Jenufa - Oper Frankfurt
Jenufa - Oper Frankfurt
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MagazinApril/ Mai / Juni/Juli 2007<br />
Premieren<br />
Alexander von Zemlinsky<br />
Eine florentinische Tragödie /<br />
Der Zwerg<br />
am 15. April<br />
Giuseppe Verdi<br />
Simon Boccanegra<br />
am 20. Mai<br />
Claudio Monteverdi<br />
Il ritorno d’Ulisse in patria<br />
(Die Rückkehr des Odysseus ins Vaterland)<br />
am 23. Juni<br />
{<br />
<strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong>
Jobdaten: K: Saab; O: Anzeige; M: 9-3 Cabrio Anniversary;<br />
W: <strong>Oper</strong>n Magazin <strong>Frankfurt</strong>; F: 210x297 mm; B: 3 mm; A: 100 %; 4c; DU: 23.03.06<br />
In diesem Heft, liebe <strong>Oper</strong>nfreunde,<br />
kündigen wir die drei letzten Neuproduk-<br />
tionen der laufenden Spielzeit an, und Anfang<br />
Mai werden wir die Jahresbroschüre für die<br />
kommende Spielzeit, 2007/2008, veröffent-<br />
lichen. Ohne die aktuellen Projekte zu<br />
vernachlässigen, gilt es, die letzten Verträge<br />
für die neue Spielzeit zu verhandeln, den<br />
Spielplan nochmals hinsichtlich seiner Finan-<br />
zierung zu überprüfen. Ans Herz gewachsen<br />
ist uns das Bockenheimer Depot. Ein idealer<br />
Ort für kleiner dimensionierte <strong>Oper</strong>n; für<br />
die aktuelle Kammeroper wie für Monteverdi<br />
oder Cavalli oder Britten. Deshalb lassen<br />
wir keine Anstrengung aus, die Aufführungen<br />
4 Eine florentinische Tragödie /<br />
Der Zwerg<br />
Alexander von Zemlinsky<br />
10 Simon Boccanegra<br />
Giuseppe Verdi<br />
14 Il ritorno d’Ulisse in patria<br />
(Die Rückkehr des Odysseus<br />
ins Vaterland)<br />
Claudio Monteverdi<br />
18 <strong>Jenufa</strong><br />
Leos˘ Janác˘ek<br />
in Bockenheim auf finanziell solide Füße<br />
zu stellen. Es wäre zu schade, wenn wir<br />
diese Spielstätte aufgeben müssten.<br />
Viele Vorstellungen in den Monaten<br />
Dezember, Januar und Februar waren so<br />
gut wie ausverkauft, obwohl, oder auch<br />
gerade weil sie im Medienwald durchaus<br />
für eine heftige Polarisierung gesorgt hatten.<br />
Insbesondere stand unser Tannhäuser für<br />
Ablehnung wie auch für Begeisterung, auf<br />
jeden Fall aber für eine lebendige Auseinan-<br />
dersetzung. Und diese macht(e) neugierig.<br />
Für mich wurde jede Vorstellung zu einem<br />
Ereignis: Die Aufwertung, die Gewichtung<br />
der Wolfram-Figur durch Christian Gerhaher,<br />
szenisch wie musikalisch, wird unserer<br />
Inszenierung dauerhaft einen wichtigen<br />
Rang in der Tannhäuser-Rezeption garan-<br />
tieren.<br />
Es waren aber auch »überrumpelnde«<br />
Sängerleistungen (Eszter Sümegi, Lucio<br />
Gallo und Francesco Hong (!) in der Tosca,<br />
Susan Bullock und Caroline Whisnant in<br />
Elektra), die unseren Vorstellungen neue<br />
Energie verliehen. Gerne haben wir<br />
Anschlussverträge verhandelt.<br />
19 La Traviata<br />
Giuseppe Verdi<br />
20 Ariodante<br />
Georg Friedrich Händel<br />
21 Death in Venice<br />
Benjamin Britten<br />
22 Liederabende<br />
Bejun Metha<br />
Jan-Hendrik Rootering<br />
24 SPOT<br />
die Seite für Kinder<br />
Jetzt aber greifen Sie bitte zu: wenn wir<br />
erstmals an der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> die hochin-<br />
teressanten Zemlinsky-Einakter heraus-<br />
bringen, in der Regie von Udo Samel und in<br />
Bildern von Tobias Hoheisel; wenn wir mit<br />
Verdis Simon Boccanegra fortfahren, insze-<br />
niert von Christof Loy und mit Zˇeljko Lučić in<br />
der Titelpartie; wenn wir unsere Monteverdi-<br />
Trilogie mit Ulisse beenden und zwar mit<br />
Christine Rice als Penelope und Kresimir<br />
Spicer als Ulisse, einer Partie, die er schon in<br />
Aix-en-Provence und Zürich gestaltet hat.<br />
Ganz zu schweigen von anderen Wieder-<br />
aufnahmen. Wiederaufnahmen, die übrigens<br />
so gewissenhaft wie nur möglich(!) erar-<br />
beitet werden. In einem System mit cirka<br />
200 Vorstellungen (fast) ein Akt der Unmög-<br />
lichkeit.<br />
26 Im Ensemble<br />
Barbara Zechmeister<br />
28 Blickpunkte<br />
29 <strong>Oper</strong> Intern<br />
30 Spielplanvorschau<br />
32 Pressestimmen<br />
35 Service<br />
Die <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> dankt für die freundliche Unterstützung<br />
Herausgeber Bernd Loebe; Redaktion Waltraut Eising; Redaktionsteam Dr. Norbert Abels, Agnes Eggers, Deborah Einspieler, Holger Engelhardt, Ursula Ellenberger, Dr. Tilman Fischer,<br />
Adda Grevesmühl, Zsolt Horpácsy, Malte Krasting, Andreas Massow, Elvira Wiedenhöft, Bettina Wilhelmi; Gestaltung Schmitt und Gunkel; Herstellung Druckerei Imbescheidt;<br />
Redaktionsschluss 6.3. 2007, Änderungen vorbehalten; Titelfoto (Rui Camilo), Bernd Loebe, Z ˇ eljko Lučić, Barbara Zechmeister, Il viaggio a Reims (Barbara Aumüller), Udo Samel (Florian Rossmanith),<br />
Tobis Hoheisel (Agentur), David Hermann, Christof Hetzer (<strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong>), <strong>Jenufa</strong> (Jörg Landsberg), Ariodante (Matthias Horn), Jan-Hendrik Rootering, Death in Venice, Tannhäuser, Giasone, Le nozze<br />
di Figaro (Monika Rittershaus), Bejun Mehta (Dario Acosta), La Traviata, Der Schreifütz, Don Giovanni (Wolfgang Runkel), Maske (Waltraut Eising), Der Schatzgräber (Bettina Müller)<br />
Ihr<br />
Bernd Loebe<br />
EDITORIAL<br />
3
ALExANDER VON ZEMLINSKy<br />
Eine florentinische<br />
Tragödie/ Der Zwerg<br />
Ich will dich – mit jedem Atom meines Fühlens.<br />
Alexander von Zemlinsky an Alma Schindler
WENN DIE SCHöNHEIT SCHMERZT<br />
Gefühlswelten in Zemlinskys Einaktern<br />
PREMIERE Eine florentinische Tragödie / Der Zwerg von Alexander von Zemlinsky<br />
Sonntag, 15. April 2007<br />
Weitere Vorstellungen: 19., 21., 27. April; 4., 6., 11. Mai 2007<br />
In deutscher Sprache<br />
Eine florentinische Tragödie <strong>Oper</strong> in einem Aufzug I Text vom Komponisten nach Oscar Wilde<br />
Uraufführung am 30. Januar 1917, Hoftheater Stuttgart<br />
Der Zwerg Ein tragisches Märchen für Musik in einem Akt I Text von Georg C. Klaren nach Oscar Wilde<br />
Uraufführung am 28. Mai 1922, Stadttheater Köln<br />
Musikalische Leitung Paul Daniel I Regie Udo Samel I Bühnenbild Tobias Hoheisel<br />
Kostüme Eine florentinische Tragödie Eva Dessecker I Kostüme Der Zwerg Tobias Hoheisel<br />
Dramaturgie Zsolt Horpácsy I Licht Joachim Klein I Chor Alessandro Zuppardo<br />
Schön und hässlich. Schön oder hässlich?<br />
Innerlich schön und äußerlich hässlich.<br />
Und umgekehrt.<br />
Zemlinskys Einakter drehen sich um diese<br />
Fragen, versuchen aber, keine Kategorien zu<br />
definieren. Sie stellen ergreifende Fragen,<br />
einzigartig: Eine florentinische Tragödie und<br />
Der Zwerg nach Vorlagen von Oscar Wilde<br />
sind Geschichten über Außenseiter, extreme<br />
Gefühlswelten, dunkle Leidenschaften,<br />
Identität und über die beängstigende Nähe<br />
von Liebe und Tod. Zemlinsky und Wilde<br />
beschreiben Konflikte, in denen die Welt des<br />
bürgerlichen Humanismus infrage gestellt<br />
wird.<br />
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts musste<br />
der Bürger begreifen, dass sein eigenes Seelen-<br />
leben wesentlich komplizierter war, als er bis<br />
dahin angenommen hatte. Auf sich selbst<br />
zurückschauend, erfuhr er sich als komplexes<br />
und geheim nisvolles Wesen und wurde sich<br />
selbst unheimlich. Die zunehmende äußere<br />
Entfremdung in der Gesellschaft begann auf<br />
das innere, psychologische Selbstverständnis<br />
zurückzuschlagen und explodierte wie die<br />
emotionale Hochspannung der Dreiecks-<br />
geschichte in Eine florentinische Tragödie.<br />
Wilde und Zemlinsky hatten erlebt, wie<br />
sich die Liebe unter bestimmten psycholo-<br />
gischen und gesellschaftlichen Umständen<br />
lebensbedrohlich zuspitzen konnte. Und beide<br />
hatten danach versucht, diese Erfahrungen<br />
künstlerisch zu gestalten.<br />
Für Zemlinsky bedeutete das Verhältnis<br />
zu Alma Schindler die seelische Erschütterung<br />
seines Lebens. Ab 1900 nahm Alma Kompo-<br />
sitionsunterricht bei Zemlinsky. Der damals<br />
29-Jährige war gerade Kapellmeister am<br />
Wiener Carltheater geworden und galt als<br />
eine der großen Hoffnungen der Wiener<br />
Musikszene. Obwohl sie ihn anfänglich als<br />
physisch abstoßend empfand – sie bezeich-<br />
nete ihn unter anderem als kleinen, häss-<br />
lichen Gnom –, verliebte sie sich bald in<br />
den jungen Komponisten, und er erwiderte<br />
ihre Gefühle. Die Familie und deren Freunde<br />
fanden die Liaison unpassend und ver-<br />
suchten, sie ihr auszureden. Alma selbst<br />
erlebte ein Wechselbad der Gefühle.<br />
Pathetische Liebesbekundungen und bizarre<br />
Tagebucheintragungen wechselten mit<br />
Demütigungen und Quälereien. Alma peinigte<br />
Zemlinsky zwei Jahre lang, bis sie sich<br />
1902 gegen eine Verbindung mit ihm und<br />
PREMIERE Eine florentinische Tragödie/ Der Zwerg<br />
Eine florentinische Tragödie Guido Bardi, Prinz von Florenz Carsten Süß<br />
Simone, ein Kaufmann Robert Hayward I Bianca, seine Frau Claudia Mahnke<br />
Der Zwerg Donna Clara, Infantin von Spanien Juanita Lascarro<br />
Ghita, ihre Lieblingszofe Sonja Mühleck I Don Estoban, der Haushofmeister Florian Plock<br />
Der Zwerg Peter Bronder I 1. Zofe Anna Ryberg I 2. Zofe Anja Fidelia Ulrich I 3. Zofe Katharina Magiera Alexander von Zemlinsky<br />
für eine Ehe mit dem um zwanzig Jahre<br />
älteren Gustav Mahler entschied.<br />
Dieses Trauma mit künstlerischen Mitteln<br />
zu verarbeiten, prägt Zemlinskys Gesamtœuvre<br />
ab 1902. Vor allem drei Werke, das 2. Streich<br />
quartett, Eine florentinische Tragödie und<br />
Der Zwerg schließen sich in diesem Kontext<br />
zusammen und zeugen von einem schmerz-<br />
haften seelischen und künstlerischen Prozess.<br />
Die beiden Einakter zeichnen sich dabei<br />
durch ihre Darstellung komplexer, existentieller<br />
Gefühlswelten aus. Der Reichtum der Klang-<br />
farben, die Dichte der Partitur und die streng<br />
gebaute Dramaturgie der beiden Stücke<br />
machen sogar die intimsten seelischen<br />
Erfahrungen hörbar, ohne für eine Sekunde<br />
larmoyant oder illustrativ zu werden.<br />
Sie stehen nach vielen Jahren – wiederent-<br />
deckt und doch nicht häufig genug gespielt –<br />
wie eine einsame Insel im <strong>Oper</strong>nrepertoire des<br />
20. Jahrhunderts. Die beiden einzigartigen<br />
Musikdramen vermitteln mit höchster Intensität<br />
eine seltene Nähe zwischen menschlichem<br />
Schicksal und künstlerischer Schaffenskraft.<br />
} Zsolt Horpácsy<br />
5
6<br />
PREMIERE Eine florentinische Tragödie/ Der Zwerg<br />
DEINE SEELE WEISS NICHT,<br />
WAS DEIN MUND SPRICHT<br />
Gedanken von Udo Samel<br />
Im Treibhaus der Zeit des Fin de Siècle und<br />
im Jugendstil sind Oscar Wilde und Alexander<br />
Zemlinsky zu Hause. Beide waren mit<br />
einer alten Seele in die Welt gekommen und<br />
suchten ihre Verjüngung. Beide spürten früh,<br />
dass das sexuelle Begehren genauso ein<br />
menschlicher Trieb ist wie Essen, Trinken und<br />
Schlafen. Also notwendig. Sie suchten zu<br />
träumen. Früh vom »eifersüchtigen Mond«<br />
beschienen, suchten sie Zuflucht in der Kunst.<br />
In einer Überhöhung des Lebens. Ein starker<br />
ästhetischer Anspruch ist in beider Arbeit<br />
vorhanden. Wilde wehrt sich gegen die<br />
merkwürdigen Rohheiten der Natur, »ihre<br />
außergewöhnliche Eintönigkeit, das völlig<br />
Unfertige ihres Zustands«. In Wien sprengt die<br />
Engstirnigkeit einer Gesellschaft Zemlinskys<br />
Hoffnung, die Kunst könne in Übereinstim-<br />
mung mit der Welt gedeihen. »Die Kunst<br />
ist unser geistvoller Protest, unser kühner<br />
Versuch, der Natur ihren eigentlichen Platz<br />
zuzuweisen«, schreibt Oscar Wilde in einer<br />
Betrachtung, die er Der Verfall der Lüge<br />
nennt.<br />
Alexander Zemlinsky hat sich Oscar Wilde<br />
als einen Seelenverwandten ausgesucht.<br />
Mehr oder weniger bewusst hat er einen<br />
verwandt-fühlenden, wortmächtigen Partner<br />
gebraucht, um seinem persönlichen Schmerz<br />
über die Welt, so wie sie ist, Ausdruck zu ver-<br />
leihen in seiner Musik.<br />
Unter der menschlichen Unfähigkeit, der<br />
Liebe den würdigsten Platz im Leben einzu-<br />
räumen, hat er gelitten. Sein Faible für die<br />
Frauen war von Anbeginn der Hebel für sein<br />
Schaffen. Für sein »Laster, in der Liebe zu<br />
einer Frau Erfüllung zu suchen«, musste er<br />
Opfer bringen. Der »dame fatale« Wiens war<br />
er verfallen; wie andere Männer auch. Alma<br />
Schindler war seine Schülerin geworden<br />
und führte ihn in ihre Gesellschaft ein. Sie<br />
spielte mit ihm. Sie zog Gustav Mahler ihm<br />
vor, den er sehr verehrte. In einer Kritik über<br />
eine Arbeit seiner Kompositionsschülerin<br />
schreibt ihr Zemlinsky: »Ein wenig Misserfolge,<br />
eventuell ›Hässlichkeit‹, vielleicht auch Liebes-<br />
weh, Sorgen des Alltags und Strenge für die<br />
Liebenswürdigkeit anderer und die eigene<br />
Weichheit: Das wird mitunter auch ein lebens-<br />
kräftiger Hauptsatz.« Ihre Revanche war Spott<br />
über den »hässlichen Mann«. Doch trotz eines<br />
starken Selbstbewusstseins wollte die Klage<br />
hinaus in die Welt. Dafür brauchte seine<br />
Musik die Sprache der Menschen. So ent-<br />
standen die Psalmen, die Lieder, und in der<br />
Hoffnung einer stärkeren Wirkung: die <strong>Oper</strong>.<br />
Um den richtigen Dichter für ein Libretto<br />
zu finden, hat er einen Umweg nehmen<br />
müssen. Hugo von Hofmannsthal, dessen<br />
zentrale Themen »Ich« und »Welt« gewesen<br />
sind, der dem »Weltgeheimnis« nachhorchte,<br />
war sein Wunschautor. Doch dieser zeigte<br />
kein Interesse.<br />
Dann war da der Plan, eine <strong>Oper</strong> nach<br />
Honoré de Balzacs Roman La Peau de Chagrin<br />
zu komponieren. Die Geschichte einer ver-<br />
krachten Künstlernatur, eines verarmten<br />
und verwaisten Adligen, der Opfer einer<br />
unglücklichen Liebe zu einer schönen, aber<br />
gefühlskalten Dame wird. »Vom Aussatz ihrer<br />
inneren Leere« fühlt er sich angesteckt. Aber<br />
auch eine »Königin der Träume – das uner-<br />
schaffene Wesen, das ganz Geist, ganz Liebe<br />
ist«, kann ihn nicht mehr retten. Da klingt<br />
schon die Sprache an, nach der Zemlinsky<br />
wohl suchte. Und vielleicht auch ein wenig<br />
aus Trotz und aufgrund des Aufruhrs, den<br />
Richard Strauss mit seiner Salome erregt<br />
hatte, fiel seine Wahl auf Oscar Wilde. Auch<br />
dieser Dichter beschreibt den Verfall und die<br />
Liebe in all ihren Farben und Tönen immer<br />
wieder. Also auch hauptthematisch »Welt« und<br />
»Ich«; so nennt Zemlinsky auch zwei musika-<br />
lische Motive aus jeweils drei Tönen, die in<br />
Eine florentinische Tragödie und Der Zwerg<br />
immer wieder zu hören sind.<br />
»Ich weiß nicht, was Liebe ist, … aber wenn<br />
es Furcht ist, Prinzessin, dann liebe ich dich!«<br />
singt sehnsüchtig zur Infantin aufblickend der<br />
»Zwerg«. Das Verb »liebe« im Pianissimo gesun-<br />
gen auf gis, »ich« mit Auflösungszeichen.<br />
Das »Ich« ist in einer Krise der Identität.<br />
Die Rolle, die der Mensch im Leben spielt, wird<br />
befragt. Aus einer Verzweiflung mit Gott greifen<br />
die Menschen in die Schöpfung ein.<br />
Das Leben der Triebe wird gesellschaftsfähig.<br />
Die Geschlechter kämpfen wieder gegeneinan-<br />
der. Die Emotionen motivieren zur Annahme<br />
von Rollen. Die Gefühle erscheinen nur als<br />
»verstellter« Ausdruck der Persönlichkeit, sie<br />
manipulieren und werden manipuliert.<br />
In unseren beiden <strong>Oper</strong>neinaktern wird<br />
– dieses eigenartige und heftige Spiel mit dem<br />
Leben – jeweils ein Opfer gefordert. In beiden<br />
Fällen muss der Tenor sterben. Seine Stimme<br />
hat den Ausdruck der Seele, die sucht. Eine<br />
Seele, die schön sein will und Erfüllung in der<br />
Liebe verspricht. Es ist die phantasiebegabte<br />
Seele. Der Künstler wird zum Tode verurteilt.<br />
Der Mann, der Andere, der Fremde, das Gegen-<br />
teil wird getötet oder stirbt an gebrochenem<br />
Herzen. Über dem Geschehen scheint ein<br />
Mond aus vergangener, mythischer Zeit. Arte-<br />
mis ist noch auf der Jagd. Sie ist die Göttin, die<br />
ein Opfer fordert.<br />
Wohl eher zufällig heißen die beiden<br />
Frauen in unseren Stücken »Bianca« und die<br />
Infantin im Zwerg »Donna Clara«. Clara hieß<br />
auch Zemlinskys Mutter, und eine Tante<br />
Bianca. Aber sie sind auch vom Namen her<br />
helle Gestalten, weiß und klar und rein,<br />
wie eben der Silberschein des Mondes, der<br />
Luna, der Semele, der Artemis. Und sie wollen<br />
spielen mit der Kreatur, die Seele einfordert,<br />
die lieben will.<br />
Zynisch fordert in Eine florentinische<br />
Tragödie Simone, der Ehemann Biancas, der<br />
Handelsmann, der Besitzer seiner Frau, vom<br />
fremden »Freund«, er möge singen zur Laute.
