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afrika süd 2016-4

Die Fachzeitschrift zum Südlichen Afrika. Afrika Süd liefert kritische Hintergrundanalysen, stellt konkrete Projekte vor und lässt Akteure zu Wort kommen. // THEMEN DER AUSGABE: Mosambiks zweite Schuldenkrise und der absehbare Niedergang der mosambikanischen Kohle, Angola: Spaniens illegaler Waffendeal, Südafrika: Erinnerung an den Marsch der Frauen vor den Regierungssitz in Pretoria aus dem Jahr 1956 und Flüchtlingsschutz als Politik, EPAs - Erpresste Partnerschaftsabkommen: Ein einführender Aufsatz zur Politik der EU gegenüber Afrika und ein gesonderter Blick auf das südliche Afrika durch den Experten Boniface Mabanza, Politische Satire in Simbabwe, ein Interview mit dem tansanischen Schriftsteller Abdulrazak Gurnah und ein Bericht über die Ausstellung "Things Fall Apart" über "sozialistische Freundschaften" sowie ein Schwerpunkt zur Völkermorddebatte zu Namibia: Deutschland hat den Völkermord an den Ovaherero und Nama während des Kolonialkrieges in Deutsch-Südwestafrika (1904-1908) endlich anerkannt. Der Kommentar von Reinhart Kößler und Henning Melber beschäftigt sich mit der Frage, welche Konsequenzen die Bundesregierung daraus zu ziehen bereit ist. Dazu enthält der Schwerpunkt mehrere Beiträge, u.a. eine Antwort auf den Geschichtsrevisionismus im Spiegel, die Erklärung der Solidarischen Kirche im Rheinland zur Mitschuld der Evangelischen Kirche in Deutschland sowie ein Beitrag zur Konferenz "Africa to Auschwitz. Solidarität der Opfer", die Reinhart Kößler in den USA besucht hatte. // www.afrika-sued.org

Die Fachzeitschrift zum Südlichen Afrika. Afrika Süd liefert kritische Hintergrundanalysen, stellt konkrete Projekte vor und lässt Akteure zu Wort kommen. // THEMEN DER AUSGABE: Mosambiks zweite Schuldenkrise und der absehbare Niedergang der mosambikanischen Kohle, Angola: Spaniens illegaler Waffendeal, Südafrika: Erinnerung an den Marsch der Frauen vor den Regierungssitz in Pretoria aus dem Jahr 1956 und Flüchtlingsschutz als Politik, EPAs - Erpresste Partnerschaftsabkommen: Ein einführender Aufsatz zur Politik der EU gegenüber Afrika und ein gesonderter Blick auf das südliche Afrika durch den Experten Boniface Mabanza, Politische Satire in Simbabwe, ein Interview mit dem tansanischen Schriftsteller Abdulrazak Gurnah und ein Bericht über die Ausstellung "Things Fall Apart" über "sozialistische Freundschaften" sowie ein Schwerpunkt zur Völkermorddebatte zu Namibia: Deutschland hat den Völkermord an den Ovaherero und Nama während des Kolonialkrieges in Deutsch-Südwestafrika (1904-1908) endlich anerkannt. Der Kommentar von Reinhart Kößler und Henning Melber beschäftigt sich mit der Frage, welche Konsequenzen die Bundesregierung daraus zu ziehen bereit ist. Dazu enthält der Schwerpunkt mehrere Beiträge, u.a. eine Antwort auf den Geschichtsrevisionismus im Spiegel, die Erklärung der Solidarischen Kirche im Rheinland zur Mitschuld der Evangelischen Kirche in Deutschland sowie ein Beitrag zur Konferenz "Africa to Auschwitz. Solidarität der Opfer", die Reinhart Kößler in den USA besucht hatte. // www.afrika-sued.org

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Juli/August <strong>2016</strong><br />

