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365/10


Lehrveranstaltungen<br />

Texte<br />

Projekte<br />

DiplomandInnen<br />

B | Bildhauerei<br />

DR/ID | Design und Raum & Interdisziplinäre Klasse<br />

CA | Comic und Anim<strong>at</strong>ion<br />

GD | Grafik Design<br />

G | Graphik<br />

K | Keramik und Produktgestaltung<br />

MP | Malerei und prozessorientierte Kunstformen<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

7 Vorwort | Dir. Gerhard Hermanky<br />

8 Anstelle eines Vorwortes | Dr. Daniela Schmeiser<br />

9 Kein Kaffee für den Präsidenten | Dr. Manfred Lipska<br />

10 Über Raum | Rosemarie Benthen<br />

14 Exit 2010, Diplomausstellung der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong><br />

14 exHIBITION 2010, Agnes Peschta<br />

15 Drucksorten Exit 2010<br />

21 Diplompreisverleihung 2010, Jeremias Altmann<br />

22 Die DiplomandInnen<br />

41 Geliebte Kunst | Dr. Tom Waibel<br />

48 Alumni | Betreuung und Texte von Anita Barilits<br />

Thomas F<strong>at</strong>zinek, Philipp Müller, Birgit Lichtenberger<br />

54 Leerstelle Geschlechter- und Migr<strong>at</strong>ionsverhältnisse | Dr. Birge Krondorfer<br />

60 Projekte/Lehrveranstaltungen<br />

141 Freiräume und Leerstellen | Mag. Stefanie Sandhäugl<br />

147 1975–2000: Ein Vierteljahrhundert Häuserkampf in Wien | Dr. Dieter Schrage<br />

156 Studierendenarbeiten der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong><br />

214 Die GestalterInnen | Studierende der Werkstätte Grafik Design, 7. Semester<br />

223 Impressum


Vorwortgedanken<br />

Im Juni 2010 wurde ich von einer Journalistin der Presse interviewt, die mit<br />

mir die immer noch aktuellen Probleme der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong> erörterte. In der<br />

Überschrift des Artikels war zu lesen: „Die <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong> kämpft an mehreren<br />

Fronten: um Anerkennung, um Subventionen, aber vor allem um Pl<strong>at</strong>z.“<br />

Als mitten im Studienjahr die Werkstättenräume der alten Expositur gekündigt<br />

wurden, ergab sich ein dram<strong>at</strong>isches Raumproblem. Erst mit Sommerende<br />

und mit Studienjahresbeginn konnten wir geeignete Unterrichtsräume in der<br />

Nobilegasse anmieten, wodurch zumindest dieses Problem gelöst werden<br />

konnte. Allerdings ist aufgrund der zeitlich begrenzten Nutzung für ein Jahr<br />

dieses Problem auch zukünftig nicht vom Tisch.<br />

Im kommenden Jahr wird der gesamte Studienplan der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong> neu<br />

eingereicht werden. Das bedeutet, dass auch neue Studienrichtungen wie Comic<br />

und Anim<strong>at</strong>ion oder Design und Raum einen Lehrplan bekommen. Daneben<br />

soll auch der curriculare Anspruch dem Wunsch der Akademisierung der<br />

<strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong> gerecht werden.<br />

Beide genannten Punkte, die Raumsitu<strong>at</strong>ion oder Verortung der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong><br />

und die öffentliche Anerkennung der Institution stehen unmittelbar in Bezug<br />

auf die Finanzierbarkeit. Derzeit ist die Stadt Wien der Subventionsgeber. Sofern<br />

es zu einer Besserstellung der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong> in den angeführten Punkten<br />

kommen soll, ist klar, dass auch das Bundesministerium für Unterricht, Kunst<br />

und kulturelle Angelegenheiten als Ansprechpartner zur Verfügung stehen<br />

müsste.<br />

Meine persönliche Schlussfolgerung daraus lautet: Der Schulerhalter der<br />

<strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong> erkennt diesen Handlungsbedarf, unterstützt die beteiligten<br />

und handelnden Lehrbeauftragten bei der Umsetzung und positioniert die<br />

<strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong> in der Ausbildungslandschaft dieser Stadt.<br />

Gerhard Hermanky | Wien, im Dezember 2010<br />

7


8 9<br />

Anstelle eines Vorwortes<br />

Im Jahre 2010 ist viel geschehen – und der Schrecken<br />

nimmt kein Ende.<br />

Zwar haben wir, die <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong>, nicht nur unsere<br />

Pflicht erfüllt, sondern auch unsere Leistungen gesteigert,<br />

obwohl wir nicht mehr finanzielle Mittel, nicht<br />

mehr öffentliche Aufmerksamkeit, nicht mehr Unabhängigkeit<br />

und nicht mehr Raum bekommen haben.<br />

Wir leben in Österreich und hier sind Leistungssteigerungen,<br />

Selbstkritik und eine Erhöhung der Qualität und<br />

des Bildungsniveaus nicht erwünscht!<br />

Wir werden in unserer Existenz bedroht und uns wird<br />

jeder Stein, der nur groß genug ist, in den Weg gelegt.<br />

Die Verantwortlichen denken gar nicht daran, uns für<br />

unsere gute Arbeit wenigstens friedlich existieren zu<br />

lassen, geschweige denn wird unsere Leistung als solche<br />

registriert.<br />

Im April haben wir unsere Expositur verloren, wir mussten<br />

unter prekären räumlichen Gegebenheiten alle in<br />

der Lazarettgasse arbeiten, ohne dass für die Studierenden<br />

Nachteile entstehen, – bei schönem Wetter fand<br />

der Unterricht teilweise auf der Straße st<strong>at</strong>t!<br />

Nach langem Hin und Her und zähen Verhandlungen mit<br />

dem Vorstandspräsidenten wurde mit Beginn des neuen<br />

Schuljahres ein Ers<strong>at</strong>z geschaffen: die Nobilegasse.<br />

Unsere Träume vom Fliegen, von der guten Atmosphäre<br />

und dem kre<strong>at</strong>iven Neubeginn waren allerdings von<br />

kurzer Dauer: mit den ersten Spänen wurde uns das<br />

Hobeln verboten. Es handelt sich wohl um einen Wink<br />

mit dem Zaunpfahl: Wir sollten das tun, was in Öster-<br />

reich die beliebteste Tätigkeit ist (Politiker machen es<br />

vor und alle, die sich beliebt machen oder beliebt sein<br />

wollen, machen es nach), nämlich nichts!<br />

Daher steht hier anstelle eines Vorwortes eine S<strong>at</strong>ire<br />

des Studierenden der Werkstätte Malerei und prozessorientierte<br />

Kunstformen Dr. Manfred Lipska. Herzlichen<br />

Dank für die Erstabdrucksgenehmigung.<br />

Dr. Daniela Schmeiser | Öffentlichkeitsarbeit<br />

Kein Kaffee für den Präsidenten<br />

eine S<strong>at</strong>ire von Dr. Manfred Lipska<br />

Eine leere Bürohalle, ein älterer Mann in Purpur kommt durch den Eingang.<br />

Werkst<strong>at</strong>tfaktotum 1: Gegrüßet seist Du, Großer Weiser.<br />

Werkst<strong>at</strong>tfaktotum 2: Du Sirius der abendländischen Kultur.<br />

Präsident: Mehr Respekt, wenn ich Sie bitten darf!<br />

P. entdeckt eine kleine Verfärbung an den kilometerlangen weißen Wänden.<br />

Präsident (brüllt erregt): Was müssen Wir sehen?<br />

Werkst<strong>at</strong>tfaktotum 1: Da … da … das ist tierischen Ursprungs.<br />

Präsident: Egal, Wir mahnen Ihnen ab. In Unserem Panoptikum dulden Wir<br />

keinerlei Abweichungen vom Weißheitsgebot, nicht die geringsten.<br />

P. schreitet schnüffelnd entlang der Mauern.<br />

Präsident: Außerdem müssen hier MENSCHEN gewesen sein, Wir lassen<br />

uns nicht täuschen. Das wird Folgen haben, dram<strong>at</strong>ische,<br />

grausame Folgen.<br />

Werkst<strong>at</strong>tfaktotum 2: … aber ein Panoptikum ohne Menschen ist irgendwie … unmenschlich.<br />

Werkst<strong>at</strong>tfaktotum 1: Es waren … weiße Menschen.<br />

P. erspäht eine Kaffeemaschine.<br />

Präsident (tobt): SCHWARZER KAFFEE!!!!!<br />

Werkst<strong>at</strong>tfaktotum 1: Nur zu Studienzwecken.<br />

Werkst<strong>at</strong>tfaktotum 2: Die Milch ist im Eiskasten.<br />

VORHANG


10 11<br />

Über Raum<br />

oder: Die räumliche Verfassung der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong><br />

Aufgrund der langjährigen Raumproblem<strong>at</strong>ik der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong><br />

richtet sich der Fokus auf das Thema „Freiräume“<br />

und „Leerstellen“. Die allgemeine Unzufriedenheit,<br />

bedingt durch die räumliche Situ<strong>at</strong>ion, lässt die Sehnsucht<br />

nach mehr Freiraum stärker werden.<br />

Doch was genau begründet diese Sehnsucht nach mehr<br />

Raum?<br />

Dieser Text versteht sich als Annäherung an das Thema<br />

und dessen Vielschichtigkeit.<br />

Der Begriff des Freiraums ist kein klar definierter Terminus.<br />

Er beschreibt nicht nur eine/n räumliche/n Gegebenheit/Umstand<br />

(wie es in der Architektur der Fall<br />

ist), sondern wird im modernen Sprachgebrauch auf<br />

mehrere Ebenen umgelegt. Häufig begegnen wir ihm<br />

in Metaphern, als Synonym für Bewegungsraum bzw.<br />

Spielraum, für die Möglichkeit zur Entfaltung eigener<br />

Kräfte und Ideen.<br />

Grundsätzlich impliziert „Freiraum“ im konkreten Zusammenhang<br />

mit „Leerstelle“, dass es einen Raum geben<br />

muss, der nicht frei ist; ein besetzter Raum, der<br />

eine bestimmte Funktion erfüllt. Diese Räume sind<br />

meist – im Gegens<strong>at</strong>z zu Freiräumen – klar definiert und<br />

fixiert. Freiraum existiert demnach neben oder eher zwischen<br />

„besetzten“ Räumen.<br />

Ein entscheidendes Merkmal, das die beiden Begriffe<br />

voneinander unterscheidet, ist der St<strong>at</strong>us ihrer Verfügbarkeit.<br />

„Leerstelle“ suggeriert eine örtliche Bestimmtheit<br />

und ein Nicht-Vorhandensein von etwas. Diesbezüglich<br />

heißt es auch bei Brockhaus: Leerstelle ist u. a.<br />

eine zu besetzende Position. Währenddessen ist „Freiraum“<br />

nicht unmittelbar lokalisierbar und weist nicht auf<br />

ein Fehlen hin, sondern vielmehr auf seine Autonomie.<br />

Das Pendant zu Freiraum bildet nun der „besetzte“<br />

Raum. Während man dem Freiraum Eigenschaften zuschreibt<br />

wie flexibel, beweglich, offen, werden mit dem<br />

besetzten Raum Begriffe wie starr, begrenzt und unbeweglich<br />

in Verbindung gebracht.<br />

Die positive Besetzung des Freiraums – im Sinne seiner<br />

Zwanglosigkeit, die ihm zugrunde liegt – ist unbestritten,<br />

aus diesem Grund möchte ich gerne einen Perspektivenwechsel<br />

vorschlagen, der den Fokus auf den<br />

besetzten Raum und seine Qualitäten richtet. Nicht<br />

nur der Freiraum bietet Handlungsraum für Interaktion,<br />

auch im Rahmen der besetzten Räume eröffnen sich<br />

Möglichkeiten, die das menschliche Handeln in verschiedenen<br />

Formen gestalten.<br />

Zuvor noch eine Überlegung von Otto Friedrich Bollnow,<br />

Philosoph und Pädagoge. Dieser beschäftigt sich<br />

mit „der räumlichen Verfassung des menschlichen Daseins“<br />

1 . Bollnow beschreibt darin verschiedene Aspekte<br />

des erlebten Raums, ausgehend davon, dass der Raum<br />

kein nur m<strong>at</strong>hem<strong>at</strong>ischer/euklidischer Raum ist, sondern<br />

über die Wahrnehmung des Menschen definiert<br />

wird. In diesem Zusammenhang liefert das Grimmsche<br />

Wörterbuch einen sprachgeschichtlichen Verweis; „räumen:<br />

einen Raum, d. h. eine Lichtung im Walde schaffen,<br />

behufs Urbarmachung oder Ansiedlung …“ Raum ist in<br />

diesem Sinne nicht an sich schon vorhanden, sondern<br />

wird erst durch eine menschliche Tätigkeit gewonnen.<br />

Die vorhin erwähnten Aspekte des Raums beziehen sich<br />

auf Umweltbedingungen, aber auch auf die Beziehungen<br />

des menschlichen Zusammenlebens, die sich typologisch<br />

niederschlagen und somit einen starken Einfluss auf das<br />

menschliche Verhalten ausüben. Einer dieser Aspekte ist<br />

der hodologische Raum (abgeleitet von hodos = griech.<br />

Weg / Pfad), der sich im Gegens<strong>at</strong>z zum rein geometrischen<br />

Raum nicht nur aus der m<strong>at</strong>hem<strong>at</strong>ischen Distanz<br />

zweier Punkte ( A und B) ergibt, sondern sich auch aus<br />

faktisch-topologischen, physischen, sozialen und psychologischen<br />

Bedingungen erschließt. So neigen wir auch<br />

dazu, Umwege auf uns zu nehmen, um z. B. bestimmten<br />

Menschen oder auch Orten, die neg<strong>at</strong>iv behaftet sind,<br />

nicht zu begegnen.<br />

Einen weiteren entscheidenden Einfluss nimmt die architektonische<br />

Beschaffenheit des Raums auf das menschliche<br />

Gefühlsleben einer Person. Je nach Raumcharakter<br />

kann diese Stimmungen fördern oder sogar auslösen. Dabei<br />

handelt es sich um eine wechselwirkende Beziehung,<br />

denn auch der seelische Zustand der jeweiligen Person ist<br />

ausschlaggebend, wie ein Raum wahrgenommen wird.<br />

Weiters misst Bollnow dem Haus als Mitte der Welt eine<br />

bedeutende Rolle zu. Das Haus versteht sich als fester<br />

Bezugspunkt, zu dem der Mensch immer wieder zurückkehren<br />

kann und ihm somit auch Halt gibt. Wie der<br />

Mensch in seinem Haus lebt, wird als wohnen bezeichnet<br />

und nach Bollnow zur existenziellen Aufgabe des<br />

Menschen – die Erfüllung seines Wesens. Der Philosoph<br />

geht noch weiter und spricht vom Haus als erweitertem<br />

Leib, mit dem sich der Mensch in ähnlicher Weise identifiziert<br />

wie mit seinem wirklichen Körper. Unter diesem<br />

Gesichtspunkt bekommt auch das Gestalten des „Eigenraums“<br />

eine neue Bedeutung. So wie wir uns kleiden, um<br />

unsere Persönlichkeit zum Ausdruck zu bringen, so ist die<br />

Gestaltung des Raumes, in dem wir leben, arbeiten und<br />

wohnen von ähnlicher Wichtigkeit.<br />

Ebenso wird auch das unbefugte Eindringen in den Wohnraum<br />

(der Ort der Intimität) oft auch als persönlicher Angriff<br />

empfunden. Das soziale Verhalten ist immer auch ein<br />

räumliches.<br />

Einen ähnlichen Gedankengang verfolgt auch Georg Simmel,<br />

Soziologe im frühen 20. Jahrhundert. Er geht davon<br />

aus, dass die Grenze keine räumliche T<strong>at</strong>sache mit soziologischen<br />

Wirkungen, sondern eine soziologische T<strong>at</strong>sache<br />

ist, die sich räumlich formt:<br />

„ […] immer fassen wir den Raum, den eine gesellschaftliche<br />

Gruppe in irgendeinem Sinne erfüllt, als eine Einheit<br />

auf, die die Einheit jener Gruppe ebenso ausdrückt und<br />

trägt, wie sie von ihr getragen wird.<br />

Der Rahmen, die in sich zurücklaufende Grenze eines Gebildes,<br />

h<strong>at</strong> für die soziale Gruppe sehr ähnliche Bedeutung<br />

wie für ein Kunstwerk.<br />

An diesem übt er die beiden Funktionen, die eigentlich<br />

nur die zwei Seiten einer einzigen sind: das Kunstwerk<br />

gegen die umgebende Welt ab- und in sich zusammenzuschließen;<br />

der Rahmen verkündet, dass sich darin eine<br />

nur den eigenen Normen untertänige Welt befindet, die in<br />

die Bestimmtheiten und Bewegungen der umgebenden<br />

Welt nicht hineingezogen ist; indem er die selbstgenügsame<br />

Einheit des Kunstwerks symbolisiert, verstärkt er<br />

zugleich von sich aus deren Wirklichkeit und Eindruck.<br />

So ist eine Gesellschaft dadurch, dass ihr Existenzraum von<br />

scharf bewussten Grenzen eingefasst ist, als eine auch innerlich<br />

zusammengehörige charakterisiert und umgekehrt:<br />

Die wechselwirkende Einheit, die funktionelle Beziehung<br />

jedes Elementes zu jedem gewinnt ihren räumlichen Ausdruck<br />

in der einrahmenden Grenze.“ Georg Simmel


12<br />

Die räumliche Positionierung einer sozialen Gruppe bietet<br />

derselben durch die Abgrenzung nach Außen Stabilität<br />

und Klarheit. Eine Investition in Grenzen ist gleichzeitig<br />

eine Investition in Sicherheit.<br />

Eine weitere Qualität, die Simmel dem Raum zuschreibt,<br />

ist die Fixierung seiner Inhalte. Diese Komponente der<br />

sozialen Gestaltung ermöglicht unter anderem, die Gruppierung<br />

wirtschaftlicher Wechselwirkungen um diesen<br />

fixierten Drehpunkt. Die örtliche Verwurzelung unterstützt<br />

die Knüpfung weiterer Beziehungen und stärkt das Bewusstsein<br />

der Dazugehörigkeit der einzelnen Mitglieder.<br />

Die räumliche Fixierung kommt einer Individualisierung<br />

des Ortes gleich.<br />

Simmel und Bollnow beschreiben Raum als soziologisches<br />

Phänomen, dessen Wesen erst in der Wechselbeziehung<br />

– vielmehr noch in der Einheit mit dem Menschen<br />

seine Bestimmung findet. „Freiraum“ ist in diesem Zusammenhang<br />

der Raum, der nicht durch eine menschliche<br />

Tätigkeit in Anspruch genommen bzw. „besetzt“ wird.<br />

Dieser ist als neutraler Boden zwischen den Grenzen der<br />

„besetzten“ Räume von entscheidender Wichtigkeit für<br />

das menschliche Zusammenleben. Er gewährleistet eine<br />

Art Pufferzone, eine Möglichkeit, um auszuweichen.<br />

„Weil aber Menschen in der Enge des Zusammenlebens<br />

sich den vorhandenen Lebensraum teilen müssen, entsteht<br />

zwischen ihnen das Verhältnis der Rivalität … Der<br />

eine kann nur Raum gewinnen, in dem er diesen dem anderen<br />

wegnimmt.“ 1<br />

Wenn es also keine klaren Grenzen zwischen zwei Interessensgemeinschaften<br />

und somit auch keinen Freiraum<br />

gibt, kommt es vermehrt zu Konflikten. Weder der Eine,<br />

noch der Andere kann den Raum für sich ganz einnehmen,<br />

da dies nur durch die Einschränkung des Anderen<br />

geschehen kann. Somit wird auch der Prozess der Identifi-<br />

zierung mit dem Raum erschwert, da die Gestaltung nach<br />

den eigenen Bedürfnissen nicht erfolgen kann. Ebenso ist<br />

es mit der „Fixierung“ der Inhalte, die durch die räumliche<br />

Überlagerung schwer auseinander zu halten sind und im<br />

weiteren Verlauf den Aufbau von Netzwerken verkomplizieren.<br />

Die „räumliche Verfassung“ (wie es schon Bollnow<br />

sagte) ist für den Menschen, so wie für eine Gruppe, ein<br />

existenzielles Thema, das sich in vielerlei Hinsicht im sozialen<br />

Handlungsraum widerspiegelt.<br />

Die Sehnsucht nach mehr Raum ist daher keine Sehnsucht<br />

nach Raum, der sich im geometrischen Sinne anhand<br />

von Quadr<strong>at</strong>metern messen lässt. Es ist die Sehnsucht<br />

nach Eigenraum.<br />

Rosemarie Benthen | Diplomandin 2010<br />

1 Otto Friedrich Bollnow (1963): Mensch und Raum,<br />

Verlag W. Kohlhammer


14 15<br />

exHIBitION 2010<br />

Diplomausstellung der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong><br />

Agnes Peschta<br />

Diplom – Ausstellung – präsentieren – zur Schau<br />

stellen – exhibitionieren<br />

Die öffentliche Diplomprüfung und -ausstellung stellt für<br />

alle DiplomandInnen eine Zurschaustellung der eigenen<br />

Arbeit, der Herangehensweise und der künstlerischen<br />

Identität dar. Diese Situ<strong>at</strong>ion wird durch die Ausstellungsorte<br />

verstärkt. Abhängig von der Auswahl, die von den Studierenden<br />

getroffen wird, ist die Situ<strong>at</strong>ion intensiver oder<br />

ruhiger. Im Studienjahr 2009/10 wurde ein Großteil der<br />

Abschlussarbeiten in einem hoch frequentierten Raum in<br />

einem U-Bahnst<strong>at</strong>ionsausgang gezeigt. Derartig öffentliche<br />

Orte und Räume provozieren oft Situ<strong>at</strong>ionen des Sich-Zur-<br />

Schau-Stellens, gewollt oder ungewollt, mehr oder weniger<br />

entblößend. Diese Exhibitionierung im Alltag steht im Gegens<strong>at</strong>z<br />

zur einmaligen Prüfungs- und Ausstellungssitu<strong>at</strong>ion<br />

und auch neben jener. In der Ausstellung liegt der Fokus<br />

auf den Kunstwerken, die DiplomandInnen geben ihre Arbeiten<br />

bewusst preis, bereiten sich mon<strong>at</strong>elang darauf vor<br />

und haben ein klares Ziel: den Abschluss der <strong>kunstschule</strong>.<br />

<strong>at</strong>, den exit. Für BesucherInnen kann die Ausstellung der<br />

exit einen funktionellen, unruhigen Raum darstellen.<br />

Die Gestaltung der Ausstellungssitu<strong>at</strong>ion ist den DiplomandInnen<br />

überlassen, so fanden parallel unterschiedlichste<br />

Präsent<strong>at</strong>ionen in Wien st<strong>at</strong>t. Der Inhalt von künstlerischen<br />

Arbeiten fordert mitunter spezielle Präsent<strong>at</strong>ionen vor einer<br />

spezifischen Öffentlichkeit, 2009/10 zum Beispiel in<br />

den Ringstraßengalerien oder auf der Donauinsel. Die Ergebnisse<br />

waren in ihrer Vielfalt erstaunlich.<br />

Drucksorten Exit 2010<br />

Studierende der Werkstätte Grafik<br />

Design gestalteten die Drucksorten für<br />

die diesjährige Diplomausstellung.<br />

Logo: Mirjam Schweigkofler<br />

Plak<strong>at</strong> und Flyer: Raphael Holczek<br />

Ausstellungsk<strong>at</strong>alog: Nicole Fürst<br />

Mirjam Schweigkofler, Lukas Gülcher<br />

Graffiti: Jeremias Altmann Werkstätte<br />

Graphik


16 17


18 19


20 21<br />

Die Diplompreisverleihung 2010<br />

Wie schon im letzten Jahr versammelte sich eine Jury,<br />

bestehend aus Präsident Mag. Rudolf-Michael Maier,<br />

Direktor Gerhard Hermanky, dem ehemaligen Direktor<br />

Mag. Günter Povaly, Dr. Daniela Schmeiser (Öffentlichkeitsarbeit),<br />

M<strong>at</strong>thias Moser und Jeremias Altmann<br />

(Studierendenvertretung), um aus einem Kreis von Einreichungen<br />

eine Diplomarbeit mit dem Diplompreis<br />

auszuzeichnen. Die primäre Frage, die sich bei der Be-<br />

wertung und Auszeichnung künstlerischer Entäußerungen<br />

stellt, ist die nach dem Kriterium, nach welchem beurteilt<br />

werden soll. Im Falle des Diplompreises musste sich die<br />

Jury mit dieser Frage mehrfach auseinandersetzen, da die<br />

Abschlussarbeiten nicht t<strong>at</strong>sächlich, sondern mit Dokument<strong>at</strong>ionsmitteln<br />

verschiedener Art präsentiert wurden.<br />

Die Schwierigkeit der Dokument<strong>at</strong>ion von künstlerischen<br />

Arbeiten ist unterschiedlich. Fest steht jedoch, dass sie<br />

heute einen unerlässlichen Beitrag zum Gesamtwerk<br />

darstellt.<br />

Im Zeitalter digitaler Vernetzung besteht ein überbordendes<br />

Angebot an Inform<strong>at</strong>ionsm<strong>at</strong>erial. Nur durch<br />

herausragende Qualität in Aus- und Eindruck, gewonnen<br />

durch die notwendige Reflexion, lässt sich dies überwinden.<br />

Die Prämie von € 500,– soll vor allem motivieren,<br />

sich intensiv mit der Aufbereitung und Präsent<strong>at</strong>ion des<br />

eigenen Schaffens zu befassen, um den Anforderungen<br />

an das Berufsbild KünstlerIn gerecht werden zu können.<br />

Die Arbeit und deren Dokument<strong>at</strong>ion von Rosemarie<br />

Benthen gewann den Diplompreis 2010. Inhaltlich behandelte<br />

sie aktuell herrschende Probleme an der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong>,<br />

welche sich jedoch mit Leichtigkeit auf die<br />

Kunstproduktion im Allgemeinen übertragen lassen. Wie<br />

viel Raum darf Kunst in Anspruch nehmen und wie viel<br />

davon wird ihr t<strong>at</strong>sächlich zugesprochen? Ihre kritische<br />

Auseinandersetzung erfolgte mit viel Feingefühl und auf<br />

mehreren parallelen Ebenen. Jede Projektstufe kann als<br />

logische Fortsetzung gelesen und verstanden werden,<br />

verbunden durch einen visuellen Leitfaden individueller<br />

Ästhetik. Kurz: eine wunderbare Leistung.<br />

Als Mitglied der diesjährigen Jury will ich meine Begeisterung<br />

für die institutionalisierte Unterstützung unserer jungen<br />

AbsolventInnen hervorheben. Unter den uns bekannten<br />

Umständen, bedingt durch Umwelt, Gesellschaft,<br />

Wirtschaft und Markt ist es wichtig, kre<strong>at</strong>ive Fähigkeiten<br />

zu fördern. Die jahrelange Begleitung durch die Werkstätten-Leitung,<br />

die zur Verfügung stehende Infrastruktur der<br />

Schule und die weitreichende Freiheit in der Gestaltung<br />

der eigenen Ausbildung sind letztlich nur Werkzeuge,<br />

derer sich die KunstschülerInnen bedienen können, um<br />

zu ihren jeweiligen künstlerischen Positionen zu finden.<br />

Diese können seit dem letzten Jahr im Rahmen der Diplomarbeit<br />

präsentiert, argumentiert und – ordentlich dokumentiert<br />

– belohnt werden. Ich bin dafür.<br />

Jeremias Altmann | Studierender G


22 23<br />

Video: Kunstschule braucht Raum, Termin mit Christian Oxonitsch, Stadtr<strong>at</strong> für Bildung; Kamera und Schnitt: Stefan Polster<br />

Rosemarie Benthen<br />

Keramik und Produktgestaltung<br />

Kunstschule braucht Raum<br />

eine Intervention<br />

„… die Freiheit … einen Gedanken fallen lassen und ihn<br />

erst am nächsten Tag aufheben zu können …“<br />

Andrea Hubin<br />

Seit der Gründung ist der räumliche Zustand der kunst-<br />

schule.<strong>at</strong> nur ein provisorischer. Die gemeinsame<br />

Nutzung des Schulgebäudes mit der Künstlerischen<br />

Volkshochschule führt oft zu Verwechslungen oder gar zu<br />

Vermischungen der beiden Institutionen, die in weiterer<br />

Folge die Identitätsbildung der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong> stark<br />

beein trächtigen.<br />

Obwohl eine räumliche Veränderung seitens der Studierenden<br />

und Lehrenden erwünscht ist, scheint dieses<br />

Anliegen nicht über Vorstandssitzungen hinaus zu gehen.<br />

Um das Anliegen in eine Form zu bringen, die der Gewichtigkeit<br />

der Botschaft gerecht wird, bedarf es eines<br />

Mediums, das seine Beständigkeit über Jahrtausende<br />

unter Beweis gestellt h<strong>at</strong>. Die keramische Arbeit richtet<br />

sich an politische Entscheidungsträger, die letztverantwortlich<br />

sind für die Frage, ob und wie hoch die Subventionen<br />

der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong> ausfallen.


24 25<br />

Max Cruder / Kerstin Halm<br />

Design und Raum / Grafik Design<br />

maxcrude<br />

Webshop<br />

www.maxcrude.com<br />

maxcrude ist ein Online-Portal für Graffiti. Sprayer aller Länder können Fotos<br />

ihrer Graffiti virtuell ausstellen. Fans können ihr Lieblingsmotiv auswählen<br />

und ein T-Shirt damit bedrucken lassen. Gezeigt werden ausschließlich Graffiti<br />

aus dem öffentlichen Raum. maxcrude macht Graffiti mobil.


26 27<br />

Präsent<strong>at</strong>ion der Spring Summer Collection 2010 des<br />

Modelabels LINIERT in den Wiener Ringstraßen Galerien<br />

vom 23. 4. bis 21. 5. 2010<br />

Laura Jäggle<br />

Design und Raum<br />

Liniert SS10<br />

Rauminstall<strong>at</strong>ion<br />

jaela@gmx.net<br />

Idee verdichtet. So wie Stoff verwebter, verdichteter<br />

Faden ist, so verdichten sich in den immer neuen Kre<strong>at</strong>ionen<br />

von ModedesignerInnen ihre kre<strong>at</strong>iven Energien,<br />

Ideen greifen ineinander, überlagern und formen sich<br />

zu Konzepten, Skizzen, Kleidungsstücken – zu Objekten<br />

mit unterschiedlichsten und vielfältigen Schichten und<br />

Ebenen. Diese Verdichtung von Kre<strong>at</strong>ivität wird in der<br />

Präsent<strong>at</strong>ion des Modestudios LINIERT aufgegriffen.<br />

Durch Überlagerung und Verdichtung werden Kleidungsstücke<br />

aus der Kollektion SS10 zu einem verdichteten,<br />

vielschichtigen Objekt und verweisen so auf die Einzigartigkeit<br />

jedes einzelnen Stückes und die grundlegende<br />

Essenz jedes Entwurfes.<br />

Viktoria Kühn<br />

Grafik Design<br />

Foucher<br />

Kurzfilm, digital, 20 Min.<br />

… eine poetische Reise ins Unterbewusstsein<br />

Nicole Fouchers Lebensgeschichte führt auf märchenhaft-abgründigem Wege<br />

in die Räume des Unterbewusstseins. Die Konfront<strong>at</strong>ion mit den Sch<strong>at</strong>ten<br />

der Seele und den Konventionen der Realität ist eine düstere, aber auch<br />

befreiende Erfahrung. Die verstörte Suche nach der eigenen Wahrheit, der<br />

ureigenen N<strong>at</strong>ur, findet auf einer weiteren Ebene Ausdruck: im Joik-Gesang.<br />

Regie und Idee: Viki Kühn; Produktionsassistent: Kristof Kepler; Kamera:<br />

Benjamin Fercher; Schnitt: Viki Kühn; Musik: Julia Noa Fischer, Viki Kühn,<br />

David Sporrer, Christopher Tupy; Darstellerin: Nicole Foucher


28 29<br />

Regina Längle<br />

Bildhauerei<br />

Einstellung<br />

Bemalen, fotografieren, filmen<br />

regina_laengle@hotmail.com, www.flickr.com/photos/regina_laengle<br />

Wie gut kennen wir unser Gegenüber wirklich?<br />

Wie fragmentarisch ist unser Wissen über den Anderen und uns selbst?<br />

Wie viel unseres vermuteten Wissens ist ein Zusammenreimen der<br />

Einzelteile, die für uns ein Gesamtbild ergeben?<br />

Lila Lee<br />

Design und Raum<br />

Kommunik<strong>at</strong>ion mit dem Raum<br />

Rauminstall<strong>at</strong>ion<br />

run1820@hotmail.com<br />

In der Stadt werden wir Menschen durch die Dinge, die wir gestaltet haben, beeinflusst. Die Wahrnehmung unserer<br />

Umgebung wird durch Abgrenzung eingeschränkt, zum Beispiel durch die Fenster, die Innen und Außen verbinden,<br />

oder die Wege zwischen den Gebäuden. Durch diese Abgrenzung werden Ansichten kommuniziert. Aktive Bewegung<br />

im Inneren beeinflusst den Raum im Äußeren passiv, diese Aktion wirkt auch umgekehrt. Der Raum, in dem wir<br />

leben, bekommt, beeinflusst durch den Menschen, vom Menschen seine Gestalt. Durch diesen Raum reagieren wir.<br />

Und durch unsere Reaktion wirkt der Raum zurück. Dieser Bezug zwischen dem Raum und dem Menschen ist mit<br />

der Rauminstall<strong>at</strong>ion künstlerisch ausgedrückt.


