VDV Das Magazin Ausgabe September 2016
Das Verbandsmagazin des VDV ist die redaktionelle Plattform für Unternehmen des Öffentlichen Personen- und Schienengüterverkehrs in Deutschland. Konzept und Realisierung: AD HOC PR, Gütersloh.
Das Verbandsmagazin des VDV ist die redaktionelle Plattform für Unternehmen des Öffentlichen Personen- und Schienengüterverkehrs in Deutschland.
Konzept und Realisierung: AD HOC PR, Gütersloh.
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Was uns bewegt. Wen wir bewegen. <strong>Ausgabe</strong> <strong>September</strong> <strong>2016</strong><br />
Blick in die<br />
Bahn-Zukunft<br />
InnoTrans: Branchentreff der<br />
Superlative Seite 6<br />
Verkehrswende: Initiative<br />
packt das Thema an<br />
Seite 12<br />
Fahrzeug 2020+: Mit Standards<br />
zu dauerhaft bezahlbarem SPNV<br />
Seite 16<br />
E-Busse: Strategische<br />
Partnerschaft in Hamburg<br />
Seite 18
18 E-Busse: Hamburger Hochbahn<br />
und VHH arbeiten zusammen.<br />
6 InnoTrans: viertägige Zeitreise<br />
in die Zukunft der Mobilität<br />
26 Sicher drüber: <strong>VDV</strong> und DB Netz<br />
wollen Kampagne vorantreiben.<br />
30 Ausflugsziele: Internetplattform gibt<br />
Tipps für den Trip per ÖPNV ins Grüne.<br />
3 Editorial<br />
Mehr Forschung für die Eisenbahn<br />
4 <strong>VDV</strong> im Bild<br />
Bahn der Kölner Verkehrs-Betriebe<br />
gibt der Integration viele Gesichter.<br />
6 Titelstory<br />
Die InnoTrans hat sich in ihrer<br />
elften Auflage erneut vergrößert.<br />
12 Aktuell<br />
Denkfabrik will den Einstieg in die<br />
Verkehrswende vorantreiben.<br />
14 25 Jahre <strong>VDV</strong><br />
<strong>VDV</strong>-Vizepräsident Veit Salzmann:<br />
„Wettbewerb funktioniert im SPNV.“<br />
16 Hintergrund<br />
„Fahrzeug 2020+“ setzt Standards.<br />
2 04 | <strong>2016</strong>
Mehr Forschung<br />
für die Eisenbahn<br />
Selbstfahrende Autos, Gigaliner und Lkw unter<br />
Oberleitungen: Im Moment drängt sich der Eindruck<br />
auf, dass Innovationen nur auf der Straße eine Rolle<br />
spielen. Die Eisenbahn scheint im Rennen um mehr<br />
Produktivität sprichwörtlich auf der Strecke zu bleiben.<br />
Im Wettbewerb vor allem mit der Straße braucht<br />
insbesondere der Güterverkehr mehr Innovationen,<br />
damit Angebote und Prozesse wirtschaftlicher werden<br />
und das System Schiene nachhaltig bleibt. Dies<br />
liegt im Interesse des gesamten Verkehrssystems, des<br />
Klimaschutzes und natürlich der deutschen Bahnindustrie<br />
und ihrer Exportstärke.<br />
Die Eisenbahn ist komplex. Innovationen machen<br />
sich erst bemerkbar, wenn sie das gesamte System<br />
bis zu einem gewissen Grad durchdringen. Hier ist<br />
in erster Linie die Industrie gefordert, überzeugende<br />
Lösungen zu entwickeln. Diese sollten wirtschaftlich<br />
so attraktiv sein, dass Eisenbahnunternehmen auch<br />
ohne Druck durch den Gesetzgeber auf sie zurückgreifen<br />
und ihr Material erneuern können.<br />
made in Germany weltweit einen Spitzenruf. Aber<br />
anders als beim Lkw laufen die Erneuerungszyklen<br />
über Jahrzehnte. Diese Zeit haben wir nicht, wenn<br />
wir schnell zu einer Verkehrswende und damit zu<br />
einer effektiven Klimawende kommen wollen. Was<br />
fehlt, ist die Unterstützung durch die deutsche Forschungspolitik.<br />
Wie die InnoTrans unter Beweis<br />
stellt, gibt es weltweit einen gigantischen Markt<br />
für Eisenbahntechnologie. Unverständlich ist, dass<br />
er im Auge der Forschungspolitik ein weitgehend<br />
blinder Fleck bleibt. Hier müssen die Politik und der<br />
Gesetzgeber mehr Weitsicht zeigen und ein innovationsfreundlicheres<br />
Klima schaffen. <strong>Das</strong> würde<br />
nicht nur helfen, die Spitzenstellung der deutschen<br />
Bahnindustrie zu sichern, sondern auch der Eisenbahn<br />
und dem Klimaschutz zugutekommen.<br />
Herzlichst Ihr<br />
Oliver Wolff<br />
Hersteller und die Forschung leisten bereits hervorragende<br />
Arbeit. Nicht umsonst genießt Bahntechnik<br />
18 Unterwegs im Netz<br />
Hamburger Verkehrsunternehmen<br />
sollen ab 2020 nur noch emissionsfreie<br />
Busse anschaffen.<br />
22 Hintergrund<br />
Carsharing-Branche hofft auf Gesetz.<br />
25 Aus dem Verband<br />
Kongress diskutiert Digitalisierung.<br />
26 Hintergrund<br />
Viele Autofahrer unterschätzen die<br />
Risiken von Leichtsinn und Unachtsamkeit<br />
an Bahnübergängen.<br />
30 Zu guter Letzt<br />
Die Plattform Naturtrip.org schlägt<br />
Ziele für den Ausflug per ÖPNV vor.<br />
<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong><br />
als E-Paper unter:<br />
www.vdv.de/das-magazin<br />
04 | <strong>2016</strong> 3
Der Integration ein Gesicht geben<br />
Miteinander reden und arbeiten, Vorurteile abbauen, das<br />
Selbstbewusstsein stärken – und ganz nebenbei die Integration<br />
fördern: <strong>Das</strong> waren die Ziele eines mehrwöchigen Workshops,<br />
den die unabhängige und ehrenamtliche Initiative „Hallo Foto“<br />
in Köln ausgerichtet hat. Bei dem Projekt haben sich 22 Mädchen<br />
kennengelernt. Sie stammen unter anderem aus Syrien,<br />
dem Irak, Bosnien, Afghanistan und Deutschland. Unter Anleitung<br />
eines Profis haben sie sich gegenseitig fotografiert – und<br />
so ihre Gefühls- und Stimmungslagen dokumentiert. Zu sehen<br />
sind die Porträts auf einer Stadtbahn der Kölner Verkehrs-<br />
Betriebe (KVB), die nun ein Jahr lang in der Domstadt ins Auge<br />
fällt. <strong>Das</strong> Verkehrsunternehmen stellt für die Integration nicht<br />
nur Werbefläche zur Verfügung, sondern auch sechs Praktikums-<br />
und zwei Ausbildungsplätze. Nach einem Praktikum<br />
hat ein Syrer bereits eine Festanstellung bekommen, und voraussichtlich<br />
ab Ende des Jahres sollen 15 weitere Geflüchtete zu<br />
Berufskraftfahrern im Personenverkehr ausgebildet werden –<br />
ebenfalls mit dem Ziel, unbefristet übernommen zu werden.<br />
4<br />
04 | <strong>2016</strong>
<strong>VDV</strong> IM BILD<br />
04 | <strong>2016</strong> 5
TITELSTORY<br />
Groß<br />
wie nie<br />
Mehr als 2.900 Aussteller aus 60 Ländern, alle 41 Hallen des Berliner Messegeländes<br />
belegt: Die InnoTrans, die internationale Leitmesse für Schienenverkehrstechnik, hat<br />
sich in ihrer elften Auflage erneut vergrößert. Vom 20. bis zum 23. <strong>September</strong> trifft<br />
sich die Branche in Berlin. Erstmals gibt es für Busse eine eigene Ausstellungsfläche.<br />
6 04 | <strong>2016</strong>
Mehr Aussteller, mehr Fläche, mehr Programm:<br />
Damit will die InnoTrans auch <strong>2016</strong> ihren Anspruch<br />
als weltgrößte Fachmesse für Verkehrstechnik<br />
untermauern. „So groß und dicht wie in diesem<br />
Jahr war die InnoTrans noch nie“, sagt Kerstin Schulz,<br />
Projektleiterin der InnoTrans. In Sachen Besucherprognose<br />
äußern sich die Organisatoren zwar noch<br />
zurückhaltend: Sie erwarten „weit mehr als 100.000<br />
Gäste“. Die Chancen stehen aber gut, dass diese Zahl<br />
tatsächlich übertroffen wird. Zur zehnten InnoTrans<br />
2014 zählte die Messe Berlin bereits 133.595 Fachbesucher<br />
– davon 71.899 aus dem Ausland. „Nirgendwo<br />
sonst haben die Beteiligten aus Industrie, Verbänden<br />
und Politik die Möglichkeit, in so kurzer Zeit und auf<br />
so engem Raum den globalen Austausch zu pflegen“,<br />
erklärt Kerstin Schulz den Andrang: „Die InnoTrans gilt<br />
als das Familientreffen der Branche. Die komplette Produktions-<br />
und Zuliefererkette wird hier abgebildet.“<br />
04 | <strong>2016</strong><br />
7
TITELSTORY<br />
<strong>Das</strong> Bus Display ist<br />
das Ergebnis einer<br />
natürlichen Entwicklung.<br />
Kerstin Schulz,<br />
Projektleiterin der InnoTrans<br />
Ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal: das Freigelände<br />
mit 3.500 Metern Gleisanlage, auf dem Hersteller ihre<br />
Fahrzeuge präsentieren können.<br />
Besuchen Sie auf der<br />
InnoTrans auch den Stand<br />
von <strong>VDV</strong>, <strong>VDV</strong>-Akademie<br />
und <strong>VDV</strong> eTicket-Service:<br />
Sie finden uns in Halle 2.2,<br />
Stand 302.<br />
Mehr als 90 Weltpremieren<br />
Innovative Technologien und Produkte aus der Verkehrstechnik<br />
stehen im Fokus. Dabei rücken die Themen<br />
Digitalisierung und Vernetzung immer stärker<br />
in den Vordergrund. Zudem haben die Aussteller<br />
nach Angaben der Messe Berlin mehr als 90 Weltpremieren<br />
angekündigt. Fahrzeughersteller Siemens<br />
beispielsweise plant die Vorstellung seiner neuen Regional-<br />
und Pendlerzug-Plattform „Mireo“, die unter<br />
anderem durch Leichtbauweise<br />
und intelligentes<br />
Bordnetzmanagement mit<br />
einem deutlich reduzierten<br />
Energieverbrauch punkten<br />
soll.<br />
Innovationen wie diese<br />
benötigen die Hersteller,<br />
um sich im globalen Wettbewerb zu behaupten – unter<br />
anderem gegen die Konkurrenz aus Fernost. Auch<br />
diese ist auf der InnoTrans vertreten: Zum ersten<br />
Mal wird sich dort etwa der chinesische Bahnkonzern<br />
CRRC (China Railway Rolling Stock Corporation<br />
Limited) präsentieren. CRRC war 2015 aus der Fusion<br />
der Zughersteller China CNR Corporation und<br />
CSR Corporation hervorgegangen. Zusammen bilden<br />
sie das mit Abstand größte Schienentechnik-Unternehmen<br />
der Welt. Eine ernsthafte Bedrohung für die<br />
hiesige Branche? <strong>Das</strong> sieht der Verband der Bahnindustrie<br />
in Deutschland (VDB) noch nicht so (siehe<br />
Interview S. 10). Der VDB gehörte 1996 neben dem<br />
Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (<strong>VDV</strong>),<br />
dem Zentralverband Elektrotechnik- und Elektroindustrie<br />
(ZVEI) sowie dem Deutschen Verkehrsforum<br />
(DVF) zu den Initiatoren der InnoTrans.<br />
Neues Bus Display<br />
Seit jener Premiere vor 20 Jahren hat sich die Messe<br />
konstant weiterentwickelt. Heute umfasst sie die<br />
8 04 | <strong>2016</strong>
Foto: Stadtwerke Münster<br />
