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BR-Magazin 23/2016

Das hauseigene Magazin des Bayerischen Rundfunks informiert vierzehntägig über die Höhepunkte im Programm. Hier finden Sie Hintergründe zu neuen Produktionen und Veranstaltungen. Außerdem gibt es eine ausführliche Programmübersicht.

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TITELTHEMA<br />

Eine Laute zirpt. Der Luftgeist Ariel<br />

wirbelt herein, hilft dem alten Magier<br />

Prospero beim Ankleiden und<br />

singt: „Wo die Bien‘, saug‘ ich mich ein /<br />

Bette mich in Maiglöcklein / Lausche<br />

da, wenn Eulen schrein / Fliege mit der<br />

Schwalben Reih’n / Lustig hinterm Sommer<br />

drein …“ Der Geist kündigt dem knorrigen<br />

Prospero in dieser Schlüsselszene aus<br />

Shakespeares Theaterstück „Der Sturm“<br />

an, dass ihm eine unbeschwerte Zukunft<br />

bevorsteht. Ariels Lied, im Englischen als<br />

„Where the bee sucks“ bekannt, ist einer<br />

der berühmtesten Songs aus den Dramen<br />

William Shakespeares (1564 – 1616).<br />

durchwoben von Klängen und getragen<br />

von Ariels Liedern. Theater war zu Shakespeares<br />

Zeit kein reines Sprechtheater:<br />

Songs, Bühnenmusik, oft auch Tanz, gehörten<br />

zu jeder Aufführung. Die magische<br />

und exotische Grundstimmung schattiert<br />

Shakespeare mit Geräusch- und Toneffekten,<br />

Volksmusikalisches sorgt für rustikale<br />

Momente. Die Melodien stammen vom<br />

Hof-Lautenisten Robert Johnson und gehören<br />

zu den ganz wenigen Stücken, die<br />

aus Shakespeares Lebzeiten erhalten sind.<br />

Forscher und Theatermacher bedauern<br />

Felsen heulen und Ariels Flügel flirren. Am<br />

häufigsten vertont wurden „Der Sturm“ und<br />

„Romeo und Julia“, welches als Ballettmusik<br />

von Sergej Prokofjew Welterfolge feierte.<br />

Die Faszination für die Geschichte des Liebespaares<br />

Romeo und Julia, die Shakespeare<br />

in Verona verortet, ist bis heute ungebrochen.<br />

Elgin Heuerding hat dort das<br />

„Haus der Julia“ besucht, eine Pilgerstätte<br />

für glücklich und unglücklich Verliebte inklusive<br />

Balkon, auf dem Julia – falls es sie<br />

überhaupt gegeben hat – nie stand, weil<br />

Dem Dichter und seiner Musik sowie seinem<br />

musikalischen Echo widmet <strong>BR</strong>-Klassik<br />

am 12. November den Themenabend<br />

„Brush up Your Shakespeare“. Autorin und<br />

Moderatorin Elgin Heuerding stellt Vertonungen<br />

von „Romeo und Julia“ vor, verführt<br />

die Hörer zu Rundgängen ins England<br />

der Shakespeare-Zeit und ins rekonstruierte<br />

historische „Globe Theatre“ in Neuss,<br />

spricht mit Sir Peter Jonas, dem ehemaligen<br />

Intendanten der Bayerischen Staatsoper<br />

(21 Uhr) – und lässt den ganzen Abend<br />

lang Musik erklingen.<br />

Rekonstruktionszeichnung des Londoner<br />

Globe-Theaters (oben), Shakespeares<br />

Geburtshaus in Stratford-upon-Avon<br />

Fotos: Morphart, The Shakespeare Birthplace Trust<br />

William Shakespeare hat nicht einfach<br />

Theaterstücke geschrieben, er hat das<br />

Drama neu definiert, und das auch im<br />

musikalischen Sinn. Seine Bühnenmusiken<br />

wurden Teil der Dichtung und Handlung,<br />

seine Lieder kleine Kunstwerke für<br />

sich. Shakespeares Verse sind Wortmusik,<br />

seine Dramen inhaltlich und sprachlich<br />

durchkomponiert wie große symphonische<br />

Werke. Auch deshalb heißt der Autor<br />

im englischen Sprachraum „The Bard“ –<br />

der Poet, der Barde. „Das Werk keines anderen<br />

Dichters und Dramatikers der Weltliteratur<br />

hat eine vergleichbare Fülle von<br />

musikalischen Kompositionen angeregt“,<br />

schreibt der Münchner Anglist Hans Walter<br />

Gabler in seiner Studie zu Shakespeare<br />

und der Musik.<br />

Schon „Der Sturm“ hat als wohl musikalischstes<br />

der Shakespeare-Dramen nicht<br />

nur seinen eigenen Klang, sondern auch<br />

eine eigene Musikhistorie. Das Stück ist<br />

dies – für spätere Komponisten war es<br />

Chance und Ansporn, unabhängige Klangkonzepte<br />

zu den Dramen zu entwickeln.<br />

Ludwig van Beethoven soll sich 1802 von<br />

„Der Sturm“ zu seiner Klaviersonate Nr. 17<br />

inspiriert haben lassen. Dutzende Komponisten<br />

vertonten seit dem 17. Jahrhundert<br />

die Lieder der Shakespeare-Dramen. Als<br />

die Oper sich im 18. Jahrhundert als neues<br />

Genre auf den Bühnen etabliert hatte,<br />

entstanden bald die ersten musiktheatralischen<br />

Fassungen; inzwischen sind mehr<br />

als 200 Opern zusammengekommen. Andere<br />

Komponisten schrieben Bühnenmusiken.<br />

Zu einem Klassiker etwa wurde Felix<br />

Mendelssohn Bartholdys „Sommernachtstraum“<br />

von 1843 für das Potsdamer Theater,<br />

eine Musik, die auch konzertant ihre Magie<br />

entfaltet. Sehr illustrativ für die Szenen geschrieben<br />

ist dagegen die „Sturm“-Bühnenmusik<br />

des Finnen Jean Sibelius (1925/26)<br />

für das Königliche Theater Kopenhagen:<br />

Hier hört man deutlich den Wind über die<br />

er später angebaut wurde. Auch ins englische<br />

Stratford-upon-Avon ist die Musikjournalistin<br />

gereist, wo das Geburtshaus<br />

Shakespeares ein Touristenmagnet ist –<br />

obwohl nicht restlos klar ist, ob der Mensch,<br />

der die Dramen geschrieben hat, dort gelebt<br />

hat. Die Magie seiner Worte lockt Besucher<br />

dennoch an diese Orte – genauso<br />

wie der Sprachzauber Komponisten inspiriert<br />

hat. Felicia Englmann<br />

– <strong>BR</strong>-Klassik<br />

Samstag, 12.11.<strong>2016</strong>, 18.05 Uhr<br />

Brush up Your Shakespeare –<br />

eine Musiknacht für den großen<br />

Dichter und Dramatiker, 355 Min.<br />

br-klassik.de<br />

Mehr Informationen unter:<br />

br.de<br />

<strong>BR</strong>-<strong>Magazin</strong> – 5

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