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Ausgabe 20 - AGKAMED

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16 Kurier N 02/<strong>20</strong>09<br />

o <strong>20</strong><br />

Kein ermäßigter Steuersatz beim<br />

Verkauf von künstlichen Gelenkteilen<br />

Von Prof. Dr. Peter Bilsdorfer, Vizepräsident des Finanzgerichts<br />

des Saarlands und RA. Dieter Quack, Mitgeschäftsführer der<br />

<strong>AGKAMED</strong> GmbH<br />

In der jüngsten Vergangenheit hat sich das oberste deutsche Finanzgericht<br />

auch mit der Frage beschäftigt, ob der Erwerb von künstlichen<br />

Gelenken dem Regel- oder dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegt<br />

– und dies gleich zweimal in kurzer Zeit.<br />

Die gesetzliche Ausgangslage<br />

Die Umsatzsteuer, in ihrer Wirkung eine Verbrauchsteuer, hat als Steuerkomponente<br />

Auswirkungen auf den Preis von Produkten. In bestimmten<br />

Bereichen will der Gesetzgeber, bspw. aus sozialpolitischen Gründen,<br />

diese Auswirkungen möglichst gering halten. Daher sieht das Umsatzsteuersystem<br />

den Regelsteuersatz von derzeit 19 % und den ermäßigten<br />

Satz von 7 % vor.<br />

Die Umsatzsteuererhöhung auf 19 % hat durch die Beibehaltung des<br />

ermäßigten Steuersatzes von 7 % die Schere weiter auseinandergehen<br />

lassen. Ein allein durch einen Preisunterschied von 12 Prozentpunkten<br />

geringerer Preis ist gerade bei „engen“ Marktbedingungen von entscheidender<br />

Bedeutung. Die Problematik ist nicht etwa geringer, wenn sich<br />

der Leistungsaustausch auf einer Vorstufe zum Letztverbrauch abspielt,<br />

vorausgesetzt der Endverbrauch erfolgt im nicht steuerpfl ichtigen und<br />

damit nicht vorsteuerabzugsberechtigten Bereich.<br />

Beispiel: Krankenhaus A erwirbt vom Prothesenhersteller X zum einen 100<br />

Komplettprothesen, zum anderen diverse Einzelteile von Prothesen.<br />

Der Erwerb der Komplettprothesen erfolgt zum ermäßigten Steuersatz<br />

von 7 %. Der Kauf der Einzelteile wird mit 19 % besteuert.<br />

Im Ergebnis trägt das Krankenhaus A, weil nicht vorsteuerabzugsberechtigt<br />

(§ 15 UStG), über den erhöhten Preis die (höhere) Umsatzsteuer; dies, obwohl<br />

nicht das Krankenhaus, sondern der Patient Endverbraucher ist.<br />

Ermäßigt werden nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG u.a. besteuert „die Lieferungen,<br />

die Einfuhr und der innergemeinschaftliche Erwerb der in<br />

einer Anlage zu § 12 UStG bezeichneten Gegenstände. Diese Anlage 2<br />

umfasst unter der laufenden Nr. 52 Körperersatzstücke, orthopädische<br />

Apparate und andere orthopädische Vorrichtungen. Präzisiert wird<br />

diese Angabe dadurch, dass in der Folge angeführt wird, dass hierzu<br />

künstliche Gelenke (a) und Prothesen (c) zählen, nicht jedoch Teile und<br />

Zubehör derselben. Dabei bezieht sich die Warenbezeichnung jeweils<br />

auf den Zolltarif. Der Sinn und Zweck der Regelung liegt auf der Hand:<br />

Gesonderte Teile eines künstlichen Gelenkes könnten möglicherweise für<br />

andere Zwecke verwandt werden, deren steuerliche Begünstigung nicht<br />

beabsichtigt ist. 1 Dies ist zwar auch dann nicht ausgeschlossen, wenn<br />

ein steuerermäßigter Erwerb eines vollständigen künstlichen Gelenks<br />

oder zumindest einer Komponente stattfi ndet, aber doch erschwert<br />

und auch wirtschaftlich kaum sinnvoll.<br />

Die Steuermäßigung für „Körperersatzstücke, orthopädische Apparate<br />

und andere orthopädische Vorrichtungen“ unter gleichzeitiger<br />

Herausnahme von „Teilen und Zubehör“ derselben wirft in der Praxis in<br />

tatsächlicher Hinsicht die Grundfrage auf: Was ist, weil dem Oberbegriff<br />

„Körperersatzstücke, orthopädische Apparate und andere orthopädische<br />

Vorrichtungen“ zuzuordnen, ermäßigt (mit 7 %) zu besteuern ? Und was<br />

unterliegt, weil lediglich als „Teil oder Zubehör“ zu begreifen, dem Regelsteuersatz<br />

von 19 %?<br />

Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs<br />

In seinem Urteil vom 14.1.1997 2 musste sich der Bundesfi nanzhof erstmals<br />

mit den begriffl ichen Feinheiten der Defi nition von „künstlichen Gelenken,<br />

ausgenommen Teile und Zubehör“ der Anlage des Gesetzestextes befassen.<br />

Das Gericht vertrat dabei die Auffassung, dass der Teile-Begriff eng<br />

auszulegen sei. Solche Einzelkomponenten –quasi eine Komposition von<br />

Einzelteilen, aber noch kein künstliches Gelenk – sind nach Auffassung<br />

des Bundesfi nanzhofs, weil eben kein bloßes „Teil“, steuerbegünstigt.<br />

In einer aktuellen zweiten Entscheidung vom 1.4.<strong>20</strong>08 3 bestätigt der<br />

Bundesfi nanzhof seine frühere Aussage. Er präzisiert diese noch insoweit,<br />

als er zu sog. Schraubpfannen-Systemen, die als Hüftgelenkimplantate<br />

verwendet werden, gehörende Schraubpfanneneinsätze und Schraubpfannendeckel,<br />

dem Regelsteuersatz unterliegende Teile künstlicher<br />

Gelenke ansieht, wenn sie Gegenstand einer selbstständigen Leistung<br />

sind. Die erstinstanzliche Entscheidung 4 hatte noch für den Fall, dass<br />

dem Prothesenbestandteil eine eigenständige Funktion in dem zusammengesetzten<br />

Gelenk zukommt, wie dies bei Schraubpfanneneinsätzen<br />

der Fall sei, eine entgegengesetzte Auffassung vertreten.<br />

Die Auffassung der Finanzverwaltung<br />

Die Finanzverwaltung hatte im Anschluss an das BFH-Urteil<br />

vom 14.1.1997 5 ihre frühere (engere) Auffassung<br />

aufgegeben, wonach nicht<br />

alles, was nicht

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