Handlung Eine florentinische Tragödie<br />
Der florentinische Tuchkaufmann Simone kehrt von einer erfolglosen<br />
Geschäftreise unvermutet nach Hause zurück und überrascht seine<br />
Frau mit einem jungen Mann, der sich als Guido Bardi, Sohn des<br />
Herzogs von Florenz, vorstellt. Simone, der sich an dem Verführer<br />
rächen will, spielt zunächst den unterwürfigen Diener und bietet<br />
dem Prinzen, der sich mit Bianca schon am Ziel ihrer beider Wünsche<br />
sieht, Waren und Wein an. Plötzlich aber wird aus dem harmlosen<br />
Geplauder ein Kampf. Simon fordert den Prinzen zum Duell. Der<br />
Kaufmann schlägt Guido das Schwert aus der Hand, entwindet ihm<br />
den Dolch und erwürgt ihn mit bloßen Händen. Bianca bewundert in<br />
Simone ihren wirklichen Mann. Er umarmt seine Frau von Neuem.<br />
»O spielt mein Prinz.« »Ich hab schon gehört,<br />
durch bloßes Greifen einer Saite, durch<br />
zarten Hauch an einem hohlen Rohr, durch<br />
Blasen in des Horns kristallenen Mund, dass,<br />
wer ein Meister ist in dieser Kunst, aus<br />
Kerkern arme Seelen locken kann.« Und kurz<br />
darauf gesteht er: »In einem Kerker schmach-<br />
tet meine Seele, Musik heilt ihren Wahnwitz.«<br />
Guido, der Prinz, der Sohn des Herzogs von<br />
Florenz, will nicht singen, er küsst die Frau;<br />
und er will gehen. »Ein andermal Simone.<br />
Ich hab heut Nacht genug am Wohllaut von<br />
Biancas Stimme. Sie stillt den Liebesdurst<br />
der Luft und hemmt der Erde Taumel.«<br />
Doch für sein Zufriedensein wird er sterben<br />
müssen.<br />
Anders der »Zwerg«, der ebenfalls als<br />
Prinz und Gast auftritt, zerbricht an unerfüllter<br />
Liebe. Er singt wie in Gustav Mahlers Lied<br />
von der Erde – und es tönt bisweilen auch<br />
so – »das Lied vom Kummer soll auflachend<br />
Handlung Der Zwerg<br />
Die Infantin feiert ihren 18. Geburtstag, den der Haushofmeister<br />
vorbereitet hat und prächtige Geschenke überreichen lässt. Die<br />
interessanteste Gabe ist ein Zwerg, ein verkrüppelter Köhlerjunge, den<br />
man beim Jagen gefangen hat und der nichts von seiner Missgestalt<br />
weiß. Der Zwerg verliebt sich in die Prinzessin und träumt trotz<br />
düsterer Ahnungen im Überschwang seiner Gefühle von Abenteuern,<br />
die er für seine Geliebte besteht, zumal die Prinzessin amüsiert das<br />
Spiel mitmacht. Sie schenkt ihrem Anbeter, der sich für einen schönen<br />
Ritter hält, eine weiße Rose. Plötzlich bricht der schöne Traum<br />
zusammen, als der Zwerg in einem bisher verborgenen Spiegel seine<br />
Gestalt sieht. Er stirbt .<br />
in die Seele euch klingen«. Kein heiteres Lied<br />
will ihm gelingen. Er singt, ebenfalls zur<br />
Laute, das Lied von der blutenden Orange<br />
und legt damit der Infantin sein Herz zu<br />
Füßen. Der Augenaufschlag von Donna Clara<br />
löst eine Kettenreaktion aus, die zum Sturm<br />
führt, der wie aus einem warmen, klangvollen<br />
Beginn zu einem Höhepunkt ausgedehnter<br />
Raserei wächst. So ähnlich habe ich das<br />
Adagio des zweiten Streichquartetts op. 15<br />
von Alexander Zemlinsky beschrieben<br />
gelesen. Auch dieses wundervolle kammer-<br />
musikalische Werk entstand nach einer<br />
schweren Demütigung seines Schwagers<br />
Schönberg durch die eigene Schwester.<br />
Donna Clara ist wie die falsche Sphinx<br />
in einem Gedicht Oscar Wildes, eine bleiche<br />
Last, dem Schmerz vereint, die um des<br />
Gastes, des Zwergen Seele wirbt und weint.<br />
Doch er stirbt und sie lacht, sie hat ein<br />
Spielzeug verloren, nicht mehr. Wer weiß,<br />
PREMIERE Eine florentinische Tragödie/ Der Zwerg<br />
ob sie später immer noch vergebens weinen<br />
wird. Bevor der »Zwerg« in den Spiegel sehen<br />
muss, denn er weiß nichts von seiner ange-<br />
blichen Hässlichkeit, sieht er in den Augen<br />
seiner schönen, neuen Liebe den Abgrund<br />
und antwortet auf ihre Frage, warum er ihr<br />
fliehen möchte: »weil ein Gefährliches in<br />
deinen Augen ist, verzeih! Ich weiß nicht was<br />
…« und wenn sie im äußersten Sadismus<br />
ihres Spiels mit ihm sagt, dass sie ihn liebe,<br />
antwortet er: »deine Seele weiß nicht, was<br />
dein Mund spricht.«<br />
Wien, den 21. Januar 2007<br />
+++OPER ExTRA zu Eine florentinische Tragödie/ Der Zwerg am 1.4. 2007, 11.00 Uhr, Holzfoyer. Die <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> und der Patronatsverein laden<br />
ein: Die von den Produktionsdramaturgen zusammengestellte und moderierte Matinee stellt das Werk in seinen vielfältigen Bezügen dar. Diskutiert wird<br />
über Libretto, Komposition, Wirkungsgeschichte und ästhetischen Kontext. Solisten der Premiere vermitteln einen ersten musikalischen Eindruck.+++<br />
7
8<br />
PREMIERE Eine florentinische Tragödie/ Der Zwerg<br />
Eine florentinische Tragödie / Der Zwerg l BIOGRAFIEN<br />
Udo Samel war 15 Jahre festes Ensemblemitglied<br />
der Schaubühne am Halleschen Ufer in<br />
Berlin. Als <strong>Oper</strong>nregisseur<br />
debütierte<br />
er 1996 in Weimar<br />
mit Bergs Wozzeck.<br />
Es folgten u. a. Aida<br />
und Il trittico an der<br />
Dresdner Semperoper.<br />
Seit 2001 war<br />
er wiederholt Gast<br />
am schauspielfrankfurt, wo er auch in Koproduktion<br />
mit der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> die drei Liederzyklen<br />
Schuberts inszenierte. Er erhielt zahlreiche<br />
Preise für Kino- und Fernsehproduktionen, u. a.<br />
den Adolf-Grimme-Preis in Gold und den Europäischen<br />
Filmpreis Barcelona.<br />
Paul Daniel, Chefdirigent des Britten-Pears<br />
Orchestra in Aldeburgh und ehemals u. a. Music<br />
Director der English National <strong>Oper</strong>a, ist weltweit<br />
mit großen Orchestern aufgetreten, darunter das<br />
London Philharmonic Orchestra, Orchestre de<br />
Paris, Los Angeles Philharmonic Orchestra, Tonhalle-Orchester<br />
Zürich und das BBC Symphony<br />
Orchestra (bei »Last Night of the Proms« 2005).<br />
An der Metropolitan <strong>Oper</strong>a debütierte er 2006<br />
mit Die Zauberflöte. Auch 2007/08 wird er in<br />
<strong>Frankfurt</strong> dirigieren.<br />
Eva Dessecker ist seit 1990 freischaffend für<br />
Schauspiel und <strong>Oper</strong> tätig. U. a. erarbeitete sie<br />
Produktionen an der Schaubühne Berlin, am<br />
Nationaltheater Mannheim, am <strong>Oper</strong>nhaus<br />
Zürich, in München, Nanterre, Straßburg und bei<br />
den Salzburger Festspielen, wo auch 2007<br />
Kostüme der Künstlerin zu sehen sind. An der<br />
<strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> brachte sie 2002/03 gemeinsam<br />
mit Udo Samel die szenische Interpretation der<br />
Liederzyklen Schuberts zur Aufführung.<br />
Carsten Süß gastiert regelmäßig an der <strong>Oper</strong><br />
<strong>Frankfurt</strong>. Zuletzt erregte er hier Aufsehen, als er,<br />
eigentlich nur als Wenzel engagiert, an einem<br />
Abend zusätzlich noch die Partie des Hans in<br />
Die verkaufte Braut übernahm. 2006 führte ihn<br />
ein Gastspiel der Zauberflöte-Inszenierung<br />
Konwitschnys als Tamino nach Japan. In Folge<br />
seines Debüts beim Maggio Musicale in Florenz<br />
ist er auch mehrfach in die USA eingeladen<br />
worden. Tamino sang er in Wien, Prag und Graz.<br />
Tobias Hoheisel, geboren in <strong>Frankfurt</strong>, ist<br />
seit 1982 als freier Bühnen- und Kostümbildner<br />
und seit<br />
2002 auch als<br />
Regisseur für <strong>Oper</strong><br />
und Schauspiel tätig.<br />
Wichtige Arbeiten<br />
waren z. B. die<br />
deutsche Erstaufführung<br />
von<br />
yasmina Rezas<br />
Kunst (Schaubühne Berlin, Übernahme 2006<br />
an das Burgtheater Wien) oder Pfitzners<br />
Palestrina und Henzes Boulevard Solitude<br />
am Royal <strong>Oper</strong>a House Covent Garden (ausgezeichnet<br />
mit dem Laurence Olivier Award<br />
2001).<br />
Robert Hayward sang seit 2006 an der Welsh<br />
National <strong>Oper</strong>a in Cardiff die Titelpartien in Der<br />
fliegende Holländer und Mazeppa, gefolgt von<br />
Kurwenal in Tristan und Isolde sowie Iwan<br />
Chowanski in Chowanschtschina. An der <strong>Oper</strong><br />
<strong>Frankfurt</strong> übernahm er 2004/05 die Titelrolle in<br />
Dallapiccolas Il prigioniero. Der u. a. an der Guildhall<br />
School of Music and Drama ausgebildete<br />
Künstler ist bereits für zwei weitere Neuproduktionen<br />
an der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> eingeplant.<br />
Claudia Mahnke gewann 1994 den 1. Preis beim<br />
Bundeswettbewerb für Gesang in Berlin. Ab 1996<br />
sang sie fest im Ensemble der Staatsoper Stuttgart,<br />
wo sie 2006 Kammersängerin wurde, u. a.<br />
die Titelpartie von Hartmanns Simplicius Simplicissimus<br />
(Mehrfachnominierung von der »<strong>Oper</strong>nwelt«<br />
als »Sängerin des Jahres«). Das neue Ensemblemitglied<br />
der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> (diese Saison<br />
z. B. Charlotte in Werther) gastiert 2007 an der<br />
San Francisco <strong>Oper</strong>a als Zerlina (Don Giovanni).<br />
Auch Juanita Lascarro ist Ensemblemitglied der<br />
<strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> – seit 2002. Furore machte sie<br />
hier mit ihren Interpretationen unterschiedlichster<br />
Titelpartien, darunter Manon, Lulu, Juliette, Poppea<br />
und Agrippina. In der Saison 2006/07 tritt<br />
sie in der Wiederaufnahme von La Traviata erneut<br />
als Violetta auf, singt Nuri (Tiefland) und Isifile<br />
(Giasone). Als Manon Lescaut (Boulevard<br />
Solitude) gastierte sie kürzlich am Teatre del<br />
Liceu in Barcelona.<br />
Sonja Mühleck war Preisträgerin beim Hilde-<br />
Zadek-Wettbewerb und beim Wettbewerb für<br />
Wagnerstimmen in Bayreuth. Sie war z. B. mit<br />
dem Münchner Staatsopernorchester und dem<br />
RSO Saarbrücken und bei zahlreichen Festivals zu<br />
hören. U. a. sang sie Sieglinde, Freia und Micaëla.<br />
Seit 2005 ist sie Ensemblemitglied der <strong>Oper</strong><br />
<strong>Frankfurt</strong>, wo sie 2006/07 auch Vitellia in La clemenza<br />
di Tito und Elisabeth in Tannhäuser gibt.<br />
2007 debütiert sie bei den Bayreuther Festspielen.<br />
Florian Plock zählt zu seinen Auszeichnungen<br />
den Ersten Preis beim Bundeswettbewerb Gesang<br />
in Berlin 2002. Nach Engagements z. B. am<br />
Staatstheater Wiesbaden und dem Beginn seiner<br />
Gastauftritte an der Komischen <strong>Oper</strong> Berlin als<br />
Masetto in Konwitschnys Don Giovanni-Inszenierung<br />
wurde er 2004 in das Ensemble der <strong>Oper</strong><br />
<strong>Frankfurt</strong> aufgenommen. 2006/07 singt er hier<br />
u. a. Orest (Giasone), Alidoro (La Cenerentola)<br />
und zum wiederholten Mal Papageno.<br />
Der Tenor Peter Bronder sang an der <strong>Oper</strong><br />
<strong>Frankfurt</strong> z. B. Herodes in Salome und die Titelpartie<br />
in El Retablo de Maese Pedro. 2005<br />
debütierte er mit Falstaff an der Metropolitan<br />
<strong>Oper</strong>a New york. Danach gastierte er am Royal<br />
<strong>Oper</strong>a House Covent Garden sowie in Gent und<br />
gab Erik (Der fliegende Holländer) in Rouen.<br />
CD-Einspielungen hat er u. a. bei Chandos und<br />
EMI vorgenommen.<br />
Anna Ryberg zählt seit 2004 zum Ensemble der<br />
<strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong>. Hier verkörperte die in Sydney<br />
und Manchester ausgebildete Sopranistin z. B.<br />
Oscar in Un ballo in maschera, Servilia in<br />
La clemenza di Tito und Poppea in Agrippina.<br />
Als Susanna (Le nozze di Figaro) gastierte die<br />
Schwedin in Manchester, London, Limoges und<br />
Jersey, als Pamina in Aix-en-Provence, als Mimì in<br />
Manchester und als Händels Semele in Sydney.<br />
Katharina Magiera begann 2003 eine Gesangsausbildung<br />
bei Hedwig Fassbender in <strong>Frankfurt</strong>.<br />
2004 erfolgte ihre Aufnahme in die yehudi<br />
Menuhin-Stiftung »Live music now«. An der <strong>Oper</strong><br />
<strong>Frankfurt</strong> war sie 2005/06 in Combattimenti<br />
(Bockenheimer Depot) und 2006/07 in Die<br />
Zauberflöte zu erleben. Weiterhin gab sie z. B.<br />
Henry Purcell in Tankred Dorsts Purcells Traum<br />
von König Artus in Wiesbaden.<br />
Biografie von Anja Fidelia Ulrich Seite 17.
