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Anatomie der Staatssicherheit - BStU

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92<br />

genannten Sicherungskonzeption vonstatten gehen, die in <strong>der</strong> Praxis freilich in mehr als<br />

<strong>der</strong> Hälfte <strong>der</strong> Fälle fehlte o<strong>der</strong> veraltet war. 607<br />

Hauptaufgabe <strong>der</strong> Abwehroffiziere waren die geheimpolizeiliche Aufsicht über die<br />

Volkspolizeikreisämter und die Absicherung ihrer Arbeitsprozesse. So führten etwa im<br />

Bezirk Neubrandenburg alle Abwehroffiziere inoffizielle Mitarbeiter, teilweise sogar Führungs-IM.<br />

Mit Sicherheitsüberprüfungen verbrachten sie ungefähr ein Drittel ihrer Arbeitszeit<br />

und führten zudem OV und OPK. Im Bereich des »politisch-operativen Zusammenwirkens«<br />

hingegen waren sie kaum tätig. 608 Dieses Aufgabenfeld sollte <strong>der</strong> Leiter <strong>der</strong><br />

Kreisdienststelle o<strong>der</strong> allenfalls ein beson<strong>der</strong>s befähigter Mitarbeiter mit gutem Überblick<br />

wahrnehmen. 609 In an<strong>der</strong>en Kreisdienststellen wurden die Abwehroffiziere wie<strong>der</strong>um nur<br />

im Rahmen des »politisch-operativen Zusammenwirkens« eingesetzt, statt die Angehörigen<br />

<strong>der</strong> Volkspolizei operativ zu bearbeiten. 610<br />

Weil die Anleitung <strong>der</strong> Abwehroffiziere durch die Hauptabteilung VII und die Abteilungen<br />

VII das Territorialprinzip teilweise durchbrachen, legte <strong>der</strong> stellvertretende Minister<br />

für <strong>Staatssicherheit</strong>, Gerhard Neiber, die Verantwortung für die Abwehroffiziere im<br />

August 1982 stärker in die Hände <strong>der</strong> Kreisdienststellenleiter. 611 So durften die Abwehroffiziere<br />

zunehmend flexibel eingesetzt werden; außerdem wurde dem Leiter <strong>der</strong> Hauptabteilung<br />

VII das Vetorecht gegen eine Ablösung o<strong>der</strong> Versetzung einzelner Abwehroffiziere<br />

genommen. 612 In einigen Kreisdienststellen <strong>der</strong> Bezirke Gera, Neubrandenburg und<br />

Leipzig und Erfurt wurden die Abwehroffiziere daraufhin »wegrationalisiert«. 613<br />

Die Auflösung <strong>der</strong> für die Überwachung <strong>der</strong> polizeilichen Arbeit im Grenzgebiet zuständigen<br />

Linie VII/2 vollzog sich auf Bezirksebene 1983 nur zögerlich. Die Abteilungen<br />

VII <strong>der</strong> Bezirksverwaltungen hatten weiterhin die Tätigkeit <strong>der</strong> Grenzbeauftragten (ab<br />

1986 Mitarbeiter für Grenzsicherheit) zu unterstützen. Diese fungierten als Mitarbeiter <strong>der</strong><br />

örtlichen Räte (im Verantwortungsbereich des Stellvertreters des Vorsitzenden für Inneres)<br />

in den Grenzkreisen und hatten <strong>der</strong>en Abstimmung mit den Grenztruppen und <strong>der</strong><br />

Abteilung Grenzsicherheit in <strong>der</strong> Hauptabteilung I zu gewährleisten. 614<br />

Insgesamt stieg durch Einsatz <strong>der</strong> Abwehroffiziere die Zahl <strong>der</strong> OV und OPK zu VP-<br />

Angehörigen wie auch die Zahl <strong>der</strong> IM an, was <strong>der</strong> Mielke-Apparat als ein Indiz dafür<br />

interpretierte, dass die »politisch-operative Abwehrarbeit [...] weiter qualifiziert« worden<br />

sei. 615 Allerdings konnte dies auch mit ideologischen Aufweichungen, intensiveren Westkontakten<br />

o<strong>der</strong> schlichtweg strengeren Maßstäben zusammenhängen – soweit nicht durch<br />

einen Rückkoppelungseffekt die Bereitstellung von operativen Kapazitäten (durch die<br />

607<br />

Vgl. Mörke (Hg.): Die offizielle und inoffizielle Zusammenarbeit (Anm. 487), S. 105.<br />

608<br />

Vgl. Bericht <strong>der</strong> HA VII/1 über Realisierung eines Kontrollauftrages v. 9.11.1984; <strong>BStU</strong>, MfS, BV Neubrandenburg,<br />

Abt. VII Nr. 544, S. 126–128; Übersicht zum Einsatz <strong>der</strong> AO VP v. 25.11.1984; ebenda, S. 130 f.<br />

609<br />

Vgl. Persönliches Schreiben von Neiber an den Leiter <strong>der</strong> DE betr. Arbeit <strong>der</strong> Abwehroffiziere VP v.<br />

20.8.1982; <strong>BStU</strong>, MfS, HA VII Nr. 513, S. 36 f.; Schreiben von Neiber an Mielke v. 19.8.1982; <strong>BStU</strong>,<br />

MfS, AB Neiber Nr. 152, S. 77–79; Die politisch-operative Abwehrarbeit gegenüber den VPKÄ o. D.<br />

[ca. 5/1982]; <strong>BStU</strong>, MfS, HA VII Nr. 513, S. 44–53.<br />

610<br />

Vgl. Schreiben des Leiters HA VII an Minister Mielke v. 8.1.1988; <strong>BStU</strong>, MfS, HA VII Nr. 1044, S. 17–20.<br />

611<br />

Vgl. Persönliches Schreiben von Neiber an den Leiter <strong>der</strong> DE betr. Arbeit <strong>der</strong> Abwehroffiziere VP v.<br />

20.8.1982; <strong>BStU</strong>, MfS, HA VII Nr. 513, S. 36 f.; Schreiben von Neiber an Mielke o. D. [ca. 5/1982]; ebenda,<br />

S. 41–43; Die politisch-operative Abwehrarbeit gegenüber den VPKÄ o. D. [ca. 5/1982]; ebenda, S. 44–53.<br />

612<br />

Schreiben des Stellvertreters Neiber v. 20.8.1982; <strong>BStU</strong>, MfS, BdL/Dok. 7669.<br />

613<br />

Vgl. Vermerk des Leiters <strong>der</strong> Abt. VII über die Arbeitsberatung beim Leiter <strong>der</strong> HA VII v. 4.10.1984;<br />

<strong>BStU</strong>, MfS, BV Neubrandenburg, Abt. VII Nr. 544, S. 139–143.<br />

614<br />

Bericht <strong>der</strong> HA VII/9 über den Einsatz in <strong>der</strong> Abt. VII <strong>der</strong> BV Potsdam v. 13.6.1988; <strong>BStU</strong>, MfS, HA<br />

VII/AKG PK 1/8.1. »Komplexkontrolle BV Erfurt 87, BV Potsdam 88«, Bd. 4 »Komplexkontrolle BV<br />

Potsdam Abt. VII/88«, S. 125–133.<br />

615<br />

Vgl. Stellungnahme zum Schreiben des Leiters <strong>der</strong> HA VII an den Minister v. 18.1.1988; <strong>BStU</strong>, MfS,<br />

HA VII Nr. 830, o. Pag.

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