VSAO JOURNAL Nr. 5 - Oktober 2016
Symbol Gastroenterologie / Nephrologie Vaterschaftsinitiative IFAS
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Gastroenterologie / Nephrologie
Vaterschaftsinitiative
IFAS
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PERSPEKTIVEN<br />
FACHSERIE: AKTUELLES AUS DER GASTROENTEROLOGIE – DIE FÄKALE MIKROBIOTA-TRANSPLANTATION<br />
Renaissance der<br />
Yellow Dragon Soup<br />
Die rezidivierende Clostridium-Difficile-Infektion (rCDI) stellt eine schwierige therapeutische<br />
Herausforderung dar. Erfolgt nach einer antibiotischen Therapie ein Rückfall, so steigt das Risiko<br />
eines weiteren Rezidivs linear an. In dieser Situation ist die Fäkale Mikrobiota-Transplantation<br />
mit Erfolgsraten um 90 Prozent die effektivste Therapieoption.<br />
Luc Biedermann, Gerhard Rogler, Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie, Universitätsspital Zürich<br />
Eine rezidivierende Clostridium-Difficile-Infektion<br />
(rCDI) wird als Rekurrenz<br />
von typischen Symptomen innerhalb von<br />
acht Wochen nach Abschluss einer zuvor<br />
erfolgreichen antibiotischen Therapie definiert<br />
(1). Sowohl die Inzidenz als auch<br />
die Morbidität und Mortalität der Clostridium-Difficile-Infektion<br />
(CDI) zeigte<br />
innerhalb der letzten Jahre einen deutlichen<br />
Anstieg: ungefähr eine Verdreifachung<br />
in den USA zwischen 1996 und<br />
2005. Auch wenn die genauen Gründe<br />
dieser Zunahme nur unvollständig geklärt<br />
sind, dürfte die allgemeine Zunahme<br />
von älteren und polymorbiden Patienten<br />
im Rahmen der demographischen<br />
Entwicklung eine wichtige Rolle spielen.<br />
Weitere Häufungen werden allgemein bei<br />
Immunsupprimierten, schwangeren<br />
Frauen sowie vermehrt auch bei Patienten<br />
mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen<br />
und besonders auch bei<br />
Menschen ohne jedwede Risikofaktoren<br />
beobachtet. Allerdings treten zunehmend<br />
auch Fälle der rezidivierenden Infektion<br />
(rCDI) bei jüngeren und gesunden Menschen<br />
auf, selbst ohne vorangehende Antibiotikatherapie.<br />
Letztere ist neben einer<br />
spital-akquirierten Infektion oft von älteren<br />
und morbiden Patienten noch immer<br />
der wichtigste Risikofaktor, wobei das<br />
Risiko zwischen den einzelnen Antibiotika<br />
etwas variiert.<br />
In der Tat war der Auslöser des meist längeren<br />
Leidensweges der Patienten, bei<br />
welchen wir eine Fäkale Mikrobiota-<br />
Transplantation (FMT) für die rCDI<br />
durchführten, in den allermeisten Fällen<br />
eine antibiotische Therapie mit einer der<br />
häufigsten ambulant angewendeten Substanzen,<br />
wie etwa Amoxicillin/Clavulansäure.<br />
Letzteres wurde bezeichnenderweise<br />
oft für einen etwas protrahiert verlaufenden<br />
respiratorischen Infekt und somit<br />
meist bei äusserst zweifelhafter Indikation<br />
verordnet, was die Gefahren allzu leichtfertiger<br />
Verordnungen untermauert.<br />
Eigentlich ist die initiale antibiotische<br />
Therapie einfach, schnell und effektiv (in<br />
ca. 80% der Fälle dauerhaft erfolgreich).<br />
Die Minderheit der Patienten, die jedoch<br />
ein Rezidiv erleidet, hat aber bereits mit<br />
40 bis 60 Prozent ein deutlich erhöhtes<br />
Risiko, nach Abschluss des zweiten Therapiezyklus<br />
