972 in Form der<br />

Organleihe an die Landespolizei entliehen werden. Dies stellte ein absolutes<br />

Novum in der bisherigen Verwendungsstruktur des Bundesgrenzschutzes dar.<br />

Zwar war daran gedacht worden, den Bundesgrenzschutz im Rahmen von Art.<br />

91 GG bei einer Gefahr für den Bestand des Bundes oder eines Landes einzusetzen<br />

2088 , jedoch ist die Reichweite von § 10 BGSG 1972 eine viel größere. Ein<br />

Einsatz des Bundesgrenzschutzes bei „Staatsbesuchen und Großveranstaltungen“<br />

2089 , also polizeilichen Anlässen ohne Bezug zu einer Gefahr im Sinne von<br />

Art. 91 GG, ist seither möglich.<br />

Zu einem weiteren „tragenden Element“ des rechtsstaatlichen Polizeirechts<br />

gehört der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 2090 . Der aus dem Rechtsstaatsprinzip<br />

abgeleitete Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hat Verfassungsrang. Besonders<br />

in der Eingriffsverwaltung stellt dieser ein „Regulativ“ dar 2091 . Der Grundsatz<br />

der Verhältnismäßigkeit gibt vor, dass das gewählte Mittel und der beabsichtigte<br />

Erfolg nicht in einem Missverhältnis zueinander stehen. Die Formulierung in §<br />

10 BGSG 1972 ist inhaltsgleich mit der Formulierung aus dem MEPolG.<br />

§ 2 MEPolG i.d.F. 1977<br />

§ 11 BGSG 1972<br />

(1) Von mehreren möglichen und<br />

geeigneten Maßnahmen hat die Polizei<br />

diejenige zu treffen, die den einzelnen<br />

und die Allgemeinheit voraussichtlich<br />

am wenigsten beeinträchtigt.<br />

(2) Eine Maßnahme darf nicht zu<br />

einem Nachteil führen, der zu dem<br />

erstrebten Erfolg erkennbar außer<br />

Verhältnis steht.<br />

(1) Von mehreren möglichen und<br />

geeigneten Maßnahmen sind diejenigen<br />

zu wählen, die den einzelnen und<br />

die Allgemeinheit voraussichtlich am<br />

wenigsten beeinträchtigen.<br />

(2) Eine Maßnahme darf keinen<br />

Nachteil herbeiführen, der erkennbar<br />

außer Verhältnis zu dem beabsichtigten<br />

Erfolg steht.<br />

2088<br />

2089<br />

2090<br />

2091<br />

Die Bundesregierung vertrat den Standpunkt den Bundesgrenzschutz auch bei<br />

Nichtnennung in Art. 91 GG im Landesinneren bei Unruhen einsetzen zu können, vgl.<br />

Fn. 1050.<br />

BR-Drs. 491/71, S. 25.<br />

Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 13. Aufl., § 4 Rn. 61.<br />

Schmidbauer, in: Schmidbauer/Steiner/Roese, Kommentar PAG BY, Art. 4 Rn. 5.


§ 10 Bundesgrenzschutzgesetz 1972 425<br />

Das BGSG 1972 enthält weiterhin in den §§ 34 ff. umfangreiche, zum Ausgleich<br />

verpflichtende Tatbestände, also polizeispezifische Entschädigungsnormen, die<br />

hier nicht näher Betrachtung finden. Es sei nur erwähnt, dass diese ebenso mit<br />

als Fundament eines rechtstaatlichen Polizeirechts gelten 2092 .<br />

In Bezug auf den Kombattantenstatus hat mit dem BGSG 1972 eine entscheidende<br />

Einschränkung stattgefunden. Die Formulierung in § 2b BGSErgG konnte<br />

dahingehend ausgelegt werden, dass dem Bundesgrenzschutz ein umfassender<br />

militärischer Kampfauftrag zukam, auch wenn von politischer Seite anders<br />

lautende Erklärungen abgegeben wurden 2093 . Mit dem § 64 BGSG 1972 wollte<br />

der Gesetzgeber zum Ausdruck bringen, dass der Auftrag aus § 2b BGSErgG<br />

„innerstaatlich nur eine begrenzte Verwendung des Bundesgrenzschutzes gegen<br />

einen kombattanten Gegner ermöglichen soll“ 2094 . § 64 BGSG 1972 diene nur<br />

dazu, den Bundesgrenzschutz in die Lage zu versetzen, „der Sache nach polizeiliche<br />

Aufgaben auch dann noch durchzuführen, wenn […] dabei kombattante<br />

Feindkräfte gegenübertreten“ 2095 .<br />

§ 2b BGSErgG 1965<br />

§ 64 BGSG 1972<br />

(1) Mit dem Beginn eines bewaffneten<br />

Konflikts gehört es zu den Aufgaben<br />

der Verbände des Bundesgrenzschutzes,<br />

mit militärischen Mitteln geführte<br />

Angriffe gegen das Bundesgebiet mit<br />

der Waffe abzuwehren. Mit dem<br />

gleichen Zeitpunkt sind die Verbände<br />

des Bundesgrenzschutzes Teil der<br />

bewaffneten Macht der Bundesrepublik<br />

Deutschland. Die Vorschrift des<br />

§ 1 Abs. 2 Satz 1 bleibt unberührt.<br />

[…]<br />

(1) Mit dem Beginn eines bewaffneten<br />

Konflikts sind die Grenzschutz–<br />

kommandos, die Verbände und<br />

Einheiten des Bundesgrenzschutzes<br />

sowie die Grenzschutzschule Teil der<br />

bewaffneten Macht der Bundesrepublik<br />

Deutschland. § 42 Abs. 1 Satz 2<br />

bleibt unberührt.<br />

(2) Die in Absatz 1 genannten Behörden,<br />

Verbände und Einheiten<br />

sollen zur Abwehr mit militärischen<br />

Mitteln geführter Angriffe gegen das<br />

Bundesgebiet mit der Waffe nur<br />

2092<br />

2093<br />

2094<br />

2095<br />

Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 13. Aufl., § 4 Rn. 61.<br />

Vgl. Fn. 1586, 1890.<br />

BT-Drs. VI/2886, S. 46.<br />

Ebd.


426 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

eingesetzt werden<br />

1. aus Anlaß der Wahrnehmung<br />

der im ersten Abschnitt genannten<br />

Aufgaben,<br />

2. zur eigenen Verteidigung.<br />

Die Zugehörigkeit zur bewaffneten<br />

Macht der Bundesrepublik Deutschland<br />

gemäß Absatz 1 wird hierdurch<br />

nicht berührt.<br />

Dass es sich bei § 64 BGSG 1972 um eine Sollvorschrift handelt, schmälert ihre<br />

Aussage auf die eingeschränkte Verwendung der Verbände des Bundesgrenzschutzes<br />

hin nicht. Sollvorschriften statuieren Regelverpflichtungen 2096 . Sie ist<br />

in der Regel eine „Mussvorschrift“, da sie bindende Verfahrensanweisungen<br />

gibt 2097 .<br />

Lediglich die Anwendung des unmittelbaren Zwanges ist im BGSG 1972 nicht<br />

geregelt, obwohl sie im MEPolG vorhanden ist. Die Regelungen des unmittelbaren<br />

Zwanges ist bis heute im „Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei<br />

Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes“ geregelt 2098 .<br />

Dies stellt jedoch keine Einschränkung dar, da beispielsweise das Land Berlin<br />

diesem Vorbild folgte und im ASOG Berlin ebenso keine Vorschriften zum<br />

Zwang enthalten sind, sondern dieser im „Gesetz über die Anwendung unmittelbaren<br />

Zwanges bei der Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des<br />

Landes Berlin“ geregelt wurden 2099 .<br />

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das BGSG 1972 dem Bundesgrenzschutz<br />

umfangreiche polizeiliche Aufgaben im Vergleich zu dem BGSG<br />

1951 zuwies. Zudem unterschied es zwischen Aufgaben und Befugnissen im<br />

Gegensatz zum ersten BGSG, welches kein materielles Polizeirecht enthielt.<br />

Alle Elemente eines rechtsstaatlichen Polizeirechts, wie die Generalermächtigung,<br />

die Spezialbefugnisse, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und umfang-<br />

2096<br />

2097<br />

2098<br />

2099<br />

Franz, Einführung in die Verwaltungswissenschaft, S. 246.<br />

Kugelmann, Die informatorische Rechtsstellung des Bürgers, S. 234.<br />

BGBl. I 1961, S. 165.<br />

GVBl. Bln 1970, S. 921.


