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Jenufa - Oper Frankfurt

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MagazinApril/ Mai / Juni/Juli 2007<br />

Premieren<br />

Alexander von Zemlinsky<br />

Eine florentinische Tragödie /<br />

Der Zwerg<br />

am 15. April<br />

Giuseppe Verdi<br />

Simon Boccanegra<br />

am 20. Mai<br />

Claudio Monteverdi<br />

Il ritorno d’Ulisse in patria<br />

(Die Rückkehr des Odysseus ins Vaterland)<br />

am 23. Juni<br />

{<br />

<strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong>


Jobdaten: K: Saab; O: Anzeige; M: 9-3 Cabrio Anniversary;<br />

W: <strong>Oper</strong>n Magazin <strong>Frankfurt</strong>; F: 210x297 mm; B: 3 mm; A: 100 %; 4c; DU: 23.03.06<br />

In diesem Heft, liebe <strong>Oper</strong>nfreunde,<br />

kündigen wir die drei letzten Neuproduk-<br />

tionen der laufenden Spielzeit an, und Anfang<br />

Mai werden wir die Jahresbroschüre für die<br />

kommende Spielzeit, 2007/2008, veröffent-<br />

lichen. Ohne die aktuellen Projekte zu<br />

vernachlässigen, gilt es, die letzten Verträge<br />

für die neue Spielzeit zu verhandeln, den<br />

Spielplan nochmals hinsichtlich seiner Finan-<br />

zierung zu überprüfen. Ans Herz gewachsen<br />

ist uns das Bockenheimer Depot. Ein idealer<br />

Ort für kleiner dimensionierte <strong>Oper</strong>n; für<br />

die aktuelle Kammeroper wie für Monteverdi<br />

oder Cavalli oder Britten. Deshalb lassen<br />

wir keine Anstrengung aus, die Aufführungen<br />

4 Eine florentinische Tragödie /<br />

Der Zwerg<br />

Alexander von Zemlinsky<br />

10 Simon Boccanegra<br />

Giuseppe Verdi<br />

14 Il ritorno d’Ulisse in patria<br />

(Die Rückkehr des Odysseus<br />

ins Vaterland)<br />

Claudio Monteverdi<br />

18 <strong>Jenufa</strong><br />

Leos˘ Janác˘ek<br />

in Bockenheim auf finanziell solide Füße<br />

zu stellen. Es wäre zu schade, wenn wir<br />

diese Spielstätte aufgeben müssten.<br />

Viele Vorstellungen in den Monaten<br />

Dezember, Januar und Februar waren so<br />

gut wie ausverkauft, obwohl, oder auch<br />

gerade weil sie im Medienwald durchaus<br />

für eine heftige Polarisierung gesorgt hatten.<br />

Insbesondere stand unser Tannhäuser für<br />

Ablehnung wie auch für Begeisterung, auf<br />

jeden Fall aber für eine lebendige Auseinan-<br />

dersetzung. Und diese macht(e) neugierig.<br />

Für mich wurde jede Vorstellung zu einem<br />

Ereignis: Die Aufwertung, die Gewichtung<br />

der Wolfram-Figur durch Christian Gerhaher,<br />

szenisch wie musikalisch, wird unserer<br />

Inszenierung dauerhaft einen wichtigen<br />

Rang in der Tannhäuser-Rezeption garan-<br />

tieren.<br />

Es waren aber auch »überrumpelnde«<br />

Sängerleistungen (Eszter Sümegi, Lucio<br />

Gallo und Francesco Hong (!) in der Tosca,<br />

Susan Bullock und Caroline Whisnant in<br />

Elektra), die unseren Vorstellungen neue<br />

Energie verliehen. Gerne haben wir<br />

Anschlussverträge verhandelt.<br />

19 La Traviata<br />

Giuseppe Verdi<br />

20 Ariodante<br />

Georg Friedrich Händel<br />

21 Death in Venice<br />

Benjamin Britten<br />

22 Liederabende<br />

Bejun Metha<br />

Jan-Hendrik Rootering<br />

24 SPOT<br />

die Seite für Kinder<br />

Jetzt aber greifen Sie bitte zu: wenn wir<br />

erstmals an der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> die hochin-<br />

teressanten Zemlinsky-Einakter heraus-<br />

bringen, in der Regie von Udo Samel und in<br />

Bildern von Tobias Hoheisel; wenn wir mit<br />

Verdis Simon Boccanegra fortfahren, insze-<br />

niert von Christof Loy und mit Zˇeljko Lučić in<br />

der Titelpartie; wenn wir unsere Monteverdi-<br />

Trilogie mit Ulisse beenden und zwar mit<br />

Christine Rice als Penelope und Kresimir<br />

Spicer als Ulisse, einer Partie, die er schon in<br />

Aix-en-Provence und Zürich gestaltet hat.<br />

Ganz zu schweigen von anderen Wieder-<br />

aufnahmen. Wiederaufnahmen, die übrigens<br />

so gewissenhaft wie nur möglich(!) erar-<br />

beitet werden. In einem System mit cirka<br />

200 Vorstellungen (fast) ein Akt der Unmög-<br />

lichkeit.<br />

26 Im Ensemble<br />

Barbara Zechmeister<br />

28 Blickpunkte<br />

29 <strong>Oper</strong> Intern<br />

30 Spielplanvorschau<br />

32 Pressestimmen<br />

35 Service<br />

Die <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> dankt für die freundliche Unterstützung<br />

Herausgeber Bernd Loebe; Redaktion Waltraut Eising; Redaktionsteam Dr. Norbert Abels, Agnes Eggers, Deborah Einspieler, Holger Engelhardt, Ursula Ellenberger, Dr. Tilman Fischer,<br />

Adda Grevesmühl, Zsolt Horpácsy, Malte Krasting, Andreas Massow, Elvira Wiedenhöft, Bettina Wilhelmi; Gestaltung Schmitt und Gunkel; Herstellung Druckerei Imbescheidt;<br />

Redaktionsschluss 6.3. 2007, Änderungen vorbehalten; Titelfoto (Rui Camilo), Bernd Loebe, Z ˇ eljko Lučić, Barbara Zechmeister, Il viaggio a Reims (Barbara Aumüller), Udo Samel (Florian Rossmanith),<br />

Tobis Hoheisel (Agentur), David Hermann, Christof Hetzer (<strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong>), <strong>Jenufa</strong> (Jörg Landsberg), Ariodante (Matthias Horn), Jan-Hendrik Rootering, Death in Venice, Tannhäuser, Giasone, Le nozze<br />

di Figaro (Monika Rittershaus), Bejun Mehta (Dario Acosta), La Traviata, Der Schreifütz, Don Giovanni (Wolfgang Runkel), Maske (Waltraut Eising), Der Schatzgräber (Bettina Müller)<br />

Ihr<br />

Bernd Loebe<br />

EDITORIAL<br />

3


ALExANDER VON ZEMLINSKy<br />

Eine florentinische<br />

Tragödie/ Der Zwerg<br />

Ich will dich – mit jedem Atom meines Fühlens.<br />

Alexander von Zemlinsky an Alma Schindler


WENN DIE SCHöNHEIT SCHMERZT<br />

Gefühlswelten in Zemlinskys Einaktern<br />

PREMIERE Eine florentinische Tragödie / Der Zwerg von Alexander von Zemlinsky<br />

Sonntag, 15. April 2007<br />

Weitere Vorstellungen: 19., 21., 27. April; 4., 6., 11. Mai 2007<br />

In deutscher Sprache<br />

Eine florentinische Tragödie <strong>Oper</strong> in einem Aufzug I Text vom Komponisten nach Oscar Wilde<br />

Uraufführung am 30. Januar 1917, Hoftheater Stuttgart<br />

Der Zwerg Ein tragisches Märchen für Musik in einem Akt I Text von Georg C. Klaren nach Oscar Wilde<br />

Uraufführung am 28. Mai 1922, Stadttheater Köln<br />

Musikalische Leitung Paul Daniel I Regie Udo Samel I Bühnenbild Tobias Hoheisel<br />

Kostüme Eine florentinische Tragödie Eva Dessecker I Kostüme Der Zwerg Tobias Hoheisel<br />

Dramaturgie Zsolt Horpácsy I Licht Joachim Klein I Chor Alessandro Zuppardo<br />

Schön und hässlich. Schön oder hässlich?<br />

Innerlich schön und äußerlich hässlich.<br />

Und umgekehrt.<br />

Zemlinskys Einakter drehen sich um diese<br />

Fragen, versuchen aber, keine Kategorien zu<br />

definieren. Sie stellen ergreifende Fragen,<br />

einzigartig: Eine florentinische Tragödie und<br />

Der Zwerg nach Vorlagen von Oscar Wilde<br />

sind Geschichten über Außenseiter, extreme<br />

Gefühlswelten, dunkle Leidenschaften,<br />

Identität und über die beängstigende Nähe<br />

von Liebe und Tod. Zemlinsky und Wilde<br />

beschreiben Konflikte, in denen die Welt des<br />

bürgerlichen Humanismus infrage gestellt<br />

wird.<br />

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts musste<br />

der Bürger begreifen, dass sein eigenes Seelen-<br />

leben wesentlich komplizierter war, als er bis<br />

dahin angenommen hatte. Auf sich selbst<br />

zurückschauend, erfuhr er sich als komplexes<br />

und geheim nisvolles Wesen und wurde sich<br />

selbst unheimlich. Die zunehmende äußere<br />

Entfremdung in der Gesellschaft begann auf<br />

das innere, psychologische Selbstverständnis<br />

zurückzuschlagen und explodierte wie die<br />

emotionale Hochspannung der Dreiecks-<br />

geschichte in Eine florentinische Tragödie.<br />

Wilde und Zemlinsky hatten erlebt, wie<br />

sich die Liebe unter bestimmten psycholo-<br />

gischen und gesellschaftlichen Umständen<br />

lebensbedrohlich zuspitzen konnte. Und beide<br />

hatten danach versucht, diese Erfahrungen<br />

künstlerisch zu gestalten.<br />

Für Zemlinsky bedeutete das Verhältnis<br />

zu Alma Schindler die seelische Erschütterung<br />

seines Lebens. Ab 1900 nahm Alma Kompo-<br />

sitionsunterricht bei Zemlinsky. Der damals<br />

29-Jährige war gerade Kapellmeister am<br />

Wiener Carltheater geworden und galt als<br />

eine der großen Hoffnungen der Wiener<br />

Musikszene. Obwohl sie ihn anfänglich als<br />

physisch abstoßend empfand – sie bezeich-<br />

nete ihn unter anderem als kleinen, häss-<br />

lichen Gnom –, verliebte sie sich bald in<br />

den jungen Komponisten, und er erwiderte<br />

ihre Gefühle. Die Familie und deren Freunde<br />

fanden die Liaison unpassend und ver-<br />

suchten, sie ihr auszureden. Alma selbst<br />

erlebte ein Wechselbad der Gefühle.<br />

Pathetische Liebesbekundungen und bizarre<br />

Tagebucheintragungen wechselten mit<br />

Demütigungen und Quälereien. Alma peinigte<br />

Zemlinsky zwei Jahre lang, bis sie sich<br />

1902 gegen eine Verbindung mit ihm und<br />

PREMIERE Eine florentinische Tragödie/ Der Zwerg<br />

Eine florentinische Tragödie Guido Bardi, Prinz von Florenz Carsten Süß<br />

Simone, ein Kaufmann Robert Hayward I Bianca, seine Frau Claudia Mahnke<br />

Der Zwerg Donna Clara, Infantin von Spanien Juanita Lascarro<br />

Ghita, ihre Lieblingszofe Sonja Mühleck I Don Estoban, der Haushofmeister Florian Plock<br />

Der Zwerg Peter Bronder I 1. Zofe Anna Ryberg I 2. Zofe Anja Fidelia Ulrich I 3. Zofe Katharina Magiera Alexander von Zemlinsky<br />

für eine Ehe mit dem um zwanzig Jahre<br />

älteren Gustav Mahler entschied.<br />

Dieses Trauma mit künstlerischen Mitteln<br />

zu verarbeiten, prägt Zemlinskys Gesamtœuvre<br />

ab 1902. Vor allem drei Werke, das 2. Streich­<br />

quartett, Eine florentinische Tragödie und<br />

Der Zwerg schließen sich in diesem Kontext<br />

zusammen und zeugen von einem schmerz-<br />

haften seelischen und künstlerischen Prozess.<br />

Die beiden Einakter zeichnen sich dabei<br />

durch ihre Darstellung komplexer, existentieller<br />

Gefühlswelten aus. Der Reichtum der Klang-<br />

farben, die Dichte der Partitur und die streng<br />

gebaute Dramaturgie der beiden Stücke<br />

machen sogar die intimsten seelischen<br />

Erfahrungen hörbar, ohne für eine Sekunde<br />

larmoyant oder illustrativ zu werden.<br />

Sie stehen nach vielen Jahren – wiederent-<br />

deckt und doch nicht häufig genug gespielt –<br />

wie eine einsame Insel im <strong>Oper</strong>nrepertoire des<br />

20. Jahrhunderts. Die beiden einzigartigen<br />

Musikdramen vermitteln mit höchster Intensität<br />

eine seltene Nähe zwischen menschlichem<br />

Schicksal und künstlerischer Schaffenskraft.<br />

} Zsolt Horpácsy<br />

5


6<br />

PREMIERE Eine florentinische Tragödie/ Der Zwerg<br />

DEINE SEELE WEISS NICHT,<br />

WAS DEIN MUND SPRICHT<br />

Gedanken von Udo Samel<br />

Im Treibhaus der Zeit des Fin de Siècle und<br />

im Jugendstil sind Oscar Wilde und Alexander<br />

Zemlinsky zu Hause. Beide waren mit<br />

einer alten Seele in die Welt gekommen und<br />

suchten ihre Verjüngung. Beide spürten früh,<br />

dass das sexuelle Begehren genauso ein<br />

menschlicher Trieb ist wie Essen, Trinken und<br />

Schlafen. Also notwendig. Sie suchten zu<br />

träumen. Früh vom »eifersüchtigen Mond«<br />

beschienen, suchten sie Zuflucht in der Kunst.<br />

In einer Überhöhung des Lebens. Ein starker<br />

ästhetischer Anspruch ist in beider Arbeit<br />

vorhanden. Wilde wehrt sich gegen die<br />

merkwürdigen Rohheiten der Natur, »ihre<br />

außergewöhnliche Eintönigkeit, das völlig<br />

Unfertige ihres Zustands«. In Wien sprengt die<br />

Engstirnigkeit einer Gesellschaft Zemlinskys<br />

Hoffnung, die Kunst könne in Übereinstim-<br />

mung mit der Welt gedeihen. »Die Kunst<br />

ist unser geistvoller Protest, unser kühner<br />

Versuch, der Natur ihren eigentlichen Platz<br />

zuzuweisen«, schreibt Oscar Wilde in einer<br />

Betrachtung, die er Der Verfall der Lüge<br />

nennt.<br />

Alexander Zemlinsky hat sich Oscar Wilde<br />

als einen Seelenverwandten ausgesucht.<br />

Mehr oder weniger bewusst hat er einen<br />

verwandt-fühlenden, wortmächtigen Partner<br />

gebraucht, um seinem persönlichen Schmerz<br />

über die Welt, so wie sie ist, Ausdruck zu ver-<br />

leihen in seiner Musik.<br />

Unter der menschlichen Unfähigkeit, der<br />

Liebe den würdigsten Platz im Leben einzu-<br />

räumen, hat er gelitten. Sein Faible für die<br />

Frauen war von Anbeginn der Hebel für sein<br />

Schaffen. Für sein »Laster, in der Liebe zu<br />

einer Frau Erfüllung zu suchen«, musste er<br />

Opfer bringen. Der »dame fatale« Wiens war<br />

er verfallen; wie andere Männer auch. Alma<br />

Schindler war seine Schülerin geworden<br />

und führte ihn in ihre Gesellschaft ein. Sie<br />

spielte mit ihm. Sie zog Gustav Mahler ihm<br />

vor, den er sehr verehrte. In einer Kritik über<br />

eine Arbeit seiner Kompositionsschülerin<br />

schreibt ihr Zemlinsky: »Ein wenig Misserfolge,<br />

eventuell ›Hässlichkeit‹, vielleicht auch Liebes-<br />

weh, Sorgen des Alltags und Strenge für die<br />

Liebenswürdigkeit anderer und die eigene<br />

Weichheit: Das wird mitunter auch ein lebens-<br />

kräftiger Hauptsatz.« Ihre Revanche war Spott<br />

über den »hässlichen Mann«. Doch trotz eines<br />

starken Selbstbewusstseins wollte die Klage<br />

hinaus in die Welt. Dafür brauchte seine<br />

Musik die Sprache der Menschen. So ent-<br />

standen die Psalmen, die Lieder, und in der<br />

Hoffnung einer stärkeren Wirkung: die <strong>Oper</strong>.<br />

Um den richtigen Dichter für ein Libretto<br />

zu finden, hat er einen Umweg nehmen<br />

müssen. Hugo von Hofmannsthal, dessen<br />

zentrale Themen »Ich« und »Welt« gewesen<br />

sind, der dem »Weltgeheimnis« nachhorchte,<br />

war sein Wunschautor. Doch dieser zeigte<br />

kein Interesse.<br />

Dann war da der Plan, eine <strong>Oper</strong> nach<br />

Honoré de Balzacs Roman La Peau de Chagrin<br />

zu komponieren. Die Geschichte einer ver-<br />

krachten Künstlernatur, eines verarmten<br />

und verwaisten Adligen, der Opfer einer<br />

unglücklichen Liebe zu einer schönen, aber<br />

gefühlskalten Dame wird. »Vom Aussatz ihrer<br />

inneren Leere« fühlt er sich angesteckt. Aber<br />

auch eine »Königin der Träume – das uner-<br />

schaffene Wesen, das ganz Geist, ganz Liebe<br />

ist«, kann ihn nicht mehr retten. Da klingt<br />

schon die Sprache an, nach der Zemlinsky<br />

wohl suchte. Und vielleicht auch ein wenig<br />

aus Trotz und aufgrund des Aufruhrs, den<br />

Richard Strauss mit seiner Salome erregt<br />

hatte, fiel seine Wahl auf Oscar Wilde. Auch<br />

dieser Dichter beschreibt den Verfall und die<br />

Liebe in all ihren Farben und Tönen immer<br />

wieder. Also auch hauptthematisch »Welt« und<br />

»Ich«; so nennt Zemlinsky auch zwei musika-<br />

lische Motive aus jeweils drei Tönen, die in<br />

Eine florentinische Tragödie und Der Zwerg<br />

immer wieder zu hören sind.<br />

»Ich weiß nicht, was Liebe ist, … aber wenn<br />

es Furcht ist, Prinzessin, dann liebe ich dich!«<br />

singt sehnsüchtig zur Infantin aufblickend der<br />

»Zwerg«. Das Verb »liebe« im Pianissimo gesun-<br />

gen auf gis, »ich« mit Auflösungszeichen.<br />

Das »Ich« ist in einer Krise der Identität.<br />

Die Rolle, die der Mensch im Leben spielt, wird<br />

befragt. Aus einer Verzweiflung mit Gott greifen<br />

die Menschen in die Schöpfung ein.<br />

Das Leben der Triebe wird gesellschaftsfähig.<br />

Die Geschlechter kämpfen wieder gegeneinan-<br />

der. Die Emotionen motivieren zur Annahme<br />

von Rollen. Die Gefühle erscheinen nur als<br />

»verstellter« Ausdruck der Persönlichkeit, sie<br />

manipulieren und werden manipuliert.<br />

In unseren beiden <strong>Oper</strong>neinaktern wird<br />

– dieses eigenartige und heftige Spiel mit dem<br />

Leben – jeweils ein Opfer gefordert. In beiden<br />

Fällen muss der Tenor sterben. Seine Stimme<br />

hat den Ausdruck der Seele, die sucht. Eine<br />

Seele, die schön sein will und Erfüllung in der<br />

Liebe verspricht. Es ist die phantasiebegabte<br />

Seele. Der Künstler wird zum Tode verurteilt.<br />

Der Mann, der Andere, der Fremde, das Gegen-<br />

teil wird getötet oder stirbt an gebrochenem<br />

Herzen. Über dem Geschehen scheint ein<br />

Mond aus vergangener, mythischer Zeit. Arte-<br />

mis ist noch auf der Jagd. Sie ist die Göttin, die<br />

ein Opfer fordert.<br />

Wohl eher zufällig heißen die beiden<br />

Frauen in unseren Stücken »Bianca« und die<br />

Infantin im Zwerg »Donna Clara«. Clara hieß<br />

auch Zemlinskys Mutter, und eine Tante<br />

Bianca. Aber sie sind auch vom Namen her<br />

helle Gestalten, weiß und klar und rein,<br />

wie eben der Silberschein des Mondes, der<br />

Luna, der Semele, der Artemis. Und sie wollen<br />

spielen mit der Kreatur, die Seele einfordert,<br />

die lieben will.<br />

Zynisch fordert in Eine florentinische<br />

Tragödie Simone, der Ehemann Biancas, der<br />

Handelsmann, der Besitzer seiner Frau, vom<br />

fremden »Freund«, er möge singen zur Laute.