45. Jahrgang | Nr. 4<br />

Zeitschrift zum <strong>süd</strong>lichen Afrika.<br />

NAMIBIA<br />

Völkermord anerkannt<br />

SÜDAFRIKA<br />

Flüchtlingsschutz ist Politik<br />

AFRIKA-EU-EPA<br />

Europas letzte Offensive


INHALT<br />

Fotos: BAHA, Landau, Knapp/Mabanza KASA<br />

20 DER MARSCH DER FRAUEN INS ZEN-<br />

TRUM DER FINSTERNIS<br />

In diesem Heft<br />

EDITORIAL<br />

03 WO KEIN WILLE IST, IST AUCH KEIN<br />

WEG...<br />

Die Konsequenzen aus der Anerkennung<br />

des Völkermords an den Herero<br />

und Nama durch die Bundesregierung<br />

kommentieren Henning Melber und<br />

Reinhart Kößler.<br />

04 AKTUELL<br />

MOSAMBIK<br />

08 MOSAMBIKS ZWEITE SCHULDENKRISE<br />

Mosambik hat illegale Schulden aufgenommen,<br />

die Geberländer haben ihre<br />

Haushaltshilfe eingefroren. Gottfried<br />

Wellmer analysiert die hausgemachten<br />

Probleme des Landes.<br />

10 AUFSTIEG UND BALDIGER NIEDER-<br />

GANG DER MOSAMBIKANISCHEN<br />

KOHLE<br />

Die Zukunft des Kohlebergbaus in Mosambik<br />

hinterfragt Gottfried Wellmer.<br />

ANGOLA<br />

11 SPANIENS ILLEGALER WAFFENDEAL MIT<br />

LUANDA<br />

Angola ist hoch militarisiert und missachtet<br />

die Menschenrechte. EU-Richtlinien<br />

verbieten Waffenexporte in ein<br />

solches Land. Das Rüstungsunternehmen<br />

Defex fand trotzdem Wege. Pere Ortega<br />

deckt das Korruptionsnetz dahinter auf.<br />

NAMIBIA: VÖLKERMORDDEBATTE<br />

14 LETZTE MEDIALE UND POLITISCHE<br />

RÜCKZUGSGEFECHTE<br />

Die Anerkennung des Völkermords in<br />

Südwest-Afrika (1904-1908) ist in der<br />

Politik angekommen. Doch die Bundesregierung<br />

tut sich schwer mit den Konsequenzen,<br />

wie Andreas Bohne illustriert.<br />

24 FLÜCHTLINGSSCHUTZ IST POLITIK<br />

16 WIDER DIE VERHARMLOSUNG VON<br />

VÖLKERMORD<br />

Gegen den Geschichtsrevisionismus im<br />

Spiegel wenden sich Reinhart Kößler,<br />

Henning Melber, Heidemarie Wieczorek-Zeul<br />

und Jürgen Zimmerer.<br />

17 ÖFFENTLICHE ERKLÄRUNG DER SOLIDA-<br />

RISCHEN KIRCHE IM RHEINLAND<br />

Die Evangelische Kirche in Deutschland<br />

muss die Mitschuld am Völkermord an<br />

Ovaherero und Nama endlich anerkennen,<br />

fordern die Solidarische Kirche im<br />

Rheinland und der Mainzer Arbeitskreis<br />

<strong>süd</strong>liches Afrika (MAKSA).<br />

18 AFRICA TO AUSCHWITZ. SOLIDARITÄT<br />

DER OPFER<br />

Die Podiumsdiskussion „Africa to Auschwitz.<br />

Germany, Genocide and Denial“ in<br />

den USA brachte Überlebende und Nachfahren<br />

unterschiedlicher Opfergruppen<br />

zusammen. Reinhart Kößler berichtet.<br />

SÜDAFRIKA<br />

20 DER MARSCH DER FRAUEN INS ZEN-<br />

TRUM DER FINSTERNIS<br />

Am 9. August 1956 zogen etwa 20.000<br />

Frauen in einem Protestmarsch vor den<br />

Regierungssitz in Pretoria. Ihr Widerstand<br />

richtete sich gegen Beschränkungen<br />

der Arbeits- und Aufenthaltsrechte,<br />

wie Rita Schäfer aufzeigt.<br />

24 FLÜCHTLINGSSCHUTZ IST POLITIK<br />

Loren B. Landau und Roni Amit fordern<br />

übergreifende politische Konzepte für<br />

den Schutz von Flüchtlingen – weltweit<br />

und in Süd<strong>afrika</strong>.<br />

30 EPAS – ERPRESSTE PARTNERSCHAFTSAB-<br />

KOMMEN<br />

SIMBABWE<br />

26 ZAMBEZI NEWS: POLITSCHE SATIRE<br />

GEGEN STAATLICHE REPRESSION<br />

Mit bissigem Humor und grotesker<br />