§ 10 Bundesgrenzschutzgesetz 1972 427<br />

reiche Entschädigungsvorschriften sind im BGSG 1972 enthalten. Es gleicht,<br />

wie dargestellt, dem Musterentwurf eines Polizeigesetzes und verlieh dem<br />

Bundesgrenzschutz den Charakter einer modernen Bundespolizei mit sonderpolizeilichen<br />

Aufgaben.<br />

H. Fazit<br />

Die besonderen Umstände der Zeit in Bezug auf den aufkommenden Terrorismus<br />

und das damit verbundene Bedürfnis der Länder nach personeller<br />

Unterstützung durch den Bundesgrenzschutz stellten eine tatsächliche Notwendigkeit<br />

dar, auf die es zu reagieren galt. Der Entwurf eines neuen BGSG konnte<br />

hier Abhilfe bieten, da er die Möglichkeit enthielt, den Bundesgrenzschutz als<br />

„abrufbares Sicherheitspotential“ für die Länder bereitzustellen. Das BGSG in<br />

seiner verabschiedeten Fassung ging allerdings weit über dieses Ziel hinaus. Die<br />

ersten Entwürfe enthielten geradezu nur eine minimalistische Lösung, die den<br />

Bundesgrenzschutz weitaus weniger den Charakter einer modernen Polizei<br />

verliehen hätte. Erst die Aufnahme des materiellen Polizeirechts sowie weiterer<br />

Aufgaben in das BGSG ließen den Bundesgrenzschutz in neuem Licht erscheinen.<br />

Besonders der nicht unerhebliche Widerstand aus Bayern, Hessen und<br />

vonseiten der GdP zeigte, dass das neue BGSG den Bundesgrenzschutz tatsächlich<br />

zu einer Polizei des Bundes transferiert hat. Es stellt sich die Frage, warum<br />

kein weiterer entschiedener Widerstand gegen das Gesetz, z.B. aus Bayern, zu<br />

verzeichnen war. Zwar wurden einige wichtige Punkte im Gesetzentwurf modifiziert,<br />

jedoch blieb in der Endabstimmung im Bundestag und auch im<br />

Bundesrat eine heftige Gegenwehr aus: Das Gesetz wurde im Bundestag einstimmig<br />

und im Bundesrat nur gegen die Enthaltungen von Hessen und Berlin<br />

angenommen. Eine Möglichkeit besteht darin, dass die finanziellen Probleme<br />

der Länder in den beginnenden 70er Jahren sich so schwerwiegend auch auf den<br />

Bereich der inneren Sicherheit auswirkten, dass einer Abhilfe in diesem Bereich<br />

mehr Priorität zugemessen wurde, als dem extensiven Beharren auf der eigenen<br />

Polizeihoheit.<br />

Der Hessische Ministerpräsident Osswald deutete in seiner Rede vor dem Bundesrat<br />

Ähnliches an. Er erklärte, dass der „Kern des Übels“ darin liege, dass die<br />

„Länder nicht über die finanziellen Mittel verfügen, um eine besondere polizei-


428 Vierter Teil: Konsolidierungsphase 1966-1972<br />

liche Sicherheitsreserve für Spitzenbelastungen erhalten zu können“ 2100 . Durch<br />

das neue BGSG werde versucht dieses Übel „systemwidrig“ zu kurieren 2101 . Die<br />

finanzielle Situation der Länder 1972 war tatsächlich stark belastet. Zwar wurde<br />

mit der Finanzreform 1969 versucht, eine bessere Situation für die Länderhaushalte<br />

zu erreichen, jedoch zeigte sich, dass der Bundeshaushalt nach wie vor das<br />

größte Volumen hatte und vor allem die Finanzreform „letztlich weder eine<br />

Begrenzung des Bundeseinflusses erreichte noch die Länder dem Ziel einer<br />

größeren Eigenständigkeit näherbringen konnte“ 2102 .<br />

Weiterhin hat die Synopse des BGSG 1972 mit dem BGSG 1951 und dem<br />

MEPolG gezeigt, dass das 1972 verabschiedete Gesetz alle Elemente eines<br />

modernen Polizeigesetzes enthält. Zudem konnte durch die Neufassung der<br />

Vorschriften über den Kombattantenstatus erreicht werden, dass es keine Zweifel<br />

mehr über etwaige versteckte militärische Verwendung des<br />

Bundesgrenzschutzes im Verteidigungsfall gab. Der Bundesgrenzschutz profitierte<br />

von einem neuen Polizeigesetz, das nun auch polizeiliche<br />

Standardbefugnisse enthielt und u.a. einen Einsatz auf Anforderung der Länder<br />

ermöglichte. Der Zugriff auf die Ressource Bundesgrenzschutz wurde im Laufe<br />

der Zeit, vor allem bei Großereignissen, genutzt. So war der Bundesgrenzschutz<br />

im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft 1974 bei den Landespolizeien ebenso<br />

eingesetzt wie 1977 bei den Großdemonstrationen auf dem Baugelände der<br />

Kernkraftwerke Brokdorf und Grohnde 2103 . Es folgten Einsätze im Rahmen der<br />

Erweiterung des Flughafens Frankfurt/Main (Startbahn West) und während der<br />

Demonstrationen anlässlich des geplanten Baus der Wiederaufarbeitungsanlage<br />

Wackersdorf. Es hat sich gezeigt, dass die Unterstützungseinsätze des Bundesgrenzschutzes<br />

erfolgreich verliefen. Das BGSG 1972 hat sich bewährt.<br />

2100<br />

2101<br />

2102<br />

2103<br />

BR-Prot. vom 07.07.1972, 383. Sitzung, S. 601B.<br />

Ebd.<br />

Kitterer, Öffentliche Finanzen und Notenbank, S. 212.<br />

Gade/Kieler, Polizei und Föderalismus, S. 112.


Zusammenfassende Bewertung<br />

Die bloße Feststellung, dass der Bundesgrenzschutz 1951 als Gegengewicht zu<br />

den bewaffneten Kräften der sowjetischen Besatzungszone gegründet wurde,<br />

wird dem umfangreichen Themenkomplex aus verfassungsrechtlicher, historischer<br />

und politischer Sicht nicht gerecht. Es galt zunächst herauszuarbeiten,<br />

unter welchen politischen Faktoren und rechtlichen Rahmenbedingungen sich<br />

die Errichtung einer Polizeibehörde auf Bundesebene nach Inkraftsetzung des<br />

Grundgesetzes vollziehen und bis 1972 so manifestieren konnte, dass sie essentieller<br />

Teil der föderalen Sicherheitsarchitektur in der Bundesrepublik wurde.<br />

Der Interpretation des verfassungsrechtlichen Rahmens, innerhalb dessen der<br />

Bund eigene Kompetenzen im Bereich Polizei entwickeln kann, kommt unter<br />

Einschluss der historischen Betrachtung besondere Bedeutung zu. Hierbei ist<br />

evident, dass der Verfassungsgeber die Befugnisse des Bundes im vollzugspolizeilichen<br />

Bereich beschränkt sehen wollte. Die jüngste deutsche Geschichte<br />

veranlasste die Alliierten nicht nur dazu, dem Parlamentarischen Rat einen<br />

föderalen Staatsaufbau vorzuschreiben, welcher dem Bund grundsätzlich nicht<br />

die Errichtung von eigenen Polizeieinheiten gewährte. Die Polizeipolitik der<br />

Alliierten führte vielmehr zu einer Atomisierung der gesamten Polizeiorganisation<br />

auf Länderebene. Lediglich Art. 91 Abs. 2 GG a.F. gab dem Bund im<br />

Notstandsfalle die Möglichkeit, auf Polizeieinheiten der Länder zurückzugreifen.<br />

Diese Vorschrift wurde jedoch von der AHK bei Inkrafttreten des<br />

Grundgesetzes suspendiert. Selbst insofern Art. 91 Abs. 2 GG a.F. von den<br />

Alliierten nicht außer Kraft gesetzt worden wäre, hätte diese Norm für den Bund<br />

keinen faktischen Gewinn in Sicherheitsfragen gebracht, da im Sommer 1949<br />

die Polizeien der Länder unorganisiert waren und keine kasernierten Polizeieinheiten<br />

vorgehalten wurden, welche zur Bereinigung einer größeren Störung im<br />

Sinne von Art. 91 GG in der Lage gewesen wären. Die Ausgangssituation der<br />

jungen Bundesrepublik in Bezug auf die Leistungsfähigkeit des polizeilichen<br />

Sektors war ungünstig.<br />

Kurz vor Annahme des Grundgesetzes ging den Mitgliedern des Parlamentarischen<br />

Rates ein Schreiben der Militärgouverneure zu, welches später als der<br />

sogenannte „Polizeibrief“ in die deutsche Verfassungsgeschichte einging. Über<br />

das Genehmigungsschreiben der Alliierten zum Grundgesetz, welches den<br />

D. Parma, Installation und Konsolidierung des Bundesgrenzschutzes 1949 bis 1972,<br />

DOI 10.1007/978-3-<strong>658</strong>-<strong>10928</strong>-8, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2016


430 Zusammenfassende Bewertung<br />

Polizeibrief explizit erwähnte, erhielt dieser Geltung im Verfassungsrang. Der<br />

Polizeibrief ermächtigte den Bund u.a. dazu, eigene Behörden auf dem Gebiet<br />

der Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs einzurichten. Ohne weitere<br />

Beratungen wurden die Ermächtigungen aus dem Polizeibrief kurz vor Annahme<br />

des Grundgesetzes in dieses transferiert. Der Bund hat demnach gemäß Art.<br />

73 Ziff. 5 GG a.F. die ausschließliche Gesetzgebung über die Einheit des Zollund<br />

Handelsgebietes, die Handels- und Schifffahrtsverträge, die Freizügigkeit<br />

des Warenverkehrs und den Waren- und Zahlungsverkehr mit dem Ausland<br />

einschließlich des Zoll- und Grenzschutzes. Maßgebliche Bedeutung hatte der<br />

Verfassungsgeber dieser Erweiterung der Kompetenzen des Bundes nicht zugeschrieben.<br />

Gleichwohl blieb Art. 73 Ziff. 5 GG a.F. die einzige auf Bundesebene<br />

radizierte Norm, die möglicherweise dazu geeignet war, kasernierte Polizeieinheiten<br />

zu errichten.<br />

Ein Bedürfnis für eigene Polizeikräfte formulierte der Bund relativ schnell. Es<br />

war maßgeblich Adenauer, der bereits im Herbst 1949 den hier als „Bundespolizei-Kontroverse“<br />

bezeichneten Vorgang mit dem Ziel initiierte, für den Bund<br />

eigene Polizeikräfte zu erhalten. Expressis verbis forderte Adenauer eine Bundespolizei,<br />

eine Bundesexekutive, einen Bundesschutz, aber keinen Bundesgrenzschutz.<br />

Der Grund hierfür war, dass Adenauers Ansinnen, einen eigenen<br />

polizeilichen Vollzugskörper für den Bund zu erhalten, nicht monokausal darin<br />

begründet war, dass von westdeutscher Seite aus ein Gegengewicht zur kasernierten<br />

Volkspolizei geschaffen werden musste. Unaffektiert spielten<br />

Überlegungen des Kräfteausgleichs eine Rolle. Entscheidender aber war, dass<br />

Adenauer grundlegend durch die Blockbildung und die Konstituierung des<br />

Kommunismus eine Bedrohung der Sicherheit sah – und zwar primär nicht in<br />

Bezug auf die östliche Bundesgrenze, sondern in Hinsicht auf den Raum Bonn<br />

als Regierungssitz und die gesamte innere Sicherheit der Bundesrepublik. Die<br />

Bundespolizei-Kontroverse findet ihren Anstoß darin, dass Adenauer gegenüber<br />

dem Bundeskabinett forderte, das Sondergebiet Bonn unter die Polizeihoheit des<br />

Bundes zu stellen. Er war der festen Überzeugung, dass geringste Störungen der<br />

öffentlichen Ordnung, die beispielsweise durch kommunistische Agitation<br />

ausgelöst würden, eine ernsthafte Gefahr für die Bundesregierung in Bonn sein<br />

könnten. Vereinzelte polizeiliche Störungen im Raum Bonn, die retrospektiv als<br />

marginal bezeichnet werden können, wirkten katalysatorisch auf Adenauers<br />

Bestreben, sodass er zur festen Überzeugung gelangte, „Machtmittel“ für den<br />

Bund bei den Alliierten einzufordern.