30 31<br />

Guanwei Liu<br />

Grafik Design<br />

Die Erinnerung<br />

Glasbläserei, Ei-Gravierung<br />

Glaskuppeln mit darin aufgehängten Eiern werden kreisförmig aufgestellt.<br />

Jedes Ei zeigt ein Porträt eines Lehrbeauftragten oder Studierenden, welches<br />

in die Eierschale geritzt und gezeichnet wurde und den betroffenen Personen<br />

geschenkt werden soll. In Süd-Korea wird die Glocke angeschlagen, wenn<br />

ein neuer Abschnitt beginnt und so auf den kulturellen Aspekt hingewiesen.<br />

Die Glaskuppeln wurden in Tschechien anlässlich eines EU-Projekts selbst<br />

erzeugt. Guanwei verschenkt „Die Erinnerung“ an vier Jahre <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong><br />

als Erinnerung weiter. G.H.<br />

Caspar Macke<br />

Grafik Design<br />

Der Donaulandler<br />

Kre<strong>at</strong>ion einer Weinmarke, Corpor<strong>at</strong>e Identity<br />

„Lebensfreude im ¾-Takt.<br />

Das Leben ist ein Fest,<br />

genieß es jetzt und heute.“<br />

Der Weinbau sowie der Landler haben im Donauland eine lange Tradition.<br />

Der Donaulandler vereint diese beiden zentralen Themen. Er steht für die<br />

Perfektionierung des Weinbaus durch moderne Mittel und für den Erhalt<br />

traditioneller Werte und Bräuche.


32 33<br />

K<strong>at</strong>harina Mahel<br />

Design und Raum<br />

Raum – Fotografie – ?<br />

Mundgeblasene Glaskugel, camera obscura<br />

weiße Fläche: 100 × 100 cm, Kugel: ca. 15 cm Ø<br />

k<strong>at</strong>harina_mahel@gmx.net<br />

Was sieht das Auge, wenn wir nicht hinsehen? Oder,<br />

anders gefragt, sieht das Auge für sich selbst, ganz ohne<br />

uns? In K<strong>at</strong>harina Mahels Arbeit bildet eine Glaskugel den<br />

sie umgebenden Raum nach Art der camera obscura in<br />

ihrem Inneren ab und macht diese Abbildung in abstrakter<br />

Form erneut sichtbar. Eine künstlerische Auseinandersetzung<br />

mit den Problemen der Ästhetik als Fragen der<br />

Wahrnehmung.<br />

Krzysztof Nemec<br />

Design und Raum<br />

Denken und Wirklichkeit<br />

computergenerierte Install<strong>at</strong>ion<br />

absentis@gmx.net<br />

Sprachelemente und Zeichen werden entfremdet. Ich<br />

reiße sie aus ihren gewohnten Funktionen als Inform<strong>at</strong>ions-<br />

und Bedeutungsträger heraus und nutze sie als<br />

Gestaltungselemente. Das Lesbare wird unlesbar, das<br />

sonst klar Wahrgenommene wird unklar.<br />

Die neuen Strukturen ermöglichen eine andere Wahrnehmung,<br />

sie verlieren und gewinnen für eine andere<br />

Wirklichkeit an Bedeutung. Als Betrachter habe ich die<br />

Möglichkeit, mit dieser Wirklichkeit zu agieren und selbst<br />

zum Zeichen zu werden.


34 35<br />

Veronika Birer<br />

Malerei und prozessorientierte Kunstformen<br />

Ja<br />

Druckgraphik<br />

Die Auseinandersetzung mit Musik h<strong>at</strong> zu mehreren großform<strong>at</strong>igen Radierungen<br />

geführt. Einzelne Blätter wurden durch farblich zeichnerische Eingriffe<br />

ergänzt und verweisen auf die Spontaneität des Zeichnens und auf die Frage,<br />

wann eine Zeichnung fertig ist. Zeichnen ist ein permanentes Auswählen aus<br />

unserer Dingwelt und ein stets neuer Anfang, wodurch das künstlerische<br />

Produkt auch eine temporäre Positionierung der Kunstschaffenden aufzeigt.<br />

G.H.<br />

Petra Schwarz<br />

Grafik Design<br />

raumzeit.<br />

Leuchtkasteninstall<strong>at</strong>ion, Buchgestaltung<br />

Was geschieht, wenn die Kunst die ihr zugewiesenen<br />

Handlungsräume verlässt und in einem fremden sozialen<br />

Feld agiert?<br />

raumzeit. ist ein Projekt von K<strong>at</strong>rin Cebul, Linnéa Jänen<br />

und Petra Schwarz in Kooper<strong>at</strong>ion mit den Bewohnerinnen<br />

des Pensionistenwohnhauses Liebhartstal II.<br />

Im Mittelpunkt stand das Gespräch. Durch Diskussionen<br />

wurde eine Kommunik<strong>at</strong>ionspl<strong>at</strong>tform geschaffen, in der<br />

Gesprächs- und Handlungsmöglichkeiten erkannt wurden.<br />

Der Entwicklungsprozess fand mit den überlagerten<br />

Erinnerungsfragmenten in Bild und Text seinen Abschluss.<br />

Ausstellungsort der daraus entstandenen<br />

Leuchtkästen war das Café im Pensionistenwohnhaus.<br />

Den räumlichen Gegebenheiten der Diplomausstellung<br />

angepasst entstand eine Rauminstall<strong>at</strong>ion, welche die<br />

Gesprächssitu<strong>at</strong>ion mit den Pensionistinnen visualisierte.<br />

Das Buch beinhaltet die Projektpräsent<strong>at</strong>ion mit den<br />

Gesprächsprotokollen, persönlichen Notizen und<br />

Illustr<strong>at</strong>ionen.


36 37<br />

Ruth Veres<br />

Grafik Design<br />

Ich seh‘ etwas, was du nicht siehst …<br />

Grafisches Tagebuch, Illustr<strong>at</strong>ionen<br />

(Kugelschreiber, digital koloriert),<br />

DIN A5, 112 Seiten<br />

mail@ruthveres.<strong>at</strong>, www.ruthveres.<strong>at</strong><br />

Eine Auseinandersetzung mit dem<br />

Sich-Zuhausefühlen, dem Vertrauten<br />

und dem Sich-Bewegen in anderen<br />

Räumen, dem Unvertrauten, dem<br />

Fremden. Es geht ums Wahrnehmen,<br />

Sehen/Gesehen-Werden,<br />

Hören/Gehört-Werden, nonverbale<br />

Sprache, Körpersprache und zwischenmenschlichesMit-/Gegeneinander,<br />

um Verhaltensmuster und die<br />

Auseinandersetzung mit Ängsten<br />

und Unzulänglichkeiten.<br />

Auf der Suche nach mir selbst wird<br />

bruchstückhaft mein Innenleben (wie<br />

Gedanken, Gefühle, Erinnerungen)<br />

mittels Farbcode (Rot und Blau) den<br />

von außen einwirkenden Impulsen<br />

und Erwartungen gegenübergestellt<br />

und visualisiert. Das Selbstbild steht<br />

dem Fremdbild gegenüber, das Ich<br />

und Du bekommt Raum.<br />

Corinna Wrana<br />

Design und Raum<br />

!!!Run away, go sailing!!!<br />

Perform<strong>at</strong>ive Install<strong>at</strong>ion im öffentlichen Raum, Donauinsel, unter der Nordbrücke<br />

Them<strong>at</strong>isiert wird eine Lebensweise. Das Segeln im lila Tümpel ist eine gedankliche Transport<strong>at</strong>ion der Idee von „go<br />

sailing go go go, renn weg, running away is the best solution u can do run away, or go sailing, go sailing for run away<br />

and find yourself“. Mit „run away, go sailing“ ist nicht das t<strong>at</strong>sächliche Wegrennen gemeint, sondern das Sich-Lösen<br />

von Strukturen, die einen daran hindern, sich selbst zu finden, sich frei von Dingen zu machen, die einem bei der<br />

Selbstverwirklichung im Weg stehen. Das Gedankengut des Reisens ist das zentrale Thema der Install<strong>at</strong>ion.<br />

Mit Seilen werden Autobahnbrücke, Segel und See miteinander verbunden und interagieren. Die Autobahn ist Zeichen<br />

für die Bewegung, aber auch für die Einschränkung; alles ist innerhalb der Bewegung des Reisens beinhaltet.<br />

Die Umsetzung der Arbeit geschah im öffentlichen Raum unter einer Autobahnbrücke auf der Donauinsel. Dieser<br />

Ort wurde bewusst gewählt, da er draußen, an einem Ort der jedem zugänglich ist, eine Struktur und eine spezielle<br />

Räumlichkeit bietet.


38 39<br />

Anita Zecic<br />

Malerei und prozessorientierte Kunstformen<br />

Portrait eines Landes<br />

Tuschestifte auf grundierter Leinwand, 100 × 120 cm<br />

anita.zecic@hotmail.com<br />

Du fragst mich, Fremder, wo meine Heim<strong>at</strong> liegt. Hiermit antworte ich, meine Heim<strong>at</strong> ist der blaue Fluss, der so<br />

plätschert und rauscht und in den schösten Farben versinkt. Meine Heim<strong>at</strong> ist dieser große Berg, verziert mit den<br />

herrlichen grünen Wiesen und dem Vogel am Ast sowie den Fischen in dem Fluss Sana, das alles ist meine Heim<strong>at</strong>.<br />

Verehrter Fremder, die Schönheit meiner Heim<strong>at</strong> ist sehr schwer zu beschreiben, denn was das Auge an Schönheit<br />

erfassen kann, können Worte nicht beschreiben. Am besten ist es, Fremder, wenn ich dich durch die Städte meiner<br />

Heim<strong>at</strong> führe, dass du dann das siehst, was ich dir nicht erklären kann. Folge mir über die alte Brücke von Mostar<br />

und dein Blick wird in den Tiefen des schönen Flusses Neretva versinken. Machen wir einen Spaziergang über die<br />

Bascarsija in Sarajevo, halten eine Weile an und hören, wie der Klang von Klopfen und Pochen des Zinks die Straßen<br />

durchströmt, schau dir an, was alles die menschliche Hand erschaffen kann. Setze dich mit mir zu den Wasserfällen<br />

der Una, trinken wir da einen Café und ich werde dir die Geschichte der zwei Flüsse Una und Sana, die sich an der<br />

Mündung küssen, erzählen. Wie sie ineinander verschmelzen und in ihrer Schönheit versinken. Steh auf, Fremder,<br />

wir gehen zum Wasserfall der Bliha, dass du das Rauschen der Perlen tropfen hörst, wie sie schlagen und plätschern.<br />

Siehst du, Fremder, das Mädchen, das neben dem Wasserfall nachdenklich sitzt, siehst du ihre grünen Augen, wie sie<br />

verliebt schauen, siehst du, wie der Wind ihr Haar zart streichelt, dieser Wind wie dieses Rauschen ist meine Heim<strong>at</strong>.<br />

Das sind die Schönheiten meines Landes, es gibt noch sehr viel Sehenswertes, Fremder, du wirst es selber sehen,<br />

du wirst es in dem Lächeln der vorbeigehenden Menschen sehen, die dich willkommen heißen und bei denen du<br />

immer gern gesehen bist. Das alles ist meine Heim<strong>at</strong> Bosnien und Herzegowina.<br />

Lela Alexandra (Lena Stritter)<br />

Malerei und prozessorientierte Kunstformen<br />

Cellar door<br />

Mischtechnik auf Leinwand, 120 × 130 cm<br />

lalealexandra@gmail.com<br />

Es wird der Galerieraum Dreitausend bespielt, wobei<br />

Bilder und Objekte gemeinsam eine Rauminstall<strong>at</strong>ion<br />

ergeben. Tote Vögel und Glühbirnen irritieren die<br />

BetrachterInnen und verweisen auf den Titel „Kellertür“.<br />

Diese einmal durchschritten, hofft man, dass das Licht<br />

funktioniert und den Blick auf eine malerische Welt der<br />

Gegensätze und Zwischenräume eröffnet. Vielfältige<br />

Assozi<strong>at</strong>ionen werden spürbar. G.H.


40 41<br />

Anna W<strong>at</strong>zinger<br />

Bildhauerei<br />

01<br />

Intervention<br />

something between space and time<br />

investig<strong>at</strong>ion of inner and outer space<br />

Der Ausgangs- und Ankerpunkt meiner Diplomarbeit (Bildhauerei) verkörperte der am Karlspl<strong>at</strong>z gelegene, weitgehend<br />

nicht genützte Kiosk K…0, welcher sich im Laufe meines Diplomarbeitsprozesses als permanente, extrem<br />

wandelbare und schöpferische Projektionsfläche entpuppte und verwirklichte. In seiner Eigenschaft als Zwischenraum<br />

(„Prozess“) und Unort („Anarchist“) in urbanen Strukturen entzieht er sich immer wieder klaren Zuordnungen und<br />

erweist sich somit als mein idealer, erweiterter Kopfraum, indem „Alles“ und „Nichts“ möglich erscheint.<br />

Die Diplompräsent<strong>at</strong>ion (26. 5. 2010, 15:30 bis 16:30) als temporäre Intervention im öffentlichen Raum, dokumentierte<br />

meinen, fortwährend vom unerschöpflichen K…0 Potential gespeisten, Wahrnehmungs- und Arbeitsprozess als<br />

transmediale, temporäre Rauminstall<strong>at</strong>ion am Kioskgebäude. Wobei der Prozess als Indik<strong>at</strong>or meiner gesamten Arbeit<br />

als Momentaufnahme in der Raumzelle K…0 bei sich selbst angekommen zu sein scheint (Prozessgestalt), da die<br />

abstrakte Bewegung meines Diplomarbeitsprozesses von „Alles“ zu „Nichts“ mittels der ersten (RS_01 1) und letzten<br />

(RS_12 2) Raumst<strong>at</strong>ion als formale, räumliche, zeitliche und inhaltliche Verdichtung/Transform<strong>at</strong>ion der Raumzelle<br />

aufleuchtete.<br />

Geliebte Kunst<br />

Wer geht um der Kunst willen ins Museum?<br />

„Knapp sind nicht die Güter, sondern die Neigung sie zu<br />

konsumieren, knapp ist ein ‚kulturelles Bedürfnis‘, das, anders<br />

als die ‚Grundbedürfnisse‘, Ergebnis von Erziehung<br />

bleibt. Dies heißt, dass die Ungleichheit im Angesicht<br />

kultureller Werte nur ein Aspekt der Ungleichheiten gegenüber<br />

einer Bildung sind, die das ‚kulturelle Bedürfnis‘<br />

ebenso weckt wie sie gleichzeitig die Mittel an die Hand<br />

gibt, es zu befriedigen.“ (Bourdieu/Darbel 2006: 67)<br />

Um die Mitte der 1960er Jahre versuchte eine namhafte<br />

Anzahl von SoziologInnen und St<strong>at</strong>istikerInnen unter<br />

der Leitung von Pierre Bourdieu und Alain Darbel die<br />

Liebe zur Kunst messbar zu machen. Dazu wurden am<br />

Eingang von 123 ausgewählten französischen Kunstmuseen<br />

tausende von Fragebogen ausgefüllt, Interviews<br />

geführt und deren Ergebnisse mittels Vergleichsuntersuchungen<br />

in den Niederlanden, Polen und Griechenland<br />

überprüft. Die Schlussfolgerungen aus dieser bisher umfangreichsten<br />

europäischen Breitenuntersuchung über<br />

den gesellschaftlichen Zugang zu kulturellen Gemeingütern<br />

der „schönen Künste“ waren, kurz gesprochen, ernüchternd:<br />

Generell fanden vor allem gut gebildete und<br />

einkommensstarke Gesellschaftsschichten Zugang zu<br />

Kunstmuseen und das Wissen um die „Liebe zur Kunst“<br />

wurde fast ausschließlich in priv<strong>at</strong>en und familiären Praktiken<br />

eingeübt.<br />

Im Herbst 2010 widmete sich das Ästhetik-Seminar an<br />

der Kunstschule der Deb<strong>at</strong>te dieser Studie und begann,<br />

eigene gegenwartsbezogene Fragen an diesen „heim-<br />

lichen Klassiker der Kunstsoziologie“ zu stellen: Wie<br />

charakterisiert sich der gesellschaftliche Zugang zu Kulturgütern<br />

heute? Was suchen aktuelle BesucherInnen in<br />

österreichischen Kunstmuseen? Ist die Liebe zur Kunst<br />

eine Eingebung des Herzens oder beruht sie vielmehr<br />

auf der Einübung „vornehmer Sitten“? Zur wissenschaft-<br />

lichen Beantwortung dieser und weiterer Fragen des<br />

„guten Geschmacks“ schien es zweckmäßig, eine Stichprobenerhebung<br />

vor österreichischen Kunstmuseen zu<br />

unternehmen.<br />

Das primäre Interesse bestand nun darin, fast 45 Jahre<br />

nach der französischen Studie mittels stichprobenartiger<br />

Vergleichsd<strong>at</strong>en festzustellen, ob und wie sich der Zugang<br />

zu Kunstmuseen in den vergangenen Jahrzehnten verändert<br />

h<strong>at</strong>. Um dies adäqu<strong>at</strong> zu ermitteln, wurden zunächst<br />

die Fragebögen der Befragungen I + II von Bourdieus Studie<br />

über europäische Kunstmuseen und ihre BesucherInnen<br />

sorgfältig aktualisiert und behutsam reduziert. Daraufhin bildeten<br />

sich Kleingruppen, die im Zeitraum vom 23. 10. 2010<br />

bis zum 12. 11. 2010 am Eingang von österreichischen Bundesmuseen<br />

in Wien (Kunsthistorisches Museum, Albertina,<br />

Belvedere, MUMOK) insgesamt 125 MuseumsbesucherInnen<br />

(60 Frauen und 65 Männer) zu ihrem Besuchsverhalten<br />

und ihren Kunstvorlieben befragten.<br />

Zuletzt wurden die Ergebnisse gründlich diskutiert und gemeinsam<br />

ausgewertet: Eine besondere Schwierigkeit der<br />

Auswertung bestand darin, dass die von uns erhobenen<br />

Stichprobend<strong>at</strong>en im Wesentlichen die unveränderte Gültigkeit<br />

der zentraler Erkenntnisse von 1966 nahe legten. Eine


42 43<br />

solche generelle Bestätigung vorliegender Ergebnisse muss<br />

in einer ernstzunehmenden Sozialstudie zumindest Anlass<br />

zu Skepsis geben – h<strong>at</strong>ten wir mit der Formulierung der Fragen<br />

bestimmte Antworten suggeriert oder mit der Auswahl<br />

der Untersuchungsmethoden andere Antwortmöglichkeiten<br />

ausgeschlossen? Ein kritischer Vergleich mit einer 2004<br />

vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und<br />

Kultur in Auftrag gegebenen Evaluierung österreichischer<br />

Bundesmuseen unterstrich jedoch manche unserer Ergebnisse.<br />

Die Überraschung der Stichprobe von 2010 besteht<br />

demnach vor allem darin, dass sich – trotz eines im Vergleich<br />

zu den 1960er Jahren weitgehend veränderten Museums-<br />

angebots ( man denke nur an die Anstrengungen von Mu-<br />

seumspädagogik oder Museumsvermittlung, nicht zuletzt<br />

den jüngst festgelegten Gr<strong>at</strong>iszugang zu Bundesmuseen<br />

für Jugendliche unter 19 Jahren, etc.) – das allgemeine Profil<br />

der BenutzInnen von Kunstmuseen kaum verändert h<strong>at</strong>.<br />

Im Folgenden werden einige Eckpunkte unserer Stichprobenerhebung<br />

von 2010 den Ergebnissen der Breitenuntersuchung<br />

von 1966 schem<strong>at</strong>isch gegenübergestellt.<br />

Detaillierte Diagramme sowie die Dokument<strong>at</strong>ion der verwendeten<br />

Fragebögen finden sich auf der Homepage der<br />

<strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong>.<br />

Bildungsprofil<br />

„Museumsbesuche sind – ausgesprochen markant zunehmend<br />

mit höherem Schulabschluss – nahezu ausschließlich<br />

eine Sache der gebildeten Klassen.“ (Bourdieu/<br />

Darbel 2006: 33)<br />

Aus den nebenstehenden Diagrammen wird ersichtlich,<br />

dass 91% aller 2010 befragten MuseumsbesucherInnen<br />

über M<strong>at</strong>ura oder Hochschulabschluss verfügen, während<br />

nur 18% der österreichischen Bevölkerung eine vergleichbare<br />

Schulbildung haben.<br />

Akademische Ausbildung<br />

54%<br />

M<strong>at</strong>ura 11%<br />

Bildungsprofil MuseumsbesucherInnen<br />

Pflichtschule 3%<br />

Ohne Abschluss 3% Lehre 3%<br />

M<strong>at</strong>ura 37%<br />

Abb. 1 (Quelle: Geliebte Kunst, Vergleichsstudie 2010)<br />

17%<br />

Berufsbildende Schule<br />

Bildungsprofil österr. Sta<strong>at</strong>sbürgerInnen<br />

Akademische Ausbildung 7%<br />

Pflichtschule 41%<br />

Lehre 24%<br />

Abb. 2 (Quelle: St<strong>at</strong>istik Austria, Volkszählung 2001)<br />

Sozialisierung und Kunstmuseen<br />

„Das Vorhandensein einer derart starken Beziehung zwischen<br />

Ausbildungsniveau und kultureller Praxis darf nicht<br />

verschleiern, dass sich angesichts der stillschweigenden<br />

Voraussetzungen, die sie bestimmen, die Wirkung des<br />

traditionellen Schulwesens nur entfalten kann, solange<br />

sie sich auf Personen richtet, die durch die familiäre Erziehung<br />

mit der Welt der Kunst bereits in gewissem Maße<br />

vertraut sind.“ (Bourdieu/Darbel 2006: 50)<br />

Die Bedeutung des familiären Umfeldes für die kulturellen<br />

Praktiken spiegelt sich deutlich in der Art der ersten<br />

Bekanntschaft mit Kunstmuseen wieder, die in der Regel<br />

viermal häufiger durch die Familie als durch Bildungseinrichtungen<br />

(Schule, Kindergarten, etc.) erfolgt.<br />

38<br />

44<br />

82<br />

Begleitung Erstbesuch<br />

Mit wem haben Sie zum ersten Mal ein Kunstmuseum<br />

besucht?<br />

15<br />

3<br />

7<br />

10<br />

1<br />

4<br />

5<br />

2<br />

0<br />

2<br />

9<br />

Familie FreundInnen Alleine Tourismus Bildungs<br />

einrichtung<br />

24<br />

weiblich<br />

männlich<br />

gesamt<br />

Abb. 3 (Quelle: Geliebte Kunst, Vergleichsstudie 2010)<br />

4<br />

1<br />

k.A.<br />

5<br />

Kunstsozialis<strong>at</strong>ion und Schule<br />

„Die Schule, deren spezifische Funktion es ist, Neigungen<br />

zu schaffen und zu entwickeln, die den gebildeten Menschen<br />

ausmachen und Grundlage einer permanenten und,<br />

quantit<strong>at</strong>iv wie qualit<strong>at</strong>iv, intensiven kulturellen Praxis sind,<br />

könnte (zumindest zum Teil) den anfänglichen Nachteil<br />

derer wettmachen, die in ihrem familiären Umfeld keine<br />

Anregung für eine kulturelle Praxis und Vertrautheit mit<br />

Kunstwerken finden, welche der pädagogische Diskurs<br />

voraussetzt – allerdings nur unter der Bedingung, dass sie<br />

alle verfügbaren Mittel einsetzt, um die Spirale der kumul<strong>at</strong>iven<br />

Prozesse zu zerbrechen, zu denen jede Kulturbildung<br />

verurteilt ist.“ (Bourdieu/Darbel 2006: 106)<br />

Den Ergebnissen der Stichprobe nach zu schließen, ist<br />

es der Schule in den letzten Jahrzehnten nicht gelungen,<br />

„die Spirale der kumul<strong>at</strong>iven Prozesse zu zerbrechen, zu<br />

denen jede Kulturbildung verurteilt ist.“ Obwohl mehr als<br />

90% aller Erstbesuche in Kunstmuseen in den Zeitraum<br />

der schulischen oder universitären Ausbildung fallen (und<br />

mehr als die Hälfte davon im Alter von 6 bis 14 Jahren erfolgen),<br />

so geschehen sie doch in den allermeisten Fällen<br />

in Begleitung der Familie und nicht der entsprechenden<br />

Bildungseinrichtung.<br />

Altersprofil<br />

„Die T<strong>at</strong>sache, dass die jüngsten Altersgruppen in den<br />

Museen am stärksten vertreten sind – die Besuchsquote<br />

bleibt nach einem Einbruch um die 25 Jahre herum bis 65<br />

stabil – erklärt sich ganz offensichtlich durch den Einfluss<br />

der Schule.“ (Bourdieu/Darbel 2006: 40)<br />

Im Hinblick auf das Altersprofil der BesucherInnen von<br />

Kunstmuseen lassen sich einige Verschiebungen gegenüber<br />

den D<strong>at</strong>en von 1966 feststellen: Die gegenwärtig<br />

am stärksten vertretene Altersgruppe liegt zwischen 18


44 45<br />

und 25 Jahren, auch hier ist nach 25 ein Einbruch zu beobachten,<br />

der sich allerdings nicht stabilisiert, sondern<br />

gegen das Pensionsalter hin einen neuerlichen Anstieg<br />

verzeichnet. Insgesamt überrascht, dass der BesucherInnengruppe<br />

von 14 bis 18 Jahren nicht dieselbe Bedeutung<br />

zukommt, wie in der Studie von 1966. Dies mag teilweise<br />

darauf zurückzuführen sein, dass unsere Stichprobenerhebungen<br />

im Herbst 2010 ausschließlich an Nachmittagen<br />

durchgeführt wurden und daher die Besuche von Schulklassen<br />

nicht adäqu<strong>at</strong> erfasst werden konnten.<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

Altersprofil der BesucherInnen<br />

6 14 18 25 35 45 55 65<br />

Frauen<br />

Männer<br />

Gesamt<br />

Alter<br />

Abb. 4 (Quelle: Geliebte Kunst, Vergleichsstudie 2010)<br />

Orientierung in Kunstmuseen<br />

„T<strong>at</strong>sächlich aber können Pfeile, Tafeln, Kunstführer und Museumspersonal<br />

dem Mangel an schulischer Bildung nicht<br />

wirklich abhelfen, sondern verkünden durch ihr schlichtes<br />

Vorhandensein das Recht, nicht zu wissen, das Recht, hier<br />

unwissend zu sein, das Recht der Unwissenden, hier zu<br />

sein, und tragen so dazu bei das Gefühl der Unzulänglichkeit<br />

des Werkes und der Unwürdigkeit der Betrachter zu<br />

mindern […]“ (Bourdieu/Darbel 2006: 83)<br />

Im Hinblick auf die Einschätzung von orientierenden Pfeilen<br />

und erklärenden Tafeln ergibt die Auswertung der Stichprobe<br />

von 2010 folgendes Panorama: Für beide Arten von Hinweisen<br />

lässt sich eine allgemeine Bejahung des „Rechts, hier<br />

unwissend zu sein“ feststellen, eine Bejahung, die Orientierungspfeilen<br />

gegenüber einen deutlichen Anteil an Indifferenz<br />

aufweist, Erklärungstafeln gegenüber jedoch umso eindeutiger<br />

positiv ausfällt. Dies erstaunt insbesondere angesichts<br />

der bereits ausgewiesenen T<strong>at</strong>sache, dass das Bildungsniveau<br />

der BesucherInnen der Stichprobenerhebung äußerst<br />

hoch liegt.<br />

weiblich<br />

männlich<br />

gesamt<br />

15<br />

17<br />

32<br />

20<br />

23<br />

Führung FreundIn<br />

Besuchswunsch<br />

Wie würden Sie gerne ein Museum besuchen?<br />

43<br />

31<br />

39<br />

Alleine<br />

70<br />

10<br />

5<br />

Anderes<br />

Abb. 5 (Quelle: Geliebte Kunst, Vergleichsstudie 2010)<br />

15<br />

13<br />

18<br />

31<br />

weiblich<br />

Alleine Kinder<br />

1<br />

3<br />

4<br />

Besuchsart<br />

Mit wem haben Sie heute das Museum besucht?<br />

männlich<br />

gesamt<br />

17 17<br />

Familie<br />

34<br />

29<br />

25<br />

54<br />

FreundInnen<br />

1<br />

2<br />

3<br />

Gruppe<br />

Abb. 6 (Quelle: Geliebte Kunst, Vergleichsstudie 2010)<br />

Art des Besuchs<br />

„Und wenn die Besucher der unteren Klassen es vorziehen,<br />

mit Eltern oder Freunden ins Museum zu gehen,<br />

dann sicher auch deshalb, weil die Gruppe ihnen helfen<br />

soll, ein Gefühl des Unbehagens zu vertreiben, während<br />

der Wunsch, ein Museum alleine zu besuchen, immer<br />

häufiger ausgedrückt wird, je höher man sich in der sozialen<br />

Hierarchie befindet.“ (Bourdieu/Darbel 2006: 85)<br />

Unter Berücksichtigung der bereits festgestellten Einschränkungen<br />

der Stichprobenerhebung im Hinblick auf<br />

Aussagemöglichkeiten über BesucherInnen mit niedrigem<br />

Bildungsniveau, lässt sich für die Vergleichsstudie<br />

folgendes feststellen: Bei BesucherInnen mit hohem<br />

Bildungsniveau überwiegt der Wunsch, ein Museum al-<br />

leine zu besuchen. Dabei überrascht allerdings, dass die<br />

Art, wie das Museum t<strong>at</strong>sächlich besucht wurde, diesem<br />

Wunsch nicht entspricht, sondern vielmehr jenen Besuchsformen<br />

ähnlich ist, die 1966 für BesucherInnen der<br />

unteren Klassen festgestellt wurden.<br />

Inform<strong>at</strong>ionsquellen<br />

„Es ist nur ein scheinbares Paradox, dass die Klassen,<br />

denen es weniger an persönlichen Hilfsmitteln wie Kunstführern<br />

oder K<strong>at</strong>alogen mangelt (weil das Wissen um<br />

diese Hilfsmittel und die Kunst sie zu handhaben, eine Sache<br />

von Kultur ist), am häufigsten institutionalisierte und<br />

kollektive Hilfestellungen ablehnen.“ (Bourdieu/Darbel<br />

2006: 87f)<br />

Neben der generellen Bestätigung der entsprechenden<br />

Folgerungen von 1966 ist für die Stichprobe 2010 festzuhalten,<br />

dass der verschwindend geringe Anteil an t<strong>at</strong>sächlich<br />

in Anspruch genommenen Museumsführungen,<br />

sei dies in Form von Museumspersonal oder von Publik<strong>at</strong>ionen<br />

auch im Widerspruch zum bedeutend häufiger<br />

genannten Wunsch nach einer qualifizierten Museumsführung<br />

(vgl. Abb. 5) steht.<br />

Anregung<br />

„Diejenigen, die an die Wunderwirkung einer Politik der<br />

Förderung des Museumsbesuchs glauben, insbesondere<br />

an die Öffentlichkeitsarbeit in Presse, Rundfunk oder<br />

Fernsehen, ohne zu sehen, dass dies nur den Überfluss<br />

an Inform<strong>at</strong>ionen vermehrt, die Reiseführer, Fremdenverkehrsämter<br />

oder Hinweistafeln am Ortseingang von<br />

Touristenstädten schon reichlich erteilen, sie ähneln den<br />

Leuten, die glauben, um sich einem Ausländer besser<br />

verständlich zu machen, genüge es, einfach noch lauter zu<br />

sprechen.“ (Bourdieu/Darbel 2006: 147f)


46<br />

Die D<strong>at</strong>en der Stichprobe 2010 situieren die Werbung<br />

wohl ins Spitzenfeld der angegebenen Beweggründe ein<br />

Museum zu besuchen, ihr Einfluss wird jedoch übertroffen<br />

von der Motiv<strong>at</strong>ion, die Museen einer Stadt zu besuchen,<br />

die man bereist. Werbung ist ähnlich bedeutend<br />

wie nicht näher angegebene andere Gründe. Darauf folgen<br />

mit geringem Abstand persönliche Empfehlungen,<br />

durch die BesucherInnen veranlasst wurden, ins Museum<br />

zu gehen.<br />

Künstlerische Vorlieben<br />

„Die Verwirrung im Angesicht der ausgestellten Werke<br />

nimmt ab, sobald sich die Wahrnehmung mit typischen<br />

Kenntnissen ausst<strong>at</strong>ten kann, möge sie noch so verschwommen<br />

sein. Die erste Stufe der rein ästhetischen<br />

Kompetenz bestimmt sich durch die Beherrschung eines<br />

Arsenals an Wörtern, die es erlauben, Unterschiede zu benennen<br />

und dadurch bilden zu können.“ (Bourdieu/Darbel<br />

2006: 89)<br />

Das hoch gebildete Publikum der Stichprobe von 2010<br />

vorausgesetzt, ist festzustellen, dass von einer insgesamt<br />

großen Anzahl genannter KünstlerInnen (68) etwas weniger<br />

als die Hälfte davon (26) mehrfach genannt wurde.<br />

Dem Bildungsniveau des Stichprobenpublikums entsprechend<br />

wurde ebenso eine beträchtliche Anzahl an Stilrichtungen<br />

genannt (37), von denen wiederum etwas weniger<br />

als die Hälfte (16) mehrfach angeführt wurden.<br />

Schlussfolgerungen<br />

„Investitionen in kulturelle Einrichtungen sind wenig rentabel,<br />

solange es an Investitionen in die Schule fehlt, denn<br />

sie allein ist dazu in der Lage, die Nutzer solcher Einrichtungen<br />

zu ‚produzieren‘.“ (Bourdieu/Darbel 2006: 157)<br />

Der Stichprobenvergleich bestätigt diese allgemeine<br />

Schlussfolgerung; trotz eines weitgehend veränderten<br />

Museumsangebots h<strong>at</strong> sich das Profil seiner NutzerInnen<br />

kaum verändert. Es ist nahe liegend, die Gründe dafür in<br />

der bestehenden Schul- und Bildungspolitik zu suchen.<br />

Anmerkungen<br />

„Damit die Kultur ihre Aufgabe der Legitim<strong>at</strong>ion ererbter<br />

Privilegien erfüllen kann, braucht und genügt es, dass das<br />

gleichzeitig offenkundige und versteckte Band zwischen<br />

Kultur und Erziehung vergessen und geleugnet wird.“<br />

(Bourdieu/Darbel 2006: 164)<br />

Alle Zit<strong>at</strong>e stammen aus:<br />

Pierre Bourdieu und Alain Darbel, Die Liebe zur Kunst. Europäische<br />

Kunstmuseen und ihre Besucher,<br />

Konstanz: UVK 2006.<br />

Infografik: Christoph Tripes.<br />

Tom Waibel<br />

Dr. Tom Waibel ist Kunst- und Kulturphilosoph und unterrichtet an<br />

diversen Universitäten und der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong>.