Handlung Eine florentinische Tragödie<br />

Der florentinische Tuchkaufmann Simone kehrt von einer erfolglosen<br />

Geschäftreise unvermutet nach Hause zurück und überrascht seine<br />

Frau mit einem jungen Mann, der sich als Guido Bardi, Sohn des<br />

Herzogs von Florenz, vorstellt. Simone, der sich an dem Verführer<br />

rächen will, spielt zunächst den unterwürfigen Diener und bietet<br />

dem Prinzen, der sich mit Bianca schon am Ziel ihrer beider Wünsche<br />

sieht, Waren und Wein an. Plötzlich aber wird aus dem harmlosen<br />

Geplauder ein Kampf. Simon fordert den Prinzen zum Duell. Der<br />

Kaufmann schlägt Guido das Schwert aus der Hand, entwindet ihm<br />

den Dolch und erwürgt ihn mit bloßen Händen. Bianca bewundert in<br />

Simone ihren wirklichen Mann. Er umarmt seine Frau von Neuem.<br />

»O spielt mein Prinz.« »Ich hab schon gehört,<br />

durch bloßes Greifen einer Saite, durch<br />

zarten Hauch an einem hohlen Rohr, durch<br />

Blasen in des Horns kristallenen Mund, dass,<br />

wer ein Meister ist in dieser Kunst, aus<br />

Kerkern arme Seelen locken kann.« Und kurz<br />

darauf gesteht er: »In einem Kerker schmach-<br />

tet meine Seele, Musik heilt ihren Wahnwitz.«<br />

Guido, der Prinz, der Sohn des Herzogs von<br />

Florenz, will nicht singen, er küsst die Frau;<br />

und er will gehen. »Ein andermal Simone.<br />

Ich hab heut Nacht genug am Wohllaut von<br />

Biancas Stimme. Sie stillt den Liebesdurst<br />

der Luft und hemmt der Erde Taumel.«<br />

Doch für sein Zufriedensein wird er sterben<br />

müssen.<br />

Anders der »Zwerg«, der ebenfalls als<br />

Prinz und Gast auftritt, zerbricht an unerfüllter<br />

Liebe. Er singt wie in Gustav Mahlers Lied<br />

von der Erde – und es tönt bisweilen auch<br />

so – »das Lied vom Kummer soll auflachend<br />

Handlung Der Zwerg<br />

Die Infantin feiert ihren 18. Geburtstag, den der Haushofmeister<br />

vorbereitet hat und prächtige Geschenke überreichen lässt. Die<br />

interessanteste Gabe ist ein Zwerg, ein verkrüppelter Köhlerjunge, den<br />

man beim Jagen gefangen hat und der nichts von seiner Missgestalt<br />

weiß. Der Zwerg verliebt sich in die Prinzessin und träumt trotz<br />

düsterer Ahnungen im Überschwang seiner Gefühle von Abenteuern,<br />

die er für seine Geliebte besteht, zumal die Prinzessin amüsiert das<br />

Spiel mitmacht. Sie schenkt ihrem Anbeter, der sich für einen schönen<br />

Ritter hält, eine weiße Rose. Plötzlich bricht der schöne Traum<br />

zusammen, als der Zwerg in einem bisher verborgenen Spiegel seine<br />

Gestalt sieht. Er stirbt .<br />

in die Seele euch klingen«. Kein heiteres Lied<br />

will ihm gelingen. Er singt, ebenfalls zur<br />

Laute, das Lied von der blutenden Orange<br />

und legt damit der Infantin sein Herz zu<br />

Füßen. Der Augenaufschlag von Donna Clara<br />

löst eine Kettenreaktion aus, die zum Sturm<br />

führt, der wie aus einem warmen, klangvollen<br />

Beginn zu einem Höhepunkt ausgedehnter<br />

Raserei wächst. So ähnlich habe ich das<br />

Adagio des zweiten Streichquartetts op. 15<br />

von Alexander Zemlinsky beschrieben<br />

gelesen. Auch dieses wundervolle kammer-<br />

musikalische Werk entstand nach einer<br />

schweren Demütigung seines Schwagers<br />

Schönberg durch die eigene Schwester.<br />

Donna Clara ist wie die falsche Sphinx<br />

in einem Gedicht Oscar Wildes, eine bleiche<br />

Last, dem Schmerz vereint, die um des<br />

Gastes, des Zwergen Seele wirbt und weint.<br />

Doch er stirbt und sie lacht, sie hat ein<br />

Spielzeug verloren, nicht mehr. Wer weiß,<br />

PREMIERE Eine florentinische Tragödie/ Der Zwerg<br />

ob sie später immer noch vergebens weinen<br />

wird. Bevor der »Zwerg« in den Spiegel sehen<br />

muss, denn er weiß nichts von seiner ange-<br />

blichen Hässlichkeit, sieht er in den Augen<br />

seiner schönen, neuen Liebe den Abgrund<br />

und antwortet auf ihre Frage, warum er ihr<br />

fliehen möchte: »weil ein Gefährliches in<br />

deinen Augen ist, verzeih! Ich weiß nicht was<br />

…« und wenn sie im äußersten Sadismus<br />

ihres Spiels mit ihm sagt, dass sie ihn liebe,<br />

antwortet er: »deine Seele weiß nicht, was<br />

dein Mund spricht.«<br />

Wien, den 21. Januar 2007<br />

+++OPER ExTRA zu Eine florentinische Tragödie/ Der Zwerg am 1.4. 2007, 11.00 Uhr, Holzfoyer. Die <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> und der Patronatsverein laden<br />

ein: Die von den Produktionsdramaturgen zusammengestellte und moderierte Matinee stellt das Werk in seinen vielfältigen Bezügen dar. Diskutiert wird<br />

über Libretto, Komposition, Wirkungsgeschichte und ästhetischen Kontext. Solisten der Premiere vermitteln einen ersten musikalischen Eindruck.+++<br />

7


8<br />

PREMIERE Eine florentinische Tragödie/ Der Zwerg<br />

Eine florentinische Tragödie / Der Zwerg l BIOGRAFIEN<br />

Udo Samel war 15 Jahre festes Ensemblemitglied<br />

der Schaubühne am Halleschen Ufer in<br />

Berlin. Als <strong>Oper</strong>nregisseur<br />

debütierte<br />

er 1996 in Weimar<br />

mit Bergs Wozzeck.<br />

Es folgten u. a. Aida<br />

und Il trittico an der<br />

Dresdner Semperoper.<br />

Seit 2001 war<br />

er wiederholt Gast<br />

am schauspielfrankfurt, wo er auch in Koproduktion<br />

mit der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> die drei Liederzyklen<br />

Schuberts inszenierte. Er erhielt zahlreiche<br />

Preise für Kino- und Fernsehproduktionen, u. a.<br />

den Adolf-Grimme-Preis in Gold und den Europäischen<br />

Filmpreis Barcelona.<br />

Paul Daniel, Chefdirigent des Britten-Pears<br />

Orchestra in Aldeburgh und ehemals u. a. Music<br />

Director der English National <strong>Oper</strong>a, ist weltweit<br />

mit großen Orchestern aufgetreten, darunter das<br />

London Philharmonic Orchestra, Orchestre de<br />

Paris, Los Angeles Philharmonic Orchestra, Tonhalle-Orchester<br />

Zürich und das BBC Symphony<br />

Orchestra (bei »Last Night of the Proms« 2005).<br />

An der Metropolitan <strong>Oper</strong>a debütierte er 2006<br />

mit Die Zauberflöte. Auch 2007/08 wird er in<br />

<strong>Frankfurt</strong> dirigieren.<br />

Eva Dessecker ist seit 1990 freischaffend für<br />

Schauspiel und <strong>Oper</strong> tätig. U. a. erarbeitete sie<br />

Produktionen an der Schaubühne Berlin, am<br />

Nationaltheater Mannheim, am <strong>Oper</strong>nhaus<br />

Zürich, in München, Nanterre, Straßburg und bei<br />

den Salzburger Festspielen, wo auch 2007<br />

Kostüme der Künstlerin zu sehen sind. An der<br />

<strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> brachte sie 2002/03 gemeinsam<br />

mit Udo Samel die szenische Interpretation der<br />

Liederzyklen Schuberts zur Aufführung.<br />

Carsten Süß gastiert regelmäßig an der <strong>Oper</strong><br />

<strong>Frankfurt</strong>. Zuletzt erregte er hier Aufsehen, als er,<br />

eigentlich nur als Wenzel engagiert, an einem<br />

Abend zusätzlich noch die Partie des Hans in<br />

Die verkaufte Braut übernahm. 2006 führte ihn<br />

ein Gastspiel der Zauberflöte-Inszenierung<br />

Konwitschnys als Tamino nach Japan. In Folge<br />

seines Debüts beim Maggio Musicale in Florenz<br />

ist er auch mehrfach in die USA eingeladen<br />

worden. Tamino sang er in Wien, Prag und Graz.<br />

Tobias Hoheisel, geboren in <strong>Frankfurt</strong>, ist<br />

seit 1982 als freier Bühnen- und Kostümbildner<br />

und seit<br />

2002 auch als<br />

Regisseur für <strong>Oper</strong><br />

und Schauspiel tätig.<br />

Wichtige Arbeiten<br />

waren z. B. die<br />

deutsche Erstaufführung<br />

von<br />

yasmina Rezas<br />

Kunst (Schaubühne Berlin, Übernahme 2006<br />

an das Burgtheater Wien) oder Pfitzners<br />

Palestrina und Henzes Boulevard Solitude<br />

am Royal <strong>Oper</strong>a House Covent Garden (ausgezeichnet<br />

mit dem Laurence Olivier Award<br />

2001).<br />

Robert Hayward sang seit 2006 an der Welsh<br />

National <strong>Oper</strong>a in Cardiff die Titelpartien in Der<br />

fliegende Holländer und Mazeppa, gefolgt von<br />

Kurwenal in Tristan und Isolde sowie Iwan<br />

Chowanski in Chowanschtschina. An der <strong>Oper</strong><br />

<strong>Frankfurt</strong> übernahm er 2004/05 die Titelrolle in<br />

Dallapiccolas Il prigioniero. Der u. a. an der Guildhall<br />

School of Music and Drama ausgebildete<br />

Künstler ist bereits für zwei weitere Neuproduktionen<br />

an der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> eingeplant.<br />

Claudia Mahnke gewann 1994 den 1. Preis beim<br />

Bundeswettbewerb für Gesang in Berlin. Ab 1996<br />

sang sie fest im Ensemble der Staatsoper Stuttgart,<br />

wo sie 2006 Kammersängerin wurde, u. a.<br />

die Titelpartie von Hartmanns Simplicius Simplicissimus<br />

(Mehrfachnominierung von der »<strong>Oper</strong>nwelt«<br />

als »Sängerin des Jahres«). Das neue Ensemblemitglied<br />

der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> (diese Saison<br />

z. B. Charlotte in Werther) gastiert 2007 an der<br />

San Francisco <strong>Oper</strong>a als Zerlina (Don Giovanni).<br />

Auch Juanita Lascarro ist Ensemblemitglied der<br />

<strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> – seit 2002. Furore machte sie<br />

hier mit ihren Interpretationen unterschiedlichster<br />

Titelpartien, darunter Manon, Lulu, Juliette, Poppea<br />

und Agrippina. In der Saison 2006/07 tritt<br />

sie in der Wiederaufnahme von La Traviata erneut<br />

als Violetta auf, singt Nuri (Tiefland) und Isifile<br />

(Giasone). Als Manon Lescaut (Boulevard<br />

Solitude) gastierte sie kürzlich am Teatre del<br />

Liceu in Barcelona.<br />

Sonja Mühleck war Preisträgerin beim Hilde-<br />

Zadek-Wettbewerb und beim Wettbewerb für<br />

Wagnerstimmen in Bayreuth. Sie war z. B. mit<br />

dem Münchner Staatsopernorchester und dem<br />

RSO Saarbrücken und bei zahlreichen Festivals zu<br />

hören. U. a. sang sie Sieglinde, Freia und Micaëla.<br />

Seit 2005 ist sie Ensemblemitglied der <strong>Oper</strong><br />

<strong>Frankfurt</strong>, wo sie 2006/07 auch Vitellia in La clemenza<br />

di Tito und Elisabeth in Tannhäuser gibt.<br />

2007 debütiert sie bei den Bayreuther Festspielen.<br />

Florian Plock zählt zu seinen Auszeichnungen<br />

den Ersten Preis beim Bundeswettbewerb Gesang<br />

in Berlin 2002. Nach Engagements z. B. am<br />

Staatstheater Wiesbaden und dem Beginn seiner<br />

Gastauftritte an der Komischen <strong>Oper</strong> Berlin als<br />

Masetto in Konwitschnys Don Giovanni-Inszenierung<br />

wurde er 2004 in das Ensemble der <strong>Oper</strong><br />

<strong>Frankfurt</strong> aufgenommen. 2006/07 singt er hier<br />

u. a. Orest (Giasone), Alidoro (La Cenerentola)<br />

und zum wiederholten Mal Papageno.<br />

Der Tenor Peter Bronder sang an der <strong>Oper</strong><br />

<strong>Frankfurt</strong> z. B. Herodes in Salome und die Titelpartie<br />

in El Retablo de Maese Pedro. 2005<br />

debütierte er mit Falstaff an der Metropolitan<br />

<strong>Oper</strong>a New york. Danach gastierte er am Royal<br />

<strong>Oper</strong>a House Covent Garden sowie in Gent und<br />

gab Erik (Der fliegende Holländer) in Rouen.<br />

CD-Einspielungen hat er u. a. bei Chandos und<br />

EMI vorgenommen.<br />

Anna Ryberg zählt seit 2004 zum Ensemble der<br />

<strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong>. Hier verkörperte die in Sydney<br />

und Manchester ausgebildete Sopranistin z. B.<br />

Oscar in Un ballo in maschera, Servilia in<br />

La clemenza di Tito und Poppea in Agrippina.<br />

Als Susanna (Le nozze di Figaro) gastierte die<br />

Schwedin in Manchester, London, Limoges und<br />

Jersey, als Pamina in Aix-en-Provence, als Mimì in<br />

Manchester und als Händels Semele in Sydney.<br />

Katharina Magiera begann 2003 eine Gesangsausbildung<br />

bei Hedwig Fassbender in <strong>Frankfurt</strong>.<br />

2004 erfolgte ihre Aufnahme in die yehudi<br />

Menuhin-Stiftung »Live music now«. An der <strong>Oper</strong><br />

<strong>Frankfurt</strong> war sie 2005/06 in Combattimenti<br />

(Bockenheimer Depot) und 2006/07 in Die<br />

Zauberflöte zu erleben. Weiterhin gab sie z. B.<br />

Henry Purcell in Tankred Dorsts Purcells Traum<br />

von König Artus in Wiesbaden.<br />

Biografie von Anja Fidelia Ulrich Seite 17.


BERÜHMT, VERGESSEN, WIEDERENTDECKT<br />

Alexander von Zemlinsky<br />

AlExAndER-ZEMlInsky-dokuMEntAtIonsAusstEllung<br />

1. April – 13. Mai 2007 im Chagallsaal<br />

Eröffnung der Ausstellung am 1. April, 11.00 Uhr, im Rahmen von OPER ExTRA<br />

Mit freundlicher Unterstützung des Alexander-Zemlinsky-Fonds<br />

Der Alexander-Zemlinsky-Fonds bei der<br />

Gesellschaft der Musikfreunde in Wien<br />

begrüßt die entdeckungsfreudige Spielplan-<br />

Programmatik der <strong>Frankfurt</strong>er <strong>Oper</strong> unter<br />

Bernd Loebe, in der neben anderen Neu-<br />

belichtungen von Werken jenseits des Kern-<br />

repertoires auch die künstlerisch so reiche<br />

Zeit nach der vorletzten Jahrhundertwende<br />

wieder in den Focus des Interesses rückt:<br />

Schrekers Schatzgräber, Blochs Macbeth,<br />

auch d’ Alberts Tiefland und jetzt die<br />

beiden Oscar-Wilde-Einakter Alexander von<br />

Zemlinskys. Sie sind seit ihrer ersten Wieder-<br />

aufführung 1981 in Hamburg allerorten<br />

wieder in die Spielpläne der Theater zurück-<br />

gekehrt und spiegeln damit das Schicksal<br />

ihres Komponisten: Einst berühmt, dann<br />

vergessen und spät wiederentdeckt.<br />

Die Zemlinsky-Ausstellung, die vom<br />

Alexander-Zemlinsky-Fonds bei der Gesell-<br />

schaft der Musikfreunde in Wien erstmals<br />

bei den Salzburger Festspielen 2003 an-<br />

lässlich der Premiere des König Kandaules<br />

präsentiert wurde, ist seither an etlichen<br />

großen und kleineren europäischen <strong>Oper</strong>n-<br />

häusern gezeigt worden, u. a. in Zürich, Prag,<br />

Sofia, Belgrad und Berlin. Sie zeigt das<br />

Schicksal eines Musikers zwischen den<br />

Zeiten und Stilen, der, ästhetisch wie politisch,<br />

zuweilen auch zwischen alle Stühle zu ge-<br />

raten drohte. Leben, Werke und Wirkungs-<br />

geschichte, die Stationen der Tätigkeit von<br />

Zemlinsky, der wie seine älteren Zeitgenos-<br />

sen Mahler und Strauss eine Doppelbe-<br />

gabung als Komponist wie als Dirigent<br />

gewesen ist, werden in der Ausstellung<br />

nachgezeichnet: Wien, wo er noch vom<br />

alten Brahms und von Mahler gefördert<br />

wurde, Lehrer Schönbergs und Korngolds<br />

war und als Dirigent an Hofoper und<br />

Volksoper wirkte. Prag, wo er von 1911 bis<br />

1927 <strong>Oper</strong>ndirektor des Neuen Deutschen<br />

Theaters, der heutigen Staatsoper, war, und<br />

einige seiner wichtigsten Werke schrieb, u. a.<br />

die Florentinische Tragödie und den Zwerg.<br />

Berlin, wohin ihn Klemperer an die Krolloper<br />

verpflichtete. Schließlich wieder seine Vater-<br />

stadt Wien, wohin er nach der Machter-<br />

greifung der Nationalsozialisten zurückge-<br />

kehrt war, bis er 1938 nach der Besetzung<br />

österreichs in die USA emigrierte, wo er<br />

1942 krank und vergessen verstorben ist.<br />

»Meine Zeit wird erst nach meinem<br />

Tode kommen«, hat Zemlinsky noch im<br />

PREMIERE Eine florentinische Tragödie/ Der Zwerg<br />

Detlev Glanert<br />

hohen Alter gesagt. Sie ist gekommen, doch<br />

erst nach dem »Altern der Neuen Musik«, mit<br />

Adorno zu sprechen, der schon in den Fünfzi-<br />

gern als Einziger und ohne jede Resonanz ein<br />

beredter Fürsprecher Zemlinskys gewesen ist.<br />

Die Zeit ist gekommen im letzten Vierteljahr-<br />

hundert – und heute ist Zemlinsky, der unter<br />

dem Einfluss von Brahms begann und sich<br />

in seinem Spätwerk dem Ton der Neuen<br />

Sachlichkeit öffnete, mit seinen <strong>Oper</strong>n,<br />

seinen Orchesterwerken und seiner Kammer-<br />

musik, wieder häufig zu hören und zu be-<br />

wundern. Die breite Palette seiner ganz<br />

eigenen Musik mit ihrem unverwechselbaren<br />

Persönlichkeitsstil und ihren Schöpfer möchte<br />

die von unserer Stiftung konzipierte Aus-<br />

stellung als Mensch und als Künstler in einer<br />

von aufregenden politischen und musika-<br />

lischen Umwälzungen geprägten Zeit dem<br />

Publikum in Bildern und Texten nahebringen.<br />

Peter Dannenberg<br />

1. Vorsitzender des<br />

Alexander-Zemlinsky-Fonds bei der<br />

Gesellschaft der Musikfreunde in Wien<br />

9


10<br />

GIUSEPPE VERDI<br />

Simon Boccanegra<br />

Alles ist überwunden! … Der Klang der Totenglocke ertönt …<br />

Aber das Sterben hat keinen Schrecken mehr für mich …<br />

Mein Kind ist ja bei mir …<br />

Aus Asche und Zerstörung blühe meines Kindes Glück.<br />

(Simon Boccanegra, 3. Akt)