BERÜHMT, VERGESSEN, WIEDERENTDECKT<br />
Alexander von Zemlinsky<br />
AlExAndER-ZEMlInsky-dokuMEntAtIonsAusstEllung<br />
1. April – 13. Mai 2007 im Chagallsaal<br />
Eröffnung der Ausstellung am 1. April, 11.00 Uhr, im Rahmen von OPER ExTRA<br />
Mit freundlicher Unterstützung des Alexander-Zemlinsky-Fonds<br />
Der Alexander-Zemlinsky-Fonds bei der<br />
Gesellschaft der Musikfreunde in Wien<br />
begrüßt die entdeckungsfreudige Spielplan-<br />
Programmatik der <strong>Frankfurt</strong>er <strong>Oper</strong> unter<br />
Bernd Loebe, in der neben anderen Neu-<br />
belichtungen von Werken jenseits des Kern-<br />
repertoires auch die künstlerisch so reiche<br />
Zeit nach der vorletzten Jahrhundertwende<br />
wieder in den Focus des Interesses rückt:<br />
Schrekers Schatzgräber, Blochs Macbeth,<br />
auch d’ Alberts Tiefland und jetzt die<br />
beiden Oscar-Wilde-Einakter Alexander von<br />
Zemlinskys. Sie sind seit ihrer ersten Wieder-<br />
aufführung 1981 in Hamburg allerorten<br />
wieder in die Spielpläne der Theater zurück-<br />
gekehrt und spiegeln damit das Schicksal<br />
ihres Komponisten: Einst berühmt, dann<br />
vergessen und spät wiederentdeckt.<br />
Die Zemlinsky-Ausstellung, die vom<br />
Alexander-Zemlinsky-Fonds bei der Gesell-<br />
schaft der Musikfreunde in Wien erstmals<br />
bei den Salzburger Festspielen 2003 an-<br />
lässlich der Premiere des König Kandaules<br />
präsentiert wurde, ist seither an etlichen<br />
großen und kleineren europäischen <strong>Oper</strong>n-<br />
häusern gezeigt worden, u. a. in Zürich, Prag,<br />
Sofia, Belgrad und Berlin. Sie zeigt das<br />
Schicksal eines Musikers zwischen den<br />
Zeiten und Stilen, der, ästhetisch wie politisch,<br />
zuweilen auch zwischen alle Stühle zu ge-<br />
raten drohte. Leben, Werke und Wirkungs-<br />
geschichte, die Stationen der Tätigkeit von<br />
Zemlinsky, der wie seine älteren Zeitgenos-<br />
sen Mahler und Strauss eine Doppelbe-<br />
gabung als Komponist wie als Dirigent<br />
gewesen ist, werden in der Ausstellung<br />
nachgezeichnet: Wien, wo er noch vom<br />
alten Brahms und von Mahler gefördert<br />
wurde, Lehrer Schönbergs und Korngolds<br />
war und als Dirigent an Hofoper und<br />
Volksoper wirkte. Prag, wo er von 1911 bis<br />
1927 <strong>Oper</strong>ndirektor des Neuen Deutschen<br />
Theaters, der heutigen Staatsoper, war, und<br />
einige seiner wichtigsten Werke schrieb, u. a.<br />
die Florentinische Tragödie und den Zwerg.<br />
Berlin, wohin ihn Klemperer an die Krolloper<br />
verpflichtete. Schließlich wieder seine Vater-<br />
stadt Wien, wohin er nach der Machter-<br />
greifung der Nationalsozialisten zurückge-<br />
kehrt war, bis er 1938 nach der Besetzung<br />
österreichs in die USA emigrierte, wo er<br />
1942 krank und vergessen verstorben ist.<br />
»Meine Zeit wird erst nach meinem<br />
Tode kommen«, hat Zemlinsky noch im<br />
PREMIERE Eine florentinische Tragödie/ Der Zwerg<br />
Detlev Glanert<br />
hohen Alter gesagt. Sie ist gekommen, doch<br />
erst nach dem »Altern der Neuen Musik«, mit<br />
Adorno zu sprechen, der schon in den Fünfzi-<br />
gern als Einziger und ohne jede Resonanz ein<br />
beredter Fürsprecher Zemlinskys gewesen ist.<br />
Die Zeit ist gekommen im letzten Vierteljahr-<br />
hundert – und heute ist Zemlinsky, der unter<br />
dem Einfluss von Brahms begann und sich<br />
in seinem Spätwerk dem Ton der Neuen<br />
Sachlichkeit öffnete, mit seinen <strong>Oper</strong>n,<br />
seinen Orchesterwerken und seiner Kammer-<br />
musik, wieder häufig zu hören und zu be-<br />
wundern. Die breite Palette seiner ganz<br />
eigenen Musik mit ihrem unverwechselbaren<br />
Persönlichkeitsstil und ihren Schöpfer möchte<br />
die von unserer Stiftung konzipierte Aus-<br />
stellung als Mensch und als Künstler in einer<br />
von aufregenden politischen und musika-<br />
lischen Umwälzungen geprägten Zeit dem<br />
Publikum in Bildern und Texten nahebringen.<br />
Peter Dannenberg<br />
1. Vorsitzender des<br />
Alexander-Zemlinsky-Fonds bei der<br />
Gesellschaft der Musikfreunde in Wien<br />
9
10<br />
GIUSEPPE VERDI<br />
Simon Boccanegra<br />
Alles ist überwunden! … Der Klang der Totenglocke ertönt …<br />
Aber das Sterben hat keinen Schrecken mehr für mich …<br />
Mein Kind ist ja bei mir …<br />
Aus Asche und Zerstörung blühe meines Kindes Glück.<br />
(Simon Boccanegra, 3. Akt)
AUF LEBEN UND TOD – SIMON BOCCANEGRA<br />
Anmerkungen zu Verdis Fatalismus<br />
PREMIERE Simon Boccanegra von Giuseppe Verdi<br />
Sonntag, 20. Mai 2007<br />
Weitere Vorstellungen: 24., 27. Mai; 1., 14., 17., 22., 30. Juni, 6. Juli 2007<br />
In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln<br />
Melodramma in einem Prolog und drei Akten von Francesco Maria Piave,<br />
nach dem Schauspiel von Antonio Garçía y Gutiérrez, Neufassung Arrigo Boito<br />
Uraufführung 1. Fassung am 12. März 1857, Teatro La Fenice, Venedig<br />
Uraufführung 2. Fassung am 24. März 1881, Teatro alla Scala, Mailand<br />
Musikalische Leitung Paolo Carignani I Regie Christof Loy<br />
Bühnenbild Johannes Leiacker I Kostüme Bettina Walter I Dramaturgie Norbert Abels<br />
Licht Olaf Winter I Chor Alessandro Zuppardo<br />
Simon Boccanegra Z˘eljko Luc˘ić I Jacopo Fiesco Bálint Szabó<br />
Paolo Albiani Johannes Martin Kränzle I Amelia Grimaldi Annalisa Raspagliosi<br />
Gabriele Adorno Paul Charles Clarke I Pietro Pavel Smirnov<br />
Mit freundlicher Unterstützung der Landwirtschaftlichen Rentenbank<br />
Die Natur, mit der das Werk, das Wogen<br />
des Meeres beschwörend, einsetzt,<br />
wird erst am Schluss wieder zum Flucht-<br />
punkt des sterbenden Helden. Das Meer<br />
behauptet sich als Daseinsmetapher befrei-<br />
ender Selbstauflösung, als Kontrapunkt zu<br />
all den qualvollen Ritualen der organisierten<br />
Erden-Gesellschaft. Erst zu Land wird der<br />
ehemalige Freibeuter Opfer des bodenver-<br />
hafteten patriotischen Geschehens. Sein<br />
Tod ist die Heimkehr zum Meer. Das Ster-<br />
ben beginnt – im wiegenden sechs Achtel –<br />
mit dem Blick auf das Meer: »Das Meer!<br />
das Meer! es so zu betrachten, …«<br />
Der Blick, auch wenn es der letzte ist, ver-<br />
heißt nochmals die Freiheit des Aufbruches.<br />
In Giulio Ricordis szenischen Notizen zur<br />
Scala-Produktion von 1883 wird das genau<br />
festgehalten: »Der Doge fällt auf den Stuhl,<br />
richtet einen letzten Blick aufs Meer, das<br />
Haupt sinkt ihm herab, er ist tot.«<br />
Der letzte Landgang Simons ist angefüllt<br />
mit Unausweichbarkeiten. Der offene Blick<br />
muss zum misstrauischen Auge werden.<br />
Jetzt erst, im verschmelzenden Largo der<br />
ehemaligen Antipoden, kann sich das Innere<br />
ins Außen vergießen. Doge: »Piangi …?«<br />
Fiesco, con espressione: »Piango.« Auch<br />
die Tränen also gehören zur Metaphorik<br />
des Meeres, dem mysteriösen Urgrund alles<br />
Lebens, der am Schluss die Ordnung des<br />
offenen Blickes wiederherstellt.<br />
Die äußerste Lakonik, die Verdi gleich<br />
zu Beginn der <strong>Oper</strong> verwendet, um die Un-<br />
vereinbarkeit von individuellem Leid und<br />
öffentlicher Geltung bei seinem Titelhelden<br />
erscheinen zu lassen, zeugt von dem in den<br />
späten siebziger Jahren immer stärker an-<br />
wachsenden Fatalismus des Komponisten.<br />
Das am Anfang der instrumentalen Einleitung<br />
der ersten Fassung von 1857 stehende, ab-<br />
gerundete »Preludio« wies noch alle Ingredi-<br />
enzien der üblichen Ouvertüre auf. Die darin<br />
verarbeitete Hymne des Dogen allein streute<br />
vorab schon apotheotisches <strong>Oper</strong>nlicht. Nun,<br />
im 24 Jahre vorher spielenden Prolog der<br />
Endfassung, wird die tragische Unvereinbar-<br />
keit von Indivudiuum und Repräsentant so-<br />
fort entwickelt. Noch kaum verhallt sind die<br />
pianissimo gespielten E-Dur-Meeresakkorde.<br />
Das Allegro moderato des Beginns, ergänzt<br />
durch das die gesamte erste Szene über-<br />
dauernde mezza voce, das nur durch Paolos<br />
Verfluchung der Patrizier unterbrochen wird,<br />
Giuseppe Detlev Glanert Verdi<br />
breitet eine dunkle, ausweglose Sphäre aus,<br />
die das ganze Werk bestimmen wird. Auch<br />
im von aller Belcanto-Konvention der ersten<br />
Fassung befreiten Dialog zwischen Paolo und<br />
Simon erscheint jenes Netz aus Verhängnis,<br />
Verschlagenheit und – auf der Seite Simons –<br />
offenkundiger Disposition, zum Opfer eben<br />
dieser machtpolitischen Konstanten zu werden.<br />
Mit rasender Geschwindigkeit geschieht dies.<br />
Nur einige Worte genügen, und aus dem Frei-<br />
beuter wird Boccanegra: der Doge, das Ober-<br />
haupt des Stadtstaates.<br />
PREMIERE Simon Boccanegra<br />
Zunächst antwortet Boccanegra auf den<br />
Vorschlag Paolos mit der obligatorischen, ab-<br />
schlägigen und aus der Bibel (Moses, Jesus,<br />
Jeremias) sattsam bekannten Floskel der Ver-<br />
antwortungsablehnung: »Ich? Nein.« Erst<br />
durch Paolos demagogischen Trick der Ver-<br />
heißung von Lebensglück durch das Mittel<br />
der Politik kommt es zur Annnahme des An-<br />
gebotes. Paolo: »Lockt dich die Krone des<br />
Dogen?« Simon: »Phantasierst du?« Paolo:<br />
»Und Maria?« Simon: »Oh unschuldiges Opfer<br />
meiner verhängnisvollen Liebe! Sag mir,<br />
weißt du von ihr? Sprachest du mit ihr?« Paolo<br />
(auf den Palast Fieschi zeigend): »Als Gefange-<br />
ne seufzt sie in diesem Haus.« Simon: »Maria!«<br />
11
12<br />
PREMIERE Simon Boccanegra<br />
Paolo: »Du stimmst zu?« Simon: »Paolo …«<br />
Paolo: »Alles ordnete ich an … und ersuche<br />
dich nur um den Anteil an den Gefahren und<br />
am Gewinn.« Simon: »Es sei …« Paolo: »Auf<br />
Leben und Tod?« Simon: »Es sei …«<br />
Das Schicksal Boccanegras wird in dieser<br />
knappen Sequenz begründet und zugleich be-<br />
siegelt. Die Fatalität des nun folgenden Gesche-<br />
hens verdankt sich einzig der Illusion,<br />
öffentliche Reputation gehe der Erfüllung der<br />
Seele voraus. Indem Boccanegra Politik als<br />
Mittel privater Versöhnung verwendet, gibt er<br />
die Stationen seines eigenen Unterganges<br />
selbst vor. Die Geschichte, zu deren offiziellem<br />
Vertreter er auf zweifelhafte Weise gewählt<br />
wird – im Grunde nur als Instrument macht-<br />
gieriger Hintermänner – präsentiert von nun<br />
an den gnadenlosen Schauplatz des Kampfes<br />
von Innen und Außen. Die Gegensätze häu-<br />
fen sich, Ethik und Staatspragmatik schließen<br />
sich aus. Muss der Geliebte der wiedergefun-<br />
denen Tochter für die Wiederherstellung der<br />
Ordnung exekutiert werden? Muss ein offen-<br />
kundiger Verräter wie Paolo zum Wohle des<br />
Volkes noch verschont werden?<br />
Am Schluss des ersten Aktes glaubt der<br />
Titelheld, dem vermittelnden Geist Petrarcas<br />
folgend, noch an die Vereinbarkeit von Politik<br />
und Moral durch die Liebe. Bezeichnender-<br />
weise greift er, um die Liebe zu charakterisie-<br />
ren, wiederum zur Naturmetaphorik. Nochmals<br />
zeichnet das Bild des Meeres in der Ansprache<br />
an die Patrizier und die Plebejer das Gleich-<br />
gewicht von Innen und Außen. »Obwohl Euch<br />
das weite Reich der Meere leidenschaftlich<br />
ruft, zerreißt Ihr Euch an heimischen Herden<br />
das Herz.«<br />
Die majestätisch, Andante mosso be-<br />
gonnene Anrede mit ihren chromatisch ab-<br />
sinkenden Achteln, erinnert an den ewigen<br />
und blutigen Bruderkrieg. Dann, mit ungleich<br />
expressiverem Ausdruck, folgt die Beschwö-<br />
rung der Natur als utopisches Bild des Friedens.<br />
Das Pizzicato der Streicher, das Fis-Dur errei-<br />
chend, wirbt geradezu darum. Ungeheuerlich,<br />
wie im Folgenden das Volk die Worte aufnimmt<br />
und, mit den Stimmen der Soli vereint, ein<br />
großes al fresco dieser Utopie malt. Dieses<br />
al fresco jedoch erweist sich als Scheinver-<br />
söhnung. Inmitten der nachgerade sakralen,<br />
zum Crescendo ansetzenden Friedensbe-<br />
teuerung des Chores nämlich verständigen<br />
sich, mimetisch geschickt sich dessen Stimm-<br />
linie anpassend, die Intriganten Paolo und<br />
Handlung Simon Boccanegra<br />
Im Genua des 14. Jahrhunderts herrscht Bürgerkrieg. Adel und Zunft-<br />
bürgertum kämpfen um die Macht. Der zum Dogen gewählte Korsar<br />
Boccanegra hofft den Aristokraten Fiesco dazu zu bewegen, dessen<br />
Tochter Maria, mit der er bereits ein Kind hat, zu heiraten. Fiesco<br />
sagt zu, verlangt aber für sich selbst die kleine Tochter. Dem Dogen<br />
verschweigt er den Tod Marias. Die verschollene Amelia, inzwischen<br />
schon erwachsen, wuchs bei der Familie Grimaldi auf. Jetzt liebt<br />
sie den Aristokraten Gabriele Adorno. Während eines Besuches<br />
Boccanegras bei den Grimaldis, erkennen sich Tochter und Vater. Er<br />
kam, um sie zur Heirat mit Paolo Albani, dem Anführer der Volkspartei,<br />
zu überreden. Daraus wird nun nichts, Paolo rächt sich, indem er dem<br />
Dogen Gift in den Becher gibt und Adorno zum Mord anstiftet. Dieser<br />
aber erkennt die Intrige und schlägt sich auf Simons Seite. Boccanegra,<br />
bereits im Sterben, versöhnt sich mit dem Feind Fiesco und stiftet die<br />
Verbindung zwischen Amelia und Adorno.<br />
Pietro. Hinzu kommt noch, gleichfalls kaum<br />
hervorgehoben, Fiescos pessimistische<br />
Prophezeiung von Genuas Untergang. Keine<br />
Rede also mehr von Apotheose.<br />
Ohne Zweifel: Fest steht für den späten<br />
Verdi eine starre Ordnung der politischen<br />
Macht. Verdi nimmt davon auch das Ritual<br />
der Revolte nicht aus. Vorbei ist die Emphase<br />
des Risorgimento. »In den Massen gibt es si-<br />
cherlich immer den Aufwiegler, die üblen<br />
Subjekte, die Diebe, aber es gibt auch fast<br />
immer den Hunger«, schreibt er in einem<br />
Brief. Als so schlimme wie unumgängliche<br />
Notwendigkeit betrachtet er nun »Theorien,<br />
Regierungsformen, Patriotismus, Würde usw.<br />
usw.«, von denen er sich vierzig Jahre zuvor<br />
entflammt gezeigt hatte, als er an seinen<br />
Freund Francesco Maria Piave schrieb: »ja-<br />
wohl, noch ein paar Jahre, vielleicht ein paar<br />
Monate, und Italien wird frei sein (…) Es darf nur<br />
eine Musik geben, die den Ohren der Italiener<br />
von 1848 gefällt: Die Musik der Kanonen! …«<br />
} Norbert Abels
Es ist ein weiter Weg vom serbischen Zrenjanin<br />
bis nach <strong>Frankfurt</strong>. Zehn Jahre werden bald vergangen<br />
sein, seit Zˇeljko Lučić an der <strong>Oper</strong><br />
<strong>Frankfurt</strong> seinen ersten Vater Germont sang und<br />
damit nicht nur seine Karriere in <strong>Frankfurt</strong><br />
begann, sondern auch den Grundstein für eine<br />
internationale Karriere legte. Inzwischen singt<br />
der Bariton in Wien, Paris, Amsterdam, London<br />
und an der New yorker Metropolitan <strong>Oper</strong>a.<br />
Angebote der Scala musste er bislang einzig<br />
zurückweisen, weil sie zu kurzfristig erfolgten<br />
und er längst ausgebucht war. Lučić sang<br />
damals auch in Hamburg und Dresden vor.<br />
<strong>Frankfurt</strong> aber gewann ihn für das Ensemble,<br />
dem er heute noch angehört. In <strong>Frankfurt</strong>,<br />
genauer gesagt im »Nordend«, hat er mit seiner<br />
Familie eine zweite Heimat gefunden: »Ich gehe<br />
Paolo Carignani hat diese Saison u. a. auch<br />
die musikalische Leitung bei Aida und Andrea<br />
Chénier (beide konzertant) sowie den Neuinszenierungen<br />
von Tannhäuser und Il ritorno<br />
d’Ulisse in patria (Bockenheimer Depot) inne.<br />
Gastverpflichtungen führen den GMD der <strong>Oper</strong><br />
<strong>Frankfurt</strong> 2006/07 u. a. nach Berlin, Genua,<br />
Zürich, München, Hamburg (Parsifal) und Wien.<br />
Christof Loy ist dem Publikum der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong><br />
durch seine Inszenierungen von Die Entführung<br />
aus dem Serail (auch auf DVD), Faust,<br />
La clemenza di Tito und La finta semplice ein<br />
Begriff. 2003 und 2004 wurde er von Kritikern<br />
der Zeitschrift »<strong>Oper</strong>nwelt« zum »Regisseur des<br />
Jahres« gewählt. Zuletzt entstanden Arabella<br />
in Göteborg und, gemeinsam mit Johannes<br />
Leiacker, Giulio Cesare in Wien.<br />
Johannes Leiacker erarbeitete jüngst mit<br />
Vera Nemirova Otello an der Semperoper<br />
Dresden und Tannhäuser an der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong>.<br />
Außerdem gestaltete er hier das Bühnenbild<br />
zu Mefistofele. Der international gefragte<br />
Künstler ging 2005 für Roméo et Juliette an<br />
die Metropolitan <strong>Oper</strong>a. 2007 wird auf der<br />
Seebühne in Bregenz Tosca in seinem Bühnenbild<br />
aufgeführt.<br />
Simon Boccanegra l DAS TEAM<br />
Zˇeljko Lučić BARITON<br />
nach Hause, sage ich, wenn ich von einer<br />
Produktion in Amerika oder Frankreich zurückkehre.<br />
Die <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> ist mein Stammtheater.<br />
In <strong>Frankfurt</strong> werde ich auch bleiben,<br />
wenn meine Zeit als Ensemblemitglied einmal<br />
zu Ende gehen sollte.« Verdi gilt – im Gegensatz<br />
zu Puccini – Lučić´ ganze Leidenschaft.<br />
»Ich bin und bleibe Verdi-Bariton. Für mich ist<br />
er der größte Komponist. Wer sonst gibt mir in<br />
meinem Fach jenes große Melos, wer sonst<br />
vermag die Transparenz der Stimme von dem<br />
gewaltigen Orchesterapparat so zu wahren.<br />
Meine Stimme ist eine Verdi-Stimme. Ich<br />
nenne ihn Papa Verdi. In meinen <strong>Frankfurt</strong>er<br />
Jahren lagen die großen und die kleinen<br />
Partien auf meinem Weg: Ich sang Ford in<br />
Falstaff, Ezio in Attila, Marullo in Rigoletto,<br />
Giacomo in Giovanna d’Arco, Renato im<br />