48 49<br />

Thomas F<strong>at</strong>zinek<br />

Geboren 1965 in Linz<br />

Abschlussjahrgang: 2004<br />

Abschlussklasse: Druckgraphik<br />

Lebt und arbeitet in Wien<br />

Illustr<strong>at</strong>or und „G’schichtldrucker“<br />

Wie das mit Leidenschaften oftmals so ist, entwickelt<br />

sich auch Thomas’ Begeisterung für Comics bereits in<br />

seiner Kindheit. Als gelernter Lithograf beginnt er 2000<br />

ein Studium an der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong>. Seine Studienzeit h<strong>at</strong><br />

er nach eigenen Angaben sehr genossen. Gut gefallen<br />

h<strong>at</strong> Thomas neben der Ausbildung der seiner Ansicht<br />

nach starke Zusammenhalt an der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong>, vor<br />

allem innerhalb der Werkstätte. Auch einen Lehrgang in<br />

Medienillustr<strong>at</strong>ion bei Mag. Nana Swiczinsky h<strong>at</strong> Thomas<br />

erfolgreich absolviert.<br />

Seine häufig historischen Comics zeichnet er zuerst<br />

als Vorlage und arbeitet sie dann als Linolschnitt<br />

aus. Eine intensive Recherche und Auseinandersetzung<br />

mit Vergangenem ist dabei n<strong>at</strong>ürlich Standard.<br />

Die Charaktere dafür findet Thomas unter anderem in<br />

Zeitungen. Nebenbei jobbt Thomas in diversen Branchen,<br />

bleibt jedoch immer seiner Leidenschaft treu und<br />

arbeitet und zeichnet kontinuierlich an seinen Bildgeschichten<br />

weiter. Sein nächstes Projekt ist eine Ausstellung<br />

Anfang Februar 2011 am Renner-Institut in Wien.<br />

Thomas im Netz: www.tomf<strong>at</strong>z.net<br />

Ausstellungen / Projekte (Auswahl):<br />

Comic „now“ (Serie „Faces“) | Gruppenausstellung |<br />

Galerie der Freischaffenden | 2009 | Wien<br />

1. Wiener Comic-Tag | Gruppenausstellung | WUK |<br />

2009 | Wien<br />

Linz09 | Gruppenausstellung | Kulturzentrum Kapu |<br />

2009 | Linz<br />

„Als die Nacht begann …“ | Einzelausstellung |<br />

AK-Bildungshaus Jägermayrhof | 2007 | Linz


50 51<br />

Philipp Müller<br />

Geboren 1972 in Rosenheim, BRD<br />

Abschlussjahrgang: 2002<br />

Abschlussklasse: Bildhauerei<br />

Lebt und arbeitet in Wien<br />

Kultur, Kunst, Gesang<br />

Selbstportrait – Hommage an<br />

Robert Adrian X, © Philipp Müller<br />

Philipp Müller beendete seine Studienzeit in der Werkstätte Bildhauerei an der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong> im Sommer 2002. Vor<br />

der Beschäftigung mit der Bildenden Kunst war die Musik sein zentrales künstlerisches Betätigungsfeld und das ist sie<br />

seit 2006 wieder. Deswegen widmet er seiner Band funkenflut dieses Portrait.<br />

funkenflut wurde im Dezember 2006 gegründet. In den ersten zwei Jahren wurde in der Wohnung von Philipp mit einigen<br />

befreundeten Musikern gejamt, geprobt und in Eigenproduktion die Demo-CD „nikodemos“ ( sechs Titel ) aufgenommen.<br />

Bandlogo und Schriftzug funkenflut<br />

Bandfoto funkenflut, 2009, Foto © funkenflut<br />

Im April 2009 wurden mit Peter Zirbs, dem Kopf der Konsorten , vier Titel aufgenommen, doch wegen einer schweren<br />

Erkrankung, konnte der Gitarrist Speed I.O., nicht mehr mit der funkenflut weiter spielen und die Band entschloss sich,<br />

die Fertigstellung der CD aufzuschieben.<br />

Im Herbst und Winter wurde gemeinsam mit Felix Metzner – einem befreundeten Filmemacher – aus dem<br />

Auftritt beim Connect-Festival im August 2009, bei dem unter anderem B Seiten Sound und Ganjaman spielten, die<br />

Drei-Lieder-Demo-DVD „Die Sonne gibt es doch!“ produziert. Im September 2010 wurde dann endlich die vier Titel<br />

umfassende EP „Die Sonne“ auf Mouvement Records veröffentlicht. funkenflut sind:<br />

Philipp „fil“ Müller: Stimme, Aron Tompa: E-Piano, Rainer Kudrna: Gitarre, Michael „mi:kesh“ Weitz: Schlagzeug,<br />

Andreas G<strong>at</strong>termayer: Bass und der Dauer-Gastmusiker: Emanuel „Mani Marillo“ Toifl: Saxophon.<br />

Mehr zu funkenflut: www.funkenflut.<strong>at</strong> | Mehr zu Philipp Müller: www.kunstkartei.<strong>at</strong>


52 53<br />

Birgit Lichtenberger<br />

Geboren 1970 in Eisenstadt<br />

Abschlussjahrgang: 2002<br />

Abschlussklasse: Interdisziplinäre Klasse<br />

Conditio humana<br />

Install<strong>at</strong>ion, 2002<br />

Objekt: L<strong>at</strong>ex, Schaumstoff, Leder, Stoff, Gel,<br />

Heizkissen, 40 × 50 × 40 cm<br />

Schneiderpuppe, Reifrock, Glaskörper, Monitor<br />

Video, 10 Min, Loop; Farbe<br />

Birgit Lichtenberger lernte über einen Modellierkurs an<br />

der VHS die <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong> kennen. Sie arbeitete bereits<br />

seit zehn Jahren als Hebamme. Durch klassisches<br />

Modellieren in der Bildhauereiklasse wurde ihr Blick<br />

beängstigend gesprengt und die Vorlesungen der Interdisziplinären<br />

Klasse machten sie froh und beschwingt.<br />

Erst in den Jahren nach dem Abschluss wurde ihr langsam<br />

bewusst, wie viel an hochwertigem Input ihr in der<br />

<strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong> geboten wurde. Sie h<strong>at</strong>te das Glück, in<br />

einer wunderbaren Klasse zu sein. Sie h<strong>at</strong> Seelenverwandte<br />

gefunden, mit manchen ist der Kontakt noch<br />

immer innig.<br />

Es war eine wunderbare Zeit. Getan – im Verhältnis zu<br />

heute – h<strong>at</strong> sie nicht so viel. Damals fand sie das Hervorgebrachte<br />

schon genug, erst mit der Zeit stellte sich<br />

dann heraus, dass es eigentlich erst der Anfang war.<br />

Mit manchen Kommentaren zu ihren damaligen Ansätzen<br />

kann sie heute erst etwas anfangen. Auch sie war<br />

in ihrem Denken und Tun sehr an Konventionen gebunden,<br />

die es zu hinterfragen galt und noch immer gilt.<br />

Unmittelbar nach dem Abschluss an der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong><br />

gewann sie den ersten burgenländischen Frauenkunstpreis.<br />

Es folgten eine Einzelausstellung in Wien und<br />

eine Auftragsarbeit für die Landesgalerie Eisenstadt.<br />

Weitere Auftragsarbeiten führten zur Ernüchterung.<br />

Ihr zentrales Thema, erkennbar oder weit unter der<br />

Oberfläche versteckt, war der menschliche Leib. Zu<br />

diesem Thema h<strong>at</strong> sie nach der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong> Vor-<br />

lesungen an der Uni Wien in Kunstgeschichte und<br />

Philosophie besucht. Sie wollte eigentlich noch „weiter<br />

unterrichtet werden“ und versuchte es an der Angewandten.<br />

Sie interessierte sich für ein Studium bei<br />

Erwin Wurm, um bei einem seiner Assistenten Steine<br />

behauen zu lernen, leider ließ sich soviel Arroganz nicht<br />

kommentarlos ertragen.<br />

2006 bis 2009 bastelte sie an kleinen Welten mit Dekorm<strong>at</strong>erial<br />

und Alltagsgegenständen, um die räumlichen<br />

Verhältnisse für sich zu verschieben und sich die Welt<br />

verständlicher zu machen. 2009 h<strong>at</strong>te Birgit „im Dorf“<br />

(1030 Wien) die Einzelausstellung „ Kleine große Welt“.<br />

Im Nachhinein lesen sich die Arbeiten wie ein Tagebuch.<br />

Dies war der Beginn, aus ihrem Inneren zu schöpfen<br />

und nicht ständig nur im Außen nach Anregungen zu<br />

suchen.<br />

Heute dauern die begonnenen Arbeiten viel länger an.<br />

Einerseits h<strong>at</strong> sie gelernt, länger und konsequenter daran<br />

zu arbeiten. Seit einem Jahr stellt Birgit Lichtenberger<br />

menschliche Zähne aus Fimo her. Die Zähne sind<br />

nun mit ihr ins Burgenland auf einen Bauernhof übersiedelt<br />

und warten schon auf ihren Eins<strong>at</strong>z.


54 55<br />

Leerstelle Geschlechter- und Migr<strong>at</strong>ionsverhältnisse.<br />

Ein Beitrag zur Wahrnehmung von Differenzen<br />

Die Grundformel, nach der die Welt seit Jahrzehnten funktioniert,<br />

ist nach wie vor in Kraft: Frauen leisten, global<br />

gesehen, zwei Drittel der Arbeit, verfügen über zehn Prozent<br />

des Einkommens und ein Prozent des Vermögens.<br />

(Hamann/Linsinger)<br />

Frauen – Realitäten<br />

Die Verbesserung der Lebenslage für Frauen hängt auch<br />

in Europa von Herkunft (Milieu, Migr<strong>at</strong>ion) und Bildungschancen<br />

ab. Das Argument, dass der Strukturwandel in der<br />

Moderne mit einer zunehmenden Individualisierung der<br />

Gesellschaftsmitglieder und einer Ent-Traditionalisierung<br />

der Geschlechterverhältnisse verbunden ist, gilt nicht für<br />

alle Frauen gleichermaßen und ist von Widersprüchlichkeiten<br />

und neuen Ungleichheiten durchwachsen. Zu Beginn<br />

des 21. Jahrhunderts befinden sich Frauen in einem Zustand<br />

des ‚Nicht-mehr‘ und ‚Noch-nicht‘ (Wilz, 2008, 11).<br />

Ihre Lebenschancen haben sich vervielfältigt und müssen<br />

nicht mehr familienzentriert sein, doch andererseits sind<br />

Arbeitsmärkte nach wie vor geschlechtssegregierend organisiert,<br />

was nichts mit den Fähigkeiten von Frauen und<br />

alles mit Geschlechtsstereotypen und von Männern besetzten<br />

Hierarchien zu tun h<strong>at</strong>. Vor über sechzig Jahren<br />

wurde von Simone de Beauvoir „der bis heute berühmteste<br />

Text der feministischen Theorie, der eine umfassende<br />

Analyse der Situ<strong>at</strong>ion der weißen, westlichen Frau der<br />

Mitte des 20. Jahrhunderts vorlegt“ verfasst (Konnertz,<br />

2005, 32), dessen Aktualität viel zu wünschen übrig lässt.<br />

Die Feststellung, dass die Frau in der Geschichte des<br />

Geschlechterverhältnisses immer die untergeordnete,<br />

unwesentliche ‚Andere‘ des Mannes war, wurde zwanzig<br />

Jahre später von der zweiten Frauenbewegung aufgegriffen<br />

und es wurde mit unterschiedlichen Str<strong>at</strong>egien und<br />

Theorien um tiefgreifende gesellschaftliche und individuelle<br />

Befreiung von Frauen gekämpft. Dieses Engagement<br />

h<strong>at</strong> in Rel<strong>at</strong>ion zu anderen sozialen Bewegungen umfassenden<br />

mentalen und faktischen Einfluss gehabt, aber<br />

keine (massenmediale) Macht, sodass heute wieder von<br />

einem maskulinistischen Backlash – in neoliberalistischer<br />

Prägung – gesprochen werden kann.<br />

Es gibt verschiedene Motive und Einschätzungen zur<br />

Phase des so genannten postmodernen Feminismus. –<br />

„Das Stereotyp von der glücklichen Ehefrau wurde vom<br />

schlanken, jugendlichen Supermodel ersetzt. Mit dem<br />

Effekt, dass die Ernährungs- und Kosmetikindustrie die<br />

soziale Kontrolle darüber ausübt, wie Frauen sich zu verhalten<br />

haben“ (Haas, 2006, 10). – Das rechtskonserv<strong>at</strong>ive<br />

Spektrum sieht die Frauen als Opfer der Emanzip<strong>at</strong>ion, da<br />

diese die Frauen von ihrer eigentlichen Bestimmung, der<br />

Reproduktion, entfremdete (nach: Haas, 2006, 11). – Die<br />

Rede von den überflüssigen Gleichstellungspolitiken, da<br />

für Frauen ohnehin inzwischen alles erreichbar sei, existiert<br />

als Medienkonstrukt, „etwa wenn die Frauenemanzip<strong>at</strong>ion<br />

von durchaus renommierten FeuilletonistInnen,<br />

FilmemacherInnen, BuchautorInnen implizit oder explizit<br />

für alle persönlichen, familiären und gesellschaftlichen<br />

Probleme in den modernen Gesellschaften und selbst im<br />

globalen Maßstab haftbar gemacht wird … “ (Kurz-Scherf<br />

et al, 2010, 8). Da jedoch fundamentale strukturelle Unterschiede<br />

noch immer bestehen, ist eine kritische feministische<br />

Bewusstseinsbildung (wieder) notwendig.<br />

Von den Vereinten N<strong>at</strong>ionen wurde 1979 ein Übereinkommen<br />

zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung<br />

der Frau (Convention on the Elimin<strong>at</strong>ion of All Forms of<br />

Discrimin<strong>at</strong>ion Against Women, kurz CEDAW) getroffen,<br />

dem das einfache Ziel zugrunde liegt, dass Grund- und<br />

Menschrechte weltweit auch Frauen zugestanden werden<br />

müssen. Die Wirklichkeit ist weit davon entfernt. Selektive<br />

Abtreibungen, Vernachlässigungen bei Ernährung und<br />

medizinischer Versorgung in großen Teilen Asiens, Mordepidemien<br />

an Frauen in Mittelamerika (wofür ein Wort kreiert<br />

wurde: Femizid), die ‚Ehrverbrechen‘ an muslimischen<br />

Mädchen und Frauen, Genitalverstümmelungen in Afrika<br />

und anderswo, Vergewaltigungen als Kriegswaffe, um<br />

nur einige Phänomene zu erwähnen (vgl. Ockrent, 2008).<br />

Gewalt an Frauen ist universell; z. B. in Deutschland und<br />

Frankreich h<strong>at</strong> jede vierte Frau Gewalterfahrungen.<br />

Jenseits von akklamierter Gleichberechtigung landet Öster-<br />

reich im letzten Drittel der EU-Sta<strong>at</strong>en, wenn die Bruttolöhne<br />

zwischen Frauen und Männern verglichen werden. 1<br />

„Mit dem Equal Pay Day soll auf die bestehende Einkommensschere<br />

aufmerksam gemacht werden. Dieser Tag,<br />

heuer war es der 29. September, ist rein rechnerisch gesehen<br />

der Tag, ab dem Frauen im Vergleich zu Männern<br />

bis Jahresende ‚gr<strong>at</strong>is‘ arbeiten“ (Ostermann, 2010, K2).<br />

Die britische Equal Opportunities Commission macht ironisch<br />

darauf aufmerksam: „Bereiten Sie Ihre Tochter auf<br />

die Arbeitswelt vor. Geben Sie Ihr weniger Taschengeld als<br />

Ihrem Sohn“ (Hamann/Linsinger, 2008, 25). In den europäischen<br />

Ländern ist vor allem die Ausbreitung von Teilzeit-<br />

jobs verantwortlich für die ungleichen Verdienstmöglichkeiten.<br />

Einer St<strong>at</strong>istik (Eurost<strong>at</strong> 2008) ist zu entnehmen,<br />

dass fast die Hälfte aller in Österreich erwerbstätigen<br />

Frauen, also 41,5% teilzeitbeschäftigt sind – in Differenz<br />

zu 92% vollerwerbstätigen Männern. Das heißt, von den<br />

955.000 Teilzeitarbeitenden sind 81% Frauen (Frauenbericht,<br />

2010, 130f). Die unbezahlten reproduktiven Arbeiten<br />

werden nach wie vor zu 75 – 90% von der weiblichen Bevölkerung<br />

geleistet, egal, ob sie erwerbstätig sind oder<br />

nicht; und wenn sie in gut bezahlten Positionen arbeiten,<br />

so wird die dadurch entstehende Versorgungslücke von<br />

migrantischen Dienstbotinnen ersetzt. „Im Jahr 2007 verdienten<br />

Frauen mit ausländischer Sta<strong>at</strong>sangehörigkeit …<br />

nur 68,2% des Bruttojahreseinkommens der Österreicherinnen“<br />

(Frauenbericht, 2010, 344). 2<br />

Migrantinnen – Realisieren<br />

Die westliche weiße männliche durchschnitts-wohlhabende<br />

Dominanzkultur – die viele westliche weiße Frauen<br />

hier adaptiert haben – zeichnet sich durch die Definitionsmacht<br />

über Zugehörigkeit, Abhängigkeit und Unterordnung<br />

aus. MigrantInnen haben sich zu integrieren, d. h.<br />

sie sollen sich an unsere ‚Normalität‘ assimilieren, was<br />

eine Exklusion voraussetzt: Verwaltungs- und Bildungsorgane<br />

institutionalisieren sie als ‚Problem‘, als ‚Objekte‘<br />

der Behandlung. Diese Marginalisierungsprozesse haben<br />

oft Identifik<strong>at</strong>ionen mit der Ausgegrenztheit zum Effekt,<br />

die in Überanpassungsdynamiken an hiesige Normen wie<br />

auch zu überbetonten Rückgriffen auf die Herkunftskultur<br />

führen können. Dies sollte in Zusammenhängen, die mit<br />

Migrantinnen zu tun haben, bewusst sein.<br />

Steht bei uns der Individualismus als Freiheit jeder Einzelnen<br />

hoch im Kurs der Identitäts-Angebote, ist dies in<br />

anderen Herkünftigkeiten nicht selbstverständlich, da dort


56 57<br />

z. B. eher familiäre oder geschlechtssegregierte Verbindlichkeiten<br />

und Verbindungen ein ‚ich‘ ausmachen können.<br />

So gerinnen dann – auch unter dem Aspekt der westlichen<br />

Weise die Hausfrau und Mutter gesellschaftlich zu<br />

isolieren – die Existenzbedingungen von vielen Migrantinnen<br />

zur Eiskammer. „Die Frauen werden in der Fremde<br />

krank, weil sie isoliert sind, weil sie abgelehnt werden,<br />

weil sie die Diskriminierungen, die Fremdenfeindlichkeit<br />

bis auf die Knochen fühlen. Durch den Wegfall der im Heim<strong>at</strong>land<br />

vorhandenen Frauengemeinschaften, durch die<br />

soziale Isolierung, eine fremde Sprache und Umgebung<br />

und die oftmals vorhandene Entfremdung von den sich<br />

schneller anpassenden Kindern werden die eigenen vier<br />

Wände zu einem Gefängnis, in dem das besondere Festklammern<br />

an traditionelle Werte oft zum letzten Halt, aber<br />

auch zur besonderen Fessel werden. Viele erfahren nun<br />

Einschränkungen, die sie bisher nicht kannten. Sie müssen<br />

sich mühsam, ohne den vertrauten Kontakt zu anderen<br />

Frauen, eine fremde Umwelt aneignen. Erst jetzt werden<br />

sie wirklich abhängig vom Ehemann, der ihnen nicht<br />

erlaubt und zutraut, sich in der neue Umgebung alleine zu<br />

bewegen . Sein Leben außer Haus spielt sich weiterhin<br />

in Männergruppen ab. Seine Frau erlebt Vereinzelung und<br />

Einsamkeit“ (Akashe-Böhme, 2000, 66).<br />

Die Lebenslage von Migrantinnen besteht also nicht nur<br />

aus ‚race‘ – auch wenn dies oft den sichtbarsten Diskriminierungsgrund<br />

darstellt –, sondern auch ‚sex‘ als<br />

Identitätsdeterminante ist in jedem Handlungsraum und<br />

Vermittlungskontext mitzudenken. Die Vergegenwärtigung<br />

der Situ<strong>at</strong>ion von Frauen in der Migr<strong>at</strong>ion ist nicht<br />

nur „wegen der Feminisierung als eines Grundzuges der<br />

gegenwärtigen Migr<strong>at</strong>ion notwendig, sondern weil sich in<br />

der Existenz von Frauen das Fremdsein gewissermaßen<br />

potenziert. Migrantinnen leben nicht nur unter der Bedin-<br />

gung einer ihnen fremden, sondern auch unter Bedingungen<br />

einer vom P<strong>at</strong>riarch<strong>at</strong> geprägten Kultur, die für Frauen<br />

im öffentlichen Leben … zunächst keinen Pl<strong>at</strong>z vorgesehen<br />

h<strong>at</strong>te“ (Akashe-Böhme, 2000, 20).<br />

Neben der Diskriminierung und – deren Spiegelverhält-<br />

nis – der Tolerierung ist seitens der Mehrheitsgesellschaft<br />

die gewöhnlichste Pl<strong>at</strong>zierung für Migrantinnen eine der<br />

Viktimisierung oder Exotisierung. Doch sind sie weder als zu<br />

bevormundende Mängelwesen noch als Projektionsfläche<br />

für hybride Subjektivitäten anzusehen. Die grundsätzliche<br />

Problem<strong>at</strong>ik hierbei lässt sich als „Differenz-Dilemma“ be-<br />

nennen. Wenn Unterschiede von diskriminierten Gruppen<br />

ignoriert werden, führt dies zu einer Pseudoneutralität<br />

und umgekehrt können Konzentr<strong>at</strong>ionen auf diese Differenzen<br />

zur Wieder(ein)holung von Stigm<strong>at</strong>isierungen<br />

verleiten. Die Gr<strong>at</strong>wanderung besteht in dem Gelingen,<br />

einerseits die vielen un/sichtbaren Unterschiede in der<br />

Gesellschaft zu erkennen, sie als produzierte zu bezeichnen,<br />

sowie andererseits nicht wieder die herkömmlichen<br />

Hierarchisierungen zu verfestigen. Idealiter bleiben dann<br />

Migrantinnen nicht länger (gute oder böse) Objekte von<br />

Mainstreamdiskursen, sondern können zu Sprecherinnen<br />

ihrer selbst werden.<br />

Partizip<strong>at</strong>ion – Füllen<br />

Zu den „gespensterhaften Menschen … die durch das<br />

Raster der für jede noch so kleine Anerkennung erforderlichen<br />

sozialen Wahrnehmung fallen, zählen jene, deren<br />

Alter, Geschlecht, Rasse, N<strong>at</strong>ionalität und St<strong>at</strong>us der<br />

Arbeitskraft sie … disqualifizieren. Wesentlich ist, dass<br />

sie – auf je unterschiedliche Weise – innerhalb der Polis<br />

als deren interiorisiertes Außen einbehalten sind.“ (Butler,<br />

2007, 15). Diesen subalternen Gruppen 3 ist der Zugang zu<br />

den hegemonialen Teilen 4 der Gesellschaft verschlossen<br />

und sie haben kaum die Mittel, sich politisch öffentlich<br />

einzumischen.<br />

Als Paradigma für dieses eingeschlossene Ausgeschlossensein<br />

kann die nicht existierende Geschlechterdemokr<strong>at</strong>ie<br />

gelten. Die Entstehung der Demokr<strong>at</strong>ie in der<br />

Moderne beginnt mit der Köpfung einer Frau (Olymp<br />

de Gouges in der französischen Revolution), die gleiche<br />

Rechte für Frauen forderte. Der Slogan ‚Freiheit, Gleichheit,<br />

Brüderlichkeit‘ bringt das ungewusst zum Ausdruck.<br />

Die Geschichte des Versammlungs- und Wahlrechts für<br />

Frauen erzählt genauso von der politischen Partizip<strong>at</strong>ionsproblem<strong>at</strong>ik,<br />

wie die Gegenwart einer von Männern<br />

dominierten politischen und ökonomischen Elite (vgl.<br />

Krondorfer et al, 2008).<br />

Zusätzlich lässt sich heute von einer Refeudalisierung<br />

der sozialen Strukturen sprechen, da eine ungeheure<br />

Reichtumsproduktion von einer Minderheit auf Kosten<br />

der globalen Mehrheit ungestört st<strong>at</strong>thaben kann. Bislang<br />

zumindest formell demokr<strong>at</strong>isch gewählte Regierungstätigkeit<br />

verliert ihre Macht bei der Gestaltung des<br />

Gemeinwesens. „Die Klasse, die ohnehin die Ökonomie<br />

beherrscht, dominiert nun auch den politischen Bereich“<br />

(Crouch, 2008, 60) – ohne von der Allgemeinheit dazu legitimiert,<br />

noch dieser verpflichtet zu sein. Reichtum und<br />

Macht sind in globalen Unternehmen konzentriert, was<br />

neue Abhängigkeiten und Interessensmanipul<strong>at</strong>ionen<br />

zum Effekt h<strong>at</strong>. Dieses mit dem Neoliberalismus eng verknüpfte<br />

Phänomen wird auch als Pseudo- oder Postdemokr<strong>at</strong>ie<br />

bezeichnet.<br />

Trotz – oder gerade wegen – dieses neg<strong>at</strong>iven Horizonts<br />

ist die Bemühung um politische Partizip<strong>at</strong>ion nicht aufzugeben.<br />

‚Partizip<strong>at</strong>ion‘ heißt Teilhabe und Teilnahme an<br />

einem Ganzen, über das niemand alleine verfügen kann.<br />

Partizip<strong>at</strong>ion ist ein auf eine Gemeinschaft/Gesellschaft<br />

bezogenes Handeln, das individuelle Selbstbestimmung<br />

voraussetzt. „Wenn die Selbstbestimmung die Quelle aller<br />

gesellschaftlichen Eigentätigkeit ist, ohne die es nicht<br />

zu bewussten gemeinsamen Aktivitäten kommen kann,<br />

ist die Mitbestimmung die spezifische Bedingung einer<br />

jeden politischen Organis<strong>at</strong>ion. Aus der von der Selbstbestimmung<br />

her gedachten Mitbestimmung erwächst und<br />

besteht die Politik“ (Gerhardt, 2007, 24). Für die meisten<br />

Frauen (und so genannten Minderheiten) ist das Spannungsfeld<br />

zwischen dem Besonderen und dem Allgemeinen<br />

noch völlig unausgelotet, da es mit Selbst- und Mitbestimmung<br />

kaum Erfahrung und Wissen gab und gibt.<br />

In all diese unterschiedlichen und widersprüchlichen Rahmungen<br />

und Perspektiven von weiblichen, insbesondere<br />

migrantischen Lebenszusammenhängen ist die Bildungs/<br />

Arbeit mit Frauen involviert. „Ziel ist es … Handlungsspielräume<br />

zu erweitern. In den Gruppen und Lernsitu<strong>at</strong>ionen<br />

sind die Voraussetzungen zu schaffen, dass … altern<strong>at</strong>ives<br />

Verhalten erfolgreich erprobt werden kann“ (Schwanzer,<br />

2008, 77). Das impliziert einen Begriff von Vermittlung,<br />

der die Dialektik zwischen Einzelnen und Kollektivität<br />

oder Selbstbewusstsein und Solidarität versteht. Und das<br />

impliziert allererst eine differenzierte Wahrnehmung von<br />

Unterschieden.<br />

Birge Krondorfer<br />

Mag. Dr. Birge Krondorfer ist Lehrbeauftragte an der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong><br />

und an verschiedenen Instituten und Universitäten. Vortragstätigkeit,<br />

Erwachsenenbildung, Gruppentraining, Supervision, Interkulturelles<br />

Training. Veröffentlichungen zur Theorie- und Praxisbildung<br />

der Geschlechterdifferenzen. Vorstand und ehrenamtlich tätig in<br />

der feministischen Bildungsstätte Frauenhetz, Wien.