Ironie hält die fiktive Nachrichtenshow<br />

Zambezi News dem Mugabe-Regime den<br />

Spiegel vor. Itai Mushekwe beleuchtet<br />

Hintergründe.<br />

TANSANIA: LITERATUR<br />

28 POETISCHE VERNETZUNGEN – KÜSTEN-<br />

KULTUREN IM INDISCHEN OZEAN<br />

Der tansanische Schriftsteller Abdulrazak<br />

Gurnah lehrt <strong>afrika</strong>nische und karibische<br />

Literaturen. Mit dem Autor sprach<br />

Manfred Loimeier.<br />

SÜDLICHES AFRIKA: EPA<br />

30 EPAS – ERPRESSTE PARTNERSCHAFTSAB-<br />

KOMMEN<br />

Die Europäische Union drängt armen<br />

Staaten in Afrika, der Karibik und im Pazifik<br />

Freihandelsabkommen auf. Monika<br />

Mehnert gibt einen Überblick.<br />

32 EUROPAS LETZTE OFFENSIVE<br />

Das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen<br />

der Europäischen Union mit der<br />

Entwicklungsgemeinschaft im <strong>süd</strong>lichen<br />

Afrika (SADC) nimmt Boniface Mabanza<br />

unter die Lupe.<br />

SÜDLICHES AFRIKA: KUNST<br />

35 MARXSCHE GESPENSTER<br />

Was ist geblieben von der sozialistischen<br />

Ästhetik, dem utopischen Zukunftsentwurf<br />

und den „sozialistischen Freundschaften“<br />

zwischen den Staaten? Lukas<br />

Heger stellt die Werke von Künstlern aus<br />

Angola und der Region vor.<br />

SERVICE<br />

38 REZENSIONEN<br />

2 <strong>afrika</strong> <strong>süd</strong> 4|<strong>2016</strong>


EDITORIAL<br />

Wo kein Wille ist, ist kein Weg...<br />

DEUTSCHLAND HAT DEN VÖLKERMORD WÄHREND DES KOLO-<br />

NIALKRIEGES IN DEUTSCH-SÜDWESTAFRIKA (1904-1908) ANER-<br />

KANNT. Doch die Verhandlungen zwischen den Regierungen über<br />

die Konsequenzen befinden sich in einer Krise. Die offizielle Anerkennung<br />

des Tatbestands durch das Auswärtige Amt war überfällig.<br />

Nun folgt der mühsam durchgesetzten Einsicht eine uneinsichtige<br />

Politik, die den Dialog gefährdet. Die Konflikte in Namibia kreisen<br />

um die Forderung der Repräsentanten der betroffenen Bevölkerungsgruppen<br />

der Herero, Nama und Damara, am Verhandlungsprozess<br />

beteiligt zu sein. Dem hat sich vor allem die namibische<br />

Regierung verschlossen. Diese Weigerung tritt nun aber durch ein<br />

gänzlich unsensibles Vorpreschen der deutschen Seite in den Hintergrund.<br />

Auf einer Pressekonferenz in Windhoek haben am 7. Juli Sonderbotschafter<br />

Ruprecht Polenz und Botschafter Christian Schlaga die<br />

deutsche Position öffentlich dargelegt: Der Völkermord werde zwar<br />

anerkannt, aber die in Namibia ungeachtet sämtlicher Differenzen<br />

erhobene Forderung nach Reparationen werde nicht erfüllt. Stattdessen<br />

wurde ohne Absprache mit der namibischen Seite ein Zeitplan<br />

publik gemacht, der sich einzig an innenpolitischen Kriterien<br />

Deutschlands orientiert. Er sieht eine offizielle Entschuldigung durch<br />

Bundespräsident Joachim Gauck vor Ende dessen Amtszeit ebenso<br />

vor wie eine verbindliche Regelung vor den nächsten Bundestagswahlen,<br />

die durch eine gemeinsame Erklärung beider Staaten unterstrichen<br />

werden soll. Auch wurden bis in Einzelheiten hinein Projekte<br />

benannt, die gefördert werden sollten.<br />

Nachdem zuvor die Vertraulichkeit der Verhandlungen betont<br />

wurde, war dieser einseitige Schritt an die Öffentlichkeit ein Affront<br />