Maskenball, Don Carlos in Macht des Schicksals,<br />
Verdis Macbeth und Nabucco. Den Jago<br />
werde ich in der nächsten Spielzeit konzertant<br />
singen. Mit Vater Germont reise ich um die<br />
Welt. Simon Boccanegra freilich ist eine<br />
besondere Herausforderung. Der späte Verdi<br />
hat seine unverwechselbaren Charakteristika.<br />
Bettina Walter gestaltete für <strong>Frankfurt</strong> die<br />
Kostüme zu Katja Kabanová, Faust und Tiefland<br />
(Koproduktion mit der Wiener Volksoper).<br />
2005/06 konzipierte sie mit Nikolaus Lehnhoff<br />
Lohengrin in Baden-Baden und La clemenza<br />
di Tito in Salzburg, wohin sie 2007 für Armida<br />
mit Christof Loy zurückkehrt. Geplant ist u. a.<br />
<strong>Jenufa</strong> in München.<br />
Bálint Szabó, dessen Schwerpunkt auf Verdi-<br />
Partien liegt, erhielt in Budapest 1998 den<br />
1. Preis beim Internationalen Gesangswettbewerb.<br />
Bevor er 2005 in das Ensemble der<br />
<strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> wechselte, war er fest an der<br />
Ungarischen Staatsoper und der Rumänischen<br />
Staatsoper sowie in Hamburg engagiert. Er<br />
begann diese Saison in <strong>Frankfurt</strong> als König von<br />
Ägypten in Aida (konzertant).<br />
Johannes Martin Kränzle, seit 1998 im<br />
Ensemble, zählt zu seinem über 80 Rollen<br />
umfassenden Repertoire alle großen Mozartpartien,<br />
Rossinis Figaro, Verdis Ford, und<br />
Puccinis Sharpless. 2006/07 ist er hier auch als<br />
Sixtus Beckmesser (Meistersinger), Macduff<br />
(Blochs Macbeth), Graf Almaviva (Le nozze di<br />
Figaro) und Grigori Grjasnoi (Die Zarenbraut)<br />
zu erleben.<br />
PREMIERE Simon Boccanegra<br />
Der Komponist gab seinem Helden keine Arie.<br />
Er ist das tragische Zentrum der Handlung,<br />
ein gezeichneter Mann, dessen Tod die traurige<br />
Voraussetzung für den Frieden ist – eine geradezu<br />
archaische tragische Situation. Der Bürgerkrieg,<br />
das mittelalterliche Genua, das Korsarenkolorit:<br />
All das ist am Ende nur Staffage für einen<br />
allein durch den Tod fortzuschaffenden Konflikt<br />
eines vom Unglück heimgesuchten Menschen.<br />
Wie zart und bewegend zeichnet Verdi das<br />
Verhältnis zwischen Vater und Tochter; ein von<br />
ihm oft verwendetes Thema – hier aber unendlich<br />
einfühlsam in Musik gesetzt. Dem Meer, mit<br />
dem das Werk beginnt, gilt auch der letzte Blick<br />
des ehemaligen Korsaren. Er weiß selbst, dass<br />
sein Tod ein Opfer ist. Er stirbt deshalb nicht als<br />
gebrochener Mensch.«<br />
Annalisa Raspagliosi interpretierte in <strong>Frankfurt</strong><br />
bereits Valentine in Les Huguenots (konzertant),<br />
Nedda in I Pagliacci, Margherita in Boitos Mefistofele<br />
und Violetta (La Traviata). International<br />
gefragt ist sie z. B. auch als Leonora in Il trovatore<br />
(2007 in Tel Aviv) und Luisa Miller ebenso wie<br />
als Amelia in Simon Boccanegra, die sie schon<br />
für eine CD-Einspielung sang.<br />
Paul Charles Clarke, der als Gabriele Adorno<br />
ebenfalls in Hamburg engagiert wurde, singt<br />
Cassio in Verdis Otello konzertant mit dem<br />
Orchester des WDR. Letztere Partie führte ihn<br />
bereits an die Metropolitan <strong>Oper</strong>a. In Cardiff<br />
interpretierte er 2005 Don Carlos und zuletzt<br />
Pinkerton. Zudem gastierte er diese Saison an<br />
der English National <strong>Oper</strong>a und in Hongkong.<br />
Pavel Smirnov, Mitglied des Chors der <strong>Oper</strong><br />
<strong>Frankfurt</strong>, trat solistisch u. a. in Gent, Prag,<br />
Lissabon, Luzern sowie in Bad Orb mit Partien<br />
wie Posa (Don Carlos), Don Pizarro (Fidelio),<br />
Valentin (Gounods Faust) und Sebastiano<br />
(Tiefland) auf. An der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> sang er<br />
z. B. Saretzki (Eugen Onegin) und Antonio<br />
(Il viaggio a Reims).<br />
+++OPER ExTRA zu Simon Boccanegra am 6.5.2007, 11.00 Uhr, Holzfoyer. Die <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> und der Patronatsverein laden ein: Die von den<br />
Produktionsdramaturgen zusammengestellte und moderierte Matinee stellt das Werk in seinen vielfältigen Bezügen dar. Diskutiert wird über Libretto,<br />
Komposition, Wirkungsgeschichte und ästhetischen Kontext. Solisten der Premiere vermitteln einen ersten musikalischen Eindruck.+++<br />
13
14<br />
CLAUDIO MONTEVERDI<br />
Il ritorno d’Ulisse in patria<br />
Nichts ist sicher<br />
vor meinem Zahn.<br />
Er nagt und ergötzt sich.<br />
Flieht nicht, ihr Menschen,<br />
ich hinke zwar, doch hab’ ich Flügel.<br />
Die Zeit im Prolog
ENDLICH ZU HAUSE<br />
Der Held, der Vielfraß und die Götter<br />
PREMIERE Il ritorno d’Ulisse in patria (Die Rückkehr des Odysseus ins Vaterland)<br />
von Claudio Monteverdi<br />
Samstag, 23. Juni 2007<br />
im Bockenheimer Depot<br />
Weitere Vorstellungen: 25., 27., 30. Juni; 2., 4., 6., 8. Juli 2007<br />
In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln<br />
<strong>Oper</strong> in drei Akten mit Prolog I Text von Giacomo Badoaro nach Homers Odyssee<br />
Uraufführung im Frühjahr oder Herbst 1640, Teatro di S. Cassiano, Venedig<br />
Musikalische Leitung Paolo Carignani / Felice Venanzoni I Regie David Hermann<br />
Bühnenbild und Kostüme Christof Hetzer I Dramaturgie Zsolt Horpácsy I Licht Jürgen Koß<br />
Penelope Christine Rice I Telemaco Peter Marsh I Ulisse Kresimir Spicer<br />
Amore / Melanto Katharina Magiera I Antinoo / Tempo / Nettuno Magnus Baldvinsson<br />
Giove / Anfinomo Christian Dietz I Fortuna / Ericlea Jenny Carlstedt I Minerva Anja Fidelia Ulrich<br />
Eurimaco / Pisandro Ralf Simon I Eumete Jussi Myllys I Iro Danilo Teps˘a<br />
Unheil prägt die Fahrten der griechischen<br />
Heimkehrer nach dem Trojanischen<br />
Krieg. Göttliche Eingriffe mildern oder ver-<br />
schärfen die Konfliktsituationen der Unglück-<br />
seligen, und nur einige von ihnen überleben<br />
die Capricen der höheren Mächte. Unter<br />
ihnen ist Odysseus zweifellos der berühm-<br />
teste: Seine Geschichte nimmt unter den<br />
Erzählungen der gruseligen trojanischen<br />
Heimfahrten einen besonderen Platz ein.<br />
Adaptionen ziehen sich durch die gesamte<br />
Literatur- und Musikgeschichte. Vielen Be-<br />
arbeitungen schien seine Heimkehr sogar<br />
wichtiger zu sein als die abenteuerlichen<br />
Irrfahrtsberichte. Wie kommt der listige Held<br />
nach 20 Jahren Abwesenheit zu Hause an?<br />
Wie findet das Ehepaar, Penelope und<br />
Odysseus, wieder zusammen? Erkennen sie<br />
sich? Gibt es ein Leben nach den Irrfahrten?<br />
Brisante Fragen rund um die Heimkehr, die<br />
je nach Epoche und Blickwinkel unterschied-<br />
lich beantwortet oder offengelassen wurden.<br />
Die Rückkehr des Odysseus ist bei Monte-<br />
verdi und seinem Librettisten Badoaro mehr<br />
als nur eine gefällige Adaption des mytholo-<br />
gischen Stoffes. Sie fokussiert den Blick des<br />
Zuschauers auf den zweifelnden Menschen,<br />
der den Lauf der Welt nicht durchschaut und<br />
mit ihr hadert. Im Verlauf der <strong>Oper</strong> zeigen<br />
sich die Götter dem Menschen mehr oder<br />
weniger gnädig und greifen in die Handlung<br />
ein. Trotz Leiden und Willkür, so die Botschaft<br />
der Götter, folgt die Welt einem großen Plan.<br />
Ob dieser Plan wirklich existiert, und wenn ja,<br />
zu welchem Ende, bleibt offen.<br />
Die Handlung ist den Gesängen xIII bis<br />
xxIV von Homers Odyssee entnommen und<br />
schildert die Heimkehr des Helden. Seine<br />
Frau Penelope – von schmarotzenden Ver-<br />
ehrern umgarnt – hat ihrem Gatten die Treue<br />
gehalten. Doch sie erkennt Odysseus nicht<br />
wieder und ist erst nach mehreren Proben<br />
von seiner Identität überzeugt. Die obligato-<br />
rische Erkennungsszene der Barock-Bühne<br />
folgt und die Geschichte endet. Ein seltsames<br />
Happy End nach 20 Jahren, das existentielle<br />
Fragen offenlässt.<br />
Monteverdi muss eigene Überlegungen<br />
zur Struktur dieses Werkes angestellt haben.<br />
Er nannte es ein »dramma in musica«, im<br />
Unterschied zu seinem L’Orfeo, den er<br />
als »favola« bezeichnete. Erst seinem letzten<br />
Bühnenwerk, L’incoronazione di Poppea,<br />
verleiht Monteverdi den Titel <strong>Oper</strong>: »<strong>Oper</strong>a<br />
musicale«. Trotz Monteverdis unterschied-<br />
licher Gattungsbezeichnungen seiner <strong>Oper</strong>n,<br />
scheint die klare Einordnung seiner Werke<br />
gewagt.<br />
PREMIERE Il ritorno d’Ulisse in patria<br />
Detlev Claudio Glanert Monteverdi<br />
Il ritorno enttäuscht jegliche Gattungs-<br />
erwartung. In diesem Musikdrama stehen<br />
mehrere Figuren- und szenische Ebenen in<br />
einem hierarchischen Verhältnis, die die<br />
Fabel, die Heimkehrerzählung beobachtend-<br />
distanziert-kommentierend vermitteln, ähnlich<br />
wie im epischen Theater des 20. Jahrhun-<br />
derts. Il ritorno stellt nicht nur die Heimkehr-<br />
geschichte des Helden dar, sondern auch<br />
ihre Spiegelung in der Seele der Menschen<br />
(und auch der Götter).<br />
Den Helden zur Seite stehen spannende<br />
»Nebenfiguren«, die in ihrer Lebendigkeit und<br />
scharfen Charakterisierung das gesellschaft-<br />
liche Spektrum der Ulisse-<strong>Oper</strong> – doch<br />
eigentlich: die venezianische Renaissance-<br />
Gesellschaft überhaupt – darstellen.<br />
Im großen Bogen der Geschichte bringen<br />
die einzelnen Personen oder Gruppen ihre<br />
Überzeugung in einer musikalisch sehr<br />
charakteristischen Form zum Ausdruck. Das<br />
Zentrum des Geschehens befindet sich auf<br />
der oberen (edlen) menschlichen Sphäre<br />
15
16<br />
PREMIERE Il ritorno d’Ulisse in patria<br />
und wird sichtbar im Gegensatz zwischen<br />
den Freiern und Penelope. Sie will nicht<br />
mehr lieben und äußert dies sehr oft. Selbst,<br />
nachdem alle anderen Odysseus erkannt<br />
haben, bringt sie dies zunächst nicht von<br />
ihrem unbeweglichen Verhalten ab. Auf der<br />
Bühne des 17. Jahrhunderts stand diese<br />
Haltung, die wir heutzutage als starr oder gar<br />
gestört empfinden, für den vollendeten Aus-<br />
druck ihres Ethos.<br />
Die göttliche Ebene ist durch eine andere,<br />
eine »himmlische« Dynamik geprägt. Die<br />
Götter handeln auch gegeneinander und ihr<br />
Verhalten beeinflusst direkt oder indirekt den<br />
menschlichen (Helden-)Alltag. Sie helfen<br />
oder hindern, sie verstärken oder schwächen<br />
das menschliche Streben, aber sie entschei-<br />
den nichts. Weder Odysseus und Penelope,<br />
noch die Freier sind (ganz) machtlos in den<br />
Händen der Götter.<br />
Die dritte Ebene, die Welt der Diener,<br />
ist aufgespalten: Den tatsächlich Dienenden,<br />
die Odysseus und Penelope begleiten,<br />
steht die der Freier gegenüber. Aus dieser<br />
Schar zeichnet sich der Vielfraß Iro mit den<br />
schärfsten karikierenden Akzenten aus. Sein<br />
Rollentypus entspricht zwar dem vom vene-<br />
zianischen Publikum erwarteten, wird aber<br />
musikalisch mit neuen Mitteln charakterisiert:<br />
Seine grotesken Züge werden durch Monte-<br />
verdis parlar cantando noch verstärkt, denn<br />
traditionell wären seine großen Tonschritte<br />
und Koloraturen für Herrscherfiguren reser-<br />
viert. Iro übernimmt deren Art, versucht<br />
sie einzusetzen und scheitert. Seine skurrile<br />
Selbstmordszene gehört zu den sehr seltenen,<br />
tragikomischen Todesdarstellungen in der<br />
gesamten <strong>Oper</strong>nliteratur.<br />
Ausgesprochen venezianisch wird die<br />
Handlung durch die ständig hervorgehobene<br />
Präsenz des Meeres. Selbst in den mehr oder<br />
weniger fragmentarisch überlieferten Ab-<br />
schriften fallen die häufigen Meeresszenen<br />
(Scena marittima) deutlich auf. Giove (Jupiter)<br />
räumt Nettuno (Neptun), dem Meeresgott,<br />
das Recht ein, zu regeln, wer sich auf dem<br />
Meere überhaupt und in welche Richtung be-<br />
wegen darf. In einer geschickten Anspielung<br />
wird der Meeresgott mit Venedig gleichgesetzt<br />
und dem venezianischen Selbstbewusstsein<br />
oder sogar Stolz, eine Huldigung dargebracht.<br />
Obwohl er sehr viel mehr komponiert hat,<br />
sind uns von Monteverdi nur insgesamt drei<br />
<strong>Oper</strong>n erhalten geblieben. Selbst bei diesen<br />
Handlung Il ritorno d’Ulisse in patria<br />
Seit zwanzig Jahren wartet Penelope auf die Heimkehr ihres Mannes<br />
Odysseus und muss die Werbung aufdringlicher Freier erdulden. Die<br />
Heimkehr wird von Neptun verhindert, weil Odysseus einen Sohn des<br />
Meeresgottes getötet hat, doch Minerva bereitet ihrem Schützling<br />
nun den Weg. Sie berichtet ihm über alles Vorgefallene und verwandelt<br />
ihn in einen alten Bettler. Die Freier wollen vor Odysseus’ Rückkehr<br />
Penelope zum Jawort zwingen und ihren Sohn Telemach ermorden.<br />
Penelope schlägt vor, wer den Bogen des Odysseus zu spannen<br />
vermag, den wird sie heiraten. Allein dem Bettler gelingt es und mit<br />
seinen Pfeilen tötet er die Freier. Penelope kann nicht glauben, dass<br />
der Bettler Odysseus ist. Die Amme erkennt ihn an einem Wundmal.<br />
Auch das genügt Penelope nicht. Erst als sich Odysseus mit einem nur<br />
den beiden bekanntem Geheimnis zu erkennen gibt, umarmt sie ihn.<br />
dreien bleiben viele Fragen aufgrund der re-<br />
duzierten Quellenlage offen. Für Il ritorno gibt<br />
es nur eine ernst zu nehmende Abschrift, das<br />
Manuskript der österreichischen National-<br />
bibliothek. Ohne diese Partitur, die vermutlich<br />
für eine Aufführung um 1640 am Wiener Hof<br />
angefertigt wurde, wäre gar keine Musik über-<br />
liefert, wie es für einen Großteil der <strong>Oper</strong>n<br />
von Monteverdi der Fall ist. So verlangt die<br />
Deutung dieser Notenmaterialien außerge-<br />
wöhnliche Anstrengungen. Ein Grundproblem<br />
liegt in der spärlichen Notation. Über weite<br />
Strecken existieren nur eine Ober- und eine<br />
Bassstimme, die Generalbassauszeichnungen<br />
sind selten und mehrdeutig. So begegnen wir<br />
heute auf der Bühne zwangsläufig einer Re-<br />
konstruktion des Ulisse, die notwendigerweise<br />
Eigenanteile aller Interpreten enthält. Über<br />
»Echtheit« oder die »Notwendigkeit der Ein-<br />
griffe« im Fall Ulisse zu diskutieren ist sinnlos.<br />
Entscheidend für die dramatische Kraft der<br />
Aufführung ist, ob durch die richtige musika-<br />
lische Akzentuierung der Atem von Monte-<br />
verdis Musik spürbar geworden ist.<br />
} Zsolt Horpácsy
Il ritorno d’Ulisse in patria l DAS TEAM<br />
David Hermann REGIE<br />
Christof Hetzer BÜHNENBILD UND KOSTÜME<br />
David Hermann<br />
Nach zwanzig Jahren schleicht sich Odysseus,<br />
als Bettler getarnt, in seinen Palast und sieht<br />
seine eigene<br />
Abwesenheit. Die<br />
Menschen sprechen<br />
über ihn als einen<br />
Toten. Alles, was<br />
er aufgebaut hatte,<br />
ist verfallen, verkommen,verschwunden.<br />
Seine<br />
Frau von Männern bedrängt. Das Einzige,<br />
das lebt, ist die nicht ausgelebte Aggression in<br />
einem Machtvakuum. Es kann keine Rückkehr<br />
mehr geben, sondern nur eine Reconquista,<br />
die einer Auslöschung gleichkommt.<br />
Der deutsch-französische Regisseur David<br />
Hermann studierte Regie an der Hochschule<br />
für Musik »Hanns Eisler« in Berlin und war<br />
Assistent von Hans Neuenfels bei Produktionen<br />
in <strong>Oper</strong> und Schauspiel. 2000 gewann er den<br />
Ersten Preis des Internationalen Regiewettbewerbs<br />
in Graz. Er inszenierte an der <strong>Oper</strong><br />
Bonn, am Nationaltheater Mannheim, der<br />
Felice Venanzoni, seit 2002 Studienleiter an<br />
der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong>, dirigierte im Bockenheimer<br />
Depot auch die ersten Teile des Monteverdi-<br />
Zyklus’ sowie 2005 L’incoronazione di Poppea<br />
im großen Haus. Zuletzt stand er hier bei<br />
Premiere und Wiederaufnahme von Händels<br />
Agrippina am Pult. Außerdem leitet er 2006/07<br />
die Wiederaufnahme von Ariodante.<br />
Christine Rice ist regelmäßig mit großen<br />
Partien an Häusern wie der Royal <strong>Oper</strong>a oder<br />
der English National <strong>Oper</strong>a in London (2007<br />
als Nerone in Agrippina) zu Gast. 2006 sang<br />
sie auch in München (Titelpartie in Rinaldo),<br />
Valencia, Seattle sowie Madrid und veröffentlichte<br />
ihre erste CD bei EMI mit Werken von<br />
Händel bis Howells.<br />
Peter Marsh singt 2006/07 u. a. Wenzel (Die<br />
verkaufte Braut), Nando (Tiefland) und Walther<br />
(Tannhäuser) an der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong>, deren<br />
Ensemble er seit 1998 angehört. Zuvor war er<br />
z. B. als Pedrillo (Die Entführung aus dem<br />
Serail) zu erleben. Gastengagements führten<br />
ihn auch nach München, Hamburg, Dresden,<br />
Düsseldorf/Duisburg und Tokio.<br />
Kresimir Spicer interpretierte 2006 in <strong>Frankfurt</strong><br />
die Titelpartie von Mozarts La clemenza di Tito.<br />
Semperoper Dresden, am Luzerner Theater,<br />
am Oldenburgischen Staatstheater, sowie bei<br />
den Salzburger Festspielen. Im Mai 2007 feiert<br />
er am Theater Basel mit Christof Hetzer die<br />
Premiere ihrer Deutung von Honeggers Jeanne<br />
d´Arc au bûcher.<br />
Christof Hetzer<br />
Zeit wird zur klebrigen Materie und zu Penelopes<br />
schlimmstem Feind. Sie empfindet sie vor<br />
allem in dem Aushalten<br />
einer Situation.<br />
Ihr Alltag ist ohne<br />
Struktur. Ein ewiger<br />
Zustand. Unerträglich<br />
und unabdingbar.<br />
Alles ist Oberfläche.<br />
Sie wird von zahlreichen,<br />
mehr oder<br />
weniger edlen Herren bedrängt und hat ihren<br />