Zusammenfassende Bewertung 431<br />

Das politisch artikulierte Bedürfnis einer Bundespolizei stand dem verfassungsrechtlichen<br />

Spielraum diametral entgegen. Der Verfassungsgeber wollte gerade<br />

keine Bundespolizei als Machtinstrument verwirklicht sehen, was unzweifelhaft<br />

auch in der ursprünglichen Formulierung des Art. 91 GG deutlich zu sehen ist.<br />

Dennoch gab Adenauer seiner Administration den Auftrag, Möglichkeiten zu<br />

prüfen, wie dem ungeachtet sein erstrebtes Ziel einer Bundespolizei erreicht<br />

werden könnte. In dem hier als erste „Rechtsfindungsphase“ bezeichneten<br />

Zeitabschnitt von Ende 1949 bis Anfang 1950 werden von verschiedensten<br />

Stellen bis hin zum Bundesjustizministerium Gutachten erstellt, die zu differenten<br />

Ergebnissen führen. Deutlich kann dieser Phase entnommen werden, dass<br />

Möglichkeiten gesucht wurden, um eine Bundesobjektschutzpolizei für den<br />

Raum Bonn zu installieren, so wie es von Adenauer gefordert worden war.<br />

Diesbezüglich wollten die Ministerien eine Rechtsgrundlage in dem überkommenen<br />

Institut der Anstaltspolizei sehen, wonach der Bund in der Lage sein<br />

müsse, seine Einrichtungen selbst zu schützen. Erste Verhandlungen auf ministerialer<br />

Ebene mit den Alliierten im Jahr 1950 schienen jedoch nicht sehr<br />

aussichtsreich, sodass sich Adenauer ab Frühjahr 1950 persönlich in die Bundespolizei-Kontroverse<br />

einmischte. Er richtete mehrere Memoranden an die<br />

AHK, mittlerweile nicht mehr nur mit der Forderung nach einer Schutztruppe<br />

für den Raum Bonn, sondern stattdessen mit dem Appell, eine schlagkräftige<br />

Bundespolizei nach dem Vorbild der preußischen kasernierten Schutzpolizei<br />

errichten zu können. Die Alliierten konnten jedoch aus grundsätzlichen Erwägungen<br />

seiner Forderung nicht nachkommen, auch wenn sie gewisse<br />

Sympathien für Adenauers Überlegungen signalisierten. Von der AHK wurden<br />

statt der geforderten Bundespolizei zunächst 10.000 Mann und im Weiteren,<br />

nach der New Yorker Außenministerkonferenz im September 1950, schließlich<br />

30.000 Mann kasernierte Bereitschaftspolizei auf Länderebene genehmigt.<br />

Zudem wurde die Suspendierung des Art. 91 GG aufgehoben. Adenauer hatte<br />

formell das Ziel einer Bundespolizei zwar nicht erreicht, aber materiell dennoch<br />

einen gleichwertigen Sicherheitsgewinn für die Bundesrepublik über die Genehmigung<br />

der Länderbereitschaftspolizei erreichen können, zumal in einem<br />

geheimen Protokoll der Bundesregierung von alliierter Seite zugesichert wurde,<br />

dass der Bund für den Raum Bonn eine bundeseigene Polizeitruppe in Höhe von<br />

500 Mann aufstellen könne.<br />

Nach Nichtgenehmigung der Bundespolizei setzte sich vor allem bei der Opposition<br />

und auch bei den Alliierten die Überzeugung durch, dass eine


432 Zusammenfassende Bewertung<br />

Bundespolizei nur über den Weg der Verfassungsänderung erreicht werden<br />

könne. Die Alliierten wollten eine Verfassungsänderung vor allem deshalb<br />

vermeiden, da man sich nicht dem Makel der Änderung des Grundgesetzes nach<br />

nur einem Jahr nach Inkraftsetzung aussetzen wollte.<br />

Die SPD und FDP auf Bundesebene konnten sich mit einer Verfassungsänderung<br />

gleichwohl anfreunden und unternahmen im Herbst 1950 mit mehreren<br />

Anträgen auf Änderung des Grundgesetzes einen ersten Anlauf für die Errichtung<br />

einer Bundespolizei. Die Vorschläge waren so weitreichend, dass bei einer<br />

Umsetzung dem Bund ein erheblicher Zuwachs an Zuständigkeiten im Bereich<br />

der Polizei zugekommen wäre. Die CDU/CSU wollte zu diesem Zeitpunkt<br />

jedoch nicht, ebenso wie von den Alliierten signalisiert, eine Änderung des<br />

Grundgesetzes in Angriff nehmen. Die Bundesregierung hatte stattdessen primär<br />

das Ziel, die Verwaltungsabkommen über die Bereitschaftspolizeien der Länder<br />

abzuschließen, um so endlich im Gefahrenfalle Zugriff auf die von der New<br />

Yorker Außenministerkonferenz genehmigten Polizeiformationen zu erhalten.<br />

Die Verhandlungen stagnierten allerdings immer wieder im Streit um gegenseitige<br />

Leistungspflichten, da der Bund zeitweise die Auffassung vertrat, zu wenig<br />

Einfluss auf die Länderbereitschaftspolizei für seine erheblichen finanziellen<br />

Zuwendungen an die Länder für Ausstattung und Material zu erhalten. Nachdem<br />

im Spätherbst 1950 immer noch kein entsprechendes Abkommen mit allen<br />

Bundesländern geschlossen werden konnte, und es zudem fraglich war, bis wann<br />

die Bundesländer, mit denen ein Abkommen geschlossen werden konnte, erste<br />

kasernierte Polizeieinheiten aufstellen würden können, kehrte das Bedürfnis des<br />

Bundes nach eigenen Polizeikräften zurück. Erst in diesem Moment, nachdem<br />

die Aufstellung der Bereitschaftspolizeikontingente nicht problemlos verlief,<br />

erwog die Bundesregierung ernsthaft, das entstandene Sicherheitsleck selbst zu<br />

schließen. Da eine Verfassungsänderung nicht in Betracht kam, blieb nur die<br />

Aufstellung von Einsatzkräften aufgrund eines einfachen Gesetzes. In einer<br />

Kabinettssitzung im November 1950 schlug Bundesinnenminister Lehr, gedacht<br />

als Zwischen- oder Übergangslösung vor, über Art. 73 Ziff. 5 GG a.F. durch<br />

einfaches Bundesgesetz Grenzschutzbehörden zu errichten. In nuce trat der<br />

Bundesgrenzschutz als Aliud zur gescheiterten Bundespolizei und Substitut zur<br />

lahmenden Bereitschaftspolizei der Länder erstmals in Erscheinung. Weniger<br />

die Notwendigkeit nach grenzpolizeilichem Schutz, dieser sollte ohnehin maßgeblich<br />

weiter von den Landesgrenzpolizeien oder dem Zollgrenzdienst


Zusammenfassende Bewertung 433<br />

gewährleistet werden, sondern vielmehr das allgemeine Leck im Bereich der<br />

inneren Sicherheit forcierte die Installation des Bundesgrenzschutzes.<br />

Das Projekt der ursprünglich geplanten Bundespolizei wollte die Bundesregierung<br />

nicht vollständig beiseitelegen. Es war sogar die Rede davon, dass die<br />

Beamten des Bundesgrenzschutzes in eine noch zu gründende Bundespolizei zu<br />

überführen seien und, dass die von der AHK im Sommer 1950 genehmigten<br />

30.000 Mann Länderbereitschaftspolizei nun über 10.000 Mann Bundesgrenzschutz,<br />

10.000 Mann Bundespolizei und 10.000 Mann Länderbereitschaftspolizei<br />

zu errichten wären. Jedoch konnte sich die Bundesregierung nicht dem<br />

Faktum verschließen, dass für eine Bundespolizei das Grundgesetz hätte geändert<br />

werden müssen. Diesbezüglich war der aufkommende Widerstand der<br />

großen Länder wie Nordrhein-Westfalen und Bayern gegen ein verstärktes<br />

polizeiliches Engagement des Bundes nicht förderlich.<br />

Kurz nach Inkrafttreten des Bundesgrenzschutzgesetzes 1951 ließen sich die<br />

ersten Konflikte zwischen Bund und Ländern um Grundfragen der materiellen<br />

Polizeihoheit beobachten. Die unterschiedlichen Auffassungen der Landes- und<br />

