Agoraphobie-Patienten erzählen – Sprachliche Verfahren bei der ...
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etont 95 : Der Panikanfall ist "in dem Moment" (Tina I: 551), "plötzlich" (Pascal: 64)<br />
o<strong>der</strong> "auf einmal" (Jana: 389, 455; Tina II: 535, 547), eben "einfach so" (Pascal:<br />
71, 150, 848, 860) da. Die explizite Formulierung von Schlagartigkeit kann aber<br />
auch durch die genaue Beschreibung <strong>der</strong> äußeren Umstände, in denen ein<br />
Panikanfall nicht zu erwarten ist und einfache "und dann"-Anschlüsse ersetzt<br />
werden. Auch die Formulierung "Anfälle passieren" fokussiert das Konzept <strong>der</strong><br />
Beginn/das Eintreten von Panik ist abrupt/unvorhersehbar. Hier liegt allerdings ein<br />
an<strong>der</strong>es Konzept als das <strong>der</strong> selbstständig agierenden Entität zu Grunde, nämlich<br />
Panikanfall als Ereignis (Pascal: 63, 913, 1363, 1566ff.). Dem Ich kommt jedoch<br />
auch hier eine gleichermaßen passive Rolle zu (vgl. auch "Panikattacke bekommen";<br />
Pascal: 1160; Tina II: 180). Dass Panikanfälle auch "kommen" (Tina I: 595; Tina II:<br />
195, 775; Pascal: 612) o<strong>der</strong> "auftauchen" (Pascal: 764, 1157), verweist bereits<br />
deutlich auf eine extern lokalisierte Herkunft o<strong>der</strong> "Außenverortung" (Surmann<br />
2002: 114; 2005: 202), die sich auch <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Konzeptualisierung des Panikanfalls<br />
selbst herauskristallisiert.<br />
Panikanfälle werden grundsätzlich negativ konzeptualisiert. Pascal bringt dies z.B.<br />
durch die ironische Äußerung "das is mit sIcherheit kein geschEnk gOttes" (Pascal:<br />
Z.1215) zum Ausdruck. Die Sprecher konzeptualisieren Panik relativ einheitlich als<br />
Bedrohung o<strong>der</strong> Gefahr. Das äußert sich an Stellen, wo von echten Todesängsten<br />
berichtet wird (vgl. z.B. Jana: 443, Pascal: 863, Tina I: 607 und Tina II: 239), aber<br />
auch dort, wo ausdrücklich von "Panik- o<strong>der</strong> Angstattacken" (eine extrem<br />
vorherrschende Formulierung <strong>bei</strong> Pascal, vgl. auch Jana: 07, 421; Tina I: 349 und<br />
Tina II: 1029) die Rede ist. Obgleich dies ein anerkannter Terminus aus <strong>der</strong><br />
medizinischen Fachsprache ist, ist seine Verwendung doch aussagekräftig. Durch<br />
"Panik-Attacke" (frz. Angriff) wird die Panik(erkrankung) eindeutig als Angreifer<br />
bzw. Gegner konzeptualisiert. Innerhalb dieses Konzepts Panik als Gegner etablieren<br />
die Sprecher durch Anthropomorphisierungen und unterschiedliche<br />
Kampfmetaphern sogar häufig einen personalisierten Gegner bzw. Angreifer. Jana<br />
hat das Gefühl, "als WÜRDE mich einer WÜRgen" (392), und das Ich "kämpft"<br />
95<br />
Auffällig ist, dass diese Hervorhebung <strong>der</strong> Schlagartigkeit des Anfalls oftmals <strong>der</strong><br />
Darstellung des Ereignisablaufs wi<strong>der</strong>spricht. Häufig werden bereits vor <strong>der</strong> "plötzlich"<br />
eintretenden Panik spezifische Anfallssymptome bzw. <strong>der</strong>en Wahrnehmung geäußert, <strong>der</strong><br />
Anfall aber dennoch als unvorhersehbar und überraschend markiert.<br />
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