AUF LEBEN UND TOD – SIMON BOCCANEGRA<br />

Anmerkungen zu Verdis Fatalismus<br />

PREMIERE Simon Boccanegra von Giuseppe Verdi<br />

Sonntag, 20. Mai 2007<br />

Weitere Vorstellungen: 24., 27. Mai; 1., 14., 17., 22., 30. Juni, 6. Juli 2007<br />

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln<br />

Melodramma in einem Prolog und drei Akten von Francesco Maria Piave,<br />

nach dem Schauspiel von Antonio Garçía y Gutiérrez, Neufassung Arrigo Boito<br />

Uraufführung 1. Fassung am 12. März 1857, Teatro La Fenice, Venedig<br />

Uraufführung 2. Fassung am 24. März 1881, Teatro alla Scala, Mailand<br />

Musikalische Leitung Paolo Carignani I Regie Christof Loy<br />

Bühnenbild Johannes Leiacker I Kostüme Bettina Walter I Dramaturgie Norbert Abels<br />

Licht Olaf Winter I Chor Alessandro Zuppardo<br />

Simon Boccanegra Z˘eljko Luc˘ić I Jacopo Fiesco Bálint Szabó<br />

Paolo Albiani Johannes Martin Kränzle I Amelia Grimaldi Annalisa Raspagliosi<br />

Gabriele Adorno Paul Charles Clarke I Pietro Pavel Smirnov<br />

Mit freundlicher Unterstützung der Landwirtschaftlichen Rentenbank<br />

Die Natur, mit der das Werk, das Wogen<br />

des Meeres beschwörend, einsetzt,<br />

wird erst am Schluss wieder zum Flucht-<br />

punkt des sterbenden Helden. Das Meer<br />

behauptet sich als Daseinsmetapher befrei-<br />

ender Selbstauflösung, als Kontrapunkt zu<br />

all den qualvollen Ritualen der organisierten<br />

Erden-Gesellschaft. Erst zu Land wird der<br />

ehemalige Freibeuter Opfer des bodenver-<br />

hafteten patriotischen Geschehens. Sein<br />

Tod ist die Heimkehr zum Meer. Das Ster-<br />

ben beginnt – im wiegenden sechs Achtel –<br />

mit dem Blick auf das Meer: »Das Meer!<br />

das Meer! es so zu betrachten, …«<br />

Der Blick, auch wenn es der letzte ist, ver-<br />

heißt nochmals die Freiheit des Aufbruches.<br />

In Giulio Ricordis szenischen Notizen zur<br />

Scala-Produktion von 1883 wird das genau<br />

festgehalten: »Der Doge fällt auf den Stuhl,<br />

richtet einen letzten Blick aufs Meer, das<br />

Haupt sinkt ihm herab, er ist tot.«<br />

Der letzte Landgang Simons ist angefüllt<br />

mit Unausweichbarkeiten. Der offene Blick<br />

muss zum misstrauischen Auge werden.<br />

Jetzt erst, im verschmelzenden Largo der<br />

ehemaligen Antipoden, kann sich das Innere<br />

ins Außen vergießen. Doge: »Piangi …?«<br />

Fiesco, con espressione: »Piango.« Auch<br />

die Tränen also gehören zur Metaphorik<br />

des Meeres, dem mysteriösen Urgrund alles<br />

Lebens, der am Schluss die Ordnung des<br />

offenen Blickes wiederherstellt.<br />

Die äußerste Lakonik, die Verdi gleich<br />

zu Beginn der <strong>Oper</strong> verwendet, um die Un-<br />

vereinbarkeit von individuellem Leid und<br />

öffentlicher Geltung bei seinem Titelhelden<br />

erscheinen zu lassen, zeugt von dem in den<br />

späten siebziger Jahren immer stärker an-<br />

wachsenden Fatalismus des Komponisten.<br />

Das am Anfang der instrumentalen Einleitung<br />

der ersten Fassung von 1857 stehende, ab-<br />

gerundete »Preludio« wies noch alle Ingredi-<br />

enzien der üblichen Ouvertüre auf. Die darin<br />

verarbeitete Hymne des Dogen allein streute<br />

vorab schon apotheotisches <strong>Oper</strong>nlicht. Nun,<br />

im 24 Jahre vorher spielenden Prolog der<br />

Endfassung, wird die tragische Unvereinbar-<br />

keit von Indivudiuum und Repräsentant so-<br />

fort entwickelt. Noch kaum verhallt sind die<br />

pianissimo gespielten E-Dur-Meeresakkorde.<br />

Das Allegro moderato des Beginns, ergänzt<br />

durch das die gesamte erste Szene über-<br />

dauernde mezza voce, das nur durch Paolos<br />

Verfluchung der Patrizier unterbrochen wird,<br />

Giuseppe Detlev Glanert Verdi<br />

breitet eine dunkle, ausweglose Sphäre aus,<br />

die das ganze Werk bestimmen wird. Auch<br />

im von aller Belcanto-Konvention der ersten<br />

Fassung befreiten Dialog zwischen Paolo und<br />

Simon erscheint jenes Netz aus Verhängnis,<br />

Verschlagenheit und – auf der Seite Simons –<br />

offenkundiger Disposition, zum Opfer eben<br />

dieser machtpolitischen Konstanten zu werden.<br />

Mit rasender Geschwindigkeit geschieht dies.<br />

Nur einige Worte genügen, und aus dem Frei-<br />

beuter wird Boccanegra: der Doge, das Ober-<br />

haupt des Stadtstaates.<br />

PREMIERE Simon Boccanegra<br />

Zunächst antwortet Boccanegra auf den<br />

Vorschlag Paolos mit der obligatorischen, ab-<br />

schlägigen und aus der Bibel (Moses, Jesus,<br />

Jeremias) sattsam bekannten Floskel der Ver-<br />

antwortungsablehnung: »Ich? Nein.« Erst<br />

durch Paolos demagogischen Trick der Ver-<br />

heißung von Lebensglück durch das Mittel<br />

der Politik kommt es zur Annnahme des An-<br />

gebotes. Paolo: »Lockt dich die Krone des<br />

Dogen?« Simon: »Phantasierst du?« Paolo:<br />

»Und Maria?« Simon: »Oh unschuldiges Opfer<br />

meiner verhängnisvollen Liebe! Sag mir,<br />

weißt du von ihr? Sprachest du mit ihr?« Paolo<br />

(auf den Palast Fieschi zeigend): »Als Gefange-<br />

ne seufzt sie in diesem Haus.« Simon: »Maria!«<br />

11


12<br />

PREMIERE Simon Boccanegra<br />

Paolo: »Du stimmst zu?« Simon: »Paolo …«<br />

Paolo: »Alles ordnete ich an … und ersuche<br />

dich nur um den Anteil an den Gefahren und<br />

am Gewinn.« Simon: »Es sei …« Paolo: »Auf<br />

Leben und Tod?« Simon: »Es sei …«<br />

Das Schicksal Boccanegras wird in dieser<br />

knappen Sequenz begründet und zugleich be-<br />

siegelt. Die Fatalität des nun folgenden Gesche-<br />

hens verdankt sich einzig der Illusion,<br />

öffentliche Reputation gehe der Erfüllung der<br />

Seele voraus. Indem Boccanegra Politik als<br />

Mittel privater Versöhnung verwendet, gibt er<br />

die Stationen seines eigenen Unterganges<br />

selbst vor. Die Geschichte, zu deren offiziellem<br />

Vertreter er auf zweifelhafte Weise gewählt<br />

wird – im Grunde nur als Instrument macht-<br />

gieriger Hintermänner – präsentiert von nun<br />

an den gnadenlosen Schauplatz des Kampfes<br />

von Innen und Außen. Die Gegensätze häu-<br />

fen sich, Ethik und Staatspragmatik schließen<br />

sich aus. Muss der Geliebte der wiedergefun-<br />

denen Tochter für die Wiederherstellung der<br />

Ordnung exekutiert werden? Muss ein offen-<br />

kundiger Verräter wie Paolo zum Wohle des<br />

Volkes noch verschont werden?<br />

Am Schluss des ersten Aktes glaubt der<br />

Titelheld, dem vermittelnden Geist Petrarcas<br />

folgend, noch an die Vereinbarkeit von Politik<br />

und Moral durch die Liebe. Bezeichnender-<br />

weise greift er, um die Liebe zu charakterisie-<br />

ren, wiederum zur Naturmetaphorik. Nochmals<br />

zeichnet das Bild des Meeres in der Ansprache<br />

an die Patrizier und die Plebejer das Gleich-<br />

gewicht von Innen und Außen. »Obwohl Euch<br />

das weite Reich der Meere leidenschaftlich<br />

ruft, zerreißt Ihr Euch an heimischen Herden<br />

das Herz.«<br />

Die majestätisch, Andante mosso be-<br />

gonnene Anrede mit ihren chromatisch ab-<br />

sinkenden Achteln, erinnert an den ewigen<br />

und blutigen Bruderkrieg. Dann, mit ungleich<br />

expressiverem Ausdruck, folgt die Beschwö-<br />

rung der Natur als utopisches Bild des Friedens.<br />

Das Pizzicato der Streicher, das Fis-Dur errei-<br />

chend, wirbt geradezu darum. Ungeheuerlich,<br />

wie im Folgenden das Volk die Worte aufnimmt<br />

und, mit den Stimmen der Soli vereint, ein<br />

großes al fresco dieser Utopie malt. Dieses<br />

al fresco jedoch erweist sich als Scheinver-<br />

söhnung. Inmitten der nachgerade sakralen,<br />

zum Crescendo ansetzenden Friedensbe-<br />

teuerung des Chores nämlich verständigen<br />

sich, mimetisch geschickt sich dessen Stimm-<br />

linie anpassend, die Intriganten Paolo und<br />

Handlung Simon Boccanegra<br />

Im Genua des 14. Jahrhunderts herrscht Bürgerkrieg. Adel und Zunft-<br />

bürgertum kämpfen um die Macht. Der zum Dogen gewählte Korsar<br />

Boccanegra hofft den Aristokraten Fiesco dazu zu bewegen, dessen<br />

Tochter Maria, mit der er bereits ein Kind hat, zu heiraten. Fiesco<br />

sagt zu, verlangt aber für sich selbst die kleine Tochter. Dem Dogen<br />

verschweigt er den Tod Marias. Die verschollene Amelia, inzwischen<br />

schon erwachsen, wuchs bei der Familie Grimaldi auf. Jetzt liebt<br />

sie den Aristokraten Gabriele Adorno. Während eines Besuches<br />

Boccanegras bei den Grimaldis, erkennen sich Tochter und Vater. Er<br />

kam, um sie zur Heirat mit Paolo Albani, dem Anführer der Volkspartei,<br />

zu überreden. Daraus wird nun nichts, Paolo rächt sich, indem er dem<br />

Dogen Gift in den Becher gibt und Adorno zum Mord anstiftet. Dieser<br />

aber erkennt die Intrige und schlägt sich auf Simons Seite. Boccanegra,<br />

bereits im Sterben, versöhnt sich mit dem Feind Fiesco und stiftet die<br />

Verbindung zwischen Amelia und Adorno.<br />

Pietro. Hinzu kommt noch, gleichfalls kaum<br />

hervorgehoben, Fiescos pessimistische<br />

Prophezeiung von Genuas Untergang. Keine<br />

Rede also mehr von Apotheose.<br />

Ohne Zweifel: Fest steht für den späten<br />

Verdi eine starre Ordnung der politischen<br />

Macht. Verdi nimmt davon auch das Ritual<br />

der Revolte nicht aus. Vorbei ist die Emphase<br />

des Risorgimento. »In den Massen gibt es si-<br />

cherlich immer den Aufwiegler, die üblen<br />

Subjekte, die Diebe, aber es gibt auch fast<br />

immer den Hunger«, schreibt er in einem<br />

Brief. Als so schlimme wie unumgängliche<br />

Notwendigkeit betrachtet er nun »Theorien,<br />

Regierungsformen, Patriotismus, Würde usw.<br />

usw.«, von denen er sich vierzig Jahre zuvor<br />

entflammt gezeigt hatte, als er an seinen<br />

Freund Francesco Maria Piave schrieb: »ja-<br />

wohl, noch ein paar Jahre, vielleicht ein paar<br />

Monate, und Italien wird frei sein (…) Es darf nur<br />

eine Musik geben, die den Ohren der Italiener<br />

von 1848 gefällt: Die Musik der Kanonen! …«<br />

} Norbert Abels


Es ist ein weiter Weg vom serbischen Zrenjanin<br />

bis nach <strong>Frankfurt</strong>. Zehn Jahre werden bald vergangen<br />

sein, seit Zˇeljko Lučić an der <strong>Oper</strong><br />

<strong>Frankfurt</strong> seinen ersten Vater Germont sang und<br />

damit nicht nur seine Karriere in <strong>Frankfurt</strong><br />

begann, sondern auch den Grundstein für eine<br />

internationale Karriere legte. Inzwischen singt<br />

der Bariton in Wien, Paris, Amsterdam, London<br />

und an der New yorker Metropolitan <strong>Oper</strong>a.<br />

Angebote der Scala musste er bislang einzig<br />

zurückweisen, weil sie zu kurzfristig erfolgten<br />

und er längst ausgebucht war. Lučić sang<br />

damals auch in Hamburg und Dresden vor.<br />

<strong>Frankfurt</strong> aber gewann ihn für das Ensemble,<br />

dem er heute noch angehört. In <strong>Frankfurt</strong>,<br />

genauer gesagt im »Nordend«, hat er mit seiner<br />

Familie eine zweite Heimat gefunden: »Ich gehe<br />

Paolo Carignani hat diese Saison u. a. auch<br />

die musikalische Leitung bei Aida und Andrea<br />

Chénier (beide konzertant) sowie den Neuinszenierungen<br />

von Tannhäuser und Il ritorno<br />

d’Ulisse in patria (Bockenheimer Depot) inne.<br />

Gastverpflichtungen führen den GMD der <strong>Oper</strong><br />

<strong>Frankfurt</strong> 2006/07 u. a. nach Berlin, Genua,<br />

Zürich, München, Hamburg (Parsifal) und Wien.<br />

Christof Loy ist dem Publikum der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong><br />

durch seine Inszenierungen von Die Entführung<br />

aus dem Serail (auch auf DVD), Faust,<br />

La clemenza di Tito und La finta semplice ein<br />

Begriff. 2003 und 2004 wurde er von Kritikern<br />

der Zeitschrift »<strong>Oper</strong>nwelt« zum »Regisseur des<br />

Jahres« gewählt. Zuletzt entstanden Arabella<br />

in Göteborg und, gemeinsam mit Johannes<br />

Leiacker, Giulio Cesare in Wien.<br />

Johannes Leiacker erarbeitete jüngst mit<br />

Vera Nemirova Otello an der Semperoper<br />

Dresden und Tannhäuser an der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong>.<br />

Außerdem gestaltete er hier das Bühnenbild<br />

zu Mefistofele. Der international gefragte<br />

Künstler ging 2005 für Roméo et Juliette an<br />

die Metropolitan <strong>Oper</strong>a. 2007 wird auf der<br />

Seebühne in Bregenz Tosca in seinem Bühnenbild<br />

aufgeführt.<br />

Simon Boccanegra l DAS TEAM<br />

Zˇeljko Lučić BARITON<br />

nach Hause, sage ich, wenn ich von einer<br />

Produktion in Amerika oder Frankreich zurückkehre.<br />

Die <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> ist mein Stammtheater.<br />

In <strong>Frankfurt</strong> werde ich auch bleiben,<br />

wenn meine Zeit als Ensemblemitglied einmal<br />

zu Ende gehen sollte.« Verdi gilt – im Gegensatz<br />

zu Puccini – Lučić´ ganze Leidenschaft.<br />

»Ich bin und bleibe Verdi-Bariton. Für mich ist<br />

er der größte Komponist. Wer sonst gibt mir in<br />

meinem Fach jenes große Melos, wer sonst<br />

vermag die Transparenz der Stimme von dem<br />

gewaltigen Orchesterapparat so zu wahren.<br />

Meine Stimme ist eine Verdi-Stimme. Ich<br />

nenne ihn Papa Verdi. In meinen <strong>Frankfurt</strong>er<br />

Jahren lagen die großen und die kleinen<br />

Partien auf meinem Weg: Ich sang Ford in<br />

Falstaff, Ezio in Attila, Marullo in Rigoletto,<br />

Giacomo in Giovanna d’Arco, Renato im<br />

Maskenball, Don Carlos in Macht des Schicksals,<br />

Verdis Macbeth und Nabucco. Den Jago<br />

werde ich in der nächsten Spielzeit konzertant<br />

singen. Mit Vater Germont reise ich um die<br />

Welt. Simon Boccanegra freilich ist eine<br />

besondere Herausforderung. Der späte Verdi<br />

hat seine unverwechselbaren Charakteristika.<br />

Bettina Walter gestaltete für <strong>Frankfurt</strong> die<br />

Kostüme zu Katja Kabanová, Faust und Tiefland<br />

(Koproduktion mit der Wiener Volksoper).<br />

2005/06 konzipierte sie mit Nikolaus Lehnhoff<br />

Lohengrin in Baden-Baden und La clemenza<br />

di Tito in Salzburg, wohin sie 2007 für Armida<br />

mit Christof Loy zurückkehrt. Geplant ist u. a.<br />

<strong>Jenufa</strong> in München.<br />

Bálint Szabó, dessen Schwerpunkt auf Verdi-<br />

Partien liegt, erhielt in Budapest 1998 den<br />

1. Preis beim Internationalen Gesangswettbewerb.<br />

Bevor er 2005 in das Ensemble der<br />

<strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> wechselte, war er fest an der<br />

