Alte Malertechniken: „Handdruck-Apparat mit Selbstfärbung“
Alte Malertechniken: „Handdruck-Apparat mit Selbstfärbung“
Alte Malertechniken: „Handdruck-Apparat mit Selbstfärbung“
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Der Adel, der Klerus und nach 1871<br />
das begüterte neureiche Bürgertum<br />
schmückten ihr Umfeld <strong>mit</strong> hochwertigen<br />
gemusterten Wandbelägen.<br />
Die weniger be<strong>mit</strong>telte Bevölkerung<br />
versuchte das nachzuahmen. So<strong>mit</strong><br />
kamen die Rollapparate für die Men-<br />
<strong>Alte</strong> <strong>Malertechniken</strong>:<br />
<strong>„Handdruck</strong>-<strong>Apparat</strong> <strong>mit</strong> <strong>Selbstfärbung“</strong><br />
Im Jahre 1879 wurde der erste <strong>„Handdruck</strong>-<strong>Apparat</strong> <strong>mit</strong> <strong>Selbstfärbung“</strong><br />
von Carl Langjaloux zum Patent angemeldet. Man mag durchaus darüber streiten,<br />
ob diese Erfindung wirklich nur Gutes für das Malerhandwerk gebracht hat. Jahrhundertelang<br />
sind wunderschöne Flächen ohne diese Neuheit durch Tupfen, Stupfen, Wischen und ähnlichen<br />
Techniken vom Maler geschaffen worden. Sie trugen seine Handschrift auch bei Stein-, Marmor-,<br />
Holz- und Holzintarsien-I<strong>mit</strong>ationen. Werkzeuge waren oft nur ein Stofflappen oder ein Stück<br />
Leder, ein Kamm und natürlich bis heute Naturschwamm und Dachshaarvertreiber.<br />
Birger Jesch, Blankenhain bei Weimar, sammelt die unterschiedlichsten Rollgeräte<br />
und hat viele Stücke „gerettet“. Und er arbeitet da<strong>mit</strong> auch im Tagesgeschäft noch.<br />
Er nutzt dabei nicht nur die alte Technik, sondern setzt dafür auch ausdrucksvolle<br />
und historische Kalk-, Kasein- und Leimfarben ein.<br />
Die stabilen neueren Alu-Behälter sind bis heute „unkaputtbar“.<br />
Der Hintergrund ist <strong>mit</strong> der eingespannten Musterrolle gerollt.<br />
44 · DER MALER UND LACKIERERMEISTER 5/2012<br />
schen, die sich keine Tapeten leisten<br />
konnten, genau richtig. Viele kleine<br />
Hersteller stürzten sich auf das<br />
Geschäft. Das lief viele Jahre, auch<br />
bedingt durch die Entbehrungen der<br />
zwei Weltkriege bis in die 1950er<br />
Jahre <strong>mit</strong> immer besserer Technik.<br />
Die Rollapparate verschwanden aber<br />
wieder sang- und klanglos und wurden<br />
von der wieder erstarkten Tapetenindustrie<br />
verdrängt.<br />
Arbeiten <strong>mit</strong> dem Rollapparat ist<br />
heute bei jungen Kollegen kaum<br />
noch bekannt. Dies war in der Lehrzeit<br />
des Autors „Täglich Brot“ beim<br />
Dorfmaler. Die Renovierung eines<br />
Raumes in Leimfarbentechnik <strong>mit</strong><br />
gerollten Wänden (Arbeitszeit war<br />
derzeit noch nicht so kostbar) lief wie<br />
hier beschrieben ab:<br />
– <strong>Alte</strong> Leimfarbe entfernen – Nach-/<br />
Vornässen und <strong>mit</strong> Spachtel abstoßen<br />
– <strong>Alte</strong> Farbe vor dem Nachwaschen<br />
zusammenfegen – Nachwaschen<br />
<strong>mit</strong> kurzer Deckenbürste,<br />
Wasser oft erneuern – Risse und<br />
Löcher vergipsen, Gipsstellen nachwaschen<br />
– Wasserflecken isolieren.<br />
Hans Jürgen<br />
Ronicke<br />
Malermeister<br />
und Restaurator<br />
