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Anstifter 1, 2014 der Stiftung Liebenau

Der Anstifter ist die Hauszeitschrift der Stiftung Liebenau mit Themen aus den Bereichen Altenhilfe, Behindertenhilfe, Bildung, Gesundheit, Familie und Dienstleistungen.

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Inklusion ist kein Sparprogramm<br />

Autismus-Fachtag im Berufsbildungswerk Adolf Aich<br />

von Christof Klaus<br />

RAVENSBURG – Junge Menschen mit einer autistischen Störung in Schule<br />

und Beruf. Mit diesem Thema befasste sich <strong>der</strong> achte Fachtag des Kompetenznetzwerkes<br />

Autismus Bodensee-Oberschwaben. Über 200 Teilnehmer<br />

aus Nah und Fern waren in das Berufsbildungswerk Adolf Aich (BBW)<br />

gekommen, um die Vorträge namhafter Referenten zu hören und darüber<br />

zu diskutieren.<br />

Inklusion – ein Begriff, <strong>der</strong> in aller Munde ist. Doch<br />

was bedeutet er eigentlich für die Praxis in Schule<br />

und Ausbildung? Dass es überhaupt keine Spezialeinrichtungen<br />

mehr geben darf? Doch, die seien weiterhin<br />

notwendig, denn sonst müsse man ja auch Universitäten<br />

und Spezialkliniken abschaffen. Diese<br />

Überzeugung vertritt Herbert Lüdtke, Geschäftsfüh-<br />

rer des gastgebenden Ravensburger BBW, in dem<br />

auch zahlreiche Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung<br />

auf das Berufsleben vorbereitet werden.<br />

Er wehrt sich vehement gegen das Etikett <strong>der</strong><br />

Exklusion: „Wir produzieren hier Inklusion, denn<br />

unsere Azubis gelten nach <strong>der</strong> Ausbildung und <strong>der</strong><br />

überwiegend erfolgreichen Vermittlung in den<br />

Arbeitsmarkt in den meisten Fällen als nicht mehr<br />

behin<strong>der</strong>t.“ Inklusion bezeichnete er als eine Utopie,<br />

die aber als Vision für eine Gesellschaft anzustreben<br />

sei. Dabei müsse man aber aufpassen, das im Laufe<br />

<strong>der</strong> Zeit angeeignete Know-how <strong>der</strong> Spezialeinrichtungen<br />

nicht zulasten <strong>der</strong> behin<strong>der</strong>ten Menschen zu<br />

verlieren. Dieses Wissen in ein an<strong>der</strong>es System zu<br />

transferieren, brauche Jahre.<br />

Was bedeutet überhaupt Inklusion?<br />

Auch Roland Berner vom Paritätischen Wohlfahrtsverband<br />

Baden-Württemberg machte sich in seinem<br />

„Wissen über Autismus nützt!“ Der Schweizer<br />

Psychologe Matthias Huber sprach über die Integration<br />

autistischer Menschen in die Arbeitswelt.<br />

„Wissen über Autismus<br />

nützt!“ Dieser Überzeugung<br />

ist auch Matthias Huber.<br />

Anhand seiner eigenen Biografie<br />

schil<strong>der</strong>te <strong>der</strong> selbst<br />

von Autismus betroffene<br />

Schweizer den schwierigen<br />

Weg in den Job. Er, <strong>der</strong> sich<br />

einst geschworen hatte, „nie<br />

mit Menschen zu arbeiten“,<br />

und <strong>der</strong> nun als Psychologe<br />

an <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>- und Jugendpsychiatrischen<br />

Poliklinik <strong>der</strong><br />

KJPP Bern arbeitet. Er, <strong>der</strong><br />

anfangs ganz behutsam und<br />

tageweise an den Arbeitsalltag<br />

heran geführt wurde, sich<br />

selbst dabei aber „nie als<br />

Integrationsobjekt gefühlt“<br />

habe.<br />

Anhand von Beispielen gab Huber einen eindrucksvollen<br />

Einblick in die Welt von Autisten. Wie viele<br />

Reize im Alltag auf sie einwirken, und wie leicht es<br />

zu Missverständnissen am Arbeitsplatz kommt. Doch<br />

wie können diese vermieden werden? Indem Kollegen<br />

und Chefs etwa lernen, autismustypisches Verhalten<br />

richtig zu interpretieren: Dass die Vermeidung<br />

von Blickkontakt eben oft kein Zeichen von Unmotiviertheit<br />

sei, son<strong>der</strong>n vielmehr ein Zeichen von Konzentration<br />

und Aufmerksamkeit. O<strong>der</strong> dass es sinnvoll<br />

sein kann, einem Autisten zunächst seine räumliche<br />

Arbeitsumgebung zu zeigen und erst dann die<br />

Kollegen vorzustellen – sein Wahrnehmungsfeld also<br />

„vom Detail zum Ganzen“ zu öffnen. Als Berufsstarter<br />

bräuchten Autisten eben mehr Eingewöhnungszeit,<br />

möglicherweise ein reduziertes Arbeitspensum,<br />

feste Bezugspersonen und eine individuelle Pausengestaltung.<br />

Dann könne es – wie in seinem Falle –<br />

für alle Beteiligten zu einer „Win-Win-Situation“<br />

kommen.<br />

28 Bildung

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