Agoraphobie-Patienten erzählen – Sprachliche Verfahren bei der ...
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Erkenntnispotential versprechen: zum einen für den Erzähler selbst 12 , aber auch für<br />
jede Art von Forschung, die sich mit "subjektiven Erfahrungswelten" befasst (Lucius-<br />
Hoene/Deppermann 2004: 9).<br />
Bevor diese <strong>bei</strong>den Punkte näher beleuchtet werden, sollen <strong>der</strong> vorausgesetzte<br />
Erzählbegriff sowie konstitutive Merkmale des relevanten Erzähltyps, erläutert<br />
werden:<br />
Das Erzählen von vergangenen Erlebnissen und Erfahrungen verlangt, sich in einer<br />
aktuellen Kommunikationssituation konstruktiv mit <strong>der</strong> Vergangenheit auseinan<strong>der</strong><br />
zu setzen (vgl. Lucius-Hoene/Deppermann 2004: 19). Dies kann darstellerisch auf<br />
unterschiedliche Art und Weise geschehen: "(szenisch-) episodisch" o<strong>der</strong> "iterativ"<br />
(vgl. Lucius-Hoene/Deppermann 2004: 145-159 und Gülich 2005a: 77). Vor diesem<br />
Hintergrund wird zunächst bewusst 13 ein relativ weit gefasster Erzählbegriff "wie im<br />
alltäglichen Gebrauch als Überbegriff für alle narrativen Formen" gewählt (Lucius-<br />
Hoene/Deppermann 2004: 19).<br />
Mit <strong>der</strong> thematisch-inhaltlichen Ausrichtung <strong>der</strong> hier behandelten Gespräche, in<br />
denen <strong>Agoraphobie</strong>-<strong>Patienten</strong> über ihre Krankheit und konkrete Anfallserfahrungen<br />
<strong>erzählen</strong>, ergibt sich ein Erzähltypus-Hybrid aus "Krankheitserzählung" und<br />
"autobiografischer Erzählung". Wir haben es mit dem "Erzählen von Selbsterlebtem"<br />
zu tun,<br />
das über die Erzählsituation hinaus biografische Bedeutung hat und in dem die <strong>erzählen</strong>de<br />
Person etwas für sie Wichtiges im Hinblick auf sich selbst, ihre Erfahrung und<br />
ihre Weltsicht ausdrückt. (Lucius-Hoene/Deppermann 2004: 20)<br />
Gleichzeitig vermitteln diese Erzählungen Hinweise auf "die Art und den Grad <strong>der</strong><br />
Krankheitsverar<strong>bei</strong>tung" o<strong>der</strong> können "zur Krankheitsverar<strong>bei</strong>tung <strong>bei</strong>tragen" (Gülich<br />
2005a: 73).<br />
Im Erzählprozess erhalten vergangene Ereignisabfolgen Struktur, Sinn und<br />
Bedeutung<br />
12<br />
Lucius-Hoene spricht in diesem Zusammenhang von <strong>der</strong> "autoepistemische(n) Funktion<br />
des Erzählens" (1998: 17).<br />
13<br />
Vgl. dazu Bergmann, <strong>der</strong> die Befürchtung äußert, dass man durch "die Analyse <strong>der</strong><br />
vielfältigen Formen <strong>der</strong> Rekonstruktion vergangener Ereignisse und Erfahrungen<br />
möglicherweise behin<strong>der</strong>t" werde, "wenn man da<strong>bei</strong> zu sehr auf das Konzept <strong>der</strong> Erzählung<br />
fixiert bleibt" (2000: 206).<br />
14