Macht Arbeit frei? Ein Versuch über den Wert der Erwerbsarbeit.
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Rom vor <strong>den</strong> Eroberungen Alexan<strong>der</strong>s 6 , vermochte sogar das Sklavendasein Freu<strong>den</strong><br />
zu bieten.<br />
Zu keiner Zeit wurde so viel gefeiert, war <strong>der</strong> Müßiggang so ausschweifend, wie in<br />
Rom um die Zeitenwende vor 2000 Jahren.<br />
„In <strong>der</strong> Tat verfügte <strong>der</strong> Römer, gleichgültig welchen Standes, <strong>über</strong> sehr viel<br />
Freizeit, in <strong>der</strong> Regel nämlich 17 o<strong>der</strong> 18 Stun<strong>den</strong> pro Tag. Da es zusätzlich eine<br />
schier unglaubliche Anzahl Festtage in Rom gab, lag die durchschnittliche<br />
<strong>Arbeit</strong>szeit in <strong>der</strong> Woche deutlich unter 30 Stun<strong>den</strong>, also weit unter dem, was<br />
heute in <strong>den</strong> Industriestaaten gearbeitet und als nicht zu unterschreitendes<br />
Mindestmaß angenommen wird.” 7<br />
Fast 200 Tage pro Jahr waren auch für Sklaven arbeits<strong>frei</strong> und dienten dem<br />
Vergnügen.<br />
„Trotz dieser ‚Freizeitmöglichkeiten’ gedieh die römische Wirtschaft gerade in<br />
dieser Epoche kurz vor und nach dem Jahre 0. Das ‚Bruttosozialprodukt’ lag<br />
respektabel hoch. Immer wie<strong>der</strong> <strong>über</strong>raschend und willkürlich wur<strong>den</strong> Feiertage<br />
eingeschoben, an <strong>den</strong>en man Volksbelustigungen veranstaltete.” 8<br />
In allen Zeiten gab es jedoch eine Min<strong>der</strong>heit, die ihr <strong>Ein</strong>kommen dem dankte, was<br />
sie ohnehin mit Vergnügen erfüllte. Sie war „fast ausschließlich in <strong>den</strong> <strong>frei</strong>en Berufen,<br />
bei Gelehrten o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Politik zu fin<strong>den</strong> […] So mochte sich Plinius <strong>der</strong> Ältere kaum<br />
in seiner Schreib- und Gedankenarbeit einschränken.” 9<br />
2. <strong>Arbeit</strong>smoral – die Religion des Kapitalismus?<br />
Erst in <strong>der</strong> Reformation wurde die Not <strong>der</strong> <strong>Arbeit</strong> allgemein zur Tugend gewendet,<br />
die <strong>Arbeit</strong> mit einer religiösen Gloriole umwölbt. 10<br />
Kaum waren die Gläubigen dem<br />
katholischen Kontrollsystem <strong>der</strong> individuellen Gewissensbeichte entronnen, sollte die<br />
<strong>Arbeit</strong> <strong>den</strong> Kontrollverlust kompensieren.<br />
6<br />
7<br />
8<br />
9<br />
10<br />
Vgl. Wittfogel, Karl August: Die orientalische Despotie, a. a. O., S. 268–273.<br />
Altendorf, Wolfgang: „35-Stun<strong>den</strong>-Woche. Bereits in <strong>der</strong> Antike ein alter Hut“, in: Das Parlament Nr.<br />
13, 20. März 1992, S. 21.<br />
Ebenda.<br />
Ebenda.<br />
Im Christentum genoss die <strong>Arbeit</strong> zwar schon vor <strong>der</strong> Reformation <strong>Wert</strong>schätzung, doch blieb die<br />
moralische Überhöhung mit <strong>den</strong> asketischen Idealen des Mönchtums verbun<strong>den</strong> und gewann kaum<br />
allgemeine Bedeutung.<br />
Oliver Kloss • 2001 • <strong>Macht</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>frei</strong>?<br />
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