im Handwerk,<br />
Lutherstadt<br />
Wittenberg
– Grundieren (Vorleimen) <strong>mit</strong> verdünntem<br />
Leim oder Schmierseifenlösung<br />
– Wenn <strong>mit</strong> Alaunlösung<br />
grundiert wurde, konnte gleich<br />
nass in nass <strong>mit</strong> Leimfarbe gestrichen<br />
werden.<br />
– Mit der Deckenfarbe erhielten die<br />
Wände immer einen Fries. Das war<br />
bei auf Putz liegenden Leitungen<br />
immer erforderlich. Der Bindfaden<br />
zum Abschnüren wurde <strong>mit</strong> Papierasche<br />
oder bei dunklen Wänden<br />
<strong>mit</strong> Gips eingefärbt.<br />
– Kreide über Nacht in passender<br />
Menge Wasser einsumpfen. Pflanzenleim<br />
verdünnen und <strong>mit</strong> der<br />
Hand „schlagen“ (Zellulose-Leim<br />
im Päckchen gab es noch nicht).<br />
Leim am nächsten Tag der Kreide<br />
zugeben. Bei zu viel blättert die<br />
Farbe, bei zu wenig ist sie nicht<br />
wischfest.<br />
– Nach Vorlegen farbiger Herstellervorlagen<br />
oder selbst erstellten Mustervorlagen<br />
entscheidet Kundin/<br />
Kunde über Farbtöne und Rollmuster.<br />
– Gewünschten Wandfarbton abtönen<br />
<strong>mit</strong> ansteigenden preiswerten<br />
Pigmenten. Die teuren waren den<br />
Ölfarben vorbehalten. Gestrichen<br />
wurde <strong>mit</strong> guten Deckenbürsten,<br />
immer vom Licht weg. Lammfellroller<br />
gab es auch noch nicht.<br />
– Für die Rollfarben wurden nicht nur<br />
Erdfarben, sondern auch brillante<br />
Pigmente eingesetzt. Binde<strong>mit</strong>tel<br />
konnte Leim, aber auch Magermilch,<br />
als eine Art Kaseinfarbe sein.<br />
Je nach Kundenwunsch mussten<br />
die Rollfarben deckend oder lasierend<br />
auftrocknen. Die Viskosität<br />
durfte nicht zu hoch (Kleckser), aber<br />
auch nicht zu niedrig sein (Läufer).<br />
Da die lasierenden Farben zum<br />
Rollen zu dünn waren, mussten sie<br />
<strong>mit</strong> fertigem Kleister angedickt werden.<br />
Den dicken Kleister <strong>mit</strong> der<br />
Rollfarbe klumpenfrei vermischen,<br />
nicht umgekehrt.<br />
– Geprüft wurde mindestens zweimal.<br />
Für den Grund <strong>mit</strong> einem<br />
flächigen neutralen Muster. Gute<br />
Optik wurde auch durch einen gewickelten<br />
Untergrund erzielt. Ein<br />
heller werdender Musteraufbau auf<br />
dunklerem Fond ist besonders reizvoll.<br />
Beim Mischen und Ansteigen<br />
von Trockenfarben wurden immer<br />
einige Tropfen Spül<strong>mit</strong>tel zur besseren<br />
Vernetzung zugegeben.<br />
Perlglanzpigmente, heute wieder aktuell,<br />
standen dem Maler bereits in<br />
den 1950er Jahren zur Verfügung.<br />
Helles Rollmuster auf dunklem Grund.<br />
Mit Streifenmuster-Gummirolle ausgeführt.<br />
Mit diesem „Fischsilber“ wurden Wirkungen<br />
erzielt, die einer Stiltapete oft<br />
nicht viel nachstanden. Der alte Meister<br />
nannte es abwertend „Lametta“.<br />
Mit dem Material wurde aber auch<br />
gewickelt, schabloniert und es wurden<br />
auch Striche gezogen.<br />
Bei der Rolltechnik ist vieles zu beachten.<br />
Musterrollen rechtwinklich<br />
und in richtiger Laufrichtung einlegen.<br />
Alle Farbübertragungsrollen, in<br />
richtiger Reihenfolge eingelegt, dürfen<br />
nicht klemmen und müssen leicht<br />
laufen. Bei jeder Abrollbahn muss<br />