gegenüber der namibischen Seite. Er erinnert an frühere eigenmächtige<br />

Schritte der Bundesregierung, etwa im Zusammenhang mit der<br />

2005 ohne jegliche Absprache verkündeten „Sonderinitiative“ zur<br />

Förderung der Gebiete, in denen vor allem Nachfahren der Überlebenden<br />

des Völkermordes wohnen. Das weitgehende Scheitern dieser<br />

Initiative war durch das unilaterale Vorgehen programmiert.<br />

Aus diesen Erfahrungen wurde anscheinend nichts gelernt. Die<br />

deutsche Diplomatie lässt weiterhin jegliches Fingerspitzengefühl<br />

vermissen. Dabei wäre es unabdingbar, im Zuge der angestrebten<br />

Verhandlungslösung auf die Stimmen aus Namibia zu hören und<br />

sich etwa bei der zentralen Forderung nach Reparationen nicht<br />

auf formalrechtliche Positionen zurückzuziehen: Eine ernsthafte<br />

Entschuldigung für einen Völkermord ist nach weithin geltender<br />

Ansicht undenkbar ohne den erkennbaren, ehrlichen Willen zur<br />

Wiedergutmachung, wie wenig diese bei dem verursachten menschlichen<br />

Leid auch möglich ist.<br />

Dass es keine zwangsläufigen weiteren Konsequenzen in punkto<br />

Entschädigung aus der Anerkennung des Völkermords und einer<br />

Entschuldigung gäbe, wurde auf der Bundespressekonferenz am 13.<br />

Juli nochmals von der stellvertretenden Sprecherin des Auswärtigen<br />

Amtes ausdrücklich betont. Ein solches Verhalten erschwert einen<br />

Erfolg der Verhandlungen erheblich. Einseitige Verlautbarungen<br />

über intendierte Verhandlungsergebnisse konterkarieren eine gemeinsame<br />

Verständigung und sabotieren die vorgebliche Bereitschaft<br />

zur Versöhnung. Stattdessen hat die deutsche Seite nunmehr<br />

erreicht, was kaum vorstellbar schien: Regierung, Opposition und<br />

Vertretungen der hauptsächlich vom damaligen Völkermord betroffenen<br />

Gruppen sind sich in ihrer Empörung über die anmaßende<br />

deutsche Vorgehensweise einig und üben harsche Kritik.<br />

Ein Aussöhnungsprozess sollte eigentlich anders aussehen. Wie<br />

der namibische Verhandlungsführer, Dr. Zedekia Ngavirue, in einem<br />

Interview Mitte Juli erklärte, ist die deutsche Entschuldigung Voraussetzung<br />

und nicht das Ende eines Aushandlungsprozesses. Ein<br />

solcher Schritt würde vieles erleichtern. Eine klare Aussage von<br />

deutscher Seite würde die Politik der kleinen Schrittchen überwinden,<br />

die das bisherige Vorgehen prägen: Eher nebenbei die Änderung<br />

der Sprachregelung im Juli 2015, dann eine Bundestagsdebatte<br />

im September und die offizielle Ankündigung von Verhandlungen<br />

im November, nur um Mitte <strong>2016</strong> feststellen zu müssen, dass etwas<br />

Entscheidendes fehlt: die Entschuldigung.<br />

Wenn von deutscher Seite zur Irritation der namibischen Partner<br />

auf den engen Zeitplan angesichts des Wechsels im Amt des<br />

Bundespräsidenten Anfang 2017 und der Bundestagswahlen kurz<br />

danach hingewiesen wird, müsste gerade deshalb eine klare Entschuldigung<br />

als markante Festlegung sinnvoll sein. Nicht nur, um<br />

diese eben nicht zum Verhandlungsgegenstand zu machen, sondern<br />

um damit als konstruktivem Ausgangspunkt irreversible Fakten zu<br />

schaffen. Afrika <strong>süd</strong> hat in der Vergangenheit wie auch in diesem<br />

Heft durch Analysen und Informationen als Teil eines zivilgesellschaftlichen<br />