an einem erneuten Rezidiv zu<br />
erkranken (und so fort). Eine gute Übersicht<br />
über die Therapieempfehlungen<br />
findet sich in den Leitlinien der European<br />
Society of Clinical Microbiology and Infectious<br />
Diseases (2).<br />
Zunehmend wird man sich auch der sozioökonomischen<br />
Tragweite der rCDI bewusst.<br />
Die Kosten einer Hospitalisation<br />
können sich durch eine CDI vervierfachen.<br />
Zwar sind ca. zwei Drittel aller Infektionen<br />
mit dem überwiegend stationären Gesundheitswesen<br />
assoziiert, jedoch scheint<br />
sich die Infektion nur in etwa einem Viertel<br />
noch während der Hospitalisation zu<br />
manifestieren. Gemäss neuere Zahlen aus<br />
den USA gehen jährlich 29 000 Todesfälle<br />
auf das Konto dieses Bakteriums (3).<br />
FMT: Geschichte und<br />
Rationale<br />
Das Prinzip der FMT wird bereits seit Jahrhunderten<br />
unter dem Begriff Transfaunation<br />
angewendet. Die ersten Anwendungen<br />
überhaupt wurden im China der Dong-jin-<br />
Dynastie im 4. Jahrhundert nach Christus<br />
von Ge Hong in einem Notfallmedizin-<br />
Lehrbuch als eine innerliche Fäzes-Anwendung<br />
beschrieben. Da es zu dieser Zeit<br />
weder Endoskope noch Sonden gab, erübrigten<br />
sich Überlegungen nach der bestmöglichen<br />
Route der Administration. Ge<br />
Hong machte sein für diesen Zweck präpariertes<br />
mikrobielles Filtrat den Patienten<br />
denn auch kurzerhand unter dem Namen<br />
«Yellow Dragon Soup» schmackhaft.<br />
Der erste publizierte Therapieversuch an<br />
einer kleinen Serie von Patienten mit fulminanter<br />
Enterokolitis (wenngleich nicht<br />
durch Clostridien verursacht) fand bereits<br />
1958 durch den Chirurgen B. Eiseman<br />
statt. Die erste wirkliche Beschreibung<br />
eines Fallberichtes bei einer rezidivierenden<br />
Infektion durch C. difficile erfolgte<br />
erst 1983 (4). Die Rationale der FMT ist<br />
bestechend einfach: Eine der Hauptaufgaben<br />
der normalen intestinalen Mikrobiota<br />
ist es, pathogene Keime an einer Proliferation<br />
und schliesslich Infektion zu<br />
hindern. Eine antibiotische Therapie im<br />
Allgemeinen – und im Speziellen gilt dies<br />
leider auch ganz besonders immer für<br />
eine gegen C. difficile gerichtete – führt<br />
zu schweren Alterationen (als Dysbiose<br />
bezeichnet) in der mikrobiellen Zusammensetzung<br />
und schafft auf diese Weise<br />
eine wichtige Voraussetzung für eine unkontrollierte<br />
Proliferation von C. difficile.<br />
Eine FMT richtet sich somit nicht direkt<br />
gegen das Pathogen (Wie auch sollte ein<br />
Filtrat reich an verschiedensten Mikroorganismen<br />
gezielt C. difficile zu dezimieren<br />
vermögen?), sondern zielt auf die<br />
Wiederherstellung einer möglichst «normalen»,<br />
sprich «gesunden» (wenngleich<br />
von der ursprünglichen Zusammensetzung<br />
unterschiedlichen) mikrobiellen<br />
Zusammensetzung ab. D.h., die vorhandene<br />
Dysbiose wird beseitigt. FMT richtet<br />
sich also zwar nicht direkt gegen das ursächliche<br />
Pathogen, dennoch ist sie als<br />
kausal zu betrachten.<br />
Beachtliche Erfolgsraten<br />
In den letzten 15 Jahren sind zahlreiche<br />
Fallberichte und Fallserien zur Anwen-<br />
<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
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