19.10.2016 Aufrufe

VSAO JOURNAL Nr. 5 - Oktober 2016

Symbol Gastroenterologie / Nephrologie Vaterschaftsinitiative IFAS

Symbol
Gastroenterologie / Nephrologie
Vaterschaftsinitiative
IFAS

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte<br />

Association suisse des médecins-assistant(e)s et chef(fe)s de clinique<br />

Associazione svizzera dei medici assistenti e capiclinica<br />

INHALT<br />

Titelbild: aebi, grafik & illustration, bern<br />

EDITORIAL<br />

5 Die Zeichen erkennen<br />

POLITIK<br />

7 20 Tage Vaterschaftsurlaub<br />

9 Auf den Punkt gebracht<br />

WEITERBILDUNG /<br />

ARBEITSBEDINGUNGEN<br />

10 Alle gewinnen!<br />

12 Auch für Arbeitgeber attraktiv<br />

<strong>VSAO</strong><br />

14 Sektion Bern<br />

14 Sektion Solothurn<br />

15 Sektion St. Gallen / Appenzell<br />

16 <strong>VSAO</strong>-Rechtsberatung<br />

PERSPEKTIVEN<br />

39 Fachserie – Aktuelles aus der Gastroenterologie<br />

– Die Fäkale Mikrobiota-<br />

Transplantation: Renaissance der Yellow<br />

Dragon Soup<br />

41 Aus der «Therapeutischen Umschau»:<br />

Renale Hypertonie – die Rolle der Nieren<br />

bei der Entstehung der arteriellen<br />

Hypertonie und die Nieren als Endorgan<br />

46 Das erlesene Objekt: Arabische Diätetik<br />

im klösterlichen Einband<br />

MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />

48 Briefkasten<br />

50 Impressum<br />

FOKUS ▶ SYMBOL<br />

18 Die Welt als Vorstellung<br />

22 Symbole in der Grabmalkultur<br />

25 Der Code der Pharaonen<br />

28 Unscheinbar, aber aussagekräftig<br />

29 Lebensversicherung für Daten<br />

31 Ein System mit 47 000 Zeichen<br />

35 Von Bildzeichen und Zeichenschrift<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

3


EDITORIAL<br />

Foto: Severin Novacki<br />

Catherine Aeschbacher<br />

Chefredaktorin <strong>VSAO</strong>-Journal<br />

Die Zeichen erkennen<br />

«Was unterscheidet den Menschen vom Schimpansen?», fragte<br />

einst der Berner Chansonier Mani Matter. Und kam zum<br />

Schluss, dass der Mensch Hemmungen habe. Wir wissen aber,<br />

dass Menschen oft viel hemmungsloser mit ihren Artgenossen<br />

umgehen als Tiere. Genauso wenig ist der Werkzeuggebrauch<br />

ein Unterscheidungsmerkmal. 1964 zeigte Jane Goodall auf,<br />

dass frei lebende Schimpansen systematisch Werkzeuge benutzen,<br />

und bestätigte so diverse frühere Beobachtungen. Was<br />

also unterscheidet uns? Es ist die hochentwickelte Sprache, die<br />

Möglichkeit, abstrakte Dinge zu benennen oder einem Objekt<br />

eine zusätzliche Bedeutung zu verleihen. Der Blitz etwa ist ein<br />

Naturphänomen, galt aber lange als Zeichen eines zornigen<br />

Gottes. Die europäische Kunst ist geprägt von Symbolen. Man<br />

denke nur an die Pflanzen auf mittelalterlichen Bildern, die<br />

nebst ihrem dekorativen Charakter auf christliche Tugenden<br />

verweisen oder als Sinnbilder für Maria, Jesus oder Heilige<br />

stehen. Heute haben wir die Fähigkeit teilweise verloren, diese<br />

Zeichen zu entschlüsseln. Dennoch sind Zeichen und Symbole<br />

nicht aus unserem Leben verschwunden, wie wir im Schwerpunkt<br />

zeigen. Neue Formen entstehen, zum Beispiel die Emojis.<br />

Daneben befassen wir uns mit dem Codieren von Datenmengen<br />

oder dem Decodieren von Hieroglyphen. Symbole auf<br />

Grabmälern interessieren uns ebenso wie Landschaftssymbole<br />

in den Schweizer Berggebieten oder chinesische Schriftzeichen.<br />

Es ist ein unmissverständliches Zeichen der Zeit, dass die Vereinbarkeit<br />

von Familie und Beruf ein wachsendes Bedürfnis<br />

ist, und zwar nicht nur von Frauen. Auch Männer möchten<br />

mehr Zeit für die Familie haben und sich aktiv an der Betreuung<br />

der Kinder beteiligen. Arbeitnehmervereinigungen und<br />

weitere interessierte Organisationen haben eine Initiative für<br />

einen vierwöchigen Vaterschaftsurlaub lanciert (s. Politikteil).<br />

Der <strong>VSAO</strong> unterstützt dieses Anliegen und bittet deshalb, den<br />

beiliegenden Unterschriftenbogen zu beachten. Die Zeichen<br />

der Zeit erkannt hat auch das Kantonsspital Graubünden, das<br />

verschiedenste Massnahmen für eine familienfreundliche<br />

Arbeitsumgebung eingeleitet hat. Nachzulesen ist dies in der<br />

Rubrik Weiterbildung/Arbeitsbedingungen.<br />

In Zürich findet vom 25. bis zum 28. <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong> die IFAS<br />

statt. Die zweijährlich stattfindende Messe für das Gesundheitswesen<br />

bietet einen Überblick über das aktuelle Angebot für die<br />

stationäre und ambulante Behandlung.<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

5


6 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong>


POLITIK<br />

20 Tage Vaterschaftsurlaub<br />

Heute steht einem frischgebackenen Vater in der Schweiz gleich viel bezahlte freie Zeit zu wie<br />

bei einem Wohnungswechsel: ein Tag! Das findet auch der <strong>VSAO</strong> unhaltbar und unterstützt<br />

deshalb die Volksinitiative «Für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub». Diese fordert 20 Tage<br />

bezahlten Vaterschaftsurlaub – flexibel und tageweise innert eines Jahres nach der Geburt.<br />

Lisa Loretan Krummen, Projektassistentin Politik und Kommunikation <strong>VSAO</strong><br />

Nico van der Heiden, Stv. Geschäftsführer/Leiter Politik und Kommunikation <strong>VSAO</strong><br />

Da es die nationale Politik abgelehnt hat,<br />

selbst einen moderaten Vorschlag für zwei<br />

Wochen Vaterschaftsurlaub weiterzuverfolgen,<br />

will nun eine breit abgestützte<br />

Allianz von Arbeitnehmerorganisationen<br />

mit einer Volksinitiative in dieser – auch<br />

für viele unserer Mitglieder – wichtigen<br />

Frage zu einer fortschrittlichen Lösung<br />

gelangen. Der <strong>VSAO</strong> unterstützt die Initiative<br />

für einen vierwöchigen Vaterschaftsurlaub.<br />

Vereinbarkeit von Beruf<br />

und Familie<br />

Der <strong>VSAO</strong> engagiert sich für eine bessere<br />

Vereinbarkeit des Arztberufs mit Privatleben<br />

und Familie. Gerade für Ärztinnen<br />

und Ärzte im Spital ist es schwierig, ihre<br />

lange Arbeitswoche (sehr häufig im<br />

Schichtbetrieb) mit dem Wunsch, für die<br />

eigene Familie da zu sein, in Einklang zu<br />

bringen. Der <strong>VSAO</strong> bietet seinen Mitgliedern<br />

deshalb verschiedene Dienstleistungen:<br />

Via Onlineformular auf der Website<br />

kann die KiTa-Vermittlung in Anspruch<br />

genommen werden. Die Unterstützung bei<br />

der zeitraubenden Suche nach freien Plätzen<br />

in Kindertagesstätten ist mittlerweile<br />

seit mehreren Jahren erprobt. Gleiches gilt<br />

für das Coaching-Angebot, das der <strong>VSAO</strong><br />

seinen Mitgliedern kostenlos anbietet. Es<br />

beinhaltet eine individuelle telefonische<br />

Beratung seitens einer Fachperson der<br />

Fachstelle UND. Im Rahmen dieses<br />

Coachings wird die berufliche und familiäre/private<br />

Situation reflektiert. Gestützt<br />

darauf werden Lösungs- und Handlungsansätze<br />

aufgezeigt mit dem Ziel, Arztberuf<br />

und Familie/Privatleben besser vereinbaren<br />

zu können.<br />

Auch auf Seiten der Arbeitgeber versucht<br />

der <strong>VSAO</strong>, Veränderungen zu initiieren.<br />

Die Liste von bewährten Beispielen aus<br />

Spitälern und Kliniken, welche auf unserer<br />

Website unter «Good Practice» aufgeführt<br />

ist, wächst erfreulich. Diese Beispiele<br />

zeigen auf, dass es möglich ist, die nötigen<br />

familienfreundlichen Strukturen zu<br />

schaffen. Informationen hierzu finden<br />

sich nicht zuletzt in der <strong>VSAO</strong>-Broschüre<br />

«Familienfreundliche Massnahmen im<br />

Spital».<br />

Vaterschaftsurlaub<br />

Die Geburt eines Kindes ist ein grosser<br />

Schritt und verändert jede Familie. Nach<br />

der Geburt wird der Vater zu Hause dringend<br />

benötigt; er unterstützt die Mutter,<br />

pflegt das Neugeborene und betreut vielleicht<br />

auch dessen Geschwister. Er übernimmt<br />

Verantwortung. Das wird heutzutage<br />

von Vätern auch erwartet und ist<br />

Die Initiative im Überblick<br />

Die Initiative will nach dem Vorbild des Mutterschaftsurlaubs einen bezahlten Vaterschaftsurlaub<br />

einführen. Dieser soll gemäss Initiativtext die Dauer von mindestens vier Wochen haben. Das entspricht<br />

in der Regel einer Abwesenheit von 20 Arbeitstagen. Es soll – im Gegensatz zum Mutterschaftsurlaub<br />

– der Grundsatz gelten, dass der Vaterschaftsurlaub flexibel bezogen werden kann und zwar innert<br />

eines Jahres nach der Geburt des Kindes. Die Flexibilität gilt sowohl für den Zeitpunkt des Bezugs wie<br />

auch für seine Aufteilung: So soll es auch möglich sein, den Vaterschaftsurlaub als einzelne freie Arbeitstage<br />

zu beziehen. Dahinter steht die Überlegung, dass der Vaterschaftsurlaub auch mit Teilzeitarbeit<br />

verbunden werden kann (z.B. Reduktion von 100% auf 80% während 20 Wochen). Eine Möglichkeit<br />

ist auch, beispielsweise gleich nach der Geburt zwei Wochen Vaterschaftsurlaub am Stück und die<br />

Resttage einzeln zu beziehen. Die mindestens 14 Wochen Mutterschaftsurlaub bleiben unangetastet.<br />

sinnvoll: Denn die Fähigkeit zu kompetenter<br />

Vaterschaft ist biologisch angelegt.<br />

Ob dieses Potenzial aktiviert wird, ist aber<br />

– stärker als bei Müttern – abhängig von<br />

der frühzeitigen Übernahme von Verantwortung<br />

und Betreuungsaufgaben für das<br />

Kind.<br />

90 Prozent der Schweizer Männer wollen<br />

mehr Zeit und Flexibilität, um mehr für<br />

ihre Kinder da sein zu können. 1 Doch die<br />

Rahmenbedingungen stimmen nicht:<br />

Auch und gerade Männer haben Probleme,<br />

Beruf und Familie unter einen Hut zu<br />

bekommen!<br />

Heute gibt es in der Schweiz keine gesetzliche<br />

Regelung für einen Vaterschaftsurlaub.<br />

Üblicherweise wird den frischgebackenen<br />

Vätern ein freier Tag gewährt,<br />

wobei einzelne Arbeitgeber die Zeichen der<br />

Zeit erkannt haben und freiwillig über<br />

dieses gesetzliche Minimum hinausgehen.<br />

Männer stehen heute also verstärkt in der<br />

Verantwortung für die Kinderbetreuung,<br />

treffen aber nicht mehr zeitgemässe Rahmenbedingungen<br />

an. So sind die Väter<br />

auf den Goodwill des Arbeitgebers angewiesen.<br />

Wer es sich leisten kann und das<br />

Einverständnis des Arbeitgebers hat,<br />

nimmt unbezahlten Urlaub. Der grosse<br />

Rest muss heute Ferien nehmen. Die Alternative<br />

ist, bei der Geburt und/oder in der<br />

Zeit nach der Geburt nicht präsent zu sein.<br />

Der <strong>VSAO</strong> ist der Ansicht, dass diese Regelung<br />

nicht im Sinne seiner Mitglieder ist<br />

und geändert werden sollte.<br />

Das Initiativprojekt<br />

Eine breite zivilgesellschaftliche Allianz<br />

von Frauen-, Männer-, Familien- und<br />

1 Meier-Schatz, Lucrezia (2011). Was Männer<br />

wollen. Studie zur Vereinbarkeit von Beruf<br />

und Privatleben. Pro Familia Schweiz<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

7


POLITIK<br />

Arbeitnehmendenorganisationen lancierte<br />

deshalb am 24. Mai eine Volksinitiative<br />

für vier Wochen Vaterschaftsurlaub (siehe<br />

Kasten). Der Geschäftsausschuss des <strong>VSAO</strong><br />

hat einstimmig beschlossen, die Initiative<br />

zu unterstützen: Unsere Mitglieder sind in<br />

einem Alter, in dem häufig eine Familie<br />

gegründet wird. Auch als Familienväter<br />

(und -mütter) wollen viele unserer Mitglieder<br />

mit einem hohen Pensum weiterarbeiten.<br />

Damit trotzdem eine Auszeit<br />

nach der Geburt des eigenen Kindes möglich<br />

ist, unterstützen wir die Idee, dass<br />

künftig alle Männer vier Wochen flexiblen<br />

Vaterschaftsurlaub erhalten sollen. Umso<br />

motivierter werden unsere Mitglieder anschliessend<br />

in den Beruf zurückkehren.<br />

Auch unsere weiblichen Mitglieder profitieren<br />

von der Initiative, wenn sie in der<br />

anspruchsvollen Zeit nach der Geburt eines<br />

Kindes von ihrem Partner noch mehr<br />

als heute unterstützt werden können. Der<br />

<strong>VSAO</strong> bittet Sie deshalb, den Initiativbogen,<br />

der diesem Journal beiliegt, zu unterschreiben<br />

und kostenlos zurückzuschicken.<br />

Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung!<br />

■<br />

8 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong>


POLITIK<br />

Auf den PUNKT gebracht<br />

Liebe Kolleginnen und Kollegen<br />

Arbeiten Sie auch im spannendsten Beruf,<br />

den Sie sich vorstellen können? Was Sie<br />

tun, zeigt Wirkung, verschafft Linderung,<br />

gibt Zuversicht. Wir als Ärzte sind engagiert,<br />

motiviert und bilden uns stetig weiter.<br />

Wir stellen unser Können und Wissen<br />

in den Dienst unserer Mitmenschen. Und<br />

nach getaner Arbeit sind wir nicht selten<br />

erschöpft – aber im Wissen, dass sich der<br />

Einsatz gelohnt hat.<br />

Gut, vielleicht verbringen auch Sie nicht<br />

so viel Zeit mit Patientinnen und Patienten,<br />

wie Sie möchten – dafür umso mehr<br />

vor dem Computer. Nicht zuletzt darum<br />

habe ich wie viele von Ihnen hin und wieder<br />

den Eindruck, unser Beruf sei zu bürokratielastig<br />

geworden.<br />

Doch unsere Arbeitsbedingungen und die<br />

zu erfüllenden Regularien sind nicht gottgegeben,<br />

sondern von Menschenhand<br />

geschaffen. Primär sind die Politik, die<br />

Versicherer und die Spitäler oder andere<br />

Arbeitgeber für die Vorgaben zuständig,<br />

die wir zu erfüllen haben – dabei ist unser<br />

Kernauftrag, für das Wohl unserer Patientinnen<br />

und Patienten zu sorgen!<br />

Doch es hat keinen Sinn, «die Faust im<br />

Sack» zu machen, die Verantwortung auf<br />

andere («die in Bern oben») zu schieben<br />

oder sich entnervt abzuwenden. In unserem<br />

direktdemokratisch aufgebauten<br />

Rechtstaat sind diese Entscheide Sache<br />

der Allgemeinheit, nicht bloss einiger<br />

weniger Berufspolitiker oder Spitalleitungen.<br />

Nicht jede, die mal die Schule besucht<br />

hat, ist eine gute Bildungspolitikerin<br />

und nicht jeder, der schon mal erkältet<br />

war, ein guter Gesundheitspolitiker.<br />

Fachkompetenz ist ein zentraler Faktor<br />

in den entsprechenden Entscheidungsgremien.<br />

Und über diese Fachkompetenz<br />

verfügen Sie, geschätzte Kolleginnen und<br />

Kollegen.<br />

Wir alle sollten Verantwortung übernehmen,<br />

in unserem Arbeitsumfeld und darüber<br />

hinaus. Leider trauen sich viele<br />

unserer Kolleginnen und Kollegen aus<br />

Sorge vor Karrierenachteilen oder vor<br />

Strafaktionen nicht, sich aktiv für Verbesserungen<br />

einzusetzen. Ich verstehe das.<br />

Doch ich habe im Berufsalltag andere,<br />

auch sehr positive Erfahrungen gemacht.<br />

Selbst <strong>VSAO</strong>-skeptische Chefärzte und<br />

Vorgesetzte schätzen meinen Einsatz zugunsten<br />

von Assistenzarzt- und Oberarztkolleginnen<br />

und -kollegen durchaus,<br />

auch dann, wenn sie meine Meinung<br />

nicht teilen.<br />

Unser Berufsstand, unser Verband und<br />

nicht zuletzt unsere Patientinnen und<br />

Patienten sind darauf angewiesen, dass<br />

Sie sich engagieren, liebe Kollegin, lieber<br />

Kollege. Ob in der Politik, im Spital, in der<br />

Hausarztpraxis oder innerhalb unseres<br />

Verbandes. Wir brauchen Sie, heute mehr<br />

denn je.<br />

■<br />

Beste bern-zürcherische Grüsse sendet<br />

Angelo Barrile<br />

Hausarzt, Nationalrat,<br />

Vizepräsident <strong>VSAO</strong> Schweiz<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

9


WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />

Alle gewinnen!<br />

Das Kantonsspital Graubünden hat es geschafft: Ärztinnen und Ärzte, welche dort angestellt<br />

sind, schätzen die Attraktivität ihres Arbeitgebers als hoch ein. Dies ist ein zentrales Element<br />

in der Unternehmensstrategie «KSGR House». Erreicht wurde dieses Ziel nicht zuletzt<br />

dank der vom <strong>VSAO</strong> publizierten Broschüre «Familienfreundliche Massnahmen im Spital».<br />

Patrizia Kündig, Assistenzärztin Anästhesie, Präsidentin <strong>VSAO</strong> Sektion Graubünden<br />

Das Kantonsspital Graubünden will als<br />

«attraktive Arbeitgeberin» wahrgenommen<br />

werden und hat das in seiner Unternehmensstrategie<br />

an zentraler Stelle festgehalten.<br />

Dieses Ziel steht aber nicht nur<br />

auf dem Papier, sondern seit Anfang <strong>2016</strong><br />

wird konkret darauf hingearbeitet. Dabei<br />

stützt sich die Arbeitsgruppe, welche speziell<br />

für die Schaffung geeigneter Umsetzungsmassnahmen<br />

gegründet wurde, seit<br />

Beginn auf die <strong>VSAO</strong>-Broschüre «Familien<br />

freundliche Massnahmen im Spital».<br />

Die Arbeitsgruppe besteht aus fünf Mitgliedern,<br />

die aus diversen ärztlichen Fachdisziplinen<br />

und verschiedenen Kaderstufen<br />

rekrutiert wurde. Sie legen den Fokus<br />

bewusst nicht ausschliesslich auf familienfreundliche<br />

Massnahmen, sondern<br />

beziehen auch Aspekte mit ein, welche<br />

allen ärztlichen Mitarbeitenden punkto<br />

Arbeitszufriedenheit zugutekommen. Bei<br />

der Wahl der Teilnehmer der Arbeitsgruppe<br />

wurde denn auch Wert darauf gelegt,<br />

möglichst unterschiedliche Altersgruppen<br />

und Lebensphasen einzubeziehen.<br />

Bedürfnisse ermittelt<br />

Zunächst analysierte die Arbeitsgruppe den<br />

Status quo. Zu diesem Zweck erfolgte einerseits<br />

eine elektronische, selbstredend anonyme<br />

Umfrage, die an alle Assistenz- und<br />

Oberärztinnen und -ärzte des Hauses gesendet<br />

wurde. Gefragt wurde nach deren<br />

Meinung zur Teilzeitarbeit und zur Vereinbarkeit<br />

von Karriere und reduziertem Arbeitspensum.<br />

Dass die Antworten deutlich<br />

den Wunsch nach teilzeitfreundlichen Arbeitsbedingungen<br />

aufzeigten, ist wenig<br />

überraschend. Das entspricht auch der vom<br />

Kantonsspital durchgeführten Erhebung<br />

zur Mitarbeiterzufriedenheit, welche ebenfalls<br />

als Datenquelle hinzugezogen wurde.<br />

Basierend auf den Umfrageergebnissen<br />

ermittelte die Arbeitsgruppe folgende<br />

Themenfelder: Teilzeitarbeit, Karriereplanung,<br />

zeitgemässe Wissensvermittlung,<br />

Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie<br />

Wiedereinstieg ins ärztliche Berufsleben.<br />

Die Gruppe erarbeitete schliesslich sieben<br />

Massnahmen, welche sie Ende 2015 der<br />

Geschäftsleitung des KSGR präsentierte.<br />

Die Vorschläge wurden wohlwollend aufgenommen<br />

(siehe Kasten).<br />

Umsetzung kontrollieren<br />

Seit <strong>2016</strong> sind die Massnahmen in Kraft.<br />

Sie wurden in den diversen ärztlichen<br />

Departementen vorgestellt und werden<br />

Feedback-Pool<br />

(D)ein kleiner, aber wertvoller<br />

Beitrag für eine gute<br />

Weiter- und Fortbildung<br />

Um im Bereich der ärztlichen Weiter- und Fortbildung Meinungen<br />

unserer Mitglieder zu einem Thema einholen zu<br />

können, wurde der Feedback-Pool eingerichtet.<br />

Macht mit, und helft dem <strong>VSAO</strong> damit, den Horizont im Ressort<br />

Weiterbildung etwas zu erweitern und Überlegungen<br />

breiter abzustützen.<br />

Weitere Infos unter www.vsao.ch und Anmeldung per E-Mail<br />

an bertschi@vsao.ch.<br />

Deine Erfahrung zählt!<br />

Visitationen bilden ein Element für das Überprüfen und Sicherstellen<br />

der Weiterbildungsqualität an einer Weiterbildungsstätte.<br />

Ein Visitationsteam, bestehend aus Vertretern des<br />

SIWF, der entsprechenden Fachgesellschaft und des <strong>VSAO</strong>,<br />

besucht die Klinik; vor Ort können die Umsetzung des Weiterbildungskonzeptes<br />

und die Verhältnisse überprüft werden. Ziel<br />

ist es, im Sinne einer positiv-konstruktiven Rückmeldung<br />

mögliche Verbesserungspotenziale zu erkennen und zu nutzen.<br />

Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte, die gerne für den<br />

<strong>VSAO</strong> Visitationen begleiten möchten, melden sich bei Béa trice<br />

Bertschi, unserer Sachbearbeiterin für Weiterbildung/Visitationen<br />

im <strong>VSAO</strong> (bertschi@vsao.ch).<br />

10 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong>


WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />

Strategische Massnahme 1: Strukturierte Karriereplanung auf allen hierarchischen Ebenen<br />

unabhängig vom Arbeitspensum. Aktueller Status: in Umsetzung innerhalb der Departemente.<br />

Strategische Massnahme 2: Teilzeitarbeit wird in allen Departementen im Grundsatz, sichtbar<br />

beispielsweise in der Stellenbeschreibung, unterstützt. Es werden flexible, familiengerechte Arbeitszeitmodelle<br />

im Rahmen der lokalen Möglichkeiten umgesetzt. Aktueller Status: in Umsetzung innerhalb<br />

der Departemente mit Unterstützung des Personaldienstes.<br />

Strategische Massnahme 3: Der Wiedereinstieg von ehemaligen Mitarbeiterinnen nach Schwangerschaft<br />

hat eine hohe Priorität und wird ausdrücklich gefördert. Karriereplan und Wiedereinstieg<br />

werden vor dem Mutterschaftsurlaub konkret geplant. Aktueller Status: individuelle Umsetzung innerhalb<br />

der Departemente.<br />

Strategische Massnahme 4: Orts- und zeitunabhängige interne Fortbildungen stehen allen<br />

