Agoraphobie-Patienten erzählen – Sprachliche Verfahren bei der ...
Agoraphobie-Patienten erzählen – Sprachliche Verfahren bei der ...
Agoraphobie-Patienten erzählen – Sprachliche Verfahren bei der ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Zu diesen Stationen gehören <strong>der</strong> erste akute Panikanfall, die Diagnosestellung, die<br />
in vielen Fällen erst Jahre später stattfindet, und die Therapie(n).<br />
Diese Elemente werden in allen vorliegenden Gesprächen thematisiert und durch<br />
verschiedene Strategien <strong>der</strong> kommunikativen Gewichtung in ihrer Relevanz deutlich<br />
hochgestuft. Die Sprecher skizzieren <strong>bei</strong> <strong>der</strong> narrativen Rekonstruktion ihrer<br />
Krankengeschichte einen Entwicklungsprozess <strong>der</strong> eigenen Person. Sie nehmen<br />
durch Kategorisierungen und Positionierungsaktivitäten Bezug auf ihr vergangenes<br />
und ihr gegenwärtiges Ich und setzen sich selbstreflexiv mit <strong>der</strong> eigenen Person<br />
auseinan<strong>der</strong>.<br />
Auf die Frage nach dem Erlebnis, welches "noch GANZ beson<strong>der</strong>s (-) TIEF drin<br />
hängt", antwortet <strong>bei</strong>spielsweise Tina ohne zu zögern: "das is mein ERster<br />
panikanfall, […] DER sitzt mir noch SEHR inne knochen; DA fing das ALLes an"<br />
(Tina II: 461-467). Das Ereignis "erster Panikanfall" markiert einen Wendepunkt,<br />
einen "Planbruch" 82 im Leben <strong>der</strong> Betroffenen. Mit ihm fängt "das ALLes an" <strong>–</strong> eine<br />
Odyssee <strong>der</strong> Ungewissheit, <strong>der</strong> Orientierungslosigkeit, <strong>der</strong> Hilflosigkeit, <strong>der</strong><br />
Unsicherheit und des Selbstzweifels.<br />
Die Betroffenen sind "VOLLkommen überfOr<strong>der</strong>t mit <strong>der</strong> situation" (Pascal: 123). Sie<br />
fürchten eine schwere Erkrankung und gehen teilweise "JEDEN abend eigentlich in<br />
die↑NOTaufnahme" (Jana: 427). Sie werden von "doktor A bis doktor ZETT" (Tina I:<br />
628) geschickt. Doch ein Arzt "SAGT dir ja nich zuerst-/ja sie könnten auch anna<br />
PHOBIE leiden; son<strong>der</strong>n denken ja AUCH erst mal du hast sonst was fürn leiden"<br />
(Jana: 435-438). Die Betroffenen müssen sich also zahlreichen Untersuchungen<br />
unterziehen: "- Allet wurde unterSUCHT" (Tina I:<br />
630-633). Sie werden "DURCHgecheckt bis zum gehtnichtmehr" (Pascal: 162) und<br />
hören immer dasselbe: "ABso:lu:t (.) ALles in ordnung" (Pascal: 164).<br />
Bsp. (19) Jana (CD ab 32:07)<br />
440 Ja und das war eigentlich das SCHLIMMste-<br />
441 dieses UNgewisse,<br />
442 das ich halt nich WUSSTE was mit mir LOS is;<br />
82<br />
Quasthoff (1980) entwickelt das Konzept des "Planbruchs", um das Kriterium<br />
"Erzählwürdigkeit" konversationeller Narrationen zu spezifizieren.<br />
69