08.12.2012 Aufrufe

Anatomie der Staatssicherheit - BStU

Anatomie der Staatssicherheit - BStU

Anatomie der Staatssicherheit - BStU

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

5<br />

Zwar schrumpfte <strong>der</strong> Zuständigkeitsbereich <strong>der</strong> Linie VII im Laufe <strong>der</strong> Jahre, die Aufgabenstellung<br />

wurde jedoch komplexer und aufwändiger umgesetzt. So verstärkten sich<br />

Ende <strong>der</strong> sechziger Jahre die Bestrebungen, nicht nur die Ka<strong>der</strong> des Ministeriums des Innern<br />

und <strong>der</strong> Deutschen Volkspolizei (DVP) zu überwachen, son<strong>der</strong>n auch stärker in <strong>der</strong>en<br />

Leitungsentscheidungen auf offizieller Ebene einzugreifen. Schließlich wurde für diesen<br />

Aufgabenbereich eine Struktureinheit <strong>der</strong> Hauptabteilung VII gebildet, die Abteilung 9,<br />

zuständig für die zentrale Steuerung des sogenannten »politisch-operativen Zusammenwirkens«.<br />

Sie ging hervor aus <strong>der</strong> Abteilung 1, die relativ kontinuierlich den Kernbereich<br />

<strong>der</strong> Linie VII verkörperte und insbeson<strong>der</strong>e für die Kriminalpolizei zuständig war. Diese<br />

Abteilung 1 konzentrierte sich nun im Gegenzug auf die »Abwehr«.<br />

Zu den langjährigen Aufgaben <strong>der</strong> Linie VII gehörte auch die Sicherung <strong>der</strong> Aufnahmeheime<br />

für Migranten; dies oblag überwiegend, aber nicht durchgängig, <strong>der</strong> Abteilung 3.<br />

Sehr wechselhaft waren die Zuständigkeit und die organisatorische Verankerung des Bereichs<br />

Grenzsicherung (zeitweise in <strong>der</strong> Abteilung 2). Die Westarbeit <strong>der</strong> Linie VII gewann<br />

Mitte <strong>der</strong> fünfziger Jahre an Gewicht und fand streckenweise eine strukturelle Verankerung<br />

in <strong>der</strong> seinerzeitigen Abteilung 3, verlor in den siebziger Jahren jedoch spürbar<br />

an Bedeutung.<br />

Verglichen mit den Proportionen an<strong>der</strong>er Diensteinheiten war die Linie VII nicht durch<br />

beson<strong>der</strong>e Kopf- o<strong>der</strong> Rumpflastigkeit gekennzeichnet. 7 Zu den 319 Mitarbeitern <strong>der</strong> Hauptabteilung<br />

VII (ohne Offiziere im beson<strong>der</strong>en Einsatz und Hauptamtliche Inoffizielle Mitarbeiter)<br />

8 kamen in den Abteilungen VII <strong>der</strong> Bezirksverwaltungen 510 hauptamtliche Mitarbeiter<br />

hinzu, wobei die Zahlen zwischen 91 (in Ostberlin) und 19 (in Suhl) variierten. 9<br />

Als verlängerter Arm <strong>der</strong> Linie VII auf Ebene <strong>der</strong> Kreisdienststellen fungierten seit <strong>der</strong>en Einführung<br />

in den Jahren 1980/1981 insgesamt 264 sogenannte Abwehroffiziere Volkspolizei.<br />

Das Ausmaß <strong>der</strong> Überwachung und Bespitzelung des Ministeriums des Innern lässt<br />

sich für die achtziger Jahre in Zahlen fassen. Allein die Abwehroffiziere beendeten jährlich<br />

über 300 Operative Personenkontrollen (OPK). Die Abteilungen VII <strong>der</strong> Bezirksverwaltungen<br />

schlossen per annum zusätzlich etwa 200 OPK und die Abteilungen <strong>der</strong> Hauptabteilung<br />

VII weitere 50 OPK gegen Personen aus ihrem Zuständigkeitsbereich ab. Darüber<br />

hinaus führte die Linie VII circa 50 Operative Vorgänge (OV). 10 Somit stand etwa<br />

je<strong>der</strong> hun<strong>der</strong>tste Mitarbeiter <strong>der</strong> Volkspolizei bzw. <strong>der</strong> dem Ministerium des Innern nachgeordneten<br />

Bereiche unmittelbar im Visier <strong>der</strong> <strong>Staatssicherheit</strong>, was in ungefähr 150 Entlassungen<br />

– unter ihnen hauptsächlich Volkspolizisten – auf allen Ebenen pro Jahr mündete. 11<br />

Zugleich wurden etwa 3 000 IM sowie GMS von den Abteilungen VII <strong>der</strong> Bezirksverwaltungen<br />

und mehr als 1 000 Zuträger durch die Hauptabteilung VII geführt. Verschiedene<br />

Linien <strong>der</strong> <strong>Staatssicherheit</strong> zusammengenommen hatten etwa jeden elften Volkspolizisten<br />

als IM o<strong>der</strong> GMS angeworben, unter den knapp 60 000 Volkspolizisten in <strong>der</strong> gesamten<br />

DDR gleichzeitig vermutlich mehr als 5 000 IM o<strong>der</strong> GMS. 12<br />

7<br />

Vgl. Gieseke, Jens: Die hauptamtlichen Mitarbeiter des Ministeriums für <strong>Staatssicherheit</strong>. Personalstruktur<br />

und Lebenswelt 1950–1989/90. Hg. <strong>BStU</strong>. Berlin 2000, S. 319 u. 396.<br />

8<br />

Vgl. Struktur- und Stellenplan <strong>der</strong> HA VII v. 15.9.1988; <strong>BStU</strong>, MfS, HA VII Nr. 499, S. 48–127.<br />

9<br />

Siehe Kapitel 4.2.<br />

10<br />

Siehe die Kapitel 2.1.2 u. 4.1.<br />

11<br />

Vgl. AKG <strong>der</strong> HA VII: Ausgewählte Angaben zur OPK-Durchführung zu Angehörigen <strong>der</strong> DVP und<br />

an<strong>der</strong>en Organen des MdI v. 4.11.1989; <strong>BStU</strong>, MfS, HA VII/AKG PK 1/2.5. Bd. 2, S. 3–6; [Übersicht<br />

<strong>der</strong>] AKG <strong>der</strong> HA VII von März 1985; <strong>BStU</strong>, MfS, HA VII Nr. 421, Bl. 57. Siehe Kapitel 4.1.<br />

12<br />

Siehe die Kapitel 2.1.3 u. 4.1.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!