200.000<br />
QUADRATMETER<br />
So groß ist die Brutto-Ausstellungsfläche der InnoTrans. Zum ersten Mal<br />
gehört auch eine spezielle Ausstellungsfläche für Busse dazu. Hier stellen<br />
unter anderem Hersteller wie VDL Bus & Coach aus. Deren E-Busse werden<br />
etwa von den Stadtwerken Münster eingesetzt (s. Foto links).<br />
fünf Segmente Railway Technology (Eisenbahntechnologie),<br />
Railway Infrastructure (Eisenbahninfrastruktur),<br />
Public Transport (Öffentlicher Verkehr),<br />
Interiors und Tunnel Construction. Mit inzwischen<br />
20.000 Bruttoquadratmetern ist Public Transport das<br />
drittgrößte Segment der InnoTrans – in diesem Jahr<br />
erstmals ergänzt durch eine Ausstellungsfläche speziell<br />
für Busse. Im sogenannten Bus Display im Sommergarten<br />
der Messe Berlin präsentieren Hersteller<br />
Elektrofahrzeuge und Ladeinfrastruktur.<br />
„Sinnvolle Abrundung“<br />
Auf einem 500 Meter langen Rundkurs können Besucher<br />
die E-Busse Probe fahren – entsprechende<br />
Fahrpläne werden vor Messestart veröffentlicht.<br />
„Diese Neuerung“, so Projektleiterin Kerstin Schulz,<br />
„ist das Ergebnis einer natürlichen Entwicklung.<br />
Erste Busse wurden schon 2006 ausgestellt. Zudem<br />
erfährt der Bereich Public Transport mit der Präsentationsbühne<br />
für Busse eine sinnvolle und ganzheitliche<br />
Abrundung.“<br />
Bereits zum zweiten Mal dabei: der „Future Mobility<br />
Park“, in dem Unternehmen visionäre Mobilitätskonzepte<br />
vorstellen. „Visionär“ ist keine Übertreibung:<br />
Gleich mehrere Aussteller präsentieren ihre<br />
Ideen vom „Hyperloop“, bei dem Menschen in Kapseln<br />
durch Vakuumröhren transportiert werden sollen –<br />
mit bis zu 1.225 Stundenkilometern. Daneben wirkt<br />
das automatisierte Fahren – ebenfalls ein Thema im<br />
Future Mobility Park – fast schon wie von gestern.<br />
Die reine Industrieschau wird wie in den Vorjahren<br />
durch das Rahmenprogramm ergänzt, die InnoTrans<br />
Convention. In verschiedenen Formaten diskutieren<br />
Vertreter aus Politik, Verbänden und Technologieunternehmen<br />
über aktuelle verkehrspolitische Fragen.<br />
Den thematischen Schwerpunkt bildet das Dialog-<br />
Forum unter Federführung von <strong>VDV</strong>, DVF, VDB sowie<br />
des Verbandes der europäischen Schienenverkehrsindustrie<br />
(UNIFE). Im Palais am Funkturm wird am<br />
21. und 22. <strong>September</strong> jeweils von 10 bis 12 und von<br />
14 bis 16 Uhr über Themen wie die Digitalisierung<br />
04 | <strong>2016</strong><br />
9
TITELSTORY<br />
Nirgendwo sonst haben die Beteiligten<br />
die Möglichkeit, in so kurzer Zeit und auf<br />
so engem Raum den globalen Austausch<br />
zu pflegen.<br />
Kerstin Schulz,<br />
Projektleiterin der InnoTrans<br />
DREI FRAGEN AN<br />
Dr. Ben Möbius,<br />
Hauptgeschäftsführer des<br />
Verbandes der Bahnindustrie<br />
in Deutschland (VDB)<br />
des Schienenverkehrs, das zukünftige europäische<br />
Eisenbahnverkehrsleitsystem ERTMS und Mobilität<br />
4.0 diskutiert. Am 23. <strong>September</strong> von 10 bis 12 Uhr<br />
geht es um digitale Service-Technologien.<br />
Mobilität 4.0 ist auch das Thema der Eröffnungsveranstaltung<br />
am 20. <strong>September</strong>. Nach der Begrüßung<br />
durch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt<br />
und die EU-Kommissarin für Verkehr, Violeta Bulc,<br />
sitzen unter anderem <strong>VDV</strong>-Präsident Jürgen Fenske,<br />
Deutsche-Bahn-Chef Rüdiger Grube sowie Yves<br />
Desjardins-Siciliano, Präsident und CEO von Via Rail<br />
Canada, auf dem Podium. Früh kommen lohnt sich:<br />
Allein zu dieser Veranstaltung im Palais am Funkturm<br />
erwartet die Messe Berlin mehr als 1.000 nationale<br />
und internationale Spitzenvertreter aus Wirtschaft,<br />
Wissenschaft und Politik.<br />
Alle Infos zur Veranstaltung erhalten<br />
Interessierte in der neuen InnoTrans-App<br />
sowie online unter www.InnoTrans.de<br />
» Herr Dr. Möbius, die chinesische Bahnindustrie hat sich<br />
zu einem Konzern-Konglomerat zusammengeschlossen, das<br />
größer ist als die drei großen deutschen Player Bombardier,<br />
Siemens und Alstom zusammen. Wann wird die InnoTrans aus<br />
Berlin weg- und nach Shanghai gehen?<br />
Dr. Ben Möbius (lacht): Hier in Deutschland ist die Heimat der<br />
innovativsten Bahnindustrie der Welt. Da wird die Branche<br />
so schnell wirklich keinen Grund sehen, den Messestandort<br />
Berlin für die InnoTrans aufzugeben. Der VDB arbeitet übrigens<br />
dafür, dass das so bleiben kann.<br />
» Dennoch: Macht Ihnen die schiere Größe des Konkurrenten<br />
in Fernost nicht ein bisschen Angst?<br />
Natürlich müssen wir China sehr ernst nehmen. Allerdings<br />
sehe ich die deutschen Hersteller im Produktwettbewerb vorn,<br />
auch wenn China beim Aufbau der Eisenbahn im eigenen<br />
Land mit Siebenmeilenstiefeln vorankommt. Mehr Sorgen<br />
bereitet uns der Finanzierungswettbewerb in Drittmärkten.<br />
Hier gehen unsere Wettbewerber mit massiver staatlicher<br />
Unterstützung ins Rennen – mit Finanzierungsstrukturen, die<br />
in Europa teils als unzulässige Beihilfen verboten wären.<br />
» Was lässt sich daran ändern?<br />
Nun, wir wollen sicher keine Barrieren, sondern einen offenen<br />
Wettbewerb – aber auch einen fairen. <strong>Das</strong> ist konstitutiv. Wir<br />
würden uns mehr politische Flankierung wünschen, um den<br />
ungleichen Wettbewerb ein wenig gleicher zu machen. Vorstellen<br />
können wir uns eine großzügigere Handhabung von<br />
Exportkrediten, wie es uns die EU-assoziierte Schweiz vormacht.<br />
Nachdenken sollte man über eine Reform des Systems<br />
der Hermes-Bürgschaften, um bei potenziellen Geschäften<br />
mehr Spielraum zu haben. Weiterhin wäre Bürokratieabbau<br />
im Blick auf Machbarkeitsstudien für Großprojekte in Drittländern<br />
hilfreich. Hier verlieren wir viel Zeit und kommen<br />
manchmal zu spät. Die Hebel haben wir selbst in der Hand.<br />
10 04 | <strong>2016</strong>
GELÄNDEPLAN DER INNOTRANS <strong>2016</strong><br />
Railway Technology<br />
Interiors, incl. Travel Catering<br />
& Comfort Services<br />
Railway Infrastructure<br />
Tunnel Construction<br />
Public Transport<br />
Gleis- und Freigelände<br />
Special Gauge Display<br />
Eröffnungsveranstaltung<br />
Speakers‘ Corner<br />
InnoTrans Convention incl.<br />
PTI-Forum<br />
Career & Education Hall<br />
Business Lounge<br />
Pressezentrum<br />
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11<br />
04 | <strong>2016</strong> <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 17
AKTUELL<br />
Denkfabrik will<br />
die Verkehrswende aufgleisen<br />
Im Verkehr tritt der Klimaschutz auf der Stelle: Anders als Energieerzeuger, Industrie,<br />
Gewerbe und private Haushalte hat dieser Bereich in den vergangenen 25 Jahren keinen<br />
Beitrag dazu geleistet, CO2-Emissionen zu reduzieren. Impulse für einen breit angelegten<br />
gesellschaftlichen Bewusstseinswandel will nun die Agora Verkehrswende geben.<br />
Immer mehr Menschen nutzen ganz<br />
selbstverständlich den Öffentlichen<br />
Verkehr. Dennoch ist ein gesellschaftlicher<br />
Konsens, um die für die Klimawende<br />
erforderliche Verkehrswende auch politisch<br />
einzuleiten, derzeit nicht in Sicht. Die<br />
Agora Verkehrswende will das ändern. Ihr<br />
Ziel ist es, Wege zum längst überfälligen<br />
umwelt- und klimaverträglichen Umbau<br />
des gesamten Personen- und Güterverkehrs<br />
bis hin zur vollständigen Dekarbonisierung<br />
im Jahr 2050 aufzuzeigen<br />
- also der Umstellung auf Kraftstoffe aus<br />
SERE STRATEGIE IM THEMENCLUSTER KLIMAWANDEL<br />
SGASEMISSIONEN<br />
EN, KLIMAWANDEL<br />
EN.<br />
erneuerbaren Energien. „Wir machen uns<br />
dafür stark, dass die nächste Bundesregierung<br />
in ihrem Programm die wichtigsten<br />
Weichenstellungen für diesen Umbau<br />
vornimmt“, erklärt Christian Hochfeld,<br />
Direktor der Agora Verkehrswende. Hinter<br />
der Initiative stehen die Stiftung Mercator<br />
und die European Climate Foundation. Bis<br />
Ende 2018 verfügt die im Februar gegründete<br />
Denkfabrik über ein Budget von fünf<br />
Millionen Euro.<br />
Als Plattform für den gesellschaftlichen<br />
Diskurs steht dem Thinktank ein hoch-<br />
karätig besetzter Rat zur Seite. Vorsitzender<br />
ist Prof. Achim Steiner, der zuletzt<br />
Exekutivdirektor des UN-Umweltprogramms<br />
war (siehe Interview S. 13). Im<br />
Rat der Agora Verkehrswende ist auch<br />
der <strong>VDV</strong> durch seinen Hauptgeschäftsführer<br />
Oliver Wolff vertreten. Der <strong>VDV</strong><br />
setzt sich seinerseits verstärkt für das<br />
Thema im Rahmen seiner nationalen<br />
Nachhaltigkeitsstrategie „Deutschland<br />
Mobil 2030“ ein. Sie soll den Anteil des<br />
Öffentlichen Verkehrs am Modal Split<br />
von derzeit 15 auf 25 Prozent erhöhen.<br />
1990<br />
Vergleich<br />
CO2 Austoß -40%<br />
i<br />
i<br />
2020<br />
i<br />
STÄDTE<br />
2050<br />
-80%<br />
WISSEN<br />
ZUKUNFT<br />
POLITISCHE<br />
ENTSCHEIDER<br />
i<br />
VERKEHR<br />
NETZWERKE<br />
ENERGIE<br />
Quelle: Stiftung Mercator<br />
Der Verkehrswende und der Energiewende muss ein Bewusstseinswandel vorausgehen. Im Zentrum stehen die politischen<br />
TSCHEIDER<br />
NETZWERKE<br />
WISSEN<br />
Entscheider. Ziel ist es, die Treibhausgase bis 2050 um mindestens 80 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren.<br />
eg in eine kohlenstoffarme Zukunft gestalator<br />
setzt sich deshalb dafür ein, zielführende<br />
keln, damit ihre ambitionierten Treibhausgastät<br />
werden. 12 04 | <strong>2016</strong><br />
Wir vernetzen Akteure aus unterschiedlichen<br />
gesellschaftlichen Bereichen, um gemeinsam<br />
robuste Lösungsoptionen zu erarbeiten.<br />
Unsere Projekte schaffen Wissen, um die Informationsgrundlage<br />
für politische Entscheidungsträger<br />
zu verbessern.
