Verfahrenstechnik 10/2016

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JUBILÄUMS-SPECIAL I EINBLICKE AUCH EINE ART EVOLUTION Entwicklung der Automatisierungstechnik von analog bis wireless Ralf Küper Es gab Zeiten, da beschäftigte sich das Personal in den Prozessanlagen damit, Schreiberpapier zu wechseln und Handventile zu betätigen. Das Wartungspersonal war mit einem Spray zur Lecksuche ausgerüstet, um die Fehlersuche an den pneumatischen Messstellen von Hand durchzuführen. Das ist alles Schnee von gestern… Heute ist alles anders. Aber wir beginnen mal ganz am Anfang der Automatisierung. Die ersten pneumatischen Messungen zur Fehlersuche mit dem Einheiten- Signal 0,2–1 bar boten nur eine geringe Autor: Ralf Küper, Business Development Manager Wireless, Emerson Process Management GmbH & Co. OHG, Haan Genauigkeit. Durch pneumatische PID- Faltenbalgregler wurden erste Regelkreise realisiert und der erste Schritt in Richtung Automatisierung und Zentralisierung der Prozessführung in einer Messwarte war getan. 4–20 mA-Analogtechnik 1969 folgte ein großer Schritt mit der 4–20 mA (0–20 mA/0–10 V) Analogtechnik (DIN IEC 60381-1). Es wurden mehr Messungen installiert, um die Sichtbarkeit des Produktionsprozesses zu optimieren. Die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Messungen erhöhte sich im Vergleich zur pneumatischen Verfahrensweise. Für die Verkabelung musste eine komplett neue Infrastruktur geschaffen werden. Es wurden Kabelbühnen errichtet und Rangierverteiler in den Schalträumen aufgebaut – mit der entsprechenden Rangierung zu den Messtafeln. Die ersten Prozessrechner wurden zur Visualisierung eingesetzt, um Messwerte zu verknüpfen und Berechnungen durchzuführen. Die 4–20 mA-Technik ist bis heute die am meisten genutzte Signalübertragung. Vom Hart-Protokoll zum Feldbus 1986 begann die Digitalisierung basierend auf dem Hart-Protokoll, ein auf dem 4–20 mA-Signal aufmoduliertes digitales Signal, mit dem die Geräte konfiguriert und diagnostiziert werden können. Der große Vorteil besteht darin, dass die Feldgeräte an ein zentrales Asset Management System gekoppelt werden können und der Zustand der Feldgeräte kontinuierlich überwacht wird. Auch die Konfiguration kann von zentraler Stelle aus erfolgen. Das Hart- Protokoll ist heute Standard für die digitale Kommunikation bei 4–20 mA-Signalen. Im weiteren Verlauf kamen noch Feldbusse mit Profibus PA (1987) und Foundation Fieldbus (1994) hinzu (DIN IEC-61158-2). Die Vorteile der Feldbussysteme sind: n hohe Genauigkeit durch digitale Signal- Übertragung, n höhere Anzahl übertragbarer Messwerte, n geringer Aufwand bei der Verkabelung, n verbesserte Diagnose. Die digitale Bus-Messtechnik fand in erster Linie beim Bau von Neuanlagen Anwendung, da hier der Aufwand für die Verkabelung geringer war. Für den korrekten 68 VERFAHRENSTECHNIK 10/2016