Engagements die Bemühungen um eine aufrichtige<br />

Völkerverständigung unterstützt und das gegenwärtige Tauziehen<br />

kritisch begleitet. Wir werden weiter am Ball bleiben.<br />

>> Reinhart Kößler und Henning Melber<br />

4|<strong>2016</strong> <strong>afrika</strong> <strong>süd</strong> 3


MOSAMBIK<br />

Foto: Melanie Bateman / cc:by-nc-nd<br />

Mosambiks zweite Schuldenkrise<br />

MOSAMBIK STEHT VOR DEM BANKROTT. Die Schulden haben sich verdreifacht, dazu wurden illegale Anleihen bekannt,<br />

weswegen die Geberländer ihre Haushaltshilfe für das Land eingefroren haben. Die Probleme, die von der<br />

Vorgängerregierung Guebuza zu verantworten sind, könnten Mosambiks gegenwärtigen Präsidenten Nyusi noch<br />

in die Bredouille bringen.<br />

Die Initiative für hochverschuldete, arme<br />

Länder (HIPC) ermöglichte bis 2006 die<br />

Streichung von mosambikanischen Staatsschulden<br />

in Höhe von 2,36 Mrd. US-Dollar.<br />

Dies erlaubte es Mosambik, die Summen, die<br />

es zuvor jährlich für die Zinszahlungen des<br />

Schuldendienstes hätte zahlen müssen, nun<br />

für den Wiederaufbau und die Entwicklung<br />

des von ca. 30 Jahren Krieg zerstörten Landes<br />

zu nutzen und zu versuchen, die Anzahl der<br />

Bürger, die in absoluter Armut lebten, unter<br />

50 Prozent der Bevölkerung zu drücken. Präsident<br />

Armando Guebuza versprach seinerzeit<br />

die Entwicklung des Personals im Gesundheits-<br />

und Erziehungssektor des Landes<br />

sowie die Verbesserung der Infrastruktur,<br />

der staatlichen Dienstleistungen und des<br />

Finanzwesens des Staates. Er gelobte auch,<br />

der weit verbreiteten Korruption ein Ende zu<br />

setzen.<br />

Schulden verdreifacht<br />

Im Zeitraum 2006 bis 2015 haben sich die<br />

gesamten Schulden der öffentlichen Hand<br />

von ca. 3,5 Mrd. US-Dollar auf über 10 Mrd.<br />

US-Dollar verdreifacht. (Hier sind die sog.<br />

„illegalen Anleihen“ noch nicht mitgezählt).<br />

In diesem Zeitraum vermehrten sich die<br />

kommerziellen Schulden des Staates von<br />

300 Mio. US-Dollar auf 2,4 Mrd. US-Dollar.<br />

Die kommerziellen Schulden waren natürlich<br />

teurer in der Rückzahlung, hatten<br />

kürzere Laufzeiten und konnten schlechter<br />

umgeschuldet werden als die „weichen“,<br />

konzessiven Schulden der Entwicklungsagenturen<br />

der Geberländer. Es waren die<br />

kommerziellen Schulden, die das Wachstum<br />

der Staatsverschuldung in die Höhe trieben.<br />

Die kommerziellen Schulden wuchsen dreizehn<br />

Mal schneller als das Bruttosozialprodukt<br />

und machten <strong>2016</strong> unter Einbeziehung<br />

der illegalen Schulden geschätzte 49 Prozent<br />

