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Macht Arbeit frei? Ein Versuch über den Wert der Erwerbsarbeit.

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Kurz gefasst, sah Keynes für die erste Phase des Wie<strong>der</strong>aufbaus noch die<br />

Notwendigkeit staatliche Kontrollen des Verbrauchs und <strong>der</strong> Investitionstätigkeit, für<br />

die zweite die Aufhebung dieser Kontrollen sowie ein langfristig angelegtes<br />

Investitionsprogramm unter öffentlicher Kontrolle, um Schwankungen im privaten<br />

Sektor durch gegenläufige Bewegungen zu korrigieren. Im Übergang zur dritten Phase<br />

sei unter Bedingungen <strong>der</strong> Vollbeschäftigung notwendig,<br />

„sinnvollen Konsum zu ermutigen, vom Sparen abzuraten und einen Teil des<br />

unerwünschten Surplus durch vermehrte Freizeit zu absorbieren – mehr Urlaub<br />

(eine wun<strong>der</strong>bare Art, Geld loszuwer<strong>den</strong>!) und weniger <strong>Arbeit</strong>sstun<strong>den</strong>”. 63<br />

Langfristig müsse Ziel sein, „die Nettoinvestitionen zu reduzieren und <strong>den</strong><br />

Verbrauch (o<strong>der</strong>, alternativ, die Freizeit) zu steigern”. 64<br />

Bedingung für die dritte Phase ist die gelingende Aufrechterhaltung von<br />

Vollbeschäftigung.<br />

Wird die Prognostik <strong>der</strong> empirischen Wirtschaftsentwicklung konfrontiert, lässt sich<br />

sagen, dass in <strong>den</strong> 50er und 60er Jahre Wachstumsraten bis um 10% auftraten. Viele<br />

Wissenschaftler gingen noch in <strong>den</strong> 60er Jahren davon aus, das Bruttoinlandsprodukt<br />

könne jährlich real um 4% wachsen, woraus sie folgerten, alle <strong>Arbeit</strong>suchen<strong>den</strong> seien<br />

allein durch Wirtschaftswachstum in <strong>den</strong> <strong>Arbeit</strong>smarkt zu integrieren, doch es ließ<br />

gemäß <strong>der</strong> Prognose von Keynes deutlich nach. Nach Abbau des Nachfrage<strong>über</strong>hangs<br />

im Wie<strong>der</strong>aufbaubedarf traten in wohlhaben<strong>der</strong>en Haushalten von <strong>den</strong> 70er Jahren an<br />

die von Keynes erwarteten Sättigungserscheinungen ein. Die Nachfragedynamik <strong>der</strong><br />

Besserverdienen<strong>den</strong> ließ nach. Der leichte Anstieg <strong>der</strong> <strong>Arbeit</strong>slosigkeit führte bei<br />

<strong>Arbeit</strong>slosen zu <strong>Ein</strong>kommensausfällen mit entsprechendem erneuten<br />

Nachfragerückgang. Der Prozess von <strong>Arbeit</strong>slosigkeit zu <strong>Ein</strong>kommensrückgang zu<br />

Nachfrage<strong>über</strong>hang zu erneuten Beschäftigungseinbußen führte seither zu steigen<strong>der</strong><br />

<strong>Arbeit</strong>slosigkeit.<br />

Rechnet man alle Wachstumsraten <strong>der</strong> OECD-Staaten zusammen, gab es nur einmal<br />

in <strong>den</strong> 80er Jahren ein reales Wachstum von 4%, auch Deutschland lag unter dieser<br />

Marke (nur die deutsche Vereinigung sorgte ab 1990 vor<strong>über</strong>gehend für bessere<br />

Ergebnisse). Die realen Wachstumsgrößen bewegen sich seit <strong>den</strong> 80er Jahren um die<br />

2% (nur im Jahre 2000 bei 3% infolge des niedrigen Wechselkurses des eingeführten<br />

Euro), worin die nachfrageorientierte Theorie <strong>den</strong> Beleg sieht, dass mit Wachstum die<br />

<strong>Arbeit</strong>smarktlage nicht zu bewältigen ist.<br />

63<br />

64<br />

Keynes, John Maynard: „Das langfristige Problem <strong>der</strong> Vollbeschäftigung“, in: Zinn, Karl Georg:<br />

Jenseits <strong>der</strong> Markt-Mythen. VSA-Verlag, Hamburg, 1997, S. 155.<br />

Ebenda, S. 156.<br />

Oliver Kloss • 2001 • <strong>Macht</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>frei</strong>?<br />

• 19 •

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