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Macht Arbeit frei? Ein Versuch über den Wert der Erwerbsarbeit.

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auch an jene Stu<strong>den</strong>ten, die politisch nonkonform aufgefallen waren und sich zur<br />

Strafe befristet „in <strong>der</strong> Produktion bewähren” durften, wollten sie sich <strong>der</strong> Gnade <strong>der</strong><br />

Bildung wie<strong>der</strong> würdig erweisen. Tiefer als in die vermeintlich „herrschende<br />

<strong>Arbeit</strong>erklasse” konnte im Sozialismus keiner fallen. Noch 1993 versagte sich die PDS<br />

nicht, öffentlich das Staatsrechtsverständnis <strong>der</strong> SED-Diktatur zu vertreten, die<br />

hegelsche dialektische <strong>Ein</strong>heit und formale I<strong>den</strong>tität von Recht und Pflicht: Im<br />

Bundestag erklärte die PDS, gegen eine <strong>Arbeit</strong>spflicht sei nichts einzuwen<strong>den</strong>, sofern<br />

im Grundgesetz auch das „Recht auf <strong>Arbeit</strong>" eingeführt werde. 50<br />

<strong>Ein</strong> Staat, <strong>der</strong> seine Legitimation allein auf Glauben gründet, vermag das<br />

Legitimationsdefizit nur durch umfassende Kontrollmaßnahmen zu kompensieren. In<br />

Ermangelung demokratischer Öffentlichkeit fällt allein dem Geheimdienst die Aufgabe<br />

zu, das Feedback <strong>der</strong> Regulationen <strong>der</strong> Regierung verlässlich zu erkun<strong>den</strong>, will sie<br />

organisiertem Wi<strong>der</strong>stand frühzeitig entgegenwirken.<br />

Die subversiven Gruppen konnten daher mindestens davon ausgehen, dass ihre<br />

Aktivitäten – wie gering ihre aufklärerische und zu Wi<strong>der</strong>stand ermutigende<br />

Breitenwirkung in <strong>den</strong> Anfängen auch gewesen sein mochte – zur Steigerung <strong>der</strong><br />

Kontrollkosten des Staates beitragen mussten, somit auch <strong>den</strong> wirtschaftlichen<br />

Nie<strong>der</strong>gang beför<strong>der</strong>n konnten.<br />

Wie despotische Sklaverei sich theoretisch nicht mehr lohnte, wenn <strong>den</strong> Sklaven<br />

gelänge sich zu organisieren und deshalb die Zahl <strong>der</strong> Aufseher permanent gesteigert<br />

wer<strong>den</strong> müsste, so war die Hoffnung in <strong>der</strong> DDR nicht unberechtigt, dass mit je<strong>der</strong><br />

staatskritischen Aktivität <strong>der</strong> Sicherheitsapparat zur Erweiterung stimuliert werde.<br />

Mithin war sowohl die Steigerung <strong>der</strong> Kontrollkosten wie das zunehmende<br />

Unbehagen <strong>der</strong> kontrollierten Mehrheit zu erwarten, wenngleich <strong>der</strong> Zeitpunkt<br />

gelingen<strong>der</strong> Be<strong>frei</strong>ung für die Gruppen des organisierten Wi<strong>der</strong>standes ungewiss<br />

blieb.<br />

Hartmut Elsenhans analysierte die „Abhängigkeit <strong>der</strong> Entfaltung <strong>der</strong> inneren<br />

Wi<strong>der</strong>sprüche <strong>der</strong> Planwirtschaft von <strong>der</strong> konjunkturellen Entwicklung des<br />

Kapitalismus” 51 :<br />

„Es gab Phasen, in <strong>den</strong>en <strong>der</strong> ‚reale Sozialismus’, die Planwirtschaft,<br />

wirtschaftlich <strong>über</strong>legen schien, aber nur deshalb, weil im real existieren<strong>den</strong><br />

Kapitalismus die ‚Kapital’-Interessen zu stark gewor<strong>den</strong> waren. Die inneren<br />

50<br />

wodurch die generelle Anwendung des Gesetzes unmöglich gewor<strong>den</strong> war. So wurde Ende <strong>der</strong><br />

achtziger Jahre möglich, dass eine Leipziger Bürger- und Menschenrechtsgruppe, <strong>der</strong> <strong>Arbeit</strong>skreis<br />

Gerechtigkeit, selbst Mitarbeiter anstellen und bezahlen konnte.<br />

Vgl. woche im bundestag (wib). 21 (1993), S. 61.<br />

Oliver Kloss • 2001 • <strong>Macht</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>frei</strong>?<br />

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