Wir machen uns dafür stark, dass die<br />
nächste Bundesregierung in ihrem<br />
Programm die wichtigsten Weichenstellungen<br />
für den umwelt- und klimaverträglichen<br />
Umbau des Personen- und<br />
Güterverkehrs vornimmt.<br />
Christian Hochfeld,<br />
Direktor Agora Verkehrswende<br />
Foto (Mitte): Stadtwerke Osnabrück<br />
Spektakuläre Aktionen,<br />
wie sie Umweltschutzorganisationen<br />
durchführen, sind von<br />
der Agora Verkehrswende<br />
nicht zu erwarten. „Wir werden<br />
zwar an die Öffentlichkeit<br />
gehen, sind aber keine Kampagnen-<br />
Organisation“, verdeutlicht Christian<br />
Hochfeld. Stattdessen stehen der Diskurs<br />
zwischen unterschiedlichen Akteuren<br />
aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik<br />
sowie Szenarien, Strategien und der ge-<br />
DREI FRAGEN AN<br />
Prof. Achim Steiner<br />
(Foto), Vorsitzender<br />
des Rates der Agora<br />
Verkehrswende<br />
» Herr Prof. Steiner, welche Rolle kann die Agora<br />
Verkehrswende bei der Dekarbonisierung des<br />
deutschen Verkehrssektors spielen?<br />
Achim Steiner: Große Veränderungen brauchen<br />
immer eine Dialogplattform. <strong>Das</strong> zeigt die<br />
Energiewende. Die Agora Verkehrswende ist ein<br />
Angebot an Industrie, Politik und Gesellschaft,<br />
sich mit der Verkehrswende als Herausforderung<br />
auseinanderzusetzen – und zwar in einem<br />
konstruktiven Dialog. Natürlich kann eine<br />
Verkehrswende nicht auf Kosten unserer Mobilität<br />
und unserer Wirtschaft gehen. Wir müssen<br />
Vertrauen und Verständnis dafür schaffen,<br />
welche Möglichkeiten, Risiken und Verantwortung<br />
Deutschland hat, seinen Beitrag zu den<br />
Klimazielen von Paris zu leisten.<br />
» Welche Bedeutung hat die Verkehrswende in<br />
Deutschland für die internationale Entwicklung?<br />
Deutschland ist ein enorm wichtiger Standort<br />
sellschaftli-<br />
che Nutzen<br />
der Verkehrswende<br />
im Vordergrund.<br />
Fundierte<br />
Fakten liefern<br />
Inwiefern wird das Gesundheitssystem<br />
entlastet,<br />
wenn sich die Luft in den Städten verbessert<br />
und die Menschen öfter zu Fuß<br />
oder mit dem Fahrrad unterwegs sind?<br />
<strong>Das</strong> soll mit Vertretern von Krankenkassen<br />
diskutiert werden. Die Gewerkschaf-<br />
für Verkehrstechnologie und maßgeblich daran<br />
beteiligt, die Möglichkeiten für zukünftige<br />
Veränderungen aufzuzeigen. Was hier unter<br />
dem Gesichtspunkt Mobilität und neue Verkehrswendeprojekte<br />
stattfindet, wird weltweit<br />
beobachtet. Aber wir müssen in Deutschland<br />
auch darauf achten, dass viele Länder ihre<br />
Möglichkeiten schon sehr erfolgreich nutzen,<br />
eine Verkehrswende umzusetzen, und dadurch<br />
bereits Wettbewerbsvorteile erreichen.<br />
» Was hat Sie dazu motiviert, den Ratsvorsitz bei<br />
der Agora Verkehrswende zu übernehmen?<br />
Es ist meine persönliche Überzeugung, dass<br />
wir das Pariser Klimaabkommen nicht erfüllen<br />
können, ohne dass wir im Bereich Verkehr und<br />
Mobilität mit neuen Konzepten an die Öffentlichkeit,<br />
an die Industrie und an die Politik<br />
herantreten. In den nächsten 30 Jahren werden<br />
weitere zwei bis drei Milliarden Menschen weltweit<br />
dazukommen. Wie wollen wir ohne neue<br />
Konzepte Mobilität sicherstellen? Von daher ist<br />
dies auch in vielerlei Hinsicht eine Fortsetzung<br />
meiner Arbeit aus den vergangenen Jahren als<br />
Leiter des Umweltprogramms der Vereinten<br />
Nationen. Es ist eine Aufgabe, in der Deutschland<br />
eine zentrale Rolle spielen kann, aber es ist auch<br />
eine globale Herausforderung.<br />
ten sitzen mit am Tisch, wenn es darum<br />
geht, welche Folgen die Verkehrswende<br />
für Arbeitsplätze in der Produktion und<br />
im Dienstleistungssektor hat. Oder für<br />
den Immobilienmarkt: Wie wirkt es sich<br />
aus, wenn weniger Straßen und Parkplätze<br />
benötigt werden und stattdessen<br />
mehr Wohn- und Lebensraum für die<br />
Menschen zur Verfügung steht? Fragen<br />
wie diese wollen Christian Hochfeld und<br />
sein zehnköpfiges Team aus Ingenieuren,<br />
Ökonomen, Stadtplanern und Politikwissenschaftlern<br />
mithilfe von Analysen und<br />
Studien fundiert beantworten – und so die<br />
öffentliche Debatte befeuern. Politischer<br />
Gegenwind, Widerstände aus der Wirtschaft<br />
und gesellschaftliches Beharrungsvermögen<br />
kalkuliert Hochfeld ein – und<br />
zitiert den früheren US-Senator Robert<br />
Kennedy: „Fortschritt ist ein schönes<br />
Wort. Seine Triebkraft aber heißt Wandel.<br />
Und der Wandel hat seine Feinde.“<br />
Die Verkehrswende würde von zwei<br />
Säulen getragen: Zum einen soll Verkehr<br />
vermieden, auf umweltfreundliche<br />
Verkehrsträger verlagert und effizienter<br />
gestaltet werden. Zum anderen soll der<br />
Verkehr bis 2050 elektrifiziert werden<br />
und ohne fossile Brennstoffe auskommen<br />
(siehe Infografik S. 12). Zentraler Baustein<br />
des Wandels ist nach Vorstellung der<br />
Agora Verkehrswende die klimafreundliche<br />
Entwicklung des Stadtverkehrs. Hier<br />
soll die notwendige Veränderung beginnen<br />
und den Einwohnern zu mehr Lebensqualität<br />
verhelfen.<br />
www.agora-verkehrswende.de<br />
Ein ausführliches Interview mit Christian<br />
Hochfeld finden Sie auch auf der Seite:<br />
www.damit-deutschland-vorne-bleibt.de<br />
04 | <strong>2016</strong><br />
13
vierteljahrhundert<br />
Serie zu 25 Jahren <strong>VDV</strong><br />
Wettbewerb funktioniert im<br />
SPNV<br />
Immer mehr Menschen nutzen die Eisenbahn, und vor<br />
allem der Nahverkehr auf der Schiene ist seit der Bahnreform<br />
„bunter“ geworden. Dieser Beitrag von Veit Salzmann,<br />
<strong>VDV</strong>-Vizepräsident für die Sparte Personenverkehr<br />
mit Eisenbahnen, bildet den vierten Teil unserer fünfteiligen<br />
Serie zu aktuellen Themen aus dem Verband.<br />
AUTOR<br />
Veit Salzmann,<br />
<strong>VDV</strong>-Vizepräsident<br />
Personenverkehr mit<br />
Eisenbahnen<br />
Etwas mehr als 20 Jahre ist es her, dass<br />
die Weichen für den Personenverkehr<br />
auf der Schiene neu gestellt wurden.<br />
<strong>Das</strong> Eisenbahnneugliederungsgesetz, das<br />
Gesetz über die Gründung der Deutschen<br />
Bahn AG und vor allem das Regionalisierungsgesetz<br />
machten den Weg für mehr<br />
Wettbewerb frei. Neben der DB konnten<br />
sich auch andere Eisenbahnunternehmen<br />
im Schienenpersonennahverkehr (SPNV)<br />
engagieren. Seitdem dessen Planung, Organisation<br />
und Finanzierung vom Bund<br />
auf die Länder übergegangen ist, hat sich<br />
in diesem Markt viel bewegt. <strong>Das</strong> erweiterte<br />
Angebot wird verstärkt genutzt. Ein<br />
deutlicher Anstieg der Fahrgastzahlen<br />
führte zu einer höheren Auslastung der<br />
Züge. Heute funktioniert der Wettbewerb<br />
im SPNV – und er gewinnt sogar wieder<br />
an Fahrt.<br />
Welle von Ausschreibungen rollt<br />
<strong>Das</strong> war nicht immer so. Die anfängliche<br />
„Goldgräberstimmung“ war bei den<br />
Eisenbahnverkehrsunternehmen, die<br />
sich aktiv am Ausschreibungswettbewerb<br />
beteiligten, schnell verflogen. Zu<br />
hoch waren die Eintrittsbarrieren in den<br />
SPNV-Markt. Ein Markt, der sich erst<br />
entwickeln musste und dessen Teilnehmer<br />
– also Eisenbahnen und Aufgabenträger<br />
– lernen mussten, miteinander<br />
umzugehen. Mit Blick auf die gemeinsamen<br />
Aufgaben arbeiten beide Partner<br />
inzwischen intensiv und konstruktiv<br />
zusammen, um den Bestellermarkt SPNV<br />
weiterzuentwickeln.<br />
Heute fährt der Marktführer DB Regio<br />
knapp drei Viertel der Zugkilometer im<br />
SPNV, aber die Wettbewerber holen auf.<br />
Mit wachsendem Erfolg engagieren sich<br />
neben Beteiligungsunternehmen meist<br />
ausländischer Staatsbahnen auch Landesbahnen<br />
und Eisenbahnen, die sich im<br />
kommunalen Besitz befinden. Und die<br />
Ausschreibungswelle ebbt noch nicht<br />
ab: Bis 2020 werden jährlich knapp<br />
90 Millionen Zugkilometer vergeben.<br />
Neben zentralen strategischen Fragen<br />
wie der Finanzierungsbasis des SPNV<br />
gab und gibt es zahlreiche Themen, für<br />
