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Schautafeln Wehrer Erdmannsweg - Erdmannsreich

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Schautafel_00 19.07.2006 16:47 Uhr Seite 1<br />

ERDMANNSWEGE HASEL/WEHR<br />

Haseler und <strong>Wehrer</strong><br />

<strong>Erdmannsweg</strong>e<br />

Seit 200 Jahren ist die Erdmannshöhle eine Attraktion, die viele Besucher begeistert.<br />

Was allerdings die Wenigsten bemerkt haben – auch die Umgebung der Höhle hat<br />

viele Überraschungen zu bieten.<br />

Auf den beiden <strong>Erdmannsweg</strong>en kann man erleben, wie vielfältig das Wasser im Laufe der Erdgeschichte unsere Landschaft geformt hat und dies<br />

auch weiterhin tut.<br />

Unternehmen Sie einen gut 4 km langen Spaziergang auf dem <strong>Wehrer</strong> <strong>Erdmannsweg</strong>, und Sie können entdecken<br />

• wie die letzte Eiszeit hier ihre Spuren hinterlassen hat, obwohl es im Haseltal keinen Gletscher gab,<br />

• was mit dem Wasser des Höhlenbachs geschieht,<br />

• wie weiches Wasser stärker ist als harter Fels,<br />

• weshalb Sie gerade hier Hexengeld finden können,<br />

nicht jedoch im nahen Schwarzwald,<br />

• wie eine schöne Wiese plötzlich durchlöchert wurde,<br />

• was die Erdmannshöhle mit den Eiszeiten zu tun hat.<br />

Auf dem etwa 3,5 km langen Haseler <strong>Erdmannsweg</strong><br />

werden Sie herausfinden,<br />

• was die Magd im Keller erleben musste,<br />

• wie die Haseler einst Fische sammeln gingen,<br />

• wie ein Bach ganz normal ein Tal gestaltet,<br />

• um kurz darauf wie vom Erdboden<br />

verschluckt zu sein<br />

• und wie es die Natur geschafft hat,<br />

dass sich zwei Bäche kreuzen und jeder<br />

in seiner Richtung weiter fließt.<br />

Beide Wege haben kurze steile Passagen und sind<br />

deshalb nicht für Kinderwagen und Rollstühle geeignet.<br />

<strong>Erdmannsweg</strong>e<br />

Ein Projekt der<br />

Gemeinde und der<br />

gefördert mit<br />

Mitteln des<br />

Naturpark<br />

Südschwarzwald<br />

„Tropische Meere,<br />

Staubstürme, arktische<br />

Kälte und Hochwasser: All das<br />

haben wir Erdmänner in unserem<br />

langen Leben hier schon erlebt.<br />

Ihr glaubt mir nicht?<br />

Dann kommt doch einfach mit auf die Erd-<br />

mannswege, und ich zeige Euch die Spuren<br />

des Meeres, der Eiszeit und einige Über-<br />

raschungen; zum Beispiel, was<br />

das Wasser hier so alles an-<br />

stellen kann!“<br />

Übersichts-Tafel


Schautafel_00 19.07.2006 16:47 Uhr Seite 2<br />

ERDMANNSWEGE HASEL/WEHR<br />

mehr entdecken: www.transinterpret.net<br />

2006<br />

Interpretieren ist mehr als bloße Information über Daten und<br />

Fakten. Freizeitangebote mit dem Transinterpret Qualitätszeichen<br />

erschließen regionale Besonderheiten unter Blickwinkeln, die für<br />

die Besucher bemerkenswert sind.<br />

Idee, Konzeption, wissenschaftliche Blockbilder:<br />

Dr. Karsten Piepjohn (Bundesanstalt für<br />

Geowissenschaften und Rohstoffe)<br />

Texte und didaktische Ausarbeitung:<br />

Lehnes Landschaftsinterpretation<br />

