Agoraphobie-Patienten erzählen – Sprachliche Verfahren bei der ...
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Tina beginnt die Schil<strong>der</strong>ung ihrer Wahrnehmung mit Verzögerungen. Langsameres<br />
Sprechen, Zögerungspartikel, Pausen und ein Abbruch in Z. 537 kündigen eine<br />
Formulierungs- und Vermittlungsschwierigkeit an, zu dessen Lösung ein Vergleich<br />
herangezogen wird. Das Gefühl aufsteigen<strong>der</strong> Hitze im Gesicht wird mit dem Gefühl<br />
des "Rot-Werdens" junger Mädchen in Beziehung gesetzt. Damit wird eine Analogie<br />
zwischen <strong>der</strong> spezifischen körperlichen Wahrnehmung im Panikanfall und einer<br />
alltäglichen und damit dem Gegenüber zugänglichen Körpererfahrung hergestellt 61 .<br />
Tina stellt auf diese Weise einen deutlichen Adressatenbezug her, da ihre<br />
Gesprächspartnerin <strong>der</strong> Kategorie junger Mädchen tatsächlich angehört. Der<br />
Vergleich beleuchtet da<strong>bei</strong> zwei Aspekte desselben Symptoms: Das Tertium<br />
comparationis liegt sowohl im Hitzegefühl an sich, als auch in <strong>der</strong> Prozesshaftigkeit<br />
und <strong>der</strong> Dynamik seiner Entwicklung.<br />
Tina fährt in ihrer Erzählung fort und benennt weitere Symptome wie Herzrasen und<br />
Atemnot, bevor sie erneut einen Vergleich anbringt:<br />
Bsp. (9) Tina II (CD ab 21:28)<br />
559 Ti und (--) wir waren dann ESSen,<br />
560 und ich hab gesAgt,<br />
561 ,<br />
562 ,<br />
563 .hh (-) und ich hat auch angst weil meine KIN<strong>der</strong><br />
kuckten mich dann an,<br />
564 WAT mit mir LO:S is,<br />
565 und hab gesagt ;<br />
566 ;<br />
567 und das war so:(-),<br />
568 WIE wenn kartOffeltopf überkocht;<br />
Tina leitet in Z. 567 den Vergleich ein, <strong>bei</strong> dem zunächst nicht klar ist, worauf er<br />
sich bezieht o<strong>der</strong> worin <strong>der</strong> Ähnlichkeitsbezug liegt: "das war so: (-), WIE wenn<br />
61<br />
Vgl. dazu Günthner (2006), die in diesem Zusammenhang mit dem "mental spaces-<br />
Modell" argumentiert: "Der Bezug zwischen den "mental spaces" wird durch den Transfer<br />
<strong>der</strong> Beschreibung von einer Domäne (<strong>der</strong> Alltagswirklichkeit […]) zu einer an<strong>der</strong>en Domäne<br />
(<strong>der</strong> innerpsychischen Erfahrungswelt: das Erleben einer Panikattacke) konstruiert und hat<br />
hier wichtige interaktive Funktionen: Die Übertragung ermöglicht es den RezipientInnen,<br />
Aspekte <strong>der</strong> Panikerfahrung auf <strong>der</strong> Basis alltäglicher Körpererfahrung zu begreifen" (2006:<br />
6). Auch Brünner/Gülich stellen fest, dass "Vergleiche von den PatientInnen insbeson<strong>der</strong>e<br />
dazu eingesetzt werden, ihre Empfindungen, Wahrnehmungen und Wahrnehmungsstörungen<br />
<strong>bei</strong> Anfällen in ihrer charakteristischen Qualität zu veranschaulichen und dem ärztlichen<br />
Gesprächspartner so zugänglich zu machen […]" (2002: 67).<br />
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