Versprechungen nur das enthaltsame Klammern<br />
an eine Hoffnung entgegenzusetzen. Gleichzeitig<br />
könnte sie alles durch eine Einwilligung<br />
beenden. Jederzeit. Tage dehnen sich in<br />
klebriger Unendlichkeit und Unbeweglichkeit.<br />
Das einst so strahlende königliche Gefieder<br />
Als Monteverdis Ulisse ist der vielfach ausgezeichnete<br />
Tenor seit seinem großen Erfolg in<br />
Aix-en-Provence im Jahr 2000 international gefragt.<br />
Zuletzt gab er Ulisse am Grand Théâtre de<br />
Genève unter Attilio Cremonesi.<br />
Magnus Baldvinsson, seit 1999 fest im<br />
Ensemble der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong>, gab hier schon<br />
Monteverdis Caronte (L’Orfeo) und Plutone<br />
(Combattimenti). Zu seinen Partien 2006/07<br />
zählen u. a. Sarastro (Die Zauberflöte),<br />
Veit Pogner (Meistersinger), Ramphis (Aida,<br />
konzertant), Hermann (Tannhäuser) und<br />
Kezal (Die verkaufte Braut).<br />
Christian Dietz wurde von der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong><br />
bereits für Combattimenti, Mozarts La finta<br />
semplice und Cavallis Giasone im Bockenheimer<br />
Depot engagiert sowie für die Meistersinger<br />
im großen Haus. Der Tenor, der auch<br />
in Berlin, Wiesbaden, Karlsruhe, Dresden und<br />
Bayreuth gastiert, studiert in <strong>Frankfurt</strong> Historische<br />
Interpretationspraxis.<br />
Jenny Carlstedt war zuletzt im Bockenheimer<br />
Depot in La finta semplice zu hören und im<br />
großen Haus der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> als Cherubino<br />
in Le nozze di Figaro. Das Ensemblemitglied<br />
gastierte im vergangenen Jahr als Annio (La cle<br />
PREMIERE Il ritorno d’Ulisse in patria<br />
verklebt und modert. Die Hoffnung ist in diesem<br />
Moment längst zur Wahnvorstellung mutiert<br />
und jegliche Relation zur Tatsächlichkeit ist bis<br />
ins Unkenntliche verzerrt. Eine gedankliche und<br />
emotionale ölpest. Und würde der sehnlichst<br />
Erwartete erscheinen, sie könnte ihn nicht<br />
erkennen, es sei denn, er besäße die Möglichkeit<br />
radikal und mit Hochdruckreiniger alles hinwegzufegen.<br />
Doch was bleibt, ist das Gerippe einer<br />
Erinnerung und man wird noch Jahre später Teerflecken<br />
entdecken können.<br />
Christof Hetzer verbindet eine enge Kooperation<br />
mit David Hermann: Gemeinsam widmeten sie<br />
sich Birtwistles Punch and Judy sowie Busottis<br />
La Passion selon Sade in Bonn, Mozarts Ascanio<br />
in Alba in Mannheim und den ersten Teilen<br />
des Monteverdi-Zyklus im Bockenheimer Depot.<br />
2006/07 ist am Schauspiel Köln sein Bühnenbild<br />
zu Barnada Albas Haus (Federico García Lorca)<br />
in der Inszenierung von Hans Neuenfels zu<br />
sehen, mit dem er bereits im Mannheim<br />
zusammenarbeitete. Mit dem Regisseur Andreas<br />
Müller ist Christof Hetzer außerdem im Filmgeschäft<br />
aktiv.<br />
menza di Tito) in Wien und gab Dorabella (Così<br />
fan tutte) mit der Glyndebourne Touring <strong>Oper</strong>a.<br />
Die junge Sopranistin Anja Fidelia Ulrich gibt<br />
regelmäßig Liederabende und sammelte bereits<br />
Erfahrungen mit Werken Monteverdis. Zu ihrem<br />
Repertoire zählt auch Juno in Cavallis La Calisto.<br />
2006 gab sie Gianetta (L’elesir d’amore)<br />
in Nürnberg sowie die weibliche Hauptrolle in<br />
Bastien und Bastienne in Ludwigsburg.<br />
Ralf Simon sang im Bockenheimer Depot die<br />
Partie des Pastore in L’Orfeo. Der freischaffende<br />
Sänger war zu Ostern in der Tonhalle Zürich in<br />
Mendelssohn-Bartholdys Elias zu hören sowie<br />
im Mai in Händels Messias. <strong>Oper</strong>nengagements<br />
führten ihn z. B. nach Münster, Wiesbaden, Darmstadt,<br />
Kiel, Nürnberg, Dortmund und Salzburg.<br />
Der junge finnische Tenor Jussi Myllys erlebte<br />
seine erste Premiere an der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> mit<br />
Cavallis Giasone. Bereits zu Beginn seiner ersten<br />
Spielzeit feierte das neue Ensemblemitglied hier<br />
große Erfolge als Wenzel (Die verkaufte Braut)<br />
und Tamino (Die Zauberflöte), den er 2007 auch<br />
an der Semperoper Dresden verkörpert.<br />
Biografie von Paolo Carignani Seite 13,<br />
von Katharina Magiera Seite 8.<br />
+++OPER ExTRA zu Il ritorno d’Ulisse in patria am 17.6.2007, 11.00 Uhr, Bockenheimer Depot. Die <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> und der Patronatsverein laden<br />
ein: Die von den Produktionsdramaturgen zusammengestellte und moderierte Matinee stellt das Werk in seinen vielfältigen Bezügen dar. Diskutiert wird<br />
über Libretto, Komposition, Wirkungsgeschichte und ästhetischen Kontext. Solisten der Premiere vermitteln einen ersten musikalischen Eindruck.+++<br />
17
18<br />
WIEDERAUFNAHME<br />
JENUFA<br />
Hautnah menschlich und trotzdem überdimensional<br />
wIEdERAufnAhME <strong>Jenufa</strong> Leos˘ Janác˘ek<br />
Freitag, 20. April 2007<br />
Weitere Vorstellungen: 22., 29. April; 13. (18.00 Uhr), 19. Mai 2007<br />
In tschechischer Sprache mit deutschen Übertiteln<br />
<strong>Oper</strong> aus dem mährischen Bauernleben in drei Akten I nach dem Schauspiel<br />
Její pastorkyňa (Ihre Ziehtochter) von Gabriela Preissová<br />
Musikalische Leitung Christian Arming I Regie Tilman Knabe<br />
Szenische Leitung der Wiederaufnahme James McNamara I Bühnenbild Alfred Peter<br />
Kostüme Birgitta Lohrer-Horres I Dramaturgie Zsolt Horpácsy I Licht Joachim Klein<br />
Chor Alessandro Zuppardo<br />
Alte Buryja June Card I Laca Frank van Aken I Stewa Yves Saelens<br />
Küsterin Nadine Secunde I <strong>Jenufa</strong> Danielle Halbwachs I Altgesell Franz Mayer<br />
Dorfrichter Gérard Lavalle I Seine Frau Margit Neubauer I Karolka Stella Grigorian<br />
Magd Gunda Boote I Barena Birgit Treschau I Jano, ein Junge Anna Ryberg<br />
enufa wirkte äußerst irritierend auf die Zeit-<br />
Jgenossen Leos˘ Janác˘eks. Allzu ungewohnt<br />
klang in ihren Ohren der Wirklichkeitsbezug<br />
dieser auf einem naturalistischen Schauspiel<br />
basierenden »<strong>Oper</strong> aus dem mährischen Bau-<br />
ernleben«, die ohne die herkömmlichen Folk-<br />
lorismen auskommt. »Auf der Bühne«, so<br />
Janác˘eks Erkenntnis, »gibt es nicht immer das<br />
beste Wort, dessen wir bedürfen, um uns<br />
auszudrücken; wir brauchen ein alltägliches<br />
Wort, sein melodisches, dem Leben entnom-<br />
menes Gefälle«. Sein Ziel bestand darin, die<br />
Lebensnähe der Figuren in <strong>Jenufa</strong> musikalisch<br />
zu speisen aus einer Orientierung der Kompo-<br />
sition an natürlichen Sprachmelodien. Aus-<br />
gerechnet jene Eigenarten, die heute als<br />
besonderer Reiz der Partitur gelten, wurden<br />
zu Lebzeiten Janác˘eks zum Anlass genommen,<br />
ihn der Unfähigkeit zu bezichtigen. Unzählige<br />
Überarbeitungen der <strong>Jenufa</strong> durch den verun-<br />
sicherten Komponisten waren die Folge und<br />
machen letztlich eine vollständige Rekons-<br />
truktion der ersten Fassung unmöglich. An der<br />
<strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> wird daher die Brünner Fassung<br />
von 1908 gegeben.<br />
Die Inszenierung (Regie: Tilman Knabe,<br />
Bühnenbild: Alfred Peter) fokussiert gleichsam<br />
filmisch die Einzelschicksale des Dramas: Ein<br />
»Zoom-Effekt« (Michael Dellith, <strong>Frankfurt</strong>er<br />
Neue Presse) »visualisiert kongenial die innere<br />
Dramatik des Stücks und zeigt die handelnden<br />
Personen als Gefangene ihrer eigenen<br />
Wirklichkeit«.<br />
Dass ihr mit der Küsterin in <strong>Jenufa</strong> eine<br />
»Traum-Partie« angeboten worden war, stand<br />
für die Sängerin Nadine Secunde schon vor<br />
Beginn der Proben zu der <strong>Frankfurt</strong>er Neu-<br />
inszenierung von 2005 fest: »… hautnah<br />
menschlich und trotzdem überdimensional,<br />
rührend und schrecklich zugleich«, lautete ihre<br />
Einschätzung. Die Anforderungen an die Inter-<br />
pretin sind komplex: Die Küsterin besitzt eine<br />
starke Persönlichkeit mit widersprüchlichen<br />
Charakterzügen. Einerseits fürchtet sie um<br />
die moralische Ordnung im Dorf, andererseits<br />
versucht sie diese durch die denkbar größte<br />
Sünde zu retten – einen Mord. Nadine<br />
Secunde reüssierte mit ihrer Interpretation,<br />
der Funke sprang über: »Gemütserschütternd<br />
und in ihrer nahezu sich selbst verzehrenden<br />
vokalen und seelischen Identifizierung<br />
mitreißend«, urteilte Michael Trautwein im<br />
Gießener Anzeiger. Auch diese Saison wird<br />
Nadine Secunde an der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> als<br />
Handlung <strong>Jenufa</strong><br />
Ein Dorf in Mähren. <strong>Jenufa</strong> hofft auf eine baldige Hochzeit mit<br />
ihrem Geliebten Stewa Buryja, von dem sie ein Kind erwartet.<br />
Stewa lässt sich zwar ausmustern, doch <strong>Jenufa</strong>s Stiefmutter,<br />
die Küsterin, misstraut ihm. Sie verfügt, dass die Hochzeit um<br />
ein Jahr verschoben wird. Stewas Halbbruder Laca verunstaltet<br />
<strong>Jenufa</strong>, um die er erfolglos wirbt, mit einem Messer das Gesicht.<br />
– Von der Stiefmutter versteckt, hat <strong>Jenufa</strong> ihr Kind geboren.<br />
Stewa distanziert sich von <strong>Jenufa</strong>. Nun bietet die Küsterin Laca<br />
die Hand ihrer Ziehtochter an. Weil er wegen des Kindes zögert,<br />
behauptet die Küsterin, es sei gestorben. Sie schickt ihn fort und<br />
ertränkt das Kind. <strong>Jenufa</strong> willigt ein, Laca zu heiraten. – Während<br />
der Hochzeitsvorbereitungen findet man das tote Kind unter<br />
dem Eis. Als <strong>Jenufa</strong> des Mordes beschuldigt wird, bekennt sich<br />
die Küsterin zu der Tat. Sie habe <strong>Jenufa</strong>s Zukunft retten wollen.<br />
<strong>Jenufa</strong> vergibt ihr und bleibt mit Laca zurück.<br />
Küsterin zu erleben sein. Neu besetzt ist in<br />
der Wiederaufnahme die Titelpartie: Gespannt<br />
dürfen wir sein auf die <strong>Jenufa</strong> von Danielle<br />
Halbwachs, die 2005/06 als Lisa in Tschai-<br />
kowskis Pique Dame ihr Hausdebüt meisterte.<br />
»Kraftvoll lyrisch«, lobte Hans-Klaus Jungheinrich<br />
(<strong>Frankfurt</strong>er Rundschau) damals den neuen<br />
Sopran im Ensemble der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong>,<br />
»anrührend und durchwärmt mit einer<br />
biegsamen, fein nuancierten und exzellent<br />
fokussierten Diktion«. 2007 gab sie mit<br />
»Wärme und Glut« (Deutschlandfunk) Elisa-<br />
beth in Tannhäuser. An ihrer Seite agiert<br />
– gleichfalls neu im Ensemble – Frank van<br />
Aken, der zuletzt im Januar an der Staatsoper<br />
Stuttgart einen »stimmlich exzellenten« und<br />
»in seiner Vielschichtigkeit packenden Laca«<br />
(Marianne Zelger-Vogt, Neue Zürcher Zeitung)<br />
zu Gehör brachte. An der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong><br />
betritt er diese Saison auch als Interpret der<br />
Titelpartie im neuinszenierten Tannhäuser<br />
sowie als Hermann in Pique Dame die Bühne.<br />
} Agnes Eggers
LA TRAVIATA<br />
Was wäre das heute für eine Frau?<br />
wIEdERAufnAhME La Traviata von Giuseppe Verdi<br />
Samstag, 28. April 2007<br />
Weitere Vorstellungen: 1., 5., 12., 17., 26. Mai 2007<br />
In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln<br />
<strong>Oper</strong> in drei Akten I Libretto von Francesco Maria Piave nach dem Drama<br />
La dame aux camélias von Alexandre Dumas d.J.<br />
Musikalische Leitung Pier Giorgio Morandi I Regie Axel Corti<br />
Szenische Leitung der Wiederaufnahme Ludivine Petit<br />
Bühnenbild Bert Kistner I Kostüme Gaby Frey<br />
Dramaturgie Urs Leicht I Licht Olaf Winter<br />
Chor Alessandro Zuppardo I Choreografie David Kern<br />
Violetta Valéry Svetlana Doneva / Juanita Lascarro I Flora Bervoix Annette Stricker<br />
Annina Michaela Friedrich I Alfredo Germont Andrej Dunaev I Giorgio Germont Gabriele Viviani<br />
Gastone Michael McCown / Peter Marsh I Barone Douphol Franz Mayer<br />
Marchese d’Obigny Gérard Lavalle I Dottore Grenvil Soon-Won Kang<br />
as wäre das heute für eine Frau, die<br />
WVioletta heißen könnte …, eine Künstlerin?<br />
Die zu leben verstünde nach außen …<br />
eine Schauspielerin, eine Sängerin, ein<br />
Filmstar?«<br />
Lange dachte der geniale Regisseur Axel<br />
Corti hierüber nach. Schließlich fand er eine<br />
Lösung, die das Publikum so begeisterte,<br />
dass seine Arbeit zur erfolgreichsten Pro-<br />
duktion der letzten sechzehn Jahre geriet.<br />
Violetta Valéry ist in der <strong>Frankfurt</strong>er Inszenie-<br />
rung eine verfolgte und Widerstand leistende<br />
Jüdin im von der deutschen Wehrmacht<br />
besetzten Paris der 1940er Jahre.<br />
Für Corti, der sich in seinen Filmen<br />
immer wieder mit dem Faschismus ausein-<br />
andersetzte und wiederholt das Schicksal von<br />
Emigranten darstellte, stand Verdis 1853 in<br />
Venedig uraufgeführte <strong>Oper</strong> La Traviata von<br />
Anfang an nicht im luftleeren Raum einer<br />
– nur vage ausgeleuchteten – mondänen Ver-<br />
gnügungsgesellschaft. Seine Inszenierung<br />
transportiert Francesco Maria Piaves Melo-<br />
dramma, dessen Text auf der Kameliendame<br />
von Alexandre Dumas beruht, in die von der<br />
Hitler-Armee heimgesuchte Stadt. Auch<br />
bei Corti erscheint Violetta Valéry als Opfer<br />
ihrer immer gnadenloser werdenden Krank-<br />
heit. Aber zugleich erweitert er die Charakte-<br />
ristik der Hauptfigur radikal. Denn La Traviata<br />
befindet sich hier nicht nur im Spannungsfeld<br />
von zu wahrendem Schein und individueller<br />
Tragödie. Corti stellt die Protagonistin zugleich<br />
mitten in das dramatische Zentrum einer po-<br />
larisierten Gesellschaft: Mitläufer, Profiteure,<br />
Kollaborateure auf der einen Seite, Nonkon-<br />
formisten, Widerständler und Saboteure auf<br />
der anderen Seite – eine typische Situation in<br />
den schwierigen Jahren der Besetzung.<br />
Opfer der Barbarei jener Zeit wird die<br />
– als Figur des 20. Jahrhunderts von jeder<br />
morbiden Romantik, auch von den Kamelien<br />
befreite – Edelprostituierte, die an galoppie-<br />
render Schwindsucht leidet. Und damit wird<br />
ihr neben dem Schicksal einer tödlich aus-<br />
gehenden Krankheit auch noch das Joch<br />
fehlender Artgenossenschaft aufgebürdet.<br />
Violetta, die auf diese Weise doppelt<br />
stigmatisiert erscheint, kämpft in dieser<br />
Inszenierung genauso mutig gegen ihre zu-<br />
nehmende Schwäche wie gegen den ständig<br />
zunehmenden Druck von Wehrmacht und<br />
Geheimpolizei. Schauplatz im dritten, un-<br />
geheuer wirkungsvollen Akt ist ein Bahnhof,<br />
Handlung La Traviata<br />
der wohl signifikanteste Ort einer Epoche,<br />
in der Flucht und Vertreibung, Überwachung<br />
und Deportation zum Alltag geriet.<br />
Svetlana Doneva, die bulgarische Sopra-<br />
nistin, die das <strong>Frankfurt</strong>er Publikum bereits<br />
als moderne Violetta verzauberte, wird auch<br />
in dieser Serie einige Vorstellungen singen.<br />
Wir freuen uns in der gleichen Partie auf<br />
Juanita Lascarro, die – ebenso gefeiert –<br />
die Violetta zuletzt in ihrer kolumbianischen<br />
Heimatstadt gab. Als Vater Germont ist erst-<br />
mals in <strong>Frankfurt</strong> – der italienische Bariton<br />
Gabriele Viviani, als Alfredo der russische<br />
Tenor Andrej Dunaev zu erleben, den die<br />
<strong>Frankfurt</strong>er aus Gounods Faust (Titelpartie)<br />
und als Rodolfo in Puccinis La Bohème<br />
kennengelernt haben.<br />
WIEDERAUFNAHME<br />
Alfredo Germont wird auf einem Fest der Kurtisane Violetta Valéry<br />
vorgestellt. Ein Schwächeanfall zwingt Violetta, in einem Nebenraum<br />
zurückzubleiben, wo Alfredo ihr seine Liebe eingesteht. Vergeblich<br />
versucht sie später ihre aufkeimenden Gefühle für Alfredo zu unterdrücken<br />
– sie beendet ihr bewegtes Leben und zieht sich mit ihm<br />
in die Einsamkeit des Landlebens zurück. In Abwesenheit Alfredos<br />
kommt dessen Vater zu Besuch und fordert von Violetta, auf seinem<br />
Sohn zu verzichten, um seiner Tochter eine standesgemäße Ehe zu<br />
ermöglichen. Da Violetta das Lebensglück einer anderen nicht zerstören<br />
will, willigt sie ein. Alfredo folgt ihr nach Paris in den Salon<br />
Floras, wo Violetta am Arm ihres früheren Geliebten Baron Douphol<br />
erscheint. Violetta gibt vor, den Baron zu lieben, und Alfredo wirft ihr<br />
in kalter Wut ein Bündel Geldscheine vor die Füße. Bald haben die Aufregungen<br />
Violettas Kräfte aufgezehrt. Alfredo kehrt zurück. Er kennt<br />
nun durch seinen Vater den wahren Sachverhalt und bittet Violetta<br />
um Verzeihung. Ihr Lebenslicht flackert noch einmal auf, dann stirbt<br />
sie in seinen Armen.<br />
} Norbert Abels<br />
19
20<br />
WIEDERAUFNAHME<br />
ARIODANTE<br />
Achim Freyers »kunstvoll künstliche Choreografie der Leidenschaften«<br />
wIEdERAufnAhME Ariodante Georg Friedrich Händel<br />
Freitag, 25. Mai 2007<br />
Weitere Vorstellungen: 28. Mai; 3. (15.30 Uhr), 7. Juni 2007<br />
In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln<br />
Dramma per musica in drei Akten<br />
Text nach dem Libretto (Ginevra, Principessa di Scozia) von Antonio Salvi<br />
Musikalische Leitung Felice Venanzoni I Regie Achim Freyer / Friederike Rinne-Wolf<br />
Szenische Leitung der Wiederaufnahme James McNamara<br />
Bühnenbild Claudia Doderer / Achim Freyer I Kostüme und Figurenentwürfe Amanda Freyer<br />
Dramaturgie Zsolt Horpácsy I Licht Achim Freyer I Chor Alessandro Zuppardo<br />
Ariodante Nino Surguladze I Polinesso Daniela Pini<br />
König Soon-Won Kang I Ginevra Svetlana Doneva<br />
Lurcanio Nicholas Phan I Dalinda Britta Stallmeister<br />
