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Agoraphobie-Patienten erzählen – Sprachliche Verfahren bei der ...

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spezifischem Wirklichkeitsakzent (vgl. Gülich 2005b: 231). Die genannten<br />

sprachlichen <strong>Verfahren</strong> sind Formulierungsressourcen, durch die Verbalisierungs-,<br />

Darstellungs-, Erklärungs- und Vermittlungsschwierigkeiten in <strong>der</strong> Interaktion<br />

überwunden werden. Insofern werden auch semi-professionelle Wissensbestände<br />

aktiviert, medizinische Erklärungen und Kategorisierungen herangezogen o<strong>der</strong> auf<br />

vorgeformte Formulierungen aus <strong>der</strong> medizinischen Fachsprache rekurriert, um<br />

solche Defizite auszugleichen.<br />

Gleichzeitig wird Unbeschreibbarkeit aber auch inszeniert und topisch-systematisch<br />

eingesetzt, um auf die Außerordentlichkeit <strong>der</strong> Extremerfahrung Panik zu insistieren.<br />

Es besteht eine<br />

Spannung zwischen <strong>der</strong> Appräsentation einer dem Gegenüber nicht zugänglichen innerpsychischen<br />

Erfahrungswelt und <strong>der</strong> gleichzeitigen Ausgrenzung dieser Erfahrung<br />

aus den 'Normalitäten des Alltags'. (Günthner 2006: 23)<br />

Vor diesem Hintergrund fällt eine Fülle von Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeiten und "Paradoxien"<br />

in Panikdarstellungen auf: ausdrückliche Differenzierung von Anfallstypen vs.<br />

Generalisierung des Anfallsablaufs; Präsentation von Introspektion vs. Außenschau;<br />

Veranschaulichung vs. Verhüllung; Unbeschreibbarkeit vs. rhetorisch-narrative<br />

Kompetenz und Routine; Expertise vs. Hilflosigkeit; Vorgeformtheit vs. Kreativität;<br />

Präsentation von Irrationalität vs. nicht-hinterfragbare Legitimation irrationaler<br />

Handlungsweisen durch das Konzept des Handlungszwanges; Präsentation von Ich-<br />

Dualität vs. einseitige Selbstkategorisierung.<br />

Diese Paradoxien erscheinen selbst als konstitutives Merkmal <strong>der</strong> Panikdarstellung.<br />

Die zahlreichen inhaltlichen und rhetorischen Wi<strong>der</strong>sprüche bilden Konflikte ikonisch<br />

ab: Das Spannungsverhältnis zwischen unterschiedlichen Wirklichkeiten, die<br />

Paradoxie <strong>der</strong> Panikreaktion selbst, die in völlig unbelasteten Alltagssituationen<br />

auftritt und möglicherweise auch weitere (innerpsychische) Konflikte werden durch<br />

Verschleierungsaktivitäten und eine paradoxe o<strong>der</strong> konfliktäre Darstellungsweise<br />

inszeniert. Dieser Schluss korrespondiert auch mit den Beobachtungen von<br />

Egbert/Bergmann (2004), die Paradoxien <strong>der</strong> interaktionalen Handlungsweise von<br />

Panikpatienten feststellen.<br />

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