Bundesregierungen konnten durch Ermittlung umfangreichen Schriftverkehrs in<br />

den staatlichen Archiven nachgezeichnet und bewertet werden. So wandte sich<br />

das Land Nordrhein-Westfalen gegen die Übernahme von Objektschutzaufgaben<br />

durch den Bundesgrenzschutz im Raum Bonn und das Land Bayern bestritt<br />

vehement eine Zuständigkeit des Bundesgrenzschutzes für die polizeiliche<br />

Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs in Bayern. Beide Länder drohten<br />

der Bundesregierung in scharfem Tonfall mit der Anrufung des Bundesverfassungsgerichts,<br />

sollte der Bund nicht einlenken. Zumindest teilweise musste der<br />

Bund in beiden Fällen Zugeständnisse machen, um die Überprüfung des Bundesgrenzschutzgesetzes<br />

vor dem Bundesverfassungsgericht zu verhindern. Das<br />

Misstrauen gegen den Bundesgrenzschutz endete damit jedoch nicht. Als die<br />

Sollstärke im Jahr 1953 um weitere 10.000 Mann erhöht werden sollte, signalisierte<br />

das Land Bayern erneut Ablehnung. Nur durch ein persönliches<br />

Zugeständnis von Adenauer an die CSU-Bundestagsfraktion, dass der Bundesgrenzschutz<br />

im Falle der Errichtung einer Europäischen Armee wieder um die<br />

gleiche Zahl reduziert werden würde, gab Bayern seinen Widerstand auf.<br />

Unvermeidbar ist die Frage nach der Funktion des Bundesgrenzschutzes im<br />

Zusammenhang mit der deutschen Wiederbewaffnung. Adenauers Garantie, den


434 Zusammenfassende Bewertung<br />

Bundesgrenzschutz wieder um 10.000 Mann zu reduzieren, setzte die Umsetzung<br />

der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft voraus, welche letztendlich<br />

jedoch nach Ablehnung in der Französischen Nationalversammlung im August<br />

1954 scheiterte. Die gesamteuropäische Lösung im Sinne der EVG wurde durch<br />

die Eingliederung der Bundesrepublik in das westliche Bündnissystem ersetzt.<br />

Hierzu war ein schneller und effektiver Wehrbeitrag in Form einer neuen westdeutschen<br />

Armee notwendig. Der Aufbau der Bundeswehr gestaltete sich jedoch<br />

schwieriger und vor allem langsamer als erwartet. Da erschien der Bundesgrenzschutz,<br />

welcher sich zu einem Großteil aus wehrmachtsgedienten Soldaten<br />

rekrutiert hatte, objektiv als geeignetes Mittel, um den Aufbau der Bundeswehr<br />

zu fördern. Thesen, die den Bundesgrenzschutz als Vorläufer der Bundeswehr,<br />

als militärische Kaderschmiede oder Kristallisationskern sehen wollen, greifen<br />

hier allerdings ins Leere. Selbst das für den Bundeswehraufbau zuständige Amt<br />

Blank wollte bis in den Sommer 1955 eine Übernahme des Bundesgrenzschutzes<br />

in die Bundeswehr verhindern. Erst als die Bundesregierung erkannte, dass<br />

der Aufbau nicht zufriedenstellend verlief, fiel die Entscheidung, den Bundesgrenzschutz<br />

zum Bundeswehraufbau heranzuziehen. Ähnlich wie 1951<br />

bestimmten 1955 politische Parameter, hier der lahmende Bundeswehraufbau,<br />

das weitere Schicksal des Bundesgrenzschutzes. Die tatsächliche Umsetzung der<br />

Entscheidung, den Bundesgrenzschutz zum Bundeswehraufbau heranzuziehen,<br />

gestaltete sich jedoch im Gegensatz zur Gründung des Bundesgrenzschutzes<br />

1951 ungleich anders.<br />

Während der politischen Debatte 1950/51 konnte die Bundesregierung die<br />

Opposition für den Gesetzentwurf eines Bundesgrenzschutzgesetzes gewinnen,<br />

welche ja ohnehin selbst sogar für eine Verfassungsänderung eingetreten wäre,<br />

um eine Bundespolizei durchzusetzen. Das zweite Gesetz über den Bundesgrenzschutz<br />

1956 musste stattdessen gegen die Stimmen der Opposition und<br />

gegen den Widerstand einzelner Länder verabschiedet werden. Der Gesetzgebungsprozess<br />

1955/56 kann als eine existenzielle Krise in der Geschichte der<br />

Bundespolizei angesehen werden, da die SPD im Verlauf des Verfahrens mehrere<br />

Anträge zur Auflösung des Bundesgrenzschutzes stellte. Sie sah nach<br />

Errichtung der Bundeswehr keine Notwendigkeit mehr für eine, in ihren Augen<br />

paramilitärische Polizeitruppe des Bundes, deren personelle Wiederauffüllungen<br />

nach den erheblichen Abgängen zur Bundeswehr selbst von Seiten der Regierung<br />

als „fraglich“ angesehen wurde. Dennoch konnte die Bundesregierung ihre<br />

Ansicht mit einer als Prioritätstheorie bezeichneten Argumentationsstrategie


Zusammenfassende Bewertung 435<br />

durchsetzen und zwei Ziele auf einmal verwirklichen – die Teilüberführung von<br />

Personal für den Bundeswehraufbau und die Sicherung des Fortbestandes des<br />

Bundesgrenzschutzes. Die Auffassung der Bundesregierung, dass der Bundeswehraufbau<br />

äußerste Priorität vor allen anderen Belangen, eingeschlossen der<br />

inneren Sicherheit, habe, kann nicht unkritisiert bleiben, denn durch die erhebliche<br />

Dezimierung des Bundesgrenzschutzes wurde der 1951 geschaffene<br />

wertvolle Sicherheitsbeitrag nicht unerheblich geschmälert. Ungeklärt bleibt vor<br />

allem die hypothetische Frage danach, wie die Bundesregierung den Fortbestand<br />

des Bundesgrenzschutzes beurteilt hätte, wenn sich nicht, wie tatsächlich geschehen,<br />

nur rund zwei Drittel, sondern nahezu alle Beamte für den Übertritt in<br />

die Bundeswehr entschieden hätten. Nach Analyse der Materie muss man zu<br />

dem Schluss kommen, dass die Bundesregierung zumindest ein Restrisiko mit<br />

einkalkulierte, dass sich der Bundesgrenzschutz durch die personellen Abflüsse<br />

zur Bundeswehr quasi selbst auflösen hätte können. Aus den erheblichen Abwanderungen<br />

zur Bundeswehr entstanden langfristig Personalprobleme beim<br />

Bundesgrenzschutz, die nur durch Einführung einer Grenzschutzdienstpflicht<br />

stückweise ausgeglichen werden konnten. Es dauerte bis 1972, bis der Bundesgrenzschutz<br />

wieder annähernd die Sollstärke von 1953 erreichte.<br />

Gleichwohl trat nach Verabschiedung des zweiten Gesetzes über den Bundesgrenzschutz<br />

eine Ruhephase ein. Der Bundesgrenzschutz konnte sich festigen<br />

und organisatorisch regenerieren. Der Zeitraum, beginnend ab den frühen sechziger<br />

Jahren bis zur Verabschiedung des Bundesgrenzschutzgesetzes 1972, wird<br />

als „Konsolidierungsphase“ bezeichnet. Der Bundesgrenzschutz erhielt in<br />

diesem Zeitraum eine stärkere verfassungsrechtliche Einbeziehung durch die<br />

Notstandsgesetzgebung und mit Inkraftsetzung des neuen Bundesgrenzschutzgesetzes<br />

ein modernes Polizeigesetz, angereichert mit neuen Aufgaben und<br />

materiellem Polizeirecht. Diesen Ereignissen war der Entschluss der Bundesregierung<br />

vorgeschaltet, den Beamten des Bundesgrenzschutzes den kriegsvölkerrechtlichen<br />

Schutz von legalen Kombattanten zukommen zu lassen. Die<br />

„Verleihung des Kombattantenstatus“ an den Bundesgrenzschutz beinhaltete<br />

zahlreiche Probleme verfassungs- und beamtenrechtlicher Art. Umfangreiche<br />

Gutachten und Gegengutachten wurden diesbezüglich erstellt. Die Auffassung<br />

der Bundesregierung überzeugt nicht allumfänglich, wonach die Verleihung der<br />

Kombattanteneigenschaft auch an die Gruppe der Bundesgrenzschutzbeamten<br />

möglich gewesen sein soll. Insgesamt kann das Vorhaben jedoch als verständlich<br />

angesehen werden, da die besonderen Umstände des Einsatzes des


436 Zusammenfassende Bewertung<br />

Bundesgrenzschutzes an der Zonengrenze zu berücksichtigen waren und man<br />

wird darüber hinaus anerkennen müssen, dass das Völkerrecht ex post eine<br />

Subsumtion des Bundesgrenzschutzes (bei entsprechend erfolgter Ergänzung<br />

des Bundesgrenzschutzgesetzes) unter den Bereich der legalen Kombattanten als<br />

zulässig erachtet. Entscheidend vielmehr für die Beurteilung der Geschichte der<br />

Bundespolizei ist, dass die Beamten des Bundesgrenzschutzes sich nicht mit der<br />

Verleihung des Kombattantenstatus abfinden wollten und sich eher als Polizeibeamte<br />

denn als Soldaten sahen. Die Polizeivollzugsbeamten des Bundesgrenzschutzes<br />

hatten zum Zeitpunkt der Debatte über den Kombattantenstatus<br />

bereits viele Jahre polizeiliche Aufgaben an den Grenzen wahrgenommen.<br />

Entsprechend hatte sich ein polizeiliches Bewusstsein entwickelt. Besonders<br />

deutlich wird dies darin, dass Beamte mithilfe einer Gewerkschaft versuchten,<br />

gegen die Verleihung des Kombattantenstatus vorzugehen, einschließlich der<br />

Anrufung des Bundesverfassungsgerichts. Das gesamte Engagement blieb<br />

dennoch erfolglos. Gleichzeitig zeigten die Vorgänge um die Verleihung des<br />

Kombattantenstatus, dass die Gewerkschaften der Länderpolizeien in der Debatte<br />

eine Möglichkeit sahen, den Bundesgrenzschutz, der mit dem BGSErgG Teil<br />

der bewaffneten Macht der Bundesrepublik wurde, als eine Einrichtung darzustellen,<br />

die von der Landespolizei und deren Aufgaben klar abgegrenzt werden<br />

müsse. Ebenso bot sich für die Föderalisten der Anlass herauszustellen, dass der<br />