die im sich entwickelnden SPNV-Markt<br />
erst Lösungen gefunden werden mussten<br />
beziehungsweise noch gefunden<br />
werden müssen. Stichwort: Fahrzeuge.<br />
Mangelnde Fertigungsqualität, fehlende<br />
Termintreue bei der Auslieferung, Zulassungsschwierigkeiten<br />
sowie Serviceprobleme<br />
führten wiederholt dazu, dass<br />
verschiedene Verkehrsleistungen nicht<br />
planmäßig erbracht werden konnten.<br />
Mittlerweile wurden die Zulassungsund<br />
Genehmigungsverfahren überarbeitet.<br />
Inwiefern sie jetzt das Risiko bei<br />
der Zulassung von Fahrzeugen wirklich<br />
vermindern, wird sich noch zeigen.<br />
Finanzierungshilfen wirken<br />
Als wirkungsvoll haben sich dagegen<br />
bereits von den Aufgabenträgern entwickelte<br />
Finanzierungshilfen erwiesen,<br />
die Verkehrsunternehmen bei der Anschaffung<br />
von Neufahrzeugen in Anspruch<br />
nehmen können, um zinsgünstige<br />
Darlehen beziehungsweise attraktive<br />
14 04 | <strong>2016</strong>
AUS DEM VERBAND<br />
Leasingkonditionen zu erhalten. Bei Vergabeverfahren<br />
mit Finanzierungshilfen<br />
oder der Bereitstellung eines Fahrzeugpools<br />
durch den Aufgabenträger bieten<br />
deutlich mehr Eisenbahnunternehmen<br />
mit und beleben so den Wettbewerb. Als<br />
Instrument der Finanzierungshilfe werden<br />
in Vergabeverfahren beispielsweise<br />
Wiedereinsatzgarantien angeboten. Bei<br />
ihnen sichert der Aufgabenträger zu,<br />
dass die Fahrzeuge auch bei einer Folgeausschreibung<br />
genutzt werden können.<br />
Weitere Möglichkeiten sind die<br />
Kapitaldienstgarantie, bei der der Aufgabenträger<br />
gewährleistet, die Fahrzeugfinanzierung<br />
zu bedienen, falls das<br />
Verkehrsunternehmen ausfällt. Zudem<br />
gibt es Modelle, bei denen der Bieter die<br />
Fahrzeuge beschafft und sie umgehend<br />
an den Aufgabenträger weiterverkauft,<br />
um sie anschließend zurückzuleasen.<br />
Eines der wichtigsten übergeordneten<br />
Finanzierungsthemen konnte vor Kurzem<br />
erfolgreich abgeschlossen werden<br />
– unter maßgeblicher Mitwirkung des<br />
<strong>VDV</strong>: Bund und Länder haben sich im<br />
Juni geeinigt, die Regionalisierungsmittel<br />
auf 8,2 Milliarden Euro zu erhöhen.<br />
<strong>Das</strong> ist ein sehr gutes Ergebnis für den<br />
SPNV in ganz Deutschland. Jetzt gilt es,<br />
die Beschlüsse schnellstmöglich in Gesetzesform<br />
zu gießen und umzusetzen,<br />
denn Verkehrsverbünde und Aufgabenträger<br />
warten händeringend auf das Geld,<br />
um die Verkehre für die kommenden<br />
Jahre verlässlich planen und bestellen zu<br />
können.<br />
Weitere Aufgaben stehen an<br />
Darüber hinaus bleibt noch eine Reihe<br />
von Aufgaben zu erledigen: Beispielhaft<br />
seien die weitere Gestaltung von Verkehrsverträgen,<br />
die Standardisierung<br />
von Fahrzeugen (siehe auch Beitrag<br />
S. 16), der Fahrscheinverkauf und die<br />
Berechnung von Provisionen sowie die<br />
Qualitätssicherung bei der Eisenbahninfrastruktur<br />
genannt. Ganz oben auf<br />
der Tagesordnung in den Unternehmen<br />
stehen die „Dauerbrenner“ Pünktlichkeit,<br />
Zuverlässigkeit, Service und Sauberkeit<br />
in den Zügen, Fahrgastinformationen<br />
sowie die Herausforderungen durch die<br />
Digitalisierung. Aber ich bin mir sicher,<br />
dass unsere Branche auch diese Themen<br />
erfolgreich abschließen wird – ganz im<br />
Sinne unserer Fahrgäste.<br />
90<br />
Millionen<br />
Ungefähr so viele Zugkilometer<br />
werden bis 2020<br />
jedes Jahr neu vergeben.<br />
Im Nahverkehr auf der Schiene engagieren sich mittlerweile zahlreiche Unternehmen wie die zur Länderbahn<br />
gehörende Vogtlandbahn sowie Agilis (Benex) und DB Regio (v.r.) – hier im Hauptbahnhof Hof.<br />
04 | <strong>2016</strong><br />
15
HINTERGRUND<br />
Universal-Toilette<br />
In jedem durchgängigen Standardfahrzeug soll<br />
auf etwa 200 Sitzplätze mindestens ein WC<br />
kommen. Hierbei sind nicht nur die Kosten für<br />
die sanitären Anlagen abzuwägen, sondern auch,<br />
ob der Platzbedarf zu Lasten der allgemein nutzbaren<br />
Fläche geht. Für S-Bahnen können andere<br />
Anforderungen gelten.<br />
Sicherheit<br />
Alle Fahrzeuge sollen mit Videokameras ausgestattet<br />
sein, die den Fahrgastraum mindestens<br />
zu 90 Prozent abdecken.<br />
Mehrzweckabteil<br />
Für Rollstühle, Kinderwagen und Fahrräder soll<br />
es, möglichst voneinander getrennt, in jedem<br />
durchgängigen Fahrzeug ein und bei längeren<br />
Zügen zwei Mehrzweckabteile geben. Diese sollen<br />
von außen deutlich gekennzeichnet werden.<br />
Fahrräder sollen 1,80 Meter Platz haben. <strong>Das</strong><br />
entspricht üblicherweise vier Klappsitzen.<br />
Gepäckaufbewahrung<br />
Alle Fahrzeuge sollen Möglichkeiten bieten,<br />
Gepäck aufzubewahren: oberhalb der<br />
Sitzplätze für eine Handgepäckgröße, wie<br />
sie mit in die Flugzeugkabine genommen<br />
werden darf, oder für größere Gepäckstücke<br />
im modular gestaltbaren Innenraum.<br />
Türanordnung<br />
Wie schnell Fahrgäste ein- und aussteigen und<br />
die Züge dann weiterfahren können, hängt vor<br />
allem von den Türen ab: der Anzahl, der Verteilung<br />
sowie der Zeit zum Öffnen und Schließen.<br />
Fahrzeughersteller sollten eine Auswahl bieten,<br />
wie viele Türen pro Wagen in welchen Abständen<br />
angeordnet werden können. Es liegt nahe, die<br />
Durchgangsbreite je Türspur auf 65 Zentimeter<br />
und die Höhe der Tür auf 2,10 Meter festzulegen.<br />
Einstiegsniveau<br />
Mehr Technik am Fahrzeug allein eignet sich nicht,<br />
um Barrierefreiheit zu schaffen. Die Einstiegsbereiche<br />
der Züge sollen auf eine Bahnsteighöhe von<br />
55 oder 76 Zentimetern ausgelegt werden und bei<br />
S-Bahnen niveaugleich auf 96 Zentimeter. Bahnsteige<br />
mit abweichenden Höhen müssen dennoch<br />
möglichst barrierefrei bedient werden können.<br />
Reisekomfort<br />
Was WLAN und Mobilfunkrepeater<br />
an Bord anbelangt, agieren Bahnen<br />
und Aufgabenträger derzeit zurückhaltend.<br />
Ziel ist es jedoch, möglichst<br />
unterbrechungsfreies Surfen im Internet<br />
und Telefonieren zu bieten.<br />
16 04 | <strong>2016</strong>
Mit Standards<br />
das Beste herausholen<br />
Die Mittel für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) sind<br />
nicht unerschöpflich. Standardisierte Fahrzeuge können<br />
helfen, mit dem vorhandenen Geld das Optimum für Kunden,<br />
Unternehmen und Auftraggeber zu erzielen. Mit Eckpunkten<br />
für das „Fahrzeug 2020+“ wenden sich die Bundesarbeitsgemeinschaft<br />
der Aufgabenträger des SPNV sowie der <strong>VDV</strong><br />
jetzt an die Hersteller.<br />
Fahrzeuglänge<br />
Die Züge müssen optimal an Bahnsteiglängen<br />
und Kurvenradien angepasst sowie bei schwacher<br />
und starker Nachfrage hinreichend<br />
wirtschaftlich sein. Deshalb sollten Standardfahrzeuge<br />
möglichst mittelgroß gebaut sein<br />
– also Dieseltriebzüge zwei- oder dreiteilig und<br />
Elektro fahrzeuge drei- bis fünfteilig beziehungsweise<br />
mit zum Beispiel 200, 400 oder 600<br />
Sitzplätzen.<br />
Sie sind das A und O im Nahverkehr auf der Schiene:<br />
Mit den Fahrzeugen steht und fällt die Wirtschaftlichkeit<br />
des Betriebs. Und sie prägen nachhaltig das<br />
Bild, das sich aktuelle und künftige Kunden vom SPNV<br />
machen.<br />
„20 Jahre nach der Bahnreform haben wir zwar<br />
einen modernen Fahrzeugpark erreicht, allerdings<br />
gibt es immer ausstattungsseitiges und auch wirtschaftliches<br />
Verbesserungspotenzial. Bahnen und<br />
Aufgabenträger sehen sich hier gefordert, die Standardisierung<br />
voranzutreiben“, erläutert Dr. Martin Henke,<br />
Geschäftsführer Eisenbahn beim <strong>VDV</strong>. Deshalb haben<br />
der <strong>VDV</strong> und die Bundesarbeitsgemeinschaft der<br />
Aufgabenträger des Schienenpersonennahverkehrs<br />
(BAG-SPNV) definiert, wie sie sich das rollende<br />
Material der Zukunft vorstellen. Unter dem Titel<br />
„Fahrzeug 2020+“ wenden sie sich mit einem Leitbild<br />
an die Hersteller. Es fasst die wesentlichen Anforderungen<br />
an Technik, Design und Ausstattung (siehe<br />
Infografik) zusammen. „Die gemeinsamen Leitlinien<br />
