Ausgabe 14
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KULTUR.<br />
Text Krisn Kunze | Fotos Iris Blank<br />
Henker<br />
und Heiler<br />
Wenn Claus Ludwikowski sein<br />
mittelalterliches Gewand überwirft<br />
und die passenden Lederschuhe<br />
dazu anzieht, den Strick in der Hand<br />
hält und aus seinem Berufsleben<br />
erzählt, dann befi nden wir uns im<br />
Jahr 1525. Zu dieser Zeit ist er als<br />
Scharfrichter in Duderstadt unterwegs.<br />
16 PUNKT.<br />
Den Mann, in dessen Rolle der Gerblingeröder regelmäßig schlüp,<br />
den gab es wirklich. Hans Zinke hieß er und war im 16. Jahrhundert<br />
nicht nur für Folter und Hinrichtungen im mielalterlichen Duderstadt<br />
zuständig. Als Scharfrichter war er auch Bordellwirt, Hundeschläger,<br />
reinigte die Kloake und beseigte Körper toter Menschen und<br />
Tierkadaver. Aus der Verwertung toter Tiere gewann er unter anderem Fee,<br />
Knochenmehl oder Viehfuer. Auch über medizinische Kenntnisse verfügte<br />
der Scharfrichter, denn die Gefolterten sollten an den Torturen nicht sterben<br />
und nach der Folter wieder in ihren Ausgangszustand gebracht werden. Dazu<br />
musste sich der Henker mit der Anatomie des Menschen gut auskennen.<br />
Als Heiler sicherte er so seine Existenz zusätzlich ab. Eigentlich könnte man<br />
meinen, dass der Scharfrichter durch seine vielfälgen Einnahmen ein privilegiertes<br />
Leben führte. Das Gegenteil war jedoch der Fall. „Die Kirche darf<br />
ich nicht betreten, und in der Gastwirtscha sitze ich an einem separaten<br />
Tisch, falls ich überhaupt hineinkomme“, sagt Scharfrichter Hans. Als einer<br />
der reichsten Leute in der Stadt kann er im Jahr 1525 mit seinem Geld also<br />
fast nichts anfangen. „Durch meine Nebengewerbe bin ich reich, bleibe aber<br />
sozial völlig ausgegrenzt. Meine Söhne werden im Handwerk nicht zugelas-