Layout und Erdmänner: Jeannot Weißenberger<br />

Werbeagentur · Grafik-Atelier<br />

Reinzeichnung der Blockbilder: Emde Grafik


Wehr_01 19.07.2006 11:42 Uhr Seite 1<br />

WEHRER ERDMANNSWEG<br />

1<br />

Als die Hasel wild geworden<br />

So ähnlich<br />

sahen das<br />

Haseltal und<br />

der Dinkelberg<br />

während der<br />

Eiszeit aus<br />

(Foto von<br />

Nordgrönland)<br />

Vor 20.000 Jahren<br />

bin ich hier spazieren gegangen –<br />

Es ist Eiszeit…<br />

…und die Hasel ist meistens ein friedlicher Bach. Doch wenn der<br />

Frühsommerregen den Schnee im Schwarzwald dahin schmelzen<br />

lässt, wird sie zum reißenden Wildwasser.<br />

Dann bringen die Schmelzwasserfluten Schlamm und Steine von<br />

den kahlen Bergen mit. Hier, wo das Tal flacher ist, erlahmt ihre<br />

Kraft etwas und die schwereren Gerölle bleiben liegen.<br />

Im Laufe der Würm-Eiszeit (115.000 bis 10.000 Jahre vor heute)<br />

bedeckte die Hasel das Tal mit einer 10 m mächtigen Geröll-<br />

schicht.<br />

und zwar etwa 10 Meter über Euren Köpfen.<br />

Das ganze Tal der Hasel war damals mit<br />

Geröll und Sand ausgefüllt. Noch heute könnt<br />

Ihr Reste dieses alten Talbodens entdecken:<br />

es ist die Ebene oberhalb des steilen<br />

Hangs auf der anderen<br />

Bachseite.<br />

Es wird wieder wärmer<br />

Aue und Niederterrasse der Hasel heute.<br />

Die Hasel hat sich bereits wieder in den<br />

Muschelkalk eingeschnitten.<br />

Niederterrasse<br />

Nach der Eiszeit wagen sich wieder Bäume in die Höhenlagen<br />

vor – erst Birken und Kiefern, später Buchen und Tannen. Nun<br />

sorgt die schützende Pflanzendecke dafür, dass die Bergbäche<br />

der Hasel weniger Geröll zuführen.<br />

Die Hochwasser der Hasel räumten seither den größten Teil ihrer<br />

eiszeitlichen Ablagerungen wieder aus.<br />

Die Hasel als eiszeitlicher Wildfluss<br />

Geographen nennen solche Reste alter Talböden aus<br />

der Würm-Eiszeit Niederterrassen. Sie liegen zwar<br />

höher als der heutige Talgrund. Trotzdem heißen sie<br />

„Nieder“terrassen, weil es, wie Sie später sehen<br />

werden, noch höher gelegene Terrassen gibt.


Wehr_02 19.07.2006 11:43 Uhr Seite 1<br />

WEHRER ERDMANNSWEG<br />

2<br />

Quellen, die fast<br />

immer trocken<br />

sind<br />

Nanu, was ist<br />

denn hier los? Ich habe<br />

solchen Durst und weiß noch<br />

genau, dass hier an mehreren<br />

Stellen Wasser aus der Böschung<br />

kam. Ihr könnt noch sehen, dass<br />

es die Erde weggespült hat.<br />

Wo ist das Wasser nur geblieben?<br />

Sehr merkwürdig! Da muss ich<br />

wohl noch ein bisschen weiter<br />

gehen, um etwas zum<br />

Trinken zu finden.<br />

Trockene Quellen<br />

Die meisten Quellen schütten stetig eine kleine<br />

Wassermenge. Diese Quellen in der Böschung<br />

hier sind jedoch fast immer trocken. Nur manch-<br />

mal quillt hier Wasser aus der Böschung – dann<br />

aber ziemlich viel.<br />

Damit Sie das erleben können, müssen Sie eine<br />

lange Regenperiode abwarten, oder eine große<br />

Menge Schnee muss schnell geschmolzen sein.