von <strong>VDV</strong> und BAG-SPNV stellen einen ersten Schritt<br />
hin zu harmonisierten Zielsetzungen dar und geben<br />
einen wichtigen Impuls für vereinheitlichte Anforderungen<br />
an die Schienenfahrzeuge der Zukunft.“ <strong>Das</strong><br />
sagt Kai Daubertshäuser, Vize-Präsident der BAG-<br />
SPNV, mit Blick auf die im Nahverkehr begrenzt zur<br />
Verfügung stehenden Mittel.<br />
Standardisierte Fahrzeuge können einen wesentlichen<br />
Beitrag leisten, um den SPNV attraktiv zu halten<br />
und dauerhaft zu finanzieren. Bereits im laufenden<br />
Betrieb lassen sie sich flexibler einsetzen und kostengünstiger<br />
instand halten. Eine Kernforderung ist<br />
hierbei die baureihenübergreifende Kuppelbarkeit<br />
der Fahrzeuge. Auch damit kann das Risiko des Wiedereinsatzes<br />
wirksam gemindert und so die Wirtschaftlichkeit<br />
insgesamt verbessert werden.<br />
Kuppelbarkeit<br />
Flotten beziehungsweise Züge unterschiedlicher Baureihen<br />
müssen untereinander mechanisch und elektrisch<br />
kuppelbar sein. Nicht nur bei Störungen können<br />
nur so Alternativen genutzt werden sowie Flotten<br />
nach Bedarf auch langfristig zusammengestellt und<br />
erweitert werden.<br />
04 | <strong>2016</strong> 17
UNTERWEGS IM NETZ<br />
Wir müssen viele verschiedene<br />
Erfahrungen sammeln. Hier<br />
hilft der Austausch.<br />
Henrik Falk,<br />
Vorstandsvorsitzender<br />
der Hamburger Hochbahn<br />
18 04 | <strong>2016</strong>
Sauber,<br />
Hamburg<br />
<strong>Das</strong> Ziel klingt ehrgeizig: Ab 2020 sollen<br />
die Verkehrsunternehmen in Hamburg<br />
nur noch emissionsfreie Busse anschaffen.<br />
Die Hamburger Hochbahn AG und die<br />
Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein GmbH<br />
(VHH) haben sich deswegen jetzt zu einer<br />
strategischen Partnerschaft zusammengetan.<br />
Gemeinsam wollen sie den Einsatz innovativer<br />
Antriebstechniken in der Hansestadt weiter<br />
vorantreiben – für einen sauberen Nahverkehr.<br />
Vorsichtig manövriert Busfahrer Jan Fleck den nur 7,7<br />
Meter langen Rampini-Bus – einen von zweien im<br />
VHH-Fuhrpark – durch das Blankeneser Treppenviertel.<br />
Die verwinkelten Gassen auf der rund fünf Kilometer langen<br />
Ringlinie sind nur wenig breiter als das vollelektrische<br />
Fahrzeug. „Bergziege“ haben die Bewohner von Blankenese<br />
die Midi-Busse der Linie 48 liebevoll getauft. Denn das<br />
Treppenviertel ist alles andere als norddeutsch-platt. Die<br />
engen Straßen führen größtenteils bergauf und bergab – die<br />
höchste Steigung beträgt 16 Prozent. Ein Mountainbiker,<br />
den Jan Fleck kurz vor der Kuppe überholt, quält sich<br />
mühsam den Berg hinauf.<br />
Flusspanorama: Nur kurz fährt der Rampini-Elektrobus<br />
der Linie 48 auf ebener Strecke am Ufer der Elbe entlang.<br />
Der Großteil der Route führt durchs Blankeneser<br />
Treppenviertel und den Waseberg hinauf– mit bis zu<br />
16 Prozent Steigung.<br />
Elektrische „Bergziege“ fährt wirtschaftlich<br />
Diese für Hamburg besondere Topografie macht auch<br />
die beiden E-Busse der Linie zu etwas Besonderem. „Es<br />
sind die ersten rein elektrischen Busse in Deutschland,<br />
die über ihre Lebensdauer wirtschaftlich laufen“, erklärt<br />
VHH-Geschäftsführer Toralf Müller. Denn bergab können<br />
sie selbst so viel Strom in die Batterie zurückspeisen,<br />
dass sie pro Runde gerade einmal drei Prozent der<br />
Energie verbrauchen. Nur nach rund jeder dritten Tour<br />
tanken die Fahrer kurz an der Ladestation nach. Abends<br />
kehren die Busse mit immer noch 50 Prozent Ladung<br />
auf den Betriebshof zurück. „Wenn man den Energie-<br />
04 | <strong>2016</strong><br />
19
UNTERWEGS IM NETZ<br />
Eine solche Umstellung<br />
verändert ein Unternehmen.<br />
Praktisch alle Abteilungen<br />
stellen sich den<br />
Herausforderungen.<br />
Toralf Müller,<br />
Geschäftsführer VHH<br />
verbrauch für diese Strecke entsprechend umrechnet,<br />
kämen die E-Busse auf nur 8,5 Liter Diesel für<br />
100 Kilometer“, so Toralf Müller. Zum Vergleich: Ein<br />
Diesel- Midi-Bus auf der Linie verbraucht 43 Liter.<br />
Auf Erfahrungen wie diese – und den entsprechenden<br />
Austausch – kommt es an, wenn der Einsatz innovativer<br />
Antriebstechnologien weiter vorangetrieben<br />
werden soll. Davon sind zumindest Hochbahn<br />
und VHH überzeugt. Vor allem, wenn die Uhr tickt.<br />
Schon in dreieinhalb Jahren sollen<br />
die beiden Verkehrsunternehmen,<br />
die zusammen auf rund 1.500 Busse<br />
kommen, nur noch emissionsfreie<br />
Fahrzeuge anschaffen. Selbst dieselelektrische<br />
Hybride sind dann keine<br />
Option mehr. „Es liegt doch auf der<br />
Hand, dass wir unsere Erfahrungen<br />
zusammenwerfen“, erklärt der neue<br />
Hochbahn-Chef Henrik Falk: Denn<br />
auch die Hochbahn treibt den Einsatz neuer Technologien<br />
voran. Innovative Antriebe testet sie schon<br />
seit mehr als zehn Jahren. Im Dezember 2014 hat sie<br />
zudem ihre rund zehn Kilometer lange Innovationslinie<br />
109 in Betrieb genommen. Auf dieser fahren<br />
dieselelektrische Hybride, Brennstoffzellen-Fahrzeuge,<br />
Plug-In-Hybridbusse und Batteriebusse mit<br />
einer Brennstoffzelle als sogenanntem „Range Extender“<br />
zur Verlängerung der Reichweite. Mitte August<br />
kamen mit drei „Solaris Urbino 12 electric“ die<br />
ersten rein batteriebetriebenen Fahrzeuge dazu. Die<br />
VHH wiederum ergänzen ihren Fuhrpark in diesem<br />
Herbst noch um zwei vollelektrische, 18 Meter lange<br />
Gelenkbusse von Van Hool. Und zusammen testeten<br />
die beiden Verkehrsunternehmen den Sileo S18 – ein<br />
gemeinsames Branding inklusive.<br />
Erfahrungsaustausch reicht nicht<br />
Doch zur gemeinsamen Kooperation gehört mehr als<br />
der reine Wissenstransfer. Auf Sach- und Projektebene<br />
arbeiteten Hochbahn und VHH schon vorher<br />
zusammen. Jetzt gibt es zudem einen regelmäßigen<br />
Jour fixe der Geschäftsführungen. Strategisch wollen<br />
sie sich weiter verzahnen, ihre gemeinsamen<br />
Aktivitäten in Sachen regenerative Energien enger<br />
abstimmen – etwa bei Fahrzeugtests und Fahrzeugbeschaffungen.<br />
Und nicht zuletzt tun sich Hochbahn und VHH in der<br />
Zusammenarbeit mit externen Partnern zusammen.<br />
Schon heute werden die Stromanbieter mit einbezogen.<br />
Denn große E-Bus-Flotten können nachts auf<br />
den Betriebshöfen nicht mal eben ans Netz gehängt<br />
werden. „Hier stehen wir in intensiven Gesprächen<br />
mit Stromnetz Hamburg, um eine gute Lösung zu<br />
finden“, erklärt Toralf Müller: „Nach einer kompletten<br />
Umstellung auf E-Busse hätten allein unsere 550<br />
Fahrzeuge den Energieverbrauch einer Kleinstadt.<br />
<strong>Das</strong> ist enorm.“ Deswegen sei auch die Helmut-<br />
Schmidt-Universität in die Entwicklung eines intelligenten<br />
Stromabnahmekonzepts eingebunden.<br />
Gleichzeitig haben VHH und Hochbahn Gespräche<br />
VHH-Fahrer Jan Fleck manövriert gekonnt den elektrischen<br />
Midi-Bus durch Blankenese. Großer Vorteil in den engen Gassen:<br />
<strong>Das</strong> Fahrzeug ist etwas schmaler als sein Diesel-Pendant.<br />
Im August hat die Hochbahn drei rein elektrische Busse von<br />
Solaris in Betrieb genommen. Damit umfasst ihre Flotte aus<br />
Bussen mit innovativen Antrieben nun 61 Fahrzeuge.<br />
20 04 | <strong>2016</strong>
Nach etwa jeder dritten Runde laden die Fahrer der batteriebetriebenen „Bergziege“ kurz nach. Seltener als ursprünglich<br />
erwartet: Beim Start vor eineinhalb Jahren ging die VHH noch davon aus, dass der Bus nach jeder Fahrt an die Säule muss.<br />
mit Offshore-Windparkbetreibern aufgenommen.<br />
Denn diese wissen gerade nachts nicht, wohin mit<br />
dem überproduzierten Strom. „Man kann Energie<br />
eben nicht gut speichern“, so Henrik Falk, „es sei denn,<br />
Sie haben Batterien. Und die haben wir – mit einem<br />
Chassis drum herum.“<br />
Beide Unternehmenschefs sind überzeugt: <strong>Das</strong> Ziel<br />
2020 ist zu schaffen – zumal es ihrer Ansicht nach<br />
in diesem Bereich eine gute staatliche und europäische<br />
Förderung gibt. Bei einer Laufzeit von elf bis<br />
