VSAO JOURNAL Nr. 5 - Oktober 2016
Symbol Gastroenterologie / Nephrologie Vaterschaftsinitiative IFAS
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FOKUS ▶ SYMBOL<br />
Der Code der Pharaonen<br />
Ein Schiff, ein Vogel, Wellen, eine sitzende Figur – die Zeichen sind meist klar. Doch was bedeuten<br />
sie? Die Entzifferung der ägyptischen Hieroglyphen hat den Forschern lange Zeit Kopfzerbrechen<br />
bereitet. Denn die «Bilderschrift» ist viel komplexer als auf den ersten Blick erkennbar. Erst ein Stein<br />
brachte des Rätsels Lösung und eröffnete Zugang zu Weltliteratur, die vor mehreren tausend Jahren<br />
verfasst worden war.<br />
Prof. Dr. Hanna Jenni, Departement Altertumswissenschaften /Ägyptologie Universität Basel<br />
Wer an altägyptische Schrift denkt, d.h.<br />
an die Schrift des pharaonischen Ägyptens,<br />
denkt an die hieroglyphischen Bildzeichen,<br />
deren Bildhaftigkeit auf den<br />
ersten Blick zu erkennen ist (Abb. 1). Die<br />
Hieroglyphenschrift ist diejenige Schriftform,<br />
die in Stein gemeisselt wurde. Sie<br />
entspricht unserer Lapidar- oder Druckschrift.<br />
Parallel zu den Hieroglyphen entwickelte<br />
sich seit frühester Zeit eine Kursivschrift,<br />
unserer Handschrift entsprechend,<br />
die mit Tinte auf Papyrus, auf<br />
Keramik oder auf Steinscherben (Ostraka),<br />
auf Holz, Leder oder Stoff verwendet<br />
wurde: das Hieratische (Abb. 2). Die einzelnen<br />
Bildzeichen sind dabei mehr oder<br />
weniger abstrahiert und nur noch bedingt<br />
als solche erkennbar.<br />
Drei Bausteine<br />
Für den modernen Laien ist die Hieroglyphenschrift<br />
die «Bilderschrift» par excellence,<br />
weil er in den meisten Zeichen einen<br />
realen Gegenstand, z.B. einen menschlichen<br />
Kopf, einen Vogel, ein Schiff erkennen<br />
kann. Und was der Laie vermutet, dass<br />
nämlich die Hieroglyphe eines menschlichen<br />
Kopfes «Kopf» bedeutet, dass also<br />
diese Schrift eine Begriffs- oder Symbolschrift<br />
ist in dem Sinne, dass das Gemeinte<br />
mit dem Dargestellten identisch ist,<br />
stimmt tatsächlich – wenn auch nur zu<br />
einem kleinen Teil: Das ägyptische Schriftsystem<br />
ist ein kombiniertes System, das<br />
Zeichen verschiedener Kategorien enthält.<br />
Eine Anzahl von Zeichen wird als Ideogramme<br />
oder Logogramme verwendet:<br />
Sie meinen das Dargestellte. Um die Lesung<br />
als Ideogramm sicherzustellen, wird<br />
dem betreffenden Zeichen meist ein kleiner<br />
senkrechter Strich beigefügt. Sieht<br />
man also das Zeichen des Kopfes im Profil<br />
mit einem Strich ( |) so bedeutet dies<br />
«Kopf», während der Kopf in Frontalansicht<br />
( |) «Gesicht» bedeutet. In diesen<br />
Fällen ist nicht der geringste Hinweis darauf<br />
gegeben, wie, d.h. mit welcher Lautfolge,<br />
das ägyptische Wort zu lesen ist. Ein<br />
Ägypter las unwillkürlich *tap bzw. *ḥ ar.<br />
Wer Ägyptisch lernt, muss dies erst lernen<br />
bzw. in der Zeichenliste nachsehen. Bei<br />
dem gegebenen Beispiel ist das Verfahren<br />
ikonisch: Das Ideogramm zeigt das gemeinte<br />
Objekt. Im Falle von daw,<br />
«schlecht, Schlechtes», wird das Rebus-<br />
Prinzip angewandt: Das Wort für «Berg»,<br />
welches das Zeichen abgibt ( ), ist<br />
phonetisch identisch mit dem Wort<br />
«schlecht». Das Rebus-Prinzip ist wohlbekannt,<br />
z.B. von der Notation «I ♥ U»,<br />
wo englisch U für you steht. Das dritte<br />
Verfahren ist das symbolische (im englischen<br />
Beispiel das Herz für «love»): Der an<br />
den Tempelpylonen (Tempeltoren) platzierte<br />
Flaggenmast ( ) wird mit dem<br />
Begriff «Gott» assoziiert und ist zu lesen<br />
als *natar, «Gott».<br />
Abb. 1: Polychrome Hieroglyphen des menschlichen Kopfes im Profil und in<br />
Frontalansicht. Relief im Grab Sethos’ I. im Tal der Könige bei Luxor<br />
Ausschliesslich mit solchen Ideogrammen<br />
kann man natürlich keine Sprache adäquat<br />
wiedergeben. Und so gibt es als<br />
zweite Kategorie daneben die Lautzeichen<br />
Abb. 2: Die Hieroglyphen des Kopfes im Profil und in Frontalansicht mit Entsprechungen in hieratischer (kursiver)<br />
Schrift. G. Möller, Hieratische Paläographie, Leipzig 1927, Bd. 2, 6<br />
<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
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