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Agoraphobie-Patienten erzählen – Sprachliche Verfahren bei der ...

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Im Anschluss re-inszeniert die Sprecherin durch eigene und fremde Redewie<strong>der</strong>gabe<br />

ein Telefongespräch mit <strong>der</strong> "leiblichen" Mutter (522-536), mit <strong>der</strong> sie "MAL .h nach<br />

JAHREN wie<strong>der</strong> kontakt hatte". Mit dieser Zusatzinformation erscheint auch die<br />

Person <strong>der</strong> Mutter von einer bestimmten Relevanz. In <strong>der</strong> eigenen Rede wird durch<br />

die Stimmfarbe Entrüstung kontextualisiert, und Tina wie<strong>der</strong>holt die bereits in Z.<br />

513-515 präsentierte Vorwurfsliste, die sie rhythmisch intoniert (525-527). Die<br />

fremde Rede ihrer leiblichen Mutter gibt Tina mit einer gelangweilten Stimmfärbung<br />

wie<strong>der</strong> (529-531) und fasst zusammen: "also sie HAT ihn so zu sagen SCHLECHT<br />

gemacht" (532). Darauf beginnt Tina ebenfalls bestimmte Verhaltensweisen ihres<br />

Mannes durch hyperbolische Verallgemeinerungen ("überall", "ALLET") zu<br />

kritisieren. Die Re-Inszenierungssequenz endet abrupt mit "so und DANN war dit<br />

jespräch beEndet,", wo<strong>bei</strong> die Intonationskontur anzeigt, dass Tina fortfahren will<br />

und keine Reaktion ihrer Gesprächspartnerin erwartet.<br />

In <strong>der</strong> folgenden Turnkonstruktionseinheit (TCU) "BIN ins BAdezimmer" (538) ver-<br />

zichtet Tina auf das deiktische Pronomen "ich" und lässt das Vorfeld unbesetzt. Die<br />

Verbspitzenstellung betont Handlungscharakter und ist in Erzählungen "eine<br />

konventionalisierte Form <strong>der</strong> Versprachlichung von 'Dramatik', 'Tempo' o.ä." (Sandig<br />

2000: 302). Diese interaktive Wirkung wird durch die Aussparung des infiniten<br />

Verbalkomplexes, die maximale Verdichtung und Komprimierung bedeutet,<br />

zusätzlich verstärkt. In den <strong>bei</strong>den folgenden TCUs wird das <strong>Verfahren</strong> <strong>der</strong><br />

"Verberstpositionierung" mit <strong>der</strong> Re-Inszenierungsstrategie des narrativen Präsens<br />

verknüpft: ", ," (539 f.). Tina kontextualisiert das Tempo und die Dynamik <strong>der</strong><br />

Handlungsabfolgen zum einen prosodisch durch schnelles Sprechen und<br />

rhythmische Akzentuierung, und nutzt zusätzlich auch die "uneigentliche<br />

Verspitzenstellung im narrativen Präsens" zur "Inszenierung […] und Kontextualisie-<br />

rung von Dynamik, Dramatik, Spannung und Emphase" (Günthner 2005: 12).<br />

In Z. 541 wechselt Tina wie<strong>der</strong> in das Erzähltempus <strong>der</strong> Vergangenheit: ".h und ein<br />

WUN<strong>der</strong>schöner (.) großer ROsenstrauss lag inna küche;". Hier kontextualisiert Tina<br />

die Auflösung des Konflikts und fügt hinzu: "und dann war dit verGESSen. wat ICK<br />

jesagt hab, was meine MUtter jesagt hatte (-);" (542-544). Die fallenden<br />

Intonationskonturen markieren, dass Tina hier eine Erzähleinheit abschließt.<br />

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