14 Jahren pro Bus wäre die Umstellung Anfang der<br />
2030er-Jahre abgeschlossen. Gleichwohl bleibt noch<br />
viel zu tun. Mangelnde Wirtschaftlichkeit, eine teils<br />
noch nicht ausreichende Reichweite, technische<br />
Kinderkrankheiten und die Tatsache, dass gerade im<br />
Winter Nebenaggregate wie die Heizung enorm viel<br />
Energie verbrauchen: „Noch haben wir keine wirklich<br />
serienreifen Fahrzeuge“, bedauert Henrik Falk:<br />
„Vor allem, was Reichweite und Verfügbarkeit angeht,<br />
muss noch viel getan werden.“ Maßstab sei hier der<br />
konventionelle Dieselbus. „Unser Kernauftrag lautet,<br />
unsere Kunden pünktlich, sicher und komfortabel zu<br />
befördern. Da muss ein E-Bus genauso verlässlich<br />
sein wie ein Diesel. Aber in der Industrie tut sich hier<br />
viel“, sagt Henrik Falk.<br />
Kooperationen wie die zwischen Hochbahn und VHH<br />
seien vielleicht auch das nötige Signal gegenüber den<br />
Herstellern, um zu zeigen, dass der ÖPNV es mit der<br />
Umstellung ernst meint. Dabei wollen sich die beiden<br />
Unternehmen keinesfalls als exklusiver Club verstanden<br />
wissen: Ende August trafen sich Vertreter<br />
der Hamburger und der Berliner Politik sowie der<br />
Verkehrsunternehmen beider Städte zu einem Pressetermin<br />
in der Hauptstadt. Anlass war die Unterzeichnung<br />
einer gemeinsamen Absichtserklärung:<br />
Zusammen wollen die beiden Städte daran arbeiten,<br />
nur noch emissionsfreie Busse zu kaufen. Insgesamt<br />
kommen die drei Verkehrsunternehmen auf 3.000<br />
Busse – die Erklärung hat Gewicht. „Und natürlich<br />
ist diese Kooperation nicht auf Hamburg und Berlin<br />
beschränkt“, betonen Henrik Falk und Toralf Müller<br />
unisono. Getreu dem Motto: Je mehr, desto besser.<br />
Mehr Informationen finden Sie online unter:<br />
www.hochbahn.de<br />
www.vhhbus.de<br />
04 | <strong>2016</strong><br />
21
??????<br />
Heute weiß jeder, worum es geht.<br />
Vor zehn Jahren war das Thema<br />
Carsharing aber noch erklärungsbedürftig.<br />
Willi Loose,<br />
Geschäftsführer Bundesverband Carsharing<br />
Stellplatz im öffentlichen Straßenraum:<br />
Wie auf dieser Fotomontage<br />
könnten in Zukunft deutschlandweit<br />
Flächen für Carsharing-<br />
Fahrzeuge ausgewiesen werden.<br />
„Auto-Teiler“<br />
hoffen auf Schub<br />
durch Gesetzgeber<br />
22 04 | <strong>2016</strong>
HINTERGRUND<br />
In Deutschland nutzen 1,3 Millionen registrierte Carsharing-Kunden<br />
etwa 16.000 Fahrzeuge. Ein geteiltes Auto kann bis zu 20 private Pkw<br />
ersetzen. Zusätzlichen Rückenwind verspricht sich die boomende<br />
Branche von einem Gesetz, das sie seit mehr als zehn Jahren einfordert<br />
und das voraussichtlich Anfang 2017 verabschiedet wird.<br />
Verbandsarbeit kommt nicht selten dem<br />
Bohren dicker Bretter gleich. Viele<br />
Dinge dauern eben ihre Zeit, vor allem so<br />
manches Gesetzgebungsverfahren. Willi<br />
Loose kennt sich bestens damit aus. Der Geschäftsführer<br />
des Bundesverbands Carsharing<br />
(bcs) bohrt schon seit vielen Jahren mit<br />
am Carsharing-Gesetz. Aber irgendwann<br />
sind auch die dicksten Bretter durch. Nach<br />
nunmehr fast zehn Jahren geht das Gesetzgebungsverfahren<br />
in seine entscheidende<br />
Phase. Die Abstimmung mit den Verbänden<br />
steht kurz bevor. Neben dem bcs, der unter<br />
anderem die politischen Interessen seiner<br />
122 Mitglieder vertritt, sind weitere Verbände<br />
eingebunden – darunter auch der<br />
<strong>VDV</strong>. <strong>Das</strong> von den Carsharing-Anbietern<br />
– egal ob stationsbasiert oder stationsunabhängig<br />
(free-floating) – lang erwartete<br />
Regelwerk soll unter anderem festlegen,<br />
wie die örtlichen Straßenverkehrsbehörden<br />
Stellflächen für Carsharing-Fahrzeuge<br />
im öffentlichen Straßenraum reservieren<br />
können. „Wir hoffen, dass viele Städte und<br />
Gemeinden die neuen Möglichkeiten nutzen“,<br />
erläutert Willi Loose. Vor allem das<br />
stationsbasierte Carsharing könne dann<br />
in der Stadt besser sichtbar auftreten und<br />
einfacher zugänglich sein. Carsharing,<br />
Fahrrad und ÖPNV: <strong>Das</strong> Gesetz könnte<br />
diesem umwelt- und klimafreundlichen<br />
Mobilitätsverbund weiteren Schub geben.<br />
Busse und Bahnen profitieren<br />
Mittlerweile ist Carsharing in weiten Teilen<br />
der Gesellschaft angekommen. „Heute<br />
weiß jeder, worum es geht. Vor zehn Jahren<br />
war das Thema aber noch erklärungsbedürftig“,<br />
erinnert sich Willi Loose. Ein<br />
ähnliches Meinungsbild zeigt auch die<br />
aktuelle <strong>VDV</strong>-Umfrage „ÖPNV im Urteil<br />
der Bevölkerung <strong>2016</strong>“. 43 Prozent gaben<br />
an, dass sie Carsharing als Neuerung im<br />
Nahverkehrsangebot kennen. Unter den<br />
Innovationen rangiert es in der Wahrnehmung<br />
der Befragten auf Platz eins –<br />
gleichauf mit Online-Ticket-Angeboten<br />
und knapp vor mobilen Fahrplanauskünften.<br />
Vom Trend zum geteilten Auto können<br />
die Verkehrsunternehmen profitieren. Sie<br />
sind längst nicht mehr reine Anbieter von<br />
Bussen und Bahnen, sondern verknüpfen<br />
zusammen mit den Verkehrsverbünden<br />
seit einigen Jahren verstärkt verschiedene<br />
Verkehrsträger zu einem multimodalen<br />
Mobilitätsangebot.<br />
CARSHARING IN DEUTSCHLAND<br />
+ 21,2 %<br />
1.260.000<br />
Fahrberechtigte<br />
+ 4,5 %<br />
16.100<br />
Fahrzeuge<br />
Nutzen statt Besitzen<br />
liegt im Trend: <strong>Das</strong> dynamische<br />
Wachstum im<br />
vergangenen Jahr geht<br />
vor allem auf Kunden der<br />
Free- floating-Anbieter<br />
zurück. Etwas moderater<br />
fiel das Flotten-Wachstum<br />
bei beiden Carsharing-<br />
Varianten aus.<br />
04 | <strong>2016</strong><br />
23
HINTERGRUND<br />
Es wäre schön, wenn mehr Wege und<br />
Abstellmöglichkeiten für Fahrräder,<br />
breitere Fußwege, mehr Sitzgelegenheiten,<br />
mehr Grün und für Kinder<br />
mehr Platz zum Spielen entstehen<br />
würden.<br />
Willi Loose,<br />
Geschäftsführer Bundesverband Carsharing<br />
Wenn die Rahmenbedingungen stimmen,<br />
kann Carsharing in den Innenstädten<br />
einen spürbaren Beitrag dazu<br />
leisten, den Verkehr und die Umwelt<br />
zu entlasten, und sogar einen autofreien<br />
Lebensstil unterstützen. Zu<br />
diesem Ergebnis kommt eine aktuelle<br />
bcs-Befragung von 3.500 Kunden des<br />
stationsbasierten Carsharings, die<br />
innenstadtnah wohnen und Zugang<br />
zu einer gut ausgebauten Versorgung<br />
mit Teil-Autos haben. Unter dem<br />
Strich – wenn auch nur leicht – profitiert<br />
davon auch der ÖPNV: 19 Prozent<br />
der Carsharing-Kunden gaben<br />
an, häufiger mit Bussen und Bahnen<br />
zu fahren; 14 Prozent fahren jedoch<br />
seltener. Deutlicher sind die Zahlen<br />
bei Befragten, die komplett auf ein<br />
eigenes Auto verzichten. Nach der<br />
Anmeldung zum Carsharing nutzen<br />
40 Prozent häufiger Bus und Bahn,<br />
während lediglich sechs Prozent seltener<br />
im ÖPNV unterwegs sind.<br />
Nutzer schaffen Autos ab<br />
In den untersuchten Stadtvierteln<br />
ersetzte jedes Carsharing-Fahrzeug<br />
zwischen acht und 20 private Autos.<br />
20<br />
PRIVATE FAHRZEUGE<br />
werden maximal von einem Carsharing-Fahrzeug<br />
ersetzt, so eine<br />
aktuelle Studie des Bundesverbands<br />
Carsharing.<br />
<strong>Das</strong> entspricht einem Straßenabschnitt<br />
von 36 bis 100 Metern Länge,<br />
der sonst voller Autos stünde. Ein parallel<br />
zur Studie vorgelegter Vergleich<br />
verschiedener Carsharing-Systeme<br />
zeigt, dass Kunden stationsbasierter<br />
Anbieter prozentual besonders viele<br />
eigene Fahrzeuge abschaffen und<br />
häufiger ohne Auto leben als Kunden<br />
reiner Free-floating-Systeme.<br />
Diese wiederum erreichen eine höhere<br />
Anzahl von Nutzern, sodass sie<br />
rein rechnerisch mehr private Pkw<br />
von der Straße holen als stationsbasierte<br />
Systeme. „Der Gesamteffekt<br />
des Carsharings auf das Mobilitätsverhalten<br />
in einer Stadt lässt sich<br />
nur beurteilen, wenn man sieht, wie<br />
viele Kunden insgesamt erreicht<br />
werden“, sagt Willi Loose. Ein neuer<br />
Trend sind kombinierte Angebote,<br />