Bundesgrenzschutz als Teil der bewaffneten Macht keine Polizei wie die der<br />

Länder sein könne.<br />

Der Kombattantenstatus war gleichwohl kein Hindernis für eine noch engere<br />

Einbindung des Bundesgrenzschutzes als Polizei des Bundes in das föderale<br />

Sicherheitssystem. Mit Verabschiedung der Notstandsverfassung erhielt der<br />

Bundesgrenzschutz mehrere neue Aufgaben. Das alte Bundesgrenzschutzgesetz<br />

aus dem Jahr 1951 war nicht mehr kongruent mit dem tatsächlichen Gepräge des<br />

Bundesgrenzschutzes um das Jahr 1970. Die Aufgaben aus der Notstandsverfassung<br />

und die sicherheitspolitische Lage zu Beginn der siebziger Jahre<br />

ermöglichten überhaupt erst eine Neubewertung des Bundesgrenzschutzes.<br />

Besonders der aufkommende RAF-Terrorismus und die damit verbundenen<br />

ersten Polizistenmorde in Deutschland, aber auch der Anstieg der internationalen<br />

Flugzeugentführungen trugen dazu bei, dass es unerlässlich wurde, das<br />

enorme Sicherheitspotential des Bundesgrenzschutzes zu nutzen. Der Wert einer<br />

kasernierten, gut ausgerüsteten Polizeitruppe in Zeiten der Erosion der inneren<br />

Sicherheit konnte durch die Bundesregierung nicht hoch genug geschätzt wer-


Zusammenfassende Bewertung 437<br />

den. Die unterschiedlichen skizzierten Einflüsse kulminierten in einem Gesetzesvorschlag,<br />

der weit über alles hinausging, was bisher in Zusammenhang mit<br />

dem Bundesgrenzschutz erwogen worden war. Der Gesetzesentwurf wies dem<br />

Bundesgrenzschutz neue Aufgaben zu, beinhaltete materielles Bundespolizeirecht<br />

und barg die Möglichkeit, den Bundesgrenzschutz auf Anforderung der<br />

Länder zu allgemeinen Polizeiaufgaben in den Ländern heranzuziehen. Vor<br />

allem letztgenannte Möglichkeit stellte eine kopernikanische Wende in der<br />

Auffassung in Bezug auf die Polizei des Bundes dar. Der Bund hatte bereits<br />

einmal, kurz nach Gründung des Bundesgrenzschutzes, versucht, über ein<br />

Abkommen mit den Ländern zu erreichen, dass der Bundesgrenzschutz auch auf<br />

Anforderung der Länder zu allgemeinen Polizeiaufgaben herangezogen werden<br />

konnte. Jedoch machten die Landesregierungen richtigerweise erhebliche verfassungsrechtliche<br />

Bedenken geltend, sodass die Bundesregierung ihr Vorhaben<br />

verwarf. 1970 war zweifelsohne eine andere Bedrohungslage im Bereich der<br />

inneren Sicherheit entstanden als 1951, auf die es zu reagieren galt. Jedoch kann<br />

in einem Rechtsstaat das Bestehen einer Gefahr nicht den Erlass von verfassungsdurchbrechenden<br />

Gesetzen rechtfertigen. Dieser Auffassung war die SPD-<br />

Bundestagsfraktion, welche als Voraussetzung für das Gelten einer entsprechenden<br />

Norm eine Verfassungsänderung ansah. So wurde im Verlauf des<br />

Gesetzgebungsprozesses zum BGSG 1972 Art. 35 GG dahingehend geändert,<br />

dass ein Land im besonderen Gefahrenfalle Polizeikräfte des Bundes anfordern<br />

und diese zu jedem Zweck einsetzen kann, zu welchem sie auch die eigenen<br />

Landespolizei zum Einsatz bringen kann. Widerstand gegen den Gesetzentwurf<br />

war vor allem vom Land Hessen und den Gewerkschaften der Landespolizeien<br />

zu verzeichnen, die im neuen Bundesgrenzschutzgesetz einen Verstoß gegen die<br />

Polizeihoheit der Länder sahen. Der Bundesgrenzschutz erhielt neue Zuständigkeiten<br />

und Befugnisse. Er konnte bundesweit in jedem Land zu polizeilichen<br />

Maßnahmen eingesetzt werden. Die Änderungen des Grundgesetzes im Rahmen<br />

der Notstandsgesetzgebung wiesen ihn deutlicher als polizeiliches Instrument<br />

des Bundes aus als je zuvor. Es kann dahingestellt bleiben, ob damals vereinzelt<br />

angenommen wurde, dass ein Verstoß gegen die Polizeihoheit der Länder vorlag,<br />

denn mit den Verfassungsänderungen von 1968 und 1972 wurden die<br />

Reservatrechte des Bundes im Bereich der Polizei verfassungskonform erweitert.<br />

Mit dem Bundesgrenzschutzgesetz 1972 war eine erste Verwandlung des<br />

Bundesgrenzschutzes zur einer Polizei des Bundes in materieller Hinsicht abgeschlossen<br />

und die irreversible Implementierung als Bundespolizei in das<br />

föderale Sicherheitssystem vollzogen.


Dokumente<br />

Dokument 1 ….....………………………………………………….......<br />

Schreiben der Militärgouverneure an den Parlamentarischen Rat vom<br />

14. April 1949 („Polizeibrief“)<br />

Dokument 2 ………………………………………………………….......<br />

Rechtsgutachten über die Möglichkeit, eine Bundespolizei aufzustellen,<br />

undatiert aus dem Jahr 1949 – erstellt von Thomas Dehler<br />

Dokument 3 ………………………………………………………….......<br />

Vermerk betr. die Zulässigkeit polizeilicher Einrichtungen des Bundes<br />

vom 20. Dezember 1949 – erstellt von Arnold Köttgen<br />

Dokument 4 ………………………………………………….……..........<br />

Abschrift der Antwort der AHK vom 28. Juli 1950 auf Adenauers<br />

Antrag eine Bundespolizei zu errichten vom 28. April 1950<br />

Dokument 5 ………………………………………………………….......<br />

Anlage zur Note der AHK vom 23. September 1950 über mobile Formationen<br />

der deutschen Polizei<br />

Dokument 6 .……………………………………………………...….......<br />

Schreiben Ehard an Adenauer über die Ausübung der Passnachschau in<br />

Bayern vom 14. Dezember 1951<br />

Dokument 7 ………………………………………………………….......<br />

Schreiben Jaeger an Adenauer über die Stärke des Bundesgrenzschutzes<br />

vom 25. November 1952<br />

Dokument 8 ………………………………………………………….......<br />

Schreiben Adenauer an Strauß über die Reduzierung der Stärke des<br />

Bundesgrenzschutzes vom 4. Februar 1953<br />

440<br />

441<br />

445<br />

448<br />

449<br />

452<br />

456<br />

458<br />

D. Parma, Installation und Konsolidierung des Bundesgrenzschutzes 1949 bis 1972,<br />

DOI 10.1007/978-3-<strong>658</strong>-<strong>10928</strong>-8, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2016


440 Dokumente<br />

Dokument 1: Schreiben der Militärgouverneure an den Parlamentarischen Rat<br />

vom 14. April 1949 („Polizeibrief“), in: BArch B 106/15701.


Dokumente 441<br />

Dokument 2, Seite 1: Rechtsgutachten über die Möglichkeit, eine Bundespolizei<br />

aufzustellen, undatiert aus dem Jahr 1949 erstellt von Thomas Dehler, in: BArch<br />

B 106/15702.


442 Dokumente<br />

Dokument 2, Seite 2: Rechtsgutachten über die Möglichkeit, eine Bundespolizei<br />

aufzustellen, undatiert aus dem Jahr 1949 erstellt von Thomas Dehler, in: BArch<br />

B 106/15702.


Dokumente 443<br />

Dokument 2, Seite 3: Rechtsgutachten über die Möglichkeit, eine Bundespolizei<br />

aufzustellen, undatiert aus dem Jahr 1949 erstellt von Thomas Dehler, in: BArch<br />

B 106/15702.


444 Dokumente<br />

Dokument 2, Seite 4: Rechtsgutachten über die Möglichkeit, eine Bundespolizei<br />

aufzustellen, undatiert aus dem Jahr 1949 erstellt von Thomas Dehler, in: BArch<br />

B 106/15702.


Dokumente 445<br />

Dokument 3, Seite 1: Vermerk betr. die Zulässigkeit polizeilicher Einrichtungen<br />

des Bundes vom 20. Dezember 1949 – erstellt von Arnold Köttgen, in: BArch<br />

B 106/15701.


446 Dokumente<br />

Dokument 3, Seite 2: Vermerk betr. die Zulässigkeit polizeilicher Einrichtungen<br />

des Bundes vom 20. Dezember 1949 – erstellt von Arnold Köttgen, in: BArch<br />

B 106/15701.


Dokumente 447<br />

Dokument 3, Seite 3: Vermerk betr. die Zulässigkeit polizeilicher Einrichtungen<br />

des Bundes vom 20. Dezember 1949 – erstellt von Arnold Köttgen, in: BArch<br />

B 106/15701.


448 Dokumente<br />

Dokument 4: Abschrift der Antwort der AHK vom 28. Juli 1950 auf Adenauers<br />

Antrag eine Bundespolizei zu errichten vom 28. April 1950, in: BArch<br />

B 106/14337.


Dokumente 449<br />

Dokument 5, Seite 1: Anlage zur Note der AHK vom 23. September 1950 über<br />

mobile Formationen der deutschen Polizei, in: BArch B 106/15701.


