VSAO JOURNAL Nr. 5 - Oktober 2016

Weitere Magazine

Info

FOKUS ▶ SYMBOL Etwa 5000 Zeichen umfasste das Schriftsystem bereits zu solch früher Zeit. Gut die Hälfte der Ideogramme konnte identifiziert werden; nicht wenige sind eindeutig als Frühformen noch heute verwendeter Schriftzeichen erkennbar. Abb. 1. Die Entwicklung der Schriftzeichen von den Orakelknochen im späten 2. Jahrtausend v. Chr. bis in die Gegenwart. Links: das Schriftzeichen ji für «Kranksein». Oben ein Piktogramm, das einen Menschen zeigt, der von einem Pfeil getroffen wurde. Mitte: ein Bett mit einem Pfeil. Unten die heutige Schreibweise. Rechts: die Wandlung des Schriftzeichens mu, «Auge», von den shang-zeitlichen Knochenorakeln (oben) bis in die Gegenwart (unten) Abb. 2. Buchdruck eines medizinischen Texts (Huang Di Nei Jing Ling Shu) aus der Kaiserzeit. Lesbar von rechts nach links und von oben nach unten sieht in allen Landesteilen gleich aus; die Aussprache kann höchst unterschiedlich sein. Der Zeichensprache kommt somit eine immense politische Bedeutung zu; sie ist die Klammer, die die Einheit des Vielvölkerstaates gewährleistet. Das gilt zum Teil auch noch für die gebildeten Schichten in Japan oder Korea, die über lange Jahrhunderte die chinesischen Zeichen zur schriftlichen Kommunikation und Dokumentation verwendeten. Uralte Wurzeln Als Ende des 19. Jahrhundert in der Provinz Henan Königsgräber aus der Shang- Dynastie geöffnet wurden, fand man darin unter anderem Rinderschulterknochen und Schildkrötenpanzer, die zwischen dem 14. und 11. Jahrhundert v. Chr. zur Kommunikation zwischen den Lebenden und den Ahnen beschriftet worden waren. Wahrsager hatten die Schriftzeichen eingeritzt und die Objekte dann dem Feuer ausgesetzt. Die Risse, die sich von eingestanzten Löchern aus bildeten, wurden als Antworten der Ahnen gedeutet. Über die Jahrhunderte entwickelten sich verschiedene Schreibstile. Zahlreiche kleine Königreiche wetteiferten im 1. Jahrtausend v. Chr. miteinander um die Vorherrschaft. Sie alle nahmen Teil an der Entwicklung. Im Jahre 221 v. Chr. schliesslich vermochte das Königreich Qin die letzten Konkurrenten zu besiegen und das chinesische Reich zu gründen, das bis 1911 mehr als zwei Jahrtausende lang Bestand hatte. Dass dieser Reichsgründung ein solcher Erfolg beschert war, lag nicht zuletzt daran, dass der erste Kaiser die wenigen Jahre seiner Regierungszeit dazu nutzte, die zuvor unterschiedlichen Masse, Gewichte, Spurbreiten und vor allem auch die Schriften, die sich in einzelnen Staaten unterschiedlich entwickelt hatten, zu vereinheitlichen und zu einer leichter les- und schreibbaren «Kanzleischrift» auszubilden. Erst nach der Gründung der Volksrepublik China im Jahre 1949 wurde erneut eine weitreichende Reform der Schrift in Angriff genommen. Viele Schriftzeichen waren viel zu kompliziert, um der grossen Menge von Analphabeten in aller Eile Lesen und Schreiben zu vermitteln und sie so mit Schriftmaterial zu versorgen, dessen Lektüre für die notwendigen Revolutionen und Reformen unabdingbar war. Schon ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. existierten Hilfsmittel zum Erlernen von Schriftzeichen und Sprache. Lehr- und Wörterbücher standen zur Verfügung. Die Notwendigkeit in immer grösseren Staatswesen eine funktionierende Bürokratie einzuführen, erforderte eine umfassende Schriftkenntnis und die Möglichkeit, alle Angelegenheiten der Verwaltung und des täglichen Lebens schriftlich zu erfassen. Das Kangxi-Wörterbuch aus dem Jahre 1716 bildete einen Höhepunkt dieser Entwicklung mit ca. 47 000 Zeichen. Geduld und Ausdauer und ein guter finanzieller Hintergrund waren nötig, damit sich die meist männlichen Studenten, die sich auf die Staatsprüfungen für den Beamtendienst vorbereiteten, mit der Schrift vertraut machen konnten. Heute wird Schülern ein Pensum von 1000 bis zu 4000 Schriftzeichen auferlegt. Ein Universitäts 32 VSAO JOURNAL ASMAC Nr. 5 Oktober 2016