58<br />

1 Vollzeitbeschäftigte Arbeiterinnen verdienen € 18. 700,– ,<br />

Arbeiter € 27. 632,–; weibliche Angestellte bekommen<br />

€ 27. 651,– , männliche € 42. 497,–; Rechtsanwälte verdienen<br />

bis zu 77 Prozent mehr als ihre Kolleginnen; Architekten<br />

erhalten 2,5 mal mehr als Architektinnen (Hamann/Linsinger,<br />

2008, 26).<br />

2 Migrantischen Global Players mit ihren Verbindungen zur<br />

(ökonomischen High-) Society mangelt es nicht an Akzeptanz.<br />

Um diese geht es hier nicht.<br />

3 l<strong>at</strong>. subaltern: von niedrigerem Rang<br />

4 altgriech. Hegemonie: Vorherrschaft, Überlegenheit<br />

Liter<strong>at</strong>urnachweis<br />

Akashe-Böhme, Fardeh (2000): In geteilten Welten. Fremdheitserfahrungen<br />

zwischen Migr<strong>at</strong>ion und Partizip<strong>at</strong>ion.<br />

Brandes & Apsel.<br />

Frauenbericht 2010. Bericht betreffend die Situ<strong>at</strong>ion von<br />

Frauen in Österreich im Zeitraum von 1998 – 2008. Bundeskanzleramt<br />

Österreich.<br />

Butler, Judith; Spivak, Gay<strong>at</strong>tri C. (2007): Sprache, Politik,<br />

Zugehörigkeit. Diaphanes.<br />

Crouch, Colin (2008): Postdemokr<strong>at</strong>ie. Suhrkamp.<br />

Gerhardt, Volker (2007): Partizip<strong>at</strong>ion. Das Prinzip der Politik.<br />

C.H. Beck.<br />

Haas, Birgit (Hg.) (2006): Der postfeministische Diskurs.<br />

Königshausen & Neumann.<br />

Hamann, Sibylle; Linsinger, Eva (2008): Weißbuch Frauen<br />

Schwarzbuch Männer. Warum wir einen neuen Geschlechtervertrag<br />

brauchen. Deuticke.<br />

Konnertz, Ursula (2005): Simone de Beauvoir: Das andere<br />

Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau. In: Löw, Martina;<br />

M<strong>at</strong>hes, Bettina (Hg.): Schlüsselwerke der Geschlechterforschung.<br />

VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 26 – 58.<br />

Krondorfer, Birge; Wischer Miriam; Strutzmann, Andrea (Hg.)<br />

(2008): Frauen und Politik. Nachrichten aus Demokr<strong>at</strong>ien.<br />

Promedia.<br />

Kurz-Scherf, Ingrid; et al (2010): Über formale Gleichheit und<br />

Gleichstellung hinaus: Feministische Herausforderungen des<br />

21. Jahrhunderts. In: Kurz-Scherf, Ingrid; Lepperhoff, Julia;<br />

Scheele, Alexandra (Hg.): Feminismus: Kritik und Intervention.<br />

Westfälisches Dampfboot, S. 7 – 22.<br />

Ockrent, Christine (Hg.) (2007): Das Schwarzbuch zur Lage<br />

der Frauen. Eine Bestandsaufnahme. Pendo.<br />

Ostermann, Gudrun (2010): „Alles, was mehr Klarheit bringt,<br />

ist hilfreich“. In: Der Standard 2./3. Oktober.<br />

Schwanzer, Susanne (2008): Gendersensibel trainieren und<br />

unterrichten. In: Buchmayr, Maria (Hg.): Geschlecht lernen.<br />

Gendersensible Didaktik und Pädagogik. StudienVerkag,<br />

S. 73 – 90.<br />

Wilz, Sylvia Marlene (Hg.) (2008): Geschlechterdifferenzen –<br />

Geschlechterdifferenzierungen. Ein Überblick über gesellschaftliche<br />

Entwicklungen und theoretische Positionen.<br />

VS Verlag für Sozialwissenschaften.


60 61<br />

Kraftausdruck<br />

Projektleitung | Alfons Nebmaier<br />

Kunst im öffentlichen Raum. Raus aus der Schule. Rein<br />

ins Leben, um den Horizont zu erweitern. Leben heißt für<br />

die StudentInnen der Bildhauerei in diesem Fall „Aktivspielpl<strong>at</strong>z<br />

Rennbahnweg“.<br />

In einer gemeinsamen Aktion von StudentInnen, Kindern<br />

und Jugendlichen entstanden vier Totempfähle, je sechs<br />

Meter hoch. Der Tradition der indigenen Bevölkerung<br />

Nordamerikas entlehnt, wurden Motive gemeinsam erarbeitet<br />

und umgesetzt.<br />

Ein produktives Miteinander, ein Heranführen der BesucherInnen<br />

an künstlerische Praxis durch Menschen,<br />

die selbst gerade am Beginn ihrer kre<strong>at</strong>iven Laufbahn<br />

stehen – das schafft auf beiden Seiten weitreichende<br />

Erfahrungen. Ein Feedback von Jugendlichen an Studierende,<br />

das in dieser Form selten ist. Der Umgang ist von<br />

gegenseitigem Respekt und Spaß an der Arbeit geprägt.<br />

Weithin sichtbar zeugen die Willkommenspfähle am Aktivspielpl<strong>at</strong>z<br />

(Rennbahnweg 29, Wien-Donaustadt) vom<br />

guten Gelingen der Zusammenarbeit.


62 63<br />

Neues Logodesign für den Aktivspielpl<strong>at</strong>z Rennbahnweg<br />

Projektleitung | Brigitte Ammer, Birgit Kerber, Alfons Nebmaier<br />

Der Aktivspielpl<strong>at</strong>z Rennbahnweg bietet Kindern und Jugendlichen zwischen sechs und sechzehn Jahren einen Freiraum,<br />

Lebensraum und Erfahrungsraum, in dem sie aktiv und schöpferisch spielen, Fähigkeiten und Fertigkeiten erlernen<br />

und erproben, sich vielfältig bewegen und soziales Verhalten üben können.<br />

Das neue Logo sollte vor allem auf die Aktivitäten, aber auch auf den sozialen Auftrag des Spielpl<strong>at</strong>zes eingehen. Es<br />

sollte zeitgemäß sein und auf diversen Printprodukten in unterschiedlichen Größen zum Eins<strong>at</strong>z kommen. Wichtig war<br />

auch, dass es bei Kindern, Jugendlichen und BetreuerInnen für eine verstärkte Identifik<strong>at</strong>ion mit der Einrichtung sorgen<br />

sollte, und nach außen – etwaigen Sponsoren gegenüber – für den Aktivspielpl<strong>at</strong>z und seine Ideale stehen kann.<br />

Neben einer farbigen Variante soll auch eine Schwarz/Weiß-Variante zum Eins<strong>at</strong>z kommen.<br />

TeilnehmerInnen:<br />

Tanja Gahr, Lukas Gülcher, M<strong>at</strong>thias Moser, Jennifer Payr, Jakob Ritt, Mirijam Schweigkofler, Alexander Zech<br />

Bis zum Drucktermin ist noch keine Entscheidung getroffen worden.


64 65<br />

1 2<br />

3<br />

1 Alex Zech<br />

2 M<strong>at</strong>thias Moser<br />

3 Jennifer Payr<br />

4 Mirjam Schweigkofler<br />

5 Jakob Ritt<br />

6 Tanja Gahr<br />

7 Lukas Gülcher<br />

4 5<br />

6 7


66 67<br />

Videolabor<br />

Lehrbeauftragter | Carlos K<strong>at</strong>astrofsky<br />

„Wie die Tangente den Kreis flüchtig und nur in einem<br />

Punkte berührt und wie ihr wohl diese Berührung, nicht<br />

aber der Punkt, das Gesetz vorschreibt, nach dem sie<br />

weiter ins Unendliche ihre gerade Bahn zieht, so berührt<br />

die Übersetzung flüchtig und nur in dem unendlich kleinen<br />

Punkte des Sinnes das Original, um nach dem Gesetze<br />

der Treue in der Freiheit der Sprachbewegung ihre eigenste<br />

Bahn zu verfolgen.“ Walter Benjamin<br />

Ähnlich einer Übersetzung berührt das Medium Video<br />

die (sichtbare) Realität in einem unendlich kleinen Punkt,<br />

um anschließend weiterzuziehen. Die Berührungspunkte<br />

sind vielfältiger N<strong>at</strong>ur: sinnliche Stimul<strong>at</strong>ion (wie etwa<br />

Schwimmen in kaltem Wasser zu Beginn des Wintersemesters),<br />

politisch-emotionale Auseinandersetzung (Beobachtung<br />

und Dokument<strong>at</strong>ion im besetzten Audimax)<br />

bis hin zu intellektuell-strukturellen Experimenten. Die<br />

Ergebnisse sind Zeugnisse von Übersetzungsversuchen<br />

in das Medium Video.<br />

1 Schwimmexkursion: Donauinsel, Oktober 2009<br />

2 Audimax: Dokument<strong>at</strong>ion der Ereignisse, 28. Oktober 2009<br />

1<br />

2<br />

Alex Zech | Speedy Gonzales | Video<br />

Krzysztof Nemec | Ghosts | Video<br />

Lisa Rindberger | Ausschnitte | Video


68 69<br />

Marie-Therese Amtmann | Loop | Video<br />

Eva Eiweck | Schwachheit | Video<br />

Nouria Arpagaus | Ohne Titel | Video<br />

Krzysztof Nemec | Ohne Titel | Video<br />

Alice Frew<strong>at</strong> | Himmel und Hölle | Video<br />

P<strong>at</strong>rick Lins | Zweitausend Menschen | Video


70 71<br />

Foto B<br />

Wie kann man Leere darstellen?<br />

Lehrbeauftragter | Nikolaus Korab<br />

Die Studierenden von Foto B haben sich an verschiedenen<br />

Orten – Filmstudios Rosenhügel, Semperdepot,<br />

Ottakringer Brauerei, Kunstraum Exnergasse/WUK, Wasserturm<br />

am Wienerberg auf die Suche gemacht und festgestellt:<br />

das ist gar nicht so einfach – die Leere ist gefüllt<br />

mit Raum.<br />

1<br />

2<br />

3<br />

1 Daniel Karner<br />

2 Elias Berner<br />

3 Regina Längle


72 73<br />

4<br />

5<br />

4 Alex Zech<br />

5 Nicole Fürst<br />

China – Studienreise<br />

8. bis 31. 5. 2010 –– 23 tage in einer anderen welt<br />

shanghai, expo, bund, kolonialbauten, essen, teehäuser, wolkenkr<strong>at</strong>zer, finanzcity, reichtum, rmb, fotoshootings, komplimente,<br />

im „auge des taifuns“, lichtermeer, kitsch, menschenmassen, nanjing lu, volkspark, yu-garten, fuyou road,<br />

morgenübungen, mao, kommunismus, shanghai museum – bronze, keramik, kalligraphien, stein, malerei, fuzhou road,<br />

liter<strong>at</strong>ur- und künstlergasse, manieren, rülpsen, spucken, freundlich, hilfsbereit, beijing, smog, lam<strong>at</strong>empel, farbenpracht,<br />

mönche, drachen, harmonie, ditanpark, anstarren, verbotene stadt, tian’anmen-pl<strong>at</strong>z, himmelstempel, himmelsaltar,<br />

rosengarten, verdreckte öffentliche toiletten, enormer straßenverkehr, hupen, antiquitätenmarkt, ritanpark, minggräber,<br />

große mauer, jade, seide, galerie, sommerpalast, guilin, li-flussfahrt, yangshuo, shangri-la, armut, landschaft,<br />

landleben, karstgebirge, felswände, vielfältige pflanzenwelt, bambusboote, kormorane, regenzeit, erschöpft, müde, for<br />

lake, xishan-park, teiche, wasserfälle, quixing-park …<br />

Madlen Lop<strong>at</strong>ka | Studierende B


74 75<br />

EU-Austauschprojekt<br />

Projektleitung | Jitka Plesz<br />

Teilnehmerinnen: Szilvia Göttlicher, Guanwei Liu, Janine<br />

Kälble, Elisabeth Loibner, Madlen Lop<strong>at</strong>ka<br />

Im April 2010 waren fünf Studentinnen im Zuge des von<br />

der EU geförderten Leonardo-da-Vinci-Projektes einen<br />

Mon<strong>at</strong> lang in Svetlá nad Sázavou, Tschechien, an der<br />

Uměleckoprumyslová Akademie, wo hauptsächlich mit<br />

Stein, Keramik und Glas gearbeitet wird. Die Studentinnen<br />

sollten Auslandspraxis bekommen und einen Einblick<br />

in die Arbeit mit Glas erhalten. Besonders begeistert waren<br />

die Studentinnen von der vielfältigen Bearbeitungsweise<br />

von Glas wie Glasblasen, Glasmalen, Glasfiguren<br />

herstellen und Glasritzen. Im Großen und Ganzen haben<br />

die Studentinnen auch ihrer eigenen Ansicht nach großen<br />

Nutzen aus dem Austausch gezogen.<br />

1<br />

1 Elisabeth Loibner<br />

2 Szilvia Göttlicher<br />

3 Madlen Lop<strong>at</strong>ka<br />

2 3


76 77<br />

4<br />

4 Szilvia Göttlicher<br />

5 Guanwei Liu<br />

6 Janine Kälble<br />

5<br />

6<br />

Berufsbild KünstlerIn<br />

Lehrbeauftragter | Tom Waibel<br />

Die öffentliche Vortragsreihe der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong> in Zusammenarbeit<br />

mit der künstlerischen Volkshochschule, jeden<br />

Mittwoch ab 17:30, kur<strong>at</strong>iert von Dr. Tom Waibel.<br />

In der Vortragsreihe berichten geladene Kunst- und KulturproduzentInnen<br />

in Vorträgen und Gesprächen über ihre<br />

Arbeiten und Forschungen, vor allem aber über die sozialen<br />

und ökonomischen Begleitumstände, die ihre Arbeit<br />

bestimmen.<br />

Gäste der Reihe „Berufsbild KünstlerIn“<br />

Anthony Auerbach<br />

Malerei an der Ruskin School of Drawing and Fine Art,<br />

Oxford und Architektur an der London Metropolitan<br />

University.<br />

Peter Böhm<br />

Klangkünstler, Musiker, Sound Designer und Komponist.<br />

Alexander Brom<br />

Freischaffender Künstler und Autor.<br />

Ines Doujak<br />

Bildende Künstlerin, arbeitet mit den Mitteln von Install<strong>at</strong>ion,<br />

Fotografie und Konzeptkunst.<br />

Zdravko Haderlap<br />

Freier Regisseur und Choreograph, dabei auch Land- und<br />

Forstwirt.<br />

Simone Hauke<br />

Philosophin und Autorin zu Fragen von Ästhetik und<br />

Lebenswelt.<br />

Jens Kastner<br />

Kunsthistoriker am Institut für Kunst- und Kulturwissenschaften<br />

der Akademie der bildenden Künste in Wien.<br />

Therese Kaufmann<br />

Arbeitet am europäischen Institut für progressive Kulturpolitik<br />

(eipcp.net) in Wien.


78 79<br />

Lisbeth Kovacic<br />

Fotografin, Medien-, Perfomance- und Objektkünstlerin.<br />

Hadwig Kräutler<br />

Beauftragte für museologische und konzeptuelle Fragen<br />

an den Österreichischen Galerien Belvedere.<br />

Wolfgang Mittelberger<br />

Verein zur Förderung von Kunst und Leben im Urbanen<br />

Raum und Cinema Picobello in Ottakring.<br />

Klaus Neundlinger<br />

Philosoph, Übersetzer und Lehrer für Deutsch als Fremdsprache<br />

in Wien.<br />

Rosa Reitsamer<br />

Soziologin mit Forschungsschwerpunkt auf der Repräsent<strong>at</strong>ion<br />

von Frauen in den visuellen Künsten und der<br />

Popularkultur.<br />

Thomas Renoldner<br />

Bildender Künstler und Lehrbeauftragter an der<br />

<strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong>.<br />

Raoul Schmidt<br />

Photographie und Visuelle Kunst an der Akademie der<br />

Bildenden Kunst in Wien.<br />

Gerda Schorsch<br />

Tänzerin, Choreographin und Tanzpädagogin.<br />

C<strong>at</strong>rin Seefranz<br />

Medienverantwortliche der Dokumenta in Kassel und<br />

der Viennale.<br />

Karin Standler<br />

Landschaftsarchitektin; Freiraumentwicklung<br />

und -gestaltung.<br />

Elisabeth Steger<br />

Bildende Künstlerin und Autorin, „njet-workerin“.<br />

Susanne Toth<br />

Poetin, Wortkomponistin und process artist.<br />

Claudia Walkensteiner-Preschl<br />

Vize-Rektorin der Universität für Darstellende Kunst<br />

in Wien.<br />

Christoph Wiala<br />

Architekt und Diplomingenieur.<br />

1<br />

Buchworkshop<br />

Lehrbeauftragte | Babsi Daum<br />

Zum einen geht es um das Handwerk Buchbinden, zum<br />

anderen um den Eins<strong>at</strong>z der Buchform als künstlerisches<br />

Mittel. Was kann ein Buch, wofür ist ein Leporello gut, wie<br />

kann ich mit Bindetechniken experimentieren?<br />

2


80 81<br />

3 4<br />

5<br />

1, 2<br />

Sarin Baghdoyan |<br />

Buchexperiment, ca. 20 x 25 cm<br />

3<br />

Jeremias Altmann |<br />

Vier Leporelli, aufgefaltet; ca. 5 x 7 cm<br />

4<br />

Jeremias Altmann |<br />

Acht Leporelli, ca. 5 x 7 cm<br />

5<br />

Jeremias Altmann |<br />

Vier Leporelli, aufgefaltet; ca. 5 x 7 cm<br />

Lange Nacht der <strong>kunstschule</strong><br />

Am 23. Februar 2010 fand die „Lange Nacht der <strong>kunstschule</strong>“<br />

st<strong>at</strong>t, zu der Studierende und Lehrende eingeladen<br />

haben. Zu Beginn um 18 Uhr wurde zunächst das<br />

aktuelle Jahrbuch 365/09 „Peepshow“ präsentiert. Die<br />

Studierenden der Werkstätte Grafik-Design stellten ihr<br />

Konzept vor. Anschließend wurde die beste Diplomarbeit<br />

des vergangenen Jahres ausgezeichnet. Diese erstma-<br />

lige Prämierung einer von elf eingereichten Arbeiten stand<br />

bei der diesjährigen Jahrbuchpräsent<strong>at</strong>ion im Vordergrund.<br />

Der Preis von € 500,– wurde an Linda Gaisbauer<br />

vergeben. Linda Gaisbauer gewährte aus der Perspektive<br />

betroffener, dort wohnender Menschen mit Guckkästen<br />

einen Blick in verschiedene Sozialeinrichtungen der Stadt<br />

Wien. Man sah in den entsprechenden Raum und hörte<br />

mittels Kopfhörer die Stimme der dort lebenden Person.<br />

Von allen eingereichten Diplomarbeiten h<strong>at</strong> diese sozialkritische<br />

Arbeit die Kommission schließlich am stärksten<br />

beeindruckt.<br />

Anschließend an die Jahrbuchpräsent<strong>at</strong>ion h<strong>at</strong>ten die ca.<br />

300 BesucherInnen die Möglichkeit, sich 25 Werke, die<br />

von Studierenden und Lehrenden der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong> für<br />

die Versteigerung zur Verfügung gestellt wurden, anzusehen<br />

und sich ein Werk auszusuchen, das sie ersteigern<br />

wollten. Die darauf folgende Auktion wurde ein voller Erfolg.<br />

Der Erlös kam dem Verein „Samara“ zugute. Frau<br />

Raina Rushmann, der Vertreterin des Vereins zur Prävention<br />

von (sexualisierter) Gewalt an Kindern und Jugendlichen,<br />

konnten € 3.435,– übergeben werden.<br />

Nach einem guten Buffet wurden alle Räume mit Live-<br />

Musik beschallt und zu Dancefloors umgestaltet. Die gelungene<br />

„Lange Nacht der <strong>kunstschule</strong>“ endete schließlich<br />

in den frühen Morgenstunden.<br />

Andrea Freissler und Philipp Birkmayer | Studierende MP


82 83


84 85<br />

Die Lange Nacht – Das Buffet<br />

Gerochen h<strong>at</strong> man es schon von Weitem. Doch in den<br />

Saal mit dem Buffet durfte man leider noch nicht, zumindest<br />

glaubten wir das. Die Eröffnung des Buffets sollte<br />

um 19 Uhr sein. Doch weil die Auktion länger dauerte,<br />

traute sich niemand in den Saal hinein. Auch das Reinigungspersonal<br />

dürfte das falsch verstanden haben. Beim<br />

kurzen „In-den-Saal-Schauen“ erwischt, wurde ich gleich<br />

wieder weggeschickt. Schlussendlich kamen der Direktor<br />

und der Präsident der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong>. Völlig verzweifelt<br />

schaute der Präsident in die Menge, die schon seit über<br />

einer Stunde vor der Türe stand. Mit einer hektisch winkenden<br />

Bewegung gab er endlich das Zeichen, das Buffet<br />

zu stürmen.<br />

Schön pl<strong>at</strong>ziert und üppig – so sah das Buffet aus. Das<br />

Schnitzel und das Hühnchen, die ich schon vor der Tür<br />

über eine Stunde lang roch, waren keine Einbildung. Es<br />

gab hunderte belegte Brötchen und Semmeln, sogar Vollkornsemmeln<br />

und Kornspitz, mit allen möglichen Sachen<br />

gefüllt. Auch für die VegetarierInnen gab es eine große<br />

Auswahl. Zum Trinken gab es Mineralwasser, Säfte und<br />

einen speziellen Wein, der beim Direktor, dem Präsidenten,<br />

dem Ex-Direktor und anderen hohen Gästen gerne<br />

gesehen war. Essen konnte man, so viel man wollte, es<br />

war genug da. Durchprobiert habe ich fast alles und alles<br />

davon war gut. Das Hühnerfleisch war schön pikant und<br />

knusprig, das Faschierte gut durch und saftig, das Gemüse<br />

frisch und knackig. Alles war auf Tellern und Pl<strong>at</strong>ten<br />

appetitlich serviert.<br />

Die BesucherInnen ließen es sich nicht dreimal sagen,<br />

dass man so viel nehmen konnte, wie man wollte. Während<br />

sich hauptsächlich Studierende, deren Freunde und<br />

Eltern dem Buffet widmeten, waren der Direktor, der Präsident<br />

und dessen Begleitschaft stets in der Nähe der Getränke<br />

und des Weines. N<strong>at</strong>ürlich wurde auch vom Buffet<br />

gekostet, aber nur in Maßen. Auch in Maßen waren leider<br />

die Sitzmöglichkeiten, die sofort vergeben waren, aber<br />

das konnte die Stimmung im Saal nicht trüben.<br />

P<strong>at</strong>rick Guth | Studierender CA


86 87<br />

Kooper<strong>at</strong>ion mit dem technischen Museum Wien<br />

„Bitte nicht berühren“… nein nicht das Ding, das daneben ist gemeint!<br />

Ein Problem, dem man im Museum üblicherweise nicht<br />

begegnet. In einem „normalen“ Museum darf man doch<br />

sowieso nichts angreifen – und wenn man das tut, dann<br />

kreischt die Alarmanlage oder die AufseherIn. Im Technischen<br />

Museum Wien steht die Interaktivität als eine Form<br />

der Kulturvermittlung hoch im Kurs. Diese Form der Wissensvermittlung<br />

wird gerne von Vätern dafür verwendet,<br />

um ihren Liebsten (klein oder weiblich) allwissend die<br />

Welt der Technik zu erklären. Für Jugendliche ist es leider<br />

oft auch nur ein beliebtes Sportgerät. BesucherInnen sollen<br />

über interaktive „Hands On“ technische Phänomene<br />

und Prinzipien ausprobieren und aktiv begreifen. Dafür<br />

ist es aber notwendig, die einen, die man berühren soll,<br />

von den anderen, die man auch im Technischen Museum<br />

Wien nicht berühren darf, zu unterscheiden und klar zu<br />

kennzeichnen. Nun haben wir das mit Verbotsschildern,<br />

auf denen Buchstaben – Verbotswörter – stehen, getan.<br />

Vor lauter Schildern sieht man nun die Wörter nicht mehr.<br />

Interaktives „Hands On“ … bitte berühren – Originalexpon<strong>at</strong><br />

aus dem 18. Jahrhundert … bitte nicht berühren –<br />

Texttafel … ist egal, weil das ohnehin keiner berührt. Verbotsschilder,<br />

die man lesen muss, haben einen großen<br />

Nachteil: wenn es zu viele sind, nimmt sie keiner mehr<br />

ernst und sie werden nicht gelesen. Daher wurde die Idee<br />

geboren, die Textschilder durch Zeichnungen zu ersetzen,<br />

über die man schmunzeln muss. Wer setzt sich schon gerne<br />

einer Lächerlichkeit aus?<br />

Gemeinsam mit Studierenden der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong> wurde<br />

ein Projekt begonnen und erste Entwürfe wurden gestaltet.<br />

Wir im Museum haben viel darüber gesprochen … bis<br />

zur Frage, ob das wirklich der richtige Weg ist. Ich bin<br />

überzeugt, dass er zielführender sein wird … es kommt<br />

nun auf einen Versuch an. Die Studierenden Raphael Holczek<br />

und P<strong>at</strong>rick Guth wurden Ende 2010 ausgewählt, an<br />

ihren Entwürfen weiterzuarbeiten.<br />

Wir haben im Museum seit Beginn dieses Projekts viel<br />

gelernt: über den Umgang von angehenden GrafikerInnen<br />

mit dem Museum, über die Notwendigkeit, eigene Vorstellungen<br />

klar zu kommunizieren und über die Wirkung<br />

von Text und Bild. Ich freue mich, wenn wir im nächsten<br />

Jahrbuch über die Umsetzung und die Reaktionen auf<br />

die gezeichneten Verbotsschilder berichten können – und<br />

freue mich darauf, dass dann alle BesucherInnen schmunzelnd<br />

durch das Technische Museum Wien gehen werden.<br />

Wolfgang Tobisch |<br />

Kfm. Leiter des Technischen Museums Wien<br />

1<br />

1 Raphael Holczek | GD<br />

2 P<strong>at</strong>rick Gutth | CA<br />

2


88 89<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7<br />

3 K<strong>at</strong>harina Rosenbichler | CA<br />

4 Christoph Tripes | CA<br />

5 Daniel Wyrobal | CA<br />

6 Alex Zech | GD<br />

7 Caroline Taschler | CA<br />

8 Lukas Gülcher | GD<br />

9 Raffaela Bartik | CA<br />

8 9


90 91<br />

Keramischer Digitaldruck<br />

Lehrbeauftragte | Helene Avramidis<br />

Ein neues Digitaldruckverfahren mit keramischen Tonern wurde auf einem umgebauten Ricoh-Drucker erprobt. Dieses<br />

Verfahren ermöglicht schnelle und individuelle Lösungen für Einzelstücke oder Kleinserien, für die der herkömmliche<br />

Siebdruck zu aufwändig und daher auch zu teuer wäre. Ein Transferdruckverfahren mit keramischen Pigmenten aus Metalloxyden,<br />

das nach der Montage bei 800° in die Glasur eingebrannt wird und daher spülmaschinen- und säurefest ist.<br />

Plastisches Gestalten<br />

Lehrbeauftragter | Leslie De Melo<br />

Igor Gazic<br />

Veronika Birer<br />

Plastizität verleihen zu können – diese Vorstellung nahmen<br />

sich die Studierenden zu Herzen und schufen Werke, die<br />

tiefer gehende Erkenntnisse für sie selbst und die BetrachterInnen<br />

ermöglichten.<br />

Veronika Birer setzt in ihrer Arbeit „Hühnerbein“ Gipsbinden<br />

und Knochen in Szene. Das Werk ist zart und eine<br />

Klage. Igor Gazic bedient sich der Welt der Blumen. In seinen<br />

Kollagen kreiert er eine anziehende und gleichermaßen


92 93<br />

Marlene Hachmeister<br />

bedrohliche Welt. Sandra Beck lenkt den Blick auf einen<br />

Würfel, der erst über Begreifen – im wörtlichen Sinn – auf<br />

seinen Inhalt aufmerksam macht. Je nach Inhalt werden<br />

unterschiedliche Sinne angesprochen.<br />

Eine ausgezeichnete Arbeit in Modellform h<strong>at</strong> Marlene<br />

Hachmeister geschaffen. Sie setzt sich mit der Philosophie<br />

der Sprache auseinander, im Besonderen mit dem<br />

Werk von Gerhard Roth. „Die Wortmaschine“ kreiert spon-<br />

tan neue Worte, die zu Dichtung werden.<br />

Die Studierenden haben begleitend an einem Schmiedeseminar<br />

teilgenommen.<br />

Sandra Beck<br />

Laurent Nostitz<br />

Die Specksteinkönigin | geformt,<br />

rundgemacht, loch gemacht – abgestemmt<br />

– abgetragen – in form gebracht<br />

– gesichtslos – kopf – schwer<br />

und nach vorn gebuckelt – kalt st<strong>at</strong>t<br />

warm – hart st<strong>at</strong>t weich – struktur<br />

aber farblos – die specksteinkönigin<br />

ganz aus stein – sonnenstrahlloch


94 95<br />

„Das Wesentliche ist noch immer analog“<br />

Friedrich Brandstetters Bleis<strong>at</strong>z-Werkstätte<br />

Von der Erfahrung zur Idee<br />

Im Winter 2009 besuchte ich im Rahmen einer Exkur-<br />

sion der Graphikklasse der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong> zum ersten<br />

Mal die Werkst<strong>at</strong>t von Herrn Friedrich Brandstetter.<br />

Friedrich Brandstetter ist wohl einer der letzten Menschen,<br />

der sein ganzes Leben dem analogen Buchdruck verschrieben<br />

h<strong>at</strong>. In seiner Werkstätte befinden sich neben<br />

original Heidelberger-Druckmaschinen aus dem 19. Jahrhundert<br />

auch zwei Linotype-Bleis<strong>at</strong>zmaschinen aus dem<br />

Jahr 1967, welche in der Lage sind, ganze Schriftzeilen<br />

aus wieder verwendbarem Blei zu gießen. Die traditionsreichen<br />

Appar<strong>at</strong>uren sind alle noch in Betrieb und somit<br />

europaweit nahezu einzigartig. Friedrich Brandstetter beherrscht<br />

aufgrund seiner jahrzehntelangen Erfahrung sowohl<br />

die Bedienung, als auch die notwendige Wartung<br />

und Repar<strong>at</strong>ur. Er trägt das Wissen und die Raffinesse<br />

mehrerer Gener<strong>at</strong>ionen des Buchdrucks in die Gegenwart.<br />

Als Neffe eines Sägewerkbesitzers bin ich seit meiner<br />

frühen Jugend mit Maschinen vertraut, die eine nicht zu<br />

unterschätzende Faszin<strong>at</strong>ion auf mich ausüben. Deshalb<br />

1<br />

ist es auch nicht verwunderlich, dass ich Herrn Brandstetter<br />

fragte, ob ich zeichnerische Studien seiner Bleis<strong>at</strong>zmaschinen<br />

anfertigen dürfte. Seine freundliche Zustimmung<br />

h<strong>at</strong>te zwei konkrete Folgen: Zum einen meine regelmässigen<br />

Besuche, bei welchen ich technische Studien und<br />

Skizzen der Gerätschaften anfertigte; zum anderen mein<br />

persönliches Eintauchen in die geschichtlichen Hintergründe<br />

und in die Zukunft dieser Werkstätte. Abgesehen von<br />

Herrn Brandstetters fortgeschrittenem Alter bereitet es<br />

seit Jahren Probleme, dass der Betrieb finanziell kaum<br />

aufrecht erhalten werden kann. Sollte kurzfristig keine<br />

Veränderung geschehen, muss Herr Brandstetter seine<br />

Werkstätte innerhalb der nächsten beiden Jahre aufgeben,<br />

seine historischen Maschinen verschrotten lassen<br />

und die großteils unwiederbringlichen Blei-Schriftsätze<br />

zum Kilopreis an Metallwarenhändler verkaufen, um<br />

sich den Abtransport der Maschinenteile leisten zu können.<br />

Mit seiner Werkst<strong>at</strong>t geht neben einem weiteren<br />

Meister-Handwerk auch ein greifbares Stück Geschichte<br />

verloren, da zu seiner Zeit Buchdruck ohne die Hingabe<br />

2


96 97<br />

und Leidenschaft von Experten wie Friedrich Brandstetter<br />

nicht denkbar gewesen wäre.<br />

Jeremias Altmann (Druckgraphik), Jakob Liu Wächter De<br />

Zordo (Klanginstall<strong>at</strong>ion) und David Auner (Fotografie)<br />

rücken mit ihren Arbeiten die Friedrich Brandstetter<br />

GesmbH in den Blickpunkt der Öffentlichkeit und initiieren<br />

kritische und kontroverse Diskussionen rund um analoge<br />

Medien und ihren Ausdruck.<br />

In der Ausstellung ist die foto-/grafische Auseinandersetzung<br />

mit dem Thema ‚analog-maschineller Buchdruck‘ zu<br />

sehen. Zusätzlich bereichert wird der visuelle Eindruck<br />

durch eine Klanginstall<strong>at</strong>ion, bei welcher Originalaufnahmen<br />

der arbeitenden Appar<strong>at</strong>uren zum Ausgangspunkt<br />

der Komposition verschmelzen. Auf einem Monitor wird,<br />

neben einem bereits ausgestrahlten Fernsehbeitrag aus<br />

der Serie „Aussterbende Berufe – Wie geht das?“ , der Videobeitrag<br />

von Ursula Pelczar und Sabine Stastny gezeigt.<br />

Jeremias Altmann | Studierender G<br />

1 Jeremias Altmann<br />

2 David Auner<br />

3 Ursula Pelcar und Sabine Stastny<br />

3<br />

BeSt 2010<br />

4. bis 7. März 2010<br />

Der Stand der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong> war schlicht und sachlich in<br />