Wehr_03 19.07.2006 11:44 Uhr Seite 1<br />

WEHRER ERDMANNSWEG<br />

3<br />

Ein Bach verlässt den Berg<br />

Auch diese Karstquelle ist anders als normale Quellen - kein kleines Rinnsal, sondern bereits ein richtiger Bach.<br />

Tatsächlich kommt hier der Höhlenbach aus der Erdmannshöhle ans Tageslicht.<br />

Hochwasser im Berg<br />

Wie jeder andere Bach führt auch der<br />

Höhlenbach manchmal Hochwasser.<br />

Er hat aber keine Talaue, die er über-<br />

schwemmen könnte. So staut sich<br />

das Wasser in den engen Klüften und<br />

der Grundwasserspiegel steigt immer<br />

höher – bis das Wasser Klüfte findet,<br />

die an anderer Stelle ins Freie führen.<br />

Ein solcher Überlauf sind die „trocke-<br />

nen Quellen“ an der Wegböschung<br />

Richtung Hasel.<br />

Endlich habe ich eine<br />

sprudelnde Quelle gefunden.<br />

Hier kommt richtig viel Wasser,<br />

selbst in trockenen Sommern.<br />

Aber das Wasser<br />

schmeckt irgendwie anders<br />

als das der Schwarzwaldbäche –<br />

es ist so hart auf meiner Erd-<br />

manns-Zunge!? Ob da vielleicht<br />

irgendetwas drin ist?<br />

Hartes Wasser<br />

Das Wasser ist zwar meist völlig klar.<br />

Trotzdem transportiert es mit jedem<br />

Tropfen eine winzige Menge des ge-<br />

lösten Kalks ab. Wasser mit viel gelös-<br />

tem Kalk ist „hart“.<br />

<strong>Wehrer</strong> Brunnen<br />

Im Haushalt ist hartes, also kalkhaltiges<br />

Wasser problematisch: In Waschma-<br />

schine, Kaffeemaschine oder im Wasser-<br />

kocher hinterlässt es Kalksteinkrusten.


Wehr_04 19.07.2006 11:45 Uhr Seite 1<br />

WEHRER ERDMANNSWEG<br />

4<br />

Erstaunlich: In einem nur 35 m tiefen Meer entstanden 75 m mäch-<br />

tige Kalkschichten!<br />

Wenn sich der gesamte im Wasser gelöste Kalk aus dem 35 m tie-<br />

fen Meer plötzlich am Boden absetzen würde, dann ergäbe dies<br />

eine ganz dünne, nicht einmal 1 mm hohe Kalksteinschicht.<br />

Doch die Kalkmassen des Oberen Muschelkalks sind hier bei Wehr<br />

etwa 75 m mächtig! Wie ist das möglich?<br />

Flüsse bringen den Meeren vom Festland ständig Nachschub an<br />

gelöstem Kalk mit. Und die Ausfällung des Kalks im Meer war ein<br />

sehr langsamer Vorgang: Knapp 50 Jahre hat es gedauert, bis die<br />

Kalkmenge für 1 mm Kalkstein zu Boden gesunken ist.<br />

Doch geologische Zeiträume sind lang, unvorstellbar lang. Die win-<br />

zige Menge jährlich ausgefällten Kalks summierte sich im Laufe<br />

von 3,5 Millionen Jahren zu den 75 m mächtigen Schichten des<br />

Oberen Muschelkalks.<br />

Das war allerdings nur möglich, weil der Meeresboden gleichzeitig<br />

langsam absank – sonst wäre das Meer<br />

längst verfüllt worden.<br />

Kalkbänke<br />

Wer diese Kalkbänke berührt,<br />

berührt ehemaligen Meeresboden<br />

Der Kalk hier stammt vom Grund des Muschelkalkmeeres. Während<br />

der mittleren Trias bedeckte dieses Meer weite Teile Deutschlands.<br />

„Mitteleuropa“ befand sich damals viel weiter im Süden, ungefähr auf<br />

der Breite der heutigen Bahamas.<br />

Wie im Wasserkocher<br />

So ähnlich wie sich Kalk im Wasserkocher absetzt, wenn Sie hartes<br />

Wasser verwenden, so schieden sich im warmen Wasser des Muschel-<br />

kalkmeeres feinste Kalkflocken ab. Je wärmer Wasser wird, desto we-<br />

niger gelösten Kalk kann es enthalten.<br />

Tatsächlich waren auch noch verschiedene Lebewesen an der Kalk-<br />

bildung beteiligt. Dazu an anderer Stelle mehr…<br />

Wunderbar warmes<br />

und klares Wasser –<br />

hier wo die Menschen später<br />

Hasel und Wehr bauen werden.<br />

Aber noch gibt es keine Menschen.<br />

Nur vor Haien und Fischsauriern<br />

muss ich mich in Acht<br />

nehmen.


