Anatomie der Staatssicherheit - BStU
Anatomie der Staatssicherheit - BStU
Anatomie der Staatssicherheit - BStU
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
49<br />
wurden die 1. und 2. Grenzbrigade (B) in die Grenztruppen eingeglie<strong>der</strong>t, womit die<br />
Hauptabteilung I für sie zuständig wurde. Und bereits im August 1962 ging aus <strong>der</strong> Abteilung<br />
2 <strong>der</strong> Hauptabteilung VII die Arbeitsgruppe Passkontrolle und Fahndung hervor, die<br />
später zusammen mit an<strong>der</strong>en Strukturteilen die Hauptabteilung VI bildete. 335<br />
Das Ministerium des Innern hatte einen zunehmend schweren Stand gegenüber <strong>Staatssicherheit</strong><br />
und SED-Führung. So wurde unmittelbar nach <strong>der</strong> Abriegelung <strong>der</strong> Sektorengrenze<br />
am 13. August 1961 eine neue Instruktion zur Genehmigung <strong>der</strong> Auslandsreisen<br />
von DDR-Wissenschaftlern bereits am Tage <strong>der</strong> Vorlage bei Innenminister Karl Maron in<br />
den Westmedien veröffentlicht. 336 Der <strong>Staatssicherheit</strong>sdienst suchte daraufhin nach <strong>der</strong><br />
undichten Stelle in <strong>der</strong> Hauptabteilung Pass- und Meldewesen. 337 Eine Neustrukturierung<br />
des Ministeriums des Innern im Sommer 1962 bedeutete eine »effizienzsteigernde Reform<br />
<strong>der</strong> Sicherheitsarchitektur«, jedoch zugleich einen deutlichen Machtverlust. 338 Die mit <strong>der</strong><br />
Grenzschließung zusammenhängenden neuen Sicherheitserfor<strong>der</strong>nisse begünstigten die<br />
Geheimpolizei zu Lasten an<strong>der</strong>er Sicherheitsorgane, insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Volkspolizei. 339<br />
Diese konnte denn auch ihre personelle Stärke von über 60 000 Mann zu Beginn <strong>der</strong> sechziger<br />
Jahre nicht länger halten, wohingegen <strong>der</strong> <strong>Staatssicherheit</strong>sapparat ein kontinuierliches<br />
Wachstum erfuhr. 340<br />
Im Zuge dieser strukturellen Verän<strong>der</strong>ungen geriet auch die Linie VII als Scharnier<br />
zwischen Volkspolizei und Geheimpolizei erneut auf den Prüfstand. Angesichts überlappen<strong>der</strong><br />
Aufgaben, weil alle Kräfte gebündelt werden sollten und vermutlich wohl auch,<br />
weil die Volkspolizei insgesamt immer zuverlässiger agierte, gingen Planspiele von einer<br />
Entbehrlichkeit dieser Diensteinheit aus. So stellte Erich Mielke auf einer Dienstbesprechung<br />
im Jahre 1962 die (allerdings folgenlose) Frage in den Raum: »Braucht man einen<br />
Apparat um die VP zu bearbeiten? Muss man nicht mithilfe <strong>der</strong> Volkspolizei die Sicherungsaufgaben<br />
so lösen, dass sie unsere Arbeit entlasten, dass man nicht noch einen Apparat<br />
braucht, um sie zu sichern?« 341 Etliche vorangegangene Neubesetzungen im Ministerium<br />
des Innern hatten dazu beigetragen, dass die Quote <strong>der</strong> zugleich zur inoffiziellen Mitarbeit<br />
verpflichteten Chefs von Hauptabteilungen, ihrer Stellvertreter sowie Referatsleiter<br />
von 7,9 Prozent im Jahr 1951 auf 6,7 Prozent im Jahr 1960 sogar leicht gesunken war. 342<br />
Volkspolizei und Ministerium des Innern genügten jedoch zu keiner Zeit den Erwartungen<br />
<strong>der</strong> <strong>Staatssicherheit</strong> hinsichtlich Linientreue und Zuverlässigkeit, sodass ihre Überwachung<br />
durch die Linie VII unverän<strong>der</strong>t notwendig erschien. Durch neu hinzugewonnene<br />
Aufgaben, die Bildung <strong>der</strong> Operativgruppen sowie personelle Aufstockung verän<strong>der</strong>ten<br />
sich Gewicht und Struktur <strong>der</strong> Hauptabteilung VII (siehe Abbildung 5). Das bisherige<br />
Strukturmerkmal, durch mehrere Stellvertreter des Leiters das politisch-operative Zusammenwirken<br />
mit verschiedenen Zweigen <strong>der</strong> Volkspolizei zu organisieren, wurde aufgegeben.<br />
Im Herbst 1962 verfügte die Hauptabteilung VII neben dem Leiter Jamin lediglich<br />
335<br />
Vgl. Tantzscher: Hauptabteilung VI (Anm. 238), S. 47.<br />
336<br />
Vgl. Die Welt v. 19.8.1961; <strong>BStU</strong>, MfS, AOP 19015/62, S. 81.<br />
337<br />
Vgl. Aktenvermerk <strong>der</strong> HA VII/1 v. 23.9.1961; <strong>BStU</strong>, MfS, AOP 19015/62, S. 14 f.<br />
338<br />
Heitmann, Clemens: Trotz Volksaufstand und Mauerbau. Die kontinuierliche Militarisierung <strong>der</strong> DDR-<br />
Gesellschaft – dargestellt am Beispiel des ostdeutschen Roten Kreuzes in den Jahren 1952–1982. In:<br />
Diedrich, Torsten; Kowalczuk, Ilko-Sascha (Hg.): Staatsgründung auf Raten? Die Auswirkungen des<br />
Volksaufstandes 1953 und des Mauerbaus 1961 auf Staat, Militär und Gesellschaft <strong>der</strong> DDR. Berlin<br />
2005, S. 317–339.<br />
339<br />
Vgl. Engelmann, Roger: Geheimpolizeiliche Lehren aus <strong>der</strong> Krise? Die <strong>Staatssicherheit</strong> 1953 und 1961.<br />
In: ebenda, S. 139–151.<br />
340<br />
Vgl. Lindenberger: Volkspolizei (Anm. 235), S. 65.<br />
341<br />
Protokoll <strong>der</strong> Dienstbesprechung Mielkes mit den Leitern <strong>der</strong> Bezirksverwaltungen v. 13.10.1962; <strong>BStU</strong>, MfS,<br />
ZAIG Nr. 4907, S. 1–8; siehe auch Gieseke: Die hauptamtlichen Mitarbeiter des MfS (Anm. 7), S. 231–241.<br />
342<br />
Vgl. Lindenberger: Volkspolizei (Anm. 235), S. 78.