Odoardo Jussi Myllys<br />
eine andere Epoche hat sich in vergleich-<br />
Kibarem Maße dem Spiel mit Schein<br />
und Sein gewidmet wie das Barockzeitalter.<br />
In Händels Ariodante, einer der wichtigsten<br />
<strong>Oper</strong>n des Barock, geht es um Irrungen und<br />
Wirrungen der Liebe, um Treue und Verrat,<br />
echte Gefühle und vorgegaukelten Betrug.<br />
Maskeraden und Inszenierungen kommen auf<br />
allen Ebenen zum Einsatz: Die Bühnenfiguren<br />
spielen nicht nur dem <strong>Oper</strong>npublikum,<br />
sondern auch einander etwas vor. Mal heiter,<br />
mal albtraumhaft reflektieren »die Bretter,<br />
die die Welt bedeuten«, die Theatralität des<br />
Lebens. Auch musikalisch präsentiert sich<br />
Händels 33.<strong>Oper</strong> vielgestaltig: Spielerisch<br />
weicht der Komponist die starren Formen<br />
der <strong>Oper</strong>a seria auf zugunsten einer einfalls-<br />
reichen Darstellung der inneren Entwicklung<br />
der Figuren in Arien-Ketten. Lieber lässt<br />
Händel überraschend ein da capo wegfallen,<br />
wenn es der Logik der Situation entspricht,<br />
als die Dramaturgie der Ereignisse den<br />
gattungsspezifischen Konventionen unter-<br />
zuordnen. Ballettnummern kommen in<br />
Ariodante so wie in der französischen<br />
<strong>Oper</strong> zum Einsatz: nicht als Zwischenspiele<br />
mit dem simplen Zweck, das Publikum zu<br />
zerstreuen, sondern als in die Handlung<br />
integrierte Tanzeinlagen.<br />
Achim Freyer lässt in der <strong>Frankfurt</strong>er<br />
Erfolgsinszenierung von Ariodante Puppen-<br />
beine tanzen: In Zwitterwesen, halb Mensch,<br />
halb Puppe, nimmt die Vermischung von<br />
Theater und Wirklichkeit Gestalt an. Gleich-<br />
wohl besteht der Regisseur darauf, dass das<br />
Theater eine Gegenwelt generieren sollte.<br />
Denn: »Aktualisierungen interessieren mich<br />
nicht«, äußerte er anlässlich der Premiere<br />
2004 gegenüber der <strong>Frankfurt</strong>er Rundschau.<br />
»Das Theater kann sich nicht damit begnügen,<br />
den gegenwärtigen Zustand zu verdoppeln,<br />
sondern muss einen Schritt weitergehen.<br />
Wir müssen die Utopie, den Traum wagen.«<br />
Als »großartiges Experiment« beurteilte die<br />
Stuttgarter Zeitung die Regiearbeit. Und in der<br />
FAZ war zu lesen: »Vier Stunden Barockoper<br />
als kunstvoll künstliche Choreographie der<br />
Leidenschaften … Einen vitaleren und packen-<br />
deren Händel hat man kaum je gesehen.«<br />
Die musikalische Leitung der Wiederauf-<br />
nahme übernimmt Felice Venanzoni, Studien-<br />
leiter der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong>, der hier zuletzt<br />
erfolgreich Händels Agrippina dirigierte und<br />
diese Saison auch bei Monteverdis Il ritorno<br />
Handlung Ariodante<br />
Ginevra, die Tochter des Königs von Schottland und Verlobte des<br />
Ritters Ariodante, wird von dem abgewiesenen Herzog Polinesso<br />
der Untreue verdächtigt. Er überredet Ginevras Freundin Dalinda,<br />
die in ihn verliebt ist, ihm in Ginevras Kleid nachts die Tür ihrer<br />
Kammer zu öffnen. Ariodante, der die Szene beobachtet, ist ver-<br />
zweifelt über die Treulosigkeit seiner Braut und flieht. Sein Bruder<br />
Lurcanio berichtet, dass er sich ins Meer gestürzt habe. Der König<br />
ruft zum Gottesgericht, um die Unschuld seiner Tochter zu be-<br />
weisen: Im Kampf wird Polinesso von Lurcanio tödlich verwundet.<br />
Ariodante, dem Dalinda den Betrug inzwischen gestanden hat,<br />
kehrt zurück. Der sterbende Polinesso gesteht seine Schandtat<br />
und die Liebenden, Ginevra und Ariondante, finden wieder zu-<br />
sammen.<br />
d’Ulisse in patria am Pult steht. Vielverspre-<br />
chend ist die Neubesetzung der ursprünglich<br />
für einen berühmten Kastraten komponierten<br />
Titelpartie, deren Koloraturen höchste Ge-<br />
läufigkeit fordern, mit der Mezzosopranistin<br />
Nino Surguladze. Die Georgierin arbeitete<br />
mit Künstlern wie Riccardo Muti und Mstislav<br />
Rostropovitch an der Mailänder Scala<br />
zusammen und war an der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong><br />
bereits als Polinesso in Ariodante zu erleben.<br />
Letztere Partie wird von der ebenfalls welt-<br />
weit gefragten Daniela Pini interpretiert. Als<br />
Angelina in La Cenerentola bezauberte sie<br />
Ende 2006 das <strong>Frankfurt</strong>er Publikum. Her-<br />
vorragend besetzt sind auch die weiteren<br />
Rollen, wobei neben den Ensemblemitglie-<br />
dern Soon-Won Kang und Britta Stallmeister,<br />
die sich als König und Dalinda bereits be-<br />
währt haben, auf Svetlana Doneva als Ginevra<br />
hingewiesen sei. Sie singt an der <strong>Oper</strong><br />
<strong>Frankfurt</strong> diese Spielzeit auch Violetta in der<br />
Wiederaufnahme von La Traviata.<br />
} Agnes Eggers
DEATH IN VENICE<br />
Die Tiefe an der Oberfläche<br />
wIEdERAufnAhME Death in Venice (Tod in Venedig) Benjamin Britten<br />
Samstag, 2. Juni 2007<br />
Weitere Vorstellungen: 16., 21., 23. Juni, 4., 7. Juli 2007 (Beginn jeweils 19.00 Uhr)<br />
In englischer Sprache mit deutschen Übertiteln<br />
<strong>Oper</strong> in zwei Akten I Text von Myfanwy Piper nach Thomas Manns Novelle Der Tod in Venedig<br />
Musikalische Leitung Mark Shanahan I Regie Keith Warner<br />
Szenische Leitung der Wiederaufnahme Katharina Thoma I Bühnenbild Boris Kudlic˘ka<br />
Kostüme Kaspar Glarner I Dramaturgie Norbert Abels I Licht Davy Cunningham<br />
Video-Design Thomas Wollenberger I Chor Alessandro Zuppardo<br />
Aschenbach Nigel Robson I Traveller Nathaniel Webster I Apollo Steve Wächter<br />
Tadzio Laurenz Johannis Leky sowie Barbara Zechmeister, Alketa Hoxha,<br />
Christiane Maria Waschk, Claudia Grunwald, Annette Stricker, Margit Neubauer,<br />
Fernando Dam Wang, Michael McCown, Kent Carlson, Hans-Jürgen Lazar, Florian Plock,<br />
Franz Mayer, Gérard Lavalle, Soon-Won Kang<br />
Mit freundlicher Unterstützung des <strong>Frankfurt</strong>er Patronatsvereins – Sektion <strong>Oper</strong><br />
Einhellige Begeisterung erntete Regisseur<br />
Keith Warner für seine zum Seelendrama<br />
geratene Inszenierung, der es brillant gelang,<br />
die Tiefe an der Oberfläche zu verstecken,<br />
die »Geschichte eines alten Mannes und<br />
eines Jungen als Erzählung des Kampfes<br />
Apollos gegen Dionysos und der sich wider-<br />
sprechenden Triebe des Lebens« (Financial<br />
Times Europe) transparent werden zu lassen.<br />
Death in Venice ist die letzte <strong>Oper</strong><br />
Benjamin Brittens. Während eines vorausge-<br />
gangenen Deutschlandbesuches hatte Britten<br />
mit seinem alten Bekannten Golo Mann über<br />
das geplante Werk gesprochen. Dieser verriet<br />
ihm, dass sein Vater ihn als idealen Kompo-<br />
nisten für eine Filmmusik seines Tonsetzer-<br />
romans Doktor Faustus bezeichnet habe.<br />
Gerade eben war Lucchino Visconti dabei, die<br />
Novelle zu verfilmen, was Britten indessen<br />
nicht mehr von seinem Plan abbringen<br />
konnte: »nichts kann schlimm genug sein,<br />
uns dabei aufzuhalten, das alles in Angriff<br />
zu nehmen«. Britten, schwerkrank, wusste,<br />
dass es sein letztes Musikdrama sein würde.<br />
Gezeichnet von seiner unheilbaren<br />
Herzerkrankung, gefesselt an den Rollstuhl,<br />
den der Freund Pears ihm ans Fenster schob,<br />
damit er den Anblick der Lagunenstadt<br />
genießen konnte, entstanden große Teile<br />
von Brittens letzter <strong>Oper</strong> an deren Schau-<br />
platz selbst. Der Komponist, immer schon<br />
glühender Verehrer von Thomas Manns<br />
gleichnamiger Novelle, lässt seinen Helden,<br />
den deutschen Schriftsteller Gustav von<br />
Aschenbach, zu Beginn des Werkes eine<br />
die vollständig chromatische Skala durch-<br />
laufende, aufwärts führende Melodie singen,<br />
die keinen Abschluss, kein Ende zu kennen<br />
scheint und irgendwo im leeren Raum ver-<br />
schwindet. Damit ist, von Flöte und Oboe<br />
geleitet, die nun anhebende, 17 Szenen<br />
umfassende Handlung vorweggenommen.<br />
Mit dem ersten Satz »My mind beats on«<br />
scheint wie in einem Stundglas die noch<br />
verbleibende Lebenszeit des Dichters in der<br />
von der Cholera heimgesuchten Touristen-<br />
metropole allmählich zu verrinnen. Die immer<br />
vom gleichen Sänger in unterschiedlichen<br />
Metamorphosen auftretenden Todesboten,<br />
allesamt dionysischen Gefilden entstam-<br />
mend, geleiten den Helden auf seinem<br />
Weg der Auflösung in der »La Serenissima«<br />
genannten Stadt, der unumkehrbar wird,<br />
spätestens nach dem Anblick des an die<br />
Die siebzehn Szenen der <strong>Oper</strong> spielen in München und Venedig,<br />
um 1910. Eine künstlerische Krise bestärkt den Dichter Gustav von<br />
Aschenbach, eine Reise an die Adria zu unternehmen. Bereits auf<br />
dem Dampfer nach Venedig, »La Serenissima« geheißen, wird er<br />
mit einem alten Gecken konfrontiert, der sich als Jüngling präsen-<br />
tiert. In immer neuer Maskerade tauchen – von einem einzigen<br />
Bassbariton gesungen – solche dionysischen, zum Rausch verfüh-<br />
renden Figuren auf. Unter den Hotelgästen erblickt der Dichter das<br />
apollinische Gegenbild hierzu: den polnischen Knaben Tadzio. Un-<br />
rettbar verliebt er sich in ihn, verfolgt ihn durch das Kanallabyrinth.<br />
Warnungen vor der Cholera ignoriert er. Künstlich versucht er nun<br />
selbst, sich für den Knaben zu verjüngen. Versunken in dessen An-<br />
blick stirbt er am Meeresstrand.<br />
apollinische Schönheit erinnernden zwölf-<br />
jährigen polnischen Knaben Tadzio. In ihn,<br />
ebenso stummer Abgesandter der ewigen<br />
Nacht wie Grenzgänger zwischen Eros und<br />
Thanatos, verliebt sich Aschenbach rettungs-<br />
los: Ein nur von Percussionsinstrumenten<br />
gespieltes Motiv als musikalisches Konterfei<br />
der betörenden Schönheit offenbart den<br />
archaisch-kultischen Opferritus, den Weg ins<br />
Totenreich, versteckt unter der Oberfläche<br />
einer zur Erholung angetretenen Reise ans<br />
Mittelmeer.<br />
Brittens eigene noch verbliebene Lebens-<br />
zeit stand nach der Vollendung des Werkes<br />
unter dem Zeichen des Todes.<br />
In der Wiederaufnahme werden die zwei<br />
Hauptfiguren neu besetzt. Nigel Robson, der<br />
mit großem Erfolg viele der großen Britten-<br />
partien, darunter auch Aschenbach (Teatro<br />
Colon in Buenos Aires) gesungen hat, wird<br />
flankiert von unserem Bariton Nathaniel<br />
Webster, der die verschiedenen Verwand-<br />
lungen des dämonischen Reisenden gestalten<br />
wird.<br />
WIEDERAUFNAHME<br />
Handlung Death in Venice (Tod in Venedig)<br />
} Norbert Abels<br />
21
22<br />
LIEDERABEND<br />
EINE NEUE STIMMGATTUNG<br />
Bejun Mehta – vom Knabensopran zum Countertenor<br />
lIEdERAbEnd<br />
Bejun Mehta Countertenor<br />
Kevin Murphy Klavier<br />
Dienstag, 3. April 2007<br />
um 20.00 Uhr im <strong>Oper</strong>nhaus<br />
Lieder von Mozart, Schubert, Wolf, Williams, Quilter und Finzi<br />
Mit freundlicher Unterstützung der<br />
Mercedes-Benz Niederlassung <strong>Frankfurt</strong>/Offenbach<br />
Als am 21. April 1922 mit Alessandro<br />
iMoreschi der letzte Kastrat starb, musste<br />
es scheinen, als sei eine Ära der Gesangs-<br />
kunst unwiederbringlich untergegangen. End-<br />
gültig waren jene <strong>Oper</strong>ationen aus der Welt,<br />
die aus sängerisch begabten Jungen irrever-<br />
sible Zwitterwesen machten – nur aus dem<br />
Kalkül heraus, aus ihnen könnte vielleicht ein<br />
Gesangsstar werden. Die für ihre ätherische<br />
Vokalistik geschriebenen Werke jedoch<br />
mussten, um nicht zu verwaisen, von<br />
anderen Stimmen adoptiert werden, seien<br />
es Mezzosoprane oder, nach unten oktaviert,<br />
Tenöre. Das waren künstlerische Kompro-<br />
misse, die zwar selbst in der historischen<br />
Aufführungspraxis ihre Vorbilder hatten<br />
(man denke an Glucks Pariser Version von<br />
Orfeo ed Euridice, die einen hohen Tenor<br />
anstelle des Kastraten setzte), aber doch um<br />
einiges vom ursprünglichen Klangideal<br />
abwichen – soweit wir das heute beurteilen<br />
können; die einzigen erhaltenen Soloauf-<br />
nahmen eines Kastraten stammen eben von<br />
dem letzten, Moreschi.<br />
Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahr-<br />
hunderts, teils von England ausgehend<br />
(mit Alfred Deller als Vorreiter), setzten sich,<br />
anfangs als befremdlich belächelt, zuneh-<br />
mend die Möglichkeiten einer Countertenor-<br />
Stimme durch. In Deutschland war es<br />
vor allem Jochen Kowalski, der – in seiner<br />
Mischung aus maskulinem Aussehen,<br />
ausdrucksstarker Darstellung und einer<br />
frappierend sinnlichen, sich im Gebrauch des<br />
Vibratos weit von der aseptischen Säuselei<br />
mancher Alte-Musik-Protagonisten ent-<br />
fernenden Stimme – einen großen Kreis<br />
an <strong>Oper</strong>nliebhabern für diese »neue« Stimm-<br />
gattung begeisterte. Kowalski wagte sich<br />
auch als einer der Ersten an Musik, die gar<br />
nicht für Kastraten oder Alti komponiert war:<br />
bis hin zu Schubert-Liederzyklen wie der<br />
Schönen Müllerin.<br />
Der junge Amerikaner Bejun Mehta,<br />
dessen Laufbahn als Knabensopran begann,<br />
startete seine Erfolgsserie 1998 als Ein-<br />
springer in New york – und tritt seitdem<br />
auf den bedeutendsten Bühnen und Festivals<br />
der Welt auf, ob sie nun in London oder<br />
Los Angeles stehen, Met oder Salzburger<br />
Festspiele heißen. Die große Überraschung<br />
aber, die er zu seinem Liederabend nach<br />
<strong>Frankfurt</strong> bringt, ist die Auswahl der Werke.<br />
Denn das Programm könnte für einen<br />
Sopran wie maßgeschneidert sein: mit Liedern<br />
von Mozart, Schubert und Wolf sowie angel-<br />
sächsischen Trouvaillen von Ralph Vaughan<br />
Williams, Gerald Finzi und dem kostbaren<br />
Roger Quilter. Gemeinsam mit Kevin Murphy<br />
am Klavier wird Bejun Mehta diesen Liedern,<br />
vom »Veilchen« über das »Heidenröslein«<br />
bis zum »Musensohn« und »Der Tod und das<br />
Mädchen«, vom Italienischen Liederbuch<br />
bis zu Shakespeare-Vertonungen und Thomas-<br />
Hardy-Gedichten, ein ganz neues, ungeahntes<br />
Leben einhauchen. Dass Bejun Mehta, wie<br />
die New York Times schreibt, »schon seit<br />
einigen Jahren als Sensation bekannt ist«,<br />
wird nun hier zu entdecken sein, und<br />
vielleicht findet auch das <strong>Frankfurt</strong>er Publikum,<br />
was der britische Guardian kürzlich seinen<br />
Lesern prophezeite: »Mehta – mit seiner<br />
unirdischen Stimme, die sinnlich ist und<br />
immer ein tiefes Wissen unter der Ober-<br />
flächenschönheit mitschwingen lässt – gibt<br />
eine der wunderbarsten Vorstellungen, die<br />
Sie je gehört haben.«<br />
} Malte Krasting
NACH UNTEN IMMER TIEFER<br />
Winterreise zum Sommerbeginn<br />
lIEdERAbEnd<br />
Jan-Hendrik Rootering Bass<br />
Neville Dove Klavier<br />
Dienstag, 26. Juni 2007<br />
um 20.00 Uhr im <strong>Oper</strong>nhaus<br />
Winterreise D. 911 / op. 89<br />
von Franz Schubert<br />
Mit freundlicher Unterstützung der<br />
Mercedes-Benz Niederlassung <strong>Frankfurt</strong>/Offenbach<br />
Ich werde euch einen Zyklus schauerlicher<br />
Lieder vorsingen. Ich bin begierig zu sehen,<br />
was ihr dazu sagt. Sie haben mich mehr ange-<br />
griffen, als dies bei anderen Liedern der Fall<br />
war. Mir gefallen diese Lieder mehr als alle,<br />
und sie werden euch auch noch gefallen.«<br />
Schuberts Prophezeiung ist nicht durch seine<br />
eigene Handschrift überliefert, aber darum<br />
kaum weniger authentisch: Josef von Spaun,<br />
einer der engsten Freunde des Komponisten,<br />
hat sie in seinen Erinnerungen festgehalten.<br />
Und so unwahrscheinlich die Aussage damals<br />
gewirkt haben muss, so gründlich ist sie in<br />
Erfüllung gegangen: Die beklemmendsten<br />
und unheimlichsten Lieder, die Schubert je<br />
geschaffen hat, gehören seit langem zu<br />
denen, die am häufigsten aufgeführt werden.<br />
Schubert hatte die Gedichte schon kurz<br />
nach ihrer Veröffentlichung kennengelernt:<br />
1824 waren sie erstmals komplett in der<br />
Sammlung Gedichte aus den hinterlassenen<br />
Papieren eines reisenden Waldhornisten.<br />
Zweites Bändchen. Lieder des Lebens und<br />
der Liebe von Wilhelm Müller erschienen. In<br />
dessen Todesjahr 1827 entdeckte Schubert<br />
im Februar zunächst zwölf dieser Lieder in<br />
einem literarischen Almanach und vertonte<br />
sie umgehend, und im September stieß er auf<br />
die übrigen, die er sofort ebenfalls in Töne<br />
setzte. »Offenbar«, meinte der Schubert-Kenner<br />
Alan Blyth, »konnte er die Einsamkeit des Anti-<br />
Helden des Zyklus’ nachvollziehen, der bis zum<br />
Leiermann im letzten Lied keine einzige<br />
lebende Seele antrifft.«<br />
Die Lieder der Winterreise sind für hohe<br />
Stimme komponiert. Das hat Sänger, die in<br />
anderen Stimmlagen beheimatet sind, natürlich<br />
nicht davon abgehalten, sich diese vokale<br />
Wanderung zu eigen zu machen. Schon die<br />
allererste Aufführung überhaupt gestaltete<br />
Schubert mit dem ihm befreundeten Johann<br />
Michael Vogl, einem hohen Bariton; ein anderer<br />
Bariton – Dietrich Fischer-Dieskau – hat<br />
sich sein ganzes Künstlerleben lang mit den<br />
zweimal zwölf Liedern auseinandergesetzt;<br />
selbst einen Geschlechterwechsel haben sie<br />
mehr als nur überstanden: Die Interpretationen<br />
von Sängerinnen wie Elena Gerhardt und Lotte<br />
Lehmann, Brigitte Fassbaender und Christa<br />
Ludwig zählen zu den Meilensteinen in der<br />
Rezeptionsgeschichte.<br />
Eine Transposition von Tenor- zur Basslage<br />