Wehr_05 19.07.2006 11:46 Uhr Seite 1<br />

WEHRER ERDMANNSWEG<br />

15<br />

Karies und Karst:<br />

Säuren greifen Zähne an –<br />

und ganze Berge<br />

Der Kalkstein des Muschelkalks ist zwar im Wasser entstanden, doch hier wird er vom Wasser angegriffen.<br />

Weiches, säurehaltiges Wasser löst Kalkstein auf. Immer nur ganz wenig, aber im Laufe der Jahrtausende erweitert es feine<br />

Risse zu rundlichen Löchern.<br />

Durch solche Löcher versickert das Oberflächenwasser sehr schnell – und dabei bearbeitet es das Gestein weiter. Hier spielt<br />

sich Ähnliches ab wie im Mund, wenn die Zähne unter Karies leiden, nur dass die Löcher im Berg viel größer werden. Feine<br />

Klüfte erweitert das Wasser schließlich zu großen Höhlen. Man sagt, das Gestein verkarstet.<br />

Auch für die Löcher in den Zähnen sind Säuren verantwortlich. Diese Säuren werden von Bakterien im Zahnbelag erzeugt,<br />

wenn sie Zucker verdauen.<br />

Doch wer macht das<br />

Regenwasser sauer?<br />

Wasser nimmt ganz natürlicherweise CO2<br />

aus der Luft auf. Daraus bildet sich im<br />

Wasser die Kohlensäure.<br />

Darüber hinaus atmen die Pflanzenwurzeln<br />

im Dunkel des Bodens, verbrauchen dabei<br />

Sauerstoff und geben Kohlensäure und an-<br />

dere Säuren ins Bodenwasser ab. Deshalb<br />

finden Sie hier die Lösungsformen gerade<br />

im Wurzelbereich der Pflanzen.<br />

Kohlensäure bildet sich aus Wasser und Kohlendioxid, das aus der Luft ins Wasser gelangt:<br />

CO2 (gelöst) + H2O H2CO3 (Kohlensäure).<br />

Kohlensäure löst das Kalziumkarbonat des Kalksteins auf:<br />

Lösungsverwitterung im Kalkstein:<br />

Wurzeln erweitern schmale Klüfte, indem sie Säure<br />

ins Bodenwasser abgeben.<br />

CaCO3 (Kalziumcarbonat) + H2CO3 (Kohlensäure) Ca 2+ (gelöst) + 2HCO3 - (Hydrogencarbonat).<br />

„Hoppla, wer<br />

hat denn hier die<br />

Löcher und Gänge in den<br />

harten Kalkstein gebohrt?<br />

Ein Tier mit ganz harten Zähnen?<br />

Oder jemand mit einem Stahl-Bohrer?<br />

Nichts dergleichen: Es ist etwas<br />

viel weicheres, und zwar<br />

„weiches“ Wasser!“<br />

Karst


Wehr_06 19.07.2006 11:48 Uhr Seite 1<br />

WEHRER ERDMANNSWEG<br />

6<br />

Hexengeld aus gefräßigen Lilien<br />

Hexengeld und Wichtelpfennige<br />

Wenn Sie den Stein am Wegrand einmal genauer betrachten, werden Ihnen<br />

runde Scheibchen auffallen. Zwar sind sie kleiner als heutige 1-Cent-Stücke,<br />

dafür aber viel, viel älter.<br />

Die alten Haseler erzählten, diese merkwürdigen Gebilde seien „Hexengeld“<br />

oder „Wichtelpfennige“. Heute glaubt keiner mehr an solche Deutungen,<br />

doch die wahre Geschichte dieser kleinen Scheibchen ist ebenso merk-<br />

würdig.<br />

Zu tief darf ich<br />

hier nicht tauchen,<br />

sonst erwischt mich<br />

noch eine hungrige Lilie.<br />

Ihr glaubt mir nicht?<br />

Hier könnt Ihr noch<br />

ihre Reste sehen.<br />

Hungrige Seelilien haben hier auf Beute gewartet<br />

Die Scheibchen stammen von Seelilien, die am Grunde des Muschelkalkmeeres lebten. Sie waren keine<br />

Unterwasser-Blumen, wie man meinen könnte, sondern Tiere – Tiere, die mit einem Stiel fest am Boden<br />

verankert waren. Mit ihren langen, verzweigten Fangarmen filterten die Seelilien im Wasser schwebende<br />

