Ausgabe 20 - AGKAMED
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18 Kurier N 02/<strong>20</strong>09<br />
o <strong>20</strong><br />
Die Mitteilung des Krankenhauses, wenn die im Konsignationslagervertrag<br />
vereinbarten Mindestmengen einzelner Produktteile unterschritten<br />
werden, ist kein Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrages, führt auch<br />
nicht zur Leistung im Sinne des Umsatzsteuerrechts.<br />
Die in Konsignationslagerverträgen regelmäßig vereinbarte Pfl icht, die<br />
Entnahme aus dem herstellereigenen Lager mitzuteilen, führt zum Abschluss<br />
des Kaufvertrages, zur Leistung im Sinne des Steuerrechts.<br />
Bei Entnahme solcher Teile zur Durchführung einer Operation an einem<br />
konkreten Patienten ist gleichsam eine Individual-Prothese defi niert.<br />
Stammen alle Teile von einem Hersteller, sind die Komponenten oder<br />
Prothesen – auch bei Wirbelsäulen-Implantaten – als einheitliche Leis–<br />
tung, gleichsam als Individual-Prothese, zum ermäßigten Steuersatz<br />
zu berechnen.<br />
Sollten – wie marktüblich – bei der Operation eines Patienten Teile mehrerer<br />
Hersteller verwendet werden, so ist darauf zu achten, dass je eine<br />
einzelne Komponente oder Prothese ausschließlich aus Produkten eines<br />
Lieferanten bestehen. Bei einer Hüftprothese sind Komponenten beispielhaft<br />
einerseits Schaft und Keramikkopf, andererseits die zwei oder drei<br />
Teile eines Schraubpfannensystems. Werden also bei einer Operation der<br />
Keramikkopf eines Herstellers und der Schaft eines anderen Herstellers<br />
verwendet, so stammen die beiden Teile der Komponente nicht vom<br />
gleichen Lieferanten, sind also mit 19 % zu besteuern.<br />
Die Mitteilung der Entnahme aus dem Konsignationslager sollte die Angabe<br />
umfassen, welche Komponente oder Prothese aus dem Lager des<br />
Herstellers zur Operation an einem konkreten Patienten (unter Wahrung<br />
des Datenschutzes chiffriert) als einheitliche Leistung entnommen<br />
wurden, sodass sie als solche auch zum ermäßigten Steuersatz von 7 %<br />
berechnet werden können.<br />
Hersteller sollten unverzüglich praxisnahe Lösungen umsetzen, um<br />
Rechtssicherheit zu gewährleisten. Das Anliegen der Krankenhäuser<br />
und deren Einkaufsgesellschaften ist es, die Beschaffungsprozesse<br />
rechtskonform so zu gestalten, damit der ermäßigte Steuersatz beibehalten<br />
werden kann. Zur Not könnte gleichsam eine vorgeschaltete<br />
Einheit gebildet werden, die ihrerseits das jeweilige Teil ankauft und<br />
Rechtsanwalt Dieter Quack<br />
<strong>AGKAMED</strong> GmbH<br />
im Anschluss daran (zumindest) als Einzelkomponenten verpackt, um<br />
es dann (steuerermäßigt) an den Verwender 8 zu veräußern.<br />
Beispiel: Das Krankenhaus B (bzw. die zu einer Einkaufsgemeinschaft zusammengeschlossenen<br />
Krankenhäuser C bis Z) gründet eine „Handels-GmbH“,<br />
deren Aufgabe darin besteht, möglichst günstig, ggf. sogar von verschiedenen<br />
Herstellern, Einzelteile von künstlichen Hüftgelenken zu erwerben und diese<br />
„gebrauchsfertig“ an das Krankenhaus weiterzuverkaufen.<br />
In diesem Fall kann das Problem des Gestaltungsmissbrauchs (§ 42 AO)<br />
auftreten, weil der Zweck der vorgeschalteten (und natürlich wirtschaftlich<br />
vom Verwender, hier dem Krankenhaus dominierten Gesellschaft, im<br />
Wesentlichen darin besteht, eine möglichst günstige umsatzsteuerliche<br />
Gestaltung herbei zu führen.<br />
Aus unserer Sicht muss das Interesse der Verwender dahin gehen,<br />
grundsätzlich Kaufverträge über vollständige künstliche Gelenke oder<br />
zumindest Komponenten solcher Gelenke abzuschließen.<br />
Was im Einzelnen Prothesen- oder Komponenten-Charakter im Sinne<br />
des Umsatzsteuerrechts hat, kann rechtssicher nur im Wege einer verbindlichen<br />
Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO im wechselseitigen Interesse<br />
defi niert werden.<br />
1 Ein nicht unbedingt ernst gemeintes Beispiel sieht so aus, dass Verwender<br />
künstliche Gelenkköpfe zum Boule-Spielen benutzen.<br />
2 BFH vom 14.1.1997 VII R 47/96, BStBl II 1997, 481.<br />
3 BFH vom 1.4.<strong>20</strong>08 VII R 8/07, BStBl II <strong>20</strong>08, 898.<br />
4 FG Baden-Württemberg vom 28.11.<strong>20</strong>06, 11 K 87/02, EFG <strong>20</strong>07, 1292.<br />
5 BFH vom 14.1.1997 VII R 47/96, BStBl II 1997, 481.<br />
6 BMF-Schreiben vom 9.6.1997, - IV C 3 - S 7227 - 5/97 -, BStBl I 1997, 737. Das<br />
BMF-Schreiben vom 17.10.1994, - IV C 3 - S 7227 - 10/94 -, BStBl I 1994, 774,<br />
wonach Einzelkomponenten künstlicher Gelenke als von der Steuerermäßigung<br />
ausgenommene „Teile“ anzusehen seien, wurde darin aufgehoben.<br />
7 BMF-Schreiben vom 5.8.<strong>20</strong>04, - IV B 7-S 72<strong>20</strong>-46/04 -, BStBl I <strong>20</strong>04, 638.<br />
8 Der Begriff wird hier zusammenfassend für den Erwerber des künstlichen Gelenks<br />
verwandt, der die Aufgabe hat, dieses dem Endabnehmer einzusetzen.<br />
Prof. Dr. Peter Bilsdorfer<br />
Finanzgericht des Saarlandes