Schwarz-Weiss gehalten und setzte sich damit deutlich<br />

vom Farbenmeer der Umgebung ab.<br />

Die sitzende Position der Beteiligten erlaubt eine andere<br />

Ebene der Kommunik<strong>at</strong>ion. So wurden eine entspannte<br />

Atmosphäre und ein Ruhepol geschaffen, der<br />

ein gedankliches Ausklinken aus dem BeSt-Geschehen<br />

ermöglichte.<br />

Durch Kommentare von Studierenden über die <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong>,<br />

welche vorab auf Post-its geschrieben wurden<br />

und einem stetigen Wechsel unterlagen, wurde dem<br />

Stand ein weiterer Anknüpfungspunkt hinzugefügt,<br />

welcher bei BesucherInnen Neugierde und Interesse<br />

wecken sollte. Überdies erhielten Interessierte nach einem<br />

Gespräch das Jahrbuch sowie die Infobroschüre.<br />

Eine räumliche Ausdehnung durch flexible Sitzgelegenheiten<br />

über die Fläche des Standes hinaus, gewährleistete<br />

ein breites Forum für Diskussion.<br />

Der Stand, das Jahrbuch und die Infobroschüre waren-<br />

Produkte der Studierenden der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong>. Diese<br />

standen den BesucherInnen für Fragen zur Verfügung.<br />

Max Cruder | Studierender DR


98 99<br />

Kunstgeschichte<br />

Lehrbeauftragter | Tom Waibel<br />

„Why have there been no gre<strong>at</strong> women artists?“<br />

Eine Arbeit von Stefanie Hempel | Studierende MP<br />

Wo sind sie, die großen Meisterinnen, wegen derer die<br />

Leute ins Museum pilgern und vor Ehrfurcht erschaudern,<br />

die Michelangelas und Paula Picassas? Wenn „es Giotto<br />

mit seinen Schafen und van Gogh mit seinen Anfällen<br />

schaffen konnten, warum nicht die Frauen“ 1 fragt 1971<br />

Linda Nochlin in ihrem Aufs<strong>at</strong>z, um Licht in einen dunklen<br />

Bereich der Kunstgeschichte zu bringen. Sind Frauen<br />

zu Größe nicht fähig? Es muss gar nicht tief gegraben<br />

werden, um zu erkennen, dass ‚Genie‘ alleine nicht<br />

reicht, um in das Lexikon bedeutender KünstlerInnen aufgenommen<br />

zu werden.<br />

Die Geschlechtszugehörigkeit einer Person legte bis<br />

ins letzte Jahrhundert fest, ob, womit und in welchem<br />

Ausmaß sie sich mit etwas zu beschäftigen h<strong>at</strong>te oder<br />

eben nicht und wie dies zu beurteilen sei. Künstlerisch<br />

ambitionierte Frauen arbeiteten in einem Setting, in dem<br />

Auftraggeber, Mäzene, das kaufkräftige Publikum, Rezensenten,<br />

Vereinsvorstände, Juroren, die Mitglieder beim<br />

Künstlerhaus – der Markt bestimmenden Wiener Institution<br />

– Männer waren. Daher wurden ihnen auch viele<br />

Vorurteile und Ressentiments in den Weg gestellt und sie<br />

waren geringerer gesellschaftlicher bzw. fachspezifischer<br />

Wertschätzung ausgesetzt. Dies lag aber nicht etwa an<br />

geringerer Begabung, sondern an Wert- und Normvorstellungen,<br />

die sich in Aussagen wie „das höchststehende<br />

Weib steht noch unendlich tief unter dem tiefst stehenden<br />

Manne“ 2 von Otto Weininger sowie so genannten<br />

Erklärungsmodellen der ‚N<strong>at</strong>ur der Frau‘, aus denen,<br />

die weibliche Rolle und ihre gesellschaftliche Funktion<br />

abgeleitet wurde, widerspiegeln. Die Ehe galt als unvereinbar<br />

mit einer künstlerischen Laufbahn, da Frauen dabei<br />

entweder die Kunst oder die Familie vernachlässigten.<br />

Einerseits sollten sie also den Schein von künstlerischer<br />

Arbeit vermeiden, andererseits den Vorwurf von oberflächlicher<br />

Beschäftigung und Dilettantismus entkräften. 3<br />

Auf der Ausbildungsebene h<strong>at</strong>ten Frauen gegen institutionelle<br />

Ausschlussmechanismen anzukämpfen: Erst<br />

1920 wurden 14 Frauen in die 1692 gegründete Akademie<br />

der Bildenden Künste in Wien (im Verhältnis zu 250<br />

männlichen Studierenden) aufgenommen. Die seit 1872<br />

gestellten Anträge auf Zulassung wurden bis dahin mit<br />

der Begründung abgelehnt, Frauen seien nur „selten mit<br />

schöpferischem Geist auf dem Gebiet der großen Kunst<br />

ausgest<strong>at</strong>tet, weshalb im Falle der Zulassung von Frauen<br />

zum Studium an der Akademie ein ‚Überhandnehmen des<br />

Dilettantismus und ein Zurückdrängen des männlichen<br />

Elementes’ zu befürchten sei“ 4 . Eine Ausbildungsmöglichkeit<br />

bot die 1897 gegründete „Kunstschule für Frauen<br />

und Mädchen“, die trotz sechsfacher Schulgeldkosten<br />

schon bald jährlich 200 bis 300 Schülerinnen ausbildete.<br />

In solch priv<strong>at</strong>en Ausbildungen wurde Frauen teilweise<br />

auch das Studium des menschlichen Körpers ermöglicht,<br />

wohingegen dies bis 1937 in der Akademie problem<strong>at</strong>isch<br />

blieb 5 . Eine Frau, von ‚niederem Stand‘ versteht sich,<br />

konnte sich einer Gruppe von Männern ‚als nacktes Objekt’<br />

zeigen, aber es wurde den Frauen an den Akademien<br />

nicht gest<strong>at</strong>tet, am Studium und an der Aufzeichnung<br />

des nackten männlichen Körpers aktiv teilzunehmen,<br />

ihnen stand nicht einmal ein weibliches Aktmodell zur<br />

Verfügung 6 . Darin spiegeln sich die zu dieser Zeit den<br />

Menschen eingeprägten binären Oppositionspaare wider:<br />

Geist – Fleisch, Mann – Frau, Subjekt – Objekt, aktiv – passiv<br />

etc.: männliche Wunschvorstellungen, die der Frau<br />

aufzwangen, Fleisch zu sein. Entscheidend ist, dass das<br />

Studieren der menschlichen An<strong>at</strong>omie von einem lebenden<br />

menschlichen Modell als unabdingbare Voraussetzung<br />

‚hoher Kunst‘, der Historienmalerei, gewertet wurde.<br />

Frauen mussten sich gezwungenermaßen auf Sujets wie<br />

Stillleben, Portrait oder Landschaften beschränken, ihnen<br />

wurden große Fähigkeiten und Intellekt abgesprochen.<br />

Künstlerinnen, die sich in diesen ‚niedrigeren‘ Genres betätigten,<br />

wurden daher als weniger talentiert betrachtet.<br />

Für Frauen bedeutete dies, dass sie autom<strong>at</strong>isch in eine<br />

niedrigere Stellung bzw. Unterlegenheit aufgrund der von<br />

Männern initiierten hegemonialen Strukturen gezwungen<br />

wurden 7 . Diese Fakten brachten Linda Nochlin zur Formu-<br />

lierung der These: „In der T<strong>at</strong> wurde es Frauen von institutioneller<br />

Seite her unmöglich gemacht, auf der gleichen<br />

Basis wie Männer besondere künstlerische Leistungen<br />

oder auch Erfolge zu erzielen, unabhängig davon, wie es<br />

um das sogenannte Talent oder Genie bestellt war“ 8 . Neben<br />

der Verbreitung von Vorstellungen von der Künstlerin<br />

als ‚unleidliches Zwittergeschöpf‘ 9 wurden diese selten<br />

ermutigt, vielmehr ermahnt, zurechtgewiesen, belächelt<br />

und herabgesetzt 10 , wie diese Äußerungen einiger Kunsttheoretiker<br />

bezeugen:<br />

„… die Frau … sollte sich … nicht mit einem problem<strong>at</strong>ischen<br />

Tun abmühen, das sie im günstigsten Fall eine<br />

mittelmäßige Mannesleistung erreichen lässt.“ 11<br />

„… die Malerin [ist] im Wesentlichen auf Nachahmung<br />

und Nachempfindung der Männerwerke angewiesen,<br />

auf N<strong>at</strong>uralismus, Dilettantismus und Formalismus. Immer<br />

aber fehlt es ihr an Originalität.“ 12<br />

„Der Mangel an Vermögen zu kombinieren, d. h. in der<br />

Kunst der Mangel an Phantasie, macht die weibliche<br />

Kunstausübung im großen und ganzen [sic!] wertlos.“ 13<br />

Künstlerinnen sahen sich mit einem männlichen Darstellungs-<br />

und Deutungsmonopol konfrontiert, das alles<br />

‚Nicht-Männliche‘ unterordnet und ausgrenzt 14 und eigentlich<br />

noch mehr: They are … excluded … from the idea<br />

of the artist. 15 Beispielhaft dafür ist das Gemälde „Academicians<br />

of the Royal Academy“ von Johann Zoffany 1772:<br />

unter der Schar männlicher, angehender Künstler sind<br />

Angelika Kauffmann und Mary Moser vertreten – als Portraits<br />

an der Wand. Woman is thus represented as object<br />

for art r<strong>at</strong>her than art producer. 16<br />

In der Kunstgeschichtsschreibung als ‚Erzählung von Vätern<br />

und Söhnen‘ 17 manifestierten sich die Vorstellungen von<br />

der Frau als Künstlerin in Form von Marginalisierung und<br />

Ausschluss. Oder haben Sie schon einmal eine Ausstel-


100 101<br />

Broncia Koller-Pinell: Sitzende (Marietta), 1907<br />

lung von Olga Wisinger-Florian (1844 –1926), Marie Egner<br />

(1850 –1940), Tina Blau (1845 –1916), Broncia Koller-Pinell<br />

(1863 –1934) oder Elena Luksch-Makowsky (1878 –1967)<br />

gesehen oder von ihnen gelesen? Gemeinsam haben<br />

die ersten drei Freauen, dass sie jener ersten in Österreich<br />

tätigen Gener<strong>at</strong>ion angehören, „die den Schritt hinaus<br />

in das Leben als autonome Künstlerin vollzogen“ 18 ,<br />

die mit dem Genre der Landschaftsmalerei im Stil des<br />

Stimmungsimpressionismus regelmäßig und auch intern<strong>at</strong>ional<br />

erfolgreich ausstellten, von Kritikern beachtet<br />

wurden, sowie Ehrungen und Medaillen erhielten.<br />

Im Kreis der Wiener Secession reüssierten Künstlerinnen<br />

wie Elena Luksch-Makowsky, Broncia Koller-Pinell,<br />

Hermine Heller-Ostersetzer, Charlotte Andri-Hampel,<br />

Emilie Mediz-Pelikan, Teresa Feodorowna Ries oder Ilse<br />

Twardowski-Conr<strong>at</strong>. Der Zugang zur Secession war für die<br />

vorwiegend figur<strong>at</strong>iv arbeitenden Frauen fast ausschließlich<br />

über Lehrer oder Eheg<strong>at</strong>ten (die selbst Künstler oder<br />

Mäzene waren) möglich.<br />

Als „Teil eines größeren Systems kultureller und ideologischer<br />

Praktiken“ liegen der Kunstgeschichte wie auch der<br />

Kunst Werte und Normen vermittelnde Diskurse zugrunde,<br />

in denen Machtverhältnisse produziert und reproduziert<br />

werden 19 .<br />

“On the one hand, art history takes as its object of study<br />

a form of cultural production and ideology – art. On the<br />

other hand, the discipline itself is a component of cultural<br />

hegemony maintaining and reproducing domin<strong>at</strong>ive social<br />

rel<strong>at</strong>ions through wh<strong>at</strong> it studies and teaches and wh<strong>at</strong> it<br />

omits or marginalises, and through how it defines wh<strong>at</strong><br />

history is, wh<strong>at</strong> art is, and who and wh<strong>at</strong> the artist is.” 20<br />

Als Teil einer kulturellen Ideologie impliziert Kunstgeschichte,<br />

dass es sich nicht um ein st<strong>at</strong>isches Gebilde handelt, sondern<br />

um eine variable, gemachte, die jeweilige Zeit und<br />

Kultur widerspiegelnde und in ihren Ausformungen daher<br />

entsprechend männlich dominierte und orientierte Konstruktion.<br />

Elfriede Jelinek in einem Interview 1998 dazu:<br />

„Es ist nicht so, dass Frauen keine Machtstellen besetzen<br />

könnten, aber der Diskurs ist ein männlicher. Frauen bestimmen<br />

nicht, wer spricht. Die Norm sind sie nicht. Sie<br />

sind immer das andere, das sich an der Norm abarbeiten<br />

muss. Und sie besitzen auch nicht die Regel, wonach ein<br />

Kunstwerk als Kunstwerk zu gelten h<strong>at</strong>.“ 21<br />

Erst in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts begann eine<br />

Korrektur des herrschenden Blicks, eingeleitet von feministischen,<br />

dekonstruktivistischen u.a. Theorien und Ansätzen,<br />

welche weit über eine nachtragende, die Kunstgeschichte<br />

mit Künstlerinnen ergänzende Praxis hinausgingen.<br />

Louise Bourgeois: Temper Tantrum, 2000 Lida Abdul: The White House, 2005<br />

Zuletzt noch ein Blick auf die gegenwärtige Situ<strong>at</strong>ion:<br />

Derzeit stehen 570 Studentinnen der Akademie der<br />

Bildenden Künste 936 Studenten gegenüber, sowie<br />

neun Universitätsprofessorinnen 29 männlichen Kollegen<br />

22 . 33% der Künstlerinnen in Österreich müssen trotz<br />

üblicherweise hoher Qualifik<strong>at</strong>ion (47% Akademikerinnen)<br />

mit einem mon<strong>at</strong>lichen Nettoeinkommen unter 720<br />

Euro auskommen (Bundesvernetzung), mit 20% weniger<br />

als ihre männlichen Kollegen 23 . Zur Deckung des Lebensunterhaltes<br />

müssen weitere Tätigkeiten angenommen<br />

werden, wodurch Frauen wieder weniger Zeit für ihre<br />

künstlerische Arbeit bleibt, die durch familiäre Verpflichtungen<br />

oder als Alleinerzieherin ohnehin schon eingeschränkt<br />

ist.<br />

Auch bei der Förderung durch öffentliche Stellen bzw dem<br />

Ankauf von Kunstwerken durch das Bundesministerum


102 103<br />

für Unterricht und Kunst sind Frauen nach wie vor unterrepräsentiert<br />

bzw. in niedrigeren Förderungsk<strong>at</strong>egorien zu<br />

finden. Hier gilt die Regel der ‚umgekehrten Proportionalität‘:<br />

Je mehr Ehre oder je höher das Preisgeld, desto niedriger<br />

der Frauenanteil 24 .<br />

Daher fordert die ‚Bundesvernetzung Frauen in Kunst und<br />

Kultur‘ neben einer geschlechter-paritätischen Besetzung<br />

aller Entscheidungsgremien die „Entwicklung von Richtlinien<br />

für die Vergabe von Kulturfördermitteln in Zusammenarbeit<br />

mit Frauennetzwerken und kulturellen Interessenvertretungen.<br />

Fördergelder sollen grundsätzlich an<br />

Gender-Kriterien gebunden sein und Effekte dieser Maßnahme<br />

regelmäßig erfasst und offen gelegt werden“ 25 .<br />

Zur Herstellung von Symmetrie in allen Bereichen und auf<br />

allen Ebenen des künstlerischen und kulturellen Lebens<br />

sind die Schaffung von Netzwerken 26 , die Verbesserung<br />

der berufsspezifischen Rahmenbedingungen (soziale<br />

Absicherung, Aus- und Weiterbildung), aktive Gleichstellungspolitik<br />

notwendig, um nur einige zu nennen. Dabei<br />

sollen aber nicht die diskriminierenden Implik<strong>at</strong>ionen einer<br />

Geschlechtszugehörigkeit ins Zentrum der Abschaffung<br />

gerückt und alle anderen Diskriminierungsachsen marginalisiert<br />

werden, sondern ebenso die mit sozialer und<br />

n<strong>at</strong>ionaler Herkunft, Konfession, sexueller Ausrichtung,<br />

Alter, ökonomisch bzw. sozial bedingten Unterschieden<br />

und individuellen Beeinträchtigungen verbundenen<br />

Ungleicheiten 27 .<br />

Anmerkungen:<br />

1 Nochlin 1996: 37<br />

2 Berger 1982: 77<br />

3 Ebd. 175f<br />

4 www.akbild.ac.<strong>at</strong>/…frauenfoerderung/egermann_studie-<br />

ren_in_wien.pdf<br />

5 Ebd.<br />

6 Nochlin 1996: 41<br />

7 Parker/Pollock 1987: 216<br />

8 Nochlin 1996: 56<br />

9 Vgl. Berger 1982: 68<br />

10 Vgl. Feiner-Zalac 2000: 191<br />

11 Arthur Roessler 1922: 64, zit. nach Brugger 1999: 47<br />

12 Karl Scheffler, zit. nach Brugger 1999: 48<br />

13 Paul Julius Möbius 1853–1907, zit. nach Dollen 2000: 21<br />

14 Vgl. Frübis 2000: 268<br />

15 Pollock 1987: 217, (16) Ebd.<br />

17 Vgl. Frübis 2000: 269<br />

18 Brugger 1999: 9<br />

19 Vgl. Frübis 2000: 266<br />

20 Pollock 1987: 205<br />

21 Elfriede Jelinek, Interview in der Süddeutschen Zeitung<br />

vom 10. März 1998 zit. nach Feiner-Zalak 2000: 207<br />

22 www.akbild.ac.<strong>at</strong>/Portal/intern/gleichstellung/netzwerk-fuer-<br />

frauenfoerderung/frauenforderung/egermann,_studieren_in_<br />

wien.pdf<br />

23 Vgl. Scherke 1999: 15<br />

24 Ebd.<br />

25 Bundesvernetzung Frauen in Kunst und Kultur<br />

http://kulturr<strong>at</strong>.<strong>at</strong>/deb<strong>at</strong>te/zeitung/rechte/koweindl<br />

26 Siehe dazu etwa: www.frauenkultur.<strong>at</strong>;<br />

27 Vgl. Geschlechtergerechtigkeit:<br />

http://kulturr<strong>at</strong>.<strong>at</strong>/zeitung/rechte/benzer<br />

UM:DRUCK<br />

Edition„jugendfrei“<br />

Projektleitung | Eric Neunteufel<br />

und Eliane Huber-Irikawa<br />

Die Grafikfachzeitschrift UM:DRUCK,<br />

die vier Mal pro Jahr erscheint, bringt<br />

als Beilage eine Edition der Graphikwerkstätte<br />

heraus. Auf dem Papierform<strong>at</strong><br />

A4 wird in frei wählbarer Technik<br />

eine Arbeit in einer Auflage von<br />

50 Exemplaren veröffentlicht.<br />

Im Jahr 2009/2010 sind Arbeiten von<br />

Martin Bischof (Zwei-Farben-Lithografie),<br />

Irene Amberger (Siebdruck in<br />

fünf Farben) und Jeremias Altmann<br />

(Kupferdruck Grau und Schwarz) erschienen.<br />

1


104 105<br />

2<br />

3<br />

1 Jeremias Altmann<br />

2 Martin Bischof<br />

3 Irene Amberger<br />

Kooper<strong>at</strong>ion mit der Universität für Bodenkultur<br />

Produktdesign und Marketingstr<strong>at</strong>egie<br />

Projektleitung | Brigitte Ammer, Birgit Kerber, Tom Thörmer<br />

Für einen Buchweizen-Snack, der von DI Julian Zwerenz<br />

im Rahmen seiner Diplomarbeit am Institut für Lebensmitteltechnologie<br />

der Universität für Bodenkultur entwickelt<br />

wurde, haben die Studierenden der Werkstätte<br />

Grafik Design Verpackungsdesign und Marketingstr<strong>at</strong>egie<br />

entwickelt. Wichtig dabei war, den Österreichbezug hervorzuheben<br />

und die gesunden Inhaltsstoffe zu betonen.<br />

Elf Konzepte wurden präsentiert. Drei davon wurden<br />

ausgewählt und bildeten die Basis für die Weiterentwicklung<br />

des Erscheinungsbilds. Die ausgewählten Arbeiten<br />

stammten von Eva Mogg, M<strong>at</strong>thias Moser, Lisa Rindberger<br />

und Jakob Ritt, die gemeinsam aus ihren unterschiedlichen<br />

Ideen und Konzepten das Verpackungsdesign und<br />

die Marketingstr<strong>at</strong>egie des Bio-Snacks realisierten.<br />

Das Endergebnis wurde bei der „Trophelia“ (intern<strong>at</strong>ionaler<br />

Studierenden-Wettbewerb für Lebensmittel-Produkte)<br />

eingereicht. Die Endausscheidung des Wettbewerbs<br />

fand im Rahmen der SIAL, der weltgrößten Messe der<br />

Lebensmittelindustrie st<strong>at</strong>t. Die Gruppe präsentierte ihr<br />

Konzept und Verpackungsdesign vor einer intern<strong>at</strong>ionalen<br />

Jury in Paris.<br />

Impulsrefer<strong>at</strong> zu Marketing und Werbepsychologie:<br />

Gerald Kotschwar<br />

Kooper<strong>at</strong>ionspartnerInnen:<br />

ao. Univ. Prof. DI Dr. Emmerich Berghofer, DI K<strong>at</strong>harina<br />

Hanz, Ute Innerkofler, DI Julia Schmidt, Franz Gaisbauer<br />

TeilnehmerInnen:<br />

Sarin Baghdoyan, Tanja Gahr, Melanie Kasper, Jürgen Korntheuer, Eva Mogg und Lisa Rindberger, M<strong>at</strong>thias Moser<br />

Ines Rauter, Jakob Ritt, Mirjam Schweigkofler, Benedikt Skorpik, Christoph Tripes


106 107<br />

1<br />

1 Sarin Baghdoyan<br />

2 Melanie Kasper<br />

3 Christoph Tripes<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

4 Jürgen Korntheuer<br />

5 Mirjam Schweigkofler<br />

6 Benedigt Skorpik<br />

6


108 109<br />

9<br />

7 8<br />

10<br />

7 , 8 M<strong>at</strong>thias Moser<br />

9 Eva Mogg und Lisa Rindberger<br />

10 Tanja Gahr<br />

11 Jakob Ritt<br />

11


110 111<br />

In Paris wurde die Verpackung von Eva Mogg, M<strong>at</strong>thias Moser, Lisa Rindberger und Jakob Ritt präsentiert.<br />

Two nights in Paris<br />

Im Sommersemester 2010 tr<strong>at</strong> die Universität für Bodenkultur<br />

– kurz Boku – mit dem Vorschlag an die StudentInnen<br />

der Werkstätte Grafik Design heran, ein Verpackungsdesign<br />

für das soeben entwickelte Produkt „Xundis“ zu<br />

erstellen.<br />

Es wurden drei Designs ausgewählt, um eins zu werden,<br />

und sowohl den Vorstellungen der Boku StudentInnen,<br />

als auch den Vorstellungen des generösen Geldgebers zu<br />

entsprechen. Langer Rede kurzer Sinn: Bei einem unserer<br />

Treffen wurde uns der Vorschlag unterbreitet, unsere Verpackung<br />

im Zuge des „Trophelia Europe Awards“ auf der<br />

SIAL in Paris zu präsentieren. Solch eine Möglichkeit lässt<br />

man sich selbstverständlich nicht entgehen. Also meldeten<br />

sich zwei waghalsige KunstschülerInnen – Eva und<br />

Jakob – Frau Mogg und Herr Ritt, um die <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong><br />

auf diesem Wettbewerb zu vertreten. Gesagt getan: Bald<br />

waren wir in Paris in unserer Bleibe angelangt und ich<br />

freundete mich, mit flauem Magen, mit dem Gedanken<br />

an, am nächsten Tag eine Präsent<strong>at</strong>ion vor einer intern<strong>at</strong>ionalen<br />

Jury abhalten zu dürfen. Es stellte sich heraus,<br />

dass sich die Präsent<strong>at</strong>ionen der MitbewerberInnen vor<br />

allem mit den Produkten und deren Markttauglichkeit<br />

beschäftigten.<br />

Unsere Präsent<strong>at</strong>ion rückte das Produkt und das Designkonzept<br />

in den Vordergrund. Also brauche ich kaum<br />

erwähnen, dass die Verpackung von Xundis im oberen Bereich<br />

der eingereichten Arbeiten angesiedelt war. Nichtsdestotrotz<br />

reichte es nicht für einen der ersten drei Plätze,


112 113<br />

doch unsere gemeinsame Arbeit mit der Universität für<br />

Bodenkultur in Wien erhielt viel positives Feedback. Den<br />

Rest des Tages verbrachten wir in der Metro und deren<br />

St<strong>at</strong>ionen, da die Franzosen mal wieder einen Streik eingelegt<br />

h<strong>at</strong>ten und die Wartezeiten dementsprechend ausgedehnt<br />

waren. Trotz der widrigen Umstände schafften<br />

wir es noch in ein nettes Bistro und erquickten uns an<br />

diversen N<strong>at</strong>ionalgerichten. Für jeden, der sich die Frage<br />

schon einmal gestellt h<strong>at</strong>: Schnecken schmecken vorzüglich<br />

und sind nicht im Geringsten schleimig.<br />

Jakob Ritt | Studierender GD<br />

Labor Kritik<br />

Lehrbeauftragter | Tom Waibel<br />

Das Lehrfach „Labor Kritik“ ist aus einer Studierendeniniti<strong>at</strong>ive<br />

entstanden und bietet Gelegenheit für eine umfassende<br />

kritische Auseinandersetzung im Bereich des<br />

künstlerischen Schaffens innerhalb sowie außerhalb der<br />

Institution <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong>. Lehrinhalte und Ziele der Lehrveranstaltung<br />

werden von den TeilnehmerInnen sowie<br />

Lehrbeauftragten gemeinsam erarbeitet und beschlossen.<br />

Insbesondere soll ein Bewusstsein für kritisches<br />

Denken entwickelt werden. In der Lehrveranstaltung geht<br />

es vor allem darum:<br />

• den sozialen Raum auf die Möglichkeiten einer<br />

künstlerisch-kritischen Auseinandersetzung hin zu<br />

untersuchen;<br />

• Verbindungen zu analysieren, die sich auf den<br />

Alltag eines jeden Individuums auswirken;<br />

• gesellschaftliche Mechanismen zu verorten und<br />

deren Auswirkungen innerhalb und außerhalb<br />

des künstlerischen Schaffensbereiches zu benennen.<br />

Labor Kritik steht allen Studierenden ab dem zweiten Semester<br />

offen, die an einer theoretisch-praktischen Herangehensweise<br />

interessiert sind, um einen Nährboden für<br />

künstlerisch-kritische Auseinandersetzungen zu schaffen.<br />

Rock ‘n’ Roll Baby!


114 115<br />

An den Vorstand<br />

Verein Wiener Kunstschule<br />

ZVR-Zahl 101995590<br />

Wien, am ………………<br />

Antrag<br />

um Aufnahme in den Verein Wiener Kunstschule als ordentliches Mitglied<br />

Ich, ………………………………………………..,<br />

geb. am ………………,<br />

wohnhaft in ……………..……………..………....<br />

…………………………………………..…….......,<br />

bin seit ………………………. Schüler/in der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong>.<br />

Ich kenne die Schule daher sehr gut von innen, möchte mich voll an der<br />

Vereinsarbeit beteiligen und ersuche, meinem Antrag zuzustimmen.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Antragsformular zur Aufnahme in<br />

den Verein Wiener Kunstschule<br />

„Zeichne das Gleiten der Füße, das Liegen der ruhigen Hand, das Zittern der Mundwinkel, das Biegen der Knie und<br />

die Wärme des Stuhls. Zeichne das Stückchen Raum, welches von deinem Rücken verdeckt wird; zeichne einen Raum<br />

aus deiner Erinnerung und ziehe einen Faden von einer Ecke zur anderen. Zeichne ein Ding fünf Meter entfernt von dir;<br />

zeichne den Weg von dir zum Ding. Zeichne die übersprungenen Rückseiten der Gegenstände auf den Wegen. Dann<br />

zeichne eine dichte Überlappung deines Blicks zu dem Ding mit seinem Blick zu dir. Nach all dem Zeichnen verlierst du<br />

Distanz und siehst Blicke sich endlos kreuzen und schwärzen.“<br />

Aus: „Kehren und Zeichnen“, Suse Wiegand, Post Texte 1, Kulturforum Alte Post Neuss, 1998<br />

Grundlagen des Zeichnens<br />

Lehrbeauftragte | Babsi Daum und Martin Huber


116 117<br />

Erste großform<strong>at</strong>ige Zeichnungen am Boden aufgelegt<br />

Zeichnen und Fahrrad fahren Zeichnen im Raum<br />

Experimente mit Haushaltsgummis und Karton


118 119<br />

Thomas Albert | Torso<br />

Gips, PU-Schaum, Schmiedeantik<br />

Formenbau<br />

Lehrbeauftragter | Hermann Seiser<br />

Formen-, Modell-, und Prototypenbau sind Fachgebiete,<br />

die in der Umsetzung und Herstellung von Modellen für<br />

die Bildhauerei, Keramik, Produktgestaltung, Architektur<br />

und in den verschiedensten Bereichen der Industrie<br />

eingesetzt und praktiziert werden. In den künstlerischen<br />

Bereichen dient der Formenbau und das damit verbundene<br />

Modelldenken dazu, Entwürfe, Mechanismen oder<br />

darzustellende Objekte einer dreidimensionalen Präsenz<br />

zuzuführen.<br />

Madlen Lop<strong>at</strong>ka | Ohne Titel | Porzellan, Holz / lasiert, Gips<br />

Das sogenannte Modelldenken entwickelte sich weit vor<br />

Beginn der Steinzeit, in der Biologie der Realität, aus der<br />

evolutionär jungen Fähigkeit des Menschen, Abstraktionen<br />

zu denken und zu verwenden, aus den Fähigkeiten,<br />

Modelle für Lichtungen, Felder, Ansiedlungen, Wege, Figuren,<br />

Gefäße, Maschinen usw. zu denken und zu „machen“.<br />

Der Formenbau mit dem Beginn in der Kupferzeit<br />

h<strong>at</strong> uns Reibpl<strong>at</strong>ten, Klopfsteine und Schleifsteine, also<br />

Steinneg<strong>at</strong>ive überliefert, die zum Schmieden von Speer-<br />

spitzen und Schmuck dienten. Die Kupfermetallurgie und<br />

der damit verbundene Formenbau entstanden im 6. Jahrtausend<br />

v. Chr. im an<strong>at</strong>olisch-kaukasischen Raum. Die<br />

Lehrveranstaltung Formenbau sieht sich immer mehr als<br />

Zentralwerkstätte der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong>, in welcher das projektorientierte<br />

Arbeiten mit einer großen Auswahl an M<strong>at</strong>erialien<br />

die Umsetzung der Entwürfe ermöglicht.


120 121<br />

Orientierungsjahr 2010<br />

Anim<strong>at</strong>ion<br />

Lehrbeauftragter | Thomas Renoldner<br />

„Comic und Anim<strong>at</strong>ion“ ist der jüngste Studienzweig an der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong>.<br />

Im Bereich Anim<strong>at</strong>ion gestalteten die ersten StudentInnen des Orientierungsjahres<br />

im Sommersemester sieben kurze Trickfilme, in denen sie ohne Themenvorgabe<br />

ihre ureigensten Vorstellungen vom Medium Anim<strong>at</strong>ion formulieren<br />

konnten.<br />

In der Zusammenschau dieser sieben Filme zeigte sich ein unbekümmerter<br />

Gestaltungswille, eine überraschend hohe handwerkliche Qualität und eine<br />

erstaunliche Bandbreite unterschiedlichster Zugänge.<br />

Raffaela Bartik | C<strong>at</strong> & K<strong>at</strong>ta | 30 Sec<br />

Handwerklich äußerst präzise ausgeführte Interaktion zwischen zwei Lebewesen,<br />

stilistisch zwischen Manga und Disney angesiedelt. Sweet!<br />

Stefan Petroczy | Der Wurm wird kommen | 2 Min 24 Sec<br />

In durchdachten Kamerapositionen beobachten wir einen recht n<strong>at</strong>uralistisch animierten Plastilin-Wurm, der sich durch<br />

die menschenleere Wohnung hinaus ins Freie windet. Dort schlüpft er in einen Kübel mit schwarzer Farbe, die als übergroße<br />

Malerei den Betonpfeiler einer Autobahnbrücke überwuchern wird: die Darstellung einer gigantischen Schlange.<br />

Hommage an den italienischen Street Artist Blu.