bei denen stationsbasierte Fahrzeuge<br />
und „Free-floater“ aus einer<br />
Hand angeboten werden und innerhalb<br />
eines Tarifs fahren. Solche Angebote<br />
gibt es in Frankfurt am Main,<br />
Mannheim, Heidelberg, Hannover<br />
und Osnabrück.<br />
Willi Loose denkt unterdessen schon<br />
weiter in die Zukunft. Er wünscht<br />
sich, dass Städte und Kommunen die<br />
frei werdenden Flächen nicht einfach<br />
anderen Autofahrern zum Parken<br />
überlassen. „Es wäre schön, wenn auf<br />
den Straßen mehr Wege und Abstellmöglichkeiten<br />
für Fahrräder, breitere<br />
Fußwege, mehr Sitzgelegenheiten,<br />
mehr Grün und für Kinder mehr Platz<br />
zum Spielen entstehen würden.“<br />
Mehr Platz zum Leben: Wo die Rahmenbedingungen<br />
stimmen, kann Carsharing Stadtviertel spürbar von<br />
Autos entlasten. <strong>Das</strong>s die frei werdenden Flächen<br />
nicht von nachrückenden Parkern belegt, sondern in<br />
Spielplätze und Grünanlagen umgewandelt werden,<br />
ist hier allerdings nur eine Fotomontage.<br />
Mehr Informationen finden Sie online unter:<br />
www.carsharing.de<br />
24 04 | <strong>2016</strong>
AUS DEM VERBAND<br />
Kongress:<br />
Trends im<br />
Marketing<br />
Wie werden Marktbearbeitung und Entscheidungsfindung<br />
im ÖPNV durch Digitalisierung<br />
und neue Medien verändert? Dieser Frage gehen<br />
die Teilnehmer des diesjährigen <strong>VDV</strong>-Marketing-Kongresses<br />
am 8. und 9. November in Berlin<br />
nach. Die neuesten Trends im Online-Marketing<br />
stehen ebenso auf der Tagesordnung wie „Digitalisierung<br />
und ländlicher Raum“ oder das Konzept<br />
des Design Thinkings als neue und interdisziplinäre<br />
Arbeitsmethode. Neben Impulsvorträgen<br />
werden vor allem Workshops angeboten. Einen<br />
Schwerpunkt stellt dabei der Erfahrungsaustausch<br />
dar.<br />
Anmeldungen sind noch bis zum 3. Oktober über<br />
die <strong>VDV</strong>-Akademie möglich. Mehr Infos unter:<br />
www.vdv-akademie.de<br />
ANZEIGE<br />
■<br />
■<br />
■<br />
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33. DEUTSCHER<br />
LOGISTIK-KONGRESS<br />
19.-21. Oktober <strong>2016</strong><br />
Trends und Strategien für das Supply Chain Management<br />
in Industrie und Handel<br />
Den Wandel gestalten<br />
Wissen: 120 internationale Referenten in interaktiven Formaten<br />
Netzwerk: mehr als 3.000 Teilnehmer aus Industrie, Handel und Dienstleistung<br />
Produkte: mehr als 150 Unternehmen präsentieren neue Produkte und Services<br />
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mit dem Stichwort<br />
„<strong>VDV</strong>“ anmelden!<br />
*auf den regulären Preis<br />
04 | <strong>2016</strong><br />
25
HINTERGRUND<br />
icher<br />
Bahnübergänge sind lebensgefährlich. Trotz technischer Sicherungen, trotz klarer Verkehrsregeln: Viele Autofahrer<br />
unterschätzen die Risiken, die Leichtsinn und Unachtsamkeit an der Kreuzung von Schiene und Straße<br />
bergen. Der <strong>VDV</strong> will dies gemeinsam mit DB Netz ändern und sucht Unterstützung in der Politik.<br />
Eindrucksvolle Kampagne aus Großbritannien:<br />
www.networkrail.co.uk/level-crossings<br />
<strong>Das</strong> Video kommt mit seiner Düsterkeit<br />
und seinen schockierenden Bildern<br />
an harte Wallander-Krimis heran.<br />
Die Story des Fünf-Minuten-Spots: Ein<br />
Junge, etwa 14 Jahre alt, flirtet auf dem<br />
Schulhof mit einer hübschen Mitschülerin.<br />
Dann schwingt er sich auf sein Fahrrad<br />
und braust davon. Wohin, das bleibt für<br />
Sekundenbruchteile unklar. <strong>Das</strong> Geräusch<br />
eines herannahenden Zuges, dann ein Augenblick<br />
der Stille: Die Kamera fixiert ein<br />
zerborstenes Handy zwischen Schienen,<br />
dann Blaulicht, hektische Menschen in<br />
gelben Warnwesten, schließlich eine entsetzte<br />
Mutter und fassungslose Schüler…<br />
Der Beobachter beginnt zu begreifen, was<br />
geschehen ist.<br />
Mit diesem unter die Haut gehenden<br />
Kurzfilm warnt der britische Netzbetreiber<br />
Network Rail vor den Gefahren der<br />
„level crossings“. Überall auf der Welt, wo<br />
es Schienenverkehr und damit Bahnübergänge<br />
gibt, ist das Problem bekannt. Während<br />
die Briten pointiert in ihrer Sprache<br />
die Losung ausgeben: „Stop - Look - Listen<br />
- Live“ (Halte - Schaue - Höre - Lebe),<br />
versucht Frankreichs SNCF mit Animationsfilmen<br />
das verkehrssichere<br />
Verhalten<br />
an Bahnübergängen<br />
einzuüben<br />
– und mit<br />
dem nachdenklich<br />
machenden<br />
Slogan: „Auf der<br />
Schiene ist die<br />
Gefahr schneller<br />
als du“. Und in<br />
Österreich gibt<br />
es schon Bahnübergänge,<br />
bei denen Rotlicht-Sünder wie<br />
an Straßenkreuzungen von einer Kamera<br />
geblitzt werden.<br />
Kampagne soll abschrecken<br />
„Sicher drüber“ ist hierzulande das Motto<br />
einer Kampagne, die die Deutsche Bahn<br />
gemeinsam mit dem ADAC und zwei Versicherungsgesellschaften<br />
schon 2002<br />
initiiert hat. Auch hier gibt es ein Video:<br />
Vier junge Leute in einem Auto, beschäftigt<br />
mit ihrer Musik im CD-Player, bis<br />
die Fahrt abrupt mit einem Crash auf dem<br />
Bahnübergang endet. <strong>Das</strong> Auto überschlägt<br />
sich mehrfach – wie die Insassen<br />
das überstehen, bleibt offen.<br />
„Diese Kampagne ist gut und richtig“,<br />
sagt Götz Walther, Fachbereichsleiter<br />
Eisenbahnbetrieb beim <strong>VDV</strong>. „Nur: Sie<br />
läuft auf viel zu kleiner Flamme, und wir<br />
begrüßen es, dass die DB Netz AG hier<br />
inzwischen gemeinsam mit der Bundespolizei<br />
die Präventionsarbeit intensiviert.<br />
Dennoch: Es passiert einfach<br />
noch zu viel auf den Bahnübergängen.“<br />
Im Schnitt sind es bis zu 200 Unfälle<br />
jährlich an den – so der Fachjargon –<br />
26 04 | <strong>2016</strong>
drüber<br />
niveaugleichen Kreuzungen von Schiene<br />
und Straße. Rund 17.500 gibt es davon.<br />
Und immer wieder sind Todesopfer und<br />
Schwerverletzte zu beklagen. Im vergangenen<br />
Jahr waren es gleich fünf schwere<br />
Unfälle, bei denen nicht nur Autoinsassen,<br />
sondern auch Zugpassagiere und -personal<br />
zu den Opfern zählten. <strong>Das</strong>s Bahnübergänge<br />
deshalb prinzipiell besonders<br />
gefährlich seien, verneint Walther mit<br />
Nachdruck: „Die bestehenden gesetzlichen<br />
Regelungen zur Sicherheit an<br />
Bahnübergängen sind völlig ausreichend.<br />
Insbesondere erfüllen die Eisenbahnen<br />
ihre gesetzlichen Sicherungspflichten.“<br />
Zur Sicherheit am Bahnübergang müssen<br />
jedoch auch die Straßenverkehrsteilnehmer<br />
beitragen – und hier liege ein<br />
Problem, so der <strong>VDV</strong>-Fachbereichsleiter:<br />
„Die Bereitschaft, einschlägige Verkehrsregeln<br />
zu beachten, lässt immer<br />
wieder zu wünschen übrig, genauso wie<br />
Für die Straßenverkehrsbehörden<br />
sind Bahnübergangsunfälle ein<br />
eher zu vernachlässigendes<br />
Problem.<br />
Götz Walther,<br />
Fachbereichsleiter<br />
Eisenbahnbetrieb beim <strong>VDV</strong><br />
das Wissen, wie Notfallsituationen<br />
zu melden<br />
sind.“ Hinzu kommt<br />
ein weiteres Problem:<br />
In Deutschland sterben<br />
im Jahr mehr als 3.000<br />
Menschen bei Verkehrsunfällen.<br />
„Für die Straßenverkehrsbehörden<br />
sind<br />
Bahnübergangsunfälle ein<br />
eher zu vernachlässigendes<br />
Problem“, beobachtet Walther.<br />
Bewusstsein für<br />
Regeln schärfen<br />
Im <strong>VDV</strong>-Ausschuss für Eisenbahnbetrieb<br />
und im technischen Unterausschuss<br />
Eisenbahnsicherungstechnik<br />
haben die Fachleute des Verbandes Ideen<br />
für mehr Sicherheit an Bahnübergängen<br />
zusammengetragen. Zunächst gehe es<br />
darum, in der Öffentlichkeit und bei den<br />
Autofahrern das Bewusstsein für vorschriftsmäßiges<br />
und damit sicheres<br />
Verhalten zu schärfen, erklärt <strong>VDV</strong>-<br />
Fachbereichsleiter Georg Sinnecker.<br />
Vom Führerschein-Neuling<br />
bis zum Berufskraftfahrer<br />
04 | <strong>2016</strong><br />
27
HINTERGRUND<br />
17.500<br />
BAHNÜBERGÄNGE<br />
gibt es derzeit im deutschen Schienennetz. Im Jahr 2000<br />
waren es noch 29.000. Rund 60 Prozent der heutigen<br />
