Agoraphobie-Patienten erzählen – Sprachliche Verfahren bei der ...
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Sie schafft eine Kommunikationsbasis, indem sie einen gemeinsamen<br />
Vorstellungsraum, eine Art geteiltes Wissen etabliert, um ihrer schwierigen<br />
Vermittlungsaufgabe nachzukommen. Knapp 100 Zeilen weiter im Transkript, immer<br />
noch im Kontext <strong>der</strong> ersten Panikerfahrungen, steht folgende Sequenz:<br />
Bsp. (10) Tina II (CD ab 24:00)<br />
661 Ti und am MOntag früh ging das WIE<strong>der</strong> los;<br />
662 .hh WIE<strong>der</strong> die HITZE im gesicht,<br />
663 dieses HERZrasen,<br />
664 dann HAB ich=n geFÜHL,<br />
665 kam daZU,<br />
666 äh als WENN ich eine (.) schwEre STAHLplatte auf=m<br />
KOPF hab,<br />
667 auf <strong>der</strong> schÄdeldecke,<br />
668 Ju hm<br />
669 Ti und (-) es RUNterdrückt;<br />
670 Ju hmhm<br />
Erneut kommt Tina auf die charakteristischen Symptome "HITZE im gesicht" und<br />
"dieses HERZrasen" zurück. Allerdings benennt sie diesmal lediglich die Symptome<br />
und führt keine weiteren Vergleiche zur Veranschaulichung an. Sowohl "WIE<strong>der</strong>" in<br />
Z. 662, als auch durch das Pronomen "dieses" verweisen anaphorisch auf bereits<br />
Bekanntes und markieren, dass den benannten Symptomen die gleichen<br />
Eigenschaften, wie den zuvor beschriebenen zukommen. Tina setzt nun ein geteiltes<br />
Wissen um die Beschaffenheiten <strong>der</strong> "HITZE im gesicht" (538 ff.: ≈ Rot-Werden)<br />
und des "HERZrasen(s)" (568-578 ≈ kochendes Wasser und seine Dynamik) voraus<br />
und führt das neue, hinzukommende "geFÜHL" 63 wie<strong>der</strong>um durch einen Vergleich<br />
ein: "als WENN ich eine (.) schwEre STAHLplatte auf=m KOPF hab" (Z. 666). Sie<br />
präzisiert ihr Gefühl durch den Vergleich mit einer alltagsweltlichen Körpererfahrung<br />
(Gefühl ≈ Gewicht auf dem Kopf). Dass es sich <strong>bei</strong> diesem Gewicht um eine<br />
"schwEre STAHLplatte […] auf <strong>der</strong> schÄdeldecke", die "RUNterdrückt", handelt,<br />
veranschaulicht die Intensität und die grundsätzlich negative Beschaffenheit des<br />
Gefühls (Gefühl ≈ Druck/Last auf dem Kopf/<strong>der</strong> Schädeldecke). Damit geht es in<br />
63<br />
In meinem Datenkorpus werden Symptome und sinnliche Wahrnehmungen immer wie<strong>der</strong><br />
mit dem Ausdruck "Gefühl" belegt, <strong>der</strong> dann stellenweise nahezu als Terminus verwandt<br />
wird. Schwabe weist auch in Bezug auf Epilepsien darauf hin, dass Anfallssymptome "von<br />
Seiten <strong>der</strong> <strong>Patienten</strong> häufig als 'Gefühl' konzeptualisiert bzw. mit einem Gefühl gleichgesetzt"<br />
(2004: 236) werden.<br />
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