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Agoraphobie-Patienten erzählen – Sprachliche Verfahren bei der ...

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die körperlichen Symptome "herzrasen" und "SCHWEIßausbrüche" anerkennt und<br />

als "SCHEIß gefÜhl" bewertet (1175-1177), beruhigt das erlebende Panik-Ich (1178-<br />

1181). Im Unterschied zu Beispiel 31 und den in Kapitel 4.5 analysierten<br />

Gesprächsausschnitten kommt es hier zu einer Doppelung des Ich innerhalb des<br />

erzählten Selbst. Rationales und panisches Ich existieren simultan, sind Teile eines<br />

Subjekts und treten in eine Dialogbeziehung 91 ein, indem das rationale Ich das<br />

panische in <strong>der</strong> 2. Person direkt anspricht (Vgl. u.a. auch Tina I: 49-59; Pascal:<br />

1386-1389; Jana: 228; Tina II: 328-332).<br />

Diese "INNerliche stImme" (Tina II: 332), die sich in direkter Rede an das Panik-Ich<br />

wendet, kann beruhigen o<strong>der</strong> imperativisch zu konkreten Handlungen auffor<strong>der</strong>n<br />

(z.B. Pascal: 1019-1033). Es kann mahnen und auch drohen:<br />

Bsp. (33) Tina II (CD ab 12:35)<br />

348 Ti .hh und IMMer <strong>der</strong> gedAnke, (-)<br />

349 ;<br />

350 ;<br />

351 ;<br />

352 die dEnken du hast ne MEIse; ja,<br />

Die Beispiele zeigen, dass die Sprecher <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Rekonstruktion innerer Dialoge des<br />

dualen Ich die üblichen Strategien <strong>der</strong> Redegestaltung einsetzen. Tina vermittelt<br />

nicht nur inhaltlich ein drohendes Simultan-Ich, son<strong>der</strong>n kontextualisiert dessen<br />

Rede auch prosodisch dementsprechend: Tempo, Lautstärke und Stimmfarbe<br />

wirken bedrohlich und unheimlich. Nicht immer spricht die rationale Stimme des<br />

Selbst:<br />

Bsp. (34) Tina II (CD ab 07:20)<br />

214 Ti .hh ((schluchzt)) und ich hab dann immer mir gedacht,<br />

215 ;<br />

91<br />

In Anlehnung an Freuds Modell des Subjekts, können solche "inneren Dialoge" als Zeugnis<br />

<strong>der</strong> Vermittlung zwischen "Es" und "Über-Ich" aufgefasst werden. Die Rekonstruktion eines<br />

Dialogs innerhalb des Subjekts ist aber auch aus philosophischer Perspektive vielsagend. Für<br />

Martin Buber etwa ist die Dialogbeziehung zwischen einem 'Ich' und einem 'Du' notwendige<br />

Bedingung, damit etwas überhaupt 'Ich' o<strong>der</strong> 'Selbst' werden kann: "Ich werde am Du; Ich<br />

werdend spreche ich Du. Alles wirkliche Leben ist Begegnung.". (Martin Buber 1938; zitiert<br />

nach <strong>der</strong> Reclam Ausgabe 2004: 12). Übertragend könnte man sagen, dass das Ich viele<br />

"Stimmen" vereint und sich erst durch <strong>der</strong>en Dialog konzipiert und wirkliches Selbst wird.<br />

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