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Anatomie der Staatssicherheit - BStU

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1 Überblick<br />

3<br />

Das Ministerium des Innern (MdI) war ein wichtiger »Pfeiler <strong>der</strong> Sicherheitsarchitektur«<br />

des SED-Regimes. 1 Es bildete die Keimzelle an<strong>der</strong>er staatlicher Organe, die im Laufe <strong>der</strong><br />

Jahre Eigenständigkeit erlangten: Streitkräfte, Grenzpolizei und die Geheimpolizei selbst.<br />

Die sukzessive Ausglie<strong>der</strong>ung wichtiger Zuständigkeiten warf das Ministerium des Innern<br />

in seiner Bedeutung zurück; nach dem Mauerbau musste es bei <strong>der</strong> Verteilung <strong>der</strong> Ressourcen<br />

durch die Staats- und Parteiführung in »konsolidierter Zweitrangigkeit« hinter<br />

dem Ministerium für <strong>Staatssicherheit</strong> (MfS) zurückstehen. Zugleich reichte die Zuständigkeit<br />

über den klassisch polizeilichen Bereich weit hinaus, etwa bei <strong>der</strong> für para- o<strong>der</strong><br />

halbmilitärische Verbände (wie die Kampfgruppen <strong>der</strong> Arbeiterklasse). 2<br />

An <strong>der</strong> Schnittstelle zwischen dem Ministerium des Innern und dem Ministerium für<br />

<strong>Staatssicherheit</strong> stand dessen sogenannte Linie VII. Sie überwachte und instruierte das<br />

Ministerium des Innern sowie seine nachgeordneten Bereiche und organisierte zugleich<br />

die Kooperation zwischen beiden Organen. In den fünfziger Jahren überprüfte sie mit geringem<br />

personellen Aufwand auffällige Ka<strong>der</strong> und versuchte westliche Spionage abzuwehren.<br />

Erst im Jahre 1959 wurde die Abteilung VII in <strong>der</strong> Zentrale <strong>der</strong> <strong>Staatssicherheit</strong><br />

zur Hauptabteilung aufgewertet. Weil die Überwachung eines Sicherheitsorgans durch ein<br />

an<strong>der</strong>es des Guten zuviel schien, wurde Anfang <strong>der</strong> sechziger Jahre die Existenz <strong>der</strong><br />

Diensteinheit infrage gestellt.<br />

Ihre »Blütephase« erlebte die Diensteinheit in <strong>der</strong> ersten Hälfte <strong>der</strong> siebziger Jahre, als<br />

die innerdeutsche Entspannung und insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> grenzüberschreitende Reiseverkehr<br />

neue »Gefahren« für die innere Sicherheit <strong>der</strong> DDR heraufbeschworen. Entsprechend <strong>der</strong><br />

allgemeinen Hypertrophie des Apparates und <strong>der</strong> zunehmend prophylaktischen Gesinnungskontrolle<br />

weitete sich das Aufgabenfeld <strong>der</strong> Linie VII aus. Immer intensiver durchleuchtete<br />

sie sämtliche Mitarbeiter <strong>der</strong> Volkspolizei und versuchte, durch ein ausuferndes<br />

Netz von Zuträgern im dienstlichen wie im privaten Bereich Verfehlungen und ideologische<br />

Abweichungen frühzeitig aufzudecken.<br />

Immer stärker wurde auch in Leitungsfragen und fachliche Entscheidungen des Ministeriums<br />

des Innern eingegriffen, wenngleich es durch die Verpflichtung bei<strong>der</strong> Organe auf<br />

die Parteilinie und vorauseilenden Gehorsam in <strong>der</strong> Regel zur Kooperation und nur selten<br />

zur Konfrontation kam. Gleichwohl führten unterschiedliche Interessenlagen, Ressortegoismus<br />

und persönliche Animositäten zu latenter Rivalität; Phasen größerer Folgsamkeit<br />

und stärkerer Emanzipation <strong>der</strong> Volkspolizei gegenüber <strong>der</strong> <strong>Staatssicherheit</strong> wechselten<br />

einan<strong>der</strong> ab.<br />

Der <strong>Staatssicherheit</strong>sapparat sah sich gegenüber <strong>der</strong> Volkspolizei als Generalbevollmächtigter<br />

in Sachen innerer Sicherheit und fungierte als »Oberbedenkenträger«, <strong>der</strong> bei geringsten<br />

Abstrichen an Geheimhaltung o<strong>der</strong> Westkontaktverbot sofort Geheimnisverrat und Spionage<br />

witterte. Als Scharnier zwischen <strong>der</strong> Geheimpolizei und <strong>der</strong> Volkspolizei saß die<br />

Hauptabteilung VII auch hinsichtlich des Informationsflusses in einer Schlüsselposition. 3<br />

1 Wagner, Armin: Walter Ulbricht und die geheime Sicherheitspolitik <strong>der</strong> SED. Der Nationale Verteidigungsrat<br />

<strong>der</strong> DDR und seine Vorgeschichte (1953–1971). Berlin 2002, S. 266.<br />

2 Lindenberger, Thomas: Die Deutsche Volkspolizei (1945–1990). In: Diedrich, Torsten; Ehlert, Hans;<br />

Wenzke, Rüdiger (Hg.): Im Dienste <strong>der</strong> Partei. Handbuch <strong>der</strong> bewaffneten Organe in <strong>der</strong> DDR. Berlin<br />

1998, S. 127.<br />

3 Beispielsweise sollte die Linie VII bei <strong>der</strong> Bekämpfung <strong>der</strong> »staatsfeindlichen Hetze« den Informationsfluss<br />

zwischen (Kriminal-)Polizei und <strong>Staatssicherheit</strong> gewährleisten. Vgl. DA 2/71 v. 26.6.1971 zur<br />

Leitung und Organisierung <strong>der</strong> politisch-operativen Bekämpfung <strong>der</strong> staatsfeindlichen Hetze; <strong>BStU</strong>,<br />

MfS, BdL/Dok. 2339.

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