Kleinstlebewesen aus der Strömung.<br />

Kalk aus Skeletten<br />

Aus dem Wasser konnten die Seelilien zudem gelösten Kalk aufnehmen. Den benötigten sie, um ihr Skelett<br />

aus den runden Kalkscheiben aufzubauen, die Sie hier sehen können.<br />

Wenn eine Seelilie starb, zerfiel ihr Stiel in diese Einzelglieder, die so genannten Trochiten.<br />

Zeitweise müssen die Seelilien massenhaft aufgetreten sein, denn eine ganze Gesteinsschicht, der Trochi-<br />

tenkalk, besteht überwiegend aus Seelilienresten.<br />

Bitte beschädigen Sie diese Steine hier nicht.<br />

Im Höhlenladen an der Erdmannshöhle können Sie Versteinerungen kaufen!<br />

Trochiten


Wehr_07 19.07.2006 11:49 Uhr Seite 1<br />

WEHRER ERDMANNSWEG<br />

7<br />

Warum die Schwarzwaldberge<br />

keine Seelilien haben<br />

Extreme Spannungen…<br />

Während der Trias und des Juras herrschte Ruhe auf der europäischen Kontinentalplatte. Schicht um Schicht wurde abgelagert: insgesamt<br />

etwa 700 Meter mächtig. Später, während der Kreidezeit, gab es hier Festland - eine Landschaft ohne große Höhenunterschiede, in der die<br />

Saurier lebten.<br />

Aber dann entstanden im Haseler Raum starke Spannungen: Schwarzwald und Vogesen sind im Tertiär und im Quartär kräftig gehoben<br />

worden und zwischen diesen Gebirgen brach der Oberrheingraben ein.<br />

Meine Verwandten<br />

auf den nur wenige Kilometer<br />

entfernten Schwarzwaldbergen<br />

finden nirgends Seelilienüberreste<br />

aus dem Muschelkalkmeer.<br />

Dabei lag auch ihr Gebiet auf dem-<br />

selben Meeresgrund wie Hasel und<br />

Wehr – aber seither ist halt viel passiert.<br />

Die wollten immer höher hinaus<br />

und wir sind lieber hier<br />

unten geblieben…<br />

Schwarzwaldblick<br />

…führten zum Bruch<br />

Hier in der Umgebung von Hasel und Wehr am<br />

Südrand des Schwarzwaldes zerbrachen die<br />

Gesteinspakete als Folge dieser Spannungen<br />

in viele Schollen. Auch diese Schollen sind im<br />

Vergleich zum aufsteigenden Schwarzwald<br />

abgesunken.<br />

Mit dem Aufstieg beginnt<br />

die Zerstörung<br />

Mehr als 2500 Meter sind die Gesteinsmassen<br />

des Südschwarzwaldes in die Höhe gestiegen.<br />

Doch hier gibt es keine 2000er Gipfel. Denn so-<br />

bald die Hebung einsetzte, begannen die Flüsse<br />

ihr Zerstörungswerk. Sie haben die alten Ab-<br />

lagerungen im Südschwarzwald fast vollständig<br />

abgetragen. Nördlich von Hasel stehen deshalb<br />

nur noch die alten Granite und Gneise des kris-<br />

tallinen Grundgebirges an.<br />

Doch in Hasel können wir die Erdmannshöhle<br />

und die Seelilien noch bestaunen. Zwar sind<br />

auch hier die Jura- und Keuperschichten in-<br />

zwischen abgetragen, aber der Muschelkalk<br />

aus der Trias ist noch erhalten geblieben und<br />

liegt zurzeit an der Oberfläche.