Mitarbeitenden elektronisch zur Verfügung. Aktueller Status: Der Aufbau einer elektronischen Fortbildungsbibliothek<br />

ist auf Projektstatus aktiv.<br />

Strategische Massnahme 5: Das Spital stellt ausserfamiliäre Betreuungsmöglichkeiten für alle<br />

interessierten Mitarbeitenden zur Verfügung. Die benötigten Kinderkrippenplätze werden nötigenfalls<br />

erweitert. Aktueller Status: Die Anzahl Betreuungsplätze wurde erhöht, die Wartezeiten für Mitarbeitende<br />

werden monitorisiert.<br />

Strategische Massnahme 6: Bevorzugte Parkplatzregelung für Mitarbeitende mit Kleinkindern,<br />

um die familienexterne Betreuung zu erleichtern. Aktueller Status: Es wurden zusätzliche Parkplätze<br />

geschaffen, aktuell besteht kein weiterer Handlungsbedarf.<br />

Strategische Massnahme 7: Das Kantonsspital Graubünden unterstützt die Eltern mit einem<br />

überobligatorischen Elternurlaub. Für die Mütter übernimmt das KSGR 90 Prozent der Lohnkosten<br />

(gesetzliches Minimum 80%) während des Mutterschaftsurlaubs, und mit diesem kann schon 14 Tage<br />

vor dem errechneten Geburtstermin gestartet werden. Für die Väter wurde der bezahlte Urlaub von<br />

3 Tagen auf 5 Arbeitstage (= 1 Woche) erhöht. Aktueller Status: umgesetzt und im neuen Personalreglement<br />

verankert.<br />

laufend umgesetzt. Die Arbeitsgruppe hat<br />

sich auch zum Ziel gesetzt, die Umsetzung<br />

der einzelnen Massnahmen zu begleiten.<br />

Konkret erkennbar sind:<br />

• die weitgehend flächendeckende Ausschreibung<br />

von Stellenangeboten mit<br />

Teilzeitoptionen,<br />

• die assistierte Karriereplanung für ärztliche<br />

Mitarbeiter jeder Kaderstufe,<br />

• die Sicherstellung von familienexterner<br />

Kinderbetreuung mit Unterstützung<br />

des KSGR,<br />

• die logistische Unterstützung mittels<br />

gesicherter Parkplätze für Eltern von<br />

Kleinkindern<br />

• sowie der verlängerte übergesetzliche<br />

Vaterschaftsurlaub.<br />

In Arbeit ist derzeit die Umsetzung zur<br />

Regelung von zeit- und ortsunabhängiger<br />

Weiterbildung mittels elektronischer Speicherung<br />

von internen Fortbildungsveranstaltungen.<br />

Die Arbeitsgruppe hat sich weiter zum Ziel<br />

gesetzt, die Kontrolle der Umsetzung sicherzustellen,<br />

um die Nachhaltigkeit der<br />

oben genannten Massnahmen zu gewährleisten.<br />

Alle gewinnen – auf dem Weg zu einer<br />

modernen, familienfreundlichen und<br />

zufriedenen Arbeitsumgebung im Kantonsspital<br />

Graubünden. ■<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

11


WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />

Auch für Arbeitgeber attraktiv<br />

Familienfreundliche Massnahmen sind mehr als ein Lippenbekenntnis oder ein Credo, welches<br />

sich in den Leitlinien eines Betriebs gut macht. Heinrich Neuweiler, Leiter Departement Personal,<br />

Pflege und Fachsupport und Mitglied der Geschäftsleitung des Kantonsspitals Graubünden,<br />

äussert sich zu den Vorteilen einer familienfreundlichen Geschäftspolitik.<br />

Wie ist es im Kantonsspital<br />

Graubünden zur Gründung der<br />

Arbeitsgruppe «Attraktiver<br />

Arbeitgeber für Ärztinnen und<br />

Ärzte» gekommen?<br />

Heinrich Neuweiler: Das Kantonsspital<br />

Graubünden hat in seinem Leitbild als<br />

Ziel «kompetente und zufriedene Mitarbeitende»<br />

verankert. Damit das nicht nur<br />

schöne Worte auf Papier bleiben, beschloss<br />

das Spital immer wieder Massnahmen zur<br />

Attraktivitätssteigerung. Viele dieser Massnahmen<br />

waren dabei schwerpunktmässig<br />

auf das Pflegepersonal ausgerichtet. Hinsichtlich<br />

der Ärzteschaft beschränkten sich<br />

die Aktivitäten auf nachwuchsfördernde<br />

Projekte innerhalb der Departemente. Von<br />

verschiedenen Seiten wurde allerdings die<br />

Forderung laut, mehr für die ärztlichen<br />

Fachkräfte zu tun. Ansonsten befürchtete<br />

man, dass sich die Probleme bei der Nachwuchssicherung<br />

dramatisch verschärfen<br />

könnten.<br />

Die Personalabteilung hat daraufhin nach<br />

Ärztinnen und Ärzten Ausschau gehalten,<br />

die im Rahmen einer Arbeitsgruppe nach<br />

konkreten spitalweit wirksamen Verbesserungsmöglichkeiten<br />

suchen sollten. Erfreulicherweise<br />

stellten sich sofort Interessierte<br />

zur Verfügung, die bereit waren, sich<br />

neben dem herausfordernden beruflichen<br />

Alltag auch mit den Themen «Arbeitsplatzattraktivität<br />

und -optimierung» zu<br />

beschäftigen. Als Mitglied der Geschäftsleitung<br />

und Leiter des Departements Personal,<br />

Pflege und Fachsupport habe ich die<br />

Leitung der Arbeitsgruppe übernommen.<br />

Was galt es dabei besonders<br />

zu beachten?<br />

Eine zentrale Frage bei der Verbesserung<br />

der Arbeitsbedingungen für Ärzte war, wie<br />

weit solche Massnahmen gehen sollten.<br />

Die Vorschläge sollten schliesslich eine<br />

realistische Chance haben, von der Geschäftsleitung<br />

bewilligt zu werden. Die<br />

Arbeitsgruppe entschied sich für den pragmatischen<br />

Weg: Einerseits sollten ganz<br />

konkrete, umsetzbare Massnahmen vorgeschlagen<br />

werden. Anderseits sollten sensiblere,<br />

umfangreichere Themen vorerst<br />

als Grundsatz im Spital verankert werden.<br />

Dies verleiht den einzelnen Departementen<br />

einen grösseren Spielraum bei der Umsetzung.<br />

Wie gingen Sie konkret vor?<br />

Als Erstes wurde eine interne Umfrage bei<br />

den Assistenz- und Oberärztinnen und<br />

-ärzten zum Schwerpunktthema «Teilzeit»<br />

durchgeführt. Wenig überraschend<br />

zeigte sich, dass die überwiegende Mehrheit,<br />

rund 95 Prozent, ein Teilzeitpensum<br />

für alle Hierarchiestufen als sinnvoll betrachten<br />

und selber diese Möglichkeit erwägen.<br />

Des Weiteren wurde eine interne<br />

Sensibilisierungskampagne auf allen Ebenen<br />

lanciert, mittels Gesprächen innerhalb<br />

der Fachbereiche und Departemente.<br />

Höhepunkt war ein Themenreferat von<br />

zwei der ärztlichen Kadermitglieder aus<br />

der Arbeitsgruppe anlässlich der jährlichen<br />

Kadertagung des Hauses.<br />

Nach rund einjähriger Grundlagenarbeit<br />

präsentierte die Gruppe der Geschäftsleitung<br />

schliesslich sieben strategische Massnahmen,<br />

welche im September 2015<br />

genehmigt und in wenigen Punkten modifiziert<br />

verabschiedet wurden. Diese Massnahmen<br />

haben dadurch eine Verbindlichkeit<br />

für das gesamte Haus erhalten und<br />

können entsprechend auch eingefordert<br />

werden.<br />

Worin sehen Sie aus Sicht eines<br />

Geschäftsleitungsmitglieds die<br />

Chancen und Vorteile eines<br />

Betriebs, der die Vereinbarkeit<br />

von Beruf und Familie/Privatleben<br />

aktiv fördert?<br />

12 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong>


WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />

Mitglieder der Arbeitsgruppe:<br />

Heinrich Neuweiler, Leiter Departement Personal, Pflege<br />

und Fachsupport, Mitglied der Geschäftsleitung<br />

Dipl. med. Patrizia Kündig, Assistenzärztin Anästhesie<br />

Dr. med. Simone Hofer Strebel, Stv. Leitende Ärztin<br />

Chirurgie<br />

Dr. med. Patrik Vanek, Leitender Arzt Interdisziplinäre<br />

Intensivstation<br />

Dr. med. Philipp Grosse, Oberarzt Nephrologie/Dialyse<br />

(seit <strong>2016</strong>)<br />

Dr. med. Katharina Mischler, Ärztin Onkologie<br />

(bis Ende 2015)<br />

Durch die Förderung der Vereinbarkeit von<br />

Beruf und Familie/Privatleben gibt es nur<br />

Gewinner. Einerseits profitieren die Ärztinnen<br />

und Ärzte auf allen Hierarchiestufen,<br />

aber auch die Auswirkungen auf den Betrieb<br />

sind positiv und betriebswirtschaftlich<br />

relevant. Die vielfältigen Auswirkungen<br />

sind in der Literatur mannigfach beschrieben.<br />

Beispielhaft seien hier folgende<br />

Punkte erwähnt:<br />

––<br />

Wir erwarten eine höhere Berufszufriedenheit<br />

und weniger Kündigungen<br />

durch die bessere Vereinbarkeit der verschiedenen<br />

Rollen (Beruf/Privatleben).<br />

––<br />

Durch längeres Verbleiben und/oder<br />

dem Wiedereinstieg in den Beruf kann<br />

dem Ärztemangel entgegengewirkt werden.<br />

––<br />

Die Karrierechancen der Ärztinnen und<br />

Ärzte können verbessert werden.<br />

––<br />

Durch weniger Fluktuation kann auch<br />

die Qualität und Effizienz positiv beeinflusst<br />

werden.<br />

––<br />

Als attraktiver Arbeitgeber ist es zudem<br />

einfacher, frei werdende Stellen wieder<br />

zu besetzen.<br />

Wie wird die Umsetzung bzw.<br />

der Standard der umgesetzten<br />

Massnahmen auch in<br />

der Zukunft garantiert?<br />

Die Arbeitsgruppe erachtet es als ihre Aufgabe,<br />

das Thema «weiter im Auge» zu<br />

behalten. Gerade bei den strategischen<br />

Massnahmen, welche nicht konkret mit<br />

Zahlen messbar sind und eher grundsätzlich<br />

und offen definiert wurden, lohnt es<br />

sich, genau hinzusehen, ob die offene<br />

Formulierung ausreicht oder ob diese<br />

Massnahmen «griffiger» definiert werden<br />

müssen. Auch die gesellschaftliche Entwicklung<br />

und die Bedingungen unserer<br />

Mitbewerber auf dem Arbeitsmarkt müssen<br />

beobachtet werden. Falls nötig, können wir<br />

mit neuen Anträgen an die Geschäftsleitung<br />

darauf reagieren.<br />

Last but not least versucht das Kantonsspital<br />

Graubünden einem seiner Credos<br />

nachzukommen: «Bei uns sind Sie in besten<br />

Händen». Damit sind nicht nur unsere<br />

Patientinnen und Patienten gemeint, sondern<br />

explizit auch alle unsere Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter. ■


<strong>VSAO</strong><br />

SEKTION BERN<br />

Jeden Monat ein<br />

neuer Film-Clip<br />

von Sept. <strong>2016</strong><br />

bis Jan. 2017<br />

Wie bereits angekündigt, schalten wir zwischen September <strong>2016</strong> und Januar 2017 an<br />

jedem Monatsanfang einen neuen Film-Clip auf unserer Website auf. Es lohnt sich,<br />

regelmässig vorbeizuschauen (vsao-bern.ch)!<br />

September <strong>2016</strong>: Anspruch auf Weiterbildung<br />

<strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong>: Stillende Mütter<br />

November <strong>2016</strong>: Ferien versus Überzeit<br />

Dezember <strong>2016</strong>: Ferienbezug<br />

Januar 2017: Elternschaft■<br />

Janine Junker und Gerhard Hauser, Co-Geschäftsführung Sektion Bern<br />

SEKTION SOLOTHURN<br />

Neues Vorstandsmitglied<br />

An der diesjährigen Mitgliederversammlung<br />

im Bürgerspital Solothurn konnte<br />

erfreulicherweise ein neues Mitglied für<br />

den Sektionsvorstand gewonnen werden:<br />

In den Vorstand gewählt wurde neu Ursula<br />

Wenger aus dem Bürgerspital Solothurn.<br />

Neues vom GAV<br />

Zurzeit beschäftigt sich die Sektion mit<br />

den geplanten GAV-Änderungen. Wegen<br />

der massiven Kürzung der Zuschüsse des<br />

Kantons werden Einsparungen bei den<br />

Personalkosten unumgänglich, die Personalverbände<br />

verhandeln gemeinsam, um<br />

die Auswirkungen erträglich und akzeptabel<br />

zu machen. Es geht aktuell um zwei<br />

Bereiche:<br />

1. Erfahrungsstufenanstiege<br />

werden gestreckt<br />

Der Regierungsrat hat auf Vorschlag einer<br />

Arbeitsgruppe der GAV-Kommission eine<br />

Regelung beschlossen, der die GAV-Partner<br />

noch zustimmen müssen:<br />

Es werden ab Erfahrungsstufe 12 mehr<br />

Erfahrungsstufen mit kleineren Lohnanstiegen<br />

kreiert, Ausgangs- und Endstufenvergütung<br />

bleiben unverändert, es dauert<br />

also länger, bis der Maximallohn erreicht<br />

wird.<br />

COACHING<br />

Arztberuf & Familie / Privatleben<br />

Telefonische Beratung:<br />

044 462 71 23 • info@und-online.ch<br />

Wie bringe ich Familie, Freizeit und Beruf unter einen Hut? Wie steige ich nach der Babypause wieder ein? Wie<br />

meistere ich die täglichen Herausforderungen? Antworten und Lösungsvorschläge auf diese und weitere Fragen<br />

bietet der <strong>VSAO</strong> seinen Mitgliedern im Rahmen eines kostenlosen Coachings an. Die Beratung erfolgt telefonisch<br />

durch die Fachstelle UND.<br />

Erfahren Sie mehr über dieses Beratungsangebot des <strong>VSAO</strong> auf unserer Website www2.vsao.ch unter der Rubrik<br />

Arztberuf & Familie / Privatleben.<br />

14 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong>


<strong>VSAO</strong><br />

Auf die Löhne der allermeisten unserer<br />

Mitglieder hat diese Sparmassnahme allerdings<br />

kaum eine Auswirkung, da die<br />

Erfahrungsstufe 13 von Assistenzärztinnen<br />

und -ärzten nur in wenigen Ausnahmefällen<br />

erreicht wird. Einzelheiten sind<br />

auf dem Intranet der SoH veröffentlicht.<br />

2. Verhandlungen um eine<br />

Änderungskündigung<br />

Im Rahmen von konkreten Reorganisationen<br />

wird in Zukunft von den Arbeitnehmenden<br />

verlangt werden können, gewisse<br />

Änderungen des Pensums, der Art der<br />

Tätigkeit und auch des Arbeitsortes zu<br />

akzeptieren. Hier tragbare Grenzen zu<br />

definieren, ist zurzeit unser Auftrag in der<br />

GAV-Kommission.<br />

Schwangerschaft<br />

und<br />

Kündigungsschutz<br />

Positive Bewegungen gibt es in Bezug auf<br />

den Kündigungsschutz für Schwangere<br />

mit befristetem Arbeitsvertrag. Es konnte<br />

erreicht werden, dass ein bestehender<br />

befristeter Arbeitsvertrag während der<br />

Schwangerschaft nicht gekündigt werden<br />

darf, weitere Verbesserungen werden verhandelt.<br />

Überstunden<br />

Mit der Geschäftsleitung wurde die Problematik<br />

der Überstundenakkumulation<br />

bei langjährigen ärztlichen Verträgen<br />

besprochen.<br />

Wir haben klargemacht, dass nach GAV<br />

eindeutig ein Anspruch auf Ausgleich aller<br />

Überstunden durch Freizeit besteht. Der<br />

Personalchef der SoH, Andreas Woodtli,<br />

hat uns zugesagt, zusammen mit den<br />

Klinikdirektoren diesen Anspruch zu thematisieren.<br />

Der <strong>VSAO</strong> wird die Umsetzung<br />

dieses Anspruchs überprüfen, wir werden<br />

eine Umfrage zu diesem Thema in der<br />

SoH durchführen.<br />

■<br />

Felix Kurth,<br />

Co-Präsident Sektion Solothurn<br />

SEKTION<br />

ST. GALLEN/APPENZELL<br />

Berufliche<br />

Unabhängigkeit<br />

Liebes <strong>VSAO</strong>-Mitglied<br />

Nach den guten Rückmeldungen im Anschluss<br />

an die letzten gemeinsamen Veranstaltungen<br />

des <strong>VSAO</strong> und des Stadtärztevereins<br />

St. Gallen im Jahr 2013 möchten<br />

wir Sie gerne zu einer erneuten gemeinsamen<br />

Veranstaltung einladen:<br />

«Der Arzt als freier Unternehmer<br />

– die Chancen der<br />

beruflichen Unabhängigkeit!»<br />

Restaurant Schützengarten netts<br />

St. Jakobstrasse 35, St. Gallen<br />

Mittwoch, 9. November <strong>2016</strong><br />

18.30–21.00 Uhr<br />

im Anschluss Apéro riche<br />

Als Highlight wird Dr. Raphael Stolz über<br />

seinen Weg vom KSSG in die eigene Praxis<br />

berichten. Weiterhin werden die finanziellen<br />

und versicherungstechnischen Voraussetzungen<br />

vorgestellt.<br />

Anmeldeinformationen unter<br />

www.vsao-sg.ch.<br />

■<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

15


<strong>VSAO</strong><br />

§<br />

Rechtsberatung<br />

Eric Bersier, Sektionsjurist Freiburg<br />

Ich bin zurzeit als Assistenzärztin<br />

am Freiburger<br />

Kantonsspital mit einem<br />

befristeten Arbeitsvertrag<br />

angestellt. Der Vertrag<br />

läuft bis 31. <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong>.<br />

Mit dem CHUV habe ich vor<br />

einiger Zeit einen Anstellungsvertrag<br />

(nicht den<br />

definitiven Vertrag) für eine<br />

Dauer von sechs Monaten<br />

ab dem 1. November <strong>2016</strong><br />

unterzeichnet. Ich bin<br />

schwanger, der Geburtstermin<br />

ist Mitte August vorgesehen.<br />

Aufgrund dieser<br />

Situation habe ich mit dem<br />

Personaldienst in Freiburg<br />

und Lausanne Kontakt<br />

aufgenommen. Dabei habe<br />

ich widersprüchliche Auskünfte<br />

betreffend Mutterschaftsurlaub<br />

erhalten. Das<br />

CHUV stellt offenbar meine<br />

Anstellung und die Beendigung<br />

meines Vertrags<br />

in Freiburg in Frage.<br />

Können Sie mich über meine<br />

Rechte und Pflichten<br />

aufklären? Wer muss meinen<br />

Mutterschaftsurlaub<br />

bezahlen? Muss das CHUV<br />

die restliche Dauer meines<br />

Mutterschaftsurlaubes<br />

übernehmen? Ist die Dauer<br />

des Mutterschaftsurlaubes<br />

im Kanton Waadt und Kanton<br />

Freiburg identisch?<br />

Darf das CHUV mich nicht<br />

oder nur unter der Bedingung,<br />

dass ich den Einsatz<br />

verschiebe, anstellen?<br />

Ich kann Ihnen bestätigen, dass das Freiburger<br />

Gesetz über das Staatspersonal<br />

(StPG) und dessen Ausführungsreglement<br />

(Reglement über das Staatspersonal,<br />

StPR), auf welchen sich Ihr Arbeitsvertrag<br />

abstützt, bei befristeten Arbeitsverhältnissen<br />

vorsehen, dass der Mutterschaftsurlaub<br />

(gemäss Art. 83 StPR) spätestens bei<br />

Vertragsablauf endet, sprich am 31. <strong>Oktober</strong><br />

<strong>2016</strong>. Ein Unterbruch oder eine Verlängerung<br />

des Arbeitsverhältnisses aufgrund<br />

von Schwangerschaft oder Mutterschaft<br />

ist nicht möglich. Ihr Vertrag und<br />

die Mutterschaftsdeckung enden also am<br />

besagten Datum.<br />

Unter der Annahme, dass Ihr Kind wie<br />

vorgesehen zur Welt kommt, werden Sie<br />

also Anrecht auf ca. elf Wochen Mutterschaftsurlaub<br />

im Kanton Freiburg haben<br />

(und nicht auf 16 Wochen, wie von den<br />

kantonalen Bestimmungen vorgesehen).<br />

Im Kanton Waadt bezieht sich der GAV auf<br />

die Artikel 66 bis 72 des règlement général<br />

d’application de la loi sur le personnel de<br />

l’Etat de Vaud. Was die Voraussetzungen<br />

für die Mutterschaftsentschädigung angeht,<br />

bezieht sich dieses Reglement auf<br />

das Bundesgesetz über den Erwerbsersatz<br />

für Dienstleistende und bei Mutterschaft.<br />

Demgemäss haben Sie Anrecht auf die<br />

Mutterschaftsentschädigung, wenn Sie die<br />

gesetzlichen Bedingungen erfüllen, d.h.<br />

während neun Monaten unmittelbar vor<br />

der Niederkunft im Sinne des AHVG obligatorisch<br />

versichert waren und im Zeitpunkt<br />

der Niederkunft Arbeitnehmerin<br />

sind. Dieses Recht besteht zu 100 Prozent,<br />

auch während der Probezeit. Sie sollten<br />

also die Mutterschaftsentschädigung beziehen<br />

können, auch wenn Sie während<br />

des Mutterschaftsurlaubes den Arbeitgeber<br />

wechseln. Dies zu den Konditionen im<br />

Kanton Waadt, da Sie den Mutterschaftsurlaub<br />

im Kanton Waadt beenden werden.<br />

Die Deckung wird also ab 1. November<br />

<strong>2016</strong> durch das CHUV gewährleistet sein.<br />

Das règlement général d’application de la<br />

loi sur le personnel de l’Etat de Vaud sieht<br />

einen Mutterschaftsurlaub von vier Monaten<br />

vor. Dieser kann durch den Stillurlaub<br />

um einen Monat verlängert werden. ■<br />

16 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong>


<strong>VSAO</strong><br />

Kitaplatz gesucht – der <strong>VSAO</strong> hilft<br />

Wenn Sie einen Betreuungsplatz für Ihr Kind suchen, denken Sie daran: Seit 2011 unterstützt<br />

Ihr Verband Sie bei dieser zeitaufwendigen Aufgabe. Eine Anfrage mittels Online-Formular beim <strong>VSAO</strong> genügt und Sie<br />

erhalten Informationen zu verfügbaren Plätzen in Ihrer Wunschregion und die entsprechenden Kontaktdaten<br />

der Tagesstätten. Weitere wichtige Informationen und das Formular finden Sie unter der neuen Rubrik Arztberuf und Familie<br />

auf der <strong>VSAO</strong>-Homepage www.vsao.ch.<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

17


FOKUS ▶ SYMBOL<br />

Die Welt als Vorstellung<br />

Zeichen deuten zu können, ist für alle Wesen lebenswichtig. Menschen versuchen jedoch stets in<br />

den sichtbaren Zeichen einen verborgenen Sinn oder zumindest einen Mechanismus zu erkennen.<br />

Dieses Wissen-Wollen ist zeit- und kulturübergreifend und betrifft jeden Lebensbereich: Ob Sternenkonstellation,<br />

Börsenkurse oder die Funktionsweise des Gehirns – die Welt will enträtselt sein.<br />

Dr. Marc Aeschbacher, Dozent für Wirtschaftskommunikation Fachhochschule Nordwestschweiz Hochschule für Wirtschaft<br />