EINBLICKE I JUBILÄUMS-SPECIAL Umgang mit den Bussystemen musste das Wartungspersonal geschult werden; die Digitalisierung ermöglicht jedoch im Gegenzug exaktere Messungen. Darüber hinaus wurde Remote IO mit Profibus DP als Kommunikationsprotokoll eingesetzt, da die altbewährte 4–20 mA-Technik direkt an ein Bussystem gekoppelt wird und somit die Vorteile von 4–20 mA hinsichtlich vereinfachter Handhabung und Profibus DP als Bus-Backbone genutzt werden. Wireless-Hart Eine weitere Innovation kam 2007 mit dem Wireless Hart-Protokoll auf den Markt. Anfangs wurde diese Technologie belächelt und als absolute Nische angesehen. Doch inzwischen hat Wireless Hart mit seiner einfachen Handhabung, Flexibilität und Zuverlässigkeit bewiesen, dass es eine kostengünstige Alternative zu den oben genannten Übertragungsprotokollen darstellt. Mit über 27 000 Netzwerken weltweit stellte es schon sehr bald seine Daseinsberechtigung unter Beweis. Das standardisierte (DIN IEC-62591) Wireless Hart-Protokoll basiert auf selbstorganisierenden Netzwerken, die eine hohe Datenzuverlässigkeit durch redundante Kommunikationswege gewährleisten. Die Wireless Hart-Messumformer werden durch Batterien gespeist, die eine Lebensdauer von ca. 10 Jahren erreichen. Das Haupteinsatzgebiet sind Monitoring-Messstellen, um eine bessere Sichtbarkeit des Produktionsprozesses zu gewährleisten, um Assets in den Prozessanlagen – wie beispielsweise Pumpen, Wärmetauscher, Kühltürme – online zu überwachen, um Energie zu sparen und die Sicherheit zu erhöhen. Auch nichtkritische Regelungen wurden bereits vielfach umgesetzt. Die Vorteile der Feldbus-Technologie gelten auch für die Wireless-Technik, hinzukommt, dass sie kostengünstiger und flexibler ist. Bei einem Anlagenneubau kann der Loop Check bereits früher als üblich erfolgen, somit werden Zeit und Kosten bei der Inbetriebnahme gespart. Viele ungeklärte Fragen Welche Veränderungen sind mit Industrie 4.0 in der Prozessindustrie zu erwarten? Das Entwicklungspotenzial von Industrie 4.0 ist immens und wird z. T. kontrovers diskutiert. 01 Automatisierung und Scada heute 02 Die Vision mit IoT Wie wird sich die Prozessindustrie den neuen Technologien anpassen? Wird die Automatisierungspyramide weiter Bestand haben, oder wird es eine vernetzte Welt geben, in der die Sensoren direkt mit den ERP-Systemen kommunizieren? Um eine bessere Sichtbarkeit der Prozesse zu erreichen, werden mehr Messpunkte benötigt, denn jeder Messpunkt ist ein zusätzliches Fenster in den Prozess: „Sie können nur optimieren, was Sie sehen.“ Energieeinsparung, Zustandsüberwachung sowie Sicherheit und Umweltschutz bieten ein großes Potenzial für Optimierungen. Reden wir bzgl. zusätzlicher Messungen unter dem Gesichtspunkt Industrie 4.0 noch von Sensoren, Speisetrennern und Eingangskarten der Prozessleitsysteme? Oder werden Applikationen (Apps) eingesetzt, um Assets und Prozessanlagen online zu überwachen – mittels smarter Sensoren, die über selbstorganisierende Netzwerke Daten liefern und mit selbstlernenden Algorithmen den Gesundheitszustand der Anlagen-Assets sowie deren Effizienz berechnen, um daraus klare Handlungsanweisungen zu generieren und Fehler vorausschauend zu eliminieren? Fazit Technisch ist heute bereits Vieles möglich, doch warum wird trotz des Industrie 4.0-Hypes so wenig davon eingesetzt? Fehlen die nötigen Algorithmen und Lösungen, um aus den Big Data sinnvolle Handlungsrichtlinien zu generieren? Verursacht das Thema Security zu viel Pessimismus? Viele Fragen stehen im Raum, auf die jetzt Antworten gefunden werden müssen. Wir befinden uns im Zeitalter der Digitalisierung, und es ist spannend, wie Industrie 4.0 unsere Arbeitswelt verändern wird. Fotos: Fotolia, Emerson www.emersonprocess.de OBERFLÄCHENTECHNIK • KORROSIONSSCHUTZ Weltneuheit Nie mehr ROST ! über 6.000 Std. Salzsprühtest, Chemiebeständig Oberflächentechnik: Garantie bis 50 Jahre die bunte Alternative zu Zink Korrosionsschutz OR 6000® - Weltrekord www.OR6000.de BOT.indd 1 19.01.2016 15:29:40 VERFAHRENSTECHNIK 10/2016 69