450 Dokumente<br />

Dokument 5, Seite 2: Anlage zur Note der AHK vom 23. September 1950 über<br />

mobile Formationen der deutschen Polizei, in: BArch B 106/15701.


Dokumente 451<br />

Dokument 5, Seite 3: Anlage zur Note der AHK vom 23. September 1950 über<br />

mobile Formationen der deutschen Polizei, in: BArch B 106/15701.


452 Dokumente<br />

Dokument 6, Seite 1: Schreiben Ehard an Adenauer über die Ausübung der<br />

Passnachschau in Bayern vom 14. Dezember 1951, in: BArch B 136/1932.


Dokumente 453<br />

Dokument 6, Seite 2: Schreiben Ehard an Adenauer über die Ausübung der<br />

Passnachschau in Bayern vom 14. Dezember 1951, in: BArch B 136/1932.


454 Dokumente<br />

Dokument 6, Seite 3: Schreiben Ehard an Adenauer über die Ausübung der<br />

Passnachschau in Bayern vom 14. Dezember 1951, in: BArch B 136/1932.


Dokumente 455<br />

Dokument 6, Seite 4: Schreiben Ehard an Adenauer über die Ausübung der<br />

Passnachschau in Bayern vom 14. Dezember 1951, in: BArch B 136/1932.


456 Dokumente<br />

Dokument 7, Seite 1: Schreiben Jaeger an Adenauer über die Stärke des Bundesgrenzschutzes<br />

vom 25. November 1952, in: BArch B 126/10837.


Dokumente 457<br />

Dokument 7, Seite 2: Schreiben Jaeger an Adenauer über die Stärke des Bundesgrenzschutzes<br />

vom 25. November 1952, in: BArch B 126/10837.


458 Dokumente<br />

Dokument 8: Schreiben Adenauer an Strauß über die Reduzierung der Stärke<br />

des Bundesgrenzschutzes vom 4. Februar 1953, in: BArch B 136/1927.


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Juni bis 30. September 1963, hrsg. vom Institut für Zeitgeschichte, bearbeitet<br />

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Nebelin, München 1989, (zit. als: AA, Akten zur Auswärtigen Politik der<br />

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1949-1951, Bd. I).<br />

Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland, Adenauer und<br />

die Hohen Kommissare 1952, Bd. II, hrsg. von Hans-Peter Schwarz im Auftrag<br />

des Auswärtigen Amtes, bearbeitet von Frank-Lothar Kroll und Manfred<br />

Nebelin, München 1990, (zit. als: AA, Akten zur Auswärtigen Politik der<br />

BRD, Adenauer und die Hohen Kommissare 1952, Bd. II).<br />

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DOI 10.1007/978-3-<strong>658</strong>-<strong>10928</strong>-8, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2016


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Das Kabinett Ehard II, 20. September 1947 bis 18. Dezember 1950, Bd. 3, 1950,<br />

bearbeitet Oliver Braun, hrsg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen<br />

Akademie der Wissenschaften durch Rudolf Morsey, und von der<br />

Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayern durch Margit Ksoll-Marcon,<br />

München 2010. (zit. als: BADW, Kabinett Ehard II, Bd. 3).<br />

Das Kabinett Fehrenbach (1920/21), Bd. 1, hrsg. für die Historische Kommission<br />

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Quellenverzeichnis 505<br />

Erdmann und für das Bundesarchiv von Wolfgang Mommsen unter Mitwirkung<br />

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als: Der Parl. Rat, Bd. 2).<br />

Der Parlamentarische Rat 1948-1949, Akten und Protokolle, Bd. 3: Ausschuß<br />

für Zuständigkeitsabgrenzung, hrsg. vom Deutschen Bundestag und Bundesarchiv,<br />

bearbeitet von Wolfram Werner, Boppard am Rhein 1986. (zit. als:<br />

Der Parl. Rat, Bd. 3).<br />

Der Parlamentarische Rat 1948-1949, Akten und Protokolle, Bd. 4: Ausschuß<br />

für das Besatzungsstatut, hrsg. vom Deutschen Bundestag und Bundesarchiv,<br />

bearbeitet von Wolfram Werner, Boppard am Rhein 1989. (zit. als: Der Parl.<br />

Rat, Bd. 4).<br />

Der Parlamentarische Rat 1948-1949, Akten und Protokolle, Bd. 7: Entwürfe<br />

zum Grundgesetz, hrsg. vom Deutschen Bundestag und Bundesarchiv, bearbeitet<br />

von Michael Hollmann, Boppard am Rhein 1995. (zit. als: Der Parl.<br />

Rat, Bd. 7).<br />

Der Parlamentarische Rat 1948-1949, Akten und Protokolle, Bd. 8: Die Beziehungen<br />

des Parlamentarischen Rates zu den Militärregierungen, hrsg. vom<br />

Deutschen Bundestag und Bundesarchiv, bearbeitet von Michael F. Feldkamp,<br />

Boppard am Rhein 1995. (zit. als: Der Parl. Rat, Bd. 8).<br />

Der Parlamentarische Rat 1948-1949, Akten und Protokolle, Bd. 9: Plenum,<br />

hrsg. vom Deutschen Bundestag und Bundesarchiv, bearbeitet von Wolfram<br />

Werner, Boppard am Rhein 1996. (zit. als: Der Parl. Rat, Bd. 9).<br />

Der Parlamentarische Rat 1948-1949, Akten und Protokolle, Bd. 11: Interfraktionelle<br />

Besprechungen, hrsg. vom Deutschen Bundestag und Bundesarchiv,<br />

bearbeitet von Michael F. Feldkamp, Boppard am Rhein 1997. (zit. als: Der<br />

Parl. Rat, Bd. 11).<br />

Der Parlamentarische Rat 1948-1949, Akten und Protokolle, Bd. 13: Ausschuß<br />

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Rechtspflege, hrsg. vom Deutschen Bundestag und Bundesarchiv, bearbeitet<br />

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506 Quellenverzeichnis<br />

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hrsg. vom Deutschen Bundestag und Bundesarchiv, bearbeitet von<br />

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am Rhein 1988. (zit. als: BArch, Kabinett Marx III/IV).<br />

Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1949, hrsg. von Hans Booms für<br />

das Bundesarchiv, Bd. 1, bearbeitet von Ulrich Enders und Konrad Reiser,<br />

Boppard am Rhein 1982. (zit. als: BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg,<br />

Bd. 1).<br />

Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1950, hrsg. von Hans Booms für<br />

das Bundesarchiv, Bd. 2, bearbeitet von Ulrich Enders und Konrad Reiser,<br />

Boppard am Rhein 1984. (zit. als: BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg,<br />

Bd. 2).<br />

Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1950/II, hrsg. von Hans Booms<br />

für das Bundesarchiv, Bd. 3, bearbeitet von Ulrich Enders und Konrad Reiser,<br />

Boppard am Rhein 1986. (zit. als: BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg,<br />

Bd. 3).<br />

Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1951, hrsg. von Hans Booms für<br />

das Bundesarchiv, Bd. 4, bearbeitet von Ursula Hüllbüsch, Boppard am Rhein<br />

1988. (zit. als: BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 4).<br />

Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1952, hrsg. von Hans Booms für<br />

das Bundesarchiv, Bd. 5, bearbeitet von Kai von Jena, Boppard am Rhein<br />

1989. (zit. als: BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 5).<br />

Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1953, hrsg. von Hans Booms für<br />

das Bundesarchiv, Bd. 6, bearbeitet von Ulrich Enders und Konrad Reiser,<br />

Boppard am Rhein 1989. (zit. als: BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg,<br />

Bd. 6).<br />

Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1954, hrsg. von Friedrich P.<br />

Kahlenberg für das Bundesarchiv, Bd. 7, bearbeitet von Ursula Hüllbüsch und<br />

Thomas Trumpp, Boppard am Rhein 1993. (zit. als: BArch, Die Kabinettsprotokolle<br />

der BReg, Bd. 7).<br />

Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1955, hrsg. von Friedrich P.<br />

Kahlenberg für das Bundesarchiv, Bd. 8, bearbeitet von Michael Hollmann


Quellenverzeichnis 507<br />

und Kai von Jena, München 1997. (zit. als: BArch, Die Kabinettsprotokolle<br />

der BReg, Bd. 8).<br />

Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1956, hrsg. von Friedrich P.<br />

Kahlenberg für das Bundesarchiv, Bd. 9, bearbeitet von Ursula Hüllbüsch,<br />

München 1998. (zit. als: BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 9).<br />

Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1957, hrsg. von Hartmut Weber<br />

für das Bundesarchiv, Bd. 10, bearbeitet von Ulrich Enders und Josef Henke,<br />

München 2000. (zit. als: BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 10).<br />

Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1958, hrsg. von Hartmut Weber<br />

für das Bundesarchiv, Bd. 11, bearbeitet von Ulrich Enders und Christoph<br />

Schawe unter Mitwirkung von Ralf Behrendt, Josef Henke, Uta Rössel, München<br />

2002. (zit. als: BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 11).<br />

Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1959, hrsg. von Hartmut Weber<br />

für das Bundesarchiv, Bd. 12, bearbeitet von Josef Henke und Uta Rössel.<br />

Unter Mitwirkung von Ralf Behrendt, Markus Buth, Ulrich Enders und Christoph<br />

Schawe, München 2002. (zit. als: BArch, Die Kabinettsprotokolle der<br />

BReg, Bd. 12).<br />

Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1960, hrsg. von Hartmut Weber<br />

für das Bundesarchiv, Bd. 13, bearbeitet von Ralf Behrendt und Christoph<br />

Seemann, München 2003. (zit. als: BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg,<br />

Bd. 13).<br />

Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1961, hrsg. von Hartmut Weber<br />

für das Bundesarchiv, Bd. 14, bearbeitet von Ulrich Enders und Jörg Filthaut,<br />