«Schläft ein Lied in allen Dingen,<br />

Die da träumen fort und fort,<br />

Und die Welt hebt an zu singen,<br />

Triffst du nur das Zauberwort.»<br />

Joseph Freiherr von Eichendorff<br />

Seit Anbeginn der Menschheit gehört es<br />

zu den Grundbedürfnissen, das, was uns<br />

umgibt, zu «lesen» und zu verstehen. Für<br />

unsere Urahnen war dieses Lesen ihrer<br />

Umwelt eine unabdingbare Voraussetzung<br />

für das Überleben. Einschätzen zu können,<br />

was eine Gefahr für das Leben bedeutet,<br />

half, die Risiken richtig abzuwägen:<br />

Ist das Mammut verwundet und geschwächt<br />

genug, um es wieder anzugreifen,<br />

oder ist Davonrennen die bessere Alternative?<br />

Diese Entscheidung erforderte<br />

bereits die Fähigkeit, die unterschiedlichsten<br />

Variablen situativ einzubeziehen, unter<br />

anderen etwa auch wie lange es dauern<br />

könnte, bis sich wieder eine solche Gelegenheit<br />

bieten wird.<br />

Zum Lesen und Interpretieren der existentiellen<br />

Herausforderungen im Überlebenskampf<br />

kam interessanterweise aber schon<br />

damals eine weitere, übernatürliche oder<br />

transzendentale Komponente dazu. Unsere<br />

Urahnen suchten den Zugang zu einer<br />

geistigen Sphäre, der sie beschwörende<br />

Zeichen widmeten, indem sie begannen,<br />

ihre Höhlen zu bemalen und Felsen zu<br />

ritzen. Das zeigt, wie unmittelbar verwandt<br />

seit Anbeginn das Bedürfnis des<br />

«Lesens» von Zeichen und das Schaffen<br />

von Zeichen (das Zeichnen) war und ist.<br />

Es gab und gibt kein Lesen ohne Zeichnen<br />

bzw. Schreiben.<br />

Das Leben im Griff<br />

Zeitgeschichtlich mag es ein grosser<br />

Sprung sein von den bannenden oder herbeiflehenden<br />

Beschwörungen in den Anfängen<br />

der Menschheitsgeschichte zu den<br />

frühen Versuchen der Erklärung von Naturphänomenen,<br />

z.B. dass die Ursache<br />

eines Blitzes der Zorn eines Gottes sei.<br />

Hinter Beschwörungen und Erklärungsversuchen<br />

steckt aber das gleiche Bedürfnis,<br />

nämlich dem, was uns widerfährt,<br />

etwas entgegenhalten zu können. Wenn<br />

wir es begreifen können, haben wir es im<br />

Griff und es verliert seine Macht über uns.<br />

Das zeigt exemplarisch auch das Märchen<br />

vom Rumpelstilzchen, dessen Macht über<br />

die Königstochter sogleich erlischt, als<br />

diese seinen Namen errät. Das Benennen<br />

bricht die fremde Macht, das richtige Zeichen,<br />

besser: Die richtige Bezeichnung<br />

kehrt also die Machtverhältnisse zu unseren<br />

Gunsten um.<br />

Suche nach dem Sinn<br />

Was liegt also näher, als alles verstehen zu<br />

wollen? Goethes «Faust» drückt das in<br />

dem ihn verzehrenden Wunsch aus zu<br />

erkennen, «was die Welt im Innersten<br />

zusammenhält». Dieses faustische Streben<br />

nach dem Allwissen ist immer noch<br />

gegenwärtig, der menschliche Forschergeist,<br />

der sich keine Grenze auferlegen<br />

mag, äussert sich in Albert Einsteins Versuch,<br />

eine Weltformel zu entdecken (im<br />

Englischen heisst das «A Theory of Everything»)<br />

genauso wie im Lausanner Human<br />

Brain Project, bei dem mittels computerbasierter<br />

Modelle und Simulationen<br />

eine Nachbildung des menschlichen Gehirns<br />

erschaffen werden soll.<br />

Ob es nun angenehm ist oder nicht, sich<br />

das einzugestehen, aber dieses hehre<br />

Verstehen-Wollen, diese conditio humana,<br />

bildet genauso den Antrieb zu wissen­<br />

Höhlenmalerei aus Lascaux<br />

18 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong>


FOKUS ▶ SYMBOL<br />

also etwa – wie es das Wort schon sagt –<br />

besonders hell zu sehen. Um die Sache zu<br />

komplizieren, wählten die Deuter und<br />

Erklärer eine zusätzliche Zeichensprache,<br />

die sich ganz bestimmt nur ihnen erschliessen<br />

konnte, denn eine für alle<br />

nachvollziehbare Semantik hätte das Geschäftsmodell<br />

untergraben und die Erwerbsquelle<br />

versiegen lassen. Die römischen<br />

Auguren lasen den Vogelflug, später<br />

legte man Karten oder las den Kaffeesatz<br />

und immer beliebt und von zeitlosem<br />

Charme ist die Sterndeuterei.<br />

Der Interpret übersetzt für den Wissensdurstigen<br />

die vorgefundenen oder selbst<br />

bewirkten Zeichen, erklärt den verborgenen<br />

Sinn dahinter und schafft damit eine<br />

Bedeutung in einer Welt, die sich uns teilweise<br />

verschliesst. Wir tun dem zugegebenermassen<br />

weiten Betätigungsfeld des<br />

Deuters unrecht, wenn wir der Tätigkeit an<br />

sich Unlauterkeit unterstellen. Der Börsenanalyst<br />

liest die konjunkturellen Zeichen<br />

und verknüpft sein Wissen über Trends und<br />

aktuelle Wirtschaftsvorgänge mit den Informationen,<br />

welche aus den Unternehmen<br />

an die Öffentlichkeit dringen, um daraus<br />

eine Prognose für die Weiterentwicklung<br />

des Aktienkurses zu machen. Diesem Vorgang<br />

liegt, neutral betrachtet, zuerst einmal<br />

dieselbe Vorstellung eines Ursache-<br />

Wirkung-Mechanismus zugrunde, wie ihn<br />

der Astrologe seiner Kundschaft auch als<br />

Basis seiner Prophezeiung darlegt.<br />

Die Interpretation der Zeichen ist stets<br />

nicht nur ein Übersetzungsvorgang, sondern<br />

gemäss dem Wortsinn auch ein Erklärungsvorgang.<br />

Denn mit dem Übersetzen<br />

allein könnte es ja vielleicht noch<br />

nicht gemacht sein, was nützt dem Unwissenden<br />

die reine Übersetzung, wenn der<br />

Sinn immer noch schleierhaft bleibt?<br />

Homo signorum aus den Très Riches Heures des Herzogs von Berry (1412–1416)<br />

schaftlicher Forschung wie es die Triebfeder<br />

für die morgendliche Lektüre eines<br />

Horoskops in der Pendlerzeitung ist.<br />

Hinter dem Verstehen-Wollen verbirgt sich<br />

mithin also auch die Vorstellung, dass die<br />

Welt voller Zeichen sei, die es zu entziffern<br />

gilt, und dass sich hinter allem auch ein<br />

Sinn verbirgt. Eine Vorstellung, die interessanterweise<br />

weltweit in allen Kulturen<br />

verbreitet ist. Diesen sinnerfüllten Zusammenhängen<br />

inne zu werden, war zu allen<br />

Zeiten ein Menschheitsbedürfnis und ist<br />

es immer noch. Unglücklicherweise offenbaren<br />

sich diese Zeichen aber eben nicht<br />

allen. Um den verborgenen Sinn enträtseln<br />

zu können, bedurfte es stets Menschen,<br />

die für sich in Anspruch nahmen,<br />

über eine besondere Gabe zu verfügen,<br />

Zeichen für Eingeweihte<br />

Der Umstand, dass unsere Welt der Interpretation<br />

bedarf, um sich einen wie auch<br />

immer gearteten Sinn zu erschliessen, und<br />

dass es nötig ist, die Bedeutung mancher<br />

Zeichen zu enträtseln, hat immer schon<br />

auch beflügelnd auf die Phantasie der<br />

Menschen gewirkt. Denn das Enträtseln<br />

verleitet zum Verbergen und zum Schaffen<br />

von neuen Geheimsprachen, die nur einem<br />

kleinen Kreis Eingeweihter zugänglich<br />

sind: Interessanterweise häuften sich<br />

diese Geheimzeichensprachen mit dem<br />

Aufkommen rational-aufklärerischer Bewegungen<br />

in Europa. So gab es seit dem<br />

18. Jahrhundert in Europa die Blumensprache,<br />

mit welcher sich Verliebte signalisierten,<br />

wie es um ihre Gefühle bestellt ist,<br />

indem sie sich bestimmte Blumen zusandten<br />

oder Bilder davon, wenn es, jahreszeitlich<br />

bedingt, nicht anders ging.<br />

Im 20. Jahrhundert gab es für Verliebte die<br />

Möglichkeit, ihre Gefühle für einander<br />

mithilfe der Art und Weise, wie sie die Marken<br />

auf den Briefen platzierten, verschlüsselt<br />

mitzuteilen, eine auf der Seite liegende<br />

Marke forderte den Briefempfänger<br />

oder die Briefempfängerin zum Beispiel<br />

auf, den Absender nie zu vergessen.<br />

Die Zeichensprachen sterben nicht aus, sie<br />

müssen nicht immer geheim sein, man<br />

kann einen Code mit Abermillionen Menschen<br />

teilen und gleichwohl die Gewiss­<br />

20 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong>


FOKUS ▶ SYMBOL<br />

heit haben, dass man etwas Aussergewöhnliches<br />

macht, so entwickeln sich<br />

auch in der Gegenwart neue Zeichen, z.B.<br />

die Emojis. Die Medien berichteten im<br />

April 2015, dass der bekennende Emoji-<br />

Fan Roger Federer, welcher praktisch jeden<br />

seiner Tweets mit drei Emojis einleitet,<br />

auf Twitter die Frage gestellt hat: «Wo ist<br />

mein Popcorn-Emoji?», während er sich<br />

das Tennisturnier in Monaco im TV ansah.<br />

Der Symbole-Anbieter Emojipedia<br />

erhörte Federers Forderung und entwickelte<br />

ein Popcorn-Emoji, welches im<br />

Juni-Update in die Sammlung aufgenommen<br />

wurde. Das ist einerseits ein zuversichtlich<br />

stimmender Beleg für die Zukunftsfähigkeit<br />

der Zeichen in unserer<br />

Welt, andererseits kann man darin auch<br />

erkennen, dass die Verwendung von Zeichen<br />

immer eine Beziehung voraussetzt:<br />

Sender, Empfänger und eben auch die<br />

Gestalter müssen die Zeichen am Leben<br />

erhalten. Wer sich dem Austausch verweigert,<br />

bricht die Kommunikation ab und<br />

tilgt damit den Sinn des Zeichens, etwas<br />

zu bedeuten.<br />

Neue Zeichen gesucht<br />

Interessanterweise nimmt die Präsenz von<br />

Zeichen und Symbolen in unserem modernen<br />

Alltag eher zu. Beispielsweise finden<br />

sich als Versinnbildlichung für Programme<br />

oder auszuführende Tasks auf unseren<br />

Handydisplays und den Benutzeroberflächen<br />

unserer Computer sogenannte Icons.<br />

Diese Symbole sind jung und von absehbarer<br />

Vergänglichkeit. Man kann ihre<br />

transitorische Existenz nämlich leicht<br />

daran erkennen, dass sie bei anderen Symbolen<br />

Zuflucht suchen: Das Icon des Programms<br />

«Outlook» zum Beispiel zeigt ein<br />

zum Betrachtenden hin aufgeklapptes<br />

blaues Quadrat mit dem Buchstaben «O»<br />

für Outlook und dahinter schaut ein Teil<br />

eines Briefumschlags hervor.<br />

Das Symbol für das Versenden von elektronischer<br />

Post bedarf mithin also der<br />

Hilfe des Symbols für das frühere Versenden<br />

von Postsendungen, des veralteten<br />

Briefumschlags, weil sich für das Virtuelle<br />

der elektronischen Datenübermittlung<br />

bis anhin kein adäquates Zeichen hat<br />

durchsetzen können. Genauso steht es um<br />

das Zeichen für den Speicherungsbefehl:<br />

Hierbei handelt es sich um die längst aus<br />

unserem Computeralltag verschwundene<br />

Diskette.<br />

Gerade eine immer virtueller werdende<br />

Welt wird der Zeichen und Symbole bedürfen,<br />

sie schaffen die nötige Übersetzung<br />

für das immer schwerer Fassbare und<br />

abstrakt Gewordene. <br />

■<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

21


FOKUS ▶ SYMBOL<br />

Symbole in der Grabmalkultur<br />

Wie wollen Sie nach Ihrem Tod in Erinnerung bleiben? Was hat Ihr Leben geprägt? Wie haben die<br />

anderen Menschen Sie gesehen? Wie sollen diese an Sie denken? Wie viel möchten Sie über<br />

sich verraten? In den Symbolen auf den Grabsteinen stecken Antworten auf diese Fragen. Vieles<br />

davon bleibt uns jedoch verborgen, wenn wir die Zeichen nicht entschlüsseln können.<br />

Dr. Raquel Delgado Moreira, Leitung Grabmalkultur, Bestattungs- und Friedhofamt Zürich<br />

Meret Tobler, Fachstelle Grabmalkultur, Bestattungs- und Friedhofamt Zürich<br />

Auf viele Menschen üben Friedhöfe eine<br />

spezielle Anziehungskraft aus. Einerseits<br />

sind es Orte der Ruhe und des Nachsinnens.<br />

Andererseits ziehen sie als öffentliche<br />

Parkanlagen Spaziergänger und Interessierte<br />

an. In letzter Zeit blüht ein regelrechter<br />

«Friedhoftourismus» auf. Via<br />

Facebook werden Termine für gemeinsame<br />

Besichtigungen auf verschiedenen<br />

europäischen Friedhöfen vereinbart.<br />

Ein Grund für die Faszination sind die<br />

Mysterien und Rätsel, die dort schlummern.<br />

Friedhöfe erzählen Geschichten,<br />

und ihre Symbole sprechen eine Sprache,<br />

die wenig mit nationalen Grenzen zu tun<br />

hat und häufig kulturübergreifend ist.<br />

Wie der Gründer der analytischen Psychologie<br />

Carl Gustav Jung 1961 in seinem<br />

Werk Der Mensch und seine Symbole im<br />

Kapitel Zugang zum Unbewussten es<br />

formuliert hat, ist «… ein Wort oder ein<br />

Bild […] symbolisch, wenn es mehr enthält,<br />

als man auf den ersten Blick erkennen<br />

kann». In Symbolen verborgen sind<br />

Geschichten, Bekenntnisse, abstrakte<br />

Konzepte und geheime Botschaften, die je<br />

nach Wissensstand des Betrachters zum<br />

Vorschein kommen.<br />

Bleibt, wo ihr seid<br />

Von jeher gelten Friedhöfe jedoch auch als<br />

abschreckend und furchterregend. Die<br />

Angst vor dem Tod und vor den Verstorbenen<br />

wird in sie hineinprojiziert. Der Ursprung<br />

des Wortes Friedhof liegt im mittelalterlichen<br />

Hochdeutsch Freithof ( friten<br />

bedeutet «umgehen» und ist Ausdruck<br />

der Hoffnung, dass die Verstorbenen innerhalb<br />

der Friedhofmauern bleiben). Die<br />

Worte «Ruhe in Frieden» werden heute<br />

meist als pietätsvoller christlicher Wunsch<br />

interpretiert, waren jedoch ursprünglich<br />

eine Beschwörung. Zusammen mit dem<br />

Grabmal soll sie die Toten daran hindern,<br />

die Grabstätte wieder zu verlassen. Das<br />

Grabmal hat im Verlauf der Geschichte<br />

verschiedene sinnbildliche Bedeutungen<br />

angenommen. Vom christlichen Grenzstein<br />

des irdischen Lebens wird es durch<br />

die Säkularisierung zum Erinnerungsträger.<br />

Nach der Renaissance fällt ihm jedoch<br />

grundsätzlich eine neue Rolle zu:<br />

Biographische und humanistische Aspekte<br />

kommen ins Spiel. Das Familiengrab<br />

repräsentiert nicht mehr nur das vergangene<br />

Leben des Verstorbenen, sondern<br />

auch das Leben und die Sehnsucht der<br />

Hinterbliebenen. Auf jedem Grabmal befinden<br />

sich Hinweise auf die dort bestattete<br />

Person. Die Informationen gleichen<br />

einem Blick durch ein offenes Fenster in<br />

ein fremdes Haus. Und tatsächlich findet<br />

sich die Vorstellung vom Grab als letzte<br />

Behausung in den verschiedensten Religionen<br />

und Kulturen.<br />

Klassische<br />

Grabmalsymbole<br />

Schreitet man heute zum Beispiel auf den<br />

Stadtzürcher Friedhöfen durch ein Feld<br />

mit Reihengräbern, begegnet man überwiegend<br />

christlichen Symbolen. Je nach<br />

Wissensstand des Betrachters entschlüsseln<br />

sie sich mehr oder weniger einfach.<br />

Beliebt sind Gegenstände des Abendmahls<br />

(Brot, Kelch mit Wein), selbstverständlich<br />

das Kreuz und das Kruzifix, aber auch die<br />

Dornenkrone, das Schweisstuch der Veronika,<br />

Tauben, der Pelikan, das Schaf und<br />

der Hirte, der Feigen- oder Apfelbaum.<br />

Zusammen mit sich häufig wiederholenden<br />

Darstellungen biblischer Szenen, wie<br />

der Fusswaschung oder der wundersamen<br />

Brot- und Fischvermehrung, rufen solche<br />

symbolischen Darstellungen ein Bild von<br />

Christus hervor, das ihn durch sein Opfer,<br />

seine Auferstehung und seine stete Anwesenheit<br />

als wohltuenden Beschützer zeigt.<br />

Ausdruck der eigenen Religiosität des Verstorbenen<br />

sind die zahlreichen christlichen<br />

Schriftzeichen. Die Buchstaben sind<br />

prinzipiell weniger plastisch, stehen aber<br />

trotzdem für ähnliche Werte wie die zuvor<br />

geschilderten christlichen Symbole. XP<br />

zum Beispiel wurde bereits im 3. Jahrhundert<br />

als frühestes christliches Emblem<br />

verwendet. Die ersten zwei Buchstaben des<br />

griechischen Wortes Christos (Chi = X,<br />

Rho = P) wie das ebenso verbreitete Monogramm<br />

IX, eine Verbindung der griechischen<br />

Anfangsbuchstaben Jesous (Jota<br />

= I) und Christos (Ch = X), werden mit<br />

zusätzlicher Bedeutung aufgeladen, wenn<br />

sie mit weiteren Symbolen, beispielsweise<br />

dem Kreis, kombiniert werden. Der Kreis<br />

impliziert Pforten, durch die der Auszug<br />

aus der Welt stattfindet, oder er macht das<br />

Monogramm IX zum Sonnenrad, das als<br />

Zeichen der lebens- und lichtbringenden<br />

22 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong>


FOKUS ▶ SYMBOL<br />

Herrschaft von Christus gedeutet wird. Der<br />

Kreis steht weltlich gesehen von jeher auch<br />

als Symbol für Unendlichkeit und Ewigkeit.<br />

Allgemein stehen geometrische Figuren,<br />

die mit einer Zahlensymbolik aufgeladen<br />

sind, welche sich aus der Natur ableitet,<br />

für kosmische Ordnung und Harmonie.<br />

Grabmalsymbole lassen sich denn auch<br />

nicht immer eindeutig der Kategorie<br />

christlich oder weltlich zuordnen. Eine<br />

Taube zum Beispiel, wenn sie von oben<br />

nach unten fliegt, kann als Symbol des<br />

Heiligen Geistes interpretiert werden. Der<br />

gleiche Vogel kann aber Richtung Himmel<br />

fliegend auch ganz «oberirdisch»<br />

wirken und Verbundenheit mit der Natur,<br />

Ruhe und Frieden bedeuten.<br />

Sogar ein Kreuz ist nicht gleich ein Kreuz.<br />

Es gehört zu den Ursymbolen, zu denen<br />

auch Kreis, Quadrat und Dreieck zählen,<br />

die die Grundlage der Grabmalgestaltung<br />

bilden. Je nach Kultur- und Religionskreis<br />

bestehen etliche Variationen dieser archetypischen<br />

Symbole. In den frühen Hochkulturen<br />

und bei den Urvölkergruppen<br />

der Steinzeit hatte das Kreuz eine kosmische<br />

Bedeutung. Die zwei in entgegensetzte<br />

Richtungen verlaufenden Linien machten<br />

es zum Sinnbild der Vereinigung von<br />

Extremen wie Himmel und Erde.<br />

Ohne Sinn kein Symbol<br />

Symbole werden in der Grabmalherstellung<br />

selten einzeln verwendet. Ihre Verwendung<br />

kommt in Zeiten des mehrheitlich<br />

industriell gefertigten Grabmals immer<br />

mehr dem Ornament gleich. Symbole<br />

werden auf diesem Weg ihres Sinnes<br />

entleert. Das gilt auch für viele Grabmäler,<br />

die in engem Bezug zu den Hobbys und<br />

dem Leben der Verstorbenen stehen und<br />

beispielweise mit einer Geige oder Pferdekopf<br />

verziert werden. So sind viele der<br />

heutzutage hergestellten Grabmäler zwar<br />

personenbezogen, aber nicht mehr symbolisch.<br />

Zum Massenprodukt wurde das Grabmal<br />

im ausgehenden 19. und beginnenden<br />

20. Jahrhundert. Dem Zeitgeist entsprechend<br />

war jedoch die Bildsprache eine<br />

andere: Repetitive antikisierende Darstellungen<br />

von trauenden weiblichen Figuren<br />

mit geflügelter Sanduhr oder Palmwedel,<br />

Sinnbilder wie das Tor, die Treppe, das<br />

Schiff, Blumen, die das Paradies ankündigten<br />

und in dieser Welt verwelkten,<br />

prägten damals das Bild der Friedhöfe.<br />

Christliche Symbole waren in dieser Zeit<br />

äusserst selten. Nur Kreuze und Engel<br />

erfreuten sich in der Grabmalkultur des<br />

20. Jahrhunderts ungebrochener Beliebtheit.<br />

Eine grosse Palette dieser antikisierenden<br />

Symbole ist uns bis heute auf mittlerweile<br />

geschützten, historischen Grabstätten erhalten<br />

geblieben.<br />

Welches Symbol steht<br />

für uns?<br />

Wir leben – zumindest bezüglich der<br />

Grabmalkunst – vermehrt in einer Zeit<br />

der «Symbolfremdheit». Dennoch entstehen<br />

auch neue Symbole, die den Weg auf<br />

die Friedhöfe finden. Antike oder mythologische<br />

Symbole werden neu interpretiert.<br />

Schmetterlinge werden in der heutigen<br />

Zeit zum Beispiel mit dem Tod von<br />

sehr kleinen oder ungeborenen Kindern<br />

verbunden. Ihre Existenz war von kurzer<br />

Dauer und ihr Tod manchmal leise.<br />

Generell lässt sich allerdings feststellen,<br />

dass unsere heutige Gesellschaft weniger<br />

Wissen von Symbolen hat und sie auch<br />

weniger nutzt als in der Vergangenheit.<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

23


FOKUS ▶ SYMBOL<br />

Zeichen sind dagegen allgegenwärtig,<br />

auch in unseren Smartphones. Vielleicht<br />

fehlt uns die Zeit, uns mit den Geschichten<br />

hinter den Symbolen zu befassen, oder es<br />

wird immer schwieriger, sich über ein<br />

einziges Symbol zu definieren. Individualität<br />

wird grossgeschrieben, aber wie soll<br />

sich der Einzelne nach seinem Tod manifestieren?<br />

Welches Symbol könnte für uns<br />

stehen? Diese Frage bleibt am Schluss<br />

meist unbeantwortet. Denn nur selten<br />

entscheiden wir über unsere eigenen<br />

Grabmäler. In der Vergangenheit war es<br />

nicht unüblich, dass eigene Grabmal mitzugestalten.<br />

Dass viele Grabmäler nicht<br />

viel über die Verstorbenen erzählen mag<br />

einer der Gründe sein, warum Grabstätte<br />

heute zum Teil mit anderen Objekten<br />

überladen werden. Laternen, Engelfiguren,<br />

Windräder etc. sind auf Grabstätten<br />

häufig zu finden. Wenn das Grabmal<br />

nicht reicht und nicht den Trost spenden<br />

kann, den man sich auf dem Friedhof<br />

erhofft, versucht man, ihn durch andere<br />

Objekte zu finden. ■<br />

24 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong>


FOKUS ▶ SYMBOL<br />

Der Code der Pharaonen<br />

Ein Schiff, ein Vogel, Wellen, eine sitzende Figur – die Zeichen sind meist klar. Doch was bedeuten<br />

sie? Die Entzifferung der ägyptischen Hieroglyphen hat den Forschern lange Zeit Kopfzerbrechen<br />

bereitet. Denn die «Bilderschrift» ist viel komplexer als auf den ersten Blick erkennbar. Erst ein Stein<br />

brachte des Rätsels Lösung und eröffnete Zugang zu Weltliteratur, die vor mehreren tausend Jahren<br />

verfasst worden war.<br />

Prof. Dr. Hanna Jenni, Departement Altertumswissenschaften /Ägyptologie Universität Basel<br />