JUBILÄUMS-SPECIAL I EINBLICKE<br />

AUCH EINE ART EVOLUTION<br />

Entwicklung der Automatisierungstechnik von analog bis wireless<br />

Ralf Küper<br />

Es gab Zeiten, da beschäftigte sich<br />

das Personal in den Prozessanlagen<br />

damit, Schreiberpapier zu wechseln<br />

und Handventile zu betätigen. Das<br />

Wartungspersonal war mit einem<br />

Spray zur Lecksuche ausgerüstet,<br />

um die Fehlersuche an den pneumatischen<br />

Messstellen von Hand<br />

durchzuführen. Das ist alles Schnee<br />

von gestern…<br />

Heute ist alles anders. Aber wir beginnen<br />

mal ganz am Anfang der Automatisierung.<br />

Die ersten pneumatischen Messungen<br />

zur Fehlersuche mit dem Einheiten-<br />

Signal 0,2–1 bar boten nur eine geringe<br />

Autor: Ralf Küper, Business Development<br />

Manager Wireless, Emerson Process Management<br />

GmbH & Co. OHG, Haan<br />

Genauigkeit. Durch pneumatische PID-<br />

Faltenbalgregler wurden erste Regelkreise<br />

realisiert und der erste Schritt in Richtung<br />

Automatisierung und Zentralisierung der<br />

Prozessführung in einer Messwarte war<br />

getan.<br />

4–20 mA-Analogtechnik<br />

1969 folgte ein großer Schritt mit der<br />

4–20 mA (0–20 mA/0–<strong>10</strong> V) Analogtechnik<br />

(DIN IEC 60381-1). Es wurden mehr<br />

Messungen installiert, um die Sichtbarkeit<br />

des Produktionsprozesses zu optimieren.<br />

Die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der<br />

Messungen erhöhte sich im Vergleich zur<br />

pneumatischen Verfahrensweise.<br />

Für die Verkabelung musste eine<br />

komplett neue Infrastruktur geschaffen<br />

werden. Es wurden Kabelbühnen errichtet<br />

und Rangierverteiler in den Schalträumen<br />

aufgebaut – mit der entsprechenden<br />

Rangierung zu den Messtafeln. Die ersten<br />

Prozessrechner wurden zur Visualisierung<br />

eingesetzt, um Messwerte zu verknüpfen<br />

und Berechnungen durchzuführen. Die<br />

4–20 mA-Technik ist bis heute die am<br />

meisten genutzte Signalübertragung.<br />

Vom Hart-Protokoll zum Feldbus<br />

1986 begann die Digitalisierung basierend<br />

auf dem Hart-Protokoll, ein auf dem<br />

4–20 mA-Signal aufmoduliertes digitales<br />

Signal, mit dem die Geräte konfiguriert und<br />

diagnostiziert werden können. Der große<br />

Vorteil besteht darin, dass die Feldgeräte an<br />

ein zentrales Asset Management System<br />

gekoppelt werden können und der Zustand<br />

der Feldgeräte kontinuierlich überwacht<br />

wird. Auch die Konfiguration kann von<br />

zentraler Stelle aus erfolgen. Das Hart-<br />

Protokoll ist heute Standard für die digitale<br />

Kommunikation bei 4–20 mA-Signalen.<br />

Im weiteren Verlauf kamen noch Feldbusse<br />

mit Profibus PA (1987) und Foundation<br />

Fieldbus (1994) hinzu (DIN IEC-61158-2).<br />

Die Vorteile der Feldbussysteme sind:<br />

n hohe Genauigkeit durch digitale Signal-<br />

Übertragung,<br />

n höhere Anzahl übertragbarer Messwerte,<br />

n geringer Aufwand bei der Verkabelung,<br />

n verbesserte Diagnose.<br />

Die digitale Bus-Messtechnik fand in erster<br />

Linie beim Bau von Neuanlagen Anwendung,<br />

da hier der Aufwand für die Verkabelung<br />

geringer war. Für den korrekten<br />

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