FOKUS ▶ SYMBOL professor sollte über mindestens 8000 Schriftzeichen aktiv und passiv verfügen können. Bedrohte Handschrift Jedes Schriftzeichen ist aus einem oder mehreren Strichen aufgebaut. Man unterscheidet acht Stricharten, die in einer festgelegten Reihenfolge geschrieben werden. Sie lassen sich zu zahlreichen Komponenten zusammenfügen. Die meisten Schriftzeichen bestehen aus mehreren solcher Komponenten. Man liest sie in älteren Buchtexten in Reihen von oben nach unten und dann reihenweise von rechts nach links. Deshalb beginnt ein altes chinesisches Buch nach unserer Sichtweise auch «von hinten». Heute schreibt man von links nach rechts und in waagrechten Zeilen. Doch auch die Schreibweise von oben nach unten ist nach wie vor weitverbreitet, im Strassenbild vor allem an den senkrechten Leuchtreklamen vor den einzelnen Geschäften sichtbar. Abb. 3–5. Schriftreklamen in der Queens Road in Hongkong im Laufe der Jahrzehnte Abb. 6. Magische Schriftzeichen in einer Handschrift aus dem 18. Jahrhundert Seit der Antike benutzten die Schreiber besondere Tuschearten und Pinsel unterschiedlicher Feinheit, um die Schriftzeichen auf Knochen, Holz, Seide, Tierhaut und Papier zu verewigen. Heute erleichtert der PC das Schreiben und gefährdet zugleich die antike Schriftkultur. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, über die Buchstabentastatur ein chinesisches Schriftzeichen auf den Bildschirm zu «zaubern». Allen gemein ist, dass die jahrhundertelang bestehende Notwendigkeit, die einzelnen Schriftzeichen immer wieder mit der Hand zu zeichnen, um sie nicht zu vergessen, weggefallen ist. Das passive Gedächtnis kann die Schriftzeichen bei der Lektüre erkennen. Immer mehr junge Chinesen sind aber nicht mehr in der Lage, die etwas seltener im Alltag genutzten Schriftzeichen spontan niederzuschreiben. Schrift war und ist ein Kommunikationsmittel. Sie übermittelte politische und bürokratische Bekanntmachungen der kaiserlichen Regierung, wie man sie an Wegkreuzungen, wichtigen Orten auf steinernen Stelen eingekerbt findet. Sie übermittelt religiöse Inhalte wie die monumentalen Schriftzeichen, die in der Provinz Shandong in den Fels gehauen Nr. 5 Oktober 2016 VSAO JOURNAL ASMAC 33
Seite 3: Verband Schweizerischer Assistenz-
Seite 6 und 7: 6 VSAO JOURNAL ASMAC Nr. 5 Oktober
Seite 8 und 9: POLITIK Arbeitnehmendenorganisation
Seite 10 und 11: WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN
Seite 12 und 13: WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN
Seite 14 und 15: VSAO SEKTION BERN Jeden Monat ein n
Seite 16 und 17: VSAO § Rechtsberatung Eric Bersier
Seite 18: FOKUS ▶ SYMBOL Die Welt als Vorst
Seite 21 und 22: FOKUS ▶ SYMBOL heit haben, dass m
Seite 23 und 24: FOKUS ▶ SYMBOL Herrschaft von Chr
Seite 25 und 26: FOKUS ▶ SYMBOL Der Code der Phara
Seite 27 und 28: FOKUS ▶ SYMBOL Wie entstand der C
Seite 29 und 30: FOKUS ▶ SYMBOL Lebensversicherung
Seite 31: FOKUS ▶ SYMBOL Ein System mit 47
Seite 35 und 36: FOKUS ▶ SYMBOL Von Bildzeichen un
Seite 39 und 40: PERSPEKTIVEN FACHSERIE: AKTUELLES A
Seite 41 und 42: PERSPEKTIVEN AUS DER «THERAPEUTISC
Seite 43 und 44: PERSPEKTIVEN haben. Paradoxerweise
Seite 45 und 46: PERSPEKTIVEN Ob und wie Betablocker
Seite 47 und 48: IFAS Ärztekasse an der IFAS améti
Seite 49 und 50: MEDISERVICE VSAO-ASMAC Nr. 5 Oktobe

VSAO JOURNAL Nr. 5 - Oktober 2016

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Template löschen?

Als Template speichern?