Macht Arbeit frei? Ein Versuch über den Wert der Erwerbsarbeit.
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Die in Großbritannien und Deutschland inzwischen populäre New-Labour-Ideologie<br />
sozialdemokratischer „neuer Mitte” schmiegt sich geschmeidig in <strong>den</strong> Strom<br />
neoliberalen Denkens und stellt <strong>den</strong> größten Überzeugungserfolg <strong>der</strong> Konservativen<br />
im Bereich ihrer Gegner dar.<br />
Auch die konflikt-scheue New-Labour-Ideologie versagt es sich, Unternehmen unter<br />
Kostendruck zu setzen. Solange nur „mehr <strong>Arbeit</strong>” gefor<strong>der</strong>t wird, ist <strong>der</strong> Bannkreis<br />
des Neoliberalismus nicht durchbrochen, <strong>den</strong>n Projekte wie jenes in Leipzig sind<br />
möglich.<br />
Immerhin steht im Grundsatzprogramm <strong>der</strong> SPD:<br />
„Der gesellschaftliche Reichtum, <strong>den</strong> wir durch die Entfaltung <strong>der</strong><br />
Produktivkräfte erreicht haben, ermöglicht drastische Verkürzungen <strong>der</strong><br />
<strong>Erwerbsarbeit</strong>szeit und erweitert die Möglichkeiten zur Verbesserung <strong>der</strong><br />
<strong>Arbeit</strong>s- und Lebensverhältnisse. Damit können alte sozialdemokratische Ziele<br />
Wirklichkeit wer<strong>den</strong>".<br />
Prokapitalistische Ziele wie<br />
„allgemeiner Wohlstand und soziale Sicherheit", „gerechte Verteilung <strong>der</strong><br />
<strong>Arbeit</strong>s- und Lebenschancen", „mehr Zeit für Familien- und Privatleben, für<br />
Muße und Gemeinschaftsarbeit" sowie „schöpferische Aktivität und Teilhabe<br />
am kulturellen Leben"<br />
wer<strong>den</strong> seitens <strong>der</strong> SPD aufgegeben, wenn sie sich <strong>der</strong> antikapitalistischen Ideologie<br />
des Neoliberalismus unterwirft.<br />
Wer statt staatlicher Maßnahmen zur Vollbeschäftigung, die Kostendruck auf<br />
Unternehmen erzeugten, zu Maßnahmen greift, die Druck auf <strong>Arbeit</strong>slose und<br />
Sozialhilfeempfänger ausüben, sollte wenigstens die Redlichkeit besitzen, diese nicht<br />
als Maßnahmen gegen die <strong>Arbeit</strong>slosigkeit auszugeben.<br />
Nur ein konsequenter Reformismus als „permanente liberale Revolution” 107 , <strong>der</strong> auf<br />
die Stärkung <strong>der</strong> Individuen zielt und <strong>den</strong> Kapitalismus und dessen Errungenschaften<br />
verteidigt, kann neoliberaler Strategie zuwi<strong>der</strong> laufen.<br />
Der neoliberale Angriff auf <strong>den</strong> kapitalistischen Wohlfahrtsstaat beruft sich auf die<br />
Selbstverantwortung <strong>der</strong> <strong>Ein</strong>zelnen nur, um zunehmende soziale Ungleichheit und<br />
damit Abhängigkeit zu rechtfertigen. Hingegen verringern die für alle erlangten<br />
Rechte die individuellen Abhängigkeiten und erweitern damit das<br />
Möglichkeitsspektrum selbstverantworteter Entscheidungen.<br />
107<br />
Flores d`Arcais, Paolo: Die Linke und das Individuum. <strong>Ein</strong> politisches Pamphlet, Wagenbach, Berlin<br />
1997, S. 58.<br />
Oliver Kloss • 2001 • <strong>Macht</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>frei</strong>?<br />
• 32 •