19.10.2016 Aufrufe

VSAO JOURNAL Nr. 5 - Oktober 2016

Symbol Gastroenterologie / Nephrologie Vaterschaftsinitiative IFAS

Symbol
Gastroenterologie / Nephrologie
Vaterschaftsinitiative
IFAS

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

FOKUS ▶ SYMBOL<br />

Die Welt als Vorstellung<br />

Zeichen deuten zu können, ist für alle Wesen lebenswichtig. Menschen versuchen jedoch stets in<br />

den sichtbaren Zeichen einen verborgenen Sinn oder zumindest einen Mechanismus zu erkennen.<br />

Dieses Wissen-Wollen ist zeit- und kulturübergreifend und betrifft jeden Lebensbereich: Ob Sternenkonstellation,<br />

Börsenkurse oder die Funktionsweise des Gehirns – die Welt will enträtselt sein.<br />

Dr. Marc Aeschbacher, Dozent für Wirtschaftskommunikation Fachhochschule Nordwestschweiz Hochschule für Wirtschaft<br />

«Schläft ein Lied in allen Dingen,<br />

Die da träumen fort und fort,<br />

Und die Welt hebt an zu singen,<br />

Triffst du nur das Zauberwort.»<br />

Joseph Freiherr von Eichendorff<br />

Seit Anbeginn der Menschheit gehört es<br />

zu den Grundbedürfnissen, das, was uns<br />

umgibt, zu «lesen» und zu verstehen. Für<br />

unsere Urahnen war dieses Lesen ihrer<br />

Umwelt eine unabdingbare Voraussetzung<br />

für das Überleben. Einschätzen zu können,<br />

was eine Gefahr für das Leben bedeutet,<br />

half, die Risiken richtig abzuwägen:<br />

Ist das Mammut verwundet und geschwächt<br />

genug, um es wieder anzugreifen,<br />

oder ist Davonrennen die bessere Alternative?<br />

Diese Entscheidung erforderte<br />

bereits die Fähigkeit, die unterschiedlichsten<br />

Variablen situativ einzubeziehen, unter<br />

anderen etwa auch wie lange es dauern<br />

könnte, bis sich wieder eine solche Gelegenheit<br />

bieten wird.<br />

Zum Lesen und Interpretieren der existentiellen<br />

Herausforderungen im Überlebenskampf<br />

kam interessanterweise aber schon<br />

damals eine weitere, übernatürliche oder<br />

transzendentale Komponente dazu. Unsere<br />

Urahnen suchten den Zugang zu einer<br />

geistigen Sphäre, der sie beschwörende<br />

Zeichen widmeten, indem sie begannen,<br />

ihre Höhlen zu bemalen und Felsen zu<br />

ritzen. Das zeigt, wie unmittelbar verwandt<br />

seit Anbeginn das Bedürfnis des<br />

«Lesens» von Zeichen und das Schaffen<br />

von Zeichen (das Zeichnen) war und ist.<br />

Es gab und gibt kein Lesen ohne Zeichnen<br />

bzw. Schreiben.<br />

Das Leben im Griff<br />

Zeitgeschichtlich mag es ein grosser<br />

Sprung sein von den bannenden oder herbeiflehenden<br />

Beschwörungen in den Anfängen<br />

der Menschheitsgeschichte zu den<br />

frühen Versuchen der Erklärung von Naturphänomenen,<br />

z.B. dass die Ursache<br />

eines Blitzes der Zorn eines Gottes sei.<br />

Hinter Beschwörungen und Erklärungsversuchen<br />

steckt aber das gleiche Bedürfnis,<br />

nämlich dem, was uns widerfährt,<br />

etwas entgegenhalten zu können. Wenn<br />

wir es begreifen können, haben wir es im<br />

Griff und es verliert seine Macht über uns.<br />

Das zeigt exemplarisch auch das Märchen<br />

vom Rumpelstilzchen, dessen Macht über<br />

die Königstochter sogleich erlischt, als<br />

diese seinen Namen errät. Das Benennen<br />

bricht die fremde Macht, das richtige Zeichen,<br />

besser: Die richtige Bezeichnung<br />

kehrt also die Machtverhältnisse zu unseren<br />

Gunsten um.<br />

Suche nach dem Sinn<br />

Was liegt also näher, als alles verstehen zu<br />

wollen? Goethes «Faust» drückt das in<br />

dem ihn verzehrenden Wunsch aus zu<br />

erkennen, «was die Welt im Innersten<br />

zusammenhält». Dieses faustische Streben<br />

nach dem Allwissen ist immer noch<br />

gegenwärtig, der menschliche Forschergeist,<br />

der sich keine Grenze auferlegen<br />

mag, äussert sich in Albert Einsteins Versuch,<br />

eine Weltformel zu entdecken (im<br />

Englischen heisst das «A Theory of Everything»)<br />

genauso wie im Lausanner Human<br />

Brain Project, bei dem mittels computerbasierter<br />

Modelle und Simulationen<br />

eine Nachbildung des menschlichen Gehirns<br />

erschaffen werden soll.<br />

Ob es nun angenehm ist oder nicht, sich<br />

das einzugestehen, aber dieses hehre<br />

Verstehen-Wollen, diese conditio humana,<br />

bildet genauso den Antrieb zu wissen­<br />

Höhlenmalerei aus Lascaux<br />

18 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!