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Agoraphobie-Patienten erzählen – Sprachliche Verfahren bei der ...

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durch die Grundoperationen <strong>der</strong> Segmentierung des Ereignisflusses, <strong>der</strong> Selektion von<br />

Elementen, ihrer Linearisierung in aufeinan<strong>der</strong>folgenden Sätzen und <strong>der</strong> Bedeutungszuweisung.<br />

(Lucius-Hoene/Deppermann 2004: 21; kursiv im Orig.)<br />

Durch das "Emplotment" wird etwas, das in irgendeiner Weise "den normalen Ablauf<br />

<strong>der</strong> Dinge" (Lucius-Hoene/Deppermann 2004: 22) stört o<strong>der</strong> unterbricht, relevant<br />

gesetzt. Der Plot organisiert die Erzählung hinsichtlich <strong>der</strong> Relevanzen einzelner Ele-<br />

mente, <strong>der</strong>en Bezug zueinan<strong>der</strong> und ihrer resultativen Verknüpfung. Er überführt sie<br />

in ein "Setting" und "stiftet Kohärenz" (Lucius-Hoene/Deppermann 2004: 22; kursiv<br />

im Orig.).<br />

Erzählungen <strong>bei</strong>nhalten immer evaluative Komponenten 14 , die bestimmte Ansichten<br />

und Emotionen des Erzählers transportieren. Während des Erzählens kann <strong>der</strong><br />

Erzähler auf einen an<strong>der</strong>en Erkenntnis- und Erfahrungshorizont zurückgreifen, als er<br />

es zum Zeitpunkt des Erlebens konnte ("doppelte Zeitperspektive", Lucius-<br />

Hoene/Deppermann 2004: 24). Ein vergangenes Geschehen kann daher entwe<strong>der</strong><br />

aus <strong>der</strong> (Erkenntnis-) Perspektive <strong>der</strong> erzählten Zeit dargestellt und gegebenenfalls<br />

szenisch "re-inszeniert" werden o<strong>der</strong> aus dem Blickwinkel <strong>der</strong> Erzählzeit.<br />

Gesamtaussage und Wirkung <strong>der</strong> Erzählung werden dadurch entscheidend<br />

beeinflusst.<br />

Im Erzählprozess bieten sich dem Erzähler Möglichkeiten <strong>der</strong> "narrativ entfalteten<br />

Selbstkategorisierung" (Drescher 2003: 192), <strong>der</strong> Gewichtung, Deutung,<br />

Verar<strong>bei</strong>tung, und (Re-)Interpretation <strong>der</strong> eigenen Erfahrungswelt und <strong>der</strong> eigenen<br />

Identität. Erzählt werden "kognitive Geschichten" (Quasthoff 1980). Diese "bilden<br />

die Welt nicht ab, son<strong>der</strong>n sind kreative Modelle o<strong>der</strong> mimetische Darstellungen<br />

unseres Verständnisses von ihr auf dem Hintergrund unserer Erwartungen,<br />

Erfahrungen und Bedürfnisse" (Lucius-Hoene/Deppermann 2004: 29) 15 .<br />

Der programmatische Anspruch, Angsterkrankung zu verstehen und verstehen zu<br />

helfen, erkennt in den Erzählungen von Betroffenen einen beson<strong>der</strong>en Wert.<br />

Es wird davon ausgegangen, dass Erzählungen als "emotionsintensive<br />

kommunikative Aktivitäten" (Fiehler 2001: 1436) prädestiniert sind für die<br />

14<br />

Bereits in den klassischen Ar<strong>bei</strong>ten zur "Normalform" mündlicher Erzählungen von Labov<br />

und Waletzky wird diesem Punkt durch die Rede von <strong>der</strong> "Evaluation" Rechnung getragen<br />

(vgl. 1967: 114ff.).<br />

15<br />

Vgl. auch Capps/Ochs (1995): "We view stories not as flawed renditions of reality but as<br />

windows into individual and collective therories of reality" (1995: 21).<br />

15

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