Ungarischen Staatsoper und der Rumänischen<br />

Staatsoper sowie in Hamburg engagiert. Er<br />

begann diese Saison in <strong>Frankfurt</strong> als König von<br />

Ägypten in Aida (konzertant).<br />

Johannes Martin Kränzle, seit 1998 im<br />

Ensemble, zählt zu seinem über 80 Rollen<br />

umfassenden Repertoire alle großen Mozartpartien,<br />

Rossinis Figaro, Verdis Ford, und<br />

Puccinis Sharpless. 2006/07 ist er hier auch als<br />

Sixtus Beckmesser (Meistersinger), Macduff<br />

(Blochs Macbeth), Graf Almaviva (Le nozze di<br />

Figaro) und Grigori Grjasnoi (Die Zarenbraut)<br />

zu erleben.<br />

PREMIERE Simon Boccanegra<br />

Der Komponist gab seinem Helden keine Arie.<br />

Er ist das tragische Zentrum der Handlung,<br />

ein gezeichneter Mann, dessen Tod die traurige<br />

Voraussetzung für den Frieden ist – eine geradezu<br />

archaische tragische Situation. Der Bürgerkrieg,<br />

das mittelalterliche Genua, das Korsarenkolorit:<br />

All das ist am Ende nur Staffage für einen<br />

allein durch den Tod fortzuschaffenden Konflikt<br />

eines vom Unglück heimgesuchten Menschen.<br />

Wie zart und bewegend zeichnet Verdi das<br />

Verhältnis zwischen Vater und Tochter; ein von<br />

ihm oft verwendetes Thema – hier aber unendlich<br />

einfühlsam in Musik gesetzt. Dem Meer, mit<br />

dem das Werk beginnt, gilt auch der letzte Blick<br />

des ehemaligen Korsaren. Er weiß selbst, dass<br />

sein Tod ein Opfer ist. Er stirbt deshalb nicht als<br />

gebrochener Mensch.«<br />

Annalisa Raspagliosi interpretierte in <strong>Frankfurt</strong><br />

bereits Valentine in Les Huguenots (konzertant),<br />

Nedda in I Pagliacci, Margherita in Boitos Mefistofele<br />

und Violetta (La Traviata). International<br />

gefragt ist sie z. B. auch als Leonora in Il trovatore<br />

(2007 in Tel Aviv) und Luisa Miller ebenso wie<br />

als Amelia in Simon Boccanegra, die sie schon<br />

für eine CD-Einspielung sang.<br />

Paul Charles Clarke, der als Gabriele Adorno<br />

ebenfalls in Hamburg engagiert wurde, singt<br />

Cassio in Verdis Otello konzertant mit dem<br />

Orchester des WDR. Letztere Partie führte ihn<br />

bereits an die Metropolitan <strong>Oper</strong>a. In Cardiff<br />

interpretierte er 2005 Don Carlos und zuletzt<br />

Pinkerton. Zudem gastierte er diese Saison an<br />

der English National <strong>Oper</strong>a und in Hongkong.<br />

Pavel Smirnov, Mitglied des Chors der <strong>Oper</strong><br />

<strong>Frankfurt</strong>, trat solistisch u. a. in Gent, Prag,<br />

Lissabon, Luzern sowie in Bad Orb mit Partien<br />

wie Posa (Don Carlos), Don Pizarro (Fidelio),<br />

Valentin (Gounods Faust) und Sebastiano<br />

(Tiefland) auf. An der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> sang er<br />

z. B. Saretzki (Eugen Onegin) und Antonio<br />

(Il viaggio a Reims).<br />

+++OPER ExTRA zu Simon Boccanegra am 6.5.2007, 11.00 Uhr, Holzfoyer. Die <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> und der Patronatsverein laden ein: Die von den<br />

Produktionsdramaturgen zusammengestellte und moderierte Matinee stellt das Werk in seinen vielfältigen Bezügen dar. Diskutiert wird über Libretto,<br />

Komposition, Wirkungsgeschichte und ästhetischen Kontext. Solisten der Premiere vermitteln einen ersten musikalischen Eindruck.+++<br />

13


14<br />

CLAUDIO MONTEVERDI<br />

Il ritorno d’Ulisse in patria<br />

Nichts ist sicher<br />

vor meinem Zahn.<br />

Er nagt und ergötzt sich.<br />

Flieht nicht, ihr Menschen,<br />

ich hinke zwar, doch hab’ ich Flügel.<br />

Die Zeit im Prolog


ENDLICH ZU HAUSE<br />

Der Held, der Vielfraß und die Götter<br />

PREMIERE Il ritorno d’Ulisse in patria (Die Rückkehr des Odysseus ins Vaterland)<br />

von Claudio Monteverdi<br />

Samstag, 23. Juni 2007<br />

im Bockenheimer Depot<br />

Weitere Vorstellungen: 25., 27., 30. Juni; 2., 4., 6., 8. Juli 2007<br />

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln<br />

<strong>Oper</strong> in drei Akten mit Prolog I Text von Giacomo Badoaro nach Homers Odyssee<br />

Uraufführung im Frühjahr oder Herbst 1640, Teatro di S. Cassiano, Venedig<br />

Musikalische Leitung Paolo Carignani / Felice Venanzoni I Regie David Hermann<br />

Bühnenbild und Kostüme Christof Hetzer I Dramaturgie Zsolt Horpácsy I Licht Jürgen Koß<br />

Penelope Christine Rice I Telemaco Peter Marsh I Ulisse Kresimir Spicer<br />

Amore / Melanto Katharina Magiera I Antinoo / Tempo / Nettuno Magnus Baldvinsson<br />

Giove / Anfinomo Christian Dietz I Fortuna / Ericlea Jenny Carlstedt I Minerva Anja Fidelia Ulrich<br />

Eurimaco / Pisandro Ralf Simon I Eumete Jussi Myllys I Iro Danilo Teps˘a<br />

Unheil prägt die Fahrten der griechischen<br />

Heimkehrer nach dem Trojanischen<br />

Krieg. Göttliche Eingriffe mildern oder ver-<br />

schärfen die Konfliktsituationen der Unglück-<br />

seligen, und nur einige von ihnen überleben<br />

die Capricen der höheren Mächte. Unter<br />

ihnen ist Odysseus zweifellos der berühm-<br />

teste: Seine Geschichte nimmt unter den<br />

Erzählungen der gruseligen trojanischen<br />

Heimfahrten einen besonderen Platz ein.<br />

Adaptionen ziehen sich durch die gesamte<br />

Literatur- und Musikgeschichte. Vielen Be-<br />

arbeitungen schien seine Heimkehr sogar<br />

wichtiger zu sein als die abenteuerlichen<br />

Irrfahrtsberichte. Wie kommt der listige Held<br />

nach 20 Jahren Abwesenheit zu Hause an?<br />

Wie findet das Ehepaar, Penelope und<br />

Odysseus, wieder zusammen? Erkennen sie<br />

sich? Gibt es ein Leben nach den Irrfahrten?<br />

Brisante Fragen rund um die Heimkehr, die<br />

je nach Epoche und Blickwinkel unterschied-<br />

lich beantwortet oder offengelassen wurden.<br />

Die Rückkehr des Odysseus ist bei Monte-<br />

verdi und seinem Librettisten Badoaro mehr<br />

als nur eine gefällige Adaption des mytholo-<br />

gischen Stoffes. Sie fokussiert den Blick des<br />

Zuschauers auf den zweifelnden Menschen,<br />

der den Lauf der Welt nicht durchschaut und<br />

mit ihr hadert. Im Verlauf der <strong>Oper</strong> zeigen<br />

sich die Götter dem Menschen mehr oder<br />

weniger gnädig und greifen in die Handlung<br />

ein. Trotz Leiden und Willkür, so die Botschaft<br />

der Götter, folgt die Welt einem großen Plan.<br />

Ob dieser Plan wirklich existiert, und wenn ja,<br />

zu welchem Ende, bleibt offen.<br />

Die Handlung ist den Gesängen xIII bis<br />

xxIV von Homers Odyssee entnommen und<br />

schildert die Heimkehr des Helden. Seine<br />

Frau Penelope – von schmarotzenden Ver-<br />

ehrern umgarnt – hat ihrem Gatten die Treue<br />

gehalten. Doch sie erkennt Odysseus nicht<br />

wieder und ist erst nach mehreren Proben<br />

von seiner Identität überzeugt. Die obligato-<br />

rische Erkennungsszene der Barock-Bühne<br />

folgt und die Geschichte endet. Ein seltsames<br />

Happy End nach 20 Jahren, das existentielle<br />

Fragen offenlässt.<br />

Monteverdi muss eigene Überlegungen<br />

zur Struktur dieses Werkes angestellt haben.<br />

Er nannte es ein »dramma in musica«, im<br />

Unterschied zu seinem L’Orfeo, den er<br />

als »favola« bezeichnete. Erst seinem letzten<br />

Bühnenwerk, L’incoronazione di Poppea,<br />

verleiht Monteverdi den Titel <strong>Oper</strong>: »<strong>Oper</strong>a<br />

musicale«. Trotz Monteverdis unterschied-<br />

licher Gattungsbezeichnungen seiner <strong>Oper</strong>n,<br />

scheint die klare Einordnung seiner Werke<br />

gewagt.<br />

PREMIERE Il ritorno d’Ulisse in patria<br />

Detlev Claudio Glanert Monteverdi<br />

Il ritorno enttäuscht jegliche Gattungs-<br />

erwartung. In diesem Musikdrama stehen<br />

mehrere Figuren- und szenische Ebenen in<br />

einem hierarchischen Verhältnis, die die<br />

Fabel, die Heimkehrerzählung beobachtend-<br />

distanziert-kommentierend vermitteln, ähnlich<br />

wie im epischen Theater des 20. Jahrhun-<br />

derts. Il ritorno stellt nicht nur die Heimkehr-<br />

geschichte des Helden dar, sondern auch<br />

ihre Spiegelung in der Seele der Menschen<br />

(und auch der Götter).<br />

Den Helden zur Seite stehen spannende<br />

»Nebenfiguren«, die in ihrer Lebendigkeit und<br />

scharfen Charakterisierung das gesellschaft-<br />

liche Spektrum der Ulisse-<strong>Oper</strong> – doch<br />

eigentlich: die venezianische Renaissance-<br />

Gesellschaft überhaupt – darstellen.<br />

Im großen Bogen der Geschichte bringen<br />

die einzelnen Personen oder Gruppen ihre<br />

Überzeugung in einer musikalisch sehr<br />

charakteristischen Form zum Ausdruck. Das<br />

Zentrum des Geschehens befindet sich auf<br />

der oberen (edlen) menschlichen Sphäre<br />

15


16<br />

PREMIERE Il ritorno d’Ulisse in patria<br />

und wird sichtbar im Gegensatz zwischen<br />

den Freiern und Penelope. Sie will nicht<br />

mehr lieben und äußert dies sehr oft. Selbst,<br />

nachdem alle anderen Odysseus erkannt<br />

haben, bringt sie dies zunächst nicht von<br />

ihrem unbeweglichen Verhalten ab. Auf der<br />

Bühne des 17. Jahrhunderts stand diese<br />

Haltung, die wir heutzutage als starr oder gar<br />

gestört empfinden, für den vollendeten Aus-<br />

druck ihres Ethos.<br />

Die göttliche Ebene ist durch eine andere,<br />

eine »himmlische« Dynamik geprägt. Die<br />

Götter handeln auch gegeneinander und ihr<br />

Verhalten beeinflusst direkt oder indirekt den<br />

menschlichen (Helden-)Alltag. Sie helfen<br />

oder hindern, sie verstärken oder schwächen<br />

das menschliche Streben, aber sie entschei-<br />

den nichts. Weder Odysseus und Penelope,<br />

noch die Freier sind (ganz) machtlos in den<br />

Händen der Götter.<br />

Die dritte Ebene, die Welt der Diener,<br />

ist aufgespalten: Den tatsächlich Dienenden,<br />

die Odysseus und Penelope begleiten,<br />

steht die der Freier gegenüber. Aus dieser<br />

Schar zeichnet sich der Vielfraß Iro mit den<br />

schärfsten karikierenden Akzenten aus. Sein<br />

Rollentypus entspricht zwar dem vom vene-<br />

zianischen Publikum erwarteten, wird aber<br />

musikalisch mit neuen Mitteln charakterisiert:<br />

Seine grotesken Züge werden durch Monte-<br />

verdis parlar cantando noch verstärkt, denn<br />

traditionell wären seine großen Tonschritte<br />

und Koloraturen für Herrscherfiguren reser-<br />

viert. Iro übernimmt deren Art, versucht<br />

sie einzusetzen und scheitert. Seine skurrile<br />

Selbstmordszene gehört zu den sehr seltenen,<br />

tragikomischen Todesdarstellungen in der<br />

gesamten <strong>Oper</strong>nliteratur.<br />

Ausgesprochen venezianisch wird die<br />

Handlung durch die ständig hervorgehobene<br />

Präsenz des Meeres. Selbst in den mehr oder<br />

weniger fragmentarisch überlieferten Ab-<br />

schriften fallen die häufigen Meeresszenen<br />

(Scena marittima) deutlich auf. Giove (Jupiter)<br />

räumt Nettuno (Neptun), dem Meeresgott,<br />

das Recht ein, zu regeln, wer sich auf dem<br />

Meere überhaupt und in welche Richtung be-<br />

wegen darf. In einer geschickten Anspielung<br />

wird der Meeresgott mit Venedig gleichgesetzt<br />

und dem venezianischen Selbstbewusstsein<br />

oder sogar Stolz, eine Huldigung dargebracht.<br />

Obwohl er sehr viel mehr komponiert hat,<br />

sind uns von Monteverdi nur insgesamt drei<br />

<strong>Oper</strong>n erhalten geblieben. Selbst bei diesen<br />

Handlung Il ritorno d’Ulisse in patria<br />

Seit zwanzig Jahren wartet Penelope auf die Heimkehr ihres Mannes<br />

Odysseus und muss die Werbung aufdringlicher Freier erdulden. Die<br />

Heimkehr wird von Neptun verhindert, weil Odysseus einen Sohn des<br />

Meeresgottes getötet hat, doch Minerva bereitet ihrem Schützling<br />

nun den Weg. Sie berichtet ihm über alles Vorgefallene und verwandelt<br />

ihn in einen alten Bettler. Die Freier wollen vor Odysseus’ Rückkehr<br />

Penelope zum Jawort zwingen und ihren Sohn Telemach ermorden.<br />

Penelope schlägt vor, wer den Bogen des Odysseus zu spannen<br />

vermag, den wird sie heiraten. Allein dem Bettler gelingt es und mit<br />

seinen Pfeilen tötet er die Freier. Penelope kann nicht glauben, dass<br />

der Bettler Odysseus ist. Die Amme erkennt ihn an einem Wundmal.<br />

Auch das genügt Penelope nicht. Erst als sich Odysseus mit einem nur<br />

den beiden bekanntem Geheimnis zu erkennen gibt, umarmt sie ihn.<br />

dreien bleiben viele Fragen aufgrund der re-<br />

duzierten Quellenlage offen. Für Il ritorno gibt<br />

es nur eine ernst zu nehmende Abschrift, das<br />

Manuskript der österreichischen National-<br />

bibliothek. Ohne diese Partitur, die vermutlich<br />

für eine Aufführung um 1640 am Wiener Hof<br />

angefertigt wurde, wäre gar keine Musik über-<br />

liefert, wie es für einen Großteil der <strong>Oper</strong>n<br />

von Monteverdi der Fall ist. So verlangt die<br />

Deutung dieser Notenmaterialien außerge-<br />

wöhnliche Anstrengungen. Ein Grundproblem<br />

liegt in der spärlichen Notation. Über weite<br />

Strecken existieren nur eine Ober- und eine<br />

Bassstimme, die Generalbassauszeichnungen<br />

sind selten und mehrdeutig. So begegnen wir<br />

heute auf der Bühne zwangsläufig einer Re-<br />

konstruktion des Ulisse, die notwendigerweise<br />

Eigenanteile aller Interpreten enthält. Über<br />

»Echtheit« oder die »Notwendigkeit der Ein-<br />

griffe« im Fall Ulisse zu diskutieren ist sinnlos.<br />

Entscheidend für die dramatische Kraft der<br />

Aufführung ist, ob durch die richtige musika-<br />

lische Akzentuierung der Atem von Monte-<br />

verdis Musik spürbar geworden ist.<br />

} Zsolt Horpácsy


Il ritorno d’Ulisse in patria l DAS TEAM<br />

David Hermann REGIE<br />

Christof Hetzer BÜHNENBILD UND KOSTÜME<br />

David Hermann<br />

Nach zwanzig Jahren schleicht sich Odysseus,<br />

als Bettler getarnt, in seinen Palast und sieht<br />

seine eigene<br />

Abwesenheit. Die<br />

Menschen sprechen<br />

über ihn als einen<br />

Toten. Alles, was<br />

er aufgebaut hatte,<br />

ist verfallen, verkommen,verschwunden.<br />

Seine<br />

Frau von Männern bedrängt. Das Einzige,<br />

das lebt, ist die nicht ausgelebte Aggression in<br />

einem Machtvakuum. Es kann keine Rückkehr<br />

mehr geben, sondern nur eine Reconquista,<br />

die einer Auslöschung gleichkommt.<br />

Der deutsch-französische Regisseur David<br />

Hermann studierte Regie an der Hochschule<br />

für Musik »Hanns Eisler« in Berlin und war<br />

Assistent von Hans Neuenfels bei Produktionen<br />

in <strong>Oper</strong> und Schauspiel. 2000 gewann er den<br />

Ersten Preis des Internationalen Regiewettbewerbs<br />

in Graz. Er inszenierte an der <strong>Oper</strong><br />

Bonn, am Nationaltheater Mannheim, der<br />

Felice Venanzoni, seit 2002 Studienleiter an<br />

der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong>, dirigierte im Bockenheimer<br />

Depot auch die ersten Teile des Monteverdi-<br />

Zyklus’ sowie 2005 L’incoronazione di Poppea<br />

im großen Haus. Zuletzt stand er hier bei<br />

Premiere und Wiederaufnahme von Händels<br />

Agrippina am Pult. Außerdem leitet er 2006/07<br />

die Wiederaufnahme von Ariodante.<br />

Christine Rice ist regelmäßig mit großen<br />

Partien an Häusern wie der Royal <strong>Oper</strong>a oder<br />

der English National <strong>Oper</strong>a in London (2007<br />

als Nerone in Agrippina) zu Gast. 2006 sang<br />

sie auch in München (Titelpartie in Rinaldo),<br />

Valencia, Seattle sowie Madrid und veröffentlichte<br />

ihre erste CD bei EMI mit Werken von<br />

Händel bis Howells.<br />

Peter Marsh singt 2006/07 u. a. Wenzel (Die<br />

verkaufte Braut), Nando (Tiefland) und Walther<br />

(Tannhäuser) an der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong>, deren<br />

Ensemble er seit 1998 angehört. Zuvor war er<br />

z. B. als Pedrillo (Die Entführung aus dem<br />

Serail) zu erleben. Gastengagements führten<br />

ihn auch nach München, Hamburg, Dresden,<br />

Düsseldorf/Duisburg und Tokio.<br />

Kresimir Spicer interpretierte 2006 in <strong>Frankfurt</strong><br />

die Titelpartie von Mozarts La clemenza di Tito.<br />

Semperoper Dresden, am Luzerner Theater,<br />

am Oldenburgischen Staatstheater, sowie bei<br />

den Salzburger Festspielen. Im Mai 2007 feiert<br />

er am Theater Basel mit Christof Hetzer die<br />

Premiere ihrer Deutung von Honeggers Jeanne<br />

d´Arc au bûcher.<br />

Christof Hetzer<br />

Zeit wird zur klebrigen Materie und zu Penelopes<br />

schlimmstem Feind. Sie empfindet sie vor<br />

allem in dem Aushalten<br />

einer Situation.<br />

Ihr Alltag ist ohne<br />

Struktur. Ein ewiger<br />

Zustand. Unerträglich<br />

und unabdingbar.<br />

Alles ist Oberfläche.<br />

Sie wird von zahlreichen,<br />

mehr oder<br />

weniger edlen Herren bedrängt und hat ihren<br />

Versprechungen nur das enthaltsame Klammern<br />

an eine Hoffnung entgegenzusetzen. Gleichzeitig<br />

könnte sie alles durch eine Einwilligung<br />

beenden. Jederzeit. Tage dehnen sich in<br />

klebriger Unendlichkeit und Unbeweglichkeit.<br />

Das einst so strahlende königliche Gefieder<br />

Als Monteverdis Ulisse ist der vielfach ausgezeichnete<br />

Tenor seit seinem großen Erfolg in<br />

Aix-en-Provence im Jahr 2000 international gefragt.<br />

Zuletzt gab er Ulisse am Grand Théâtre de<br />

Genève unter Attilio Cremonesi.<br />

Magnus Baldvinsson, seit 1999 fest im<br />

Ensemble der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong>, gab hier schon<br />