der gesamten Staatsschulden Mosambiks<br />

aus.<br />

So weit dies derzeit bekannt ist, belaufen<br />

sich die Staatsschulden unter Berücksichtigung<br />

der illegalen Anleihen, die wir gleich<br />

erläutern, auf rund 12 Mrd. US-Dollar. Sie<br />

machen über 80 Prozent des Bruttosozialproduktes<br />

aus. Mosambik wird den Schuldendienst<br />

für diese Schulden aus eigener<br />

Kraft kaum leisten können. Die Grenzen der<br />

„Nachhaltigkeit“ sind überschritten.<br />

Die illegalen Schulden<br />

Bei den illegalen Anleihen wurden drei<br />

Firmen im Staatsbesitz und ein Ministerium<br />

begünstigt:<br />

• Ematum mit einem Kredit in Höhe von<br />

850 Mio. US-Dollar<br />

• Pro-Indicus erhielt einen Kredit von 622<br />

Mio. US-Dollar<br />

• das Mozambican Asset Management bekam<br />

einen Kredit von 535 Mio. US-Dollar<br />

• das Innenministerium erhielt verschiedene<br />

Kredite von insgesamt 221 Mio. US-<br />

Dollar für „Law and Order“-Aufgaben.<br />

Diese Anleihen wurden nicht vom Parlament<br />

gebilligt, was aber gemäß Artikel<br />

179 der Verfassung vorgeschrieben ist. Die<br />

letzten drei dieser Anleihen wurden auch<br />

im Budget des Staates nicht registriert, wie<br />

das Gesetz es verlangt. Insofern hat die angebliche<br />

Staatsgarantie für die Rückzahlung<br />

dieser Anleihen keinerlei rechtliche<br />

Grundlage. Weil diese Anleihen illegal sind,<br />

sollten sowohl der Staat wie die steuerzahlenden<br />

Bürger des Landes sich weigern, sie<br />

zurückzuzahlen. Weil diese Anleihen dem<br />

Lande und seinen Bürgern nicht zugute ge-<br />

8 <strong>afrika</strong> <strong>süd</strong> 4|<strong>2016</strong>


MOSAMBIK<br />

AKTUELLE ECKDATEN ZUR WIRTSCHAFTSLAGE MOSAMBIKS<br />

• Die ausländischen Direktinvestitionen ielen um 35 Prozent auf 650 Mio. US-Dollar.<br />

• Der Wert der lokalen Währung gegenüber dem US-Dollar iel um 28 Prozent, so<br />

dass nun 1 US-Dollar gegen 66,36 neue Meticais umgetauscht werden.<br />

• Die jährliche Inlationsrate lag im Juni <strong>2016</strong> bei 19,7 Prozent.<br />

• Geberstaaten haben ihre Budgetzuschüsse im Wert von rund 500 Mio. US-Dollar<br />

aus Protest gegen die illegalen Anleihen der Regierung Guebuza eingefroren.<br />

• Das <strong>süd</strong>liche Afrika muss die schlimmste Dürre seit 35 Jahren überleben. Mosambik<br />

erhielt von der UN, von der Weltbank und von Großbritannien eine Summe<br />

von 100 Mio. US-Dollar für 450.000 Dürreopfer im Süden des Landes – es hat dort<br />

wegen des El-Niño-Wetterphänomens seit zwei Jahren nicht geregnet.<br />

• Das Wirtschaftswachstum wird sich verlangsamen und nur 4,5 Prozent ausmachen.<br />

