Anatomie der Staatssicherheit - BStU
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Ab 1957 übernahm die Volkspolizei die Posten von Kommandeuren und Stabschefs in<br />
den SED-Einsatzleitungen in den Bezirken und Kreisen, was in einem engen Zusammenhang<br />
mit <strong>der</strong> kurz zuvor erfolgten Übernahme <strong>der</strong> Transport-, Bereitschafts- und Grenzpolizei<br />
stand und einen vorübergehenden Bedeutungszuwachs des Ministeriums des Innern dokumentierte.<br />
278 In den Reihen <strong>der</strong> VP registrierte man mit Genugtuung, dass im Falle eines<br />
inneren Konfliktes nicht länger die Dienststellenleiter <strong>der</strong> <strong>Staatssicherheit</strong> das Sagen hatten,<br />
weil diese sich bei »Probeübungen« überfor<strong>der</strong>t gezeigt hätten, son<strong>der</strong>n die Bezirkschefs <strong>der</strong><br />
DVP. 279 Möglicherweise vor diesem Hintergrund ermahnte <strong>der</strong> Leiter <strong>der</strong> Abteilung VII die<br />
Mitarbeiter des zuständigen Referates VII/2 im Jahre 1957, sich einer kooperativeren Haltung<br />
gegenüber <strong>der</strong> Volkspolizei zu befleißigen: Man müsse »davon abkommen von <strong>der</strong><br />
Bearbeitung <strong>der</strong> Volkspolizei zu sprechen«, son<strong>der</strong>n in »enger Zusammenarbeit mit den<br />
leitenden Organen <strong>der</strong> Volkspolizei die Tätigkeit von Agenten und Feinden innerhalb <strong>der</strong><br />
Organe <strong>der</strong> VP […] bekämpfen«. Die westlichen Dienste hätten ihre Strategien verfeinert<br />
und verbessert, weswegen das Entlarven von Agenten und Feinden immer seltener möglich<br />
sei. »Die bisherige Methode <strong>der</strong> Arbeit brachte in den letzten zwei Jahren kaum noch irgendwelche<br />
Erfolge auf <strong>der</strong> Linie <strong>der</strong> Abteilung VII.« Deswegen sollte die geheimpolizeiliche<br />
Arbeit in <strong>der</strong> Volkspolizei möglichst über Geheime Hauptinformatoren (GHI) geschehen<br />
und stärker den Privat- bzw. Freizeitbereich <strong>der</strong> Volkspolizisten einschließen. 280<br />
Auch <strong>der</strong> Minister für <strong>Staatssicherheit</strong>, Wollweber, kritisierte die Abteilung VII, <strong>der</strong>en<br />
Arbeitsweise »grundlegend verän<strong>der</strong>t werden« müsse. »Zur Bekämpfung <strong>der</strong> feindlichen<br />
Tätigkeit ist es erfor<strong>der</strong>lich, dass die Möglichkeiten, die die VP hat, für uns richtig ausgenutzt<br />
werden.« 281 So beklagte Gustav Szinda im Jahre 1957 in einer Kollegiumssitzung,<br />
dass bei <strong>der</strong> Bearbeitung <strong>der</strong> verschiedenen Zweige des Ministeriums des Innern »sich<br />
alles überschneidet«. Das Ministerium werde von den Hauptabteilungen I, III, V und XIII<br />
als auch <strong>der</strong> Abteilung VII bearbeitet. Das (im August 1952 aus Vorgängerstrukturen gebildete)<br />
Amt für Zoll und Kontrolle des Warenverkehrs beispielsweise, das dem Ministerium<br />
für Außenhandel unterstand, werde in Berlin von <strong>der</strong> Abteilung VII, in den Bezirken<br />
aber von <strong>der</strong> Abteilung III bearbeitet. Doch Mielke mochte an <strong>der</strong> Aufgabenverteilung in<br />
<strong>der</strong> <strong>Staatssicherheit</strong> nicht rütteln:<br />
»Die Objekte müssen so bearbeitet werden, dass wir alles wissen. Für die Bearbeitung <strong>der</strong> Trapo<br />
kann nur die HA XIII verantwortlich sein. Bereitschaftspolizei und Grenzpolizei können<br />
aufgrund ihres Charakters nur durch die HA I bearbeitet werden. Die Abteilung VII ist verantwortlich<br />
für die Bearbeitung <strong>der</strong> Volkspolizei einschließlich Luftschutz, Brandschutz, Haftwesen,<br />
Rotes Kreuz usw., AZKW sowie die Rückkehrerlager in den Bezirken. Grundsätzliche<br />
Fragen mit <strong>der</strong> Spitze des MdI werden so geregelt, dass <strong>der</strong> 1. Stellvertreter des Ministers direkte<br />
Verbindung mit Minister Maron aufnimmt.«<br />
Wollweber bestätigte abschließend die von Mielke vorgeschlagene Abgrenzung <strong>der</strong> Zuständigkeiten,<br />
lediglich die Verantwortung für die Bereitschaftspolizei wollte er unter<br />
Hinzuziehung <strong>der</strong> sowjetischen Berater noch einmal geprüft wissen. Allgemein herrschte<br />
Übereinstimmung in <strong>der</strong> Ministeriumsspitze, dass die Abteilung VII personell sogar noch<br />
reduziert werden könne, wozu Szinda dem zuständigen Stellvertreter des Ministers Beater<br />
einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten sollte. 282<br />
278 Vgl. Wagner, Armin: Walter Ulbricht und die geheime Sicherheitspolitik <strong>der</strong> SED. Der Nationale Verteidigungsrat<br />
<strong>der</strong> DDR und seine Vorgeschichte (1953–1971). Berlin 2002, S. 135–137; Lindenberger:<br />
Volkspolizei (Anm. 235), S. 164.<br />
279 Vgl. [Bericht des GI] »Robert« v. 21.5.1957; <strong>BStU</strong>, MfS, AIM 794/61, Bd. 1, S. 99 f.<br />
280 Vgl. Arbeitsrichtlinie v. 1.2.1957 für die Abwehrarbeit <strong>der</strong> Abt. VII/2; <strong>BStU</strong>, MfS, BdL/Dok. 2389, S. 1.<br />
281 Protokoll <strong>der</strong> Dienstbesprechung im MfS am 24.2.1956; <strong>BStU</strong>, MfS, SdM Nr. 1921, S. 25–33.<br />
282 Protokoll <strong>der</strong> Kollegiumssitzung im MfS v. 29.5.1957; <strong>BStU</strong>, MfS, SdM Nr. 1553, S. 33–44.