122 123<br />

Ruth Felicitas Zimmermann, Mark Reiter | Ninja B<strong>at</strong>tle | 1 Min 25 Sec<br />

Handwerklich aufwändige Puppenanim<strong>at</strong>ion (inkl. Kulissenbau), die diverse Spielarten des Genre-Kinos unterhaltsam<br />

auf die Schippe nimmt. Kämpfer und Kämpferin stürzen sich zuerst in einen wüsten Schlagabtausch; nachdem sich der<br />

„Ninja-Kämpfer“ am Kopf verletzt, beschließen die beiden die gefährlichen Waffen zur Seite zu legen, um sich exzessivem<br />

Break Dance zuzuwenden. Auch diese Freizeitbeschäftigung stellt sich als recht gefährlich heraus, die weibliche<br />

Figur verletzt sich dabei schon bald das Knie. Die beiden verlassen in entgegen gesetzten Richtungen das Bild, um sich<br />

keinen weiteren Gefahren zwischenmenschlicher Interaktion auszusetzen.<br />

Claudia Lampl, Reinhard Trinkler, K<strong>at</strong>harina Rosenbichler, Alexander Stamenov | Waldtiere | 1 Min<br />

Im Wald tummeln sich die unterschiedlichsten putzigen Tierchen, die in teils slapstickartigen Interaktionen aufeinander<br />

treffen. Der mit zeichnerisch erstaunlicher Finesse gestaltete Film erinnert stilistisch an Disney’sche ‚full anim<strong>at</strong>ion‘<br />

und bildet gleichzeitig eine Verbindungslinie zwischen den beteiligten ZeichnerInnen, die jeweils eine eigene Figur und<br />

die entsprechende Szene entwerfen mussten, wobei die Übergänge zwischen den Szenen in Absprache mit dem/der<br />

nächsten ZeichnerIn erfolgen musste.


124 125<br />

Sonja Berger, Asami Takahashi, Haruka Nishijima, Jasmin Karle | Happy Chibi Friends | 1 Min 38 Sec<br />

Ähnlich wie im Film „Waldtiere“ entwirft und zeichnet jede beteiligte Zeichnerin ihren eigenen „Charakter“. Die sehen<br />

zwar „süß“ aus, stürzen sich aber nach wenigen Sekunden ins erbarmungslose Massaker. „Happy Tree Friends“ steht<br />

hier zweifelsfrei für die Story P<strong>at</strong>e, stilistisch sind die Vorbilder im gezeichneten Manga unverkennbar. Dram<strong>at</strong>ische<br />

Musik sorgt für die entsprechende schweißtreibende Stress<strong>at</strong>mosphäre und logischerweise überlebt keine der Figuren<br />

die gegenseitige Vernichtungsorgie.<br />

Rebecca Gutleben, Daniel Benkö, Lea Runggaldier, Martina Rosenthal | Schlangenfilm | 2 Min 42 Sec<br />

Die humoristische Wirkung des Filmes basiert in erster Linie auf der Kombin<strong>at</strong>ion von Tonebene und Bildebene, wenn<br />

die – diesmal etwas trashig animierten „Schlangen“ – unterschiedlichste Orte der Welt bereisen und dabei tief in die<br />

Klischeekiste gelangt wird. Kitschige Postkartenhintergründe werden mit trashigen Muzak-Collagen kombiniert, die<br />

Schlangen winden sich in farblich passenden Outfits durch die absurden Klischeewelten.


126 127<br />

Mineheart Ablaza, Caroline Taschler, Songhay I. Toldon | Overkill | 1 Min<br />

Auch bei „Overkill“ wenden die GestalterInnen das Prinzip der individuellen Identifik<strong>at</strong>ion mit jeweils einer Filmfigur<br />

an, allerdings geht das – so wie bei allen Filmen – perfekt eingespielte Team einen Schritt weiter, wenn sie sich zuerst<br />

in einer Realfilmsequenz zeigen, in der sie bereits die Filmfiguren verkörpern, bevor sie in die ‚fantasy world‘ des Trickfilms<br />

eintauchen. Alle drei sind heroische Figuren mit übern<strong>at</strong>ürlichen Kräften und magischen Fähigkeiten und besiegen<br />

klarerweise ihre Feinde. So wie im richtigen Leben. ;-)<br />

media extended<br />

Lehrbeauftragter | Carlos K<strong>at</strong>astrofsky<br />

Das Pendeln zwischen Form, Technologie und Inhalt kennzeichnet<br />

eine Arbeitsweise, die im künstlerischen Feld<br />

sehr stark verankert ist.<br />

Betrachtet man diese Aspekte einzeln, so fällt auf, dass<br />

Form und Inhalt bereits eine sehr lange Beziehung zueinander<br />

pflegen, die auch intensiv diskutiert wurde und<br />

wird. Die Frage nach der Technologie ist in der Beurteilung<br />

von Kunst aber normalerweise nebensächlich. Lediglich in<br />

Randnotizen wird auf manche Gegebenheiten eingegangen:<br />

M<strong>at</strong>erial, Technik, Maße. Dabei ist es – sowohl für<br />

P<strong>at</strong>rick Lins | hunter‘s street | Video<br />

die Ausgestaltung der Form wie auch des Inhalts – nicht<br />

unerheblich, welche Technologie in der Umsetzung zum<br />

Eins<strong>at</strong>z kommt, denn auch die Technologie kann in der<br />

künstlerischen Anwendung als Teil des Inhalts verstanden<br />

werden. Die Lehrveranstaltung „media extended“ behandelt<br />

Grundlagen neuerer Technologien, um Studierenden<br />

jenes Basiswissen zu vermitteln, das nötig ist, um Inhalt<br />

und Form nicht ausschließlich mit traditionellen Mitteln<br />

zum Ausdruck bringen zu können.


128 129<br />

Kerstin Halm | pacman |<br />

Programmierte Grafik, Größe variabel<br />

Jeremias Altmann | ohne Titel |<br />

Gener<strong>at</strong>ive Grafik, Größe variabel<br />

Marie-Therese Amtmann | verästelungen |<br />

Gener<strong>at</strong>ive Grafik, Größe variabel<br />

Myriam Fries | quastel |<br />

Gener<strong>at</strong>ive Grafik, Größe variabel


130 131<br />

Krzysztof Nemec |<br />

Versuch einer Komposition |<br />

Screenshot eines Pured<strong>at</strong>a-P<strong>at</strong>ches,<br />

das gener<strong>at</strong>ive Klangfolgen erzeugt<br />

Lila Lee | ohne Titel |<br />

Detail aus ihrer Diplomarbeit. Selbst programmiertes<br />

Arduino-Board und Elektronik<br />

zur Ablaufsteuerung einer interaktiven<br />

Install<strong>at</strong>ion<br />

mehr alles.<br />

Einen Hammer für die Bildhauer!<br />

Spätestens nach dem Orientierungsjahr weiß jede/r Studierende,<br />

dass die m<strong>at</strong>eriellen und räumlichen Ressourcen<br />

der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong> nicht mit der Qualität des Studiums/der<br />

Lehre mithalten können. Doch man schätzt das Angebot<br />

und die individuelle Freiheit, das Studium zu gestalten und<br />

arrangiert sich mit den Gegebenheiten.<br />

Im Herbst 2009 wurden aber durch administr<strong>at</strong>ive Entscheidungen,<br />

die sich in mehreren Abteilungen in unterschiedlichen<br />

Ausmaßen niederschlugen, das Gefühl der<br />

Mitbestimmung und die angesprochene Freiheit stark<br />

beeinträchtigt.<br />

Dies war in einer Studierendenvertretungssitzung Anstoß,<br />

nicht nur aktuelle Missstände zu diskutieren, sondern<br />

auch eine Chance, lange bestehende Probleme<br />

anzusprechen.<br />

Um auch ja kein Bedürfnis der Studierenden auszulassen,<br />

wurde in einer ersten Versammlung (zu der alle Studierenden<br />

eingeladen waren) jedes Anliegen notiert und protokolliert.<br />

So konnte man auf der Liste der Forderungen<br />

neben dem Wunsch nach mehr Raum (Arbeitsraum/Gemeinschaftsraum/Lagerraum/Archiv/Bibliothek)<br />

und mehr<br />

transparenter Kommunik<strong>at</strong>ion auch den Vermerk eines<br />

eigenen Hammers für die Bildhauerei-Werkst<strong>at</strong>t finden –<br />

„mehr alles“ lautete die Devise bei der Erstellung der<br />

Forderungen.<br />

Voller T<strong>at</strong>endrang wurde auch ein Communiqué (siehe<br />

Beitext) verfasst, bei dem man sich wieder auf das Wesentliche<br />

konzentrierte. In der Hoffnung auf Zustimmung<br />

zu stoßen, um gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, wurde<br />

das Communiqué, zusammen mit der Liste der For-<br />

derungen, dem LehrerInnenkollegium und der Direktion<br />

vorgetragen.<br />

Die Vorgehensweise der Gruppe unter dem Arbeitstitel<br />

„mehr alles“ wurde jedoch vorwiegend mit Skepsis<br />

betrachtet, so blieb das ersehnte Echo aus. Nach der<br />

anfänglichen Euphorie, Veränderungen herbeizuführen,<br />

zeichnete sich der weitere Verlauf der „Bewegung“ durch<br />

die minimale Begeisterung für aktive Beteiligung aus.<br />

Konfrontiert mit der vermeintlich neuen Situ<strong>at</strong>ion, nahm<br />

„mehr alles“ einen weiteren Anlauf für ein Gespräch mit<br />

dem Vorstandspräsidenten – in dem Verständnis gezeigt<br />

wurde, doch auch an dieser Stelle schienen die Hände<br />

gebunden zu sein.<br />

Im Zuge der Gespräche konnte man kleine Errungenschaften<br />

verzeichnen, so wurde der Vorschlag, den fehlenden<br />

Raum durch Zeit zu kompensieren, von Daniela Schmeiser<br />

aufgegriffen. Durch die Verlegung ihrer Bürozeiten, konnten<br />

Studierende die Werkstätten auch abends nutzen.<br />

Bestätigung fanden die Anliegen von „mehr alles“ durch<br />

die wieder zum Vorschein gelangten Videos der Studierendenbewegung<br />

„Vormerz“(2003). In Interviews von Studierenden<br />

mit Lehrenden wurden die schon damals langjährigen<br />

Probleme der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong> dokumentiert. So ging<br />

es um Themen wie die unbefriedigende Raumsitu<strong>at</strong>ion<br />

der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong>, aber auch Leslie DeMelo musste sich<br />

über das Fehlen eines Hammers in der Bildhauerei Werkst<strong>at</strong>t<br />

beklagen. Mit dem Gefühl der Bestätigung kehrte<br />

auch ein Gefühl von Ohnmacht ein, da anscheinend schon<br />

vor sechs Jahren die gleichen Probleme zu keinen Lösungen<br />

geführt h<strong>at</strong>ten.


132 133<br />

Communiqué zur Bildungsreform der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong><br />

November 2009<br />

Wo Sklaven knien, Despoten walten, wo sich die eitle Aftergröße<br />

bläht, da kann die Kunst das Edle nicht gestalten.<br />

Friedrich Schiller<br />

Die momentane räumliche Situ<strong>at</strong>ion an der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong><br />

ermöglicht eben diese Gestaltung des Edlen nicht. Diese<br />

Einschränkungen, die wir auf diversen Ebenen erfahren,<br />

lässt kein freies künstlerisches Arbeiten zu. Raum ist die<br />

Grundlage menschlicher Interaktion.<br />

Die herrschenden Mängel und Missverhältnisse bestimmen<br />

unseren Schulalltag. Obwohl die <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong> eine<br />

Priv<strong>at</strong>schule mit Öffentlichkeitsrecht ist, haben wir gegenüber<br />

den öffentlichen Institutionen keine prägnanten Vorteile.<br />

Dem Aspekt des künstlerischen Arbeitsprozesses<br />

wird in dieser Institution zu wenig Aufmerksamkeit und<br />

Interesse geschenkt.<br />

Denn die Kunst ist die Tochter der Freiheit.<br />

Friedrich Schiller<br />

So ergibt sich für uns nicht nur die Notwendigkeit einer allgemeinen<br />

Bildungsreform, sondern vor allem eine individuelle<br />

Umwälzung unserer Schulstruktur. Fokus muss die<br />

Abkapselung räumlicher Konkurrenz zweier Institutionen<br />

sein. Konkret heißt das, dass die Koexistenz der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong><br />

und der Künstlerischen Volkshochschule unter<br />

den gegebenen Umständen nicht möglich ist. Dadurch<br />

ergibt sich die unausweichliche Notwendigkeit eigener<br />

Räumlichkeiten für die <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong>.<br />

Diese räumliche Notwendigkeit ist grundlegende Voraussetzung<br />

für die Klärung aller anderen Missstände, da diese<br />

damit alle in direkter Verbindung stehen.<br />

Die mangelnde Transparenz der Kommunik<strong>at</strong>ion, respektive<br />

der Mangel an Kommunik<strong>at</strong>ion, sowohl der internen<br />

als auch der externen, muss verändert und geltend gemacht<br />

werden.<br />

Kunst ist eine Art Aufruhr.<br />

Pablo Picasso<br />

Aufruhr bedeutet in diesem Sinne Umwälzung – nicht die<br />

blinde Zerstörung der gegebenen Umstände, sondern die<br />

Erschaffung neuer Möglichkeiten.<br />

Rosemarie Benthen | Diplomandin 2010<br />

Projektwoche 2010<br />

Freiraum Leerstellen<br />

Während der Projektwoche setzt an der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong> der reguläre Unterricht<br />

zugunsten von werkstättenübergreifenden Kooper<strong>at</strong>ionen aus. In Projektgruppen,<br />

die sich aus WerkstättenleiterInnen, Studierenden, LehrveranstaltungsleiterInnen<br />

und externen Kulturinstitutionen oder geladenen Personen zusammensetzen,<br />

finden zuvor erarbeitete Themen und Fragestellungen Raum und<br />

Umsetzung. Die Projektwoche findet im Sommersemester st<strong>at</strong>t. Auch Studierende<br />

bilden selbständig Projektteams und reichen Themenvorschläge ein.


134 135<br />

( )<br />

Themenseminar<br />

Lehrbeauftragte | Agnes Peschta<br />

Am 8. März 2010, Weltfrauentag, wurde der Augartenspitz<br />

in Wien gerodet. Jahrelang kämpften AnrainerInnen<br />

um den Erhalt des barocken Gartens.<br />

Zur selben Zeit hielt Dr. Dieter Schrage (Kulturwissenschaftler,<br />

Universität Wien) im Depot im Rahmen des<br />

Themenseminars der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong> einen Vortrag über<br />

Hausbesetzungen vor dutzenden Studierenden und Lehrenden<br />

und eröffnete damit ein zweitägiges Seminar mit<br />

dem Thema Freiraum Leerstellen.<br />

Wenige Wochen danach verlor die <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong> ihre<br />

Expositur im 12. Wiener Gemeindebezirk. Drei Klassen<br />

mussten ihre Räume verlassen und nach knappen sieben<br />

Jahren zurück in die Lazarettgasse ziehen, ohne dort annähernd<br />

adäqu<strong>at</strong>en Pl<strong>at</strong>z vorzufinden.<br />

Die Themenseminare der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong>.<strong>at</strong> stellen eine<br />

theoretische Annäherung an das jeweilige Thema der dar-<br />

auf folgenden Projektwochen dar. Erstmals wurde dieses<br />

Seminar im Rahmen der Lehrveranstaltung Koop, von<br />

Studierenden erarbeitet und organisiert. Recherchen, sowie<br />

Gastvorträge, etwa von Willi Hejda, Verein Kukuma,<br />

schufen ein interessantes Spektrum.<br />

Nach Dieter Schrage folgte Alexander Scheer, Rechtsanwalt.<br />

Er klärte über die rechtliche Lage bei Besetzungen<br />

und Zwischennutzungen auf. Jutta Kleedorfer, MA 18/<br />

Stadtentwicklung und -planung, berichtete von der städteplanerischen<br />

Seite im Bezug auf verschiedenste Nutzungsformen.<br />

Barbara Jeitler und Manfred Schwaba, beide<br />

Gebietsbetreuung Stadterneuerung, Wien 16, gaben<br />

Einblick in ihre Arbeit. Ursula Taborsky, Verein Gartenpolylog,<br />

stellte Konzepte von interkulturellen Gemeinschaftsgärten<br />

anhand intern<strong>at</strong>ionaler Beispiele vor.<br />

Dienstag, 9. März 2010, stand im Zeichen konkreter<br />

künstlerischer Projekte. Stefanie Sandhäugl stellte das<br />

Projekt „Mobile Initi<strong>at</strong>ive Kultur“ am Genochmarkt in Kagran<br />

vor. Die KünstlerInnengruppe Kampolerta zeigte Videos<br />

von Projekten ungewöhnlicher Nutzung öffentlicher<br />

Räume. Sie übergaben den Studierenden ein Geschenk,<br />

um damit ein neues Projekt zu initiieren. Sissa Micheli erläuterte<br />

künstlerische Str<strong>at</strong>egien im Umgang mit Raum,<br />

speziell Offspaces.<br />

Die Raumnot der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong> ist zum Zeitpunkt der<br />

Publik<strong>at</strong>ion dieses Textes hoffentlich beendet. Der Bedarf<br />

nach Freiräumen in der Stadt Wien vermutlich nicht!<br />

Wenn die Cevapcici und der<br />

Leberkäs’ mit dem Kebab …<br />

eine Kunstaktion für Soho in Ottakring<br />

„Kick The Habit“<br />

Projektleitung | Eric Neunteufel und<br />

Eliane Huber-Irikawa<br />

Aktion ab 8. Mai und Ausstellung vom 15. bis 22. Mai 2010<br />

ORF -Berichte in AVISO, Kulturmontag und Radio Wien<br />

Leberkäsesemmel, Kebab und Cevapcici koexistieren nun<br />

schon seit ca. 25 Jahren friedlich in der Fastfood-Szene<br />

und vereinen sich in österreichischen und nicht-österreichischen<br />

Mägen – ohne Bauchweh zu verursachen. Dies<br />

ist der Ausgangspunkt einer multilingualen Cartoon-Serie,<br />

die auf Deutsch, Serbisch und Türkisch die Abenteuer der<br />

drei Protagonisten Cevapcici, Leberkäs’ und Kebab im<br />

Wien des Jahres 2010 erzählt. Diese Geschichten sollen<br />

sich in kritischer bis provokanter Form mit dem Thema Alltagsrassismus<br />

und Vorurteilen auseinandersetzen.<br />

Mit Siebdruck auf folienbeschichtetes Wursteinpackpapier<br />

gedruckt, wurden sie den im Raum Brunnen- bzw. Yppenmarkt<br />

ansässigen Würstel- oder Kebabständen zum Verpacken<br />

ihrer Produkte angeboten. Die Standbetreiber<br />

wurden im Voraus für eine Zusammenarbeit gewonnen,<br />

also in den Entstehungsprozess einbezogen.<br />

1<br />

Angaben zur Technik: Siebdruck auf einseitig beschichtetem<br />

Fleischwickelpapier 51 × 38 cm, monochrom oder<br />

schwarz/rot<br />

Ausstellung im Café Müller, 16., Yppengasse / Payergasse<br />

Eröffnung: 15. Mai 2010, Lesung: Daniela Schmeiser aus<br />

„Würstelpr<strong>at</strong>er“ (2002 erschienen, Herausgeber: Verein<br />

für kommunik<strong>at</strong>ive Eingriffe)


136 137<br />

2<br />

3<br />

1 Kika Birer<br />

2 Joan Lee<br />

3 Laura Egger-Karlegger<br />

4 Irene Amberger<br />

5 Alina Helal<br />

4<br />

5


138 139<br />

6<br />

7<br />

6 Finnian Sweeney<br />

7 Jeremias Altmann<br />

8 Julia Dunker<br />

8


140 141<br />

Freiräume & Leerstellen<br />

MIK – Zwischennutzung Genochmarkt<br />

Wer oder was ist MIK?<br />

MIK – Mobile Initi<strong>at</strong>ive Kultur ist ein Kulturverein, bzw.<br />

das KünstlerInnen-Duo Stefanie Sandhäugl und Helmut<br />

Preis, das seinen Fokus seit 2006 auf den suburbanen<br />

Raum (Schwerpunkt Transdanubien) richtet. Neben der<br />

Zwischennutzung des leerstehenden Genochmarktes in<br />

Stadlau setzt/e MIK weitere Projekte um, wie z. B. „Suburb<br />

Safari – oder: Wer findet die Bergziege“ im Rahmen<br />

von „Misguide – Stadtverführungen in Wien“/ Wiener<br />

Festwochen 2007, oder „Po Stadl Biskup Au“ – EU-Projekt<br />

Wien/Br<strong>at</strong>islava 2009/10.<br />

Helmut Preis und ich wurden von der <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong> eingeladen,<br />

im Rahmen der Projektwoche „Freiräume und<br />

Leerstellen“ über unsere Erfahrungen im Bereich der<br />

Nutzung leerstehender Objekte zu referieren. Wer an diesem<br />

Projekt teilgenommen h<strong>at</strong>, weiß, dass es mehrere<br />

Arten der Zwischennutzung gibt. Wir gingen mit MIK den<br />

Weg der Zwischennutzung auf vertraglicher Basis – mit<br />

Einverständnis und Unterstützung der zuständigen EigentümerInnen<br />

bzw. PolitikerInnen. Wir waren ganz bewusst<br />

von Anfang an nicht an altern<strong>at</strong>iven Formen der Nutzung,<br />

wie beispielsweise einer Besetzung interessiert. Erstens,<br />

weil die Besetzung eines ganzen Marktpl<strong>at</strong>zes zu zweit<br />

schwer möglich ist, und zweitens, weil wir es wichtig fanden,<br />

und noch immer finden, die für die Genehmigung<br />

eines solchen Projektes Verantwortlichen zur Einsicht zu<br />

bringen, dass die Nutzung leerstehender Räumlichkeiten<br />

absolut sinnvoll und wichtig für eine lebendige Stadt ist,<br />

und dass es nicht nur ein nettes Entgegenkommen der<br />

Stadt sein kann, eine solche Zwischennutzung zu ermöglichen<br />

und ZwischennutzerInnen zu „dulden”, sondern ihre<br />

Pflicht, engagierte Bottom-up-Projekte und ihre AkteurInnen<br />

zu unterstützen, zu motivieren und zu fördern, und<br />

ihre Arbeit, die sie freiwillig und (fast immer) unbezahlt<br />

für die Stadt leisten, zu würdigen. Und zwar auch in ihrem<br />

eigenen Interesse (was PolitikerInnen, EigentümerInnen<br />

und Verantwortlichen oftmals einfach nicht klar ist, was<br />

man ihnen aber mit pädagogischem Feingefühl beibringen<br />

muss – und manchmal auch schafft).<br />

Ich werde im folgenden Text ganz bewusst, über die Anfänge<br />

des Projekts berichten, also wie es zur Genehmigung<br />

der Nutzung kam, und weniger über das Programm,<br />

das wir dann dort umsetzen konnten, denn sowohl bei<br />

der Projektwoche, als auch bei meinem Vortrag, war die<br />

Hauptintention aus meiner Sicht, die StudentInnen dazu<br />

zu motivieren, aufzustehen und zu beginnen, Leerstellen<br />

zu füllen, und die verschiedenen Möglichkeiten, Zugänge<br />

und Str<strong>at</strong>egien zur (Rück)Gewinnung öffentlicher Räume<br />

und „Zwischenräume” aufzuzeigen.<br />

Wo oder was ist der Genochmarkt? Oder, wie alles<br />

begann …<br />

Die wenigsten WienerInnen kennen den Genochmarkt bzw.<br />

kannten ihn (zum Zeitpunkt der Herausgabe des Jahrbuchs<br />

wird er wahrscheinlich schon geschliffen sein). Der Genochmarkt<br />

– ein Relikt aus der Gründerzeit, positioniert an der<br />

stark befahrenen Erzherzog-Karl-Straße im Wiener Stadtteil


142 143<br />

Stadlau, 22. Bezirk. Wie viele andere Detailmärkte in Wien<br />

konnte auch der Genochmarkt seine Stellung als wichtige<br />

Nahversorgungsquelle für die Bewohner des Umfeldes<br />

nicht behaupten – die Marktstände wechselten häufig die<br />

BetreiberInnen und mussten früher oder später wegen<br />

mangelnden Zulaufs schließen. Verfall und Leerstand prägten<br />

das Bild am Genochpl<strong>at</strong>z 15 Jahre lang. Obwohl ich<br />

selbst damals in Donaustadt wohnte, war mir der Markt<br />

zwar ein Begriff, aber ich h<strong>at</strong>te mich nie mit dem dortigen<br />

Zustand beschäftigt. Erst durch eine Ausgabe des Bezirksmagazins<br />

(04/2006), in dem der seit 15 Jahren still gelegte<br />

Markt als „Geisterhütten-Dorf“ beschrieben wurde, wurde<br />

ich wirklich aufmerksam auf das problem<strong>at</strong>ische Gebiet.<br />

AnrainerInnen forderten „endlich einen Plan für das Areal<br />

Genochmarkt zu schmieden“. Helmut Preis und ich verstanden<br />

das als Aufforderung und begaben uns vor Ort zu einer<br />

ersten Erkundung.<br />

Der Eindruck war wirklich trist – 13 Marktstände, davon nur<br />

mehr einer in Betrieb (Blumen Tilly) – der Rest stand leer.<br />

Im hinteren Bereich des Marktareals (vor dem ebenfalls leer<br />

stehenden ehemaligen Tröpferlbad) bauten Textilhändler gerade<br />

mobile Stände ab, sonst bewegte sich wirklich nichts in<br />

der „Geisterstadt Genochmarkt“.<br />

Ab diesem Moment begann unser Interesse an diesem<br />

Pl<strong>at</strong>z – seine Vergangenheit, sein gegenwärtiger Zustand<br />

und seine Zukunft. Wer h<strong>at</strong> was dazu zu sagen, wer bestimmt,<br />

was dort passiert? Wer plant was an diesem Ort,<br />

und welche Möglichkeiten gibt es, diese Planung mitzugestalten?<br />

Oder gibt es überhaupt irgendwelche Pläne?<br />

Wir suchten Kontakt zu den Verantwortlichen des Bezirks,<br />

von denen wir erfuhren, dass der Genochpl<strong>at</strong>z demnächst<br />

ins Eigentum der WienHolding übergehen würde, die den<br />

Markt in absehbarer Zeit schleifen würde, um Pl<strong>at</strong>z für ein<br />

groß angelegtes Bauprojekt zu schaffen. Wir wollten uns<br />

nicht abwimmeln lassen und fragten weiter. Seitens der<br />

Donaustädter Bezirkspolitik wurde uns von Anfang an zwar<br />

schon gewisses Interesse und Engagement entgegen gebracht,<br />

trotzdem schien die Nutzung der Marktstände bis<br />

zum Abriss vorerst hoffnungslos. Bis die erste Entscheidung<br />

fiel vergingen wertvolle Mon<strong>at</strong>e. Wir beschlossen in Aktion<br />

zu treten.<br />

Als gute Str<strong>at</strong>egie, um einen öffentlichen Raum „auszutesten“<br />

und einen ersten aktiven Schritt in Richtung Auseinandersetzung<br />

mit dem Ort zu machen, erschien uns ein „permanent<br />

breakfast“. Es folgte eine Einladung zum Frühstück am<br />

Genochmarkt nach den Spielregeln von permanent breakfast<br />

(www.permanentbreakfast.org) – um uns mit Leuten zusammen<br />

zu setzen, die eventuell Interesse hätten, über den Ort<br />

zu sprechen, ihn zu besichtigen, vielleicht gemeinsam Ideen<br />

zu spinnen – ganz unabhängig davon, wie unrealistisch deren<br />

Umsetzung ist, aber auch, um das Geschehen oder Nicht-<br />

Geschehen vor Ort zu beobachten – die Reaktionen, der<br />

Menschen, die vorbei kommen, um den unbenutzten Raum<br />

zu nutzen – und sei es nur durch ein Frühstück …<br />

Zu diesem permanent breakfast waren auch BezirkspolitikerInnen<br />

eingeladen, Geschäftsleute, Gebietsbetreuung<br />

und Beschäftigte öffentlicher Einrichtungen rund um den<br />

Markt (Jugendzentren, etc.). Das Interesse war gering,<br />

aber immerhin brachten die zwei „InsiderInnen“, die unserer<br />

Einladung gefolgt waren, Ideen und Bedenken ein, die<br />

neue Blickwinkel ergaben. „InsiderInnen“ aus dem Umfeld<br />

wissen auch oft, an wen (im Bezirk) man sich mit welchem<br />

Anliegen am besten wenden sollte – wer in welchen Bereichen<br />

an den „Hebeln“ sitzt. Eine Ideensammlung entwickelte<br />

sich zu einem Konzept, mit dem wir in Form eines<br />

Folders weiter gingen und an viele Türen im Bezirk klopften.<br />

Wir begannen ein Netzwerk von Leuten zu spinnen, die auf<br />

„unserer Seite“ waren …<br />

Weitere Verhandlungen, Besprechungen, Präsent<strong>at</strong>ionen<br />

unseres Konzeptes folgten. Die Grundidee der Intervention<br />

am Genochmarkt war von Anfang an keine Nutzung der<br />

Räume als Priv<strong>at</strong>-Ateliers für einzelne KünstlerInnen, die<br />

aus wirtschaftlichen Gründen Gr<strong>at</strong>is-Arbeitsraum suchen,<br />

sondern die Schaffung eines belebten, auf Partizip<strong>at</strong>ion<br />

beruhenden Kulturzentrums. Den Bezirkspolitikern war<br />

langsam bewusst, dass dieses Projekt eine Aufwertung<br />

des Stadtteils und eine Bereicherung für den Bezirk Donaustadt<br />

bedeuten könnte, der ohnehin mit dem Image<br />

„Kulturwüste“ zu kämpfen h<strong>at</strong>.<br />

Als wir im Zuge unserer beginnenden Netzwerkarbeit<br />

schließlich Gabi Schrack von der MA18, Projektkoordin<strong>at</strong>ion<br />

für Mehrfachnutzung, kennen lernten und ihr von<br />

unserer Idee erzählten, schienen sich die Dinge endlich<br />

t<strong>at</strong>sächlich in Bewegung zu setzen.<br />

Sie stellte den Kontakt zur Wien Holding (zukünftige Eigentümerin<br />

des Grundstücks) her, die wir schließlich auch<br />

von der Sinnhaftigkeit einer künstlerischen Zwischennutzung<br />

überzeugen konnten. Mit Wien Holding, MA18 und<br />

Bezirksvorstehung im Rücken gab es nur noch eine – allerdings<br />

die härteste – Nuss zu knacken: die Beamten der<br />

MA59 – Marktamt.<br />

Die MA59 zeigt sich wenig begeistert über die T<strong>at</strong>sache,<br />

dass der Markt wiederbelebt werden sollte, aber nachdem<br />

nun Bezirk/Bezirksvorsteher, WienHolding und MA18<br />

nach unzähligen Terminen und Besprechungen endlich<br />

voll und ganz hinter dem Projekt standen, h<strong>at</strong>te die MA59<br />

keine andere Wahl, als mitzuziehen. Wir (als Verein MIK)<br />

schlossen schließlich Verträge über acht Stände mit der<br />

MA59 ab, die für eine „karit<strong>at</strong>ive“ Zwischennutzung frei<br />

gegeben wurden. „Karit<strong>at</strong>iv“ hieß, keine Nutzung der<br />

Stände zu wirtschaftlichen oder priv<strong>at</strong>en Zwecken, wie<br />

Priv<strong>at</strong>-Ateliers, Verkaufsräume, Lager, etc.<br />

Unglaublich … es h<strong>at</strong>te über ein Jahr (!) gedauert, aber<br />

wir h<strong>at</strong>ten die Schlüssel in der Hand, und konnten END-<br />

LICH beginnen. Wir begannen, mit Aufräumarbeiten,<br />

Entrümpelung, Reinigung, kümmerten uns um die Errichtung<br />

einer Infrastruktur (die Wien Holding veranlasste<br />

die Stromzufuhr und sponserte sowohl die Install<strong>at</strong>ion<br />

der Stromkästen und Leitungen, als auch den Verbrauch)<br />

und gaben Passanten, Neugierigen und eingeladenen<br />

Gästen aus dem 22. und anderen Bezirken Auskunft über<br />

die Pläne und Möglichkeiten zur zukünftigen Nutzung des<br />

Marktes.<br />

„Frisch gestrichen“ – das Einzugsspektakel im Rahmen<br />

der Donaustädter Bezirksfestwochen, das vom Bezirk<br />

finanziell (über die Kulturkommission) unterstützt und in<br />

den Bezirksmedien angekündigt wurde, ging nicht ganz<br />

unproblem<strong>at</strong>isch über die Bühne. Die Beamten des<br />

Marktamtes legten sich ständig quer, quälten uns mit<br />

völlig lächerlichen Auflagen und Regelungen, wie sie im<br />

eigentlich nicht mehr relevanten aber doch noch gültigen<br />

Marktgesetz standen (wie z. B. kein „Marktbetrieb“ am<br />

Samstag nach 17 Uhr, am Sonntag gar nicht, keine Ausgabe<br />

und Konsum<strong>at</strong>ion von Getränken und Lebensmitteln,<br />

auch nicht gegen Spende oder gr<strong>at</strong>is …) und drohten uns<br />

ständig mit Anzeigen bei Missachtung. Nur durch die Unterstützung<br />

unserer „Verbündeten“, wie Bezirksvorsteher<br />

Scheed, Bezirksr<strong>at</strong> Piller und Gabi Schrack, konnten diese<br />

Vorgaben gelockert und gröbere Schikanen eingestellt<br />

werden. Es ist manchmal schon schwer zu begreifen,<br />

warum die Magistr<strong>at</strong>e einer Stadt so gegeneinander arbeiten<br />

müssen …<br />

Wir verfassten im November 07 eine Ausschreibung zur<br />

Beteiligung an der Zwischennutzung Genochmarkt mit<br />

den vom Marktamt und uns aufgestellten Nutzungsbedingungen.<br />

Um die 30 Projektvorschläge wurden einge-


144 145<br />

reicht. Ein Kernteam von zehn Personen (StudentInnen<br />

der Angewandten) bildete sich, das sich für die Auswahl<br />

und Koordin<strong>at</strong>ion der Projekte und der Rahmenbedingungen,<br />

die dafür notwendig waren, wie Finanzierung, Genehmigungen,<br />

etc., verantwortlich erklärte. Es dauerte<br />

allerdings nicht lange bis die romantischen Vorstellungen<br />

der Zwischennutzung von der Realität verdrängt wurden<br />

(Förderanträge wurden abgeschmettert, Dächer wurden<br />

undicht, Termine beim Marktamt unerträglich, Projektbeteiligte<br />

mühsam und unverschämt in ihren Forderungen<br />

…) und mehr als die Hälfte des Kernteams von heute<br />

auf morgen doch Lustigeres zu tun h<strong>at</strong>te. Immer dieselben<br />

Wenigen waren für immer mehr Arbeit zuständig.<br />

Trotzdem gelang es uns, einen beträchtlichen Teil der eingereichten<br />

Projekte umzusetzen und wertvolle Kontakte zu<br />

knüpfen. So war z. B. die Zusammenarbeit mit den Kur<strong>at</strong>orInnen<br />

der Ausstellungsreihe „unORTnung“ eine absolute<br />

Bereicherung, ebenso die Kooper<strong>at</strong>ion mit dem LandschaftsarchitektInnenkollektiv<br />