das Muster stimmig, vergleichbar <strong>mit</strong><br />
einer Versatzmustertapete, platziert<br />
sein. Bei zweimaligem Rollen <strong>mit</strong><br />
dem gleichen Muster wird immer um<br />
die halbe Rollenbreite versetzt. Bei<br />
dreimaligem jeweils um ein Drittel.<br />
Weitere Möglichkeiten der Gestaltung<br />
<strong>mit</strong> dem Rollapparat sind unter-<br />
Abb. links: Dem Maler wurden Rollen<br />
<strong>mit</strong> unterschiedlicher Bestückung angeboten.<br />
Das konnten Filz, Kork oder<br />
Gummischwämme sein. Die Abbildung<br />
zeigt einen Strähnen-Rolltupfer.<br />
schiedliche Streifenmuster. Beispielsweise<br />
kann der Uni-Grund in einer<br />
bestimmten Breite unberollt stehen<br />
bleiben. Oder das erste Muster bleibt<br />
so sichtbar. Eine weitere Möglichkeit<br />
ist, abwechselnd in unterschiedlichen<br />
Farben zu rollen. Zu Zeiten des<br />
Autors wurde für diese Ausführungen<br />
auf dem Rollapparat eine Leiste als<br />
erforderliche Abstandsmarkierung<br />
auf das Rollgerät geklebt.<br />
Mit einem Streifen dünner Pappe<br />
wurden Teile der fertigen Wand abgedeckt,<br />
wenn Untergründe schmaler<br />
als die Musterrolle waren. Die<br />
beim Rollen nicht erreichbaren Ecken<br />
mussten <strong>mit</strong> kleinem Pinsel und den<br />
verschiedenen Rollfarben möglichst<br />
genau angepasst werden.<br />
Wandabschluss bei Rollarbeiten bildeten<br />
mehrere unterschiedlich starke<br />
Striche. Je intensiver der Farbton,<br />
Abb. rechts: Streifenroller bei dem<br />
verschieden breite Streifen eingestellt<br />
werden konnten. Die Schwammrollen<br />
trugen kein Muster, sondern nur Farbstreifen<br />
auf. Dazu noch ein Eckenroller.<br />
DER MALER UND LACKIERERMEISTER 5/2012 · 45
Tank-Modell der ersten Stunde.<br />
Das nur billig lackierte Schwarzblech<br />
rostete sehr schnell.<br />
desto schmaler der Strich. Der Altgeselle<br />
des Autors, an den er sich<br />
gern erinnert, ein Zigarrenraucher,<br />
schwatzte der Privatkundschaft auf<br />
dem Lande oft für jeden zusätzlichen<br />
Strich eine gute Zigarre ab. Seine Art<br />
zu arbeiten ist heute kaum noch<br />
bekannt. Er trug den Farbentopf am<br />
Gürtel und marschierte auf der Stehleiter<br />
schnell <strong>mit</strong> ihr an der Wand entlang.<br />
Die Stehleitern litten darunter.<br />
Wir Lehrlinge mussten deshalb im<br />
Winter <strong>mit</strong> Hartholzkeilen die damals<br />
anders eingebauten Sprossen wieder<br />
stabilisieren.<br />
Gearbeitet wurde nur <strong>mit</strong> den runden<br />
Berliner Strichziehern. Schrägstrichzieher<br />
waren verpöhnt und wurden<br />
derzeit abwertend „Schusterpinsel“<br />
genannt. Oft sind die Deckenflächen<br />
<strong>mit</strong> Schablonen und weiteren Strichen<br />
verziert worden. Das konnten<br />
Eckschablonen oder auch ein Medaillon<br />
um die Lampe sein. Beliebt<br />
waren auch die Dreifachschablonen,<br />
<strong>mit</strong> denen einmal die Ecke der Decke<br />
und die zweite Ecke des Frieses<br />
schabloniert wurden (bitte auch einmal<br />
<strong>mit</strong> einer dreieckigen Schablone<br />
ausprobieren).<br />
Bei preiswerten Arbeiten auf dem<br />
Land, beispielsweise in landwirtschaftlichen<br />
Objekten, wurde nicht<br />