München 2004. (zit. als: BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 14).<br />

Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1962, hrsg. von Hartmut Weber<br />

für das Bundesarchiv, Bd. 15, bearbeitet von Uta Rössel und Christoph Seemann<br />

unter Mitwirkung von Ralf Behrendt, Ulrich Enders und Josef Henke,<br />

München 2005. (zit. als: BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 15).<br />

Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1963, hrsg. von Hartmut Weber<br />

für das Bundesarchiv, Bd. 16, bearbeitet von Uta Rössel und Christoph Seemann<br />

unter Mitwirkung von Ralf Behrendt, Ulrich Enders und Josef Henke,<br />

München 2006. (zit. als: BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 16).<br />

Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1964, hrsg. von Hartmut Weber<br />

für das Bundesarchiv, Bd. 17, bearbeitet von Josef Henke und Uta Rössel,<br />

München 2007. (zit. als: BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 17).<br />

Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1966, hrsg. von Hartmut Weber<br />

für das Bundesarchiv, Bd. 19, bearbeitet von Christine Fabian und Uta Rössel


508 Quellenverzeichnis<br />

unter Mitwirkung von Ralf Behrendt und Christoph Seemann, München 2009.<br />

(zit. als: BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 19).<br />

Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1967, hrsg. von Hartmut Weber<br />

für das Bundesarchiv, Bd. 20, bearbeitet von Walter Naasner und Christoph<br />

Seemann unter Mitwirkung von Christine Fabian und Uta Rössel, München<br />

2010. (zit. als: BArch, Die Kabinettsprotokolle der BReg, Bd. 20).<br />

Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1968, hrsg. von Hartmut Weber<br />

für das Bundesarchiv, Bd. 21, bearbeitet von Christine Fabian und Uta Rössel<br />

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Doehl, Carl: Die ländliche Polizei-Verwaltung des Preußischen Staates: nach<br />

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Dokumente für das geteilte Deutschland, Quellentexte zur Rechtslage des Deutschen<br />

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Demokratischen Republik, Band I, hrsg. von Ingo von Münch, 2. Aufl., Stuttgart<br />

1976. (zit. als. Münch, Dokumente für das geteilte Deutschland).<br />

Dokumente zur Deutschlandpolitik: 1. Januar bis 31. Dezember 1950, II. Reihe,<br />

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von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (vormals<br />

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Quellenverzeichnis 509<br />

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510 Quellenverzeichnis<br />

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Personen- und Sachverzeichnis<br />

A<br />

Acheson, Dean ................................................................................................... 123<br />

Adenauer, Konrad ..... 58, 62, 63, 64, 75, 122, 124, 125, 130, 131, 132, 134, 139,<br />

140, 141, 142, 145, 148, 151, 152, 153, 154, 155, 156, 157, 163, 164, 165,<br />

166, 167, 168, 169, 170, 171, 172, 173, 184, 185, 187, 188, 189, 193, 199,<br />

203, 205, 211, 219, 225, 226, 227, 228, 229, 230, 231, 233, 244, 246, 248,<br />

249, 250, 251, 255, 261, 262, 271, 272, 283, 284, 285, 286, 328<br />

Alliierte Hohe Kommission ...................................... 114, 152, 162, 172, 202, 211<br />

Amt Blank ................................................................................................. 248, 256<br />

Amtshilfe ........................................................................................... 237, 356, 393<br />

Anders, Artur (SPD).......................................................................................... 329<br />

Angriffshandlungen ........................................................................................... 135<br />

Annexkompetenz ................................................................................................. 91<br />

Anstaltspolizei ........................................................................................... 146, 149<br />

Arndt, Claus (SPD)............................................................................................ 411<br />

Auflösung des Bundesgrenzschutzes ........................................ 245, 269, 274, 327<br />

Ausnahmezustand ................................................................................................ 28<br />

Äußere Sicherheit ...................................................................................... 129, 171<br />

B<br />

Bahnpolizei .......................................................................................................... 85<br />

Bahnschutzdienst ................................................................................................. 87<br />

Bahnschutzpolizei ............................................................................................... 87<br />

Baruch, Bernard M............................................................................................ 115<br />

Baudissin, Wolf Stefan Traugott Graf von ........................................................ 257<br />

Baum, Gerhart (FDP) ....................................................................................... 359<br />

Bayerische Grenzpolizei ................................................................... 191, 198, 336<br />

Becker, Max (FDP) ........................................................................................... 181<br />

Bedarfsgesetzgebung ............................................................................... 39, 51, 71<br />

Beermann, Friedrich ......................................................................................... 253<br />

Benda, Ernst (CDU).................................................................................. 366, 369<br />

Bérard, Armand ................................................................................................. 255<br />

Berber, Friedrich ............................................................................................... 301<br />

Berufsbild der Polizei ................................................................ 312, 329, 331, 333<br />

Bevin, Ernest ..................................................................................................... 120<br />

Bewaffneter Konflikt ................................................................................. 136, 322<br />

Blank, Theodor .......................................................................................... 248, 249<br />

Blankenhorn, Herbert ........................................................................................ 168<br />

D. Parma, Installation und Konsolidierung des Bundesgrenzschutzes 1949 bis 1972,<br />

DOI 10.1007/978-3-<strong>658</strong>-<strong>10928</strong>-8, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2016


512 Personen- und Sachverzeichnis<br />

Blücher, Franz (FDP) ............................................................................... 260, 279<br />

Bosbach, Wolfgang (CDU) ............................................................................... 359<br />

Brentano, Heinrich von (CDU)......................................................................... 219<br />

Brüsseler Pakt .................................................................................................... 120<br />

Bundesexekution ................................................................................................. 71<br />

Bundesgendarmerie ................................................................................... 155, 250<br />

Bundeskriminalamt ................................................................................... 102, 380<br />

Bundespolizeireserve................................................................................... 67, 414<br />

Bundesverteidigungsrat ............................................................................. 260, 279<br />

Bundeszollverwaltung ....................................................................................... 106<br />

Bundeszwang ....................................................................................................... 54<br />

Bürgerkriegstheorie ........................................................................................... 133<br />

Busse, Hermann (FDP) ............................................................................. 298, 338<br />

C<br />

Carstens, Karl (CDU) ....................................................................................... 368<br />

Clay, Lucius D. .............................................................................................. 63, 75<br />

Containment-Politik .......................................................................................... 116<br />

D<br />

Datei Gewalttäter-Sport ....................................................................................... 19<br />

De Chapeaurouge, Paul (CDU).......................................................................... 68<br />

De Gaulle, Charles ............................................................................................ 247<br />

De-facto Regime ................................................................................................ 134<br />

Dehler, Thomas (FDP)........................................................................ 75, 142, 145<br />

Diel, Anton (SPD).............................................................................................. 275<br />

Dorn, Wolfram (FDP) ....................................................................................... 329<br />

Dreimächtekonferenz 1945 ................................................................................. 54<br />

Durchbrechungslehre........................................................................................... 29<br />

E<br />

Egidi, Hans ................................................................................................ 153, 255<br />

Ehard, Hans (CSU) ............................................................. 68, 169, 194, 224, 230<br />

Ehlers, Adolf (SPD)........................................................................................... 270<br />

Einheitsstaat ......................................................................................................... 26<br />

Ellwanger-Kreis ................................................................................................... 52<br />

Engell, Hans Egon (GB/BHE)........................................................................... 276<br />

Entpolizeilichung ................................................................................................. 22<br />

Erler, Fritz (SPD).............................................................................................. 251<br />

Ermacora, Felix ................................................................................................. 306<br />

Erzberger, Matthias............................................................................................. 39<br />

Eschmann, Fritz (SPD) ..................................................................................... 272


Personen- und Sachverzeichnis 513<br />

Etzel, Hermann (BP) ......................................................................................... 180<br />

Explosivmittel ................................................................................................... 210<br />

F<br />

FDJ ............................................................................................................ 122, 129<br />

Flecken, Adolf (CDU) ....................................................................................... 220<br />

François-Poncet, André ............................................................................ 141, 152<br />

Frankfurter Dokumente ........................................................................... 53, 57, 69<br />

Freiwilligencorps ............................................................................................... 289<br />

Friedensburg, Ferdinand (CDU) ...................................................................... 264<br />

Fürsorgepflicht .................................................................................................. 329<br />

G<br />

Gefahrenabwehr ................................................ 12, 18, 20, 23, 101, 128, 391, 419<br />

Gefahrenvorsorge ................................................................................ 19, 127, 420<br />

Genehmigungsschreiben zum GG ............................................................... 65, 143<br />

Genscher, Hans-Dietrich .................................................................. 400, 404, 406<br />

Geprägeformel ....................................................................................................... 2<br />

Gewaltmonopol ............................................................................. 25, 27, 126, 129<br />

Gewerkschaft der Polizei .......................................................... 299, 327, 339, 416<br />

Gewerkschaft ÖTV............................................................................ 299, 333, 416<br />

Grenzaufsichtsdienst ................................................................................... 47, 106<br />

Grenzschutzdienstpflicht ........................................................... 348, 366, 370, 415<br />

Grenzschutz-Ost .................................................................................................. 44<br />

Grenzschutzreserve ........................................................................................... 352<br />

H<br />

Hagemann, Max ................................................................................................ 147<br />

Hamann, Andreas .............................................................................................. 308<br />

Hays, George ............................................................................................. 153, 163<br />

Heinemann, Gustav ................................................................................... 158, 251<br />

Heinze, Karl Rudolf ............................................................................................. 67<br />

Hellwege, Heinrich (DP)................................................................................... 270<br />

Hemfler, Karl (SPD).......................................................................................... 404<br />

Heusinger, Adolf ........................................................................ 130, 254, 283, 285<br />

Hirsch, Burkhard (FDP) ................................................................................... 359<br />

Hoch, Fritz (SPD)................................................................................................ 69<br />

Höcherl, Hermann (CSU) ......................................................... 294, 299, 311, 351<br />

