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Agoraphobie-Patienten erzählen – Sprachliche Verfahren bei der ...

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Während Thomas sein erstes Beispiel (132-136) zur Konkretisierung "bestimmter<br />

unangenehmer Situationen" in Form einer knappen typisierenden Benennung<br />

präsentierte und das zweite (137-154) durch die Entwicklung eines ausgebauten<br />

imaginierten Szenarios veranschaulichte, handelt es sich in dieser Sequenz um eine<br />

selbstinitiierte Beispielerzählung in reduzierter Form. Es liegt eine Hybridbildung aus<br />

episodischem und typisierenden Beispiel vor: Thomas erzählt in <strong>der</strong> 1. Person von<br />

einem "konkreten" Situationstyp ("beTRIEBSfest, einmal im jahr", Z. 156f.) aus<br />

seiner Vergangenheit ("als ICH früher geLERNT hatte", 155). Im Gegensatz zu <strong>der</strong><br />

knappen Situationsbenennung in Z. 132-136 besitzt diese Sequenz bereits<br />

größtenteils die charakteristische Binnenstruktur von Erzählungen 66 . Die<br />

exemplarische Funktion <strong>der</strong> Beispielerzählung wird erneut durch Vagheitsindikatoren<br />

wie "meinetwegen", aber auch durch den vagen Konkretheitsgrad insgesamt betont.<br />

In einer Art Erzählcoda wird die dargestellte Situation generalisierend ausgewertet<br />

und <strong>der</strong> Bezug zur aktuellen Krankheitssituation hergestellt.<br />

Auch im weiteren Gesprächsverlauf wird deutlich, dass (meist generalisierbare) Bei-<br />

spiele und Szenarios eine bevorzugte Darstellungsform für Thomas sind. Er<br />

verwendet die Einleitungsform "zum Beispiel" alleine in <strong>der</strong> Anfangssequenz des<br />

Gesprächs 13 Mal, bevor er in Z. 226 explizit aufgefor<strong>der</strong>t wird, eine "↑GANz<br />

bestIMMTE situation", nämlich seine "SCHLIMMste angst" (226) zu beschreiben.<br />

Doch Thomas unterbricht auch narrative Rekonstruktionen konkreter Erlebnisse<br />

durch Verallgemeinerungsindikatoren und generalisierende Einschübe (vgl. z.B.<br />

236). Es zeigt sich, dass die Konkretisierung selbst, um die Thomas sich durch das<br />

Anführen von Beipielen offensichtlich bemüht, in letzter Konsequenz auch sein<br />

darstellerisches Problem ausmacht. Während sowohl Tina als auch Jana bereitwillig<br />

und meist selbstinitiiert episodische Anfallsrekonstruktionen liefern und so von sich<br />

aus auf dieses konkretisierende Veranschaulichungsverfahren rekurrieren, zeigen<br />

Thomas und Pascal da<strong>bei</strong> teilweise Schwierigkeiten 67 . Pascal äußert diese<br />

Problematik explizit. Als er gegen Ende unseres Gesprächs noch einmal dazu<br />

aufgefor<strong>der</strong>t wird, eine "konkrete situatIOn" (Pascal: 1546) zu schil<strong>der</strong>n, antwortet<br />

66<br />

Zur Binnenstruktur <strong>der</strong> Erzählung vgl. die klassischen Ar<strong>bei</strong>ten von Labov und Waletzky<br />

(1967/1973).<br />

67<br />

Auf <strong>der</strong> Grundlage des in dieser Ar<strong>bei</strong>t analysierten Datenmaterials kann daher von einer<br />

"gen<strong>der</strong>spezifischen" Problematik ausgegangen werden, was jedoch noch zu prüfen wäre.<br />

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