nur gewickelt, sondern auch gerollt.<br />
Das geschah <strong>mit</strong> Kalkfarben unter<br />
Zusatz von durchgesiebter Heringslake<br />
vom „Kolonialwarenhändler“.<br />
(Warum das? Die Lake verlängert bei<br />
warmen Temperaturen die erforderliche<br />
Abbindezeit für die Kalkaushärtung.)<br />
Zwei neue Konstruktionen (rechts schon <strong>mit</strong> Farbbehälter). Hier ist noch<br />
keine Musterrolle eingelegt. Im Behälter unterschiedliche Farbübertragungsrollen.<br />
46 · DER MALER UND LACKIERERMEISTER 5/2012<br />
Nach 1900 ging die Entwicklung weiter. Anfangs wurden die Rollen von Hand<br />
geschnitzt. Später erfolgte die Herstellung mehr maschinell in genormten Breiten<br />
und verschiedenen Oberflächenmaterialien. (Quelle: K. H. Wild; Der Weggenosse<br />
für den praktischen Maler, 1922)<br />
Die Muster lehnten sich den allgemeinen<br />
Stilrichtungen der jeweiligen<br />
Zeiträume an. Beispielsweise an<br />
Jugendstil, Werkbund oder Art déco.<br />
Als Material konkurrierten „weich“<br />
bis „hart“, Gummi und sonstige.<br />
Dafür benötigte kalkechte Oxidfarben<br />
und auch Ultramarinblau, max. 3<br />
bis 5 Prozent Zugabe zum Abtönen,<br />
konnten derzeit noch für kleines Geld<br />
beim örtlichen Baustoffhändler gekauft<br />
werden. Die Maurer färbten<br />
da<strong>mit</strong> auch ihre Fugenmörtel passend<br />
ein. Mit einer Mischung von<br />
Blau und etwas Kalk wurden die
Raufaserwand <strong>mit</strong> stark abgetönter<br />
Leimfarbe. Alkalibeständigkeit war<br />
hier beim Grün sicher nicht gefordert.<br />
Dazu zeitloses florales Rollmuster.<br />
(Foto: Birger Jesch)<br />
Scheiben von Stallfenstern gleichmäßig<br />
getupft. Das sollte gegen<br />
die Fliegenplage helfen. Natürlich<br />
wünscht sich niemand diese sogenannte<br />
„gute alte Zeit“ so zurück, so<br />
gut war manches doch nicht immer.<br />
Vergessen sollten wir sie aber trotzdem<br />
nicht.<br />
Bei der heutigen Rückbestimmung<br />
zu nostalgischen Oberflächen, ausgeführt<br />
<strong>mit</strong> natürlichen Materalien, in<br />
welcher Form auch immer, gibt es<br />
viele Arbeitsfelder des Malers für die<br />
hier beschriebene alte Handwerkstechnik.<br />
Beispiele besonders gelungener<br />
Arbeiten fand der Autor in der<br />
Tschechischen Republik, in der Region<br />
um Marienbad und Karlsbad.<br />
Orginalmuster aus Leimfarben. Einfaches helles Grundmuster.<br />
Zweite Farbe Historismusmuster im Japanstil.<br />
Liebe Kollegen, arbeitet doch einmal<br />
<strong>mit</strong> dem sogenannten <strong>„Handdruck</strong>-<br />
<strong>Apparat</strong> <strong>mit</strong> <strong>Selbstfärbung“</strong>. <strong>Alte</strong> Gesellen<br />
und Meister sind dabei sicher<br />
hilfreich. Auch Birger Jesch (siehe<br />
nebenstehenden Infokasten) hilft<br />
gern <strong>mit</strong> Auskünften. �<br />
Birger Jesch aus Thüringen<br />
arbeitet noch heute <strong>mit</strong><br />
Rollapparaten und Rollen<br />
aus seiner großen Sammlung.<br />
Mit dem harmonischen<br />
Grundmuster wird im zweiten<br />
Rollvorgang ein offener<br />
Streifen gut <strong>mit</strong>gestaltet.<br />
Werkstatt Birger Jesch<br />
Friedhofstraße 15<br />
D-99444 Blankenhain/b. Weimar<br />
Tel. 036459/63158<br />
www.musterwalzen.de