Wehr_08 19.07.2006 11:50 Uhr Seite 1<br />

WEHRER ERDMANNSWEG<br />

8<br />

Zwei Eiszeiten auf einen Blick<br />

So wie auf diesem<br />

Bild aus Nordkanada<br />

(Ellesmere Island)<br />

könnte der Blick von<br />

dieser Stelle zum<br />

Hotzenwald während<br />

der Riß-Eiszeit ausgesehen<br />

haben.<br />

Riß-Eiszeit: Eine weite Ebene dehnte sich<br />

zwischen Dinkelberg und Hotzenwald.<br />

Während der Würm-Eiszeit schütteten Wehra<br />

und Hasel erneut Gerölle aus dem Schwarzwald<br />

in ihre nun getrennten Täler.<br />

Als es vor 10.000 Jahren wieder wärmer wurde,<br />

gruben sich die Flüsse in die Schotter der Niederterrassen<br />

aus der Würm-Eiszeit. Am gegenüberliegenden<br />

Hang hat die Wehra inzwischen den<br />

größten Teil der Hochterrasse zerstört.<br />

Einen Rest können Sie auf der anderen Talseite<br />

oberhalb der Stadt entdecken.<br />

Dort ist ein kleines Neubaugebiet entstanden.<br />

1<br />

3<br />

4<br />

Die alten <strong>Wehrer</strong> bauten ihre Stadt übrigens auf die würmzeitliche<br />

Niederterrasse: nah am Wasser aber doch sicher vor Überflutungen.<br />

Hier oben ist es auffallend flach<br />

Hochterrassen<br />

Ebene Flächen gibt es normalerweise unten im Tal, wo die Hochwasser des Flusses<br />

immer wieder Geröll und Sand liegen lassen. So sind auch die ebenen Niederterras-<br />

sen der Würm-Eiszeit entstanden. Aber hier oben, so hoch über dem Tal?<br />

Tatsächlich befand sich einst hier oben das weite Tal von Wehra und Hasel. Auch<br />

damals war es Eiszeit: allerdings die Riß-Eiszeit. Das war die vorletzte Eiszeit, in der<br />

die Gletscher noch größer waren als im Würm – und aus dem Schwarzwald kam<br />

noch mehr Geröll.<br />

In der Eem-Warmzeit gruben sich Wehra und Hasel<br />

zunächst in die mächtigen Eiszeitablagerungen<br />

und dann sogar in den darunter liegenden Muschelkalk<br />

ein. Der Höhenrücken des Stalden, auf dem<br />

Sie hier stehen, entstand damals.<br />

Kalt –<br />

und warm –<br />

und wieder kalt –<br />

und wieder warm…<br />

So geht das nun<br />

schon zwei Millionen<br />

Jahre. Und da soll man<br />

sich als alter Erdmann<br />

keinen Schnupfen<br />

holen!<br />

2


Wehr_09 19.07.2006 11:51 Uhr Seite 1<br />

WEHRER ERDMANNSWEG<br />

9<br />

Schwabenboden<br />

Täler entstehen durch Bäche<br />

– doch hier ist nirgends einer zu sehen<br />

Der Boden hier am Böschungsanschnitt besteht überwiegend aus Löss.<br />

Wenn Sie ihn zwischen Daumen und Zeigefinger zerreiben, können Sie<br />

bemerken, wie fein dieser Eiszeitstaub ist. Es handelt sich um so<br />

genannten Schluff. Dieser ist zwar gröber als Ton, aber feiner als Sand.<br />

Der Schwabenboden ist das Tal des Wilsbachs; Dieser ist jedoch nirgends zu<br />

sehen, weil er unterirdisch durch den Karst fließt. Erst am <strong>Wehrer</strong> Brunnen<br />

kommt das Wasser wieder ans Tageslicht.<br />

Aber wie ist das Tal dann entstanden?<br />

Während der Eem-Warmzeit – nach der Riß-Eiszeit – gab es hier noch kein<br />

ausgeprägtes Tal. Auch damals versickerte der Wilsbach in den Untergrund.<br />

Doch in der folgenden Eiszeit änderte sich das.<br />

Es war so kalt, dass der Bach oberirdisch<br />

fließen musste<br />

Während der Würm-Eiszeit war der Untergrund ganzjährig tief gefroren. So konnte<br />

kein Wasser versickern. Das gesamte Frühjahrsschmelzwasser strömte durch das<br />

Tälchen. Und weil das Schmelzwasser kalt war, löste es besonders viel Kalk auf.<br />

Ohne die Eiszeit hätte sich der Wilsbach kein Tal schaffen können.<br />

Staubstürme fegten über die kahle Landschaft<br />

Der Staub stammte von den vegetationslosen Geröllebenen der Flüsse. Hier oben,<br />

auf den spärlich bewachsenen Hügeln und Hochterrassen, ließen die Winde eine<br />

dicke Schicht zurück.<br />

…und heute?<br />

Heute freuen sich die Bauern über diesen Eiszeitstaub, den fruchtbaren Löss.<br />