Monteverdis Caronte (L’Orfeo) und Plutone<br />

(Combattimenti). Zu seinen Partien 2006/07<br />

zählen u. a. Sarastro (Die Zauberflöte),<br />

Veit Pogner (Meistersinger), Ramphis (Aida,<br />

konzertant), Hermann (Tannhäuser) und<br />

Kezal (Die verkaufte Braut).<br />

Christian Dietz wurde von der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong><br />

bereits für Combattimenti, Mozarts La finta<br />

semplice und Cavallis Giasone im Bockenheimer<br />

Depot engagiert sowie für die Meistersinger<br />

im großen Haus. Der Tenor, der auch<br />

in Berlin, Wiesbaden, Karlsruhe, Dresden und<br />

Bayreuth gastiert, studiert in <strong>Frankfurt</strong> Historische<br />

Interpretationspraxis.<br />

Jenny Carlstedt war zuletzt im Bockenheimer<br />

Depot in La finta semplice zu hören und im<br />

großen Haus der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> als Cherubino<br />

in Le nozze di Figaro. Das Ensemblemitglied<br />

gastierte im vergangenen Jahr als Annio (La cle­<br />

PREMIERE Il ritorno d’Ulisse in patria<br />

verklebt und modert. Die Hoffnung ist in diesem<br />

Moment längst zur Wahnvorstellung mutiert<br />

und jegliche Relation zur Tatsächlichkeit ist bis<br />

ins Unkenntliche verzerrt. Eine gedankliche und<br />

emotionale ölpest. Und würde der sehnlichst<br />

Erwartete erscheinen, sie könnte ihn nicht<br />

erkennen, es sei denn, er besäße die Möglichkeit<br />

radikal und mit Hochdruckreiniger alles hinwegzufegen.<br />

Doch was bleibt, ist das Gerippe einer<br />

Erinnerung und man wird noch Jahre später Teerflecken<br />

entdecken können.<br />

Christof Hetzer verbindet eine enge Kooperation<br />

mit David Hermann: Gemeinsam widmeten sie<br />

sich Birtwistles Punch and Judy sowie Busottis<br />

La Passion selon Sade in Bonn, Mozarts Ascanio<br />

in Alba in Mannheim und den ersten Teilen<br />

des Monteverdi-Zyklus im Bockenheimer Depot.<br />

2006/07 ist am Schauspiel Köln sein Bühnenbild<br />

zu Barnada Albas Haus (Federico García Lorca)<br />

in der Inszenierung von Hans Neuenfels zu<br />

sehen, mit dem er bereits im Mannheim<br />

zusammenarbeitete. Mit dem Regisseur Andreas<br />

Müller ist Christof Hetzer außerdem im Filmgeschäft<br />

aktiv.<br />

menza di Tito) in Wien und gab Dorabella (Così<br />

fan tutte) mit der Glyndebourne Touring <strong>Oper</strong>a.<br />

Die junge Sopranistin Anja Fidelia Ulrich gibt<br />

regelmäßig Liederabende und sammelte bereits<br />

Erfahrungen mit Werken Monteverdis. Zu ihrem<br />

Repertoire zählt auch Juno in Cavallis La Calisto.<br />

2006 gab sie Gianetta (L’elesir d’amore)<br />

in Nürnberg sowie die weibliche Hauptrolle in<br />

Bastien und Bastienne in Ludwigsburg.<br />

Ralf Simon sang im Bockenheimer Depot die<br />

Partie des Pastore in L’Orfeo. Der freischaffende<br />

Sänger war zu Ostern in der Tonhalle Zürich in<br />

Mendelssohn-Bartholdys Elias zu hören sowie<br />

im Mai in Händels Messias. <strong>Oper</strong>nengagements<br />

führten ihn z. B. nach Münster, Wiesbaden, Darmstadt,<br />

Kiel, Nürnberg, Dortmund und Salzburg.<br />

Der junge finnische Tenor Jussi Myllys erlebte<br />

seine erste Premiere an der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> mit<br />

Cavallis Giasone. Bereits zu Beginn seiner ersten<br />

Spielzeit feierte das neue Ensemblemitglied hier<br />

große Erfolge als Wenzel (Die verkaufte Braut)<br />

und Tamino (Die Zauberflöte), den er 2007 auch<br />

an der Semperoper Dresden verkörpert.<br />

Biografie von Paolo Carignani Seite 13,<br />

von Katharina Magiera Seite 8.<br />

+++OPER ExTRA zu Il ritorno d’Ulisse in patria am 17.6.2007, 11.00 Uhr, Bockenheimer Depot. Die <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> und der Patronatsverein laden<br />

ein: Die von den Produktionsdramaturgen zusammengestellte und moderierte Matinee stellt das Werk in seinen vielfältigen Bezügen dar. Diskutiert wird<br />

über Libretto, Komposition, Wirkungsgeschichte und ästhetischen Kontext. Solisten der Premiere vermitteln einen ersten musikalischen Eindruck.+++<br />

17


18<br />

WIEDERAUFNAHME<br />

JENUFA<br />

Hautnah menschlich und trotzdem überdimensional<br />

wIEdERAufnAhME <strong>Jenufa</strong> Leos˘ Janác˘ek<br />

Freitag, 20. April 2007<br />

Weitere Vorstellungen: 22., 29. April; 13. (18.00 Uhr), 19. Mai 2007<br />

In tschechischer Sprache mit deutschen Übertiteln<br />

<strong>Oper</strong> aus dem mährischen Bauernleben in drei Akten I nach dem Schauspiel<br />

Její pastorkyňa (Ihre Ziehtochter) von Gabriela Preissová<br />

Musikalische Leitung Christian Arming I Regie Tilman Knabe<br />

Szenische Leitung der Wiederaufnahme James McNamara I Bühnenbild Alfred Peter<br />

Kostüme Birgitta Lohrer-Horres I Dramaturgie Zsolt Horpácsy I Licht Joachim Klein<br />

Chor Alessandro Zuppardo<br />

Alte Buryja June Card I Laca Frank van Aken I Stewa Yves Saelens<br />

Küsterin Nadine Secunde I <strong>Jenufa</strong> Danielle Halbwachs I Altgesell Franz Mayer<br />

Dorfrichter Gérard Lavalle I Seine Frau Margit Neubauer I Karolka Stella Grigorian<br />

Magd Gunda Boote I Barena Birgit Treschau I Jano, ein Junge Anna Ryberg<br />

enufa wirkte äußerst irritierend auf die Zeit-<br />

Jgenossen Leos˘ Janác˘eks. Allzu ungewohnt<br />

klang in ihren Ohren der Wirklichkeitsbezug<br />

dieser auf einem naturalistischen Schauspiel<br />

basierenden »<strong>Oper</strong> aus dem mährischen Bau-<br />

ernleben«, die ohne die herkömmlichen Folk-<br />

lorismen auskommt. »Auf der Bühne«, so<br />

Janác˘eks Erkenntnis, »gibt es nicht immer das<br />

beste Wort, dessen wir bedürfen, um uns<br />

auszudrücken; wir brauchen ein alltägliches<br />

Wort, sein melodisches, dem Leben entnom-<br />

menes Gefälle«. Sein Ziel bestand darin, die<br />

Lebensnähe der Figuren in <strong>Jenufa</strong> musikalisch<br />

zu speisen aus einer Orientierung der Kompo-<br />

sition an natürlichen Sprachmelodien. Aus-<br />

gerechnet jene Eigenarten, die heute als<br />

besonderer Reiz der Partitur gelten, wurden<br />

zu Lebzeiten Janác˘eks zum Anlass genommen,<br />

ihn der Unfähigkeit zu bezichtigen. Unzählige<br />

Überarbeitungen der <strong>Jenufa</strong> durch den verun-<br />

sicherten Komponisten waren die Folge und<br />

machen letztlich eine vollständige Rekons-<br />

truktion der ersten Fassung unmöglich. An der<br />

<strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> wird daher die Brünner Fassung<br />

von 1908 gegeben.<br />

Die Inszenierung (Regie: Tilman Knabe,<br />

Bühnenbild: Alfred Peter) fokussiert gleichsam<br />

filmisch die Einzelschicksale des Dramas: Ein<br />

»Zoom-Effekt« (Michael Dellith, <strong>Frankfurt</strong>er<br />

Neue Presse) »visualisiert kongenial die innere<br />

Dramatik des Stücks und zeigt die handelnden<br />

Personen als Gefangene ihrer eigenen<br />

Wirklichkeit«.<br />

Dass ihr mit der Küsterin in <strong>Jenufa</strong> eine<br />

»Traum-Partie« angeboten worden war, stand<br />

für die Sängerin Nadine Secunde schon vor<br />

Beginn der Proben zu der <strong>Frankfurt</strong>er Neu-<br />

inszenierung von 2005 fest: »… hautnah<br />

menschlich und trotzdem überdimensional,<br />

rührend und schrecklich zugleich«, lautete ihre<br />

Einschätzung. Die Anforderungen an die Inter-<br />

pretin sind komplex: Die Küsterin besitzt eine<br />

starke Persönlichkeit mit widersprüchlichen<br />

Charakterzügen. Einerseits fürchtet sie um<br />

die moralische Ordnung im Dorf, andererseits<br />

versucht sie diese durch die denkbar größte<br />

Sünde zu retten – einen Mord. Nadine<br />

Secunde reüssierte mit ihrer Interpretation,<br />

der Funke sprang über: »Gemütserschütternd<br />

und in ihrer nahezu sich selbst verzehrenden<br />

vokalen und seelischen Identifizierung<br />

mitreißend«, urteilte Michael Trautwein im<br />

Gießener Anzeiger. Auch diese Saison wird<br />

Nadine Secunde an der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> als<br />

Handlung <strong>Jenufa</strong><br />

Ein Dorf in Mähren. <strong>Jenufa</strong> hofft auf eine baldige Hochzeit mit<br />

ihrem Geliebten Stewa Buryja, von dem sie ein Kind erwartet.<br />

Stewa lässt sich zwar ausmustern, doch <strong>Jenufa</strong>s Stiefmutter,<br />

die Küsterin, misstraut ihm. Sie verfügt, dass die Hochzeit um<br />

ein Jahr verschoben wird. Stewas Halbbruder Laca verunstaltet<br />

<strong>Jenufa</strong>, um die er erfolglos wirbt, mit einem Messer das Gesicht.<br />

– Von der Stiefmutter versteckt, hat <strong>Jenufa</strong> ihr Kind geboren.<br />

Stewa distanziert sich von <strong>Jenufa</strong>. Nun bietet die Küsterin Laca<br />

die Hand ihrer Ziehtochter an. Weil er wegen des Kindes zögert,<br />

behauptet die Küsterin, es sei gestorben. Sie schickt ihn fort und<br />

ertränkt das Kind. <strong>Jenufa</strong> willigt ein, Laca zu heiraten. – Während<br />

der Hochzeitsvorbereitungen findet man das tote Kind unter<br />

dem Eis. Als <strong>Jenufa</strong> des Mordes beschuldigt wird, bekennt sich<br />

die Küsterin zu der Tat. Sie habe <strong>Jenufa</strong>s Zukunft retten wollen.<br />

<strong>Jenufa</strong> vergibt ihr und bleibt mit Laca zurück.<br />

Küsterin zu erleben sein. Neu besetzt ist in<br />

der Wiederaufnahme die Titelpartie: Gespannt<br />

dürfen wir sein auf die <strong>Jenufa</strong> von Danielle<br />

Halbwachs, die 2005/06 als Lisa in Tschai-<br />

kowskis Pique Dame ihr Hausdebüt meisterte.<br />

»Kraftvoll lyrisch«, lobte Hans-Klaus Jungheinrich<br />

(<strong>Frankfurt</strong>er Rundschau) damals den neuen<br />

Sopran im Ensemble der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong>,<br />

»anrührend und durchwärmt mit einer<br />

biegsamen, fein nuancierten und exzellent<br />

fokussierten Diktion«. 2007 gab sie mit<br />

»Wärme und Glut« (Deutschlandfunk) Elisa-<br />

beth in Tannhäuser. An ihrer Seite agiert<br />

– gleichfalls neu im Ensemble – Frank van<br />

Aken, der zuletzt im Januar an der Staatsoper<br />

Stuttgart einen »stimmlich exzellenten« und<br />

»in seiner Vielschichtigkeit packenden Laca«<br />

(Marianne Zelger-Vogt, Neue Zürcher Zeitung)<br />

zu Gehör brachte. An der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong><br />

betritt er diese Saison auch als Interpret der<br />

Titelpartie im neuinszenierten Tannhäuser<br />

sowie als Hermann in Pique Dame die Bühne.<br />

} Agnes Eggers


LA TRAVIATA<br />

Was wäre das heute für eine Frau?<br />

wIEdERAufnAhME La Traviata von Giuseppe Verdi<br />

Samstag, 28. April 2007<br />

Weitere Vorstellungen: 1., 5., 12., 17., 26. Mai 2007<br />

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln<br />

<strong>Oper</strong> in drei Akten I Libretto von Francesco Maria Piave nach dem Drama<br />

La dame aux camélias von Alexandre Dumas d.J.<br />

Musikalische Leitung Pier Giorgio Morandi I Regie Axel Corti<br />

Szenische Leitung der Wiederaufnahme Ludivine Petit<br />

Bühnenbild Bert Kistner I Kostüme Gaby Frey<br />

Dramaturgie Urs Leicht I Licht Olaf Winter<br />

Chor Alessandro Zuppardo I Choreografie David Kern<br />

Violetta Valéry Svetlana Doneva / Juanita Lascarro I Flora Bervoix Annette Stricker<br />

Annina Michaela Friedrich I Alfredo Germont Andrej Dunaev I Giorgio Germont Gabriele Viviani<br />

Gastone Michael McCown / Peter Marsh I Barone Douphol Franz Mayer<br />

Marchese d’Obigny Gérard Lavalle I Dottore Grenvil Soon-Won Kang<br />

as wäre das heute für eine Frau, die<br />

WVioletta heißen könnte …, eine Künstlerin?<br />

Die zu leben verstünde nach außen …<br />

eine Schauspielerin, eine Sängerin, ein<br />

Filmstar?«<br />

Lange dachte der geniale Regisseur Axel<br />

Corti hierüber nach. Schließlich fand er eine<br />

Lösung, die das Publikum so begeisterte,<br />

dass seine Arbeit zur erfolgreichsten Pro-<br />

duktion der letzten sechzehn Jahre geriet.<br />

Violetta Valéry ist in der <strong>Frankfurt</strong>er Inszenie-<br />

rung eine verfolgte und Widerstand leistende<br />

Jüdin im von der deutschen Wehrmacht<br />

besetzten Paris der 1940er Jahre.<br />

Für Corti, der sich in seinen Filmen<br />

immer wieder mit dem Faschismus ausein-<br />

andersetzte und wiederholt das Schicksal von<br />

Emigranten darstellte, stand Verdis 1853 in<br />

Venedig uraufgeführte <strong>Oper</strong> La Traviata von<br />

Anfang an nicht im luftleeren Raum einer<br />

– nur vage ausgeleuchteten – mondänen Ver-<br />

gnügungsgesellschaft. Seine Inszenierung<br />

transportiert Francesco Maria Piaves Melo-<br />

dramma, dessen Text auf der Kameliendame<br />

von Alexandre Dumas beruht, in die von der<br />

Hitler-Armee heimgesuchte Stadt. Auch<br />

bei Corti erscheint Violetta Valéry als Opfer<br />

ihrer immer gnadenloser werdenden Krank-<br />

heit. Aber zugleich erweitert er die Charakte-<br />

ristik der Hauptfigur radikal. Denn La Traviata<br />

befindet sich hier nicht nur im Spannungsfeld<br />

von zu wahrendem Schein und individueller<br />

Tragödie. Corti stellt die Protagonistin zugleich<br />

mitten in das dramatische Zentrum einer po-<br />

larisierten Gesellschaft: Mitläufer, Profiteure,<br />

Kollaborateure auf der einen Seite, Nonkon-<br />

formisten, Widerständler und Saboteure auf<br />

der anderen Seite – eine typische Situation in<br />

den schwierigen Jahren der Besetzung.<br />

Opfer der Barbarei jener Zeit wird die<br />

– als Figur des 20. Jahrhunderts von jeder<br />

morbiden Romantik, auch von den Kamelien<br />

befreite – Edelprostituierte, die an galoppie-<br />

render Schwindsucht leidet. Und damit wird<br />

ihr neben dem Schicksal einer tödlich aus-<br />

gehenden Krankheit auch noch das Joch<br />

fehlender Artgenossenschaft aufgebürdet.<br />

Violetta, die auf diese Weise doppelt<br />

stigmatisiert erscheint, kämpft in dieser<br />

Inszenierung genauso mutig gegen ihre zu-<br />

nehmende Schwäche wie gegen den ständig<br />

zunehmenden Druck von Wehrmacht und<br />

Geheimpolizei. Schauplatz im dritten, un-<br />

geheuer wirkungsvollen Akt ist ein Bahnhof,<br />

Handlung La Traviata<br />

der wohl signifikanteste Ort einer Epoche,<br />

in der Flucht und Vertreibung, Überwachung<br />

und Deportation zum Alltag geriet.<br />

Svetlana Doneva, die bulgarische Sopra-<br />

nistin, die das <strong>Frankfurt</strong>er Publikum bereits<br />

als moderne Violetta verzauberte, wird auch<br />

in dieser Serie einige Vorstellungen singen.<br />

Wir freuen uns in der gleichen Partie auf<br />

Juanita Lascarro, die – ebenso gefeiert –<br />

die Violetta zuletzt in ihrer kolumbianischen<br />

Heimatstadt gab. Als Vater Germont ist erst-<br />

mals in <strong>Frankfurt</strong> – der italienische Bariton<br />

Gabriele Viviani, als Alfredo der russische<br />

Tenor Andrej Dunaev zu erleben, den die<br />

<strong>Frankfurt</strong>er aus Gounods Faust (Titelpartie)<br />

und als Rodolfo in Puccinis La Bohème<br />

kennengelernt haben.<br />

WIEDERAUFNAHME<br />

Alfredo Germont wird auf einem Fest der Kurtisane Violetta Valéry<br />

vorgestellt. Ein Schwächeanfall zwingt Violetta, in einem Nebenraum<br />

zurückzubleiben, wo Alfredo ihr seine Liebe eingesteht. Vergeblich<br />

versucht sie später ihre aufkeimenden Gefühle für Alfredo zu unterdrücken<br />

– sie beendet ihr bewegtes Leben und zieht sich mit ihm<br />

in die Einsamkeit des Landlebens zurück. In Abwesenheit Alfredos<br />

kommt dessen Vater zu Besuch und fordert von Violetta, auf seinem<br />

Sohn zu verzichten, um seiner Tochter eine standesgemäße Ehe zu<br />

ermöglichen. Da Violetta das Lebensglück einer anderen nicht zerstören<br />

will, willigt sie ein. Alfredo folgt ihr nach Paris in den Salon<br />

Floras, wo Violetta am Arm ihres früheren Geliebten Baron Douphol<br />

erscheint. Violetta gibt vor, den Baron zu lieben, und Alfredo wirft ihr<br />

in kalter Wut ein Bündel Geldscheine vor die Füße. Bald haben die Aufregungen<br />

