RA 10/2016 - Entscheidung des Monats
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540 Öffentliches Recht <strong>RA</strong> <strong>10</strong>/<strong>2016</strong><br />
Systematisches Argument: Das<br />
Auftreten ausländischer Staatsoberhäupter<br />
in Deutschland ist<br />
nicht dem Bereich der Grundrechte,<br />
sondern dem Staatsorganisationsrecht<br />
zuzuordnen.<br />
Vgl. BVerfG, Urteil vom 14.7.1999,<br />
1 BvR 2226/94 u.a., juris Rn 198ff.;<br />
Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke,<br />
GG, Art. 32 Rn 11f.<br />
Daran anschließend ist für die Bestimmung der […] subjektiven<br />
Rechtsposition <strong>des</strong> Antragstellers ferner ausschlaggebend, dass die<br />
Möglichkeit ausländischer Staatsoberhäupter oder Regierungsmitglieder<br />
zur Abgabe politischer Stellungnahmen im Bun<strong>des</strong>gebiet<br />
nach der Regelungssystematik <strong>des</strong> Grundgesetzes nicht grundrechtlich<br />
fundiert ist. Der Grundentscheidung der Art. 20 Abs. 1, Abs. 2, 23, 24,<br />
32 Abs. 1, 59, 73 I Nr. 1 GG ist zu entnehmen, dass sich die auswärtigen<br />
Beziehungen der Bun<strong>des</strong>republik Deutschland zu anderen Staaten<br />
[…] allein nach Maßgabe dieser Bestimmungen auf der zwischenstaatlichen<br />
Ebene vollziehen. Sie sind in diesem Rahmen Gegenstand der<br />
Gestaltung der Außenpolitik <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>.<br />
Es ist damit Sache <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> zu entscheiden, ob und unter welchen<br />
Rahmenbedingungen sich ausländische Staatsoberhäupter oder<br />
Regierungsmitglieder auf dem Gebiet der Bun<strong>des</strong>republik Deutschland<br />
im öffentlichen Raum durch amtliche Äußerungen politisch betätigen<br />
dürfen. Die <strong>Entscheidung</strong> darüber liegt nicht bei dem privaten Anmelder<br />
einer […] Versammlung.<br />
Demnach ist nur die Darstellung der persönlich anwesenden Redner dem<br />
Schutzbereich der Versammlungsfreiheit zuzurechnen, sodass das behördliche<br />
Verbot nur insoweit einer Rechtfertigung bedarf. Es müssen also auch<br />
nur insoweit die weiteren Voraussetzungen <strong>des</strong> § 15 I VersammlG vorliegen.<br />
2. Öffentlich und unter freiem Himmel<br />
Die Versammlung ist - wie von der Überschrift <strong>des</strong> Abschnitt III. <strong>des</strong> VersammlG<br />
gefordert - öffentlich und findet unterfreiem Himmel statt.<br />
BVerfGE 69, 315, 353f.; Dietel/Gintzel/<br />
Kniesel, VersammlG, § 15 Rn 29f.<br />
3. Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung<br />
§ 15 I VersammlG setzt weiterhin voraus, dass bei Durchführung der Versammlung<br />
eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung<br />
besteht. Angesichts <strong>des</strong> grundrechtlichen Schutzes der Versammlungsfreiheit<br />
durch Art. 8 I GG und ihrer Bedeutung in einem demokratischen Rechtsstaat<br />
sind strenge Anforderungen an die Gefahrenprognose zu stellen. Bloße<br />
Verdachtsmomente oder Vermutungen sind in diesem Zusammenhang nicht<br />
ausreichend. Statt<strong>des</strong>sen müssen gesicherte Erkenntnisse vorliegen, dass es<br />
bei Durchführung der konkreten Versammlung jederzeit zu einem Schaden für<br />
das zu schützende Rechtsgut kommen kann.<br />
Bzgl. der Übertragung der persönlich anwesenden Redner ist eine solche<br />
Gefahr nicht erkennbar. Auch die Behörde sieht eine Gefahr nur bei der<br />
Liveschaltung.<br />
Das Verbot ist folglich insoweit rechtswidrig, als es die Darstellung der persönlich<br />
anwesenden Redner untersagt.<br />
FAZIT<br />
Der Beschluss <strong>des</strong> OVG weist zwei examensrelevante Schwierigkeiten auf:<br />
die Bestimmung der Reichweite <strong>des</strong> Schutzbereichs der Versammlungsfreiheit<br />
sowie die Gestaltung <strong>des</strong> Prüfungsaufbaus. Letzterer ist problematisch, weil<br />
der Gewährleistungsgehalt eines Grundrechts im Rahmen einer verwaltungsgerichtlichen<br />
Rechtmäßigkeitsprüfung zu bestimmen ist. Offen gelassen hat<br />
das OVG, ob die Rechtslage anders zu bewerten ist, wenn sich ein ausländischer<br />
Hoheitsträger als Privatperson äußern möchte.