Macht Arbeit frei? Ein Versuch über den Wert der Erwerbsarbeit.
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deutlich nationalistische Züge an, <strong>Arbeit</strong>slosenhilfebezieher mussten als Erntehelfer in<br />
die Landwirtschaft, damit nicht Polen, für die sich diese <strong>Arbeit</strong> aufgrund des<br />
Wechselkurses lohnte, in <strong>der</strong> Landwirtschaft arbeiten konnten.<br />
Im Leipziger Stadtrat kam die Vorlage „Auswirkungen von Dauerarbeitslosigkeit und<br />
Maßnahmen” 86 am 16. März 1994 zur Abstimmung. Namentlich stimmten 67<br />
Stadträte mit Ja, 26 mit Nein und 5 enthielten sich. Nicht alle aus <strong>der</strong> SPD stimmten<br />
mit Ja, nicht alle Bündnisgrünen Nein. Die Erpressung mit Streichung <strong>der</strong> Sozialhilfe<br />
war beschlossen. Nach einer dreimonatigen Probezeit sollten die Zugewiesenen im<br />
„bfb“ ein Jahr mit Vertrag untertariflich arbeiten, hernach bestehe fünf Monate<br />
Anspruch auf <strong>Arbeit</strong>slosengeld und dann auf -hilfe. Bis Ende 1996 stieg die Zahl <strong>der</strong><br />
beschäftigten Sozialhilfeempfänger auf 1.300, je<strong>der</strong> dritte Zugewiesene wollte sich<br />
nicht mit dem Zwang abfin<strong>den</strong>. 87<br />
1997 wur<strong>den</strong> 2.573 zugewiesen 88 , 1998 schon<br />
3.875.<br />
„Beim größten <strong>Arbeit</strong>geber Leipzigs sind <strong>der</strong>zeit rund 3.500 Menschen in<br />
<strong>Arbeit</strong>sbeschaffungsmaßnahmen beschäftigt, zudem 2.000<br />
Sozialhilfeempfänger sowie 500 ehemalige <strong>Arbeit</strong>slose, die ein Grundgehalt<br />
von <strong>der</strong> Stadt und einen Lohnkostenzuschuss vom <strong>Arbeit</strong>samt bekommen” 89 ,<br />
berichtete die LVZ im Februar 1999. Von Hermanni erklärte:<br />
„Im letzten Jahr hat die Kommune einen <strong>Arbeit</strong>splatz beim bfb mit 3.200 DM<br />
subventioniert. Und wenn ich jetzt mal vergleiche: Die Planstelle vom Affen im<br />
Leipziger Zoo wird mit 4.788 DM deutlich höher subventioniert. […] Wir haben<br />
letztes Jahr 2.000 Menschen zusätzlich beschäftigt, dafür bekam <strong>der</strong> bfb eine<br />
Summe von brutto 3,4 Millionen DM. Das entspricht, wie man aus <strong>den</strong> Medien<br />
erfuhr, <strong>der</strong> Nettoabfindung von Frau Wohlfarth, <strong>der</strong>en Abgang als Vorsitzende<br />
<strong>der</strong> Leipziger Messegesellschaft mit zwei Millionen bezahlt wurde.” 90<br />
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Freiburg ,1. Juni 1993, Punkt VI: „Die Wie<strong>der</strong>einführung von Gemeinschaftsarbeit für <strong>Arbeit</strong>slose ist<br />
verfassungsrechtlich unbe<strong>den</strong>klich, wenn sie auf zusätzliche <strong>Arbeit</strong>en beschränkt wird.”<br />
Vgl. Kloss, Oliver: „Zwangsarbeit in Leipzig. Erpressung zur Billigarbeit“, in: express 2 (1994), S. 8 und<br />
in: direkte aktion. Nr. 103, 18. Jg., März/ April 1994, S. 4.<br />
Vgl. Müller, Thomas: „<strong>Arbeit</strong> für ein Jahr. Schon 2800 sind von <strong>der</strong> Sozialhilfe weg“, in: LVZ vom 27.<br />
Dez. 1996.<br />
Vgl. Müller, Thomas: „Job statt Sozialhilfe - immer mehr machen mit“, in: LVZ vom 7. Oktober 1997,<br />
S. 11.<br />
Sywottek, Christian: „Sozialhilfeempfänger sollen für ihr Geld auch etwas tun“, in: LVZ vom 11.<br />
Februar 1999.<br />
Sturm, Daniel: Interview mit Matthias von Hermanni. „Der Affe im Zoo ist teurer”, in: Kreuzer –<br />
Leipziger Stadtmagazin. Heft 2 (1999), S. 18.<br />
Oliver Kloss • 2001 • <strong>Macht</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>frei</strong>?<br />
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