Wer an altägyptische Schrift denkt, d.h.<br />

an die Schrift des pharaonischen Ägyptens,<br />

denkt an die hieroglyphischen Bildzeichen,<br />

deren Bildhaftigkeit auf den<br />

ersten Blick zu erkennen ist (Abb. 1). Die<br />

Hieroglyphenschrift ist diejenige Schriftform,<br />

die in Stein gemeisselt wurde. Sie<br />

entspricht unserer Lapidar- oder Druckschrift.<br />

Parallel zu den Hieroglyphen entwickelte<br />

sich seit frühester Zeit eine Kursivschrift,<br />

unserer Handschrift entsprechend,<br />

die mit Tinte auf Papyrus, auf<br />

Keramik oder auf Steinscherben (Ostraka),<br />

auf Holz, Leder oder Stoff verwendet<br />

wurde: das Hieratische (Abb. 2). Die einzelnen<br />

Bildzeichen sind dabei mehr oder<br />

weniger abstrahiert und nur noch bedingt<br />

als solche erkennbar.<br />

Drei Bausteine<br />

Für den modernen Laien ist die Hieroglyphenschrift<br />

die «Bilderschrift» par excellence,<br />

weil er in den meisten Zeichen einen<br />

realen Gegenstand, z.B. einen menschlichen<br />

Kopf, einen Vogel, ein Schiff erkennen<br />

kann. Und was der Laie vermutet, dass<br />

nämlich die Hieroglyphe eines menschlichen<br />

Kopfes «Kopf» bedeutet, dass also<br />

diese Schrift eine Begriffs- oder Symbolschrift<br />

ist in dem Sinne, dass das Gemeinte<br />

mit dem Dargestellten identisch ist,<br />

stimmt tatsächlich – wenn auch nur zu<br />

einem kleinen Teil: Das ägyptische Schriftsystem<br />

ist ein kombiniertes System, das<br />

Zeichen verschiedener Kategorien enthält.<br />

Eine Anzahl von Zeichen wird als Ideogramme<br />

oder Logogramme verwendet:<br />

Sie meinen das Dargestellte. Um die Lesung<br />

als Ideogramm sicherzustellen, wird<br />

dem betreffenden Zeichen meist ein kleiner<br />

senkrechter Strich beigefügt. Sieht<br />

man also das Zeichen des Kopfes im Profil<br />

mit einem Strich ( |) so bedeutet dies<br />

«Kopf», während der Kopf in Frontalansicht<br />

( |) «Gesicht» bedeutet. In diesen<br />

Fällen ist nicht der geringste Hinweis darauf<br />

gegeben, wie, d.h. mit welcher Lautfolge,<br />

das ägyptische Wort zu lesen ist. Ein<br />

Ägypter las unwillkürlich *tap bzw. *ḥ ar.<br />

Wer Ägyptisch lernt, muss dies erst lernen<br />

bzw. in der Zeichenliste nachsehen. Bei<br />

dem gegebenen Beispiel ist das Verfahren<br />

ikonisch: Das Ideogramm zeigt das gemeinte<br />

Objekt. Im Falle von daw,<br />

«schlecht, Schlechtes», wird das Rebus-<br />

Prinzip angewandt: Das Wort für «Berg»,<br />

welches das Zeichen abgibt ( ), ist<br />

phonetisch identisch mit dem Wort<br />

«schlecht». Das Rebus-Prinzip ist wohlbekannt,<br />

z.B. von der Notation «I ♥ U»,<br />

wo englisch U für you steht. Das dritte<br />

Verfahren ist das symbolische (im englischen<br />

Beispiel das Herz für «love»): Der an<br />

den Tempelpylonen (Tempeltoren) platzierte<br />

Flaggenmast ( ) wird mit dem<br />

Begriff «Gott» assoziiert und ist zu lesen<br />

als *natar, «Gott».<br />

Abb. 1: Polychrome Hieroglyphen des menschlichen Kopfes im Profil und in<br />

Frontalansicht. Relief im Grab Sethos’ I. im Tal der Könige bei Luxor<br />

Ausschliesslich mit solchen Ideogrammen<br />

kann man natürlich keine Sprache adäquat<br />

wiedergeben. Und so gibt es als<br />

zweite Kategorie daneben die Lautzeichen<br />

Abb. 2: Die Hieroglyphen des Kopfes im Profil und in Frontalansicht mit Entsprechungen in hieratischer (kursiver)<br />

Schrift. G. Möller, Hieratische Paläographie, Leipzig 1927, Bd. 2, 6<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

25


FOKUS ▶ SYMBOL<br />

oder Phonogramme. Sie bezeichnen die<br />

Konsonanten – Vokale blieben in der<br />

ägyptischen Schrift unberücksichtigt, wie<br />

dies auch in Schriftsystemen semitischer<br />

Sprachen (z.B. Arabisch, Hebräisch) der<br />

Fall ist. Die Phonogramme unterteilen<br />

sich in drei Gruppen, nämlich Ein-, Zweiund<br />

Dreikonsonantenzeichen. Ein einziges<br />

Zeichen kann also unter Umständen<br />

mehrere Silben andeuten. Und: Man<br />

könnte mit Hieroglyphen auch alphabetisch<br />

schreiben, nämlich nur mit Einkonsonantenzeichen<br />

– was aber sozusagen<br />

nie getan wurde.<br />

Daneben gibt es noch eine dritte Kategorie<br />

von Zeichen, die zwar geschrieben, aber<br />

in der Aussprache nicht realisiert werden.<br />

Diese Determinative, Taxogramme oder<br />

semantische Klassifikatoren stellen eine<br />

Verständnis- und damit eine Lesehilfe dar.<br />

Denn sie ordnen ein bestimmtes Wort einer<br />

bestimmten Bedeutungsklasse zu.<br />

Abb. 3: Der Stein von Rosette. London, British<br />

Museum, EA 24<br />

Suche nach dem Code<br />

Es handelt sich bei der hieroglyphischen<br />

Schrift also um ein kombiniertes System,<br />

und diese Tatsache stellte für die Entzifferung<br />

der Hieroglyphenschrift in der Neuzeit<br />

eine beträchtliche Hürde dar. Nachdem<br />

die Kenntnis der hieroglyphischen<br />

Schrift und Sprache mit der Christianisierung<br />

Ägyptens verloren gegangen war,<br />

bemühten sich europäische Gelehrte immer<br />

wieder darum, besonders in der Renaissance.<br />

Mit ihrem symbolisch-mystischen<br />

Ansatz war ihnen der Zugang zur<br />

Entschlüsselung jedoch verwehrt. Das<br />

Interesse der Aufklärung an antiken<br />

Schriften und Sprachen führte zu Fortschritten,<br />

z.B. zur Entzifferung der alphabetischen<br />

Schrift der Phönizier. Letzteres<br />

gelang dem französischen Gelehrten Abbé<br />

Jean-Jacques Barthélemy in den 1760er<br />

Jahren. Sein grosses Interesse galt auch<br />

den ägyptischen Hieroglyphen, die er gerne<br />

entziffert hätte. Er war es immerhin,<br />

der erstmals auf die Idee kam, dass die<br />

ovalen Ringe, sog. Kartuschen, Namen<br />

von Königen enthalten könnten, von denen<br />

etliche durch die klassischen Autoren<br />

bekannt waren. In Anbetracht dieser frühen<br />

Versuche muss man sich heute vor<br />

Augen halten, dass kaum Studienmate rial<br />

vorhanden war. Es mangelte an verlässlichen<br />

Abschriften wie auch an originalem<br />

Anschauungsmaterial und nicht zuletzt<br />

an Bilinguen, d.h. zweisprachigen Inschriften.<br />

Der sprechende Stein<br />

Die französische Expedition nach Ägypten<br />

(1798–1801) unter Napoleon stellte einen<br />

Wendepunkt dar. Mit ihr begann einerseits<br />

die Kolonisierung Ägyptens, andererseits<br />

die intensive wissenschaftliche Beschäftigung<br />

mit dem modernen wie dem<br />

antiken Ägypten. Die Frucht dieser wissenschaftlichen<br />

Anstrengung war das monumentale<br />

Werk Description de l’Égypte<br />

(1809–1822).<br />

Das Dorf Abuqir in der Nähe von Alexandria<br />

am Mittelmeer war 1798 Schauplatz<br />

einer englisch-französischen Seeschlacht<br />

und 1799 einer französisch-osmanischen<br />

Landschlacht. Kurz vor dieser Landschlacht<br />

wurde in Raschid – von den<br />

Europäern Rosette genannt – ein Stein<br />

entdeckt, dessen Bedeutung für die Wissenschaft<br />

sofort erkannt wurde (Abb. 3).<br />

Das Bruchstück aus hartem Granodiorit,<br />

das heute 112,3 × 75,7 × 28,4 cm misst<br />

und im Britischen Museum ausgestellt<br />

ist, war vermutlich im sog. Fort St. Julien<br />

sekundär verbaut gewesen und bei dessen<br />

Abriss zum Vorschein gekommen. Der<br />

Text der ursprünglichen Stele gliedert<br />

sich in drei Abschnitte, wobei der letzte<br />

Abschnitt in Griechisch verfasst ist und<br />

sofort übersetzt wurde. Im ersten Abschnitt<br />

wurden die ägyptischen Hieroglyphen<br />

erkannt und im zweiten die späte<br />

Kursivschrift, die sog. demotische Schrift,<br />

eine Weiterentwicklung der oben erwähnten<br />

hieratischen Schrift. Die Vermutung,<br />

denselben Text sowohl auf Ägyptisch in<br />

zwei verschiedenen Schriften und<br />

Sprachstufen vor sich zu haben als auch<br />

auf Griechisch, lag nahe und sollte sich<br />

als richtig und wegweisend für den<br />

Durchbruch der Entzifferung erweisen.<br />

Kopien des Steines gelangten rasch nach<br />

Europa und wurden von Gelehrten studiert.<br />

Es wäre falsch, die Entzifferung<br />

ausschliesslich dem Franzosen Jean-<br />

François Champollion (1790–1832) zuzuschreiben;<br />

nicht unerhebliche Vorarbeiten<br />

wurden geleistet von dem Franzosen<br />

Silvestre de Sacy (1758–1838) und<br />

von dem Schweden Åkerblad (1763–1819).<br />

Der wichtigste Name unter den Vorbereitern<br />

der Entzifferung der Hieroglyphen<br />

von 1822 ist der des Engländers Thomas<br />

Young (1773–1829).<br />

Der Text der Stele ist in seiner Art kein<br />

Einzelfall. Es handelt sich um eines von<br />

mehreren bekannten Priesterdekreten<br />

zugunsten des Herrscherkultes, im Falle<br />

des Steins von Rosette von Ptolemaios V.<br />

aus dem Jahr 196 v. Chr. Die Bedeutung<br />

des Rosetta-Steins für unsere Zeit hat Richard<br />

Parkinson folgendermassen formuliert:<br />

«It has turned from the booty of<br />

conflict into a symbol of cross-cultural<br />

understanding, and has opened up 3,000<br />

years of written history, revealing a vast<br />

amount of hitherto unintelligible world<br />

literature and records of human experience<br />

and desires that had been thought<br />

lost for ever. It has entered the English<br />

language as a phrase for ‹a key to some<br />

previously unattainable understanding›<br />

(Oxford English Dictionary), and continues<br />

to give its name to translation programmes,<br />

and even space missions, such<br />

as that launched by the European Space<br />

Agency in March 2004 to decipher the<br />

early history of the solar system, 4,600<br />

million years ago, by investigating the<br />

origin and composition of a comet.»<br />

(Parkinson 2005, 46 f.) [1].<br />

26 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong>


FOKUS ▶ SYMBOL<br />

Wie entstand der Code?<br />

Im Anschluss an die ältere Vorstellung von<br />

einer Entwicklung der Schrift «vom Bild<br />

zum Buchstaben» wurde eine Zeit lang<br />

behauptet, dass es sich bei der Hieroglyphenschrift<br />

um eine Erfindung gehandelt<br />

habe, da keine Vorstufen der ägyptischen<br />

Schrift greifbar seien. Das Schriftsystem<br />

sei in der Zeit kurz vor 3000 v. Chr. quasi<br />

fertig vorhanden gewesen und habe sich<br />

anschliessend zwar noch bezüglich des<br />

Zeicheninventars und der Orthographie<br />

gewandelt, jedoch prinzipiell nicht mehr<br />

verändert. Allerdings deuten neuere Funde<br />

und Untersuchungen darauf hin, dass<br />

die Entstehung der Schrift älter ist (ca.<br />

3400–3250 v. Chr.), als bisher angenommen<br />

wurde, und dass sich das Schriftsystem<br />

sehr wohl in Stufen entwickelt hat.<br />

Allgemein lässt sich mit Ludwig Morenz<br />

sagen: «Die Kompetenz zum Interpretieren<br />

und zum Generieren von Zeichen<br />

gehört zu den Grundbedingungen von<br />

menschlicher Kultur. Darauf ruht das<br />

mehr oder weniger freie humane Spiel mit<br />

Zeichen. Während bestimmte Tiere wie<br />

Hunde, Affen oder Bienen zwar teilweise<br />

sehr elaborierte Zeichensysteme benutzen,<br />

scheint gerade die Idee zur grundlegenden<br />

Unterscheidung zwischen dem bezeichneten<br />

Objekt und dem Medium der Bezeichnung<br />

doch spezifisch menschlich zu sein.<br />

Diese Fähigkeit zu fiktionalisieren und<br />

damit die Gegenwart zu transzendieren<br />

sowie über die Unterscheidung zwischen<br />

Subjekt und Objekt zu reflektieren, ist human<br />

– also der Mensch als Tier, das<br />

Sprache hat (Aristoteles), und das eben<br />

damit auch bewusst lügen kann!» (Morenz<br />

2013, 224). Am Anfang der Herausbildung<br />

eines Codes steht das Lesen natürlicher<br />

Zeichen wie Fussspuren bis hin<br />

zu von Menschen bewusst geschaffenen<br />

Symbolzeichen. Ein System von Zeichen<br />

noch ohne Hinweise auf die lautliche Realisierung<br />

in der jeweiligen Sprache ist für<br />

Ägypten früh anzusetzen, mindestens seit<br />

dem 5. Jt. v. Chr.<br />

Ein entscheidender Schritt erfolgte um<br />

3250 v. Chr. mit ersten Phonetisierungen<br />

von Bildzeichen. Dabei war das häufigste<br />

Prinzip wohl das des konsonantischen<br />

Rebus. Ein Beispiel auf Deutsch wäre das<br />

Bildzeichen einer Tür für die Konsonantenfolge<br />

t–r, womit dann auch die Wörter<br />

Tor, Teer und Tier geschrieben werden<br />

könnten oder ein Grasbüschel für Gras,<br />

Griess, gross und Gruss. Eine interessante<br />

Erklärung, die schon Sir Alan Gardiner<br />

im Jahr 1915 geäussert hatte – und die<br />

nicht nur für die ägyptische Schriftentstehung<br />

zutreffen dürfte –, ist die, dass die<br />

Notation von Eigennamen ein wichtiger<br />

Antrieb für die Phonetisierung gewesen<br />

sein muss. Denn Eigennamen sind von<br />

ihrem Referenzobjekt losgelöst und somit<br />

generell nicht einfach bildlich darstellbar.<br />

Das Rebus-Prinzip ermöglichte die phonetische<br />

Schreibung von Eigennamen wie<br />

auch von Abstrakta. Zu Beginn des 3. Jts<br />

v. Chr. erfolgte dann die Entwicklung des<br />

Schriftsystems durch Systematisierung<br />

und Standardisierung der Zeichen und<br />

ihrer Funktionen, später die Schreibung<br />

auch grammatikalischer Elemente, womit<br />

der Schritt von einzelnen Wörtern<br />

zum Satz vollzogen wurde und Texte generiert<br />

werden konnten.<br />

Als Impetus für die Entwicklung einer<br />

Schrift kann für Ägypten nach derzeitigem<br />

Wissensstand Zweierlei vermutet werden:<br />

Repräsentation und Ökonomie/Verwaltung.<br />

Beide sind wesentlich mit der<br />

Herausbildung einer protoägyptischen<br />

Elite- und Herrscherkultur verbunden. In<br />

stadtähnlichen Zentren suchten Häuptlinge<br />

die Führung der Elite und die Kontrolle<br />

über die Ressourcen. Mit bild-textlichen<br />

Zeichen erfolgte ihre Selbstdarstellung<br />

und damit die Kommunikation ihres<br />

Herrschaftsanspruchs. So sind mehrere<br />

Abb. 4: Prunk-Schminkpalette aus<br />

Hierakonpolis. Oxford, Ashmolean<br />

Museum, E 3924, Höhe 42,5 cm,<br />

aus Schist<br />

Abb. 5: Umzeichnung eines Etiketts<br />

(Anhängetäfelchens) aus einem<br />

prädynastischen Königsgrab bei<br />

Abydos, Höhe 2,8 cm, aus Elfenbein.<br />

G. Dreyer, Umm el-Qaab I, Mainz<br />

1998, 119, <strong>Nr</strong>. 59<br />

Stärke und Dominanz verkörpernde Tiere<br />

(z.B. Elefant, Giraffe, Löwe) in bild-textlichen<br />

Darstellungen als Herrscher-Symbole<br />

zu interpretieren, die im Gegensatz zu<br />

unterlegenen anderen Tierarten (z.B.<br />

Gazelle, Antilope, Ziege) erscheinen<br />

(Abb. 4). Die Siegel-, Etiketten- und Gefässinschriften<br />

zur Kennzeichnung von<br />

Warenlieferungen, die in Abydos gefunden<br />

wurden (Abb. 5), zeugen für die Nutzung<br />

der frühen Schrift zur Organisation in<br />

administrativer und wirtschaftlicher Hinsicht<br />

– auch sie in unmittelbarer Umgebung<br />

des Herrschers. Und: «[…] für das<br />

Alte Ägypten ist die enge Verbindung von<br />

Schrift und Herrschaft (sowohl in Form<br />

von Verwaltung als auch zeremonieller<br />

Präsentation) jedenfalls offensichtlich.»<br />

(Morenz 2004, 238). [2.] ■<br />

Literatur:<br />

1. Robinson, A., Wie der Hieroglyphen-Code<br />

geknackt wurde. Das revolutionäre Leben<br />

des Jean-François Champollion, Darmstadt<br />

2014 (= Cracking the Egyptian Code. The<br />

Revolutionary Life of Jean-François Champollion,<br />

Oxford 2012); Parkinson, R., The<br />

Rosetta Stone, London 2005.<br />

2. Morenz, L. D., Bild-Buchstaben und symbolische<br />

Zeichen. Die Herausbildung der<br />

Schrift in der hohen Kultur Altägyptens (Orbis<br />

Biblicus et Orientalis, Bd. 205), Fribourg/<br />

Göttingen 2004; Ders., Kultur- und mediengeschichtliche<br />

Essays zu einer Archäologie<br />

der Schrift. Von den frühneolithischen Zeichensystemen<br />

bis zu den frühen Schriftsystemen<br />

in Ägypten und dem Vorderen<br />

Orient (Thot. Beiträge zur historischen<br />

Epistemologie und Medienarchäologie,<br />

Bd. 4), Berlin 2013.<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

27


FOKUS ▶ SYMBOL<br />

Unscheinbar, aber aussagekräftig<br />

Kleine Ställe oder Schober, sogenannte Schürli, prägten über eine lange Zeit die alpine Landschaft.<br />

Infolge der Umstellung der Landwirtschaft und der vermehrten Verschiebung der Milchwirtschaft<br />

von den Bergen ins Tal drohen die Schürli zu verschwinden. Dafür dehnen sich die Wälder aus. Der<br />

Erhalt der Schürli als Symbole alpiner Landwirtschaft dient auch dem Landschaftsschutz.<br />

Michael Gehret, Architekt und Designer, Feutersoey, Verein Schür.li<br />

Wenn wir durch unser schönes Berggebiet<br />

wandern, so fällt auf, dass viele der alten,<br />

kleinen Ställe und Heuschober zerfallen,<br />

abgebrochen werden und so aus der Landschaft<br />

verschwinden. Diese Gebäude haben<br />

ihren landwirtschaftlichen Nutzen<br />

verloren. Die Bauern bauen im Talboden<br />

wirtschaftlichere Hallen und tierschutzgerechte<br />

Ställe und können die alten Holzhäuser<br />

nicht erhalten. Da diese Schürli<br />

vorwiegend im Berggebiet und damit an<br />

exponierten Lagen stehen, erscheint der<br />

Aufwand zu gross.<br />

Der Verein Schür.li hat in der Berner Gemeinde<br />

Gsteig sämtliche Scheunen in<br />

einem Webkataster dokumentiert und ist<br />

auf über 185 Stück gekommen. Eine Zahl,<br />

die überrascht. Im gesamten Alpenraum<br />

sprechen wir von über 100 000 ehemals<br />

wichtigen Heulagern und Ställen, in denen<br />

das Vieh so lange nachts untergebracht<br />

war, bis die Umgebung rund um<br />

das Schürli abgegrast war. Dann zog die<br />

Herde zum nächsten Schürli. Diese Form<br />

der Landwirtschaft prägte das Landschaftsbild.<br />

Die Landschaft wurde durch<br />

Zäune gerastert, rund um die kleinen<br />

Ställe wurde das Land gemäht, gerodet<br />

und gepflegt.<br />

In den letzten Jahren führten verschärfte<br />

Bestimmungen hinsichtlich Tierschutz<br />

und der wirtschaftliche Druck auf die<br />

Landwirte zu einer grossen Veränderung<br />

der Betriebe im Berggebiet. Diese Umstellungen<br />

in der Landwirtschaft hinterlassen<br />

direkte Spuren in der Landschaft. Allein<br />

in den vergangenen zehn Jahren wuchs<br />

die Waldfläche in den Alpen um rund<br />

zehn Prozent, weil die Alpflächen nicht<br />

mehr genutzt werden. Der Prozess ist<br />

schleichend, wir merken daher nicht, wie<br />

gross die Veränderung ist. Die Schweiz<br />

besteht zu zwei Dritteln aus Berggebieten,<br />

hier wohnt immerhin ein Viertel der Bevölkerung.<br />

Viele Arbeitsplätze in den Bergen<br />

sind direkt oder indirekt vom Tourismus<br />

abhängig. Die Attraktivität der alpinen<br />

Landschaft ist folglich eine existenzielle<br />

Frage für viele Bergbewohner. Ist<br />

eine Wanderung mit freier Sicht auf Berge<br />

und Seen, über sanfte Hügel, meist mit<br />

einem Schürli drauf, nicht einfacher zu<br />

vermarkten, als wenn man nur alle fünf<br />

Kilometer durch die Bäume hindurch auf<br />

Berggipfel sehen kann?<br />

Wir denken, ein Schutz unserer vertrauten,<br />

einmaligen Landschaft bedingt den<br />

Erhalt dieser landwirtschaftlichen Kulturdenkmäler<br />

in einer grossen Anzahl. Dies<br />

geht jedoch nur, wenn diese Gebäude frei<br />

genutzt werden können. Selbstverständlich<br />

ohne sichtbare Veränderung, ohne<br />

neue Erschliessungen, ohne neue Emissionen<br />

und ohne unwirtschaftliche<br />

Schutzklauseln. <br />

■<br />

(Die Bilder stammen aus dem Buch<br />

«Schür.li», 2015.)<br />

Partnervermittlung mit Charme<br />

persönlich∙seriös∙kompetent<br />

Löwenstrasse 25, 8001 Zürich<br />

044 534 19 50 oder 079 774 00 84<br />

Ich freue mich auf Ihren Anruf.<br />

Kathrin Grüneis<br />

28 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong>


FOKUS ▶ SYMBOL<br />

Lebensversicherung für Daten<br />

Sie kontrollieren, sie reparieren, sie sichern. Damit der Datenaustausch und die Speicherung von<br />

Daten problemlos verlaufen, braucht es Codes. Diese sorgen im Hintergrund dafür, dass z.B. die<br />

Präsentation nicht verloren geht, obgleich die CD zerkratzt ist. Die Kodierungstheorie sichert Daten<br />

gegen technische Probleme, aber auch gegen menschliches Versagen.<br />

Dr. Anna-Lena Horlemann-Trautmann, Oberassistentin in Mathematik und Informatik an der EPF Lausanne<br />

Heutzutage ist unser (berufliches wie<br />

auch privates) Leben ohne digitale Datenspeicherung<br />

und Kommunikation kaum<br />

noch vorstellbar – denken wir nur an<br />

Patientenakten oder Ultraschallbilder, die<br />

auf dem Computer gespeichert und bearbeitet<br />

werden, oder aber an E-Mails und<br />

Skype-Telefonate mit Freunden am anderen<br />

Ende der Welt.<br />

Bei all diesen Technologien spielt die Kodierungstheorie<br />

eine Rolle. Diese hat die<br />

Aufgabe, die Datenspeicherung oder<br />

-übertragung sicher gegen technische<br />

Probleme bzw. physikalische Fehler zu<br />

machen. Solche Fehler können z.B. durch<br />

Stromausfälle in Rechenzentren, atmosphärische<br />

Störungen bei Funksignalen<br />

oder nicht mehr lesbare Speichermedien<br />

auftreten. In solchen Fällen möchten wir<br />

uns gegen den Datenverlust absichern – es<br />

wäre schliesslich tragisch, wenn komplette<br />

Patientenakten verloren gingen, nur<br />

weil eine Daten-CD verkratzt ist oder wenn<br />

eine E-Mail beim Empfänger nicht lesbar<br />

ist, weil ein Kabel zum Rechenzentrum<br />

des E-Mail-Providers beschädigt wurde.<br />

Dabei werden die Daten vor dem Speichern<br />

«kodiert», indem man eine gewisse<br />

Redundanz hinzufügt. Mit dieser Zusatzinformation<br />

kann der Empfänger fehlerhafte<br />

Teile der Datei erkennen und korrigieren.<br />

Die simpelste Art von Redundanz<br />

ist das zuvor genannte Duplizieren der<br />

Nachricht, man kann allerdings durch<br />

fortschrittlichere Kodierungstechniken<br />

mit weniger Redundanz den gleichen Effekt<br />

erzielen.<br />

Datenübertragung<br />

Ein anderer Teil der Kodierungstheorie<br />

beschäftigt sich mit der Sicherheit von<br />

Datenübertragungen, also der digitalen<br />

Kommunikation. Ein Beispiel hierfür ist<br />

das Senden und Empfangen von E-Mails<br />

über WLAN. Bei der Datenübertragung in<br />

drahtlosen Netzwerken können schon<br />

kleine Störungen in der Luft die gesendeten<br />

Daten beschädigen und der Empfänger<br />

erhält somit nur einen Teil der gesen­<br />

Datenspeicherung<br />

Die simpelste und intuitivste Art der Datensicherung<br />

ist die Sicherungskopie, also<br />

das Duplizieren der Daten. Wenn eine<br />

Datei teilweise nicht mehr lesbar ist, kann<br />

die Sicherungskopie herangezogen werden<br />

und davon wiederum eine neue Sicherungskopie<br />

gemacht werden. Die Informationen<br />

sind damit also nicht verloren<br />

gegangen. Bei einer solchen Sicherungskopie<br />

wird allerdings die doppelte Menge<br />

an Speicherplatz benötigt, bei einer doppelten<br />

Sicherungskopie dann schon der<br />

dreifache Speicherplatz usw. Bei grossen<br />

Datenmengen kann dies ein Problem werden.<br />

Die Kodierungstheorie beschäftigt<br />

sich unter anderem damit, wie man eine<br />

solche Absicherung gegen Datenverlust<br />

effizienter, also mit möglichst wenig benötigtem<br />

Speicherplatz, erreichen kann.<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