Er bedeckt die Gerölle der Hochterrasse und den steinigen Muschelkalk.<br />

Der Wilsbach ist allerdings wieder in den Untergrund verbannt – und muss auf die<br />

nächste Eiszeit warten.<br />

Hier gibt es zwar<br />

ein kleines Tal, aber<br />

keinen Bach! Sonderbar,<br />

denn ein Tal entsteht da-<br />

durch, dass fließendes<br />

Wasser Erde und<br />

Steine wegschwemmt.<br />

Was ist hier wohl<br />

wieder los?


Wehr_10 19.07.2006 11:56 Uhr Seite 1<br />

WEHRER ERDMANNSWEG<br />

10<br />

Löcher in der Wiese<br />

Erdfälle<br />

Als der Bauer im Herbst 2005 zu seiner Wiese fuhr, traute er seinen Augen nicht. Mitten auf der Wiese ein großes Loch im<br />

Boden! Und dann, wenige Wochen später, taten sich beim Nachbarn noch mal zwei Löcher auf. Alle schön in einer Reihe,<br />

quer zum Wilsbachtal.<br />

Die östliche Gesteinsscholle ist etwas tiefer abgesunken.<br />

Deshalb sind dort die über dem Muschelkalk liegenden<br />

Keuperschichten erhalten geblieben. Auch im Mittleren<br />

Muschelkalk gibt es dichte Tonlagen. Diese Schicht verhindert,<br />

dass das Karstwasser noch tiefer versickert.<br />

Das hat vielleicht ge-<br />

poltert! Ich konnte gerade<br />

noch zur Seite springen, als<br />

die Decke meiner Lieblingshöhle<br />

eingekracht ist. Nun kennen<br />

die Menschen mein<br />

Versteck. Na ja, was<br />

soll’s: Hier gibt es so viele<br />

unbekannte Höhlen,<br />

da such ich mir<br />

eben eine<br />

andere.<br />

Bäume im Tal verraten:<br />

dort fließt ein oberirdischer Bach!<br />

Auch Sie können entdecken, wo sich diese Störung befindet. Bis dort hin,<br />

wo die Erlen im Talgrund eine Bachaue verraten, fließt das Wasser des<br />

Wilsbachs. Oberhalb bilden die tonreichen und deshalb wasserundurch-<br />

lässigen Keuper-Ablagerungen aus der oberen Trias den Untergrund. Wo<br />

der Bach auf den Muschelkalk übertritt, versickert er.<br />

Das Wasser arbeitet<br />

auch heute noch<br />

Unter diesen Wiesen muss sich eine<br />

bislang unbekannte Höhle befinden.<br />

Wasser, das durch die Höhlendecke<br />

sickert, löst immer ein wenig Kalk.<br />

Nun ist die Decke an mehreren<br />

Stellen eingestürzt.<br />

Eine alte Störungslinie<br />

Den Geologen ist die Richtung der Verbin-<br />

dungslinie zwischen den Erdfällen wohl<br />

bekannt. Sie läuft genau parallel zu einer<br />

nahe gelegenen Störung, die zwei der<br />

vielen Haseler Gesteinsschollen trennt.


Wehr_11 19.07.2006 11:57 Uhr Seite 1<br />

WEHRER ERDMANNSWEG<br />

11<br />

Hättelberg<br />

Auch Höhlenbäche sind aktiver,<br />

wenn es nicht zu kalt ist<br />

Eine Höhle mit mehreren Etagen<br />

Die Erdmannshöhle befindet sich gegenüber von Ihnen im Hättelberg. Vielleicht sind Ihnen während der Besichtigung schon die Höhlenstockwerke<br />

aufgefallen. Diese „Etagen“ hängen mit dem Wechsel von Eis- und Warmzeiten zusammen.<br />

Riß-Eiszeit<br />

Bereits vor der Riß-Eiszeit begann der Höhlenbach seine Arbeit im Hättelberg. Damals befand er sich noch links oberhalb des „Rittersaals“. Als dann<br />

der Boden während der Eiszeit ganzjährig gefroren war, versiegte die Wasserzufuhr. Gleichzeitig lagerten Wehra und Hasel die Hochterrassenschotter ab.<br />