ist dennoch natürlich ein gewaltiger Schritt –<br />
teilweise sind die Lieder eine große Terz tiefer<br />
LIEDERABEND<br />
zu singen als im Original. Die Auswirkungen<br />
bilden auch für die Pianisten eine große Her-<br />
ausforderung: Eng liegende Akkorde und Inter-<br />
valle in tiefer Lage sind – insbesondere auf<br />
modernen Konzertflügeln – schwieriger durch-<br />
sichtig zu gestalten als in der originalen Tonart.<br />
Aber es ist eine Herausforderung von allergröß-<br />
tem Reiz: Die düstere Grundstimmung passt zu<br />
der ausweglosen Atmosphäre der Texte, und<br />
die dunkle Färbung, die man als Hörer mit den<br />
langsamer schwingenden Frequenzen verbin-<br />
det, verleiht dem todessehnsüchtigen Reigen<br />
eine im Wortsinne noch tiefer greifende Wirkung.<br />
Jan-Hendirk Rootering ist als erfahrener Sänger<br />
– regelmäßig in den Musikmetropolen der Welt<br />
zu Gast. Gerade hat er als Captain Balstrode<br />
(Peter Grimes) an der Dresdner Semperoper<br />
einen neuen Charakter seinem umfangreichen<br />
Repertoire hinzugefügt – und er vermag es, mit<br />
seinem Bass Geschichten zu erzählen, sei es<br />
auf der <strong>Oper</strong>nbühne, im Konzertsaal oder in<br />
der intimen Form des Liedes; mithin ist er prä-<br />
destiniert, Schuberts 24 »schauerliche Lieder«<br />
zu einem Erlebnis zu gestalten, das lange nach-<br />
klingen wird.<br />
} Malte Krasting<br />
23
24<br />
SPOT<br />
Graf Almaviva ist ein typischer Fürst des<br />
Absolutismus. Er ist es gewohnt, dass ihm alle<br />
Untertanen widerspruchslos gehorchen. Ein<br />
bisschen eitel ist er auch, weshalb er von<br />
einem heimlichen Abenteuer mit der Zofe<br />
Susanna träumt. Und das, obwohl er mit einer<br />
jungen und schönen Frau, der Gräfin, ver-<br />
heiratet ist. Kaum zu glauben, denn um die<br />
Gräfin hat der Graf vor nicht allzu langer<br />
Zeit leidenschaftlich geworben. Sein Diener<br />
Figaro verhalf ihm einst zur Hochzeit mit<br />
der schönen Rosina. Und nun will ausge-<br />
rechnet Figaro selbst heiraten und hat sich,<br />
sehr zum Verdruss des Grafen, die schöne<br />
Susanna als Braut ausgesucht.<br />
Figaro, der Diener des Grafen, muss<br />
rechnen. Mit einem Zollstock bewaffnet, ver-<br />
misst er das Dienstbotenzimmer. Schließlich<br />
soll sein neues Ehebett in dem kleinen<br />
Zimmer Platz finden. Er findet es praktisch,<br />
dass das Dienstbotenzimmer sich so nah<br />
an den Räumen von Graf und Gräfin befindet.<br />
Seine Braut Susanna sieht das anders.<br />
Gefördert von der Europäischen Zentralbank und der Fraport AG<br />
Schon längst hat sie gemerkt, dass der Graf<br />
ein Auge auf sie geworfen hat und jede<br />
Gelegenheit nutzt, um die bevorstehende<br />
Hochzeit immer wieder aufs Neue zu ver-<br />
schieben. Susanna hat ihren Herrn durch-<br />
schaut und erklärt Figaro, was sie davon hält.<br />
Wenn der Graf seinen Diener Figaro auf<br />
Reisen schickte, könnte er selbst rasch und un-<br />
gesehen in ihr Zimmer schleichen. Figaro<br />
sieht vor Eifersucht rot und sinnt sofort auf<br />
Gegenmaßnahmen, – »will der Herr Graf den<br />
Tanz mit mir wagen!«<br />
Aber auch die Gräfin nimmt es mit der<br />
ehelichen Treue nicht ganz so ernst. Der junge<br />
Page Cherubino hat es ihr angetan. Ein Knabe,<br />
der so jung ist, dass er noch nicht einmal<br />
eine tiefe Stimme hat, doch alt genug, dass<br />
ihn der Anblick jeder Frau erröten lässt. Vor<br />
kurzem hat er noch mit der Tochter des<br />
Gärtners, Barbarina, geflirtet und sich dabei<br />
erwischen lassen … Es passiert also aller-<br />
hand! Wie sich das Netz aus verschiedenen<br />
Plänen und Intrigen auflöst, erfahrt ihr in<br />
der Werkstatt für Kinder zu Die Hochzeit<br />
des Figaro am 14., 17., 21. und 24. April.<br />
Der Schreifütz ist eine kleine <strong>Oper</strong><br />
für Kinder ab 6 Jahren nach Carl Maria von<br />
Webers Der Freischütz. Max gilt als der<br />
beste Torschütze des Dorfes. Leider klappt<br />
das Kicken in letzter Zeit nicht mehr, ständig<br />
verfehlen seine Schüsse die Torwand. Das<br />
ist schlimm, nicht nur, weil er sich damit<br />
vom versprochenen Vertrag in der ersten<br />
Mannschaft verabschieden kann. Ohne den<br />
richtigen Volltreffer kann er sich die Hochzeit<br />
mit seiner Braut Agathe ebenso abschmin-<br />
ken. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als<br />
sich mit Kaspar, den eigentlich keiner leiden<br />
kann, in die Wolfsschlucht zu begeben.<br />
Hier sollen neue magische Bälle entstehen<br />
und jeder Schuss soll künftig treffen.<br />
Alles weitere zum Schreifütz bleibt bis zum<br />
26. und 29. Mai sowie den 2. und 5. Juni<br />
ein Geheimnis.<br />
Wir sehen uns im Holzfoyer!<br />
} Eure Deborah
ABONNENTEN WERBEN ABONNENTEN<br />
Nur wer selbst brennt, kann Feuer in anderen entfachen (Augustinus)<br />
Gewinnen Sie in Ihrem Freundes- oder<br />
Kollegenkreis neue Abonnenten für die<br />
<strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong>. Für jedes erfolgreich ver-<br />
mittelte Abonnement bedanken wir uns bei<br />
Ihnen mit einer der folgenden Prämien:<br />
I Ein Ticket für eine Vorstellung Ihrer<br />
Wahl in der gleichen Preisgruppe des<br />
vermittelten Abonnements innerhalb<br />
der Saison 2007/2008 (Premieren-<br />
termine und die Silvestervorstellung<br />
ausgenommen)<br />
I Besuch einer Generalprobe Ihrer Wahl für<br />
eine Person in der Saison 2007/2008<br />
I DVD der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong><br />
»Die Entführung aus dem Serail«<br />
I CD der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> »Mefistofele«<br />
Alle erfolgreichen Teilnehmer nehmen<br />
zusätzlich an einer Verlosung mit folgenden<br />
Gewinnen teil:<br />
I Ein »<strong>Oper</strong>nzauber« - Arrangement<br />
für zwei Personen – dies umfasst eine<br />
Übernachtung an einem Wochenendtag<br />
(Freitag, Samstag oder Sonntag) im<br />
Deluxe Doppelzimmer inkl. Frühstücks-<br />
buffet im 5-Sterne-Hotel Steigenberger<br />
<strong>Frankfurt</strong>er Hof mit 3-Gang-Dinner<br />
sowie einem Getränk im OSCAR*S<br />
und zwei <strong>Oper</strong>ntickets<br />
I Zwei Premierenkarten nach Wahl in<br />
der Zeit von Januar bis Saisonende<br />
2007/2008 mit Einladung als Ehrengast<br />
zur anschließenden Premierenfeier<br />
Teilnahmebedingungen<br />
OPER EMPFEHLEN xxxxxxxx<br />
Wer könnte die Qualität, Vielfalt und Emotionen als Markenzeichen der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> überzeugender vermitteln<br />
als regelmäßige Besucher? Deshalb sprechen wir Sie, liebe Abonnentinnen und Abonnenten, als Botschafter für<br />
die <strong>Oper</strong> an.<br />
Der von Ihnen geworbene Abonnent benennt<br />
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Auch ehemalige Abonnenten können geworben<br />
werden, in diesem Falle sollte die Abo-Kündi-<br />
gung des Geworbenen mindestens zum<br />
Ende der Saison 2005/2006 erfolgt sein.<br />
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Serie 28 Happy New Ears und die Werkstatt für<br />
Kinder-Abos sind von der Aktion ausgenommen.<br />
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25
26<br />
IM ENSEMBLE<br />
LEBEN UND ARBEITEN<br />
MIT ALLEN SINNEN<br />
Die Sopranistin Barbara Zechmeister<br />
Neugierig, mit offenen Augen, geht sie<br />
durchs Leben, nimmt alles auf, was um<br />
sie herum geschieht. Sie spricht gern über<br />
Dinge, die sie nachdenklich, traurig aber auch<br />
froh machen. »Die ganze Breite der Gefühls-<br />
palette ausloten, etwas ansprechen, berühren,<br />
betroffen machen«, das ist Barbara Zech-<br />
meisters Wunsch, wenn sie die Bühne betritt.<br />
Der Weg dahin war von der im Taubertal<br />
aufgewachsenen Sängerin nicht von Anfang<br />
beabsichtigt. Angeregt durch das Klavierspiel<br />
des Bruders, wuchs ihr Interesse an der Musik<br />
und so trat sie in Schulchor und -orchester ein,<br />
erlernte das Klavier- und Geigenspiel, wurde<br />
Mitglied eines A-cappella-Chores. Während<br />
ihres Studiums der Schulmusik entdeckte eine<br />
ungarische Lehrerin ihren »Instinkt« fürs Singen<br />
und Darstellen und »verführte« sie dazu, diese<br />
Stärken als Chance zu begreifen. Folgerichtig<br />
nahm sie nach dem Staatsexamen ein<br />
Gesangsstudium in Mannheim auf. Dort traf<br />
die Sopranistin den Lehrer Rudolf Piernay,<br />
mit dem sie intensiv an ihrer Gesangstechnik<br />
arbeitete, sie weiter ausbaute. Eine hervor-<br />
ragende Vorbereitung für ihr späteres Berufs-<br />
leben, das schon nach dem ersten Vorsingen<br />
an der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> begann.<br />
Seit 1996 singt Barbara Zechmeister als Ensemblemitglied der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> Partien von der Klassik<br />
bis zur Moderne, darunter Nanneta (Falstaff), Ännchen (Der Freischütz), Musetta/Mimì (La Bohème),<br />
Despina (Così fan tutte), Zerlina (Don Giovanni), Prinzessin Helene (Walzertraum), Grigori Frids Anne<br />
Frank, Marguerite (Faust) und Pamina (Die Zauberflöte). Gastengagements führten sie z. B. nach Mainz<br />
und Novosibirsk (Königin der Nacht), Hannover (Mimì), Lissabon (Pamina), Mannheim (Despina), Stutt-<br />
gart (Donna Elvira), Rouen (Zerlina), zu den Ludwigsburger Festspielen, zum Wexford Festival (Clarissa in<br />
Webers/Mahlers Die drei Pintos) und Essen (1. Dame in Die Zauberflöte). An der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> war die<br />
Sopranistin zuletzt u. a. als Livia in der Uraufführung von Detlef Glanerts Caligula, Marie in Die verkaufte<br />
Braut, Clorinda in La Cenerentola, Donna Elvira in Don Giovanni und Lady McDuff in Blochs Macbeth zu<br />
erleben.<br />
Mit großer Vorliebe für Experimente schlüpft<br />
Barbara Zechmeister in die unterschiedlichsten<br />
Charaktere, verwandelt sich gern. Sie betrachtet<br />
die Figuren, die sie darstellen möchte, im<br />
Kontext ihrer Geschichte, braucht das musika-<br />
lische Gefüge, die Harmonik, den Aufbau der<br />
Arien, um so diesen Figuren ihren Atem ein-<br />
zuhauchen.<br />
Don Govanni<br />
Barbara Zechmeister (Donna Elvira)<br />
Eine besondere Herausforderung war die<br />
Erarbeitung der Partie der Anne Frank in Grigori<br />
Frids Monodram. Allein auf der Bühne, im<br />
direkten Dialog mit dem Publikum, gestaltete<br />
sie diese Rolle aus einem Guss. »Es war<br />
unglaublich wichtig, in dieser kleinen Spielform,<br />
den richtigen Duktus, die Farben, den Ton<br />
zu finden, den stimmlichen und emotionalen<br />
Fluss nicht abbrechen zu lassen.«<br />
Die Bandbreite ihrer gestalterischen<br />
Fähigkeiten wurde deutlich in der Verkörperung<br />
der Rollen der Mimì und der Musetta in<br />
La Bohème. Egal, ob die eine zart und agil,<br />
die andere besonders frech auftritt, sie<br />
liebt beide Figuren wegen ihrer weiblichen<br />
Stärken, und sie wird beiden Interpretationen<br />
auf eindringliche Weise gerecht. Ebenso<br />
stark gestaltete sie a l l e Frauenrollen ihres<br />
Stimmfachs in der Zauberflöte.<br />
»Jede Musik fühlt sich anders an, in jeder<br />
Sprache hat sie einen neuen Rhythmus. Die<br />
französische Sprache liegt mir besonders«<br />
schwärmt Barbara Zechmeister. Das wird<br />
spürbar bei der Ausformung der Gestalt der<br />
Marguerite in Gounods Faust in der Zusam-<br />
menarbeit mit Christof Loy, die sie in ihrer<br />
persönlichen und stimmlichen Entwicklung<br />
weitergetragen hat. Ihre Gastspiele sieht sie als<br />
große Bereicherung: Zuletzt gelang ihr am<br />
Stuttgarter <strong>Oper</strong>nhaus, der Figur der Elvira in<br />
Don Giovanni, nach dem Rollendebüt in Frank-<br />
furt, eine weitere Dimension hinzuzufügen.<br />
Dieses Geben und Nehmen von Energie<br />
holt sie sich auch außerhalb des Theaters.<br />
Sie genießt die Ruhe in der Natur, findet dort<br />
ihr Gleichgewicht. Und immer trägt sie Bücher<br />
als ständige Begleiter mit sich, lässt sich in<br />
wieder andere Welten entführen.<br />
Fest verankert im Sängerensemble<br />
partizipiert sie von den unterschiedlichsten<br />
Meinungen und Kulturen ihrer Kollegen; und<br />
es macht sie sehr froh, hier die wichtigsten<br />
Regisseure zu treffen.<br />
} Waltraut Eising
28<br />
BLICKPUNKTE<br />
BLICKPUNKTE<br />
Musikalisch-literarischer<br />
Abend zu »ARIADNE«<br />
Salon im Dritten Rang<br />
Dienstag, 24. April 2007, 20.00 Uhr<br />
Komponisten, Literaten und bildende Künstler<br />
ließen sich über Jahrhunderte von der mytho-<br />
logischen Geschichte der Ariadne inspirieren:<br />
HAPPY NEW EARS<br />
ZWEIMAL NOCH IN DIESER SPIELZEIT<br />
»GLÜCKLICHE NEUE OHREN«<br />
10. April 2007, 20.30 Uhr, <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong><br />
Gérard Grisey<br />
Gérard Grisey war Schüler von Messiaen und<br />
Dutilleux und später beeinflusst von Stockhau-<br />
sen, Ligeti und xenakis. »Spektralmusik« ist ein<br />
Schlagwort, mit dem sein Schaffen verbunden<br />
wird, auch wenn ihm selbst solche Kategorisie-<br />
rung nicht angemessen schien. Wolfgang<br />
Fuhrmann beschrieb sein Credo: »Musik werde<br />
mit Klängen gemacht, nicht mit Noten, sagte<br />
Gérard Grisey, sie sei das Werden der Klänge.<br />
Das erscheint zunächst als Trivialität, selbst-<br />
verständlich sind es die Klänge und nicht ihre<br />
Schriftzeichen, die die Musik ausmachen.<br />
Man versteht den Satz dieses französischen<br />
Komponisten erst, wenn man ihn als Polemik<br />
begreift gegen jene Musik, die nach Griseys<br />
Meinung die Klänge mit den Noten ver-<br />
wechselt hatte: indem sie das musikalische<br />
Material in ›Parameter‹ isolierte, Tonhöhe,<br />
Tondauer, Lautstärke, Artikulation, Klangfarbe<br />
KURZ NOTIERT<br />
Der Hein-Heckroth-Bühnenbildpreis geht in<br />
diesem Jahr an den Bühnen- und Kostümbild-<br />
ner, Regisseur und Maler Achim Freyer.<br />
Den Nachwuchs-Förderpreis, den die Stadt<br />
Gießen zur Verfügung stellt, erhält der Bühnen-<br />
bildner Moritz Nitsche, Schüler und Assistent<br />
von Achim Freyer.<br />
Sie gab Theseus ein Garnknäuel mit, damit er<br />
an diesem Faden, dem »Ariadnefaden«,<br />
nach der Tötung des Minotaurus, den Rück-<br />
weg aus dessen Labyrinth findet. Sie verließ<br />
Kreta mit Theseus, der ihr die Ehe ver-<br />
sprochen hatte, wurde später aber, während<br />
sie schlief, von ihm auf der Insel Naxos<br />
zurückgelassen …<br />
und so weiter, während ein Klang doch immer<br />
all das in einem ist: eine der sinnlichen<br />
Erfahrung gegebene Totalität«. Griseys Musik<br />
hingegen taucht ein in das Innere der Töne,<br />
lässt sie erblühen, sich auffalten in ihrer<br />
komplexen Schönheit. Das Ensemble Modern<br />
begibt sich auf eine Reise in diesen klin-<br />
genden Reichtum.<br />
19. Juni 2007, 20.30 Uhr, <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong><br />
Heinz Holliger<br />
Von Beginn seiner Künstlerlaufbahn war er ein<br />
universeller Musiker: Pianist, Oboist, Dirigent<br />
und Komponist. Zum Abschluss der HNE-<br />
Saison an der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> kommt Heinz<br />
Holliger ein weiteres Mal ans Pult des<br />
Ensemble Modern, wo der Schweizer neue<br />
Werke präsentiert und Einblick in den Ent-<br />
stehungsprozess gibt.<br />
In Zusammenarbeit mit dem Medienpart-<br />
ner Hessischer Rundfunk – hr2 und der <strong>Oper</strong><br />
<strong>Frankfurt</strong> hat das Ensemble Modern in der<br />
Reihe »Happy New Ears« ein Schulprojekt<br />
entwickelt, das auch in der laufenden Saison<br />
fortgesetzt wird. Im Mittelpunkt steht dies-<br />
mal der Komponist, Dirigent und Oboist Heinz<br />
Z ˇ ejlko Lućič sang im Frühjahr 2007<br />
Giorgio Germont in La Traviata an der Wiener<br />
Staatsoper.<br />
Anna Ryberg übernahm im Frühjahr 2007<br />
an der <strong>Oper</strong>a North die Rolle der Adina in<br />
L’elisir d’amore.<br />
Hans-Jürgen Lazar und Juanita Lascarro<br />
waren im März 2007 in Henzes Boulevard<br />
Solitude in Barcelona zu erleben.<br />
Neben Ausschnitten aus einer der berühm-<br />
testen Adaptationen des Stoffes – Ariadne<br />
auf Naxos von Richard Strauss und Hugo<br />
von Hofmannsthal – begeben wir uns mit<br />
Liedern und Gedichten auf einen imaginären<br />
Spaziergang rund um die Insel Naxos und<br />
ihre einsame Bewohnerin.<br />
Holliger – im Konzert am 19. Juni 2007. Für<br />
Schulklassen und Kurse gibt es vergünstig-<br />
te Eintrittskarten zum Preis von 5,63 Euro inkl.<br />
RMV. Diese können direkt bei Karina Stillger<br />
(Kartenverkauf der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong>) unter der<br />
Telefonnummer 069 - 212 37 432 bestellt<br />
werden. Die Mitschnitte dieser Konzerte wer-<br />
den als Grundlage für CD-/DVD-Produktionen<br />
dienen, die gemeinsam von hr2 und dem<br />
Ensemble Modern hergestellt werden, um<br />
sie hessischen Schulen für den Unterricht zur<br />
Verfügung zu stellen.<br />
KAMMERMUSIK IM FOYER<br />
Sonntag, 29. April 2007, 11.00 Uhr,<br />
Holzfoyer<br />
8. Kammermusik im Foyer<br />
Sonntag, 20. Mai 2007, 11.00 Uhr,<br />
Holzfoyer<br />
9. Kammermusik im Foyer<br />
Sonntag, 24. Juni 2007, 11.00 Uhr,<br />
Holzfoyer<br />
10. Kammermusik im Foyer<br />
Gregory Frank sang im März 2007 Kecal in<br />
Die verkaufte Braut am <strong>Oper</strong>nhaus in Baltimore<br />
in der Inszenierung von James McNamara.<br />
Claudia Mahnke ist im Mai 2007 an der<br />
San Francisco <strong>Oper</strong>a als Zerlina in Mozarts Don<br />
Giovanni engagiert.<br />
Sonja Mühleck verkörpert Gerhilde in Wagners<br />
Walküre bei den nächsten Bayreuther Festspielen.