Violettas Kräfte aufgezehrt. Alfredo kehrt zurück. Er kennt<br />

nun durch seinen Vater den wahren Sachverhalt und bittet Violetta<br />

um Verzeihung. Ihr Lebenslicht flackert noch einmal auf, dann stirbt<br />

sie in seinen Armen.<br />

} Norbert Abels<br />

19


20<br />

WIEDERAUFNAHME<br />

ARIODANTE<br />

Achim Freyers »kunstvoll künstliche Choreografie der Leidenschaften«<br />

wIEdERAufnAhME Ariodante Georg Friedrich Händel<br />

Freitag, 25. Mai 2007<br />

Weitere Vorstellungen: 28. Mai; 3. (15.30 Uhr), 7. Juni 2007<br />

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln<br />

Dramma per musica in drei Akten<br />

Text nach dem Libretto (Ginevra, Principessa di Scozia) von Antonio Salvi<br />

Musikalische Leitung Felice Venanzoni I Regie Achim Freyer / Friederike Rinne-Wolf<br />

Szenische Leitung der Wiederaufnahme James McNamara<br />

Bühnenbild Claudia Doderer / Achim Freyer I Kostüme und Figurenentwürfe Amanda Freyer<br />

Dramaturgie Zsolt Horpácsy I Licht Achim Freyer I Chor Alessandro Zuppardo<br />

Ariodante Nino Surguladze I Polinesso Daniela Pini<br />

König Soon-Won Kang I Ginevra Svetlana Doneva<br />

Lurcanio Nicholas Phan I Dalinda Britta Stallmeister<br />

Odoardo Jussi Myllys<br />

eine andere Epoche hat sich in vergleich-<br />

Kibarem Maße dem Spiel mit Schein<br />

und Sein gewidmet wie das Barockzeitalter.<br />

In Händels Ariodante, einer der wichtigsten<br />

<strong>Oper</strong>n des Barock, geht es um Irrungen und<br />

Wirrungen der Liebe, um Treue und Verrat,<br />

echte Gefühle und vorgegaukelten Betrug.<br />

Maskeraden und Inszenierungen kommen auf<br />

allen Ebenen zum Einsatz: Die Bühnenfiguren<br />

spielen nicht nur dem <strong>Oper</strong>npublikum,<br />

sondern auch einander etwas vor. Mal heiter,<br />

mal albtraumhaft reflektieren »die Bretter,<br />

die die Welt bedeuten«, die Theatralität des<br />

Lebens. Auch musikalisch präsentiert sich<br />

Händels 33.<strong>Oper</strong> vielgestaltig: Spielerisch<br />

weicht der Komponist die starren Formen<br />

der <strong>Oper</strong>a seria auf zugunsten einer einfalls-<br />

reichen Darstellung der inneren Entwicklung<br />

der Figuren in Arien-Ketten. Lieber lässt<br />

Händel überraschend ein da capo wegfallen,<br />

wenn es der Logik der Situation entspricht,<br />

als die Dramaturgie der Ereignisse den<br />

gattungsspezifischen Konventionen unter-<br />

zuordnen. Ballettnummern kommen in<br />

Ariodante so wie in der französischen<br />

<strong>Oper</strong> zum Einsatz: nicht als Zwischenspiele<br />

mit dem simplen Zweck, das Publikum zu<br />

zerstreuen, sondern als in die Handlung<br />

integrierte Tanzeinlagen.<br />

Achim Freyer lässt in der <strong>Frankfurt</strong>er<br />

Erfolgsinszenierung von Ariodante Puppen-<br />

beine tanzen: In Zwitterwesen, halb Mensch,<br />

halb Puppe, nimmt die Vermischung von<br />

Theater und Wirklichkeit Gestalt an. Gleich-<br />

wohl besteht der Regisseur darauf, dass das<br />

Theater eine Gegenwelt generieren sollte.<br />

Denn: »Aktualisierungen interessieren mich<br />

nicht«, äußerte er anlässlich der Premiere<br />

2004 gegenüber der <strong>Frankfurt</strong>er Rundschau.<br />

»Das Theater kann sich nicht damit begnügen,<br />

den gegenwärtigen Zustand zu verdoppeln,<br />

sondern muss einen Schritt weitergehen.<br />

Wir müssen die Utopie, den Traum wagen.«<br />

Als »großartiges Experiment« beurteilte die<br />

Stuttgarter Zeitung die Regiearbeit. Und in der<br />

FAZ war zu lesen: »Vier Stunden Barockoper<br />

als kunstvoll künstliche Choreographie der<br />

Leidenschaften … Einen vitaleren und packen-<br />

deren Händel hat man kaum je gesehen.«<br />

Die musikalische Leitung der Wiederauf-<br />

nahme übernimmt Felice Venanzoni, Studien-<br />

leiter der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong>, der hier zuletzt<br />

erfolgreich Händels Agrippina dirigierte und<br />

diese Saison auch bei Monteverdis Il ritorno<br />

Handlung Ariodante<br />

Ginevra, die Tochter des Königs von Schottland und Verlobte des<br />

Ritters Ariodante, wird von dem abgewiesenen Herzog Polinesso<br />

der Untreue verdächtigt. Er überredet Ginevras Freundin Dalinda,<br />

die in ihn verliebt ist, ihm in Ginevras Kleid nachts die Tür ihrer<br />

Kammer zu öffnen. Ariodante, der die Szene beobachtet, ist ver-<br />

zweifelt über die Treulosigkeit seiner Braut und flieht. Sein Bruder<br />

Lurcanio berichtet, dass er sich ins Meer gestürzt habe. Der König<br />

ruft zum Gottesgericht, um die Unschuld seiner Tochter zu be-<br />

weisen: Im Kampf wird Polinesso von Lurcanio tödlich verwundet.<br />

Ariodante, dem Dalinda den Betrug inzwischen gestanden hat,<br />

kehrt zurück. Der sterbende Polinesso gesteht seine Schandtat<br />

und die Liebenden, Ginevra und Ariondante, finden wieder zu-<br />

sammen.<br />

d’Ulisse in patria am Pult steht. Vielverspre-<br />

chend ist die Neubesetzung der ursprünglich<br />

für einen berühmten Kastraten komponierten<br />

Titelpartie, deren Koloraturen höchste Ge-<br />

läufigkeit fordern, mit der Mezzosopranistin<br />

Nino Surguladze. Die Georgierin arbeitete<br />

mit Künstlern wie Riccardo Muti und Mstislav<br />

Rostropovitch an der Mailänder Scala<br />

zusammen und war an der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong><br />

bereits als Polinesso in Ariodante zu erleben.<br />

Letztere Partie wird von der ebenfalls welt-<br />

weit gefragten Daniela Pini interpretiert. Als<br />

Angelina in La Cenerentola bezauberte sie<br />

Ende 2006 das <strong>Frankfurt</strong>er Publikum. Her-<br />

vorragend besetzt sind auch die weiteren<br />

Rollen, wobei neben den Ensemblemitglie-<br />

dern Soon-Won Kang und Britta Stallmeister,<br />

die sich als König und Dalinda bereits be-<br />

währt haben, auf Svetlana Doneva als Ginevra<br />

hingewiesen sei. Sie singt an der <strong>Oper</strong><br />

<strong>Frankfurt</strong> diese Spielzeit auch Violetta in der<br />

Wiederaufnahme von La Traviata.<br />

} Agnes Eggers


DEATH IN VENICE<br />

Die Tiefe an der Oberfläche<br />

wIEdERAufnAhME Death in Venice (Tod in Venedig) Benjamin Britten<br />

Samstag, 2. Juni 2007<br />

Weitere Vorstellungen: 16., 21., 23. Juni, 4., 7. Juli 2007 (Beginn jeweils 19.00 Uhr)<br />

In englischer Sprache mit deutschen Übertiteln<br />

<strong>Oper</strong> in zwei Akten I Text von Myfanwy Piper nach Thomas Manns Novelle Der Tod in Venedig<br />

Musikalische Leitung Mark Shanahan I Regie Keith Warner<br />

Szenische Leitung der Wiederaufnahme Katharina Thoma I Bühnenbild Boris Kudlic˘ka<br />

Kostüme Kaspar Glarner I Dramaturgie Norbert Abels I Licht Davy Cunningham<br />

Video-Design Thomas Wollenberger I Chor Alessandro Zuppardo<br />

Aschenbach Nigel Robson I Traveller Nathaniel Webster I Apollo Steve Wächter<br />

Tadzio Laurenz Johannis Leky sowie Barbara Zechmeister, Alketa Hoxha,<br />

Christiane Maria Waschk, Claudia Grunwald, Annette Stricker, Margit Neubauer,<br />

Fernando Dam Wang, Michael McCown, Kent Carlson, Hans-Jürgen Lazar, Florian Plock,<br />

Franz Mayer, Gérard Lavalle, Soon-Won Kang<br />

Mit freundlicher Unterstützung des <strong>Frankfurt</strong>er Patronatsvereins – Sektion <strong>Oper</strong><br />

Einhellige Begeisterung erntete Regisseur<br />

Keith Warner für seine zum Seelendrama<br />

geratene Inszenierung, der es brillant gelang,<br />

die Tiefe an der Oberfläche zu verstecken,<br />

die »Geschichte eines alten Mannes und<br />

eines Jungen als Erzählung des Kampfes<br />

Apollos gegen Dionysos und der sich wider-<br />

sprechenden Triebe des Lebens« (Financial<br />

Times Europe) transparent werden zu lassen.<br />

Death in Venice ist die letzte <strong>Oper</strong><br />

Benjamin Brittens. Während eines vorausge-<br />

gangenen Deutschlandbesuches hatte Britten<br />

mit seinem alten Bekannten Golo Mann über<br />

das geplante Werk gesprochen. Dieser verriet<br />

ihm, dass sein Vater ihn als idealen Kompo-<br />

nisten für eine Filmmusik seines Tonsetzer-<br />

romans Doktor Faustus bezeichnet habe.<br />

Gerade eben war Lucchino Visconti dabei, die<br />

Novelle zu verfilmen, was Britten indessen<br />

nicht mehr von seinem Plan abbringen<br />

konnte: »nichts kann schlimm genug sein,<br />

uns dabei aufzuhalten, das alles in Angriff<br />

zu nehmen«. Britten, schwerkrank, wusste,<br />

dass es sein letztes Musikdrama sein würde.<br />

Gezeichnet von seiner unheilbaren<br />

Herzerkrankung, gefesselt an den Rollstuhl,<br />

den der Freund Pears ihm ans Fenster schob,<br />

damit er den Anblick der Lagunenstadt<br />

genießen konnte, entstanden große Teile<br />

von Brittens letzter <strong>Oper</strong> an deren Schau-<br />

platz selbst. Der Komponist, immer schon<br />

glühender Verehrer von Thomas Manns<br />

gleichnamiger Novelle, lässt seinen Helden,<br />

den deutschen Schriftsteller Gustav von<br />

Aschenbach, zu Beginn des Werkes eine<br />

die vollständig chromatische Skala durch-<br />

laufende, aufwärts führende Melodie singen,<br />

die keinen Abschluss, kein Ende zu kennen<br />

scheint und irgendwo im leeren Raum ver-<br />

schwindet. Damit ist, von Flöte und Oboe<br />

geleitet, die nun anhebende, 17 Szenen<br />

umfassende Handlung vorweggenommen.<br />

Mit dem ersten Satz »My mind beats on«<br />

scheint wie in einem Stundglas die noch<br />

verbleibende Lebenszeit des Dichters in der<br />

von der Cholera heimgesuchten Touristen-<br />

metropole allmählich zu verrinnen. Die immer<br />

vom gleichen Sänger in unterschiedlichen<br />

Metamorphosen auftretenden Todesboten,<br />

allesamt dionysischen Gefilden entstam-<br />

mend, geleiten den Helden auf seinem<br />

Weg der Auflösung in der »La Serenissima«<br />

genannten Stadt, der unumkehrbar wird,<br />

spätestens nach dem Anblick des an die<br />

Die siebzehn Szenen der <strong>Oper</strong> spielen in München und Venedig,<br />