29


FOKUS ▶ SYMBOL<br />

deten Nachricht korrekt. Um dieses Problem<br />

zu umgehen, wird der Inhalt der<br />

E-Mails, ähnlich wie bei der Datenspeicherung,<br />

kodiert, bevor die Nachricht<br />

gesendet wird. Der Empfänger kann dann<br />

die fehlerhaften Teile der Nachricht erkennen<br />

und korrigieren. Wie bei der Datenspeicherung<br />

ist es die Aufgabe der Kodierungstheoretiker,<br />

möglichst effiziente<br />

Kodierungen zu finden, also den Rohdaten<br />

möglichst wenig Redundanz für die<br />

gleiche Fehlerkorrektur hinzuzufügen.<br />

Dies ist wichtig, da jedes zu sendende Zeichen<br />

Energie verbraucht und gegebenenfalls<br />

eine Datenleitung für längere Zeit<br />

belegt.<br />

Sehr viel schwieriger zu lösen als das Versenden<br />

von E-Mails ist ein kontinuierlicher<br />

Datenaustausch, z.B. bei einem Telefonat.<br />

Die Schwierigkeit ist hier, dass die<br />

Datenpakete live, also ohne Zeitverzögerung,<br />

beim Empfänger ankommen müssen.<br />

Im Gegensatz zum Dekodieren (also<br />

dem Korrigieren und Wiederherstellen)<br />

von E-Mails kommt hier erschwerend hinzu,<br />

dass die Fehlerkorrektur extrem<br />

schnell passieren muss. Falls dies z.B. bei<br />

Video-Telefonaten nicht funktioniert,<br />

kommt es zu den bekannten Aussetzern<br />

oder Verzögerungen in Bild oder Ton.<br />

Beispiel Check Digits<br />

Natürlich treten Fehler nicht nur durch<br />

technische Probleme und bei digitalen<br />

Daten auf, sie können ebenso durch<br />

menschliche Fehler und bei «analogen»<br />

Anwendungen entstehen.<br />

Dass auch hierbei die Kodierungstheorie<br />

hilfreich ist, kann man anhand des klassischen<br />

Beispiels der sogenannten Check<br />

Digits sehen, welche z.B. bei Blutbeutel-<br />

Eurocodes oder Pharmazentralnummern<br />

(PZN) benutzt werden. Eine PZN besteht<br />

aus 8 Ziffern, wobei die Zahlen von 0 bis<br />

9 und der Buchstabe X als Ziffer mit dem<br />

Wert 10 verwendet werden. Die ersten 7<br />

Ziffern identifizieren das Medikament.<br />

Die letzte Ziffer, der sogenannte Check<br />

Digit, wird wie folgt aus den ersten 7 Ziffern<br />

berechnet: Man summiert die erste<br />

Ziffer plus zweimal die zweite Ziffer plus<br />

dreimal die dritte Ziffer usw. bis siebenmal<br />

die siebte Ziffer; dann teilt man diese<br />

Summe durch 11 und der Rest bei der<br />

Division ist der Check Digit.<br />

Ist z.B. ein Medikament mit der Nummer<br />

0116144 identifiziert, dann berechnet<br />

man zunächst die Summe:<br />

1 × 0 + 2 × 1 + 3 × 1 + 4 × 6 + 5 × 1 + 6 × 4 +7<br />

× 4 = 86. Das Ergebnis durch 11 geteilt<br />

gibt einen Rest von 9, da 86 = 7 × 11 + 9.<br />

Damit ist der Check Digit die Ziffer 9 und<br />

die vollständige PZN des Medikaments ist<br />

01161449.<br />

Vertippt man sich beim Eingeben einer<br />

PZN, so dass eine der ersten 7 Ziffern<br />

falsch ist, dann ist die letzte Ziffer folglich<br />

nicht der Check Digit der ersten 7 Ziffern.<br />

Ein Computer kann auf diese Weise sofort<br />

feststellen, ob die eingetippte Nummer<br />

eine gültige PZN ist oder nicht. Falls im<br />

obigen Beispiel durch einen Fehler die<br />

zweite Ziffer von 1 auf 8 geändert wurde,<br />

erhalten wir den Check Digit 1, da 1 × 0 +<br />

2 × 8 + 3 × 1 + 4 × 6 + 5 × 1 + 6 × 4 + 7 × 4 =<br />

100 = 9 × 11 + 1, entsprechend können wir<br />

direkt erkennen, dass 08161449 keine gültige<br />

PZN ist und somit ein Fehler vorliegt.<br />

Das Erkennen von falsch eingegebenen<br />

PZN ist nicht nur praktisch, sondern kann<br />

lebensrettend sein, da ohne die Check Digits<br />

Medikamente leicht vertauscht und<br />

somit falsch verabreicht werden könnten.<br />

Das Gleiche gilt für das Vertauschen von<br />

Blutbeuteln.<br />

Check Digits gibt es aber nicht nur in der<br />

Medizin, sondern in vielen Bereichen unseres<br />

täglichen Lebens, z.B. bei Kontonummern,<br />

Banknoten, ISBN (Bücher),<br />

Fahrzeugnummern, Personalausweisen<br />

und vielen mehr.<br />

Forschung<br />

Neben der gerade dargestellten grundlegenden<br />

Technik von Check Digits gibt es<br />

in der Kodierungstheorie viele mathematisch<br />

fortgeschrittene Resultate zu Eigenschaften<br />

(wie Übertragungsrate und Fehlerkorrekturkapazität)<br />

von verschiedenen<br />

Codes und Algorithmen, wie diese möglichst<br />

effizient zu verwenden sind. Diese<br />

Resultate basieren zumeist auf Techniken<br />

und Resultaten aus der Algebra oder der<br />

Wahrscheinlichkeitstheorie.<br />

Wegen der vielfältigen Anwendungen und<br />

der zugrunde liegenden mathematischen<br />

Theorie ist dieses Gebiet fächerübergreifend<br />

und sowohl Mathematiker wie auch<br />

Informatiker und Elektrotechniker befassen<br />

sich damit.<br />

Kryptographie<br />

Mit der Kodierungstheorie eng verwandt,<br />

und in der Öffentlichkeit mit mehr Interesse<br />

bedacht, ist die Kryptographie. Sie<br />

befasst sich auch mit Datensicherheit,<br />

allerdings geht es nicht um technische<br />

Probleme, sondern um das unerwünschte<br />

Abhören oder Abfangen von Daten bei<br />

der digitalen Kommunikation. Z.B. ist ein<br />

WLAN-Netzwerk, wie wir es zuhause benützen,<br />

recht ungeschützt: Mit ein wenig<br />

Know-how und einem normalen Laptop<br />

könnte jemand vor unserer Haustür alle<br />

gesendeten E-Mails abfangen und mitlesen,<br />

wenn sie nicht zuvor durch unsere<br />

E-Mail-Software kryptographisch verschlüsselt<br />

werden. Ähnlich ist es bei der<br />

Datenspeicherung, bei der wir Kryptographie<br />

benötigen, um Dateien mit einem<br />

Passwort (oder auch einem Fingerabdruck)<br />

zu verschlüsseln, so dass nur der<br />

Inhaber des Passwortes (bzw. des Fingerabdrucks)<br />

diese öffnen bzw. lesen kann.<br />

Obwohl die Aufgaben der Kryptographie<br />

und der Kodierungstheorie sich ähnlich<br />

anhören, sind die angewandten mathematischen<br />

Techniken in beiden Gebieten<br />

zumeist ganz andere. Für viele Anwendungen<br />

in der digitalen Kommunikation<br />

und Datenspeicherung sind allerdings<br />

beide Arten von Sicherheit äusserst wichtig,<br />

daher werden Kodierungstheorie und<br />

Kryptographie beim digitalen Datenaustausch<br />

vielfach in Kombination verwendet.<br />

■<br />

30 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong>


FOKUS ▶ SYMBOL<br />

Ein System mit 47 000 Zeichen<br />

Ihre Ursprünge reichen ins zweite Jahrtausend v. Chr. zurück, ihre Möglichkeiten sind<br />

schier unerschöpflich und ihre Kenntnis ist das Eintrittsbillett in eine höhere Laufbahn. Die<br />

chinesische Schriftsprache diente trotz ihrer Komplexität während Jahrhunderten als<br />

einziges Kommunikationsmittel aller chinesischen Volksgruppen. Heutige Schüler sollten<br />

zwischen 1000 und 4000 Zeichen beherrschen.<br />

Dr. Ulrike Unschuld, Sinologin<br />

Geben Sie einem Kind einen Stift, einen<br />

Pinsel in die Hand, und malen Sie mit<br />

ihm einfache chinesische Zeichen. Welche<br />

Konzentration und Faszination ist da zu<br />

spüren, wenn z. B. bildhafte Zeichen wie<br />

Sonne und Erde, Mond und Baum,<br />

Mensch und Mund auf dem Papier entstehen.<br />

Wie leicht doch Lesen und Verständigung<br />

da erscheinen! Doch die Begeisterung<br />

schwindet, sobald sich zeigt, wie viel<br />

Mühe es kostet, diese Schrift zu erlernen.<br />

Chinesische Kinder sind damit von früh<br />

auf konfrontiert. Die chinesische Schrift<br />

war in der Vergangenheit die Voraussetzung<br />

für einen lukrativen Beamtenposten<br />

im Staat. Sie bleibt auch heute unverzichtbar.<br />

Ganz allgemein dient die Schrift dazu,<br />

Dinge zu dokumentieren und Verbindungen<br />

herzustellen – zum Beispiel zwischen<br />

Menschen an verschiedenen Orten und<br />

über kürzere oder längere Zeiten. Die Anregung,<br />

sich der Zeichen zu bedienen,<br />

deutete ein chinesischer Gelehrter vor<br />

1000 Jahren so: «Obwohl die Schriftzeichen<br />

von Menschen entworfen wurden,<br />

haben sie ihren Ursprung doch in der<br />

Natur. Phoenix und Vogel haben Linienmuster<br />

… Die [Schriftzeichen] sind nicht<br />

von Menschen gemacht, sondern nur<br />

nachgeahmt worden.»<br />

kann ein und dasselbe Schriftzeichen in<br />

einem bestimmten Kontext eine bestimmte<br />

Aussage vermitteln und in einem anderen<br />

Umfeld eine ganz andere.<br />

Im Gegensatz dazu steht die alphabetische<br />

Schrift, in der ein einzelner Buchstabe<br />

keine Bedeutung hat. Im 20.Jahrhundert,<br />

besonders in den 1950er Jahren unter<br />

Mao Zidong, hat es mehrfach Bestrebungen<br />

gegeben, die Zeichenschrift durch<br />

eine alphabetische Schrift zu ersetzen.<br />

Das erwies sich als nicht sinnvoll. China<br />

ist ein riesiges Land mit vielen unterschiedlichen<br />

Völkern, Dialekten und Sprachen.<br />

So wie ein Mathematiker aus Norwegen<br />

mit einem Kollegen aus Portugal<br />

an der Tafel über die Formelsprache wortlos<br />

kommunizieren kann, so können<br />

Chinesen ihre unterschiedlichen Dialekte<br />

in einer einheitlichen Schrift ausdrücken.<br />

Sie mögen sich über das gesprochene Wort<br />

nicht verstehen, aber über die geschriebenen<br />

Zeichen ist das sehr wohl möglich. Die<br />

gedruckte Zeitung, das gedruckte Buch<br />

Schrift als Bindemittel<br />

Die chinesische Schrift benutzt Zeichen,<br />

so genannte Ideogramme. Dabei entspricht<br />

jedes Zeichen einer Silbe. Diese<br />

kann eine Bedeutung haben und einem<br />

Wort entsprechen. Es können aber auch<br />

Worte aus mehreren Zeichen und Silben<br />

gebildet und damit neue Bedeutungen<br />

erschlossen werden. Die Möglichkeiten<br />

sind unerschöpflich. Im Laufe der vergangenen<br />

zwei Jahrtausende sind zudem fast<br />

jedem einzelnen Schriftzeichen mehr als<br />

eine, manchmal unübersehbar viele Bedeutungen<br />

zugesprochen worden. So<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

31


FOKUS ▶ SYMBOL<br />

Etwa 5000 Zeichen umfasste das Schriftsystem<br />

bereits zu solch früher Zeit. Gut die<br />

Hälfte der Ideogramme konnte identifiziert<br />

werden; nicht wenige sind eindeutig<br />

als Frühformen noch heute verwendeter<br />

Schriftzeichen erkennbar.<br />

Abb. 1. Die Entwicklung der Schriftzeichen von den Orakelknochen im späten 2. Jahrtausend<br />

v. Chr. bis in die Gegenwart. Links: das Schriftzeichen ji für «Kranksein». Oben ein<br />

Piktogramm, das einen Menschen zeigt, der von einem Pfeil getroffen wurde. Mitte: ein<br />

Bett mit einem Pfeil. Unten die heutige Schreibweise. Rechts: die Wandlung des Schriftzeichens<br />

mu, «Auge», von den shang-zeitlichen Knochenorakeln (oben) bis in die Gegenwart<br />

(unten)<br />

Abb. 2. Buchdruck eines medizinischen Texts<br />

(Huang Di Nei Jing Ling Shu) aus der Kaiserzeit.<br />

Lesbar von rechts nach links und von oben nach<br />

unten<br />

sieht in allen Landesteilen gleich aus; die<br />

Aussprache kann höchst unterschiedlich<br />

sein. Der Zeichensprache kommt somit<br />

eine immense politische Bedeutung zu;<br />

sie ist die Klammer, die die Einheit des<br />

Vielvölkerstaates gewährleistet. Das gilt<br />

zum Teil auch noch für die gebildeten<br />

Schichten in Japan oder Korea, die über<br />

lange Jahrhunderte die chinesischen Zeichen<br />

zur schriftlichen Kommunikation<br />

und Dokumentation verwendeten.<br />

Uralte Wurzeln<br />

Als Ende des 19. Jahrhundert in der Provinz<br />

Henan Königsgräber aus der Shang-<br />

Dynastie geöffnet wurden, fand man darin<br />

unter anderem Rinderschulterknochen<br />

und Schildkrötenpanzer, die zwischen<br />

dem 14. und 11. Jahrhundert v. Chr.<br />

zur Kommunikation zwischen den Lebenden<br />

und den Ahnen beschriftet worden<br />

waren. Wahrsager hatten die Schriftzeichen<br />

eingeritzt und die Objekte dann dem<br />

Feuer ausgesetzt. Die Risse, die sich von<br />

eingestanzten Löchern aus bildeten, wurden<br />

als Antworten der Ahnen gedeutet.<br />

Über die Jahrhunderte entwickelten sich<br />

verschiedene Schreibstile. Zahlreiche kleine<br />

Königreiche wetteiferten im 1. Jahrtausend<br />

v. Chr. miteinander um die Vorherrschaft.<br />

Sie alle nahmen Teil an der Entwicklung.<br />

Im Jahre 221 v. Chr. schliesslich<br />

vermochte das Königreich Qin die letzten<br />

Konkurrenten zu besiegen und das chinesische<br />

Reich zu gründen, das bis 1911<br />

mehr als zwei Jahrtausende lang Bestand<br />

hatte. Dass dieser Reichsgründung ein<br />

solcher Erfolg beschert war, lag nicht zuletzt<br />

daran, dass der erste Kaiser die wenigen<br />

Jahre seiner Regierungszeit dazu<br />

nutzte, die zuvor unterschiedlichen Masse,<br />

Gewichte, Spurbreiten und vor allem<br />

auch die Schriften, die sich in einzelnen<br />

Staaten unterschiedlich entwickelt hatten,<br />

zu vereinheitlichen und zu einer leichter<br />

les- und schreibbaren «Kanzleischrift»<br />

auszubilden. Erst nach der Gründung der<br />

Volksrepublik China im Jahre 1949 wurde<br />

erneut eine weitreichende Reform der<br />

Schrift in Angriff genommen. Viele<br />

Schriftzeichen waren viel zu kompliziert,<br />

um der grossen Menge von Analphabeten<br />

in aller Eile Lesen und Schreiben zu vermitteln<br />

und sie so mit Schriftmaterial zu<br />

versorgen, dessen Lektüre für die notwendigen<br />

Revolutionen und Reformen unabdingbar<br />

war.<br />

Schon ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. existierten<br />

Hilfsmittel zum Erlernen von<br />

Schriftzeichen und Sprache. Lehr- und<br />

Wörterbücher standen zur Verfügung. Die<br />

Notwendigkeit in immer grösseren Staatswesen<br />

eine funktionierende Bürokratie<br />

einzuführen, erforderte eine umfassende<br />

Schriftkenntnis und die Möglichkeit, alle<br />

Angelegenheiten der Verwaltung und des<br />

täglichen Lebens schriftlich zu erfassen.<br />

Das Kangxi-Wörterbuch aus dem Jahre<br />

1716 bildete einen Höhepunkt dieser Entwicklung<br />

mit ca. 47 000 Zeichen. Geduld<br />

und Ausdauer und ein guter finanzieller<br />

Hintergrund waren nötig, damit sich die<br />

meist männlichen Studenten, die sich auf<br />

die Staatsprüfungen für den Beamtendienst<br />

vorbereiteten, mit der Schrift vertraut<br />

machen konnten. Heute wird Schülern<br />

ein Pensum von 1000 bis zu 4000<br />

Schriftzeichen auferlegt. Ein Universitäts­<br />

32 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong>


FOKUS ▶ SYMBOL<br />

professor sollte über mindestens 8000<br />

Schriftzeichen aktiv und passiv verfügen<br />

können.<br />

Bedrohte Handschrift<br />

Jedes Schriftzeichen ist aus einem oder<br />

mehreren Strichen aufgebaut. Man unterscheidet<br />

acht Stricharten, die in einer<br />

festgelegten Reihenfolge geschrieben werden.<br />

Sie lassen sich zu zahlreichen Komponenten<br />

zusammenfügen. Die meisten<br />

Schriftzeichen bestehen aus mehreren<br />

solcher Komponenten.<br />

Man liest sie in älteren Buchtexten in Reihen<br />

von oben nach unten und dann reihenweise<br />

von rechts nach links. Deshalb<br />

beginnt ein altes chinesisches Buch nach<br />

unserer Sichtweise auch «von hinten».<br />

Heute schreibt man von links nach rechts<br />

und in waagrechten Zeilen. Doch auch die<br />

Schreibweise von oben nach unten ist<br />

nach wie vor weitverbreitet, im Strassenbild<br />

vor allem an den senkrechten Leuchtreklamen<br />

vor den einzelnen Geschäften<br />

sichtbar.<br />

Abb. 3–5. Schriftreklamen in der Queens Road in Hongkong im Laufe der Jahrzehnte<br />

Abb. 6. Magische Schriftzeichen in einer Handschrift aus dem 18. Jahrhundert<br />

Seit der Antike benutzten die Schreiber<br />

besondere Tuschearten und Pinsel unterschiedlicher<br />

Feinheit, um die Schriftzeichen<br />

auf Knochen, Holz, Seide, Tierhaut<br />

und Papier zu verewigen. Heute erleichtert<br />

der PC das Schreiben und gefährdet zugleich<br />

die antike Schriftkultur. Es gibt<br />

verschiedene Möglichkeiten, über die<br />

Buchstabentastatur ein chinesisches<br />

Schriftzeichen auf den Bildschirm zu<br />

«zaubern». Allen gemein ist, dass die<br />

jahrhundertelang bestehende Notwendigkeit,<br />

die einzelnen Schriftzeichen immer<br />

wieder mit der Hand zu zeichnen, um sie<br />

nicht zu vergessen, weggefallen ist. Das<br />

passive Gedächtnis kann die Schriftzeichen<br />

bei der Lektüre erkennen. Immer<br />

mehr junge Chinesen sind aber nicht<br />

mehr in der Lage, die etwas seltener im<br />

Alltag genutzten Schriftzeichen spontan<br />

niederzuschreiben.<br />

Schrift war und ist ein Kommunikationsmittel.<br />

Sie übermittelte politische und<br />

bürokratische Bekanntmachungen der<br />

kaiserlichen Regierung, wie man sie an<br />

Wegkreuzungen, wichtigen Orten auf<br />

steinernen Stelen eingekerbt findet. Sie<br />

übermittelt religiöse Inhalte wie die monumentalen<br />

Schriftzeichen, die in der<br />

Provinz Shandong in den Fels gehauen<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

33


FOKUS ▶ SYMBOL<br />

sind und für alle Zeiten vom Buddhismus<br />

künden sollen. Sie ermöglicht in der<br />

Kunst als Kalligraphie die Vermittlung<br />

auch abstrakter Inhalte – lässt den Betrachter<br />

Kälte, Einsamkeit, Freude empfinden.<br />

Sehr einleuchtend hat das die<br />

französische Kalligraphin Fabienne Verdier<br />

in ihrem Buch beschrieben. In der<br />

Nachbarschaft des Longshan-Tempels in<br />

Taipei trifft man auch heute noch Kundige,<br />

die Schriftzeichen schreiben, um<br />

mit Ahnen oder Dämonen in Verbindung<br />

zu treten. Das sind kraftvoll gestaltete<br />

Schriftzeichen auf Holz oder Papier, häufig<br />

mit der Zeichenkomponente für «Donner»,<br />

die vor Unwettern schützen, Unglück<br />

bannen oder Krankheiten verhüten<br />

sollen.<br />

Chinesische Medizin<br />

Auch die chinesische Medizin ist ein Fachbereich mit einer Tausende von Schriftzeichen<br />

umfassenden Terminologie. Viele davon sind jedem Chinesen aus dem täglichen<br />

Gebrauch bekannt. Das sind die Bezeichnungen für die Organe, die natürlich bei<br />

Mensch und Tier dieselben Bezeichnungen tragen. Jeder Chinese mit Schulbildung<br />

kann die Schriftzeichen für Lunge, Leber, Herz und Magen lesen. Schwieriger wird<br />

es mit der Bezeichnung der Organe als Kategorie. Sie tragen die Bezeichnungen<br />

«Langzeit-Speicher», zang, und «Kurzzeit-Speicher», fu, um zu verdeutlichen, dass<br />

die Speisen an manchen Orten im Leib länger verweilen als an anderen. Nicht jedem<br />

gebildeten Chinesen sind diese Termini ohne Zusatzkenntnisse bekannt. Das sind<br />

häufig Metaphern, die die Namen von Alltagsdingen zur Veranschaulichung von<br />

Physiologie und Pathologie auf den Organismus übertragen. Da trifft man auf viele<br />

Ähnlichkeiten zu unserer eigenen Metaphorik, wenn wir etwa an Begriffe wie «Verstopfung»,<br />

«Ausfluss» und andere mehr denken. Aber zusätzlich sind auch viele<br />

Termini vor allem für die Bezeichnung von Krankheiten sehr speziell und dem<br />

Laien nicht bekannt.<br />

Im Zentrum herkömmlicher chinesischer Vorstellungen vom gesunden und kranken<br />

Körper steht der Begriff qi. Das entsprechende Schriftzeichen ist gar nicht so alt und<br />

wurde wohl erst im 3. Jahrhundert v. Chr. aus den Komponenten «Reis» und «Dämpfe»<br />

geschaffen.<br />

Der Begriff qi ist in mancher Hinsicht gleichbedeutend mit dem Begriff, den in der<br />

antiken europäischen Medizin die Termini pneuma und aer bezeichneten. Er verweist<br />

auf den neben dem Blut zweiten lebenswichtigen Anteil des Kreislaufs im Organismus.<br />