„kampolerta“, die bis zum<br />

Schluss mit Projekten, wie etwa „Holiday in Stadlau“ –<br />

das fiktive Feriendorf am Genochmarkt, beteiligt waren.<br />

Einige offene Werkstätten wurden eingerichtet, wie die<br />

Textilwerkst<strong>at</strong>t und die Siebdruckwerkst<strong>at</strong>t, in denen regelmäßig<br />

Workshops angeboten wurden. Schulprojekte<br />

wurden umgesetzt, ein öffentlicher Pool aufgestellt, Konzerte<br />

am Dach gespielt, u. v. m. – siehe www.mik22.<strong>at</strong>.<br />

Doch was bleibt übrig, abgesehen von vielen schönen<br />

bunten Bildern? (Von denen jetzt übrigens plötzlich ganz<br />

viele Leute gern eines oder zwei in guter Qualität hätten –<br />

Förderstellen z. B., die uns vor kurzem noch abgewiesen<br />

haben, unsere Budgetvorstellungen für völlig lächerlich<br />

befunden haben und uns hin und her geschoben und mit<br />

falschen Hoffnungen auf Trab gehalten haben – all die<br />

hätten jetzt gerne ein paar Bilder für ihre schönen, bunten<br />

Publik<strong>at</strong>ionen und Websites … um der Welt zu zeigen wie<br />

sexy die Stadt Wien ist.)<br />

Der Markt wird in drei Wochen abgerissen. Und n<strong>at</strong>ürlich<br />

bleiben viele Fragen offen. H<strong>at</strong> sich die Arbeit gelohnt?<br />

Was haben wir daraus gelernt? Welche Erfahrungen haben<br />

wir gesammelt? Wie nachhaltig war das Projekt? Wer<br />

h<strong>at</strong> davon profitiert? Wo endet Idealismus, wo beginnt<br />

Selbstausbeutung?<br />

Im Jänner 2010 kam endlich die ersehnte Förderung, auf<br />

die wir seit Jahren gewartet h<strong>at</strong>ten (und die wir eigentlich<br />

im April davor gebraucht hätten, um unser eingereichtes<br />

Programm umzusetzen). Im Februar 2010 kam der Räumungsbescheid.<br />

Kann sich der/die Leserin vorstellen,<br />

dass man unter solchen Umständen ein bisschen an<br />

den Rand des Wahnsinns gedrängt wird? Nun hieß es,<br />

schnell raus hier, sonst hätte die MA59 eine kostenpflichtige<br />

Räumung veranlasst. Der Zeitpunkt war optimistisch<br />

betrachtet gar nicht so schlecht, da gerade all die maroden<br />

Wasserrohre in diversen Räumen gefroren waren, und im<br />

Begriff waren, der Reihe nach zu pl<strong>at</strong>zen. Es war kalt, es<br />

war dreckig, durchs Dach und aus den Wänden kam das<br />

Eiswasser. Und es war niemand da, um zu helfen. Ganz<br />

ehrlich – wir h<strong>at</strong>ten genug davon. Wir wollten weg.<br />

Von vielen Seiten haben wir gehört „Warum besetzt ihr<br />

nicht?“, „Warum lasst ihr euch das gefallen?“, als der Räumungsbescheid<br />

kam. Aber wie? Zu zweit haben wir angefangen<br />

und zu zweit haben wir den Markt wieder geräumt.<br />

Besetzt selbst, ihr Säcke!<br />

Stefanie Sandhäugl<br />

Mag. Stefanie Sandhäugl studierte auf der Universiät für<br />

angewandte Kunst Kunstpädagogik, Medienübergreifende Bild-,<br />

Ton- und Raumgestaltung. office@mik22.<strong>at</strong><br />

Tauschbibliothek<br />

Projektleitung | Sylvia Fischer | Studierende MP<br />

Grundidee: Die Anzahl der entnommenen Bücher durch<br />

die gleiche Anzahl zu ersetzen. So sollte sich die Tauschbibliothek<br />

selbst erhalten. Wer jedoch kein Buch zum<br />

Tausch zur Verfügung h<strong>at</strong>, wirft € 2,– pro Buch in die bereitgestellte<br />

Kasse. Mit diesem Geld werden dann wieder<br />

Bücher angeschafft.<br />

Das Projekt wäre aber ohne die großzügigen Buchspenden<br />

folgender Buchhandlungen nicht möglich gewesen (in<br />

alphabetischer Reihenfolge genannt):<br />

Bücherzentrum: Wien 12, Meidlinger Hauptstraße 84<br />

Donauland: Wien 12, Niederhofstraße 37<br />

Kuppitsch Bücher: Wien 1, Schottengasse 4<br />

Lese Zeit: Wien 23, Breitenfurter Straße 358<br />

Riedl Bernhard: Wien 8, Alser Straße 39<br />

Ich möchte mich auf diesem Weg noch einmal ganz<br />

herzlich für die Buchspenden bedanken.


146 147<br />

1975 – 2000: Ein Vierteljahrhundert Häuserkampf in Wien<br />

Allgemein gilt die Arena-Besetzung des Auslandsschlachthofes<br />

von St. Marx (Wien 3, Döblerhofstraße 13) im „heißen<br />

Sommer 1976“ als Beginn der HausbesetzerInnenbewegung<br />

in Wien. Doch zur ersten Hausbesetzung in Wien<br />

kam es bereits im Februar 1975 in Simmering.<br />

Simmering<br />

Die erste für mich nachweisbare Hausbesetzung fand<br />

am 9. Februar 1975 in Simmering in einem zum Abbruch<br />

bestimmten Haus Simmeringer Hauptstraße Ecke Gottschalkgasse<br />

st<strong>at</strong>t. Ziel dieser Aktion, an der sich knapp<br />

100 Jugendliche beteiligten, war die Errichtung eines<br />

selbstverwalteten Jugendzentrums. Die Freizeitangebote<br />

waren für die etwa 3000 jungen SimmeringerInnen sehr<br />

trist, vor allem nachdem das städtische Jugendzentrum<br />

geschlossen worden war. Und so wollten die BesetzerInnen<br />

in dem seit Jahren leerstehenden Haus „eine Diskothek,<br />

die nicht auf Profit aus ist, ein Jugendcafé ohne Konsum<strong>at</strong>ionszwang<br />

und Räume für kulturelle und sportliche<br />

Veranstaltungen einrichten.“ Und sie begannen mit Aufräum-<br />

und Umbauarbeiten. Doch das Haus wurde nach<br />

einigen Wochen von der Polizei geräumt und abgerissen.<br />

Spittelberg<br />

Am Spittelberg, einem einst anrüchigen Vorstadtviertel<br />

aus dem Spätbarock, fand im Sommer 1975 die zweite<br />

Wiener Hausbesetzung st<strong>at</strong>t. Der Spittelberg war Anfang<br />

der 70er Jahre zu einem verfallenen Sanierungsgebiet geworden<br />

und es drohte eine spekul<strong>at</strong>ive Nobelsanierung.<br />

Dagegen richtete sich die Interessengemeinschaft (IG)<br />

Spittelberg, in der vor allem ArchitektInnen, Studierende<br />

und Kulturschaffende aktiv waren. Aus jener IG ging die<br />

Projektgruppe Amerlinghaus hervor, die sich besonders<br />

dieses vom Verfall bedrohten barocken Hauses annahm.<br />

Die Projektgruppe führte langwierige Verhandlungen mit<br />

der Gemeinde Wien über die Errichtung eines regionalen<br />

Kulturzentrums. Die Amerlinghaus-Engagierten schritten<br />

zur Selbsthilfe und am dritten Tag eines „4-Tage-Festes“<br />

kam es zu einer Besetzung, die zu einem „Modellbetrieb“<br />

führen sollte. Im Oktober 1975 begannen dann<br />

die Renovierungsarbeiten des Amerlinghauses, das am<br />

1. April 1978 als selbstverwaltetes, regionales Kulturzentrum<br />

eröffnet wurde.<br />

Arena<br />

Allgemein als Beginn der BesetzerInnen-Bewegung und<br />

der Altern<strong>at</strong>ivszene gilt die Besetzung des Auslandsschlachthofes<br />

von St. Marx. Diese Besetzung begann am<br />

27. Juni 1976 nach dem Anti-Schleifer-Fest auf dem Naschmarkt.<br />

Eine wesentliche Initialzündung ging von den Aktivitäten<br />

einer ArchitekturstudentInnen-Gruppe der Peichl-<br />

Klasse aus, die für den 26. Juni 1976 unter dem Slogan<br />

„Der Schlachthof darf nicht sterben“ zu einem Treffen auf<br />

dem Gelände aufgerufen h<strong>at</strong>ten. Das Ziel dieser bis zum


148 149<br />

9. Oktober dieses Jahres andauernden Besetzung war die<br />

Durchsetzung folgender vier Forderungen:<br />

• Kein Abbruch von St. Marx;<br />

• Errichtung eines Kultur- und Kommunik<strong>at</strong>ions-<br />

zentrums während des ganzen Jahres;<br />

• Selbstverwaltung: alle, die mittun, bestimmen<br />

gemeinsam, was in der ARENA geschieht und<br />

• Bezahlung der Betriebskosten durch die<br />

Gemeinde Wien.<br />

In der Nacht vom 9. auf den 10. Oktober 1976 zogen die<br />

durch Kälte, Unnachgiebigkeit der Gemeinde Wien und<br />

interne Probleme demoralisierten BesetzerInnen nach<br />

teilweise glorreichen 15 Wochen des Zusammenlebens<br />

und einer neuen altern<strong>at</strong>iven Kultur aus dem Arena-<br />

Gelände aus. Wenige Tage später wurde der architektonisch<br />

sehr bemerkenswerte Auslandsschlachthof St.<br />

Marx − er war eine äußerst reizvolle kleine Stadt in der<br />

Stadt − von den Baggern zerstört. Doch gerade durch<br />

diese T<strong>at</strong>sache wurde die Arena zu einem Mythos der<br />

Altern<strong>at</strong>ivszene.<br />

Noch im Jahr 1976 bildete sich aus ehemaligen Arena-<br />

BesetzerInnen eine Personeniniti<strong>at</strong>ive (der Autor dieses<br />

Beitrags war ihr Sprecher), die Verhandlungen mit der<br />

Gemeinde Wien über das immer noch zur Disposition<br />

stehende Altern<strong>at</strong>ivangebot Inlandsschlachthof aufnahm.<br />

Nach langen mühsamen Verhandlungen und manchen<br />

Magistr<strong>at</strong>swiderständen, kam es − vor allem durch die<br />

Unterstützung von Gertrude Fröhlich-Sandner, der damaligen<br />

Kultur- und Jugendstadträtin − zu einer Schlüsselübergabe<br />

für den Inlandsschlachthof als nunmehrige, bis<br />

heute bestehende Arena.<br />

Exkurs: Zwei kultursoziologische Stränge der<br />

HausbesetzerInnen<br />

Gehe ich von den ersten drei Hausbesetzungen in Wien<br />

aus, so lassen sich von ihren TrägerInnen her folgende<br />

zwei Stränge, die sich bei einigen Besetzungen wie<br />

z. B. bei der Arena ´76 immer wieder überlagert haben,<br />

nachzeichnen:<br />

a Die erste Hausbesetzung in Simmering im Februar<br />

1975 wurde weitgehend von Jugendlichen, jungen ArbeiterInnen<br />

und Arbeitslosen aus der näheren Umgebung<br />

getragen. Beteiligt an dieser Aktion waren aber auch einige<br />

AktivistInnen der FÖJ (Freie Österreichische Jugend).<br />

b Die zweite Hausbesetzung am Spittelberg im Sommer<br />

1975 ging vor allem von ArchitektInnen, StudentInnen,<br />

sowie von KünstlerInnen und auch AnrainerInnen aus.<br />

Beteiligt waren aber auch wieder AktivistInnen aus der<br />

linken Szene. Ziel der ersten beiden Besetzungen war<br />

die Errichtung eines selbstverwalteten, das heißt, nicht<br />

von der Gemeinde Wien, der Kirche, der Gewerkschaft<br />

oder einer Partei verwalteten Jugend- und Kulturzentrums.<br />

Es ging nicht um Beseitigung von Wohnungsnot.<br />

Auch bei der Arena-Besetzung ging es um die Errichtung<br />

eines Kultur- und Jugendzentrums, doch spielte hier die<br />

Wohnraumbeschaffung für Obdachlose und jugendliche<br />

Randgruppen schon eine Rolle. Die Besetzung von<br />

St. Marx, die sicher auch im europäischen Maßstab ein<br />

Großereignis der Szene war, wurde zunächst von studentisch-künstlerisch-politischen<br />

Gruppierungen − mit einem<br />

stärkeren KPÖlerInnen, FÖJ-lerInnen, Sponti- und MaoistInnen-Anteil<br />

und einigen ExponentInnen der SPÖ-Linken<br />

(z. B. Caspar Einem) − getragen. Doch schon in der ersten<br />

Nacht kamen zahlreiche Jugendliche aus Simmering und<br />

Favoriten hinzu. Und so war es hier zu einer fruchtbaren,<br />

wenn auch von manchen Konflikten („Wickeln”) begleite-<br />

ten Durchdringung der beiden kultursoziologischen HausbesetzerInnengruppierungen<br />

gekommen.<br />

Phorushalle<br />

Eine kurzzeitige Besetzung ereignete sich am 20./21. Oktober<br />

1979 in der Phorushalle (ehemaliger Blumenmarkt)<br />

im 5. Bezirk. Im Plenum der Burggarten-Bewegung, das<br />

nun regelmäßig im Amerlinghaus st<strong>at</strong>tfand, war die Forderung<br />

nach einem autonomen Kulturzentrum (dann<br />

GasserGasse-Bewegung) aufgekommen. Als im Oktober<br />

Pro Wien (ÖVP) in der Phorushalle einen „Ideenmarkt”<br />

veranstaltete, kam es zu einer Besetzung, die aber schon<br />

am nächsten Tag durch einen brutalen Polizeieins<strong>at</strong>z ein<br />

Ende fand.<br />

Der 2. Strang der Wiener HausbesetzerInnenszene:<br />

Gegen Spekulantentum und Wohnungsnot<br />

Der Häuserkampf gegen Spekulantentum und Wohnungsnot<br />

begann in Wien im Frühjahr 1981. Ihren Ursprung<br />

h<strong>at</strong>ten diese Initi<strong>at</strong>iven weitgehend in der Burggarten-Bewegung.<br />

Ab dem Frühjahr 1979 begann auch<br />

in Wien ein Kampf um „Rasenfreiheit”. Daraus entstand<br />

eine Initi<strong>at</strong>ive, die für das Aufkommen einer aufmüpfigen,<br />

oppositionellen Jugendszene von großer Bedeutung war.<br />

Diese Bewegung ging bald über das Konfliktobjekt „Rasen“<br />

hinaus und richtete sich gegen Reglementierungen<br />

durch Stadtverwaltung und Polizei. Ein wichtiges Ereignis<br />

in diesem Zusammenhang war die Demonstr<strong>at</strong>ion am 1.<br />

März 1981, bekannt als „Demo der Unzufriedenen”, später<br />

auch „Scherbendemo” genannt. Ab Anfang des Jahres<br />

1981 waren im Kreis der AktivistInnen für Rasenfreiheit<br />

auch zahlreiche weitergehende Forderungen aufgetaucht.<br />

Beispielsweise in einem Flugbl<strong>at</strong>t zur Demonstr<strong>at</strong>ion am<br />

1. März 1981 stand: „Weg mit der Hausmeisterei, Lehrern<br />

und allen anderen Folterknechten, Legalisierung von Haschisch,<br />

Nulltarif für alle öffentlichen Verkehrsmittel, sofortige<br />

Enteignung aller Spekulanten und Tolerierung der<br />

Homosexualität.“ Und es kamen auch Pläne für − gegen<br />

Obdachlosigkeit und Spekulantentum gerichtete − Hausbesetzungen<br />

auf. Ziel dieser Absicht waren vor allem zwei<br />

leer stehende Häuser, Spekul<strong>at</strong>ionsobjekte des Bauunternehmers<br />

Kallinger am Judenpl<strong>at</strong>z. Um diese Hausbesetzung<br />

realisieren zu können, war von den AktivistInnen für<br />

den 1. März 1981 eine Demonstr<strong>at</strong>ion organisiert worden,<br />

an der etwa 600 Personen teilgenommen h<strong>at</strong>ten. Eine<br />

berühmt-berüchtigte Parole dieser Demo war „Frei sein,<br />

high sein, Terror muss dabei sein”.<br />

Die erste vollzogene Hausbesetzung in Sachen Wohnungsnot<br />

ereignete sich dann am 1. Mai 1981 in einem<br />

Haus in der Windmühlgasse 24 in Mariahilf. Am Vormittag<br />

drangen zunächst etwa 15 AktivistInnen in das der<br />

Firma Ilbau gehörende Abbruchhaus ein und begannen<br />

demonstr<strong>at</strong>iv mit einer Instandbesetzung, das heißt mit<br />

Sanierungsarbeiten. Im Laufe des Tages versammelten<br />

sich etwa 300 Symp<strong>at</strong>hisantInnen vor dem „instandbesetzten“<br />

Haus. Am späten Abend wurde die Straße geräumt<br />

und das Haus von der Polizei gestürmt. 36 Personen<br />

wurden verhaftet.<br />

Mit dem Slogan „Eins, zwei, drei – macht die Häuser<br />

frei” demonstrierten am 9. Mai 1981 mehrere hundert<br />

Jugendliche für die HausbesetzerInnen, gegen das<br />

Spekulantentum und gegen die Kriminalisierung der Instandbesetzungen.<br />

Ein weiterer Slogan dieser Solidaritätsdemonstr<strong>at</strong>ion<br />

war „Lieber Instandbesetzen als Kaputtbesitzen”.<br />

Ziel dieser Demonstr<strong>at</strong>ion wie auch schon<br />

der Instandbesetzung am 1. Mai 1981 war es, auf die<br />

spezifische Situ<strong>at</strong>ion der Wohnungsnot in Wien (bis zu,<br />

zumindest zeitweise, 90.000 leer stehende Wohnungen


150 151<br />

bei einer in etwa gleichen Zahl an Wohnungssuchenden)<br />

hinzuweisen. Bei dieser Demonstr<strong>at</strong>ion gab es auch ein<br />

Transparent: „Die Sozialdemokr<strong>at</strong>ie ist eine Arschpartie.<br />

Vive l’Anarchie!”.<br />

Weitere St<strong>at</strong>ion des Häuserkampfes in Wien war eine<br />

Besetzung des der Gemeinde Wien gehörenden Hauses<br />

Gutenberggasse 14 am 23. Mai 1981. An diesem Tag fanden<br />

in Mariahilf, Neubau und vor allem in der Josefstadt<br />

auch eine Reihe von Scheinbesetzungen st<strong>at</strong>t, um auf<br />

die Abbruchsanierung durch die Gemeinde aufmerksam<br />

zu machen bzw. um die Polizei zu narren. Am 17. Oktober<br />

kam es dann zur bisher größten Hausbesetzerdemo.<br />

Unter dem Motto „Keine Schonzeit für Hausbesitzer“<br />

demonstrierten rund 2000 Leute gegen Wohnungsnot<br />

und Spekulantentum.<br />

Am 8. Mai 1982 kam es in der Taborstraße 23 zu einer<br />

von Frauen getragenen Besetzung mit dem Ziel, ein Haus<br />

für haftentlassene Frauen zu erringen. Doch auch diese<br />

Aktion im GESIBA-Haus blieb ohne Erfolg.<br />

Und schon im Februar 1981 war es in Wien im Kampf um<br />

ein vom Abbruch bedrohtes Haus zu einer Fraueniniti<strong>at</strong>ive<br />

gekommen. Das Alt-Wiener Stundenhotel Weinstock<br />

war Ausgangspunkt des Konfliktes. Ende 1980 war dieses<br />

Biedermeierhaus von der Gemeinde Wien erworben<br />

worden und sollte abgerissen werden. Dagegen wehrte<br />

sich eine Gruppe von Prostituierten. Sie legte ein Konzept<br />

vor, nach dem das Weinstock in Selbstverwaltung weitergeführt<br />

werden sollte. Autonome Frauen unterstützten<br />

die Weinstock-Aktivistinnen und wollten dort ein Frauenzentrum<br />

mit einer Servicestelle für Prostituierte errichten.<br />

Doch alle Pläne und Initi<strong>at</strong>iven waren vergeblich, das<br />

Haus wurde abgerissen.<br />

Weitere Hausbesetzungen gab es bis in das Jahr 1984,<br />

so im Mai dieses Jahres im 7. Bezirk, Westbahnstraße 44,<br />

durch eine Gruppe von elf Jugendlichen, die dann die<br />

Broschüre zum Häuserkampf „Harte Realitäten“ herausgaben.<br />

In dieser Broschüre schildert die Gruppe auch ihre<br />

sonstigen Versuche, an Wohnungen zu kommen. Dabei<br />

pendelten sie mit ihren Aktivitäten zwischen Eingaben<br />

an die Gemeinde, unangemeldeten „Besuchen“ im Büro<br />

der Stadträtin Gertrude Fröhlich-Sandner und ihrem Suchen<br />

auf dem so genannten „freien Markt“.<br />

Am 22. September 1984 − es war der Tag der offenen Tür<br />

im R<strong>at</strong>haus − kam es in einem Haus in der Tigergasse<br />

20 durch die Westbahnstraßen-Gruppe wieder zu einer<br />

Besetzung. Die Gruppe verbarrikadierte sich in dem der<br />

Gemeinde Wien gehörenden Haus, zog aber am Abend<br />

nach Verhandlungen „freiwillig“ aus.<br />

Zu einer Spätauflage von Hausbesetzungen durch Obdachlose<br />

kam es dann noch Ende März 1988 in der Leo-<br />

poldstadt, Im Werd 19. In dem ehemaligen Kinderheim<br />

war eine Notschlafstelle eingerichtet worden. Diese sollte<br />

bis zum 31. März 1988 geräumt sein, damit das Haus dem<br />

Behindertenbetreuungsverein Jugend am Werk übergeben<br />

werden konnte. Doch eine Gruppe von Obdachlosen<br />

hielt das Haus sechs Tage besetzt, ehe sie dann, nachdem<br />

man ihnen Ausweichmöglichkeiten versprochen h<strong>at</strong>te,<br />

abzogen.<br />

In dem Resümee „was wir können – was wir wollen”<br />

betonen die AutorInnen der Häuserkampf-Broschüre,<br />

dass es ihnen nicht nur um das Wohnen gehe, sondern<br />

dass sie auch auf kulturelle und politische Aktivitäten setzen<br />

(mit Beisl, Buchladen, Infostelle für Wohnungskampf<br />

u. a.). Auch wird erklärt: „für uns ist es ganz wichtig,<br />

nicht nur im häuserkampf aktiv zu sein, sondern den<br />

sta<strong>at</strong> überall dort anzugreifen, wo er den menschen<br />

das denken abnimmt und wo er versucht den menschen<br />

zu unterdrücken.“ Ihr Häuserkampf sollte auch<br />

ein Agieren gegen Wohnungswucher und Spekul<strong>at</strong>ion<br />

sein und vor allem durchsetzen, dass Wohnraum keine<br />

Ware sei. Weitergeführt wurden diese Ideen dann in der<br />

GaGa und in der Aegidi/Spalo.<br />

„Wie ein unterirdischer Strom der Rebellion”<br />

Die Burggarten- und die HausbesetzerInnen-Bewegung,<br />

die sich personell und auch in ihren inhaltlichen Forderungen<br />

oft überschnitten h<strong>at</strong>ten, brachten in Wien Anfang<br />

der 80er Jahre eine jugendoppositionelle Szene hervor,<br />

die teilweise als eine Szene der Autonomen anzusehen<br />

war und wesentlich über den Bereich der Ex-ArenautInnen<br />

und der in herkömmlichen Linksgruppierungen organisierten<br />

AktivistInnen hinausging. „Wie ein unterirdischer<br />

Strom der Rebellion” h<strong>at</strong>te ich 1983 einen Beitrag<br />

über die Szene im Kulturjahrbuch 2 betitelt. Nachzeichnen<br />

lässt sich aber auch eine breite, brutale C<strong>at</strong>erpillar-Spur,<br />

die sich von der Demolierung des besetzten Hauses in<br />

Simmering im Frühjahr 1975 über den Abbruch des Auslandsschlachthofes<br />

von St.Marx im Oktober 1976 und<br />

dem Räumen und Schleifen der GaGa Ende Juni 1983<br />

bis zu dem äußerst brutalen Polizei- und Schubraupen-<br />

Eins<strong>at</strong>z bei den beiden Gumpendorfer Häusern Aegidi-/<br />

Spalowskygasse im August 1988 zieht.<br />

Neben diesem Häuserkampf durch Besetzungen gibt es<br />

auch Beispiele dafür, dass begehrte Objekte (so z. B. die<br />

Nachfolge-Arena im Inlandsschlachthof oder das WUK)<br />

nach langen, oft mühsamen Verhandlungen von der Gemeinde<br />

Wien übergeben wurden. Mit Recht schreibt<br />

beispielsweise das Netzwerk hierzu: „Die sozialdemokr<strong>at</strong>ische<br />

Gemeindepolitik entsprach dem Zuckerbrot-<br />

Peitsche-Prinzip: mal wurden einzelne Gruppen (auch<br />

finanziell) gefördert, dann gab’s wieder Polizeiterror, bzw.<br />

kein Geld.“<br />

Mit dem Ringen um das autonome Kulturzentrum GasserGasse<br />

(1050 Wien) kommen wir zu einer Form des<br />

Häuserkampfes, bei dem nicht die Besetzung im Mittelpunkt<br />

der Aktion steht. Die Mittel der Auseinandersetzung<br />

sind Demonstr<strong>at</strong>ionen, Info-Tische, Flugzettel-<br />

Aktionen, Sitzstreiks, Medienarbeit, Interventionen,<br />

Verhandlungen und vieles andere. Auf diesem Wege<br />

wurde auch die GaGa in einem stillgelegten Areal der<br />

Wiener Öffentlichen Küchen (WÖK) in der Gassergasse<br />

in Margareten errungen. Träger dieses Häuserkampfes<br />

war eine Gruppierung, die im Wesentlichen aus der Burggarten-Bewegung<br />

hervorgegangen war.<br />

Ein Motiv für die Stadtverwaltung, der Szene die ehemalige<br />

WÖK nach zunächst langem Tauziehen dann zügig<br />

zu überlassen, war die Sorge, die um 1980 in ganz<br />

Europa vehement ausbrechenden Jugendrevolten − die<br />

sogenannten „Zürcher Verhältnisse“ − könnten auch stärker<br />

auf Wien übergreifen. Vor allem die Demonstr<strong>at</strong>ion<br />

vom 1. März 1981 h<strong>at</strong>te der Gemeindeverwaltung bzw.<br />

der Wiener SPÖ einen Schrecken versetzt und so kam es<br />

dann rasch zu einer Schlüsselübergabe an den Trägerverein<br />

(Verein zur Schaffung, Förderung und Unterstützung<br />

selbstverwalteter Kultur- und Kommunik<strong>at</strong>ionszentren).<br />

Das selbstverwaltete Kulturzentrum GasserGasse<br />

(GaGa)<br />

Über den Beginn der GaGa wurde in einem internen<br />

Papier geschrieben: „Die ersten Arbeitsgruppen (rund<br />

15) werden vom Plenum beschlossen, u. a. Kunstwerkstätten,<br />

Fahrradverleih, Info, Bibliothek, Stadtwerkst<strong>at</strong>t,<br />

Schule, Kinderladen, Video und Foto, Druckerei, Zivildienst,<br />

Rechtsber<strong>at</strong>ung, Beisl.“ In der GaGa tr<strong>at</strong> in Wien<br />

auch zum ersten Mal eine größere Gruppe von Punks in<br />

Erscheinung.