TAUSENDE KNOTEN IN SECHZIG STUNDEN<br />
Die Maskenbildnerei der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong><br />
ine Figur auf der Bühne, egal in welcher<br />
ERolle, muss immer geschminkt sein, also<br />
eine Maske tragen, auch wenn sie unge-<br />
schminkt aussehen soll« – so Antje Schöpf,<br />
Chefmaskenbildnerin der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong>.<br />
Was verbirgt sich hinter diesem Begriff<br />
M a s k e – hinter diesen fünf Buchstaben?<br />
»Die Maske« ist in jedem Theater eine der<br />
Abteilungen, die wesentlichen Anteil an der<br />
Produktion und dem Gelingen einer Auf-<br />
führung hat.<br />
Die Maskenbildnerei der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong><br />
liegt ausnahmslos in weiblichen Händen:<br />
Antje Schöpf und ihre Stellvertreterin Tilla<br />
Weiss sind seit sechs Jahren ein gut einge-<br />
spieltes Team; sie liegen bei fast allen Ent-<br />
scheidungen »auf einer Wellenlänge«. Ihnen<br />
zur Seite stehen zwölf Maskenbildnerinnen,<br />
die den größten Teil der täglichen Arbeitszeit<br />
damit zubringen, mit fleißigen Händen die<br />
cirka eintausend Perücken zu knüpfen, die für<br />
eine Spielzeit benötigt werden. Ungefähr<br />
40 bis 60 Stunden dauert es, bis aus einem<br />
Stück Tüll, sehr vielen Haaren und Tausenden<br />
von Knoten eine Frisur entstehen kann. Jede<br />
freie Minute wird genutzt, um diese wichtigen<br />
»Requisiten« für die Sängerinnen und Sänger,<br />
vor allem aber für die vielen Mitglieder des<br />
Chores, herzustellen. Zwischendurch werden<br />
immer wieder Perücken vorgefertigt. Nur zur<br />
Hälfte geknüpft, werden sie im Fundus ge-<br />
lagert, um zur richtigen Zeit und in der genau<br />
festgelegten Haarfarbe aufgearbeitet zu<br />
werden.<br />
Dieser Zeitpunkt ist gekommen, wenn<br />
sich das Produktionsteam der nächsten Pre-<br />
miere zusammenfindet, um seine Ideen und<br />
Pläne vorzustellen. Nach Zeichnungen werden<br />
Prototypen von Perücken oder Masken an-<br />
gefertigt, die danach, gemeinsam mit dem<br />
Kostümbildner, ihr endgültiges Aussehen<br />
erhalten. Eine besonders spannende Angele-<br />
genheit ist das Modellieren von Masken. Da<br />
kommt es durchaus vor, dass bei besonders<br />
komplizierten Stücken mehrere Abteilungen<br />
zusammen an der Entwicklung arbeiten.<br />
So sind z. B. bei der Entstehung der Krone der<br />
Königin für die Premiere von Der Schatz<br />
gräber drei Kollegen aus verschiedenen Ab-<br />
teilungen beteiligt gewesen: Das Grundgestell<br />
mit den »Edelsteinen« wurde in der Maske<br />
hergestellt, eine Modistin hat an der Kappe<br />
gearbeitet und ein Beleuchtungsmeister hat<br />
dafür gesorgt, dass Lichterglanz entstehen<br />
Antje Schöpf, Tilla Weiss Barbara Luft, Krone aus Der Schatzgräber<br />
OPER INTERN<br />
konnte. Gerade für diese Produktion sind<br />
enorm viele Masken gearbeitet worden.<br />
Da gab es verschiedene Körperteile wie<br />
Ohren oder Hände und sogar extra geknüpfte<br />
Teile, wie die sehr behaarten Arme des<br />
»Monster« - Junkers.<br />
Bei allen Endproben und natürlich auch<br />
allen Vorstellungen geschieht dann das, was<br />
sich jeder von uns vorstellt, wenn am Theater<br />
von der Maske gesprochen wird – es wird<br />
geschminkt. Die verwendeten Materialien sind<br />
dermatologisch getestet, denn alles muss gut<br />
verträglich sein und allergische Reaktionen<br />
ausschließen.<br />
Den Abschluss bilden die Abenddienste,<br />
die zwei Stunden vor der Aufführung be-<br />
ginnen und bis zum Ende der Vorstellung<br />
dauern, oftmals zehn Arbeitsstunden am<br />
Stück. Ein enormes Pensum! Zur Zeit arbeitet<br />
die Maskenbildnerei an vier Premieren und<br />
fünf Wiederaufnahmen gleichzeitig. Und wozu<br />
das alles? Um den Künstlern ein Hilfsmittel<br />
zu geben – sie zu verwandeln, sie sich in ihre<br />
Rollen einfühlen zu lassen.<br />
} Waltraut Eising<br />
29
32<br />
PRESSESTIMMEN<br />
GIASONE<br />
TANNHÄUSER UND<br />
DER SÄNGERKRIEG<br />
AUF WARTBURG<br />
Premiere vom 21. Januar 2007 Premiere vom 28. Januar 2007<br />
(…) In Giasone bilden Musik und Drama<br />
eine geschlossene Einheit, darin folgt Cavalli<br />
seinem Lehrer Monteverdi. Die Wirkung, die<br />
von diesem »gesungenen Sprechen« ausgeht,<br />
ist umso größer, je besser es eine Aufführung<br />
versteht, dem Sprechgesang Deutlichkeit, Pla-<br />
stizität und Gliederung zu geben. Die <strong>Frankfurt</strong>er<br />
Darbietung versicherte sich zu diesem Zweck<br />
der Autorität des italienischen Dirigenten und<br />
Cembalisten Andrea Marcon (…). Was da<br />
drei Stunden lang aus dem dreizehnköpfigen<br />
Instrumentalensemble an musikalischer<br />
Beredtheit und instrumentalem Glanz erklang,<br />
kann nur mit Superlativen beschrieben werden.<br />
Zu loben auch, dass sich bei den Streichern<br />
Mitglieder des <strong>Frankfurt</strong>er <strong>Oper</strong>norchesters<br />
beteiligten (…).<br />
Die <strong>Frankfurt</strong>er Aufführung wurde kurz vor<br />
Probenbeginn von einem schmerzlichen Ver-<br />
lust getroffen: Die Regisseurin Anouk Nicklisch,<br />
die ihre Klagenfurter Inszenierung für <strong>Frankfurt</strong><br />
weiterentwickeln wollte, starb unerwartet.<br />
Andrea K. Schlehwein und dem Bühnenbildner<br />
Roland Aeschlimann gelang es jedoch über-<br />
zeugend, die Intentionen der Regisseurin zu<br />
realisieren. Aeschlimanns Spiel-Raum, ein<br />
großer, nach allen Seiten aufklappbarer Kubus<br />
auf der Bühne des Bockenheimer Depots,<br />
erwies sich gleichsam als eine Art Hauptakteur:<br />
öffnungen, Durchbrüche, Verschachtelungen –<br />
der aktivierte Kubus musizierte optisch mit<br />
den Verwicklungen und Verwinkelungen der<br />
Handlung mit. Raffiniert auch die eingesetzte<br />
Symbolik der Lichtfarben.<br />
Zu erleben war außerdem, wie wichtig in<br />
der <strong>Oper</strong> die Führung der Personen ist. Aus den<br />
Gesten, Bewegungen, Körperhaltungen der<br />
Solisten ergibt sich erst die Beglaubigung des<br />
jeweiligen Konzepts. Letzteres folgte hier allein<br />
schon aus dem Werk selbst: Der wankelmütige<br />
Giasone erscheint in der Gestalt des Sängers<br />
Nicola Marchesini als unser Zeitgenosse. Mar-<br />
chesini treibt mit seiner leuchtenden, oft herr-<br />
lich aufblühenden Counter-Stimme neben den<br />
Noten auch die dahinter versteckte moderne<br />
Psychologie der Figur hervor. Stella Grigorians<br />
Medea und Juanita Lascarros Isifile, beide blen-<br />
dend singend, kontrastieren lebendig die unter-<br />
schiedlichen Temperamente. Christian Dietz als<br />
Demo und Martin Wölfel als Delfa bringen<br />
ohne Übertreibungen die Komik oft anrührend<br />
heraus. Ein im wahrsten Sinne des Wortes<br />
»wunderschöner« <strong>Oper</strong>n-Theaterabend.<br />
Gerhard Rohde, <strong>Frankfurt</strong>er Allgemeine Zeitung<br />
Endlich hat eine Frau ernst gemacht mit<br />
Richard Wagners Tannhäuser, hat die schrecklich<br />
eingefahrenen, oft allzu männlichen Sicht-<br />
weisen beiseite gefegt und ist dabei auf Wesent-<br />
liches gestoßen, zum Kern, wie ihn so vielleicht<br />
sogar Wagner selbst noch gar nicht sehen<br />
konnte, zu neuen und doch alten Wahrheiten,<br />
die bisher nur noch niemand gezeigt hat.<br />
Der jungen Regisseurin Vera Nemirova, dem<br />
einfühlsam-klugen Dirigenten Paolo Carignani<br />
und einigen herausragenden Solisten ist eine<br />
Sternstunde zu danken, eine Sternstunde für<br />
Wagner und das Musiktheater.<br />
Schon zur Ouvertüre (in der Dresdner<br />
Fassung) wird klar, dass diesmal einiges anders<br />
ist. Die Pilger, die sich vor dem sichtlich nur<br />
aufgemalten Sommerhimmel unter der Peit-<br />
schenlampe (Ausstattung: Johannes Leiacker)<br />
versammeln, sehen aus wie jüngst bei der<br />
Papstmesse. Eine fröhlich-bunte, mit Rucksack,<br />
Isomatten und Wasserflaschen gerüstete<br />
Menge an sichtlich gläubigen Menschen,<br />
die sich unversehens aus den christlichen<br />
Sinnbildern heraus- und in Bilder einer ver-<br />
gleichsweise natürlich wirkenden Sinnlichkeit<br />
hineinfallen lassen: der Venusberg in Rom<br />
sozusagen.
Dass die vermeintlichen Gegenwelten im<br />
Tannhäuser nur behauptete sind, unterstreicht<br />
Nemirova auch, indem sie den weiblichen<br />
Protagonisten Merkmale zuweist, die man her-<br />
kömmlich jeweils bei der anderen vermutet.<br />
Venus hat auch pragmatisch-häusliche und be-<br />
wahrende Qualitäten, und Elisabeth ist weitaus<br />
selbstbewusster und erotischer, als ihre männ-<br />
liche Umwelt das wahrhaben und zulassen will.<br />
Was zwangsläufig dazu führt, dass die Männer<br />
im 2. Akt eine Heilige aus ihr machen. Und im<br />
3. Akt damit endet, dass der vergeblich liebende<br />
Wolfram sie erwürgt.<br />
Der Ernst, der dahinter steckt, die Fallhöhe, die<br />
die Figuren hier haben, ist auch deshalb so groß,<br />
weil Nemirova andererseits keine Mittel und Wege<br />
scheut, um den Tannhäuser unterhaltsam, leicht<br />
und witzig zu machen. Der Sängerstreit auf Wart-<br />
burg ist (…) ein Songcontest unter alternden Rock-<br />
poeten und Sangesstars, eine große TV-Show (…).<br />
Monika Beer, Fränkischer Tag<br />
(…) Die herausragende Erscheinung im<br />
<strong>Frankfurt</strong>er Solistenensemble ist Christian Gerha-<br />
her, der dem Wolfram mit der Gestaltungskraft<br />
des Liedersängers vokale Kontur verleiht. (…)<br />
Marianne ZelgerVogt, Neue Zürcher Zeitung<br />
LE NOZZE DI FIGARO<br />
(DIE HOCHZEIT DES FIGARO)<br />
Premiere vom 4. März 2007<br />
(…) Es ist Bernardi gelungen, eine alte<br />
Geschichte so zu erzählen, dass sogar der aus-<br />
gepichteste Kenner wieder einiges Neue in<br />
dem (wie alle guten Stücke) unerschöpflichen<br />
Werk entdeckt. Dabei geht es ohne Verkrampft-<br />
heiten ab, ohne ratternde Gags. (…)<br />
HansKlaus Jungheinrich, <strong>Frankfurt</strong>er Rundschau<br />
(…) Intendant Bernd Loebe kann stolz auf<br />
dieses Ensemble sein: Fast ausschließlich mit<br />
hauseigenen Kräften konnte diese Neuproduk-<br />
tion des Figaro realisiert werden. Und das auf<br />
einem bis in die kleinste Partie hinein durchweg<br />
hohem Niveau. Auch so spielstark hat man das<br />
<strong>Frankfurt</strong>er Ensemble seit längerem nicht mehr<br />
erlebt. (…)<br />
Inspiriert wurde das lebhafte, jedoch nie<br />
übertrieben turbulente, ganz natürlich anmu-<br />
tende, oft tänzerisch bewegte Bühnengeschehen<br />
von der hervorragenden Arbeit aus dem Orches-<br />
tergraben. Mit Julia Jones am Pult (…) spielte<br />
das Museumsorchester wie »aufgekratzt«. (…)<br />
Als Glücksgriff erwies sich Felice Venanzoni, der<br />
die Secco-Rezitative auf dem Hammerklavier<br />
statt auf dem sonst üblichen Cembalo begleite-<br />
te und diese oft vernachlässigten Passagen<br />
mit seiner ideenreichen Ausgestaltung zu<br />
funkelnden Kleinodien werden ließ.<br />
PRESSESTIMMEN<br />
Uneingeschränktes Lob auch für die Sänger,<br />
die mit ihren Mozart-tauglichen Stimmen eine<br />
homogene Einheit bildeten: Bei den hohen<br />
Frauenpartien harmonierten Maria Fontosh als<br />
sich nach Liebe sehnende Gräfin und Jenny<br />
Carlstedt als naiv-unsicherer Cherubino vortreff-<br />
lich mit Miah Perssons liebreizender Susanna.<br />
Die schwedische Sopranistin stellte nicht allzu<br />
sehr das kokette Element der Kammerzofe in<br />
den Vordergrund, agierte vielmehr mit Witz<br />
und Charme. Die Männer standen dem freilich<br />
nicht nach. Johannes Martin Kränzle gab den<br />
Grafen Almaviva großspurig, rachsüchtig und<br />
verletzlich, aber nie polternd in seinen leiden-<br />
schaftlichen Ausbrüchen. Simon Baileys grund-<br />
gütiger Figaro gefiel durch die noble Kultiviert-<br />
heit seines Bassbaritons. Als clowneskes Paar<br />
sorgten Annette Stricker (Marzelline) und<br />
Soon-Won Kang (Bartolo) für Lacher. Carlos<br />
Krause als trinkfreudiger Gärtner Antonio,<br />
Michael McCowns spaßiger Basilio sowie Elin<br />
Rombo als entzückende Barbarina ergänzten<br />
das muntere Team, wobei der von Apostolos<br />
Kallos einstudierte Chor nicht unterschlagen<br />
werden sollte. (…)<br />
Michael Dellith, <strong>Frankfurt</strong>er Neue Presse<br />
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