Im Laufe der Jahrhunderte ist dieser Begriff qi um immer neue Facetten<br />

erweitert worden. Kein einziges Wort einer europäischen Sprache ist geeignet, alle<br />

diese Facetten zu umfassen. Der Terminus qi bleibt daher<br />

in westlichen Schriften zur Chinesischen Medizin unübersetzt.<br />

Abb. 7. Das Schriftzeichen qi, zusammengesetzt<br />

aus den Komponenten «Reis» und «Dämpfe»<br />

Chinesische Schriftsprache hat jedoch<br />

auch ihre Grenzen. In der alphabetischen<br />

Schrift ist es für einen Unkundigen durchaus<br />

möglich, einen Text über ein Fachgebiet,<br />

von dem er nichts versteht und dessen<br />

Fachsprache ihm unbekannt ist, zu lesen<br />

und so vielleicht einem blinden Experten<br />

den Inhalt zu vermitteln. Das ist in der<br />

chinesischen Schrift kaum möglich. Von<br />

den mittlerweile knapp 50 000 Schriftzeichen<br />

haben die allermeisten eine sehr<br />

spezifische Bedeutung und wer ihnen<br />

noch nicht begegnet ist, der weiss nicht,<br />

wie ein solcher fachspezifischer Terminus<br />

ausgesprochen wird – er kann ihn daher<br />

nicht «lesen». Die geringe Anzahl von<br />

weniger als 500 Silben in der chinesischen<br />

Sprache hat zur Folge, dass auf jede Silbe,<br />

sei es mao oder song oder li im Durchschnitt<br />

100 Schriftzeichen mit eben dieser<br />

Aussprache kommen. Das bedeutet, dass<br />

die gesprochene Sprache nicht selten uneindeutig<br />

bleibt; zur Veranschaulichung<br />

fragt der eine Gesprächspartner dann:<br />

«Welches mao?» oder «Welches song?»<br />

und der Sprecher malt das Schriftzeichen<br />

mit dem Zeigefinger in die Luft oder auf<br />

die Handfläche, oder gegebenenfalls mit<br />

dem Stift auf ein Papier. ■<br />

Quellen und weiterführende Literatur:<br />

Höllmann, Thomas O., Die Chinesische Schrift,<br />

München 2015<br />

Keightley, David N., Sources of Shang History,<br />

Berkeley 1978<br />

Schmidt-Glintzer, Helwig, Geschichte der chinesischen<br />

Literatur, Bern/München/Wien<br />

1990<br />

Unschuld, Paul U., Traditionelle Chinesische<br />

Medizin, München 2013<br />

Unschuld Paul U. und Kovacs Jürgen, Essential<br />

Subtleties on the Silver Sea: The Yin-Hai<br />

Jing-Wei. A Chinese Classic on Ophthalmology.<br />

Berkeley 1999<br />

Verdier, Fabienne, Zeichen der Stille, Winterthur<br />

2006<br />

34 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong>


FOKUS ▶ SYMBOL<br />

Von Bildzeichen und Zeichenschrift<br />

1977 startete die Stadt New York eine bahnbrechende Werbekampagne. «I love NY» lautete der<br />

Slogan, wobei das Verb «love» durch ein rotes Herz ersetzt worden war. Heute sind Emojis fester<br />

Bestandteil der digitalen Kommunikation. Verwendung finden die mehr als 1300 Bildchen teilweise<br />

als Ersatz für Wörter, vor allem aber, um Aussagen zu verstärken oder emotional zu färben.<br />

Dr. Christina Margrit Siever, Linguistin Universität Zürich<br />

Spätestens seit die britischen Oxford Dictionaries<br />

das Emoji «Face with Tears of<br />

Joy» ( ) zum Wort des Jahres 2015 erkoren<br />

haben, sind Emojis in aller Munde<br />

bzw. in aller Texte. Seit der Einführung<br />

der virtuellen Emoji-Tastaturen (iOs:<br />

2011, Android: 2013) nimmt der Emoji-<br />

Gebrauch in der digitalen informellen<br />

Schriftkommunikation stark zu. Was allerdings<br />

viele nicht wissen: Das Wort Emoji<br />

stammt aus dem Japanischen und bedeutet<br />

wörtlich Bild (e) und Zeichen<br />

(moji), also Bildzeichen. Wegen der ersten<br />

drei Buchstaben werden Emojis häufig<br />

mit Emoticons wie :-) oder :-( verwechselt,<br />

die seit den Anfängen der digitalen Kommunikation<br />

bekannt und weit verbreitet<br />

sind. Emoticon ist eine Wortkreuzung aus<br />

den englischen Wörtern emotion (Emotion,<br />

Gefühl) und icon (Bild, grafisches<br />

Sinnbild). Emoticons werden also häufig<br />

verwendet, um Gefühle auszudrücken, es<br />

gibt aber auch weitere Verwendungsweisen,<br />

so kann beispielsweise über einen<br />

zwinkernden Smiley ;-) Ironie signalisiert<br />

werden. Emojis dahingegen sind vielfältiger.<br />

Es gibt dort zwar auch Emoticons, die<br />

indes nicht mehr aus einzelnen Schriftzeichen<br />

gebildet werden, sondern als kleine<br />

Grafiken dargestellt sind, und die<br />

nicht um 90 Grad gedreht werden müssen.<br />

Darüber hinaus gibt es jedoch auch Abbildungen<br />

von verschiedenen Alltagsgegenständen<br />

und -situationen wie Lebensund<br />

Verkehrsmitteln, Tieren, Pflanzen,<br />

Gebäuden, Sportarten etc. sowie Symbolen<br />

(Herzen, Pfeile, Tierkreiszeichen, Flaggen<br />

etc.).<br />

Beten oder grüssen?<br />

Die Emojis entstanden in den 1990er Jahren<br />

in Japan. In der westlichen Welt verdanken<br />

die Emojis ihr Dasein der Unicode-Standardisierung,<br />

im <strong>Oktober</strong> 2010<br />

wurden sie erstmals in den Unicode aufgenommen.<br />

Unicode ist ein Standard für<br />

Schriftzeichen, der gewährleistet, dass<br />

Schriftzeichen unabhängig von der jeweils<br />

gewählten Schriftart korrekt dargestellt<br />

werden. Für die Emojis bedeutet dies<br />

dreierlei: Erstens können Emojis auf derselben<br />

Ebene wie andere Schriftzeichen,<br />

also Buchstaben und Zahlen, verwendet<br />

werden, Schrift und Bild rücken so näher<br />

zusammen. Zweitens müssen für die einzelnen<br />

Zeichen in einer bestimmten<br />

Schriftart graphische Darstellungen, sogenannte<br />

Glyphen, entworfen werden. Ist<br />

dies nicht der Fall, dann können die Emojis<br />

nicht dargestellt werden, was zu einem<br />

Problem werden kann, wenn Menschen<br />

unterschiedliche Betriebssysteme bzw.<br />

verschiedene Versionen davon verwenden.<br />

Drittens kann es zu Missverständnissen<br />

kommen, wenn betriebssystemübergreifend<br />

kommuniziert wird, da die Glyphen<br />

sich von Schriftart zu Schriftart relativ<br />

stark unterscheiden können. So beispielsweise<br />

beim Emoji «Person With Folded<br />

Hands»: Die graphische Umsetzung von<br />

Microsoft und Samsung legen die Interpretation<br />

«betende Hände» oder «Gruss»<br />

nahe, wohingegen die Varianten von Apple<br />

und Google als «High five» interpretiert<br />

werden können. Hier spielt natürlich auch<br />

Abbildung 2: Emoji Person with<br />

Folded Hands in verschiedenen<br />

Schriftarten<br />

Abbildung 1: Emojis in der Schriftart Apple Color Emoji<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

35


FOKUS ▶ SYMBOL<br />

der kulturelle Hintergrund eine Rolle:<br />

Während die Japaner das Emoji als<br />

Gruss interpretieren, wird es in anderen<br />

Kulturen als betende Hände interpretiert.<br />

Emojis sind – wie Bilder generell – also<br />

von Kulturalität geprägt und deshalb<br />

nicht unbedingt global verständlich. Gerade<br />

auch, wenn Emojis symbolisch verwendet<br />

werden, sind Kenntnisse bestimmter<br />

Konventionen und Bedeutungen notwendig.<br />

So wird beispielsweise das bei uns<br />

harmlos wirkende Auberginen-Emoji in<br />

Amerika als Phallussymbol verwendet.<br />

Symbole oder Ikonen?<br />

Aus zeichentheoretischer Sicht können<br />

Emojis sowohl als symbolische als auch<br />

ikonische Zeichen klassifiziert werden.<br />

Während Symbole auf Konvention beruhen,<br />

basieren Ikonen auf visueller Ähnlichkeit.<br />

Verwendet man das Emoji «Pig<br />

Face» ikonisch, verweist man also in<br />

der Kommunikation auf Schweine. Im<br />

deutschsprachigen Raum ist das Schwein<br />

zudem ein Glückssymbol. In einer Nachricht<br />

wie: «Da hast du aber gehabt!»,<br />

kann das gleiche Emoji auch symbolisch<br />

verwendet werden.<br />

Was aber, wenn ich von meinem Meerschweinchen<br />

berichten möchte? Heutzutage<br />

stehen zwar über 1300 Emojis zur<br />

Verfügung, doch ein Meerschweinchen-<br />

Emoji existiert nicht. Man muss sich folglich<br />

selbst zu helfen wissen: «Mein<br />

ist krank!». Während man konkrete Dinge<br />

wie ein Meerschweinchen noch gra­<br />

Abbildung 3: Emojis für Städtenamen<br />

Abbildung 4: Nachricht, die fast hälftig aus Worten<br />

bzw. Emojis besteht<br />

phisch darstellen und somit in den Unicode-Standard<br />

aufnehmen könnte, wird<br />

es bei Abstrakta oder Kollektiva schwieriger:<br />

Wie soll man Wörter wie Freiheit oder<br />

Diagnose bzw. Herde oder Obst graphisch<br />

darstellen? Hier braucht es schon mehr<br />

Kreativität: Freiheit kann mit der Freiheitsstatue<br />

ausgedrückt werden, Obst<br />

kann man durch die Aneinanderreihung<br />

verschiedener Früchte ausdrücken:<br />

Auch Eigennamen oder Toponyme wie<br />

Städtenamen sind schwer in Emojis darstellbar.<br />

In der folgenden Abbildung stehen<br />

die vier Emojis für einen Ort; wer<br />

kann erraten, für welchen? (Abb. 3)<br />

Aus dem Kontext kann man schliessen,<br />

dass es ein Ort ausserhalb der Schweiz sein<br />

muss. Mit den vier Emojis sind Esel, Hund,<br />

Katze und Hahn gemeint, also die Bremer<br />

Stadtmusikanten für Bremen. Noch<br />

schwieriger wird es bei anderen Wortarten.<br />

Verben, Adjektive, Pronomen oder Partikel<br />

können nur schwer mit Emojis ausgedrückt<br />

werden. Einen kompletten Satz in<br />

Emojis zu «übersetzen», ist fast nicht<br />

möglich. (Abb. 4)<br />

Ergänzung, nicht Ersatz<br />

Es zeigt sich also, dass Emojis die Sprache<br />

nicht vollständig ersetzen und folglich<br />

auch nicht, wie teils befürchtet wird, verdrängen<br />

können. Betrachtet man die<br />

kommunikativen Funktionen und den<br />

tatsächlichen Gebrauch von Emojis, so<br />

zeigt sich, dass die sogenannte Referenzfunktion,<br />

bei der Emojis Wörter ersetzen,<br />

eher selten ist. Weitaus häufiger kommt<br />

die Abtönungsfunktion zum Tragen:<br />

Emojis modifizieren Texte, d.h., sie kommentieren<br />

oder bewerten sie oder geben<br />

zu verstehen, wie die Nachricht zu lesen<br />

ist.<br />

Abbildung 5: Emojis in Abtönungsfunktion<br />

Das erste hier zu sehende Emoji, das sogenannte<br />

«Flushed Face», stellt in diesem<br />

Fall kein verlegenes, errötetes Gesicht dar,<br />

sondern kann aufgrund des Kontexts als<br />

Besorgnis um den kranken Kommunikationspartner<br />

interpretiert werden. Dem<br />

«Smiling Face With Sunglasses» wird oft<br />

die Bedeutung «cool» zugeschrieben, das<br />

Emojis verstärkt oder ergänzt also das<br />

«guet», verweist aber gleichzeitig auch<br />

auf das Skifahren, bei dem man ja oft eine<br />

Sonnenbrille trägt. Die letzten beiden<br />

Emojis wiederholen die sprachliche Information,<br />

der Weihnachtsbaum teils (Weihnachtsabend),<br />

der Kuss durch den Kuss-<br />

Smiley ganz.<br />

Forschung läuft<br />

Wie sieht denn die Kommunikation mit<br />

Emojis in der Schweiz konkret aus? Wir<br />

haben hier Beispiele gesehen, doch Zahlen<br />

gibt es bislang noch keine dazu. Dies wird<br />

sich aber dank des Projekts «What’s up,<br />

Switzerland?» (http://www.whatsup-switzerland.ch)<br />

zur Kommunikationsform<br />

WhatsApp in Kürze ändern. Anhand von<br />

WhatsApp-Nachrichten, die für das Projekt<br />

gespendet wurden, sollen verschiedene<br />

Forschungsfragen zur Kommunikation<br />

mit Emojis gestellt werden: Wie häufig<br />

werden überhaupt Emojis verwendet und<br />

welche? Gibt es Unterschiede in der Emoji-<br />

Nutzung zwischen Frauen und Männern,<br />

älteren und jüngeren Menschen? Welche<br />

kommunikativen Funktionen erfüllen die<br />

Emojis, in welchem Ausmass sind sie ergänzend<br />

oder ersetzend? Gibt es Unterschiede<br />

zwischen den verschiedenen Landessprachen?<br />

Man kann gespannt auf die<br />

Ergebnisse sein.<br />

■<br />

36 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong>


PERSPEKTIVEN<br />

FACHSERIE: AKTUELLES AUS DER GASTROENTEROLOGIE – DIE FÄKALE MIKROBIOTA-TRANSPLANTATION<br />

Renaissance der<br />

Yellow Dragon Soup<br />

Die rezidivierende Clostridium-Difficile-Infektion (rCDI) stellt eine schwierige therapeutische<br />

Herausforderung dar. Erfolgt nach einer antibiotischen Therapie ein Rückfall, so steigt das Risiko<br />

eines weiteren Rezidivs linear an. In dieser Situation ist die Fäkale Mikrobiota-Transplantation<br />

mit Erfolgsraten um 90 Prozent die effektivste Therapieoption.<br />

Luc Biedermann, Gerhard Rogler, Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie, Universitätsspital Zürich<br />

Eine rezidivierende Clostridium-Difficile-Infektion<br />

(rCDI) wird als Rekurrenz<br />

von typischen Symptomen innerhalb von<br />

acht Wochen nach Abschluss einer zuvor<br />

erfolgreichen antibiotischen Therapie definiert<br />

(1). Sowohl die Inzidenz als auch<br />

die Morbidität und Mortalität der Clostridium-Difficile-Infektion<br />

(CDI) zeigte<br />

innerhalb der letzten Jahre einen deutlichen<br />

Anstieg: ungefähr eine Verdreifachung<br />

in den USA zwischen 1996 und<br />

2005. Auch wenn die genauen Gründe<br />

dieser Zunahme nur unvollständig geklärt<br />

sind, dürfte die allgemeine Zunahme<br />

von älteren und polymorbiden Patienten<br />

im Rahmen der demographischen<br />

Entwicklung eine wichtige Rolle spielen.<br />

Weitere Häufungen werden allgemein bei<br />

Immunsupprimierten, schwangeren<br />

Frauen sowie vermehrt auch bei Patienten<br />

mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen<br />

und besonders auch bei<br />

Menschen ohne jedwede Risikofaktoren<br />

beobachtet. Allerdings treten zunehmend<br />

auch Fälle der rezidivierenden Infektion<br />

(rCDI) bei jüngeren und gesunden Menschen<br />

auf, selbst ohne vorangehende Antibiotikatherapie.<br />

Letztere ist neben einer<br />

spital-akquirierten Infektion oft von älteren<br />

und morbiden Patienten noch immer<br />

der wichtigste Risikofaktor, wobei das<br />

Risiko zwischen den einzelnen Antibiotika<br />

etwas variiert.<br />

In der Tat war der Auslöser des meist längeren<br />

Leidensweges der Patienten, bei<br />

welchen wir eine Fäkale Mikrobiota-<br />

Transplantation (FMT) für die rCDI<br />

durchführten, in den allermeisten Fällen<br />

eine antibiotische Therapie mit einer der<br />

häufigsten ambulant angewendeten Substanzen,<br />

wie etwa Amoxicillin/Clavulansäure.<br />

Letzteres wurde bezeichnenderweise<br />

oft für einen etwas protrahiert verlaufenden<br />

respiratorischen Infekt und somit<br />

meist bei äusserst zweifelhafter Indikation<br />

verordnet, was die Gefahren allzu leichtfertiger<br />

Verordnungen untermauert.<br />

Eigentlich ist die initiale antibiotische<br />

Therapie einfach, schnell und effektiv (in<br />

ca. 80% der Fälle dauerhaft erfolgreich).<br />

Die Minderheit der Patienten, die jedoch<br />

ein Rezidiv erleidet, hat aber bereits mit<br />

40 bis 60 Prozent ein deutlich erhöhtes<br />

Risiko, nach Abschluss des zweiten Therapiezyklus<br />

an einem erneuten Rezidiv zu<br />

erkranken (und so fort). Eine gute Übersicht<br />

über die Therapieempfehlungen<br />

findet sich in den Leitlinien der European<br />

Society of Clinical Microbiology and Infectious<br />

Diseases (2).<br />

Zunehmend wird man sich auch der sozioökonomischen<br />

Tragweite der rCDI bewusst.<br />

Die Kosten einer Hospitalisation<br />

können sich durch eine CDI vervierfachen.<br />

Zwar sind ca. zwei Drittel aller Infektionen<br />

mit dem überwiegend stationären Gesundheitswesen<br />

assoziiert, jedoch scheint<br />

sich die Infektion nur in etwa einem Viertel<br />

noch während der Hospitalisation zu<br />

manifestieren. Gemäss neuere Zahlen aus<br />

den USA gehen jährlich 29 000 Todesfälle<br />

auf das Konto dieses Bakteriums (3).<br />

FMT: Geschichte und<br />

Rationale<br />

Das Prinzip der FMT wird bereits seit Jahrhunderten<br />

unter dem Begriff Transfaunation<br />

angewendet. Die ersten Anwendungen<br />

überhaupt wurden im China der Dong-jin-<br />

Dynastie im 4. Jahrhundert nach Christus<br />

von Ge Hong in einem Notfallmedizin-<br />

Lehrbuch als eine innerliche Fäzes-Anwendung<br />

beschrieben. Da es zu dieser Zeit<br />

weder Endoskope noch Sonden gab, erübrigten<br />

sich Überlegungen nach der bestmöglichen<br />

Route der Administration. Ge<br />

Hong machte sein für diesen Zweck präpariertes<br />

mikrobielles Filtrat den Patienten<br />

denn auch kurzerhand unter dem Namen<br />

«Yellow Dragon Soup» schmackhaft.<br />

Der erste publizierte Therapieversuch an<br />

einer kleinen Serie von Patienten mit fulminanter<br />

Enterokolitis (wenngleich nicht<br />

durch Clostridien verursacht) fand bereits<br />

1958 durch den Chirurgen B. Eiseman<br />

statt. Die erste wirkliche Beschreibung<br />

eines Fallberichtes bei einer rezidivierenden<br />

Infektion durch C. difficile erfolgte<br />

erst 1983 (4). Die Rationale der FMT ist<br />

bestechend einfach: Eine der Hauptaufgaben<br />

der normalen intestinalen Mikrobiota<br />

ist es, pathogene Keime an einer Proliferation<br />

und schliesslich Infektion zu<br />

hindern. Eine antibiotische Therapie im<br />

Allgemeinen – und im Speziellen gilt dies<br />

leider auch ganz besonders immer für<br />

eine gegen C. difficile gerichtete – führt<br />

zu schweren Alterationen (als Dysbiose<br />

bezeichnet) in der mikrobiellen Zusammensetzung<br />

und schafft auf diese Weise<br />

eine wichtige Voraussetzung für eine unkontrollierte<br />

Proliferation von C. difficile.<br />

Eine FMT richtet sich somit nicht direkt<br />

gegen das Pathogen (Wie auch sollte ein<br />

Filtrat reich an verschiedensten Mikroorganismen<br />

gezielt C. difficile zu dezimieren<br />

vermögen?), sondern zielt auf die<br />

Wiederherstellung einer möglichst «normalen»,<br />

sprich «gesunden» (wenngleich<br />

von der ursprünglichen Zusammensetzung<br />

unterschiedlichen) mikrobiellen<br />

Zusammensetzung ab. D.h., die vorhandene<br />

Dysbiose wird beseitigt. FMT richtet<br />

sich also zwar nicht direkt gegen das ursächliche<br />

Pathogen, dennoch ist sie als<br />

kausal zu betrachten.<br />

Beachtliche Erfolgsraten<br />

In den letzten 15 Jahren sind zahlreiche<br />

Fallberichte und Fallserien zur Anwen-<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