Endlich wieder wärmer<br />

In der folgenden Eem-Warmzeit floss der Höhlenbach wieder durch Spalten und Gänge.<br />

Draußen räumten Hasel und Wehra die Hochterrassenschotter aus und schnitten sich in den<br />

Muschelkalk ein. Dadurch sank der Karstwasserspiegel, und der Höhlenbach bahnte sich<br />

tiefer im Karst neue Wege durch den „Langen Gang“ zum „Rittersaal“. Wo dann die Decke<br />

einstürzte, können Sie heute große Säle mit Tropfsteinen bestaunen.<br />

…und der Bach vergrößert die Höhle weiter<br />

Während der Würm-Eiszeit war noch einmal Pause; Aber heute arbeitet das Wasser wieder<br />

und vergrößert dabei den tiefsten Bereich der Höhle. Wenn Hasel und Wehra ihre Täler noch<br />

tiefer einschneiden, dann wird eines Tages auch die Bachhöhle trockenen Fußes zu besich-<br />

tigen sein…<br />

Dort drüben unter<br />

dem Hättelberg liegt mein<br />

Reich, die Erdmannshöhle.<br />

Einige der Gänge dürft Ihr<br />

besichtigen. Aber andere<br />

Bereiche hat noch kein<br />

Mensch betreten.<br />

Menschen sind nämlich<br />

zu groß und sie können<br />

sich nicht so dünn<br />

machen wie wir<br />

Erdmänner.<br />

420 m<br />

410 m<br />

400 m<br />

390 m<br />

380 m<br />

370 m<br />

Profil durch die Erdmannshöhle.<br />

Der Schauteil ist schraffiert.


Wehr_12 19.07.2006 11:58 Uhr Seite 1<br />

WEHRER ERDMANNSWEG<br />

12<br />

Am Anfang war nur<br />

ein kleiner Riss<br />

Doline<br />

Beim Anblick dieser Vertiefung in der Erdoberfläche denken manche vielleicht an einen Explosionstrichter oder einen Krater.<br />

Es handelt sich jedoch um eine Doline, und, wie in der Karstlandschaft üblich, ist hier wieder kohlensäurehaltiges Wasser<br />

der Angreifer.<br />

Schon wieder<br />

etwas Eigenartiges:<br />

Eine Mulde, die kein Bach<br />

geschaffen haben kann –<br />

nicht mal während der Eiszeit.<br />

Angriff von unten…<br />

Die frischen Erdfälle beim Wilsbachtal haben Sie bereits<br />

gesehen. Wenn dort die Decke der Höhle immer wieder<br />

nachstürzt, werden sich die drei kleinen Löcher viel-<br />

leicht zu einer größeren Doline vereinigen. Mit der Zeit<br />

rutschen dann Boden und Steine von den Seiten nach,<br />

so dass sich sanftere Hänge bilden, bis schließlich eine<br />

große Mulde entsteht.<br />

…und von oben<br />

Von oben greift das mit Säuren angereicherte Regen-<br />

wasser an. Es kann Kalk besonders gut auflösen, wenn<br />

er viel Angriffsfläche bietet.<br />

Dies ist vor allem dort der Fall, wo sich viele Spalten<br />

und Klüfte kreuzen oder Brüche das Gestein zerrüttet<br />

haben. Der Untergrund sackt nach und nach ab: eine<br />

Lösungsdoline entsteht.<br />

Denn ein Bach braucht einen Abfluss<br />

und im Innern der Mulde geht es<br />

überall nur bergauf.<br />

Gab es hier etwa eine<br />

Explosion?<br />

Bei einigen Dolinen wirken ober- und unterirdisches<br />

Wasser zusammen: das Gestein ist dann gleichzeitig<br />

dem Angriff von unten durch einen Höhlenbach und der<br />

Auflösung von oben durch Sickerwasser ausgesetzt.<br />

Die Dolinen sind ein weiteres Beispiel dafür, wie vielfäl-<br />

tig das Wasser die Landschaft rund um Hasel und Wehr<br />

gestaltet hat und immer noch weiter umgestaltet.

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