Punkt 9 NEU RGB
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Schaen des Schilfes. „Die Russen waren wahrscheinlich betrunken,<br />
sonst häen sie uns entdeckt“, sagt Oo Hublitz. An einem Damm<br />
angekommen, sahen sie endlich die ersten Amerikaner. Dies sei ein<br />
befreiendes Gefühl gewesen.<br />
Am 4. Mai begann der lange Marsch durch das zerstörte Schwerin<br />
zum Kriegsgefangenenlager am Flugplatz. Als Verpflegung für den<br />
Tag gab es drei Kekse, ein Kaugummi und zwei Zigareen. Bereits vor<br />
ihnen im Lager angekommen waren die Offiziere, die sie bei der Entlassung<br />
gelobt haen. Sie übernahmen erneut das Kommando. Oo<br />
Hublitz suchte nach übrigen Kameraden, doch wie sich später herausstellte,<br />
waren acht Mann von den Russen gefangen genommen<br />
worden und nach Sibirien ins Lager gekommen. Einer von ihnen kam<br />
nach Jahren zurück und berichtete vom Tod der anderen sieben.<br />
„Unten am Flugplatz standen noch startbereite Maschinen mit Geschossen<br />
vom Polte-Werk in Duderstadt“, erinnert er sich. Ringsherum<br />
am Berg habe es ausgesehen, als häen Maulwürfe den Boden<br />
durchwühlt. Loch an Loch, mit Holzbalken abgedeckt. Soldaten und<br />
Wehrmachtshelferinnen waren dabei, eine Unterkun zu bauen. Der<br />
Hunger quälte, die Gerüchte von einer Entlassung nahmen zu, ebenso<br />
wie das Gerücht, dass das Lager den Russen übergeben werden<br />
sollte. Dadurch, dass es kaum Möglichkeiten zur Körperpflege gab,<br />
plagten nun auch die Läuse, und das wurde immer schlimmer. Die<br />
Offiziere, die das Kommando übernahmen, verteilten Aufgaben. Das<br />
Munionsdepot wurde in diesen Tagen gesprengt. „Es war ein tolles<br />
Feuerwerk“, sagt der Eichsfelder. Mie des Monats hieß es: Fergmachen<br />
zum Abmarsch. Es sollte nach Schleswig-Holstein zu den Engländern<br />
gehen. Erleichterung machte sich breit.<br />
In Fieergen im Kreis Plön angekommen, wurden sie von den Engländern<br />
in kleinen Gruppen auf die Bauernhöfe eingeteilt. Während<br />
die tonangebenden deutschen Offiziere in Feldbeen in den Garagen<br />
übernachteten, mussten alle übrigen im Stroh über den Ställen schlafen.<br />
Einmal am Tag gab es in einer Feldküche Essen: Rübenschnitzelsuppe<br />
mit etwas Fleisch. Nachts wurden die Rübenschnitzelsäcke<br />
bewacht, damit sie nicht von anderen Gruppen geklaut wurden. Sie<br />
gingen zu Müllern und beelten um Mehl, das sie beim Bäcker wiederum<br />
gegen Brot eintauschten. Nachts auf der Weide molken sie<br />
heimlich die Kühe.<br />
Die Nachricht, dass Duderstadt nach hartem Kampf im Harz gefallen<br />
sein sollte, schockierte. Aber es gab auch gute Nachrichten. Die<br />
Entlassungen rückten näher. Zunächst wurden Landwirte gesucht.<br />
Auch jene, die keine waren, meldeten sich. Ein Fehler, denn sie wurden<br />
als Erntehelfer nach England geschickt und kamen erst ein Jahr<br />
später zurück. Für Oo Hublitz ging es in das Entlassungslager nach<br />
» DIE KAMERADEN, DIE NICHT HEIMKEHREN<br />
KONNTEN, HABEN WIR NICHT VERGESSEN. «<br />
Krummsee bei Malente. Es erwartete ihn eine Entlausungsdusche,<br />
40 Reichsmark Wehrsold, noch einmal in kleinen Zelten schlafen wie<br />
die Heringe und Marschverpflegung. Eine letzte Durchsuchung der<br />
englischen Offiziere stand an, alle wurden auf Lkw verladen und der<br />
junge Eichsfelder gelangte über Lübeck, Hamburg, Lüneburg und Hildesheim<br />
nach Duderstadt. Frauen und Familien empfingen die Soldaten<br />
am 19. Juni 1945 um 13 Uhr. Es herrschte große Freude bei<br />
jenen, die Heimkehrer begrüßen konnten und Traurigkeit bei jenen,<br />
die umsonst geho haen.<br />
„Ich war froh, dass es so für mich ausgegangen ist. Aber die Kameraden,<br />
die nicht heimkehren konnten, haben wir nicht vergessen.“<br />
Dies ist der letzte Satz in Oo Hublitz̕ Kriegstagebuch, das er nach 70<br />
Jahren mit Hilfe seiner Aufzeichnungen, die er nach dem Krieg anfer-<br />
gte, in ausführlicher Form aufgeschrieben hat. Eine junge Portugiesin,<br />
die vor Kurzem zusammen mit ihrer Tante in der Ferienwohnung<br />
des Eichsfelders wohnte, hae nach der Zeit im Krieg gefragt. Darauin<br />
entschloss er sich, die Erinnerungen hervorzuholen. Dabei sei<br />
alles noch einmal wie ein Film vor seinen Augen abgelaufen.<br />
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