39


PERSPEKTIVEN<br />

dung der FMT bei rCDI publiziert worden<br />

mit verblüffend hohen Erfolgsraten von<br />

etwa 90 Prozent. Dieser Erfolg provozierte<br />

nicht selten von Skepsis geprägte Vorwürfe<br />

von Kritikern dieses Verfahrens. Sie<br />

monierten, dass es sich nur um unkontrollierte<br />

Beobachtungen bzw. einen positiven<br />

Selektionsbias handelte. Seit Anfang<br />

2013 liegt nun endlich eine kontrollierte<br />

und randomisierte Studie vor, die berechtigterweise<br />

sehr hochrangig publiziert<br />

wurde. Die Überlegenheit der FMT (in<br />

diesem Fall via Duodenalsonde appliziert)<br />

gegenüber einer alleinigen antibiotischen<br />

Therapie mit Vancomycin oder Vancomycin<br />

+ eine Placebo-Sondenlösung war<br />

derartig klar gegeben, dass die Ethikkommission<br />

ein Weiterführen für die Patienten,<br />

welche in die Antibiotikagruppen<br />

randomisiert waren bzw. worden wären,<br />

als nicht vertretbar einstufte, worauf die<br />

Studie vorzeitig beendet wurde (5). Zu<br />

diesem Zeitpunkt war ca. ein Drittel der<br />

Patienten randomisiert worden, wobei ein<br />

Erfolg bei 15 von 16 Patienten mit FMT<br />

(93,8%, Patienten durften bis zu zweimal<br />

eine FMT erhalten; 3 der 16 Patienten benötigten<br />

eine zweite FMT mit Erfolg bei<br />

2/3) erzielt werden konnte, gegenüber 7<br />

von 26 in den Kontrollgruppen mit Vancocin<br />

mit/ohne Darmvorbereitung. Somit<br />

kann klar festgehalten werden, dass sich<br />

eine erstaunliche Kongruenz in den Erfolgsraten<br />

zwischen den zahlreichen Fallserien,<br />

dieser randomisierten Studie sowie<br />

auch unserer eigenen klinischen Erfahrung<br />

zeigt. Bei sorgfältiger Indikationsstellung<br />

lässt sich gemäss unseren Erfahrungen<br />

eine Heilung von der rCDI in<br />

deutlich über 90 Prozent der Fälle erreichen.<br />

Offene Fragen<br />

Weiterhin gibt es zur FMT mehr offene<br />

Fragen als Antworten. Welche Route der<br />

Administration ist zu bevorzugen (Duodenalsonde<br />

vs. Einlauf vs. Koloskopie)? Ist<br />

die Gabe von Antibiotika/Probiotika vor/<br />

während/nach einer FMT sinnvoll? Welchen<br />

Einfluss hat die Wahl des Spenders<br />

auf die Erfolgsraten (Verwandtschaftsgrad?<br />

Gleicher Haushalt?)? Wie steht es um<br />

die Sicherheit? D.h., wie hoch ist das Risiko<br />

der Übertragung eines – bisher womöglich<br />

noch unbekannten – infektiösen<br />

Agens bzw. einer Suszeptibilität einer mit<br />

mikrobiellen Zusammensetzung assoziierten<br />

Erkrankung? Wie sieht die genaue<br />

Aufbereitung «Transplantat» aus (Stuhlmenge,<br />

Mischverhältnis, frisch vs. tiefgefroren)?<br />

Die wohl häufigste offene Frage,<br />

mit der wir in der Praxis jedoch konfrontiert<br />

werden, ist die nach einer potentiellen<br />

Indikationserweiterung. Zahlreiche Patienten<br />

und mit ihnen ihre Angehörigen<br />

sowie auch einige ihrer behandelnden<br />

Ärzte möchten die FMT für ein breites<br />

Spektrum von Erkrankungen wie Diabetes<br />

mellitus, Adipositas, Reizdarmsyndrom,<br />

IBD, Multiple Sklerose, Parkinson,<br />

Chronic Fatigue Syndrome, Depression<br />

und vielem mehr anwenden. Insbesondere<br />

weil bisherige therapeutische Bemühungen<br />

oft mit unzureichendem Erfolg<br />

oder Nebenwirkungen behaftet waren.<br />

Gerade Letzteres wird mit diesem «sanften»<br />

und «natürlichen» Therapieansatz<br />

zu umgehen erhofft. Es muss klar festgehalten<br />

werden, dass die Datenlage zum<br />

Nutzen der FMT abseits der rCDI aber für<br />

praktisch sämtliche genannten Entitäten<br />

unzureichend (oft unkontrollierte Einzelbeschreibungen<br />

oder kleine Serien) bzw.<br />

sogar gänzlich inexistent ist. Die besten<br />

Studien gibt es noch zur Colitis ulcerosa,<br />

indessen sind die Resultate bzgl. Effektivität<br />

uneinheitlich. Wenn überhaupt,<br />

profitiert nur ein relativ kleiner Anteil der<br />

Patienten, wobei sich eine frappante Abhängigkeit<br />

vom gewählten Spender gezeigt<br />

hat. Warum bei dieser Indikation bei<br />

einem bestimmten Spender relativ viele<br />

Patienten erfolgreich behandelt werden<br />

konnten und bei anderen nicht, ist zum<br />

jetzigen Zeitpunkt noch völlig unklar,<br />

zumal sich keine spezifischen Auffälligkeiten<br />

in der mikrobiellen Spenderzusammensetzungen<br />

gezeigt hatten.<br />

Résumé und Ausblick<br />

Die FMT ist bei rCDI bestens etabliert, wobei<br />

die genaue Positionierung im therapeutischen<br />

Algorithmus der rCDI noch<br />

nicht abschliessend geklärt ist. Unserer<br />

Ansicht nach ist die FMT die Methode der<br />

Wahl bei einem zweiten oder höherzähligen<br />

Rezidiv; ggf. ist sie allerdings auch<br />

sinnvoll bei einem ersten Rezidiv (insbesondere<br />

bei schwerem Verlauf) oder selbst<br />

bei einer ersten fulminanten Infektion,<br />

die unzureichend oder nur protrahiert auf<br />

Vancomycin anspricht. Von einer Ausweitung<br />

auf andere Erkrankungen sollte<br />

ausserhalb von methodologisch guten<br />

Studien Abstand genommen werden. Dis<br />

bisherige Durchführung der FMT ist an<br />

verschiedenen Zentren uneinheitlich. Wegen<br />

der Vorabklärungen sowie der Aufbereitung<br />

des Transplantates ist sie aufwändig,<br />

durch den relativ hohen Arbeitsaufwand<br />

kostspielig und mit offenen Fragen<br />

behaftet. Zukünftig könnten hierfür<br />

standardisierte mikrobielle Lösungen mit<br />

definierter Zusammensetzung je nach<br />

Indikation bzw. idealerweise sogar adaptiert<br />

an die mikrobielle Zusammensetzung<br />

des Empfängers sowie ggf. Indikation<br />

zum Einsatz kommen. Bis dahin ist es<br />

aber (wenn überhaupt realistisch) ein<br />

weiter Weg.<br />

■<br />

Literaturverzeichnis<br />

1. Cohen, SH, Gerding, DN, Johnson, S, et al.<br />

Clinical practice guidelines for Clostridium<br />

difficile infection in adults: 2010 update by<br />

the society for healthcare epidemiology of<br />

America (SHEA) and the infectious diseases<br />

society of America (IDSA). Infect Control<br />

Hosp Epidemiol 2010;31:431–55.<br />

2. Debast, SB, Bauer, MP, Kuijper, EJ, et al.<br />

European Society of Clinical Microbiology<br />

and Infectious Diseases: update of the treatment<br />

guidance document for Clostridium<br />

difficile infection. Clin Microbiol Infect<br />

2014;20:1–26.<br />

3. Lessa, FC, Mu, Y, Bamberg, WM, et al. Burden<br />

of Clostridium difficile infection in the United<br />

States. The New England journal of medicine<br />

2015;372:825–34.<br />

4. Schwan, A, Sjölin, S, Trottestam, U, et al.<br />

Relapsing clostridium difficile enterocolitis<br />

cured by rectal infusion of homologous<br />

faeces. Lancet 1983;2:845.<br />

5. van Nood, E, Vrieze, A, Nieuwdorp, M, et al.<br />

Duodenal Infusion of Donor Feces for Recurrent<br />

Clostridium difficile. N Engl J Med 2013.<br />

40 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong>


PERSPEKTIVEN<br />

AUS DER «THERAPEUTISCHEN UMSCHAU»*<br />

Renale Hypertonie – die Rolle<br />

der Nieren bei der Entstehung<br />

der arteriellen Hypertonie<br />

und die Nieren als Endorgan<br />

Die Nieren spielen eine entscheidende Rolle bei der Blutdruckregulation, indem sie bei der Salz-Wasserregulation<br />

beteiligt sind und durch das Renin-Angiotensin-Aldosteronsystem selber über Instrumente<br />

zur Blutdruckregulation verfügen. Sie sind ebenfalls Effektororgan des sympathischen Nervensystems.<br />

Das Verständnis der Pathophysiologie führt zu einem gezielten Einsatz der Sub stanzklassen, welche zur<br />

Behandlung der arteriellen Hypertonie heute zur Verfügung stehen. Als renale Hypertonie bezeichnet<br />

man eine auf dem Boden einer Nierenerkrankung bestehende arterielle Hypertonie, wobei die Nieren<br />

auch Endorgan sind und der antihypertensiven Behandlung im Sinne einer optimalen «Nephroprotektion»<br />

eine besondere Bedeutung zukommt. Dies be inhaltet die Blutdruckbehandlung innerhalb der<br />

Zielwerte < 130/80 mmHg und ein Absenken der Proteinurie auf < 1 g/d.<br />

Nephrologie, Medizinische Universitätsklinik, Kantonsspital Baselland, Liestal<br />

Ineke Grendelmeier<br />

Pathogenese der<br />

arteriellen Hypertonie<br />

Das Verständnis der Entstehung der arteriellen<br />

Hypertonie wurde wesentlich durch<br />

die Arbeiten von Arthur Guyton in den<br />

1970er Jahren beeinflusst. A. Guyton postulierte,<br />

dass der Blutdruck vor allem<br />

durch die Kapazität der Nieren, Natrium<br />

auszuscheiden gesteuert wird und diese<br />

eine zentrale Rolle bei der Blutdruckregulation<br />

spielen [1]. Neuere Erkenntnisse<br />

unterstützen dies, zeigen aber auch, dass<br />

der Blutdruck nicht durch die Salz-Wasserregulation<br />

allein sondern zusätzlich<br />

durch Änderungen des Gefässsystems und<br />

des vegetativen Nervensystems im Langzeitverlauf<br />

beeinflusst wird [2].<br />

Renale Salz-/Wasserregulation<br />

Die renale Wasser-und Salzretention führt<br />

zu einer Erhöhung des Extrazellulärvolumens,<br />

des Blutvolumens und damit zu ei-<br />

* Der Artikel erschien ursprünglich in der «Therapeutischen<br />

Umschau» (2015; 72 (6): 369-374). <strong>VSAO</strong>-Mitglieder<br />

können die «Therapeutische Umschau» zu äusserst<br />

günstigen Konditionen abonnieren. <br />

Details s. unter www.hogrefe.ch/downloads/vsao.<br />

nem gesteigerten kardialen Output und<br />

einem Blutdruckanstieg. Dabei gelingt es<br />

der Niere durch Natrium-/Wasserretention<br />

respektive- Exkretion so fein zu regulieren,<br />

dass das Extrazellulärvolumen unter normalen<br />

Bedingungen lediglich um 10 %<br />

variiert. Diese Effekte sind gestört bei Patienten<br />

mit eingeschränkter Nierenfunktion.<br />

Das Guyton-Modell der Blutdruckregulation<br />

postuliert, dass Langzeitänderungen<br />

des Blutdruckes entweder durch Änderungen<br />

der Kapazität der Niere bei der Natriumexkretion<br />

und/oder der Natriumzufuhr<br />

bedingt sind.<br />

Neben der Salzausscheidung in Abhängigkeit<br />

der Nierenfunktion scheint der Salzkonsum<br />

eine Rolle bei der Entstehung der<br />

arteriellen Hypertonie zu spielen. In Populationen<br />

mit einem Salzkonsum von<br />

über 2.3 g Natrium/d (entspricht etwa 6 g<br />

Kochsalz/d) ist die Prävalenz der sogenannten<br />

«essentiellen Hypertonie» wesentlich<br />

grösser als in Populationen, welche<br />

einen Salzkonsum von unter 1.2 g<br />

Natrium/d (etwa 3 g Kochsalz/d) aufweisen,<br />

in welchen diese Form der Hypertonie<br />

fast nicht existent ist [3]. Eine salzreduzierte<br />

Diät führt zu einem Absinken des<br />

systolischen sowie des diastolischen Blutdrucks<br />

vor allem bei Individuen mit Hypertonie<br />

und in Abhängigkeit des Alters<br />

[4]. Somit scheint es zumindest Kochsalz-<br />

Grenzwerte zu geben, welche langfristig<br />

das Entstehen einer Hypertonie begünstigen<br />

oder diese verhindern respektive rückgängig<br />

machen.<br />

Kurzfristige Steigerungen der Salz zufuhr<br />

führen bei unterschiedlichen Probanden<br />

zu einer variablen Blutdruck erhöhung mit<br />

interindividuellen und intraindividuellen<br />

Unterschieden zu unterschiedlichen Zeitpunkten<br />

[4]. Dies wird als «Salzsensitivität»<br />

bezeichnet. Dabei reagieren Menschen<br />

afroamerikanischer Herkunft, Patienten<br />

mit metabolischem Syndrom oder<br />

Nierenerkrankungen sensibler auf eine<br />

abrupte Salzerhöhung und haben dadurch<br />

möglicherweise ein erhöhtes Risiko<br />

für die Entwicklung einer arteriellen Hypertonie<br />

(s. Abb. 1).<br />

Die genauen Mechanismen der Salzsensitivität<br />

sind nicht gut verstanden. Bei Patienten<br />

mit eingeschränkter Natriumexkretion<br />

kann die Blutdruckerhöhung als<br />

physiologische Antwort verstanden werden,<br />

indem die Niere via eine Druck-Diurese<br />

versucht eine erhöhte renale Perfusion<br />

und Natriumexkretion zu erreichen.<br />

Patienten mit einer normalen Nierenfunktion<br />

ist es möglich ohne eine Blutdruckerhöhung<br />

über die Suppression des<br />

Renins und eine Erhöhung des Atrial<br />

Natriuretic Peptides (ANP) die Natrium<br />

Ausscheidung zu steigern (s. Abb. 2).<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

41


PERSPEKTIVEN<br />

Abb. 1: Diese Graphik zeigt im Tierexperiment<br />

den Effekt einer erhöhten<br />

Salzlast auf den mittleren arteriellen<br />

Druck bei Individuen mit<br />

normaler Renin-Angiotensin-<br />

Alosteronaktivität (RAA), Probanden<br />

mit niedriger RAA und erhöhter<br />

RAA. Im Normalfall führt eine Salzbelastung<br />

zu keiner Blutdruckerhöhung,<br />

da die RAA gehemmt wird.<br />

Bei fixierten RAA (niedrig oder<br />

hoch) kommt es zu einer konstanten<br />

Salzretention und Blutdrucksteigerung,<br />

bis der Druck hoch genug<br />

für die Salzausscheidung ist<br />

(«Druck-Diurese»). Bei Probanden<br />

mit hoher RAA führt dies zu einem<br />

überhöhten Blutdruck. (Quelle:<br />

Guyton AT, Blood Pressure Control-<br />

Special Role of the Kidneys and<br />

Body Fluids; Sience 1991)<br />

Abbildung 2<br />

Zwei renale Mechanismen der Druck-Diurese<br />

sind beschrieben. Zum einen entsteht<br />

durch eine gesteigerte renale Perfusion<br />

eine Erhöhung des Blutflusses durch<br />

die Medulla, welche nicht autoreguliert<br />

ist. Dies erhöht den hy draulischen Druck<br />

im Interstitium und führt zu einer verringerten<br />

Flüssigkeitsaufnahme im Blut. Der<br />

zweite Mechanismus läuft über das Renin-Angiotensin-Aldosteronsystem.<br />

Das Renin-Angiotensin-<br />

Aldosteronsystem (RAAS)<br />

Durch ein Absinken der Natriumkonzentration<br />

und einem Bludruckabfall mit<br />

Verminderung des renalen Blutflusses<br />

und einer verminderten Dehnung des<br />

glomerulären Vas afferens kommt es zu<br />

Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteronsytems<br />

(RAAS), welches ein starker<br />

Blutdruckregulator ist. Es kommt zur<br />

Reninsekretion aus den Zellen des juxtaglomerulären<br />

Apparates (s. Abb. 3) und<br />

über Angiotensin I via das Angiotensin-<br />

Converting-Enzym zur Bildung von Angiotensin<br />

II, welches den Durst stimuliert,<br />

die Natrium- und Flüssigkeitsreabsorption<br />

in der Henle'schen Schleife und den distalen<br />

Nephronsegmenten steigert sowie<br />

via die Stimulation der Sekretion von Aldosteron<br />

und Arginin-Vasopressin und<br />

Hemmung des ANP die Rückresorption<br />

noch weiter steigert. Als Resultat steigt der<br />

Blutdruck und über negative Feedbackmechanismen<br />

wird das RAAS in der gesunden<br />

Niere nun gehemmt.<br />

Das RAAS ist nicht adäquat unterdrückt<br />

bei Patienten mit Hypertonie und bei einigen<br />

Patienten sogar erhöht. Besonders<br />

bei Patienten mit Nierenarterienstenose<br />

kommt es zu einer erhöhten Aktivität des<br />

RAAS. Dieser Effekt verliert aber mit zunehmender<br />

Fibrosierung und Sklerosierung<br />

des renalen Parenchyms und der<br />

intrarenalen Gefässe an Bedeutung, die<br />

Blutdrucksensibilität im juxtagloermulären<br />

Apparat und Interstitium nimmt ab,<br />

es kommt zu einer vermehrten Salzsensitivität<br />

und fixierten Hypertonie.<br />

Das vegetative Nervensystem<br />

Das sympathische Nervensystem wird<br />

über einen Blutdruckabfall stimuliert,<br />

wohingegen das parasympathische Nervensystem<br />

bei einer Blutdrucksteigerung<br />

stimuliert wird. Bei Patienten mit Hypertonie<br />

scheint der «set-point» sich an die<br />

bestehenden Blutdruckwerte angepasst zu<br />

42 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong>


PERSPEKTIVEN<br />

haben. Paradoxerweise haben diese Patienten<br />

eine erhöhte Herzaktivität, erhöhte<br />

Plasma-Katecholaminspiegel und eine<br />

erhöhte Aktivität sympathischer Nervenfasern.<br />

Diese Adaptation mit dem Ziel die<br />

erhöhten Blutdruckwerte zu erhalten<br />

scheint vor allem in den Barorezeptoren<br />

selber stattzufinden. Mit zunehmendem<br />

Alter werden durch athero sklerotische<br />

Veränderungen die arteriellen Gefässe<br />

weniger dehnbar und die Sensibilität der<br />

Barorezeptoren nimmt ab. Dies könnte<br />

erklären, warum ältere Patienten mit Hypertonie<br />

eine erhöhte Aktivität der sympathischen<br />

Nerven aufweisen und erhöhte<br />

Katecholaminspiegel zeigen.<br />

Renale Ursachen einer<br />

sekundären Hypertonie<br />

Renovaskuläre Hypertonie<br />

Die renovaskuläre Hypertonie ist im Wesentlichen<br />

durch die atherosklerotische<br />

Nierenarterienstenose und bei einem kleinen<br />

Teil durch eine fibromuskuläre Dysplasie<br />

(meist junge Frauen, perlschnurartigen<br />

Stenosen der Nierenarterie) bedingt<br />

und wird bei ca. 1 % der Patienten mit arterieller<br />

Hy pertonie klinisch diagnostiziert.<br />

Der pathophysiologische Zusammenhang<br />

zwischen Nierenarterienstenose (NAS) und<br />

Hypertonie ist bei der fibromuskulären<br />

Dysplasie weitgehend gegeben, bei der<br />

atheroklerotischen Nierenarterienstenose<br />

ist diese bei einem Grossteil der Patienten<br />

nicht ursächlich, da oft nicht nur ein solitäre<br />

Läsion der Nierenarterie sondern auch<br />

eine ischämische Nierenschädigung auf<br />

dem Boden von atherosklerotischen Veränderungen<br />

der kleinen Nierengefässe vorliegt.<br />

Klinisch sollte der Verdacht auf eine<br />

hämodynamisch relevante NAS bei einer<br />

therapierefraktären Hypertonie, einer Verschlechterung<br />

einer Hypertonie innert<br />

kurzer Zeit, Auftreten einer Hypertonie in<br />

jungem Alter, einer unklaren Verschlechterung<br />

der Nierenfunktion unter Blockade<br />

des RAAS, einer einseitig verkleinerten<br />

Niere, sowie bei rezidivierendem Lungenödem<br />

bei schwerer arterieller Hypertonie<br />

gehegt werden. Diagnostisch kommen die<br />

farbcodierte Duplexsonographie, die MRund<br />

CT-Angiographie und als Goldstandard<br />

die intraarterielle digitale Substraktionsangiographie<br />

zum Einsatz, wobei<br />

hierbei gleichzeitig eine PTRA durchgeführt<br />

werden kann.<br />

Bei der fibromuskulären Dysplasie ist der<br />

Stellenwert der Angioplastie gesichert [5],<br />

bei der atherosklerotischen NAS konnten<br />

zwei grosse Studien keinen Vorteil einer<br />

interventionellen Therapie zeigen [6, 7].<br />

Die Indikation für eine PTRA sollte hier<br />

bestimmten Fällen vorbehalten werden<br />

(z. B. rezidivierendes Lungenödem, therapierefraktäre<br />

Hypertonie, progrediente<br />

Niereninsuffizienz, junger Patient mit<br />

normaler Nierengrösse) [8].<br />

Abbildung 3: Nierengewebe (HE-Färbung, 400x vergrössert) und schematische Darstellung<br />

eines Glomerulums. Man erkennt die verschiedenen Bestandteile des Nierenkörperchens =<br />

Glomerulum (Kapselraum, parietales Blatt der Bowmanschen Kapsel, Basalmembran,<br />

Gefässpol) sowie eine afferente Arteriole mit den juxtaglomerulären/granulierten Zellen,<br />

welche Renin produzieren. Man erkennt auch die extraglomerulären Mesangiumzellen.<br />

(Quelle: Dr. med. Denes Kiss/Prof. W. Wegmann)<br />

Renal-parenchymatöse<br />

Hypertonie<br />

Unter einer renoparenchymatösen Hypertonie<br />

wird eine Hypertonie auf dem Boden<br />

einer Nierenerkrankung verstanden. Diese<br />

wird bedingt durch die eingangs erwähnten<br />

pathophysiologischen Grundlagen,<br />

indem Nierenerkrankungen zu einer<br />

Salz-Wasserretention, zu einer Aktivierung<br />

respektive Fixierung des RAAS und<br />

zu einer Aktivierung des sympathischen<br />

Nervensystems sowie zu einer Störung der<br />

Funktion des Endothels führen. Aus diesem<br />

Grunde sollten Patienten mit Hypertonie<br />

abgeklärt werden mittels einer Bestimmung<br />

des Kreatinins, Harnstoffs,<br />

Natriums und Kaliums im Serum sowie<br />

einer Urinstixuntersuchung, einer mikroskopischen<br />

Urinsedimentuntersuchung,<br />

der quantitativen Messung der Proteinurie<br />

und einer Sonographie der Nieren<br />

(s. Abb. 4). Ein normales Kreatinin<br />

schliesst das Vorliegen eines Nierenschadens<br />

nicht aus da dieser auch bei einer<br />

noch normalen glomerulären Filtrationsrate<br />

vorliegen kann (s. Abb. 5).<br />

Arterielle Hypertonie<br />

und Niereninsuffizienz<br />

Die arterielle Hypertonie kann Folge und<br />

Ursache einer Nierenerkrankung sein und<br />

somit ist die Wechselwirkung komplex.<br />

Abbildung 4: Abklärung bei renaler<br />

Hypertonie<br />

Neben dem Diabetes mellitus ist die arterielle<br />

Hypertonie in unseren Breitengraden<br />

eine der häufigsten Ur sachen einer<br />

terminalen Niereninsuffi zienz. Bei 80 %<br />

der Patienten mit Niereninsuffizienz<br />

kommt es zu einer arteriellen Hypertonie<br />

und diese ist die häufigste Sekundärkomplikation,<br />

welche bereits schon in frühen<br />

Stadien der Nierenerkrankung auftritt [9].<br />

Da die arterielle Hypertonie ein wichtiger<br />

Faktor bei der Progression der Nierenerkrankung<br />

und gleichzeitig ein Risikofaktor<br />

für die Entstehung kardiovaskulärer<br />

Erkrankungen ist, kommt ihrer<br />

Behandlung bei Patienten mit Niereninsuffizienz<br />

eine wichtige Bedeutung zu.<br />

Gleichzeitig sollte berücksichtigt werden<br />

dass das Voranschreiten der Niereninsuffizienz<br />

neben der Hypertonie noch durch<br />

andere Faktoren, wie z. B. das Vorliegen<br />

einer Proteinurie, eines Diabetes mellitus,<br />

einer Adipositas, Rauchen und genetischer<br />

Faktoren beeinflusst wird. Es ist günstig,<br />

wenn niereninsuffiziente Patienten ab<br />

dem Stadium 3 der Nieren erkrankung<br />

(Clearance < 59 – 30 ml/min/1,73 m2)<br />

in Zusammenarbeit mit einem Nephrolo-<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