um 1910. Eine künstlerische Krise bestärkt den Dichter Gustav von<br />

Aschenbach, eine Reise an die Adria zu unternehmen. Bereits auf<br />

dem Dampfer nach Venedig, »La Serenissima« geheißen, wird er<br />

mit einem alten Gecken konfrontiert, der sich als Jüngling präsen-<br />

tiert. In immer neuer Maskerade tauchen – von einem einzigen<br />

Bassbariton gesungen – solche dionysischen, zum Rausch verfüh-<br />

renden Figuren auf. Unter den Hotelgästen erblickt der Dichter das<br />

apollinische Gegenbild hierzu: den polnischen Knaben Tadzio. Un-<br />

rettbar verliebt er sich in ihn, verfolgt ihn durch das Kanallabyrinth.<br />

Warnungen vor der Cholera ignoriert er. Künstlich versucht er nun<br />

selbst, sich für den Knaben zu verjüngen. Versunken in dessen An-<br />

blick stirbt er am Meeresstrand.<br />

apollinische Schönheit erinnernden zwölf-<br />

jährigen polnischen Knaben Tadzio. In ihn,<br />

ebenso stummer Abgesandter der ewigen<br />

Nacht wie Grenzgänger zwischen Eros und<br />

Thanatos, verliebt sich Aschenbach rettungs-<br />

los: Ein nur von Percussionsinstrumenten<br />

gespieltes Motiv als musikalisches Konterfei<br />

der betörenden Schönheit offenbart den<br />

archaisch-kultischen Opferritus, den Weg ins<br />

Totenreich, versteckt unter der Oberfläche<br />

einer zur Erholung angetretenen Reise ans<br />

Mittelmeer.<br />

Brittens eigene noch verbliebene Lebens-<br />

zeit stand nach der Vollendung des Werkes<br />

unter dem Zeichen des Todes.<br />

In der Wiederaufnahme werden die zwei<br />

Hauptfiguren neu besetzt. Nigel Robson, der<br />

mit großem Erfolg viele der großen Britten-<br />

partien, darunter auch Aschenbach (Teatro<br />

Colon in Buenos Aires) gesungen hat, wird<br />

flankiert von unserem Bariton Nathaniel<br />

Webster, der die verschiedenen Verwand-<br />

lungen des dämonischen Reisenden gestalten<br />

wird.<br />

WIEDERAUFNAHME<br />

Handlung Death in Venice (Tod in Venedig)<br />

} Norbert Abels<br />

21


22<br />

LIEDERABEND<br />

EINE NEUE STIMMGATTUNG<br />

Bejun Mehta – vom Knabensopran zum Countertenor<br />

lIEdERAbEnd<br />

Bejun Mehta Countertenor<br />

Kevin Murphy Klavier<br />

Dienstag, 3. April 2007<br />

um 20.00 Uhr im <strong>Oper</strong>nhaus<br />

Lieder von Mozart, Schubert, Wolf, Williams, Quilter und Finzi<br />

Mit freundlicher Unterstützung der<br />

Mercedes-Benz Niederlassung <strong>Frankfurt</strong>/Offenbach<br />

Als am 21. April 1922 mit Alessandro<br />

iMoreschi der letzte Kastrat starb, musste<br />

es scheinen, als sei eine Ära der Gesangs-<br />

kunst unwiederbringlich untergegangen. End-<br />

gültig waren jene <strong>Oper</strong>ationen aus der Welt,<br />

die aus sängerisch begabten Jungen irrever-<br />

sible Zwitterwesen machten – nur aus dem<br />

Kalkül heraus, aus ihnen könnte vielleicht ein<br />

Gesangsstar werden. Die für ihre ätherische<br />

Vokalistik geschriebenen Werke jedoch<br />

mussten, um nicht zu verwaisen, von<br />

anderen Stimmen adoptiert werden, seien<br />

es Mezzosoprane oder, nach unten oktaviert,<br />

Tenöre. Das waren künstlerische Kompro-<br />

misse, die zwar selbst in der historischen<br />

Aufführungspraxis ihre Vorbilder hatten<br />

(man denke an Glucks Pariser Version von<br />

Orfeo ed Euridice, die einen hohen Tenor<br />

anstelle des Kastraten setzte), aber doch um<br />

einiges vom ursprünglichen Klangideal<br />

abwichen – soweit wir das heute beurteilen<br />

können; die einzigen erhaltenen Soloauf-<br />

nahmen eines Kastraten stammen eben von<br />

dem letzten, Moreschi.<br />

Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahr-<br />

hunderts, teils von England ausgehend<br />

(mit Alfred Deller als Vorreiter), setzten sich,<br />

anfangs als befremdlich belächelt, zuneh-<br />

mend die Möglichkeiten einer Countertenor-<br />

Stimme durch. In Deutschland war es<br />

vor allem Jochen Kowalski, der – in seiner<br />

Mischung aus maskulinem Aussehen,<br />

ausdrucksstarker Darstellung und einer<br />

frappierend sinnlichen, sich im Gebrauch des<br />

Vibratos weit von der aseptischen Säuselei<br />

mancher Alte-Musik-Protagonisten ent-<br />

fernenden Stimme – einen großen Kreis<br />

an <strong>Oper</strong>nliebhabern für diese »neue« Stimm-<br />

gattung begeisterte. Kowalski wagte sich<br />

auch als einer der Ersten an Musik, die gar<br />

nicht für Kastraten oder Alti komponiert war:<br />

bis hin zu Schubert-Liederzyklen wie der<br />

Schönen Müllerin.<br />

Der junge Amerikaner Bejun Mehta,<br />

dessen Laufbahn als Knabensopran begann,<br />

startete seine Erfolgsserie 1998 als Ein-<br />

springer in New york – und tritt seitdem<br />

auf den bedeutendsten Bühnen und Festivals<br />

der Welt auf, ob sie nun in London oder<br />

Los Angeles stehen, Met oder Salzburger<br />

Festspiele heißen. Die große Überraschung<br />

aber, die er zu seinem Liederabend nach<br />

<strong>Frankfurt</strong> bringt, ist die Auswahl der Werke.<br />

Denn das Programm könnte für einen<br />

Sopran wie maßgeschneidert sein: mit Liedern<br />

von Mozart, Schubert und Wolf sowie angel-<br />

sächsischen Trouvaillen von Ralph Vaughan<br />

Williams, Gerald Finzi und dem kostbaren<br />

Roger Quilter. Gemeinsam mit Kevin Murphy<br />

am Klavier wird Bejun Mehta diesen Liedern,<br />

vom »Veilchen« über das »Heidenröslein«<br />

bis zum »Musensohn« und »Der Tod und das<br />

Mädchen«, vom Italienischen Liederbuch<br />

bis zu Shakespeare-Vertonungen und Thomas-<br />

Hardy-Gedichten, ein ganz neues, ungeahntes<br />

Leben einhauchen. Dass Bejun Mehta, wie<br />

die New York Times schreibt, »schon seit<br />

einigen Jahren als Sensation bekannt ist«,<br />

wird nun hier zu entdecken sein, und<br />

vielleicht findet auch das <strong>Frankfurt</strong>er Publikum,<br />

was der britische Guardian kürzlich seinen<br />

Lesern prophezeite: »Mehta – mit seiner<br />

unirdischen Stimme, die sinnlich ist und<br />

immer ein tiefes Wissen unter der Ober-<br />

flächenschönheit mitschwingen lässt – gibt<br />

eine der wunderbarsten Vorstellungen, die<br />

Sie je gehört haben.«<br />

} Malte Krasting


NACH UNTEN IMMER TIEFER<br />

Winterreise zum Sommerbeginn<br />

lIEdERAbEnd<br />

Jan-Hendrik Rootering Bass<br />

Neville Dove Klavier<br />

Dienstag, 26. Juni 2007<br />

um 20.00 Uhr im <strong>Oper</strong>nhaus<br />

Winterreise D. 911 / op. 89<br />

von Franz Schubert<br />

Mit freundlicher Unterstützung der<br />

Mercedes-Benz Niederlassung <strong>Frankfurt</strong>/Offenbach<br />

Ich werde euch einen Zyklus schauerlicher<br />

Lieder vorsingen. Ich bin begierig zu sehen,<br />

was ihr dazu sagt. Sie haben mich mehr ange-<br />

griffen, als dies bei anderen Liedern der Fall<br />

war. Mir gefallen diese Lieder mehr als alle,<br />

und sie werden euch auch noch gefallen.«<br />

Schuberts Prophezeiung ist nicht durch seine<br />

eigene Handschrift überliefert, aber darum<br />

kaum weniger authentisch: Josef von Spaun,<br />

einer der engsten Freunde des Komponisten,<br />

hat sie in seinen Erinnerungen festgehalten.<br />

Und so unwahrscheinlich die Aussage damals<br />

gewirkt haben muss, so gründlich ist sie in<br />

Erfüllung gegangen: Die beklemmendsten<br />

und unheimlichsten Lieder, die Schubert je<br />

geschaffen hat, gehören seit langem zu<br />

denen, die am häufigsten aufgeführt werden.<br />

Schubert hatte die Gedichte schon kurz<br />

nach ihrer Veröffentlichung kennengelernt:<br />

1824 waren sie erstmals komplett in der<br />

Sammlung Gedichte aus den hinterlassenen<br />

Papieren eines reisenden Waldhornisten.<br />

Zweites Bändchen. Lieder des Lebens und<br />

der Liebe von Wilhelm Müller erschienen. In<br />

dessen Todesjahr 1827 entdeckte Schubert<br />

im Februar zunächst zwölf dieser Lieder in<br />

einem literarischen Almanach und vertonte<br />

sie umgehend, und im September stieß er auf<br />

die übrigen, die er sofort ebenfalls in Töne<br />

setzte. »Offenbar«, meinte der Schubert-Kenner<br />

Alan Blyth, »konnte er die Einsamkeit des Anti-<br />

Helden des Zyklus’ nachvollziehen, der bis zum<br />

Leiermann im letzten Lied keine einzige<br />

lebende Seele antrifft.«<br />

Die Lieder der Winterreise sind für hohe<br />

Stimme komponiert. Das hat Sänger, die in<br />

anderen Stimmlagen beheimatet sind, natürlich<br />

nicht davon abgehalten, sich diese vokale<br />

Wanderung zu eigen zu machen. Schon die<br />

allererste Aufführung überhaupt gestaltete<br />

Schubert mit dem ihm befreundeten Johann<br />

Michael Vogl, einem hohen Bariton; ein anderer<br />

Bariton – Dietrich Fischer-Dieskau – hat<br />

sich sein ganzes Künstlerleben lang mit den<br />

zweimal zwölf Liedern auseinandergesetzt;<br />

selbst einen Geschlechterwechsel haben sie<br />

mehr als nur überstanden: Die Interpretationen<br />

von Sängerinnen wie Elena Gerhardt und Lotte<br />

Lehmann, Brigitte Fassbaender und Christa<br />

Ludwig zählen zu den Meilensteinen in der<br />

Rezeptionsgeschichte.<br />

Eine Transposition von Tenor- zur Basslage<br />

ist dennoch natürlich ein gewaltiger Schritt –<br />

teilweise sind die Lieder eine große Terz tiefer<br />

LIEDERABEND<br />

zu singen als im Original. Die Auswirkungen<br />

bilden auch für die Pianisten eine große Her-<br />

ausforderung: Eng liegende Akkorde und Inter-<br />

valle in tiefer Lage sind – insbesondere auf<br />

modernen Konzertflügeln – schwieriger durch-<br />

sichtig zu gestalten als in der originalen Tonart.<br />

Aber es ist eine Herausforderung von allergröß-<br />

tem Reiz: Die düstere Grundstimmung passt zu<br />

der ausweglosen Atmosphäre der Texte, und<br />

die dunkle Färbung, die man als Hörer mit den<br />

langsamer schwingenden Frequenzen verbin-<br />

det, verleiht dem todessehnsüchtigen Reigen<br />

eine im Wortsinne noch tiefer greifende Wirkung.<br />

Jan-Hendirk Rootering ist als erfahrener Sänger<br />

– regelmäßig in den Musikmetropolen der Welt<br />

zu Gast. Gerade hat er als Captain Balstrode<br />

(Peter Grimes) an der Dresdner Semperoper<br />

einen neuen Charakter seinem umfangreichen<br />

Repertoire hinzugefügt – und er vermag es, mit<br />

seinem Bass Geschichten zu erzählen, sei es<br />

auf der <strong>Oper</strong>nbühne, im Konzertsaal oder in<br />

der intimen Form des Liedes; mithin ist er prä-<br />

destiniert, Schuberts 24 »schauerliche Lieder«<br />

zu einem Erlebnis zu gestalten, das lange nach-<br />

klingen wird.<br />

} Malte Krasting<br />

23


24<br />

SPOT<br />

Graf Almaviva ist ein typischer Fürst des<br />

Absolutismus. Er ist es gewohnt, dass ihm alle<br />

Untertanen widerspruchslos gehorchen. Ein<br />

bisschen eitel ist er auch, weshalb er von<br />

einem heimlichen Abenteuer mit der Zofe<br />

Susanna träumt. Und das, obwohl er mit einer<br />

jungen und schönen Frau, der Gräfin, ver-<br />

heiratet ist. Kaum zu glauben, denn um die<br />

Gräfin hat der Graf vor nicht allzu langer<br />

Zeit leidenschaftlich geworben. Sein Diener<br />

Figaro verhalf ihm einst zur Hochzeit mit<br />

der schönen Rosina. Und nun will ausge-<br />

rechnet Figaro selbst heiraten und hat sich,<br />

sehr zum Verdruss des Grafen, die schöne<br />

Susanna als Braut ausgesucht.<br />

Figaro, der Diener des Grafen, muss<br />

rechnen. Mit einem Zollstock bewaffnet, ver-<br />

misst er das Dienstbotenzimmer. Schließlich<br />

soll sein neues Ehebett in dem kleinen<br />

Zimmer Platz finden. Er findet es praktisch,<br />

dass das Dienstbotenzimmer sich so nah<br />

an den Räumen von Graf und Gräfin befindet.<br />

Seine Braut Susanna sieht das anders.<br />

Gefördert von der Europäischen Zentralbank und der Fraport AG<br />

Schon längst hat sie gemerkt, dass der Graf<br />

ein Auge auf sie geworfen hat und jede<br />

Gelegenheit nutzt, um die bevorstehende<br />

Hochzeit immer wieder aufs Neue zu ver-<br />

schieben. Susanna hat ihren Herrn durch-<br />

schaut und erklärt Figaro, was sie davon hält.<br />

Wenn der Graf seinen Diener Figaro auf<br />

Reisen schickte, könnte er selbst rasch und un-<br />

gesehen in ihr Zimmer schleichen. Figaro<br />

sieht vor Eifersucht rot und sinnt sofort auf<br />

Gegenmaßnahmen, – »will der Herr Graf den<br />

Tanz mit mir wagen!«<br />

Aber auch die Gräfin nimmt es mit der<br />

ehelichen Treue nicht ganz so ernst. Der junge<br />

Page Cherubino hat es ihr angetan. Ein Knabe,<br />

der so jung ist, dass er noch nicht einmal<br />

eine tiefe Stimme hat, doch alt genug, dass<br />

ihn der Anblick jeder Frau erröten lässt. Vor<br />

kurzem hat er noch mit der Tochter des<br />

Gärtners, Barbarina, geflirtet und sich dabei<br />

erwischen lassen … Es passiert also aller-<br />

hand! Wie sich das Netz aus verschiedenen<br />

Plänen und Intrigen auflöst, erfahrt ihr in<br />

der Werkstatt für Kinder zu Die Hochzeit<br />

des Figaro am 14., 17., 21. und 24. April.<br />

Der Schreifütz ist eine kleine <strong>Oper</strong><br />

für Kinder ab 6 Jahren nach Carl Maria von<br />

Webers Der Freischütz. Max gilt als der<br />

beste Torschütze des Dorfes. Leider klappt<br />

das Kicken in letzter Zeit nicht mehr, ständig<br />

verfehlen seine Schüsse die Torwand. Das<br />

ist schlimm, nicht nur, weil er sich damit<br />

vom versprochenen Vertrag in der ersten<br />

Mannschaft verabschieden kann. Ohne den<br />

richtigen Volltreffer kann er sich die Hochzeit<br />

mit seiner Braut Agathe ebenso abschmin-<br />

ken. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als<br />

sich mit Kaspar, den eigentlich keiner leiden<br />

kann, in die Wolfsschlucht zu begeben.<br />

Hier sollen neue magische Bälle entstehen<br />

und jeder Schuss soll künftig treffen.<br />

Alles weitere zum Schreifütz bleibt bis zum<br />

26. und 29. Mai sowie den 2. und 5. Juni<br />

ein Geheimnis.<br />

Wir sehen uns im Holzfoyer!<br />

} Eure Deborah


ABONNENTEN WERBEN ABONNENTEN<br />

Nur wer selbst brennt, kann Feuer in anderen entfachen (Augustinus)<br />

Gewinnen Sie in Ihrem Freundes- oder<br />

Kollegenkreis neue Abonnenten für die<br />

<strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong>. Für jedes erfolgreich ver-<br />

mittelte Abonnement bedanken wir uns bei<br />

Ihnen mit einer der folgenden Prämien:<br />

I Ein Ticket für eine Vorstellung Ihrer<br />

Wahl in der gleichen Preisgruppe des<br />

vermittelten Abonnements innerhalb<br />

der Saison 2007/2008 (Premieren-<br />

termine und die Silvestervorstellung<br />

ausgenommen)<br />

I Besuch einer Generalprobe Ihrer Wahl für<br />

eine Person in der Saison 2007/2008<br />

I DVD der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong><br />

»Die Entführung aus dem Serail«<br />

I CD der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> »Mefistofele«<br />

Alle erfolgreichen Teilnehmer nehmen<br />

zusätzlich an einer Verlosung mit folgenden<br />

Gewinnen teil:<br />

I Ein »<strong>Oper</strong>nzauber« - Arrangement<br />

für zwei Personen – dies umfasst eine<br />

Übernachtung an einem Wochenendtag<br />

(Freitag, Samstag oder Sonntag) im<br />

Deluxe Doppelzimmer inkl. Frühstücks-<br />

buffet im 5-Sterne-Hotel Steigenberger<br />

<strong>Frankfurt</strong>er Hof mit 3-Gang-Dinner<br />

sowie einem Getränk im OSCAR*S<br />

und zwei <strong>Oper</strong>ntickets<br />

I Zwei Premierenkarten nach Wahl in<br />

der Zeit von Januar bis Saisonende<br />

2007/2008 mit Einladung als Ehrengast<br />

zur anschließenden Premierenfeier<br />

Teilnahmebedingungen<br />

OPER EMPFEHLEN xxxxxxxx<br />

Wer könnte die Qualität, Vielfalt und Emotionen als Markenzeichen der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> überzeugender vermitteln<br />

als regelmäßige Besucher? Deshalb sprechen wir Sie, liebe Abonnentinnen und Abonnenten, als Botschafter für<br />

die <strong>Oper</strong> an.<br />

Der von Ihnen geworbene Abonnent benennt<br />

Sie bei der Bestellung, dazu teilen Sie ihm<br />

bitte freundlicherweise Ihre Abo-Nummer mit.<br />

Auch ehemalige Abonnenten können geworben<br />

werden, in diesem Falle sollte die Abo-Kündi-<br />

gung des Geworbenen mindestens zum<br />

Ende der Saison 2005/2006 erfolgt sein.<br />

Als geworben gilt auch ein Abonnent, der<br />

aufgrund Ihrer Initiative eine weitere Serie<br />

abonniert. Nach erfolgreichem Abschluss des<br />

Abonnements übersenden wir Ihnen einen<br />

Coupon, auf dem Sie Ihre Wunschprämie, ggf.<br />

mit Termin- oder <strong>Oper</strong>ntitel, ankreuzen können.<br />

Das Premieren-Abonnement Serie 01, die<br />

Serie 28 Happy New Ears und die Werkstatt für<br />

Kinder-Abos sind von der Aktion ausgenommen.<br />

Alle Prämien und Gewinne sind übertragbar.<br />

25


26<br />

IM ENSEMBLE<br />

LEBEN UND ARBEITEN<br />

MIT ALLEN SINNEN<br />

Die Sopranistin Barbara Zechmeister<br />

Neugierig, mit offenen Augen, geht sie<br />

durchs Leben, nimmt alles auf, was um<br />

sie herum geschieht. Sie spricht gern über<br />

Dinge, die sie nachdenklich, traurig aber auch<br />

froh machen. »Die ganze Breite der Gefühls-<br />

palette ausloten, etwas ansprechen, berühren,<br />

betroffen machen«, das ist Barbara Zech-<br />

meisters Wunsch, wenn sie die Bühne betritt.<br />

Der Weg dahin war von der im Taubertal<br />

aufgewachsenen Sängerin nicht von Anfang<br />

beabsichtigt. Angeregt durch das Klavierspiel<br />

des Bruders, wuchs ihr Interesse an der Musik<br />

und so trat sie in Schulchor und -orchester ein,<br />

erlernte das Klavier- und Geigenspiel, wurde<br />

Mitglied eines A-cappella-Chores. Während<br />

ihres Studiums der Schulmusik entdeckte eine<br />

ungarische Lehrerin ihren »Instinkt« fürs Singen<br />

und Darstellen und »verführte« sie dazu, diese<br />

Stärken als Chance zu begreifen. Folgerichtig<br />

nahm sie nach dem Staatsexamen ein<br />

Gesangsstudium in Mannheim auf. Dort traf<br />

die Sopranistin den Lehrer Rudolf Piernay,<br />

mit dem sie intensiv an ihrer Gesangstechnik<br />

arbeitete, sie weiter ausbaute. Eine hervor-<br />

ragende Vorbereitung für ihr späteres Berufs-<br />

leben, das schon nach dem ersten Vorsingen<br />

an der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> begann.<br />

Seit 1996 singt Barbara Zechmeister als Ensemblemitglied der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> Partien von der Klassik<br />

bis zur Moderne, darunter Nanneta (Falstaff), Ännchen (Der Freischütz), Musetta/Mimì (La Bohème),<br />

Despina (Così fan tutte), Zerlina (Don Giovanni), Prinzessin Helene (Walzertraum), Grigori Frids Anne<br />

Frank, Marguerite (Faust) und Pamina (Die Zauberflöte). Gastengagements führten sie z. B. nach Mainz<br />

und Novosibirsk (Königin der Nacht), Hannover (Mimì), Lissabon (Pamina), Mannheim (Despina), Stutt-<br />

gart (Donna Elvira), Rouen (Zerlina), zu den Ludwigsburger Festspielen, zum Wexford Festival (Clarissa in<br />

Webers/Mahlers Die drei Pintos) und Essen (1. Dame in Die Zauberflöte). An der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> war die<br />

Sopranistin zuletzt u. a. als Livia in der Uraufführung von Detlef Glanerts Caligula, Marie in Die verkaufte<br />

Braut, Clorinda in La Cenerentola, Donna Elvira in Don Giovanni und Lady McDuff in Blochs Macbeth zu<br />

erleben.<br />

Mit großer Vorliebe für Experimente schlüpft<br />

Barbara Zechmeister in die unterschiedlichsten<br />

Charaktere, verwandelt sich gern. Sie betrachtet<br />

die Figuren, die sie darstellen möchte, im<br />

Kontext ihrer Geschichte, braucht das musika-<br />

lische Gefüge, die Harmonik, den Aufbau der<br />

Arien, um so diesen Figuren ihren Atem ein-<br />

zuhauchen.<br />

Don Govanni<br />

Barbara Zechmeister (Donna Elvira)<br />

Eine besondere Herausforderung war die<br />

Erarbeitung der Partie der Anne Frank in Grigori<br />

Frids Monodram. Allein auf der Bühne, im<br />

direkten Dialog mit dem Publikum, gestaltete<br />

sie diese Rolle aus einem Guss. »Es war<br />

unglaublich wichtig, in dieser kleinen Spielform,<br />

den richtigen Duktus, die Farben, den Ton<br />

zu finden, den stimmlichen und emotionalen<br />

Fluss nicht abbrechen zu lassen.«<br />

Die Bandbreite ihrer gestalterischen<br />

Fähigkeiten wurde deutlich in der Verkörperung<br />

der Rollen der Mimì und der Musetta in<br />

La Bohème. Egal, ob die eine zart und agil,<br />

die andere besonders frech auftritt, sie<br />

liebt beide Figuren wegen ihrer weiblichen<br />

Stärken, und sie wird beiden Interpretationen<br />

auf eindringliche Weise gerecht. Ebenso<br />

stark gestaltete sie a l l e Frauenrollen ihres<br />

Stimmfachs in der Zauberflöte.<br />

»Jede Musik fühlt sich anders an, in jeder<br />

Sprache hat sie einen neuen Rhythmus. Die<br />

französische Sprache liegt mir besonders«<br />

schwärmt Barbara Zechmeister. Das wird<br />

spürbar bei der Ausformung der Gestalt der<br />

Marguerite in Gounods Faust in der Zusam-<br />

menarbeit mit Christof Loy, die sie in ihrer<br />

persönlichen und stimmlichen Entwicklung<br />

weitergetragen hat. Ihre Gastspiele sieht sie als<br />

große Bereicherung: Zuletzt gelang ihr am<br />

Stuttgarter <strong>Oper</strong>nhaus, der Figur der Elvira in<br />

Don Giovanni, nach dem Rollendebüt in Frank-<br />

furt, eine weitere Dimension hinzuzufügen.<br />

Dieses Geben und Nehmen von Energie<br />

holt sie sich auch außerhalb des Theaters.<br />

Sie genießt die Ruhe in der Natur, findet dort<br />

ihr Gleichgewicht. Und immer trägt sie Bücher<br />

als ständige Begleiter mit sich, lässt sich in<br />

wieder andere Welten entführen.<br />

Fest verankert im Sängerensemble<br />

partizipiert sie von den unterschiedlichsten<br />

Meinungen und Kulturen ihrer Kollegen; und<br />

es macht sie sehr froh, hier die wichtigsten<br />

Regisseure zu treffen.<br />

} Waltraut Eising


28<br />

BLICKPUNKTE<br />

BLICKPUNKTE<br />

Musikalisch-literarischer<br />

Abend zu »ARIADNE«<br />

Salon im Dritten Rang<br />

Dienstag, 24. April 2007, 20.00 Uhr<br />

Komponisten, Literaten und bildende Künstler<br />

ließen sich über Jahrhunderte von der mytho-<br />

logischen Geschichte der Ariadne inspirieren:<br />

HAPPY NEW EARS<br />

ZWEIMAL NOCH IN DIESER SPIELZEIT<br />

»GLÜCKLICHE NEUE OHREN«<br />

10. April 2007, 20.30 Uhr, <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong><br />

Gérard Grisey<br />

Gérard Grisey war Schüler von Messiaen und<br />

Dutilleux und später beeinflusst von Stockhau-<br />

sen, Ligeti und xenakis. »Spektralmusik« ist ein<br />

Schlagwort, mit dem sein Schaffen verbunden<br />

wird, auch wenn ihm selbst solche Kategorisie-<br />

rung nicht angemessen schien. Wolfgang<br />

Fuhrmann beschrieb sein Credo: »Musik werde<br />

mit Klängen gemacht, nicht mit Noten, sagte<br />

Gérard Grisey, sie sei das Werden der Klänge.<br />

Das erscheint zunächst als Trivialität, selbst-<br />

verständlich sind es die Klänge und nicht ihre<br />

Schriftzeichen, die die Musik ausmachen.<br />

Man versteht den Satz dieses französischen<br />

Komponisten erst, wenn man ihn als Polemik<br />

begreift gegen jene Musik, die nach Griseys<br />

Meinung die Klänge mit den Noten ver-<br />

wechselt hatte: indem sie das musikalische<br />

Material in ›Parameter‹ isolierte, Tonhöhe,<br />

Tondauer, Lautstärke, Artikulation, Klangfarbe<br />

KURZ NOTIERT<br />

Der Hein-Heckroth-Bühnenbildpreis geht in<br />

diesem Jahr an den Bühnen- und Kostümbild-<br />

ner, Regisseur und Maler Achim Freyer.<br />

Den Nachwuchs-Förderpreis, den die Stadt<br />

Gießen zur Verfügung stellt, erhält der Bühnen-<br />

bildner Moritz Nitsche, Schüler und Assistent<br />

von Achim Freyer.<br />

Sie gab Theseus ein Garnknäuel mit, damit er<br />

an diesem Faden, dem »Ariadnefaden«,<br />

nach der Tötung des Minotaurus, den Rück-<br />

weg aus dessen Labyrinth findet. Sie verließ<br />

Kreta mit Theseus, der ihr die Ehe ver-<br />

sprochen hatte, wurde später aber, während<br />

sie schlief, von ihm auf der Insel Naxos<br />

zurückgelassen …<br />

und so weiter, während ein Klang doch immer<br />

all das in einem ist: eine der sinnlichen<br />

Erfahrung gegebene Totalität«. Griseys Musik<br />

hingegen taucht ein in das Innere der Töne,<br />

lässt sie erblühen, sich auffalten in ihrer<br />

komplexen Schönheit. Das Ensemble Modern<br />

begibt sich auf eine Reise in diesen klin-<br />

genden Reichtum.<br />

19. Juni 2007, 20.30 Uhr, <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong><br />

Heinz Holliger<br />

Von Beginn seiner Künstlerlaufbahn war er ein<br />

universeller Musiker: Pianist, Oboist, Dirigent<br />

und Komponist. Zum Abschluss der HNE-<br />

Saison an der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong> kommt Heinz<br />

