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Agoraphobie-Patienten erzählen – Sprachliche Verfahren bei der ...

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eigene Verhalten wird als "UNnormal" (487) eingestuft und dem von "norMALen<br />

menschen" (494) entgegengestellt.<br />

Weitere Kontrastbereiche stellen im obigen Beispiel auch Vorstellung und Realität<br />

dar: Das, was sich <strong>bei</strong> Thomas "VORher" im "KOPF abspielt" (499), steht in<br />

Opposition zur Realität, in <strong>der</strong> "es überHAUPT nich so ↑IS nachher" (502).<br />

Kontrastierungen zur Realität finden sich auch in Bezug auf die eigenen<br />

Sinneseindrücke und Sinneswahrnehmungen: Dann wird häufig mit Hilfe<br />

adversativer Strukturen das eigene Empfinden "normalen" o<strong>der</strong> "realistischen"<br />

Wahrnehmungen entgegengestellt. Thomas sagt z.B., ihm sei während einer<br />

Panikattacke im Zug, "↑SO WARM geworden; obwohls NICH warm ↑WAR in dem<br />

zug" (Thomas: 270 f.; vgl. auch Tina II: 393-397).<br />

Durch die Kontraste und Oppositionen, die Thomas im Gespräch aufstellt, wird das<br />

eigene Ich, sein Denken, Empfinden und Verhalten jenseits von "Normalität" und<br />

Rationalität" 77 , sogar jenseits von "Realität" verortet:<br />

begründete Angst (476) vs. irrationale Angst (492)<br />

normale Angst (Lampenfieber) (494) vs. eigene Panikangst (493)<br />

normales Verhalten (an<strong>der</strong>er) vs. eigenes unnormales Verhalten (487)<br />

normale Menschen (494) vs. Ich<br />

Realität vs. Vorstellung/subjektive Wahrnehmung<br />

Durch Kontrastierungen verweisen die Sprecher auf die Spezifik ihres Erlebens, ihres<br />

Empfindens, Verhaltens o<strong>der</strong> ihres Seins, indem es in Relation zu <strong>der</strong><br />

alltagsweltlichen Vorstellung von Normalität präsentiert wird: Dem Extrem wird die<br />

relationale Größe Normalität (oppositär) entgegengestellt. Kontrastierungen, die in<br />

den vorliegenden Gesprächen immer wie<strong>der</strong> auftreten, betonen diese<br />

An<strong>der</strong>sartigkeit und thematisieren sie explizit. Irrationalität und An<strong>der</strong>sartigkeit<br />

werden so zu zentralen Merkmalen <strong>der</strong> Extremerfahrung "Panik" erklärt. Gleichzeitig<br />

wird aber auch das eigene Wissen um eben diese Irrationalität betont und damit<br />

paradoxerweise auch das Gegenteil: Rationalität. Wenn die eigene Person als<br />

anormal und/o<strong>der</strong> irrational eingestuft wird, nehmen die Sprecher eine objektive<br />

Perspektive ein. Aus dieser Perspektive lässt sich zwischen prinzipiell koexistenten<br />

77 Vgl. auch Günthner (2006: 12).<br />

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