Hoegner, Wilhelm (SPD)........................................................................... 194, 224<br />

Hölzl, Josef ........................................................................................................ 292<br />

I<br />

Ingerenzrecht ..................................................................................................... 176


514 Personen- und Sachverzeichnis<br />

Innenministerkonferenz ....................................................... 20, 299, 338, 377, 418<br />

Innere Führung .................................................................................................. 257<br />

Innere Sicherheit ........................................................................ 126, 264, 347, 403<br />

Internationale Polizeikonvention....................................................................... 298<br />

Internationaler bewaffneter Konflikt ......................................................... 135, 322<br />

J<br />

Jaeger, Richard (CSU).............................................................................. 194, 284<br />

Jahn, Gerhard (SPD) ........................................................................................ 368<br />

K<br />

Kalter Krieg ....................................................................................................... 115<br />

Kampfauftrag BGS .................................................................... 311, 342, 395, 425<br />

Katastrophennotstand ........................................................................................ 356<br />

Kennan, George F. ............................................................................................ 116<br />

Keyes, Geoffrey ................................................................................................. 286<br />

Kiesinger, Kurt Georg (CDU)........................................................... 355, 366, 378<br />

Kleindinst, Josef Ferdinand (CSU) ..................................................................... 67<br />

Koch-Weser, Erich (DDP) .................................................................................. 42<br />

Kollateralschaden .............................................................................................. 344<br />

Kombattantenstatus ........................................................................................... 288<br />

Koreakrieg ......................................................................................................... 123<br />

Köttgen, Arnold ................................................................................................. 147<br />

Krall, Lothar (FDP) .......................................................................................... 408<br />

Kreisauer Kreis .................................................................................................... 50<br />

Kreuzberg-Urteil ................................................................................................. 15<br />

Kriegsdienstverweigerung ......................................................................... 331, 374<br />

L<br />

Laforet, Wilhelm Georg Josef (CSU) . 52, 67, 68, 70, 71, 73, 75, 98, 99, 110, 174,<br />

180, 181, 192<br />

Lehr, Robert (CDU) .................................... 34, 179, 196, 201, 220, 244, 267, 337<br />

Leusser, Claus ................................................................................................... 275<br />

Lindauer-Abkommen ........................................................................................ 177<br />

Luftzwischenfall ................................................................................................ 358<br />

Lünenstraß, Kalr-Heinz (SPD).......................................................................... 298<br />

M<br />

Maier, Friedrich (SPD)..................................................................................... 259<br />

Mangoldt, Hermann von (CDU) ............................................................. 75, 81, 90<br />

Massaker von Dinant ......................................................................................... 291<br />

Matzky, Gerhard ................................................................................................ 258<br />

Meitmann, Karl (SPD) ...................................................................................... 265


Personen- und Sachverzeichnis 515<br />

Mellies, Wilhelm (SPD)..................................................................................... 276<br />

Mende, Erich (FDP).......................................................................................... 276<br />

Menzel, Walter (SPD) ............................................. 50, 66, 69, 169, 173, 198, 265<br />

Merk, Bruno (CSU) ........................................................................................... 403<br />

Merkatz, Hans Joachim von (DP)..................................................................... 260<br />

Militärischer Grenzschutz ........................................................................... 37, 252<br />

Musterentwurf Polizeigesetz ............................................................................. 418<br />

N<br />

Nathusius, Wilhelm von ..................................................................................... 159<br />

NATO ................................................................................ 131, 134, 244, 248, 282<br />

Noske, Gustav ...................................................................................................... 97<br />

Notstandsverfassung .......................................................................... 348, 355, 378<br />

Notwehr ..................................................................................................... 215, 235<br />

O<br />

Öffentliche Ordnung............................................................................................ 18<br />

Organleihe ................................................................................................. 237, 394<br />

Osswald, Albert (SPD) .............................................................................. 415, 427<br />

P<br />

Palais Schaumburg ............................................................................................ 219<br />

Parlamentspolizei .............................................................................................. 101<br />

Passkontrolldienst ...................................................................................... 223, 240<br />

Passnachschau ..................................................................................... 24, 197, 225<br />

Pensky, Heinz (SPD) ......................................................................................... 406<br />

Pfeiffer, Anton (CSU) .......................................................................................... 63<br />

Platen, Detlev von ............................................................................................. 388<br />

Pleven, René ...................................................................................................... 246<br />

Polizeibrief .......................................................................................................... 62<br />

Polizeihoheit der Länder 68, 82, 98, 140, 146, 154, 193, 200, 207, 378, 406, 407,<br />

417<br />

Polizeipuffer-Theorie ................................................ 134, 135, 136, 138, 282, 368<br />

Präsidialdiktatur ................................................................................................... 29<br />

Preger, Konrad von ............................................................................................. 43<br />

Preuß, Hugo .................................................................................................. 14, 28<br />

Preußenschlag ................................................................................................ 31, 46<br />

Preußische Polizei ....................................................................................... 31, 211<br />

Prioritätstheorie ..................................................... 6, 245, 267, 274, 280, 283, 434<br />

Programm für die innere Sicherheit .................................................................. 418<br />

R<br />

Reichskriminalpolizeiamt .................................................................................... 42


516 Personen- und Sachverzeichnis<br />

Reichspräsident ............................................................................................. 29, 45<br />

Reichswasserschutz ......................................................................... 38, 43, 97, 108<br />

Reichswehr .......................................................................... 31, 37, 39, 44, 97, 256<br />

Reismann, Bernhard .......................................................................................... 181<br />

Remilitarisierung ....................................................... 115, 131, 169, 181, 230, 245<br />

Renner, Heinz ...................................................................................................... 73<br />

Requisitionsrecht ................................................................................................. 72<br />

Reservatrecht ................................................................................................. 9, 437<br />

Ritter von Lex, Hans (CSU)....................................................... 153, 197, 225, 274<br />

Robertson, Brian H............................................................................................ 154<br />

Ruhnau, Heinz (SPD) ........................................................................................ 402<br />

S<br />

Schäfer, Friedrich (SPD) .................................................................................. 322<br />

Schäffer, Fritz (CSU)......................................................................................... 199<br />

Scheuner, Ulrich ................................................................................................ 313<br />

Schifffahrtspolizei ......................................................................................... 43, 97<br />

Schmidt, Helmut (SPD) ............................................................................. 296, 357<br />

Schmitt, Carl .................................................................................................. 28, 32<br />

Schmitt-Vockenhausen, Hermann (SPD) .......................................... 275, 321, 368<br />

Schneider, Heinrich (SPD)................................................................................ 269<br />

Schröder, Gerhard (CDU) ................................................ 227, 259, 271, 281, 348<br />

Schutz von Bundesorganen ............................... 146, 241, 390, 393, 398, 413, 421<br />

Schwalber, Josef (CSU)............................................................................... 76, 193<br />

Schwerin, Gerhard Dettloff Graf von ................................................................ 250<br />

Schwerpunktprogramm „Innere Sicherheit“ ............................................. 381, 391<br />

Sicherheitspolizei ................................................................................................ 39<br />

Sonderpolizei ....................................................... 10, 23, 34, 55, 85, 266, 335, 407<br />

Souveränität ......................................................................................................... 27<br />

Speidel, Hans ..................................................................................................... 130<br />

Sperrwirkung ............................................................................................... 83, 198<br />

Staatsgewalt ........................................................................................... 26, 32, 132<br />

Staatskerntheorie ............................................................................................... 133<br />

Staatsnotstand ...................................................................................................... 29<br />

Steel, Christopher .............................................................................................. 165<br />

Steinhoff, Fritz (SPD)........................................................................................ 240<br />

Straftatenverhütung ..................................................................................... 20, 104<br />

Strafverfolgungsvorsorge .................................................................................... 20<br />

Strauß, Franz Josef (CSU) ........................................................................ 260, 283<br />

Strauß, Walter (CDU) ......................................................................................... 52<br />

Strompolizei ........................................................................................................ 99<br />

Stülpnagel, Friedrich von .................................................................................. 257


Personen- und Sachverzeichnis 517<br />

Suhr, Otto ............................................................................................................ 48<br />

T<br />

Trennungsgebot ........................................................................................... 60, 144<br />

Truman, Harry S........................................................................................ 116, 157<br />

Truman-Doktrin ................................................................................................. 116<br />

V<br />

Verfassungsautonomie ........................................................................................ 32<br />

Verfassungskonvent ............................................................................................ 50<br />

Verfassungsmäßige Ordnung ............................................................................ 159<br />

Verfassungsnotstand ............................................................................................ 29<br />

Verteidigungsauftrag ......................................... 307, 310, 315, 331, 333, 349, 392<br />

Verwaltungsabkommen BePo ........................................................................... 174<br />

Völkerrechtliche Anerkennung DDR ........................................................ 137, 323<br />

Volkspolizei ................................................................... 45, 55, 134, 188, 211, 218<br />

Vorranggesetzgebung .......................................................................................... 51<br />

W<br />

Wagner, Friedrich Wilhelm (SPD)...................................................................... 98<br />

Westdeutsche Satzung ......................................................................................... 50<br />

Wittmann, Fritz (CSU) ...................................................................................... 411<br />

Wohlfahrtspolizei ................................................................................................ 12<br />

Z<br />

Zentrale für Heimatdienst .................................................................................. 250<br />

Zinn, Georg August (SPD) .................................................................................. 75<br />

Zollaufsichtsdienst............................................................................................... 79<br />

Zollgrenzdienst .............................................................. 44, 80, 161, 165, 336, 386<br />

Zollgrenze .............................................................................................. 36, 79, 106<br />

Zollgrenzschutz ..................................................................................... 45, 79, 106<br />

Zollschutz ............................................................................................................ 37<br />

Zollverein ............................................................................................................ 36<br />

Zwei-Lager-Theorie .......................................................................................... 119<br />

Zwei-Staaten-Theorie ........................................................................................ 136

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