Agoraphobie-Patienten erzählen – Sprachliche Verfahren bei der ...
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Kategorie <strong>–</strong> in Gesprächen über die eigene Angsterkrankung <strong>–</strong> zur Mono-Kategorie<br />
<strong>der</strong> Identitätskonstitution werden.<br />
Der Begriff "normal" wird von den Sprechern entwe<strong>der</strong> als Kontrastfolie präsentiert<br />
o<strong>der</strong> in Kombination mit Vagheitsmarkierungen nur mit eingeschränkter Gültigkeit<br />
auf die eigene Person angewendet. Thomas <strong>bei</strong>spielsweise sagt es koste ihn "halt<br />
KRAFT dieses äh dieses AUFRECHTzuerhalten weißt=e, so dieses .hh so wie ich ja<br />
EIgentlich normal BIN, BIN ich ja auch, aber es kostet halt KRAFT" (Thomas: 447-<br />
451).<br />
Identität konstituiert sich in den vorliegenden Gesprächen wesentlich o<strong>der</strong><br />
hauptsächlich über die Angsterkrankung und es kann zu einer vollkommenen<br />
Identifikation mit ihr kommen:<br />
Bsp. (24) Tina I (CD ab 27:01)<br />
712 Ti dat war EINfach (.) mir hat man nen NAmen gegeben;(-)<br />
713 Ju ja<br />
714 Ti weil ick (.) hier äh ich leide unter ANGST und PAnik<br />
war für misch nischt;<br />
715 ich wollt nen NAMEN haben wie AN<strong>der</strong>e sagen,<br />
716 die haben KREBS,<br />
717 AIDS,<br />
718 MAgenjeschwür,<br />
719 BRUSTkrebs,<br />
720 Ju mhm<br />
721 Ti ja,<br />
722 ick wollte OOCH nen namen habn.<br />
723 und den HAB ick dann im krankenhaus bekommen;<br />
Tina betont in dieser Gesprächssequenz zum einen das Ausmaß und die persönliche<br />
Relevanz ihrer Angsterkrankung: Sie rückt sie in den Zusammenhang an<strong>der</strong>er,<br />
listenförmig präsentierter schwerer Erkrankungen, von denen mindestens drei<br />
tödlich verlaufen können (716-719) und betont so den Leidensdruck, den sie mit <strong>der</strong><br />
Krankheit verbindet. Die Diagnose durch den Arzt, die professionelle Kategorisierung<br />
<strong>der</strong> Symptome, wird ausdrücklich als identitätsstiftendes Ereignis präsentiert.<br />
Während Pascal auf seiner Homepage schreibt, die Krankheit habe endlich einen<br />
Namen (s.o., Kap. 5.1), präsentiert Tina das Personalpronomen <strong>der</strong> ersten Person<br />
als Dativobjekt dieser Namensgebung (712).<br />
"Fremdpositionierung") ist "die direkte o<strong>der</strong> indirekte Zuschreibung von Bestimmungsstücken<br />
zur eigenen Person" (Deppermann/Lucius-Hoene 2004: 196).<br />
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