Holliger ein weiteres Mal ans Pult des<br />

Ensemble Modern, wo der Schweizer neue<br />

Werke präsentiert und Einblick in den Ent-<br />

stehungsprozess gibt.<br />

In Zusammenarbeit mit dem Medienpart-<br />

ner Hessischer Rundfunk – hr2 und der <strong>Oper</strong><br />

<strong>Frankfurt</strong> hat das Ensemble Modern in der<br />

Reihe »Happy New Ears« ein Schulprojekt<br />

entwickelt, das auch in der laufenden Saison<br />

fortgesetzt wird. Im Mittelpunkt steht dies-<br />

mal der Komponist, Dirigent und Oboist Heinz<br />

Z ˇ ejlko Lućič sang im Frühjahr 2007<br />

Giorgio Germont in La Traviata an der Wiener<br />

Staatsoper.<br />

Anna Ryberg übernahm im Frühjahr 2007<br />

an der <strong>Oper</strong>a North die Rolle der Adina in<br />

L’elisir d’amore.<br />

Hans-Jürgen Lazar und Juanita Lascarro<br />

waren im März 2007 in Henzes Boulevard<br />

Solitude in Barcelona zu erleben.<br />

Neben Ausschnitten aus einer der berühm-<br />

testen Adaptationen des Stoffes – Ariadne<br />

auf Naxos von Richard Strauss und Hugo<br />

von Hofmannsthal – begeben wir uns mit<br />

Liedern und Gedichten auf einen imaginären<br />

Spaziergang rund um die Insel Naxos und<br />

ihre einsame Bewohnerin.<br />

Holliger – im Konzert am 19. Juni 2007. Für<br />

Schulklassen und Kurse gibt es vergünstig-<br />

te Eintrittskarten zum Preis von 5,63 Euro inkl.<br />

RMV. Diese können direkt bei Karina Stillger<br />

(Kartenverkauf der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong>) unter der<br />

Telefonnummer 069 - 212 37 432 bestellt<br />

werden. Die Mitschnitte dieser Konzerte wer-<br />

den als Grundlage für CD-/DVD-Produktionen<br />

dienen, die gemeinsam von hr2 und dem<br />

Ensemble Modern hergestellt werden, um<br />

sie hessischen Schulen für den Unterricht zur<br />

Verfügung zu stellen.<br />

KAMMERMUSIK IM FOYER<br />

Sonntag, 29. April 2007, 11.00 Uhr,<br />

Holzfoyer<br />

8. Kammermusik im Foyer<br />

Sonntag, 20. Mai 2007, 11.00 Uhr,<br />

Holzfoyer<br />

9. Kammermusik im Foyer<br />

Sonntag, 24. Juni 2007, 11.00 Uhr,<br />

Holzfoyer<br />

10. Kammermusik im Foyer<br />

Gregory Frank sang im März 2007 Kecal in<br />

Die verkaufte Braut am <strong>Oper</strong>nhaus in Baltimore<br />

in der Inszenierung von James McNamara.<br />

Claudia Mahnke ist im Mai 2007 an der<br />

San Francisco <strong>Oper</strong>a als Zerlina in Mozarts Don<br />

Giovanni engagiert.<br />

Sonja Mühleck verkörpert Gerhilde in Wagners<br />

Walküre bei den nächsten Bayreuther Festspielen.


TAUSENDE KNOTEN IN SECHZIG STUNDEN<br />

Die Maskenbildnerei der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong><br />

ine Figur auf der Bühne, egal in welcher<br />

ERolle, muss immer geschminkt sein, also<br />

eine Maske tragen, auch wenn sie unge-<br />

schminkt aussehen soll« – so Antje Schöpf,<br />

Chefmaskenbildnerin der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong>.<br />

Was verbirgt sich hinter diesem Begriff<br />

M a s k e – hinter diesen fünf Buchstaben?<br />

»Die Maske« ist in jedem Theater eine der<br />

Abteilungen, die wesentlichen Anteil an der<br />

Produktion und dem Gelingen einer Auf-<br />

führung hat.<br />

Die Maskenbildnerei der <strong>Oper</strong> <strong>Frankfurt</strong><br />

liegt ausnahmslos in weiblichen Händen:<br />

Antje Schöpf und ihre Stellvertreterin Tilla<br />

Weiss sind seit sechs Jahren ein gut einge-<br />

spieltes Team; sie liegen bei fast allen Ent-<br />

scheidungen »auf einer Wellenlänge«. Ihnen<br />

zur Seite stehen zwölf Maskenbildnerinnen,<br />

die den größten Teil der täglichen Arbeitszeit<br />

damit zubringen, mit fleißigen Händen die<br />

cirka eintausend Perücken zu knüpfen, die für<br />

eine Spielzeit benötigt werden. Ungefähr<br />

40 bis 60 Stunden dauert es, bis aus einem<br />

Stück Tüll, sehr vielen Haaren und Tausenden<br />

von Knoten eine Frisur entstehen kann. Jede<br />

freie Minute wird genutzt, um diese wichtigen<br />

»Requisiten« für die Sängerinnen und Sänger,<br />

vor allem aber für die vielen Mitglieder des<br />

Chores, herzustellen. Zwischendurch werden<br />

immer wieder Perücken vorgefertigt. Nur zur<br />

Hälfte geknüpft, werden sie im Fundus ge-<br />

lagert, um zur richtigen Zeit und in der genau<br />

festgelegten Haarfarbe aufgearbeitet zu<br />

werden.<br />

Dieser Zeitpunkt ist gekommen, wenn<br />

sich das Produktionsteam der nächsten Pre-<br />

miere zusammenfindet, um seine Ideen und<br />

Pläne vorzustellen. Nach Zeichnungen werden<br />

Prototypen von Perücken oder Masken an-<br />

gefertigt, die danach, gemeinsam mit dem<br />

Kostümbildner, ihr endgültiges Aussehen<br />

erhalten. Eine besonders spannende Angele-<br />

genheit ist das Modellieren von Masken. Da<br />

kommt es durchaus vor, dass bei besonders<br />

komplizierten Stücken mehrere Abteilungen<br />

zusammen an der Entwicklung arbeiten.<br />

So sind z. B. bei der Entstehung der Krone der<br />

Königin für die Premiere von Der Schatz­<br />

gräber drei Kollegen aus verschiedenen Ab-<br />

teilungen beteiligt gewesen: Das Grundgestell<br />

mit den »Edelsteinen« wurde in der Maske<br />

hergestellt, eine Modistin hat an der Kappe<br />

gearbeitet und ein Beleuchtungsmeister hat<br />

dafür gesorgt, dass Lichterglanz entstehen<br />

Antje Schöpf, Tilla Weiss Barbara Luft, Krone aus Der Schatzgräber<br />

OPER INTERN<br />

konnte. Gerade für diese Produktion sind<br />

enorm viele Masken gearbeitet worden.<br />

Da gab es verschiedene Körperteile wie<br />

Ohren oder Hände und sogar extra geknüpfte<br />

Teile, wie die sehr behaarten Arme des<br />

»Monster« - Junkers.<br />

Bei allen Endproben und natürlich auch<br />

allen Vorstellungen geschieht dann das, was<br />

sich jeder von uns vorstellt, wenn am Theater<br />

von der Maske gesprochen wird – es wird<br />

geschminkt. Die verwendeten Materialien sind<br />

dermatologisch getestet, denn alles muss gut<br />

verträglich sein und allergische Reaktionen<br />

ausschließen.<br />

Den Abschluss bilden die Abenddienste,<br />

die zwei Stunden vor der Aufführung be-<br />

ginnen und bis zum Ende der Vorstellung<br />

dauern, oftmals zehn Arbeitsstunden am<br />

Stück. Ein enormes Pensum! Zur Zeit arbeitet<br />

die Maskenbildnerei an vier Premieren und<br />

fünf Wiederaufnahmen gleichzeitig. Und wozu<br />

das alles? Um den Künstlern ein Hilfsmittel<br />

zu geben – sie zu verwandeln, sie sich in ihre<br />

Rollen einfühlen zu lassen.<br />

} Waltraut Eising<br />

29


32<br />

PRESSESTIMMEN<br />

GIASONE<br />

TANNHÄUSER UND<br />

DER SÄNGERKRIEG<br />

AUF WARTBURG<br />

Premiere vom 21. Januar 2007 Premiere vom 28. Januar 2007<br />

(…) In Giasone bilden Musik und Drama<br />

eine geschlossene Einheit, darin folgt Cavalli<br />

seinem Lehrer Monteverdi. Die Wirkung, die<br />

von diesem »gesungenen Sprechen« ausgeht,<br />

ist umso größer, je besser es eine Aufführung<br />

versteht, dem Sprechgesang Deutlichkeit, Pla-<br />

stizität und Gliederung zu geben. Die <strong>Frankfurt</strong>er<br />

Darbietung versicherte sich zu diesem Zweck<br />

der Autorität des italienischen Dirigenten und<br />

Cembalisten Andrea Marcon (…). Was da<br />

drei Stunden lang aus dem dreizehnköpfigen<br />

Instrumentalensemble an musikalischer<br />

Beredtheit und instrumentalem Glanz erklang,<br />

kann nur mit Superlativen beschrieben werden.<br />

Zu loben auch, dass sich bei den Streichern<br />

Mitglieder des <strong>Frankfurt</strong>er <strong>Oper</strong>norchesters<br />

beteiligten (…).<br />

Die <strong>Frankfurt</strong>er Aufführung wurde kurz vor<br />

Probenbeginn von einem schmerzlichen Ver-<br />

lust getroffen: Die Regisseurin Anouk Nicklisch,<br />

die ihre Klagenfurter Inszenierung für <strong>Frankfurt</strong><br />

weiterentwickeln wollte, starb unerwartet.<br />

Andrea K. Schlehwein und dem Bühnenbildner<br />

Roland Aeschlimann gelang es jedoch über-<br />

zeugend, die Intentionen der Regisseurin zu<br />

realisieren. Aeschlimanns Spiel-Raum, ein<br />

großer, nach allen Seiten aufklappbarer Kubus<br />

auf der Bühne des Bockenheimer Depots,<br />

erwies sich gleichsam als eine Art Hauptakteur:<br />

öffnungen, Durchbrüche, Verschachtelungen –<br />

der aktivierte Kubus musizierte optisch mit<br />

den Verwicklungen und Verwinkelungen der<br />

Handlung mit. Raffiniert auch die eingesetzte<br />

Symbolik der Lichtfarben.<br />

Zu erleben war außerdem, wie wichtig in<br />

der <strong>Oper</strong> die Führung der Personen ist. Aus den<br />

Gesten, Bewegungen, Körperhaltungen der<br />

Solisten ergibt sich erst die Beglaubigung des<br />

jeweiligen Konzepts. Letzteres folgte hier allein<br />

schon aus dem Werk selbst: Der wankelmütige<br />

Giasone erscheint in der Gestalt des Sängers<br />

Nicola Marchesini als unser Zeitgenosse. Mar-<br />

chesini treibt mit seiner leuchtenden, oft herr-<br />

lich aufblühenden Counter-Stimme neben den<br />

Noten auch die dahinter versteckte moderne<br />

Psychologie der Figur hervor. Stella Grigorians<br />

Medea und Juanita Lascarros Isifile, beide blen-<br />

dend singend, kontrastieren lebendig die unter-<br />

schiedlichen Temperamente. Christian Dietz als<br />

Demo und Martin Wölfel als Delfa bringen<br />

ohne Übertreibungen die Komik oft anrührend<br />

heraus. Ein im wahrsten Sinne des Wortes<br />

»wunderschöner« <strong>Oper</strong>n-Theaterabend.<br />

Gerhard Rohde, <strong>Frankfurt</strong>er Allgemeine Zeitung<br />

Endlich hat eine Frau ernst gemacht mit<br />

Richard Wagners Tannhäuser, hat die schrecklich<br />

eingefahrenen, oft allzu männlichen Sicht-<br />

weisen beiseite gefegt und ist dabei auf Wesent-<br />

liches gestoßen, zum Kern, wie ihn so vielleicht<br />

sogar Wagner selbst noch gar nicht sehen<br />

konnte, zu neuen und doch alten Wahrheiten,<br />

die bisher nur noch niemand gezeigt hat.<br />

Der jungen Regisseurin Vera Nemirova, dem<br />

einfühlsam-klugen Dirigenten Paolo Carignani<br />

und einigen herausragenden Solisten ist eine<br />

Sternstunde zu danken, eine Sternstunde für<br />

Wagner und das Musiktheater.<br />

Schon zur Ouvertüre (in der Dresdner<br />

Fassung) wird klar, dass diesmal einiges anders<br />

ist. Die Pilger, die sich vor dem sichtlich nur<br />

aufgemalten Sommerhimmel unter der Peit-<br />

schenlampe (Ausstattung: Johannes Leiacker)<br />

versammeln, sehen aus wie jüngst bei der<br />

Papstmesse. Eine fröhlich-bunte, mit Rucksack,<br />

Isomatten und Wasserflaschen gerüstete<br />

Menge an sichtlich gläubigen Menschen,<br />

die sich unversehens aus den christlichen<br />

Sinnbildern heraus- und in Bilder einer ver-<br />

gleichsweise natürlich wirkenden Sinnlichkeit<br />

hineinfallen lassen: der Venusberg in Rom<br />

sozusagen.


Dass die vermeintlichen Gegenwelten im<br />

Tannhäuser nur behauptete sind, unterstreicht<br />

Nemirova auch, indem sie den weiblichen<br />

Protagonisten Merkmale zuweist, die man her-<br />

kömmlich jeweils bei der anderen vermutet.<br />

Venus hat auch pragmatisch-häusliche und be-<br />

wahrende Qualitäten, und Elisabeth ist weitaus<br />

selbstbewusster und erotischer, als ihre männ-<br />

liche Umwelt das wahrhaben und zulassen will.<br />

Was zwangsläufig dazu führt, dass die Männer<br />

im 2. Akt eine Heilige aus ihr machen. Und im<br />

3. Akt damit endet, dass der vergeblich liebende<br />

Wolfram sie erwürgt.<br />

Der Ernst, der dahinter steckt, die Fallhöhe, die<br />

die Figuren hier haben, ist auch deshalb so groß,<br />

weil Nemirova andererseits keine Mittel und Wege<br />

scheut, um den Tannhäuser unterhaltsam, leicht<br />

und witzig zu machen. Der Sängerstreit auf Wart-<br />

burg ist (…) ein Songcontest unter alternden Rock-<br />

poeten und Sangesstars, eine große TV-Show (…).<br />

Monika Beer, Fränkischer Tag<br />

(…) Die herausragende Erscheinung im<br />

<strong>Frankfurt</strong>er Solistenensemble ist Christian Gerha-<br />

her, der dem Wolfram mit der Gestaltungskraft<br />

des Liedersängers vokale Kontur verleiht. (…)<br />

Marianne Zelger­Vogt, Neue Zürcher Zeitung<br />

LE NOZZE DI FIGARO<br />

(DIE HOCHZEIT DES FIGARO)<br />

Premiere vom 4. März 2007<br />

(…) Es ist Bernardi gelungen, eine alte<br />

Geschichte so zu erzählen, dass sogar der aus-<br />

gepichteste Kenner wieder einiges Neue in<br />

dem (wie alle guten Stücke) unerschöpflichen<br />

Werk entdeckt. Dabei geht es ohne Verkrampft-<br />

heiten ab, ohne ratternde Gags. (…)<br />

Hans­Klaus Jungheinrich, <strong>Frankfurt</strong>er Rundschau<br />

(…) Intendant Bernd Loebe kann stolz auf<br />

dieses Ensemble sein: Fast ausschließlich mit<br />

hauseigenen Kräften konnte diese Neuproduk-<br />

tion des Figaro realisiert werden. Und das auf<br />

einem bis in die kleinste Partie hinein durchweg<br />

hohem Niveau. Auch so spielstark hat man das<br />

<strong>Frankfurt</strong>er Ensemble seit längerem nicht mehr<br />

erlebt. (…)<br />

Inspiriert wurde das lebhafte, jedoch nie<br />

übertrieben turbulente, ganz natürlich anmu-<br />

tende, oft tänzerisch bewegte Bühnengeschehen<br />

von der hervorragenden Arbeit aus dem Orches-<br />

tergraben. Mit Julia Jones am Pult (…) spielte<br />

das Museumsorchester wie »aufgekratzt«. (…)<br />

Als Glücksgriff erwies sich Felice Venanzoni, der<br />

die Secco-Rezitative auf dem Hammerklavier<br />

statt auf dem sonst üblichen Cembalo begleite-<br />

te und diese oft vernachlässigten Passagen<br />

mit seiner ideenreichen Ausgestaltung zu<br />

funkelnden Kleinodien werden ließ.<br />

PRESSESTIMMEN<br />

Uneingeschränktes Lob auch für die Sänger,<br />

die mit ihren Mozart-tauglichen Stimmen eine<br />

homogene Einheit bildeten: Bei den hohen<br />

Frauenpartien harmonierten Maria Fontosh als<br />

sich nach Liebe sehnende Gräfin und Jenny<br />

Carlstedt als naiv-unsicherer Cherubino vortreff-<br />

lich mit Miah Perssons liebreizender Susanna.<br />

Die schwedische Sopranistin stellte nicht allzu<br />

sehr das kokette Element der Kammerzofe in<br />

den Vordergrund, agierte vielmehr mit Witz<br />

und Charme. Die Männer standen dem freilich<br />

nicht nach. Johannes Martin Kränzle gab den<br />

Grafen Almaviva großspurig, rachsüchtig und<br />

verletzlich, aber nie polternd in seinen leiden-<br />

schaftlichen Ausbrüchen. Simon Baileys grund-<br />

gütiger Figaro gefiel durch die noble Kultiviert-<br />

heit seines Bassbaritons. Als clowneskes Paar<br />

sorgten Annette Stricker (Marzelline) und<br />

Soon-Won Kang (Bartolo) für Lacher. Carlos<br />

Krause als trinkfreudiger Gärtner Antonio,<br />

Michael McCowns spaßiger Basilio sowie Elin<br />

Rombo als entzückende Barbarina ergänzten<br />

das muntere Team, wobei der von Apostolos<br />

Kallos einstudierte Chor nicht unterschlagen<br />

werden sollte. (…)<br />

Michael Dellith, <strong>Frankfurt</strong>er Neue Presse<br />

33

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