Anatomie der Staatssicherheit - BStU
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werde es nötig, einige Mitarbeiter aus an<strong>der</strong>en Diensteinheiten zur Hauptabteilung VII zu<br />
versetzen. 372 Da Jamin außerdem die Möglichkeiten zur Einflussnahme auf das Ministerium<br />
des Innern auch zum eigenen Vorteil nutzte und seinen schlechten Gesundheitszustand<br />
zu verschleiern suchte, wurde er Ende Juni 1965 auf Beschluss des Nationalen Verteidigungsrates<br />
invalidisiert. 373 Sein bisheriger Stellvertreter Kistowski rückte nun zum Leiter<br />
<strong>der</strong> Hauptabteilung VII auf. 374<br />
Der im Jahre 1909 geborene Erich Kistowski schloss sich im Alter von 20 Jahren <strong>der</strong><br />
KPD an, war im M-Apparat <strong>der</strong> Partei aktiv und wurde bis 1945 mehrfach inhaftiert. Wie<br />
erwähnt, leitete er von August 1950 bis März 1953 die Abteilung VII/c, welche die entstehenden<br />
Luftstreitkräfte sicherte. Dann arbeitete er als Abteilungsleiter in <strong>der</strong> Hauptabteilung<br />
I und stieg später zum stellvertretenden Leiter <strong>der</strong> gesamten Diensteinheit auf, bevor<br />
er im Mai 1959 als Offizier im beson<strong>der</strong>en Einsatz Leiter <strong>der</strong> erwähnten Grenzaufklärung<br />
sowie Stellvertreten<strong>der</strong> Chef <strong>der</strong> Deutschen Grenzpolizei wurde. In dieser »Doppelfunktion«<br />
erfüllte er jedoch »nicht ganz die For<strong>der</strong>ungen« und zeigte in <strong>der</strong> konspirativen Arbeit<br />
»wenig Begabung«, 375 sodass er im Dezember 1961 als Stellvertreter des Leiters <strong>der</strong><br />
Hauptabteilung VII eingesetzt wurde. 376 Der »treue Parteisoldat« führte häufiger vertretungsweise<br />
die Dienstgeschäfte für den erkrankten Jamin, bevor er im Juli 1965 schließlich<br />
selbst zum Leiter <strong>der</strong> Hauptabteilung VII aufsteigen konnte.<br />
Die For<strong>der</strong>ung nach einer »wissenschaftlichen Leitungstätigkeit« in allen staatlichen<br />
Einrichtungen trug mit dazu bei, dass die Hauptabteilung VII im Jahre 1966 unter ihrem<br />
neuen Leiter eine – scheinbar – funktionalere Struktur erhielt. Grundsätzlich wurden jetzt<br />
innere und äußere Abwehr voneinan<strong>der</strong> getrennt und zwei unterschiedlichen Stellvertreterbereichen<br />
zugeordnet. Dem Stellvertreter des Leiters <strong>der</strong> Hauptabteilung für innere<br />
Abwehr unterstanden die Abteilung 2 (Grenze) und das selbstständige Referat A (Zoll).<br />
Außerdem leitete er die Offiziere im beson<strong>der</strong>en Einsatz in <strong>der</strong> Zollverwaltung an, die dort<br />
in den Diensteinheiten Zollfahndung und Zollermittlung angesiedelt waren. 377 Dem Stellvertreter<br />
des Leiters <strong>der</strong> Hauptabteilung für äußere Abwehr unterstanden direkt die Abteilung<br />
3 und das Hauptsachgebiet Strafvollzug. Außerdem leitete er die Offiziere im beson<strong>der</strong>en<br />
Einsatz in den beiden inoffiziellen Diensteinheiten Abteilung 4 <strong>der</strong> Verwaltung<br />
Strafvollzug (<strong>der</strong> späteren Arbeitsrichtung I/4 <strong>der</strong> K) sowie dem Kommando Missionsschutz<br />
des Präsidiums <strong>der</strong> Deutschen Volkspolizei Berlin an.<br />
In <strong>der</strong> Abteilung 1 (u. a. zuständig für die Kriminalpolizei) existierte jetzt eine Arbeitsgruppe<br />
R/Z, die für die Überwachung <strong>der</strong> Aufnahmeheime für Migranten verantwortlich<br />
war, die »Arbeitsgruppen VII <strong>der</strong> Aufnahmeheime« in den Bezirksverwaltungen anzuleiten<br />
hatte und auch Zuträger in den bundesdeutschen Notaufnahmelagern anwerben sollte.<br />
378 Die Mitte 1963 gebildete Arbeitsgruppe Zivile Organe des Ministeriums des Innern<br />
sollte die Staatliche Archivverwaltung, den Meteorologischen Dienst sowie die Verwaltung<br />
Vermessungs- und Kartenwesen absichern. 379 Die Abteilung 1 unterstand wie die<br />
Abteilung 7 (Bereitschaftspolizei, Kampfgruppen) und <strong>der</strong> Stab unmittelbar dem Leiter<br />
372<br />
Bericht <strong>der</strong> Abt. für Sicherheitsfragen über den Brigadeeinsatz <strong>der</strong> Abt. für Sicherheitsfragen in <strong>der</strong> HA<br />
VII v. 25.5.1965; <strong>BStU</strong>, MfS, SdM Nr. 412, S. 150–160.<br />
373<br />
Einschätzung des Oberst Jamin v. 14.5.1965; <strong>BStU</strong>, MfS, KS I 2/84, S. 171–174; Schreiben des SdM v.<br />
28.6.1965; ebenda, S. 179.<br />
374<br />
Schreiben des BdL v. 12.7.1965; <strong>BStU</strong>, MfS, BdL/Dok. 4067.<br />
375<br />
Beurteilung des Oberst Erich Kistowski v. 19.1.1963; <strong>BStU</strong>, MfS, KS I 3/85, S. 39 f.<br />
376<br />
Vgl. Vorlage an die Abt. für Sicherheitsfragen v. 12.10.1961; ebenda, Bd. 2, S. 60.<br />
377<br />
Vgl. Entwurf einer Dienstordnung <strong>der</strong> HA VII o. D. [1967/70], 74 Bl.; <strong>BStU</strong>, MfS, HA VII Bdl. 479, o. Pag.<br />
378<br />
Instruktion des MfS zur Organisierung <strong>der</strong> politisch-operativen Arbeit auf dem Gebiet <strong>der</strong> Rückkehrer/Zuziehenden<br />
v. 15.11.1965; <strong>BStU</strong>, MfS, BdL/Dok. 3349.<br />
379<br />
Qualifizierungs- und Perspektivplan <strong>der</strong> HA VII für Kurt Jurmann; <strong>BStU</strong>, MfS, HA KuSch Dos 2576/92,<br />
S. 30–37.