Agoraphobie-Patienten erzählen – Sprachliche Verfahren bei der ...
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Darstellung von Emotionen und subjektiven (Panik-)Erfahrungen. Die<br />
Erzählkommunikation bietet den Sprechern eine Plattform und erlaubt sogar "eine<br />
Überwindung von Unbeschreibbarkeitsproblemen".<br />
Mitunter (eventuell sogar regelhaft) werden durch Erzählungen Dinge unverhofft sagbar,<br />
die durch Fragen nicht in Erfahrung zu bringen wären o<strong>der</strong> auch nie ‚von sich aus’<br />
gesagt würden […]. (Surmann 2005: 127)<br />
Erzählungen führen den Analytiker "unmittelbar in das Zentrum <strong>der</strong> subjektiven<br />
Erfahrungen und Sichtweisen" des Erzählers (Lucius-Hoene/Deppermann 2004: 9)<br />
und damit zu Erkenntnissen über höchst subjektive, schwer vermittelbare und nur<br />
bedingt nach-vollziehbare Erlebensinhalte.<br />
Der Grund dafür sind beson<strong>der</strong>e Anfor<strong>der</strong>ungen und Zugzwänge, denen <strong>der</strong> Erzähler<br />
<strong>bei</strong> <strong>der</strong> Rekonstruktion vergangener Ereignisse gerecht werden muss. Obwohl das<br />
Erzählen eine Grundform alltäglicher Kommunikation ist (vgl. Gülich/Hausendorf<br />
2000), bedeutet die Rekonstruktion von Vergangenem im Narrativ eine große<br />
Herausfor<strong>der</strong>ung für den Erzähler. Er muß da<strong>bei</strong> sowohl kommunikative,<br />
rekonstruktive als auch mentale Leistungen erbringen (vgl. Gülich/Hausendorf 2000:<br />
369) und wird im Erzählprozess ständig mit neuen Aufgaben konfrontiert: Zunächst<br />
muss er sich an ein vergangenes Ereignis überhaupt erinnern. Da<strong>bei</strong> vollzieht sich<br />
Erinnerung<br />
als selektiver, konstruktiver und aktiver Prozess des Zugriffs auf Information zu einem<br />
Geschehen, die bereits selektiv kodiert, partiell vergessen und vielfältig transformiert<br />
wurde. Dieser Prozess wird wesentlich von <strong>der</strong> aktuellen Situation, in <strong>der</strong> erinnert<br />
wird, mitbestimmt. Unsere Gedächtnisleistungen unterliegen Prozessen wie kognitiven<br />
Verzerrungen und Elaborationen zur Einordnung in bekannte Schemata, emotionalen<br />
Bedürfnissen und Zwängen, motivationalen Faktoren und Zielen, die sich kontinuierlich<br />
im Lauf unseres Lebens wie auch im Moment des Erzählens auswirken. (Lucius-<br />
Hoene/Deppermann 2004: 30)<br />
Diese Erinnerungen im zweiten Schritt zu versprachlichen, bedeutet für den Erzähler<br />
die Bewältigung neuer narrationsspezifischer Aufgaben, die als die Bear<strong>bei</strong>tung<br />
folgen<strong>der</strong> interaktiver Aufgaben o<strong>der</strong> "Jobs" 16 aufzufassen sind:<br />
(1) Darstellen von Inhalts und/o<strong>der</strong> Formrelevanz, (2) Thematisieren, (3) Elaborieren/Dramatisieren,<br />
(4) Abschließen und (5) Überleiten. (Quasthoff 1996: 133) 17<br />
16 Vgl. auch Quasthoff (2001).<br />
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