43


PERSPEKTIVEN<br />

• eGFR 3 Monate<br />

• Und/oder: <br />

- persistierende Proteinurie/Albuminurie<br />

- pathologisches Urinsediment<br />

- Abnormale Bildgebung<br />

- Abnormale Blutanalysen (z.B. Hyperkaliämie, renal<br />

tubuläre Azidose)<br />

- Die Definition einer CKD variiert nicht mit dem Alter, auch<br />

wenn die Prävalenz hoch ist (25% der 70-jährigen). Eine<br />

GFR 1 g/d vorliegen oder bei<br />

Patienten mit Zystennieren. Gleichzeitig<br />

sollte ein Absinken der Proteinurie erzielt<br />

werden, im Idealfall < 0.3 g/d.<br />

Analog zu Patienten mit erhaltener Nierenfunktion,<br />

sollte die sogenannte «lifestyle-modification»<br />

Basis der Hypertoniebehandlung<br />

sein.<br />

Diese beinhaltet die salzarme Diät, Gewichtsreduktion,<br />

körperliche Aktivität,<br />

Rauchstopp und den moderaten Alkoholkonsum.<br />

Bei Patienten mit Niereninsuffizienz<br />

ist hierbei besonderes Augenmerk<br />

auf eine Fehlernährung zu lenken und<br />

eine Diätberatung kann von Vorteil sein.<br />

Besondere Bedeutung bei der Blutdrucksenkung<br />

kommt den ACE-Hemmern und<br />

den Sartanen zu. Zahlreiche Studien<br />

konnten bei Patienten mit diabetischer<br />

Nephropathie belegen, dass diese mit Vorteil<br />

eingesetzt werden sollten. Einerseits<br />

wegen der arteriellen Blutdrucksenkung<br />

und der Reduktion der Proteinurie andererseits<br />

scheinen diese Substanzgruppen<br />

zusätzlich einen nephroprotektiven Effekt<br />

zu haben, welcher bis dato noch nicht<br />

eindeutig geklärt ist. Dies kann mittlerweile<br />

auch für primäre Nierenerkrankungen<br />

angenommen werden.<br />

ACE-Hemmer und Sartane senken den<br />

intraglomerulären Druck und somit ist zu<br />

erwarten, dass das Kreatinin zu Beginn<br />

der Therapie ansteigt. Als Faustregel ist ein<br />

Kreatinin-Anstieg bis zu 30 % akzeptabel.<br />

Bei einem überdimensionalen Anstieg<br />

sollte eine Nierenarterienstenose oder eine<br />

Hypovolämie und Hypotonie vermutet<br />

und ausgeschlossen werden. Auch sollte<br />

eine Kombination mit NSAR strikte vermieden<br />

werden. Ebenso sollen Patienten<br />

mit Niereninsuffizienz unter einer solchen<br />

Therapie darüber informiert werden, dass<br />

zu Zeiten von Flüssigkeitsverlusten<br />

(Durchfall, Fieber, akute Erkrankung),<br />

der ACE-Hemmer oder das Sartan pausiert<br />

werden muss, was ebenfalls für die Diuretika<br />

gilt.<br />

Die zweite Komplikation ist die Hyperkaliämie,<br />

welche aufgrund der verminderten<br />

Aldosteronaktivität unter ACE-<br />

Hemmern/Sartanen vorkommen kann.<br />

Besonders gefährdet hierfür sind Patienten<br />

mit einem hyporeninämischen Hypoaldosteronismus,<br />

wie er bei Diabetikern<br />

auftreten kann. Ebenso ist Vorsicht geboten<br />

bei der Kombination von Spironolacton<br />

und ACE-Hemmern/ Sartanen. Diese<br />

Kombination ist vor allem bei Patienten<br />

mit Herzinsuffizienz üblich und kann bei<br />

kardiorenalem Syndrom und bei Patienten<br />

mit Hypovolämie zu einer gefährlichen<br />

Hyperkaliämie führen. Ebenso empfiehlt<br />

sich hier der Verzicht auf NSAR. Eine<br />

Kombination von Sartanen und ACE-<br />

Hemmern im Sinne einer «doppelten<br />

RAAS-Blockade» scheint bei der aktuellen<br />

Studienlage nicht empfehlenswert oder<br />

nur in Einzelfällen indiziert aufgrund der<br />

erhöhten Morbidität und Mortalität von<br />

Patienten unter dieser Therapie. Weitere<br />

Massnahmen zur Risikoreduktion einer<br />

Hyperkaliämie sind der gleichzeitige Einsatz<br />

eines Schleifendiuretikums oder eines<br />

Thiaziddiuretikums, die Korrektur einer<br />

metabolischen Azidose und eine kaliumarme<br />

Diät sowie der Einsatz von Kalium-<br />

Chelatbildnern.<br />

Reninantagonisten sind wirksam in der<br />

Blutdrucksenkung, die Sicherheit bei und<br />

der positive Effekt auf das Voranschreiten<br />

einer Niereninsuffizienz muss in Studien<br />

aber noch belegt werden.<br />

Eine besondere Bedeutung kommt bei<br />

Patienten mit Niereninsuffizienz dem<br />

Einsatz von Diuretika zu. Wie eingangs<br />

erwähnt kommt es bei Niereninsuffizienz<br />

zur Natriumretention, welcher mittels<br />

Schleifen-und Thiaziddiuretika entgegengewirkt<br />

werden kann. Dabei wirken Diuretika<br />

synergistisch mit ACE-Hemmern<br />

und Sartanen und werden im Idealfall<br />

kombiniert. Aufgrund ihrer Albuminbindung<br />

können Thiazide und Schleifendiuretika<br />

nicht glomerulär filtriert werden<br />

sondern werden über einen Ko-Transporter<br />

tubulär ausgeschieden. Dies erklärt,<br />

warum Patienten mit Hypalbuminämie<br />

(z. B. nephrotisches Syndrom) und mit<br />

Niereninsuffizienz (verminderter Plasmadurchfluss<br />

und verringerte Sekretionsleistung<br />

im Tubulus) höhere Dosen einer<br />

diuretischen Therapie benötigen. Gleichzeitig<br />

erklärt die flache Dosis-Wirkungsbeziehung<br />

und lange Halbwertzeit von<br />

Thiaziden, warum eine Dosissteigerung<br />

bei einer Clearance < 45 ml/min wenig<br />

effizient ist und eine Steigerung der Dosis<br />

bei Schleifendiuretika in diesem Stadium<br />

der Niereninsuffizienz eine bessere Wirkung<br />

erzielt.<br />

Kalziumantagonisten sind wirksam in der<br />

Hypertoniebehandlung, sind aber nicht<br />

gleich nephroprotektiv wie die oben erwähnten<br />

Substanzklassen und senken die<br />

Proteinurie weniger effizient. Möglicherweise<br />

hängt dies mit der vasodilatativen<br />

Wirkung der Kalziumantagonisten auf<br />

das Vas afferens des Glomerulums zusammen,<br />

welches eine Drucksteigerung im<br />

Glomerulum zur Folge hat. Somit empfehlen<br />

sich Kalziumantagonisten vor allem<br />

in Kombination mit einem ACE-<br />

44 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong>


PERSPEKTIVEN<br />

Ob und wie Betablocker einen positiven<br />

oder negativen Einfluss auf das Voranschreiten<br />

einer Niereninsuffizienz haben,<br />

muss ebenfalls in Studien noch belegt<br />

werden. Viele Patienten mit Nierenerkrankung<br />

weisen aber gleichzeitig cardiovaskuläre<br />

Erkrankungen auf und haben eine<br />

Indikation für einen Betablocker. Es bleibt<br />

ebenfalls noch zu belegen, ob Betalocker<br />

durch die Hemmung der sympathischen<br />

Ueberaktivität bei Niereninsuffizienz und<br />

Hypertonie einen positiven Effekt auf das<br />

Outcome von Nierenpatienten haben (Zusammenfassung<br />

Abb. 6).<br />

Abbildung 6: Wahl der antihypertensiven Therapie<br />

Hemmer oder einem Sartan und einer<br />

diuretischen Therapie. Idealerweise kann<br />

hier auch auf ein Kombinationspräparat<br />

zurückgegriffen werden um die Einnahme<br />

zu erleichtern.<br />

Schlussfolgerung<br />

Wichtige Grundlage bei der Behandlung<br />

von Patienten mit Niereninsuffizienz und<br />

arterieller Hypertonie ist das Verständnis<br />

der Pathophysiologie.<br />

Eine Hypertonie kann Ursache oder Folge<br />

einer Nierenerkrankung sein und Patienten<br />

mit arterieller Hypertonie sollten<br />

auf eine renale Ursache hin untersucht<br />

werden.<br />

■<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

45


PERSPEKTIVEN<br />

D as erleseneObjekt<br />

Arabische Diätetik im klösterlichen<br />

Einband<br />

Prof. Iris Ritzmann, Medizinhistorikerin in Zürich<br />

tabellarische Darstellung der Inhalte verweist.<br />

Das 1533 gedruckte Werk geht auf<br />

eine hochmittelalterliche arabische Handschrift<br />

zurück, ein Schüsselwerk der medizinischen<br />

Diätetik. Der Verfasser Ibn<br />

Butlan (gest. 1066) studierte Medizin in<br />

seiner Geburtsstadt Bagdad, einer blühenden<br />

Metropole des ostarabischen Reichs.<br />

Später wanderte er über Kairo und Konstantinopel<br />

nach Aleppo und Antiochien,<br />

wo er als Spitalarzt wirkte.<br />

Das Ziel Ibn Butlans beschränkte sich<br />

nicht auf eine ausgewogene, gesunde<br />

Lebensführung; er strebte das friedliche<br />

Zusammenleben der Religionsgemeinschaften<br />

an. Da er dem nestorianischen<br />

Christentum angehörte, wurde er jedoch<br />

von der römischen Reichskirche als Häretiker<br />

verfolgt. In der Renaissance ging sein<br />

Wunsch zumindest symbolisch in Erfüllung:<br />

Seine Schrift erhielt mit dem klösterlichen<br />

Notenblatt ein ehrendes Kleid.<br />

Die mit künstlerisch aufwendigen Holzschnitten<br />

bebilderten «Schachtafeln» und<br />

andere rare Kostbarkeiten sind im neueröffneten<br />

«Museum für medizinhistorische<br />

Bücher» im Kloster Muri zu bestaunen<br />

und – dank wissenschaftlich fundierter<br />

und zugleich gewitzter digitaler Aufarbeitung<br />

– auch selbst zu erkunden. ■<br />

Im 16. Jahrhundert waren Bücher Luxusware.<br />

Der Druck kostete viel Geld, und<br />

dann musste das Werk in Einzelanfertigung<br />

erst noch gebunden werden. Für den<br />

Einband über den hölzernen Buchdeckeln<br />

standen verschiedene Leder zur Auswahl.<br />

In Einzelfällen griff der Buchbinder auch<br />

zu widerstandsfähigem Pergament mit<br />

handschriftlichen Einträgen.<br />

Der im Bild sichtbare Einband stammt aus<br />

einem Antiphonar, einem klösterlichen<br />

Chorbuch mit liturgischen Gesängen. Der<br />

Text berichtet vom Auftrag Gottes an Noah.<br />

Die quadratischen Noten finden auf vier<br />

Linien Platz, wobei die für den Gesang<br />

zentrale Notenlinie in Rot erscheint. Den<br />

Beginn eines neuen Verses erkennt man<br />

an der blauen Initiale. Das schöne Notenblatt<br />

wurde offensichtlich aus dem Gesangsbuch<br />

herausgetrennt, um es als<br />

Einband für ein besonders kostbares Werk<br />

zu verwenden.<br />

Was also steckt zwischen den klösterlich<br />

umhüllten Buchdeckeln?<br />

Das Buch trägt den Titel «Schachtafelen<br />

der Gesuntheyt», der auf die damals neue,<br />

Museum für<br />

medizinhistorische<br />

Bücher Muri,<br />

Marktstr. 4,<br />

5630 Muri / AG<br />

E-Mail:<br />

info@mmbm.ch<br />

Öffnungszeiten, Angebote und<br />

Eintritt auf der Website:<br />

www.mmbm.ch<br />

46 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong>


IFAS<br />

Ärztekasse an der IFAS<br />

amétiq medical<br />

sage<br />

eHealth ist die grösste Veränderung<br />

im Gesundheitswesen seit 50 Jahren.<br />

Als standeseigene Genossenschaft<br />

weiss die Ärztekasse, was frei<br />

praktizierende Ärztinnen und Ärzte<br />

brauchen und bietet Lösungen an, die<br />

helfen, den immer umfangreicher<br />

werdenden administrativen Aufwand<br />

kostengünstig und effizient zu bewältigen.<br />

Mit MediWin CB und der webbasierten<br />

Variante I bietet Ihnen die Ärztekasse<br />

zwei umfassende, leistungsfähige<br />

Softwarelösungen für die Praxisadministration<br />

– inkl. Praxis agenda<br />

und elektronische Krankengeschichte.<br />

Mit «rockethealth» und einem Tablet<br />

haben Sie alle aktuellen Patientendaten<br />

inkl. kompletter Krankengeschichte<br />

immer zur Hand.<br />

Die neue Onlineplattform www.meine<br />

impfungen.ch sorgt dafür, dass der<br />

Zugriff zum Impfausweis Ihrer Patienten<br />

jederzeit und überall sichergestellt<br />

ist. Impfungen werden konsequent<br />

eingetragen, auf fällige<br />

Nachimpfungen wird automatisch<br />

hingewiesen. Testen Sie die neue<br />

Dienstleistung mit Ihrem eigenen<br />

Impfausweis am Stand der Ärztekasse!<br />

Reservieren Sie sich schon jetzt Ihren<br />

Beratungstermin an der IFAS<br />

<strong>2016</strong> unter:<br />

www.aerztekasse.ch/ifas<strong>2016</strong><br />

Ärztekasse<br />

Genossenschaft • Marketing<br />

Steinackerstrasse 35 • 8902 Urdorf<br />

Tel. 044 436 17 74<br />

Fax 044 436 17 60<br />

www.aerztekasse.ch<br />

marketing@aerztekasse.ch<br />

Unsere Kunden sind in vielen Fachrichtungen<br />

zu Hause – von der Einzelpraxis<br />

über die komplexe Gruppenpraxis<br />

bis hin zu medizinischen Zentren.<br />

amétiq bietet mit siMed Lösungen<br />

für die Praxisadministra tion, die<br />

elektronische Krankengeschichte<br />

und ist eHealth-Ready. Damit Sie<br />

mehr Zeit für Ihre Patienten haben.<br />

siMed – die beliebte elektronische<br />

Krankengeschichte mit integrierter<br />

Praxisadministration.<br />

siMed besticht durch die einfache<br />

und elegante Benutzerführung. Nutzen<br />

Sie siMed zur Führung der fachspezifischen<br />

Krankengeschichte und<br />

zur effizienten Erledigung Ihrer Praxisadministration.<br />

eHealth-Ready – setzen Sie die Basis<br />

für Ihre digitale Zukunft. Vernetzen<br />

Sie Ihre Praxis mit Online-Patiententerminen,<br />

externen Laboranalysen,<br />

Spitalüberweisungen und Leistungsabrechnungen.<br />

Digital und<br />

eHealth-Ready. Nutzen Sie unsere<br />

elektronische Community zum Austausch<br />

mit Ihren Kollegen.<br />

Rechenzentrum in der Schweiz – einfach<br />

sicher. Nutzen Sie die Vorteile<br />

unserer sicheren Data Center Services<br />

zur Verwaltung Ihrer sensiblen<br />

Praxisdaten. Starten Sie klein und<br />

ohne Anfangsinvestition mit unserer<br />

Mietlösung siMedESSENTIAL. Danach<br />

wächst siMed mit Ihnen. Wählen<br />

Sie zudem zwischen Apple oder<br />

Windows Geräten.<br />

Wir freuen uns auf Ihren Besuch an<br />

der IFAS, Halle 7, Stand 117.<br />

Bereit für die digitale<br />

Zukunft in Pflege, Betreuung<br />

und Verwaltung<br />

Mit der Softwarelösung Sage 200<br />

Extra Care führen Sie sämtliche Geschäftsprozesse<br />

in Ihrer Institution<br />

aus einer Hand.<br />

Effizient. Sicher. Papierlos.<br />

Am Stand 104 in der Halle 7 zeigen<br />

wir Ihnen, wie Sie:<br />

• mit der Pflegedokumentation Ihre<br />

Leistungen nachvollziehbar und<br />

elektronisch dokumentieren. Sie<br />

entscheiden, ob Sie nach RAI (HC/<br />

NC), BESA oder IBB arbeiten.<br />

• die mobile Care App in Ihrem Pflege-<br />

und Betreuungsalltag unterstützt<br />

und Sie direkt am Ort des<br />

Geschehens den z.B. Tagesplan<br />

einsehen, Vitalwerte erfassen,<br />

Blutzucker messen und die Insulinabgabe<br />

dokumentieren.<br />

• dank Heimverwaltung administrative<br />

Aufgaben wie Bewohnerverwaltung,<br />

Fakturierung und Auswertungen<br />

zeitsparend erledigen.<br />

• Medikamentenbestellungen zentral,<br />

sicher und elektronisch abwickeln,<br />

immer mit Zugriff auf die<br />

vollständige und aktuelle Medikamentendatenbank<br />

(careINDEX®).<br />

• den Mahlzeitendienst von der Menügestaltung,<br />

Bestellung durch<br />

Bewohner, über die Tourenplanung<br />

bis zur Auslieferung und korrekten<br />

Verrechnung durchgängig digital<br />

abbilden.<br />

Lernen auch Sie Sage 200 Extra Care<br />

kennen. Direkt an der IFAS oder an<br />

einer unverbindlichen Präsentation in<br />

Ihrer Institution.<br />

Sage200.info@sage.com<br />

058 944 11 11<br />

www.sage-care.ch<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

47


MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />

BRIEFKASTEN<br />

Mit meiner Arztpraxis bin ich in einem Geschäftshaus eingemietet. Der<br />

Röntgenraum bedurfte einer umfassenden Renovation. Zu diesem<br />

Zweck hatte ich einen (Werk-)Vertrag mit einem Unternehmer abgeschlossen.<br />

Nach der Renovation stellte sich heraus, dass der Strahlenschutz<br />

ungenügend ist. Aus diesem Grund bin ich nicht bereit, die<br />

Rechnung des Unternehmers vollständig zu bezahlen. Dieser beharrt<br />

allerdings auf vollständiger Bezahlung. Was muss ich nun tun? Welche<br />

möglichen Konsequenzen ergeben sich aus der Sachlage?<br />

Sollte der Strahlenschutz ungenügend sein, dann handelt es sich hierbei um einen<br />

Werkmangel. Dieser muss dem Unternehmer umgehend zur Kenntnis gebracht werden.<br />

Aus Beweisgründen sollte der Mangel schriftlich, am besten per Einschreiben, und so<br />

detailliert wie möglich gerügt werden. Eine E-Mail reicht nicht.<br />

Zudem ist es empfehlenswert, dem Unternehmer in diesem Schreiben eine Frist zur<br />

Reparatur zu setzen.<br />

Gerne dürfen Sie sich an dieser Stelle schon mit Ihrer Rechtsschutzversicherung in<br />

Verbindung setzen, damit die weiteren Schritte besprochen werden können.<br />

lic. iur. Sven Walser, Rechtsanwalt,<br />

LL.M., AXA-ARAG Rechtsschutz AG,<br />

Immobilienrecht<br />

Insbesondere gilt es nämlich zu verhindern, dass der Unternehmer ein Bauhandwerkerpfandrecht<br />

auf dem Grundstück des Eigentümers eintragen lässt. Dieses Recht steht<br />

allen Unternehmern für ihre Forderungen zu, die auf einem Grundstück zu Bauwerken,<br />

hier zum Röntgenraum, Material und Arbeit oder Arbeit allein geliefert haben. Dabei<br />

spielt es keine Rolle, ob der Eigentümer/Vermieter oder – wie in diesem Beispiel – der<br />

Mieter die Renovationsarbeiten vergeben hat.<br />

Sofern also der Mieter die Forderung des Unternehmers nicht begleicht, kann Letzterer<br />

auf dem Grundstück des Vermieters grundsätzlich ein Pfandrecht im Grundbuch eintragen<br />

lassen, womit im schlimmsten Falle die Zwangsversteigerung der Praxisräumlichkeiten<br />

oder des gesamten Geschäftshauses droht.<br />

Wenn die Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts nicht verhindert werden kann,<br />

dann blüht dem Mieter neben dem Streit bezüglich Rechnung des Unternehmers somit<br />

ein weiterer Streit mit dem Vermieter, da Letzterer das Pfandrecht auf seinem Grundstück<br />

wieder gelöscht haben will.<br />

Aus diesem Grund empfiehlt es sich, bereits vor Eröffnung einer Praxis eine Rechtsschutzversicherung<br />

abzuschliessen, welche mietrechtliche wie werkvertragliche Streitigkeiten<br />

deckt.<br />

Zusammen mit dem Versicherungsnehmer prüft die Versicherung die Situation und legt<br />

das Vorgehen fest. In einem ersten Schritt wird mit den verschiedenen Parteien eine<br />

einvernehmliche Lösung gesucht.<br />

In Ihrem Fall müsste also zuerst die Berechtigung der Forderung des Unternehmers<br />

resp. die Mangelhaftigkeit des Röntgenraumes (allenfalls mittels Gutachten) geprüft<br />

werden. Findet man eine Lösung mit dem Unternehmer, dann wird dieser auch bereit<br />

sein, das eingetragene Pfandrecht löschen zu lassen, womit auch der Streit mit dem<br />

Vermieter beigelegt wäre.<br />

Andernfalls bleibt nur eine gerichtliche Lösung. Ihre Rechtsschutzversicherung wird Sie<br />

in einem Gerichtsverfahren bei Versicherungsdeckung gerne unterstützen. ■<br />

AXA-ARAG bietet MEDISERVICE-Mitgliedern eine Rechtsschutzversicherung zu sehr<br />

vorteilhaften Konditionen an. Haben Sie noch weitere Fragen? Wenden Sie sich an<br />

Ihren Ansprechpartner bei der MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC.<br />

48 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong>


MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />

<strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

49


IMPRESSUM<br />

KONTAKTADRESSEN DER SEKTIONEN<br />

<strong>Nr</strong>. 5 • 35. Jahrgang • <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong><br />

Herausgeber/Verlag<br />

AG<br />

<strong>VSAO</strong> Sektion Aargau, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />

Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />

Telefon 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />

MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />

Bahnhofplatz 10A, Postfach, 3001 Bern<br />

Telefon 031 350 44 88, Fax 031 350 44 89<br />

journal@vsao.ch, journal@asmac.ch<br />

www.vsao.ch, www.asmac.ch<br />

Im Auftrag des <strong>VSAO</strong><br />

Redaktion<br />

Catherine Aeschbacher (Chefredaktorin),<br />

Franziska Holzner-Arnold, Kerstin Jost, Lukas Staub,<br />

Jan Vontobel, Anna Wang, Sophie Yammine<br />

Geschäftsausschuss <strong>VSAO</strong><br />

Daniel Schröpfer (Präsident),<br />

Anja Zyska Cherix (Vizepräsidentin), Angelo Barrile<br />

(Vizepräsident), Nora Bienz, Christoph Bosshard,<br />

Cyrill Bühlmann, Michel Clément, Marc Oliver Eich<br />

(swimsa), Karin Etter, Lars Frauchiger,<br />

Dina-Maria Jakob, Gert Printzen, Miodrag Savic,<br />

Hervé Spechbach, Marius Suter<br />

Druck, Herstellung und Versand<br />

Stämpfli AG, Wölflistrasse 1, CH-3001 Bern<br />

Telefon +41 31 300 66 66<br />

info@staempfli.com, www.staempfli.com<br />

Layout<br />

Tom Wegner<br />

Inserate<br />

Ringier Axel Springer Schweiz AG, Fachmedien<br />

Förrlibuckstrasse 70, Postfach, 8021 Zürich<br />

Telefon 043 444 51 05, Fax 043 444 51 01<br />

vsao@fachmedien.ch<br />

Auflagen<br />

Druckauflage: 22 851 Expl.<br />

WEMF/SW-Beglaubigung 2015: 21 136 Expl.<br />

Erscheinungshäufigkeit: 6 Hefte pro Jahr.<br />

Für <strong>VSAO</strong>-Mitglieder im Jahresbeitrag inbegriffen.<br />

ISSN 1422-2086<br />

Ausgabe <strong>Nr</strong>. 6/<strong>2016</strong> erscheint im Dezember <strong>2016</strong>.<br />

Thema: Top up (inkl. Verbandsjournal)<br />

© <strong>2016</strong> by <strong>VSAO</strong>, 3001 Bern<br />

Printed in Switzerland<br />

BL/BS<br />

BE<br />

<strong>VSAO</strong> Sektion beider Basel,<br />

Geschäftsleiterin und Sekretariat: lic. iur. Claudia von Wartburg, Advokatin,<br />

Hauptstrasse 104, 4102 Binningen, Telefon 061 421 05 95,<br />

Fax 061 421 25 60, sekretariat@vsao-basel.ch, www.vsao-basel.ch<br />

<strong>VSAO</strong> Sektion Bern, Geschäftsführung: Janine Junker, Gerhard Hauser,<br />

Schwarztorstrasse 7, 3007 Bern, Telefon 031 381 39 39, Fax 031 381 82 41,<br />

bern@vsao.ch, www.vsao-bern.ch<br />

FR ASMAC Sektion Freiburg, Gabriela Kaufmann-Hostettler, Wattenwylweg 21,<br />

3006 Bern, Tel. 031 332 41 10, Fax 031 332 41 12, info@gkaufmann.ch<br />

GE Associations des Médecins d’Institutions de Genève, case postale 23,<br />

Rue Gabrielle-Perret-Gentil 4, 1211 Genf 14, amig@amig.ch, www.amig.ch<br />

GR<br />

JU<br />

Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte Sektion<br />

Graubünden, 7000 Chur, Samuel B. Nadig, lic. iur. HSG, RA Geschäftsführer/<br />

Verbandsjurist, Tel. +41 78 880 81 64, info@vsao-gr.ch / www.vsao-gr.ch<br />

ASMAJ c/o Karim Bayoumy, Rue de l’Église 6, 2800 Delémont,<br />

ASMAC.jura@gmail.com<br />

NE ASMAC Sektion Neuenburg, Joël Vuilleumier, Jurist, Rue du Musée 6,<br />

Postfach 2247, 2001 Neuenburg, Tel. 032 725 10 11, vuilleumier@valegal.ch<br />

SG/AI/AR <strong>VSAO</strong> Sektion St.Gallen-Appenzell, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />

Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />

Telefon 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />

SO<br />

TI<br />

TG<br />

VD<br />

VS<br />

<strong>VSAO</strong> Sektion Solothurn, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />

Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />

Telefon 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />

ASMACT, Associazione Medici Assistenti e Capiclinica Ticinesi,<br />

Avv. Lorenza Pedrazzini, c/o Ordine dei Medici del Cantone Ticino,<br />

Via Cantonale-Stabile Qi, 6805 Mezzovico-Vira,<br />

Tel. 091 930 63 00, Fax 091 930 63 01, lorenza.pedrazzini@gmail.com<br />

<strong>VSAO</strong> Sektion Thurgau, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />

Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />

Telefon 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />

ASMAV, case postale 9, 1011 Lausanne-CHUV,<br />

asmav@asmav.ch, www.asmav.ch<br />

ASMAVal, p.a. Maître Valentine Gétaz Kunz,<br />

Ruelle du Temple 4, CP 20, 1096 Cully, contact@asmaval.ch<br />

Zentralschweiz (LU, ZG, SZ, GL, OW, NW, UR)<br />

<strong>VSAO</strong> Sektion Zentralschweiz, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />

Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />

Telefon 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />

Gütesiegel Q-Publikation<br />

des Verbandes Schweizer Medien<br />

ZH<br />

Zürcher Spitalärzte und Spitalärztinnen <strong>VSAO</strong>, Dr. R. M. Reck,<br />

Bahnhofstrasse 3, 8610 Uster, Telefon 044 941 46 78, Fax 044 941 46 67,<br />

info@vsao-zh.ch, www.vsao-zh.ch<br />

50 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!