kommen sind und ihm nichts nützen, gehören sie zur<br />

Kategorie der sittenwidrigen Schulden (odious debt).<br />

Die Anleihen wurden von der Regierung unter Präsident<br />

Armando Guebuza angeworben – unter Verletzung<br />

der Verfassung des Landes. Das Argument<br />

des Finanzministers, der Staat müsse diese illegalen<br />

Schulden übernehmen und zurückzahlen, um seinen<br />

Ruf als vertrauenswürdigen Schuldner nicht zu verlieren,<br />

kommt zu spät.<br />

Seit der Entdeckung dieser illegalen und nicht erklärten<br />

Anleihen haben die Ratingagenturen der<br />

Vertrauenswürdigkeit Mosambiks längst Schrottstatus<br />

zugebilligt. Wenn sich also die Regierung unter<br />

Präsident Filipe Jacinto Nyusi entschließt, auch die<br />

Rückzahlung der illegalen Schulden zu übernehmen,<br />

dann wird der Schuldendienst für die externen Staatsschulden<br />

auf jährlich 500 Mio. US-Dollar steigen. Das<br />

entspricht etwa 30 Prozent des Wertes der Exporte<br />

des Landes. Das ist für Mosambik kaum machbar,<br />

denn eine signifikante Gasproduktion und der damit<br />

verbundene, Devisen bringende Gasexport ist vor<br />

2025 nicht zu erwarten. Andere frische Einkommensquellen<br />

sind nicht in Sicht. Nach dem Einfrieren der<br />

Entwicklungshilfe und der konzessiven Budgethilfen<br />

seitens der Geberländer wird es für das Land schwer<br />

werden, die notwendigen Nahrungsmittel und Medikamente<br />

zu importieren.<br />

Der Stand der offiziell erklärten Schulden kann immer<br />

noch geringer sein als die effektiven Schulden.<br />

Die offizielle Schuldenlast wird auf der Basis ausgezahlter<br />

Kredite berechnet und nicht auf der Basis der<br />

von der Regierung eingegangenen Anleiheverträge.<br />

Es gibt zum Beispiel große, noch nicht vollendete Bauprojekte,<br />

wie die Brücke von Maputo über die Bucht<br />

nach KaTembe. Die Anleihen für dieses und andere<br />

nicht abgeschlossene Projekte wurden bisher nicht<br />

zur Gänze zur Verfügung gestellt. Sobald sie ausgezahlt<br />

sind, könnte der gesamte öffentliche Schuldenstand<br />

auf rund 14 Mrd. US-Dollar hochschnellen, so Castel<br />

Branco und Massaronga in Ideias vom 2. Juni <strong>2016</strong>.<br />

Wer hat profitiert?<br />

Wem haben die illegalen Anleihen Guebuzas eigentlich<br />

genützt? Dazu müssen wir uns die Eigentümerstruktur<br />

der begünstigten Firmen ansehen und<br />

das, was sie eingekauft haben:<br />

Ematum gehört zu 34 Prozent einer staatlichen Vermögensverwaltung,<br />

zu 33 Prozent einer staatlichen<br />

Fischereigesellschaft und zu 33 Prozent einer weiteren<br />

Vermögensgesellschaft unter Kontrolle der Geheimpolizei<br />

SISE. Ematum kaufte 24 Fischereiboote, die<br />

noch keine Lizenz haben, drei Interzeptoren und drei<br />

Trimarans wie auch Radargeräte. All das, was die Fischerei<br />

angeht, ist nicht mehr als etwa 100 Mio. US-<br />

Dollar wert. Proindicus soll der maritimen Sicherheit<br />

dienen. Die Firma gehört zu 50 Prozent dem Verteidigungsministerium<br />

bzw. individuellen Generälen und<br />

SISE-Chefs. Und zu 50 Prozent einer Vermögensverwaltung<br />

unter Kontrolle der SISE-Geheimpolizei. Proindicus<br />

kaufte 12 Interzeptoren und einige Radargeräte<br />

(unter anderem von deutschen Lieferanten). Die<br />

Mozambique Asset Management (MAM) soll auch der<br />

maritimen Sicherheit dienen und gehört zu 98 Prozent<br />

der Vermögensverwaltung der SISE. Alle drei Firmen<br />

haben denselben Vorstandsvorsitzenden: Antonio<br />

Carlos de Rosario, der aber nur die Marionette des<br />

SISE-Generaldirektors Gregorio Leao José de Barros ist.<br />

Da die Verwendung von mindestens 1,2 Mrd. US-<br />

Dollar nicht nachgewiesen worden ist, vermuten<br />

Analysten, dass die Anleihen im Wesentlichen in die<br />

Taschen der Sicherheitsbeamten und der Riot Police<br />

geflossen sind. Da die genannten Firmen in der<br />

Zeit zwischen 2012 und 2014 gegründet wurden, vermuten<br />

andere, dass Guebuza sich in dieser Zeit eine<br />

dritte Amtszeit kaufen wollte, in dem er „liberal“ die<br />

endlosen Wünsche seiner Klientel bediente. Diese ist<br />

stark daran interessiert, die Geldgeschenke zu behalten<br />

und dafür den Staat und die Bürger bluten zu lassen.<br />

Leider scheint diese Klientel auch so mächtig zu<br />

sein, dass Guebuza et al. sich nicht vor Gericht verantworten<br />

müssen.<br />

„Mosambik ist jetzt in mehrfacher Hinsicht kurz vor<br />

dem Bankrott: moralisch, wegen der ständig um sich<br />

greifenden Korruption und der Gier der Oligarchen;<br />

politisch, weil die über 20 Jahre Frieden nun gefährdet<br />

sind; und finanziell wegen der explodierenden Schulden<br />

und der geplatzten Hoffnung auf eine Bonanza in<br />

der Nutzung der natürlichen Resourcen“, schrieben<br />

Paolo de Renzio und Adriano Nuvunga in africanarguments.org<br />

vom 12.7.<strong>2016</strong> (siehe dazu Artikel zum<br />

Kohlebergbau).<br />

>> Gottfried Wellmer<br />

4|<strong>2016</strong> <strong>afrika</strong> <strong>süd</strong> 9


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