152 153<br />

Eröffnet wurde das Autonome Kulturzentrum GasserGasse<br />

am 1. Mai 1981 mit einem dreitägigen Fest, bei dem<br />

sogar eine Polizeimusikkapelle aufspielte. Eine polizeiliche<br />

Erstürmung des Areals in der Nacht vom 26. auf den<br />

27. Juni 1983 brachte das Ende der GaGa. Es h<strong>at</strong>te von<br />

Anfang an Anrainer-Proteste gegeben, die vor allem von<br />

der ÖVP aufgegriffen wurden. Durch die Demolierung<br />

des Hauses in der Gassergasse wurde eine Reihe von<br />

Jugendlichen obdachlos. Einige zogen in ein Abbruchhaus<br />

in der Corneliusgasse, andere wichen ins WUK aus, wobei<br />

das Auftauchen der Punks in diesem „Modellprojekt<br />

Wiener Altern<strong>at</strong>ivkultur” zu zahlreichen Konflikten führte.<br />

Dieses eher mittelständische, im 9. Bezirk (Währinger<br />

Straße 59) gelegene Kultur- und Werkstättenhaus (WUK)<br />

im ehemaligen Technischen Gewerbemuseum (TGM) war<br />

im Sommer 1981 nach einer so genannten „gewaltfreien<br />

Besetzung“ (d. h. mit der Gemeinde Wien abgestimmten<br />

Besetzung) eröffnet worden.<br />

Aegidi/Spalo im 6. Bezirk<br />

Mit der Räumung der GasserGasse im Juni 1983 begann<br />

wieder der Kampf um ein autonomes Jugendhaus. Im<br />

Herbst des Jahres erhielt schließlich eine Gruppe von Punks,<br />

späten Hippie-Nachfahren, Autonomen, feministisch engagierten<br />

Frauen und anderen neben dem seit 1981 bestehenden<br />

Haus in der Spalowskigasse 3 (Wien 6) das ebenfalls sanierungsbedürftige<br />

Anschlusshaus Ecke Aegidigasse 13. Die<br />

verbindende Idee für beide Häuser war, als Gegenentwurf<br />

zur bestehenden Ordnung eine Einheit von Leben, Wohnen,<br />

Arbeiten und Kultur zu schaffen.<br />

Betrieben wurden die beiden Häuser, in denen sich neben<br />

den Kulturräumen und Werkstätten 42 Wohnungen befanden<br />

und etwas über 100 Personen lebten, von einem Verein<br />

für Gegenkultur. Groß waren − neben internen Span-<br />

nungen − die von außen kommenden Probleme. Da waren<br />

einerseits die anhaltenden Attacken von Rechtsradikalen<br />

auf die beiden Häuser, was dazu führte, dass die Aegidi/<br />

Spalos sich immer mehr einbunkerten. Andererseits kam<br />

auch eine heftige Ablehnung von der Wohnumgebung, der<br />

Bezirksvertretung (außer den Grünen) und vor allem durch<br />

den ÖVP-Bezirksvorsteher Pint.<br />

Am 11. und 12. August 1988 wurden in einer äußerst brutalen<br />

Polizei-Aktion − am 12. gab es eine richtige „Bullenprügelstraße“<br />

− die beiden Häuser geräumt. Wieder war eine<br />

größere Zahl von Jugendlichen obdachlos, wieder begann<br />

das Ritual des Wiener Häuserkampfes: Demonstr<strong>at</strong>ionen,<br />

Flugblätter, Pressekonferenzen, Besetzungen, Verhandlungen<br />

und andere fantasievolle Aktivitäten.<br />

Am 15. Oktober 1988 zog ein Teil der Aegidi/Spalos in die<br />

Räume des WUK, etwa 60 Punks blieben über den Winter<br />

im Kultur- und Werkstättenhaus und es kam zu zahlreichen<br />

Konflikten zwischen dem eher mittelständisch-bürgerlichen<br />

und dem proletarisch-subkulturellen Strang der Wiener<br />

Szene. Doch trotz dieser WUK-Besetzung blieb die Hausgemeinschaft<br />

Aegidi/Spalo insgesamt ohne Obdach. Am<br />

15. September 1989 kam es wiederum zu einer Demonstr<strong>at</strong>ion:<br />

„400 Tage seit der Aegidigasse. Täglicher Polizeiterror.<br />

Horrende Ablösen und Zinswucher; Stadtsanierung,<br />

leere Wohnungen und Wohnungsnot. Delogiert wird überall.<br />

Arm sind viele, auf der Straße sitzt man schnell.“ Und<br />

trotz all der Rückschläge, gescheiterten Hausbesetzungen<br />

und ergebnislosen Verhandlungen blieb die Hausgemeinschaft<br />

− Erich Dimitz, Rainer Klein und der Autor gehörten<br />

schon längere Zeit ihrem „Siebener-R<strong>at</strong>“ an − sehr initi<strong>at</strong>iv.<br />

Das Ernst Kirchweger-Haus (EKH)<br />

Am 23. Juni 1990 kam es wiederum zu einer sehr folgenreichen,<br />

das heißt auch erfolgreichen, Besetzung. An die-<br />

sem 23., dem Tag der Wiener Landeskonferenz der KPÖ,<br />

drangen die Aegidi/Spalos und TürkInnen, KurdInnen, Asylsuchende<br />

in die Wielandschule ( 1100 Wien, Wielandgasse<br />

2 – 4 ) ein. In ihrem ersten Flugbl<strong>at</strong>t zur Hausbesetzung<br />

stand: „Das Haus, das in den 20er Jahren als Schule der<br />

tschechischen Arbeitervereine erbaut wurde, ist seit 1945<br />

im Besitz der KPÖ. Bisher wurde das Haus sporadisch als<br />

Pennpl<strong>at</strong>z benützt und ist nun nichts anderes als ein Spekul<strong>at</strong>ionsobjekt.<br />

Während sich die KPÖ politisch gegen<br />

Wohnungsnot, Ausländerfeindlichkeit und Spekulantentum<br />

ausspricht, besitzt sie mehrere großteils ungenutzte<br />

Objekte. Darum haben wir dieses Haus besetzt und wollen<br />

es mit neuem Leben füllen: Als intern<strong>at</strong>ionalistisches,<br />

antifaschistisches Zentrum: Ernst-Kirchweger-Haus (Ernst<br />

Kirchweger wurde auf einer Antifa-Demo Anfang der 60er<br />

Jahre von Nazis erschlagen).“<br />

Zunächst kam es zu großen Spannungen zwischen den<br />

BesetzerInnen und der KPÖ bzw. zu wenig befriedigenden<br />

Verhandlungen. Durch Vermittlung der KPÖ-nahen Elfriede<br />

Jelinek, Michael Scharang und Peter Turrini entschärfte<br />

sich die Situ<strong>at</strong>ion. Es kam wegen der Nutzung eines Teiles<br />

der Räume zu einem Kompromiss und schließlich wurde<br />

im März 1991 ein Mietvertrag mit dem Verein für Gegenkultur<br />

abgeschlossen. Doch auch in den kommenden<br />

Jahren gab es immer wieder Konflikte um die Nutzung<br />

der in dem Mietvertrag nicht vorgesehenen Räume, bis<br />

schließlich das ganze Haus in die Nutzung der einstigen<br />

BesetzerInnen überging. Eine entnervte und nach dem<br />

Fall des Eisernen Vorhangs von Geldsorgen geplagte KPÖ<br />

verkaufte im Herbst 2004 das Haus in der Wielandgasse<br />

2 – 4 an eine Security-Firma des mit der Neonaziszene in<br />

Verbindung stehenden Christian Machowetz. Eine konfliktreiche<br />

Zeit brach an. Um eine Eskal<strong>at</strong>ion um das EKH<br />

zu vermeiden, nahm der Fonds Soziales Wien Kontakt<br />

mit den EKHlerInnen auf. Mittels einer Tochterfirma der<br />

gemeindenahen Baugesellschaft PORR wurde die ehemalige<br />

Wielandschule von Machowetz − für diesen sehr<br />

gewinnträchtig − zurückgekauft, um das EKH weiterzuführen.<br />

Nach langen, aber dank des FSW-Chefs Peter Hacker<br />

reellen Verhandlungen erhielten die im EKH aktiven<br />

Gruppen, wie der Verein für Gegenkultur, die Föder<strong>at</strong>ion<br />

der Arbeiter und Jugendlichen aus der Türkei in Österreich<br />

(ATIGIF), und andere unbefristete Mietverträge. So wurde<br />

eine fast zwei Jahrzehnte andauernde, konfliktreiche Besetzung<br />

erfolgreich beendet.<br />

Die 1990erJahre<br />

1990 kam es zur Schließung und Räumung des zu Beginn<br />

des Jahres 1980 in Margareten, Margaretenstraße 99, von<br />

Mitgliedern des Forum Altern<strong>at</strong>iv gegründeten Rotstilzchen<br />

(zunächst Szene-Treff Treibhaus). Die weiteren 90er<br />

Jahre waren dann arm an Besetzungen. Nur am 20. Mai<br />

1998 kam es zur Erringung eines LINK.*-FrauenRaum im<br />

Rondell, zu einer modifizierten, mit dem Mieter irgendwie<br />

abgestimmten und von der Polizei zunächst tolerierten,<br />

Besetzung. Nach einiger Zeit räumten die LINK.*-Frauen<br />

das ehemalige Rondell-Porno-Kino, setzten ihre Aktivitäten<br />

aber variantenreich fort. Im Sommer 1999 ging die<br />

Meldung durch die Medien, dass die LINK.*-Frauen das<br />

Kosmos-Kino für ihren „Frauenraum” erhalten würden,<br />

was dann auch geschah und bis heute wird der Kosmos<br />

FrauenRaum mit Erfolg geführt.<br />

Doch insgesamt ist der Häuserkampf in den 1990er Jahren<br />

in Wien stark zurückgegangen. Erst im Sommer 2004<br />

zeigten sich mit der Gruppe Freiraum (zunächst im Universitätscampus<br />

um den Narrenturm) BesetzerInnenaktivitäten.<br />

Gegen Ende des 1. Jahrzehnts im 21. Jahrhundert<br />

agierten die HausbesetzerInnen als Gruppe ‚Hausprojekt‘,


154<br />

wobei diese lose, informelle Gruppierung sich nicht nur<br />

auf Besetzungen konzentriert, sondern ihre Projekte in<br />

den verschiedensten Formen realisiert.<br />

Nachbemerkung: Besetzung der Wiener Kunstschule<br />

Ende der 1980er Jahre gab es an der Wiener Kunstschule<br />

eine sehr aktive SchülerInnen-Vertretung. Diese organisierte<br />

auch zwei, drei Besetzungen des Gebäudes in der<br />

Lazarettgasse. Auch organisierte sie einen unangemeldeten<br />

Besuch bei der damaligen Vizebürgermeisterin und<br />

Bildungsstadträtin Ingrid Smejkal. Ziel dieser Aktivitäten<br />

war eine dringend notwendig gewordene Reform der<br />

Kunstschule, an deren Spitze ein ehemaliger Panzer-Brigadier<br />

stand, der auch so wie ein Panzer-Brigadier war. Eine<br />

der Besetzungen galt auch der Forderung, dass der Autor<br />

dieses Beitrages, der damals an der Kunstschule Kunstgeschichte<br />

unterrichtete, (Reform-)Direktor der Schule werden<br />

sollte. Die Reaktion der Kunstschule auf diese Aktion<br />

war, dass ich, sowie acht LehrerInnen aus dem Bereich<br />

Keramik und Grafik, die sich mit mir solidarisierten, von der<br />

Schule flogen und ich für Jahre Hausverbot erhielt.<br />

Dieter Schrage<br />

Dr. Dieter Schrage war ehemals Kur<strong>at</strong>or des Museums moderner<br />

Kunst in Wien, Kulturwissenschaftler, arbeitet wissenschaftlich im<br />

Bereich der Gegen- und Subkultur. Er ist ein libertärsozialistischer,<br />

unbeugsamer Bildungsbürger.


158 159<br />

Jürgen Korntheuer<br />

besteckt<br />

Verpackung für Besteck, genäht und gestickt<br />

Laura Egger-Karlegger<br />

Im Spiel<br />

Kaltnadel auf Kupferpl<strong>at</strong>te, Größe ca. 7 × 7 cm<br />

Eine Kupferpl<strong>at</strong>te h<strong>at</strong> 14 verschiedene Zustände erreicht.<br />

Sie zeigt ein Gesicht, das nach und nach von Linien verdeckt<br />

wird. Im Spiel ist alles möglich. In der Realität<br />

nicht. In der Wirklichkeit muss man Kompromisse schließen.<br />

Manchmal muss man Dinge verstecken oder überdecken,<br />

die man nicht zeigen möchte oder nicht zeigen<br />

kann. Man muss sich entscheiden und wissen, was man<br />

will. Aber im Spiel ist alles möglich.<br />

Die Drucke, pro Zustand drei, dienen als Grundlage für<br />

einen Anim<strong>at</strong>ionsfilm.


160 161<br />

Christine Blaha<br />

Begegnung Naschmarkt<br />

Acryl auf Leinwand 70 x 100 cm<br />

P<strong>at</strong>rick Guth<br />

Big Honey<br />

Tusche auf Papier


162 163<br />

Nora Bischof<br />

Von Angesicht zu Angesicht<br />

Fotografie 36 x 120 cm<br />

Stefanie Hempel<br />

dürfen – sollen – wollen<br />

Fotoserie<br />

Eine Frau darf so vieles leisten und sein: belastbar, schön, sexy, raffiniert, geheimnisvoll, Heilige, Mutter, Kind, Spielzeug<br />

… In inszenierten Fotografien von so genanntem Kinderspielzeug wird der Versuch der Subversion kultureller<br />

Geschlechtszuschreibungen durch Überaffirm<strong>at</strong>ion unternommen.


164 165<br />

Caroline Taschler<br />

Willis<br />

Tusche / Marker auf Papier<br />

Sylvia Fischer<br />

Begegnung von drei Farben<br />

Acryl auf Leinwand, 80 × 120 cm<br />

syfi@gmx.<strong>at</strong><br />

Eine Bandbreite an Gefühlen – vom extremen Schmerz<br />

bis zum größten Glücksgefühl – binnen ganz kurzer Zeit.


166 167<br />

Benedikt Skorpik<br />

Hedy Lamaar<br />

Poster: Transparentpapier 80 g, Postkarte: Postkartenkarton 400 g<br />

hello@thisisme.<strong>at</strong><br />

Poster und Rubbel-Postkarten für eine fiktive Ausstellung<br />

zum Thema Hedy Lamaar, Schauspielerin und Erfinderin.<br />

Jean Cueto<br />

100 Kids – Als wir uns im Wald verliefen<br />

Copic-Marker, Tusche auf Papier, 42 × 29,7 cm<br />

jean.cueto@yahoo.com<br />

Eine Serie von neun Illustr<strong>at</strong>ionen. 100 Kinder verlaufen sich im Walde.<br />

Während ihres Abenteuers lernen sie viele interessante Bäume kennen.


168 169<br />

Karolina Preuschl<br />

Beharrung<br />

Radierungen zum Thema „Haare“, 12 × 12 cm, 21 × 29 cm<br />

Fünf Kinder. Vier Söhne. Eine Tochter. Das Jüngste. Haare.<br />

Die Gutmütigkeit, die Fürsorge, die Pflege, das Aufziehen, das Flechten, das Geflecht vieler Gefühlsfäden verknotet<br />

und verwirrt durch Kommunik<strong>at</strong>ionslöcher in einem Netz. Aufgespannt und angespannt hängt es zwischen mir und<br />

meiner Mutter. Die Beschäftigung mit meiner Haarpracht, die Zucht, die Auseinandersetzung, ein Prozess und gleichzeitig<br />

eine Gewohnheit, führte zur langsam anwachsenden Verwandlung eines Steines zu einem Felsen, der auf mir<br />

lastete, unter dem ich nicht mehr glaubte, hervor krabbeln zu können. Man könnte schon sagen, ich entwickelte Kiemen<br />

aus Angst enttäuscht zu werden. Durch die Erkenntnis, um welche Absurdität es sich handelt und durch die Befürchtung,<br />

eine Assel zu bleiben, kam ich zu dem Entschluss, die eigentliche Banalität nicht aus den Augen zu verlieren,<br />

sondern auf ihr zu beharren.<br />

Nurdane Türkmen<br />

Ilkili cekim<br />

Video


170 171<br />

Madlen Lop<strong>at</strong>ka<br />

Ohne Titel<br />

Bronzeguss<br />

Die Künstlerin h<strong>at</strong> sich mit Bewegung, Dynamik<br />

und Kommunik<strong>at</strong>ion auseinander gesetzt.<br />

Ziel war es, diese Themen in einfacher Form<br />

auszudrücken. Aus dieser Arbeit wurden am<br />

Ende fünf extrem reduzierte, menschliche Darstellungen,<br />

die in Bronze gegossen wurden.<br />

Haruka Nishijima<br />

Manga<br />

Tusche auf Papier


172 173<br />

Lisa Rindberger<br />

Konkrete, visuelle Poesie<br />

CD Verpackung<br />

Inspiriert vom berühmten dadaistischen Gedicht „An Anna Blume“ von Kurt Schwitters, begann ich ein CD-Cover zu<br />

gestalten, das sich vom Stil her sehr an den Arbeiten von Kurt Schwitters orientiert. Das Cover besteht aus einer<br />

Collage aus verschiedenen Papieren. Besonders fasziniert h<strong>at</strong> mich die im Gedicht wiederholt vorkommende Text-<br />

zeile: „Du, Deiner, Dich Dir, ich Dir, Du mir, – wir?“<br />

Das gesamte Design ist in den Farben Blau, Rot, Grün und Gelb gehalten, da diese Farben im Gedicht vorkommen.<br />

Ich habe versucht, meine intensive Auseinandersetzung mit der Arbeitstechnik von Kurt Schwitters und meine Interpret<strong>at</strong>ion<br />

seiner Werke in der Gestaltung zu visualisieren.<br />

Andrea Freissler<br />

Begegnung durch Bewegung<br />

Öl auf Leinwand, 100 × 120 cm<br />

www.momentaufnahmen.<strong>at</strong><br />

Begegnung Bewegung


174 175<br />

Sonja Stojanovic<br />

Ohne Titel<br />

Zinkpl<strong>at</strong>te mit Schleifmaschine bearbeitet, Rand unregelmäßig, auf Büttenpapier, ca. 70 × 50 cm<br />

K<strong>at</strong>rin Albrecht<br />

Hocker<br />

Fotocollage


176 177<br />

Mark Reiter<br />

ohne Titel<br />

Tusche auf Papier<br />

Karoline Koegl<br />

Gespiegelte Welten<br />

Collage, 90 × 110 cm<br />

karolinekoegl@gmail.com, www.karolinekoegl.com<br />

Diese Collage bringt meine Gedanken über das Thema<br />

„abstrakte Landschaften“ auf den Punkt.<br />

Mehrere Grafiken dienten als Vorlage für dieses Werk. Sie wurden<br />

mit unterschiedlichsten Zeichenutensilien angefertigt.


178 179<br />

Birgit Weinstabl<br />

Energy<br />

Acryl auf Leinwand, 150 x 150 cm<br />

Lukas Gülcher<br />

Das ist mein Ding!<br />

Stickerserie<br />

lukas.guelcher@aon.<strong>at</strong><br />

Die Stickerserie entstand als Werbemittel zur inszenierten<br />

Street Art Demo „Das ist mein Ding!“, die in Kooper<strong>at</strong>ion<br />

von Dschungel Wien und den Wiener Festwochen st<strong>at</strong>tfand.<br />

Die Sticker bewerben den Event, haben aber auch<br />

interaktiven Charakter.


180 181<br />

Jin Yi Lee<br />

Geschäftsreise<br />

Farbholzschnitt, 60 × 80 cm<br />

Mirjam Schweigkofler<br />

ungeschminkt<br />

Fotoserie<br />

mirjam.schweigkofler@rolmail.net<br />

Jeder projiziert und transportiert<br />

Gefühle, Einstellungen, Erwartungen.<br />

Der Körper ist Projektionsfläche.


182 183<br />

Magdalena Fasching<br />

Vollgestopft und Ausgehungert<br />

Buchcover<br />

„Vollgestopft und Ausgehungert“ ist mein zweites Buch<br />

und erscheint im Frühjahr 2011. Mein erstes Buch heißt<br />

„Lebensflucht – Todessucht“ und ist beim Frankfurter Liter<strong>at</strong>urverlag<br />

unter dem Pseudonym (E)lena F. erschienen.<br />

Klappentext:<br />

Es gibt zwei verschiedene Arten von Menschen. Die<br />

einen nehmen das Leben an. Es geht ihnen zum einen<br />

Ohr hinein und zum anderen wieder hinaus. Das Leben<br />

macht ihnen nur wenig aus. Die anderen stopfen<br />

es gierig in sich hinein. Bis zum letzten Bissen. Und<br />

kotzen es dann wieder aus. Rein in die Klomuschel und<br />

runtergespült.<br />

Mich kotzt das Leben tagtäglich an, also kotze ich es<br />

wieder aus.<br />

Elias Berner<br />

Ohne Titel<br />

Collage


184 185<br />

Reinhard Trinkler<br />

Die Vampire tanzen weiter<br />

Tusche auf Papier, digital koloriert<br />

Laurent Nostiz<br />

ohne Titel


186 187<br />

Ruth Felicitas Zimmermann<br />

Ohne Titel<br />

Tusche auf Papier<br />

Suoyang Sheng<br />

Raumexperiment<br />

Computerprint (3D-Rendering), Dimensionen variabel


188 189<br />

Sarin Baghdoyan<br />

Plak<strong>at</strong> einer fiktiven Ausstellung<br />

bearbeitete Fotografie<br />

bubuk_@hotmail.com<br />

Manuela Buxbaum<br />

Raum 03 — RAUMauskleidung<br />

Mixed Media Install<strong>at</strong>ion, Dimensionen variabel


190 191<br />

Janin Wellbrock<br />

Lichtobjekt<br />

Porzellan, Edelstahl, gebürstet 38 × 23 cm<br />

M<strong>at</strong>thias Moser<br />

Rain<br />

Tintenstrahldruck auf Folie, digital nachbearbeitet<br />

Typographie auflösen − Texte verschmelzen − Typographie entstehen lassen<br />

Eine Arbeit zum Themenfeld „Konkrete Poesie“.


192 193<br />

Raphael Holczek<br />

Eierbecher, Salz- und Pfefferstreuer<br />

Illustr<strong>at</strong>ion<br />

Alina Helal<br />

ohne Titel<br />

Linoldruck verschiedener Druckpl<strong>at</strong>ten<br />

ca. 50 × 70 cm auf Karton, collagiert


194 195<br />

Emylia Smokova<br />

ohne Titel<br />

Fotoserie, Dimension variabel<br />

Takahashi Asami<br />

Manga<br />

Tusche auf Papier


196 197<br />

Marie-Therese Amtmann<br />

Ohne Titel<br />

Papierarbeit<br />

Sandra Beck<br />

Hinter der Maske<br />

Papiermaché, Holz, Spiegel, 35 x 25 x 15 cm<br />

Die Augen der Maske dienen als Verbindung zwischen Innen und Außen bzw. zwischen dem Davor und Dahinter.<br />

Durch sie kann man mittels eines Spiegels erkennen, was hinter der Maske liegt.


198 199<br />

Irene Amberger<br />

Ohne Titel<br />

Lithografie auf Büttenpapier, ca. 40 × 55 cm<br />

Melanie Kasper<br />

Konkrete Poesie: Strawberry Fields<br />

Drei Inser<strong>at</strong>e für ein Magazin, A4, Druck in 1c, 2 c und 3 c<br />

kaspermelanie@gmail.com<br />

Interpret<strong>at</strong>ion von „Strawberry Fields“, The Be<strong>at</strong>les, 1967<br />

Spiel mit übereinander gelegten Strophen und Wörtern


200 201<br />

Christoph Tripes<br />

Infobroschüre 10/11<br />

Booklet / Cover & Innenseiten<br />

named@gmx.<strong>at</strong><br />

Maria Kourakhtanova


202 203<br />

Yasemin Sayici<br />

Schriftstück<br />

Tusche auf Papier, ca. 84 × 59 cm<br />

Stefan Polster<br />

Ohne Titel<br />

Pferdeschädel, Schrott


204 205<br />

Alexander Zech<br />

Klaus<br />

Keramikguss<br />

Als Fan von Designer Toys habe ich beschlossen, mein<br />

eigenes Designer Toy zu entwickeln. Logo, Verpackung,<br />

Styletempl<strong>at</strong>es und einige Keramikfiguren existieren<br />

bereits. Es werden noch weitere „Kläuse“ aus Kunstharz<br />

folgen.<br />

Songhay Toldon<br />

Same But Different<br />

Tusche/Bleistift auf Papier


206 207<br />

Myriam Fries<br />

Citywalk with<br />

Fotoserie<br />

Ein Spaziergang durch die Wiener Innenstadt mit einer<br />

überdimensionalen Schmetterlingspuppe – Clementine –<br />

die im Rahmen einer anderen Arbeit entstand.<br />

Wer trägt hier wen?<br />

Philipp Birkmayer<br />

Rotaugenfrosch, sich an einen Halm klammernd<br />

Acrylfarbe auf Leinwand, 40 × 40 cm<br />

Der ausschließlich in den Regenwäldern Costa Ricas und Südamerikas vor -<br />

kommende Rotaugenfrosch sitzt hier, sich an einem Halm festklammernd<br />

und schaut den/die BetrachterIn direkt an. Diese Froschart zählt zu meinen<br />

Lieblingsmotiven; so weist der Frosch durchaus menschliche Züge auf,<br />

wenn er sich z. B. verzweifelt mit seinen Extremitäten festhält und mit<br />

seinen Glupschaugen den Betrachter anvisiert.<br />

Rotaugenfrosch auf Papageienblume sitzend<br />

Acrylfarbe auf Leinwand, 40 × 30 cm<br />

Ein Rotaugenfrosch hält sich aufrecht stehend an einer Papageienblume fest<br />

und zeigt dabei dem Betrachter seine fantastischen Farben.<br />

Sich auf Blättern sonnender Morphofalter<br />

Acrylfarbe auf Leinwand, 30 × 40 cm<br />

Ein in Mittel- und Südamerika lebender Morphofalter wärmt sich auf einem<br />

Bl<strong>at</strong>t sitzend im Sonnenlicht. Der durch seine seidigen Blautöne glänzende<br />

Falter zählt zu den schönsten seiner Art und ist deshalb auch in zahlreichen<br />

bedeutsamen Zoos zu bewundern.<br />

www.mauridodo.<strong>at</strong>


208 209<br />

Thomas Albert<br />

„Leerstelle“<br />

„Das ewig gleiche Bl<strong>at</strong>t“, täglich etwas schaffen und wieder<br />

verwerfen, täglich schreiben und ausradieren.<br />

Transform<strong>at</strong>ion, Ausdruck, Sinn und Sinnlosigkeit, das<br />

Zeitliche, Abdrücke und Radiergummireste. Tag für Tag,<br />

bis das Bl<strong>at</strong>t nicht mehr mag …<br />

Nicole Fürst<br />

Mackie Messer<br />

Illustr<strong>at</strong>ion<br />

nfuerst@gmx.<strong>at</strong>


210 211<br />

Elisabeth Loibner<br />

emotions<br />

Fotografie<br />

elisabeth.loibner@gmail.com<br />

Yuki Kanashimi<br />

Manga<br />

Tusche auf Papier


212 213<br />

Janine Käble<br />

Skurriles aus der Tiefe<br />

Glasskulpturen<br />

„Skurriles aus der Tiefe“ ist eine Sammlung von Quallenkörpern und Medusen.<br />

Die Glasskulpturen wurden mundgeblasen und mit Silikon kombiniert.<br />

Ich nehme die vielfältigen Unterwasserwelten als kollektives Wunder wahr<br />

und möchte dazu einladen, in eine Welt unterhalb der Oberfläche einzutauchen.<br />

In einem Zustand zwischen Sein und Schein schweben transparente<br />

Wesen. In Trance tanzend ziehen sie gemeinsam ihre Bahnen auf der Suche<br />

nach Licht und nach etwas, von dem wir nichts ahnen.<br />

Marlene Hachmeister<br />

„bis das blau zu schreien anfängt“<br />

Objekt, Mischtechnik, 50 × 40 cm (Detail)<br />

Objekt, Mischtechnik, 150 × 80 cm (Detail)<br />

m.ene@gmx.<strong>at</strong><br />

das blau hüllt ein und nur einen ausschnitt zu.<br />

gewunden weil es keinen weg mehr gibt.<br />

wiederholt weil alles zweimal geschaut werden muss.<br />

schrei schrei schrei lauter.<br />

schrei bis alles violett ist.<br />

zusammengesunken fällt es die treppe hinauf und etwas<br />

bleibt liegen.<br />

jedes mal.<br />

zweimal.<br />

zweimal ist alles.<br />

und jetzt nichts.<br />

zweimal war schon.<br />

wird noch sein?<br />

gemeinsam betäubt dreht sich das grün im quadr<strong>at</strong>.<br />

bis es hinten ankommt.<br />

zweimal ist keinmal.<br />

zweimal war ja schon.<br />

muss nicht mehr sein.<br />

alles ist jetzt violett und alles flimmert grün.<br />

im zerfall noch ein zweites mal.<br />

im zweifall.<br />

jetzt ist endlich wieder alles blau.<br />

war ja schon und musste wieder sein.<br />

bis das blau zu schreien anfängt.


214 215<br />

Zur Gestaltung<br />

Dieses Jahrbuch h<strong>at</strong> das Thema Freiraum/Leerstellen zum<br />

Inhalt. Ausgangspunkt dafür war das Themenseminar im<br />

Sommersemester 2010.<br />

Der weiße Würfel springt aus dem Buch. Er selbst oder<br />

seine Umgebung kann bespielt und genutzt werden, um<br />

freien Raum zu gestalten. Eine zweidimensionale Fläche<br />

nimmt als Würfel einen dreidimensionalen Raum ein.<br />

Die Farben der Würfel spiegeln die Vielfalt der Ideen wider.<br />

Die <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong> wird als Raum definiert und bespielt.<br />

Die zur Kennzeichnung von Lehrveranstaltungen,<br />

Projekten, Texten, DiplomandInnen und Werkstätten verwendeten<br />

Gaunerzinken haben einen realen Hintergrund,<br />

sind inhaltlich verändert worden und tragen mit ihrer neuen<br />

Bedeutung dazu bei, dieses Jahrbuch zu strukturieren.<br />

Gaunerzinken findet man auf Hausmauern, Zäunen und<br />

Postkästen, gekr<strong>at</strong>zt, geschmiert und gekritzelt. Die Pl<strong>at</strong>zierung<br />

ist unscheinbar und sie können von Außenstehenden<br />

nicht gedeutet werden.<br />

Sie sind ähnlich zurückhaltend wie ihre Präsenz im öffentlichen<br />

Raum blindgeprägt am Cover pl<strong>at</strong>ziert.<br />

Die eigene Idee ist für Außenstehende oft schwer erfassbar,<br />

bevor man eine gemeinsame Kommunik<strong>at</strong>ionsbasis<br />

gefunden h<strong>at</strong>.<br />

Von unten nach oben / links nach rechts: Alexander Zech, Lukas Gülcher,<br />

Mirjam Schweigkofler, Raphael Holczek, Christoph Tripes, Nicole Fürst


216 217<br />

Die Gr<strong>at</strong>iszeitung für Kunst und Kultur www.nullachtsechzehn.<strong>at</strong>


218 219<br />

Hol mich hier raus,<br />

Ich bin die Hand, die die Fernbedienung hält. Die Hand, die ne r vös zwischen „Richterin Salesch“, „Grand Prix der Vo l ks musi k “ und „Wetten, dass...“ hin und her drückt. Oje, da ist der Jürgens Udo. Weiter. Reich und Schön. Na, bitte nicht!<br />

andy.artmagazine.cc<br />

powered by<br />

artmagazine


220 221<br />

WOHER KOMMT DER<br />

BEGRIFF „BLOCKBUSTER“?*<br />

Die Antwort auf diese und andere Fragen des Alltags sehen Sie täglich<br />

bei „Herr Schlaumeier“ auf INFOSCREEN.<br />

...UND WIEDER EIN PAAR MINUTEN KLÜGER!<br />

Schon gesehen in Öffi s und St<strong>at</strong>ionen in: WIEN | EISENSTADT | GRAZ | INNSBRUCK | KLAGENFURT | LINZ www.infoscreen.<strong>at</strong><br />

*Der Ausdruck Blockbuster entstand in den 20er Jahren. Damit wurden Filme bezeichnet, bei denen<br />

sich an der Kasse ein Schlange bildetet, die länger als ein Häuserblock war.


222<br />

www.wienerlinien.<strong>at</strong><br />

HEUTE GEHT´S DIE<br />

GANZE NACHT!<br />

24h U-Bahn<br />

am Wochenende!<br />

Die Stadt gehört Dir.<br />

Impressum<br />

Herausgeber: <strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong><br />

Lazarettgasse 27, 1090 Wien, Österreich<br />

www.<strong>kunstschule</strong>.<strong>at</strong><br />

+43 1 409 43 42<br />

Redaktionsteam: Babsi Daum, Martin Huber, Carlos K<strong>at</strong>astrofsky,<br />

Karoline Riha, Daniela Schmeiser, Tom Waibel (Lehrbeauftragte)<br />

Mirjam Schweigkofler, Alexander Zech (Studierende)<br />

Für den Inhalt verantwortlich: Direktor Gerhard Hermanky<br />

Druck: Janetschek<br />

Lektor<strong>at</strong>: K<strong>at</strong>harina Racek, Daniela Schmeiser, Jo Schmeiser, Tom Waibel<br />

Verlag: SONDERZAHL Verlagsgesellschaft m. b. H. Wien<br />

ISBN: 978-3-85449-348-8<br />

Visuelles Konzept, Layout und technische Ausarbeitung:<br />

Studierende des 7. Semesters der Werkstätte Grafik Design<br />

Nicole Fürst, Lukas Gülcher, Raphael Holczek, Mirjam Schweigkofler,<br />

Christoph Tripes und Alexander Zech<br />

Werkstättenleitung: Brigitte Ammer, Birgit Kerber, Thomas Reinagl, Tom Thörmer<br />

© Texte und Fotos bei den AutorInnen<br />

Fotos:<br />

Heidi Koubek: Seite 81<br />

Nikolaus Korab: Seite 82, 83 (oben), 84 und 85<br />

Axel Gülcher: Seite 83 (unten)<br />

Förderer:<br />

Magistr<strong>at</strong>sabteilung 13 für Bildung und außerschulische Jugendbetreuung der Stadt Wien<br />

Gedruckt mit Förderung des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur in Wien<br />

www.sandri.tv<br />

Bewegung - Licht - Ton - Video

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