Bernhard Heisig - Brusberg Berlin
Bernhard Heisig - Brusberg Berlin
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Phase II<br />
Nun doch die Erinnerung zulassend, die Kenntnis<br />
des Stücks, dessen, was man über den<br />
Stückeschreiber zu wissen glaubt und in Aufführungen<br />
gesehen hat und auf den Photos der<br />
»Modellinszenierung« von Brecht und Erich<br />
Engel, 1949.<br />
Da ist das Photo der trommelnden Kattrin<br />
jener <strong>Berlin</strong>er Aufführung. Bei <strong>Heisig</strong> fällt die<br />
Leiter auf (auf dem Theaterphoto sieht man sie<br />
nicht). Sie steht im gleichen Winkel wie an<br />
<strong>Heisig</strong>s Golgatha-Kreuzen. Zufall? Ein großer<br />
Unterschied zwischen dem Ausdruck von<br />
Brechts Kattrin (Angelika Hurwicz) und <strong>Heisig</strong>s<br />
Kattrin: die Hurwicz trommelt verbissen, energisch,<br />
nahezu mit (boshaftem) Vergnügen, mit<br />
weit ausholendem Arm, auf die Trommel konzentriert.<br />
Die heisigsche in Panik, weit aufgerissene<br />
Augen, aufgerissener Mund (auch hier:<br />
als schrie die Stumme), die Schlegel nahe bei<br />
der Trommel. Kurze Bewegungen, hastigerer<br />
Rhythmus, Zeit- und Angstdruck.<br />
Brechts Hoffnung: Das Stück ist 1939 geschrieben,<br />
als der Stückeschreiber einen großen Krieg<br />
voraussah: er war nicht überzeugt, daß die Menschen<br />
»an und für sich« aus dem Unglück, daß<br />
sie seiner Ansicht nach betreffen mußte, etwas<br />
lernen würden. ... Wenn jedoch die Courage weiter<br />
nichts lernt – das Publikum kann, meiner<br />
Ansicht nach, dennoch etwas lernen, sie<br />
betrachtend.<br />
Brechts Sorge: daß seine Courage als eine von<br />
den Opfern gesehen werden könnte; nicht als<br />
eine, wenn auch kleine, von den Tätern; und es<br />
könnte sich so bei den Zuschauern ein (genetisch<br />
bedingtes?) Mitleid mit der Mutter vor<br />
ein (zu erlernendes) Durchschauen ihrer<br />
Berechnung drängen. Freilich ist Brecht an<br />
solchem Mißverständnis nicht unschuldig. Es<br />
ist nicht leicht zu entdecken, daß die Worte<br />
»Mutter« und »Courage« im Titel einander<br />
nicht schmücken sollen (sozusagen als:<br />
»Mama, die Tapfere«), sondern, da »Courage«<br />
hier »Kühnheit im Geschäftlichen« bedeutet<br />
(... ich bin durch das Geschützfeuer von Riga<br />
gefahrn mit fünfzig Brotlaib im Wagen. Sie<br />
waren schon angeschimmelt, es war höchste<br />
Zeit, ich hab keine Wahl gehabt. ... ), sind<br />
»Mutter« und »Courage« als Widerspruch zu<br />
lesen. Am Ende hat sie ihre Kinder verloren.<br />
Das Geschäftliche ist ihr geblieben, da hat sie<br />
»keine Wahl«.<br />
In einer sehr schönen Inszenierung von Richard<br />
Schechner, New York 1974, wurde gezeigt:<br />
als die Courage überzeugt sein mußte, daß<br />
ihre Tochter Kattrin tot war, deckte sie die Leiche<br />
nicht, wie Brechts Regieanweisung angibt,<br />
mit einer Blache zu. Sie zog sie aus. Splitterfasernackt.<br />
Es waren ja noch brauchbare Kleider,<br />
brauchbare Stiefel. Werte. Die konnte man<br />
doch nicht verkommen lassen. Dann ging Mutter<br />
Courage weiter und ließ die nackte tote<br />
Tochter liegen. Kein Wert mehr.<br />
Betrachtet man die fünfzehn großen Lithographien,<br />
so scheint zunächst, daß <strong>Bernhard</strong><br />
<strong>Heisig</strong> sich von Brechts Humor nicht hat anstecken<br />
lassen. Im Stücktext sind auch in<br />
schwärzesten Situationen Sätze zu finden, die<br />
zum Lachen reizen. Bei <strong>Heisig</strong>, scheinbar, nur<br />
das Erschreckende, bestenfalls ins Groteske<br />
distanziert. Dann aber, beim genaueren Blick<br />
auf die Serie der zwanzig Zeichnungen: da ist<br />
der Humor, <strong>Heisig</strong>s Humor dem brechtschen<br />
gar nicht so fern, Grazie, Leichtigkeit, Rhythmus.<br />
Keck und fröhlich feilschen die Courage<br />
und der Koch um den Kapaun, die Bewegungen<br />
sind tänzerisch und kokett, ums Geschäft<br />
scheint es weniger zu gehen; hübsch ist die<br />
Lagerhure, sexy wie junge Frauen in Goyas<br />
Caprichos, und die Courage lächelt dazu. Auf<br />
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