Anlagen – überwiegend an den Hauptstrecken – sind<br />
technisch gesichert mit Schranken, Halbschranken,<br />
Signalanlagen.<br />
Quelle: DB<br />
gebe es zum Teil erhebliche Unkenntnis über die Regeln<br />
am Bahnübergang. So halten viele Autofahrer das rote<br />
Blinklicht, das an technisch gesicherten Kreuzungen<br />
auf den herannahenden Zug hinweist und Halt gebietet,<br />
lediglich für ein Warnsignal, ähnlich wie eine gelb blinkende<br />
Ampel. Auch die Bedeutung des Andreaskreuzes,<br />
das den Vorrang des Schienenverkehrs signalisiert, sei<br />
nicht allzu bekannt. „Und dass man um Halbschranken<br />
nicht herumkurven und auf die Gleise fahren darf, versteht<br />
sich eigentlich von selbst“, sagt Georg Sinnecker.<br />
Daher begrüßt der <strong>VDV</strong> den Vorstoß von DB Netz, mit<br />
den Fahrschul-Buchverlagen in enger Zusammenarbeit<br />
für bessere Information zu sorgen.<br />
<strong>VDV</strong> und DB Netz treiben Initiative voran<br />
Geschult werden muss aber auch das Notfallverhalten<br />
am Bahnübergang. Walther: „Bei drei der schweren Unfälle<br />
des Vorjahres sind jeweils Straßenfahrzeuge auf<br />
den Gleisen liegen geblieben. Gleichwohl sind weder<br />
der Autofahrer noch zufällige Beobachter auf die Idee<br />
gekommen, über 110 oder 112 Alarm auszulösen.“ Meist<br />
sei es in solchen Fällen auch zu spät, dem Zug entgegenzulaufen<br />
und den Lokführer zu warnen: „Ein mit<br />
100 km/h fahrender Regionalzug hat einen Bremsweg<br />
von fast 1.000 Metern. <strong>Das</strong> wird meist zu viel sein, um<br />
den Unfall zu vermeiden.“ Vorstellbar sei auch, dass an<br />
den Bahnübergängen Hinweistafeln aufgestellt werden,<br />
die prägnant und anhand von Piktogrammen Vorschläge<br />
für das Verhalten im Notfall machen.<br />
<strong>VDV</strong> und DB Netz wollen ihre Initiative für mehr Sicherheit<br />
an Bahnübergängen vereint vorantreiben und dies<br />
in einer gemeinsamen Vereinbarung dokumentieren.<br />
„Wir müssen in der Politik und bei den Behörden das<br />
Problembewusstsein wecken. <strong>Das</strong> ist bei den unterschiedlichen<br />
Zuständigkeiten von Bund, Ländern und<br />
Gemeinden nicht einfach, doch die Straßenverkehrsordnung<br />
gilt nun einmal überall“, betont Götz Walther.<br />
Wenig ermutigend war jedoch ein erster Vorstoß des<br />
<strong>VDV</strong> im vergangenen Jahr: In einem Schreiben an das<br />
28 04 | <strong>2016</strong>
InnoTrans <strong>2016</strong><br />
20. – 23. SEPTEMBER • BERLIN<br />
Internationale Fachmesse für Verkehrstechnik<br />
Innovative Komponenten • Fahrzeuge • Systeme<br />
innotrans.de<br />
Eine weitere Kampagne aus Frankreich im Animationsstil:<br />
www.securite-passageaniveau.fr<br />
Bundesverkehrsministerium, das parallel an zahlreiche<br />
Institutionen vom ADAC über den Deutschen Verkehrssicherheitsrat<br />
und das Eisenbahnbundesamt bis hin zu<br />
den Länderverkehrsministerien geschickt wurde, hatte<br />
der Verband die Problematik um die Bahnübergangssicherheit<br />
und die Lösungsansätze beschrieben. „Bisher“,<br />
so Walther, „haben wir aus dem Ministerium keine<br />
greifbare Resonanz.“<br />
Weitere Infos und der Clip zur Kampagne „Sicher drüber“:<br />
www.deutschebahn.com/de/nachhaltigkeit/verantwortung_<br />
gesellschaft/unfallpraevention/sicher_drueber.html<br />
Kontakt<br />
Messe Berlin GmbH<br />
Messedamm 22 · 14055 Berlin<br />
T +49 30 3038 2376<br />
F +49 30 3038 2190<br />
innotrans@messe-berlin.de<br />
04 | <strong>2016</strong><br />
29
ZU GUTER LETZT<br />
Per ÖPNV ins Grüne<br />
Die Sonne scheint, Termine stehen<br />
nicht an – der Kurztrip ins Grüne lockt.<br />
Aber wo soll‘s hingehen? Und wie?<br />
Die neue ÖPNV-Karte Naturtrip.org<br />
des gleichnamigen Unternehmens<br />
bietet hier Entscheidungshilfen – und<br />
schickt Nutzer umweltfreundlich<br />
per Bus und Bahn zum Ziel. Kleines<br />
Manko: Bisher umfasst die Karte nur<br />
Angebote aus Berlin, Brandenburg und<br />
der Sächsischen Schweiz. Doch weitere<br />
Regionen sollen folgen. Und würde der<br />
Service erst einmal bundesweit genutzt,<br />
so das Start-up, dann ließen sich pro Jahr<br />
bis zu 170.000 Tonnen CO2 einsparen.<br />
Ob tatsächlich so viele Menschen ihr<br />
Auto stehen lassen, um ins Grüne zu<br />
fahren, muss sich natürlich noch zeigen.<br />
Ein Vorteil der Plattform ist jedoch, dass<br />
der Nutzer im Vorfeld nicht genau wissen<br />
muss, wohin er will. Stattdessen gibt er<br />
auf der Website seinen Standort sowie<br />
die maximal gewünschte Reisezeit ein<br />
und wählt seine Wunschkategorie aus –<br />
zum Beispiel „See & Fluss“. Die Website<br />
spuckt dann eine Liste an Ausflugszielen<br />
aus, samt ÖPNV-Verbindung.<br />
Die Grundlage dafür bilden bislang die<br />
Fahrplandaten des Verkehrsverbundes<br />
Berlin-Brandenburg (VBB). Er hat sie für<br />
Start-ups im Rahmen einer Open-Data-<br />
Strategie freigegeben. Zu dem hat sich<br />
Naturtrip die (ideelle) Unterstützung<br />
verschiedener Koopera tionspartner<br />
gesichert, darunter auch die des <strong>VDV</strong>.<br />
www.naturtrip.org<br />
Termin<br />
15. bis 16.<br />
<strong>September</strong> <strong>2016</strong><br />
2. Internationaler BME/<br />
<strong>VDV</strong>-Intermodalkongress<br />
in Hamburg<br />
Unter dem Motto „Europa<br />
kombiniert vernetzen“ diskutieren die<br />
Teilnehmer über den grenzüberschreitenden<br />
Intermodalverkehr, insbesondere<br />
über die Seehäfen.<br />
www.vdv.de/termine.aspx<br />
Termin<br />
24. bis 25.<br />
Januar 2017<br />
10. BME/<strong>VDV</strong>-Forum<br />
Schienengüterverkehr<br />
in Bonn<br />
Auch 2017 trifft sich die Branche des<br />
Schienengüterverkehrs zum Forum in<br />
Bonn, um über aktuelle Themen zu diskutieren.<br />
Beispiele aus der Praxis werden<br />
vorgestellt.<br />
www.vdv.de/termine.aspx<br />
Die nächste <strong>Ausgabe</strong> von<br />
„<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>“<br />
erscheint Ende Oktober <strong>2016</strong>.<br />
Impressum<br />
<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong><br />
Herausgeber:<br />
Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. (<strong>VDV</strong>),<br />
Kamekestraße 37-39, 50672 Köln,<br />
Tel. 02 21/5 79 79-0,<br />
E-Mail: info@vdv.de,<br />
Internet: www.vdv.de<br />
Redaktion <strong>VDV</strong>:<br />
Lars Wagner (V.i.S.d.P.),<br />
Pressesprecher und Leiter Presse- und<br />
Öffentlichkeitsarbeit<br />
Anschrift der Redaktion:<br />
Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (<strong>VDV</strong>),<br />
Redaktion „<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>“,<br />
Leipziger Platz 8, 10117 Berlin,<br />
magazin@vdv.de<br />
Realisierung, Text und Redaktion:<br />
AD HOC PR, Gütersloh: Stefan Temme (Lt.),<br />
Elena Grawe, Christian Jung, Ulla Rettig<br />
Mitarbeit:<br />
Eberhard Krummheuer<br />
Gesamtleitung und Anzeigen:<br />
Christian Horn (AD HOC PR),<br />
Tel. 0 52 41/90 39-33 | horn@adhocpr.de<br />
Grafik-Design:<br />
Volker Kespohl (Volker.Kespohl ı Werbung Münster)<br />
Lars Haberl (AD HOC PR, Gütersloh)<br />
Produktion und Druck:<br />
Bitter & Loose GmbH, Greven<br />
Anzeigenpreise:<br />
Laut Mediadaten <strong>2016</strong><br />
Für Anregungen, Themenvorschläge, Lob und Kritik erreichen Sie uns unter magazin@vdv.de<br />
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(2, 6/7, 7, 8, 9, 10, 11); naturtrip.org (30); Network Rail/<br />
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Stiftung Mercator (12); Stiftung Mercator/Bettina<br />
Außerhofer (13); VDB (10); <strong>VDV</strong> (3, 14); Verkehrsbetriebe<br />
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im Jahr). Alle im <strong>Magazin</strong> erscheinenden Beiträge und<br />
Bilder sind urheberrechtlich geschützt. Außerhalb der<br />
Grenzen des Urheberrechts ist die Verwertung ohne die<br />
Zustimmung des Herausgebers nicht zulässig. <strong>Das</strong> gilt vor<br />
allem für Vervielfältigungen, Übersetzungen sowie die<br />
elektronische Speicherung und Verarbeitung.<br />
30 04 | <strong>2016</strong>
8. <strong>VDV</strong>-Marketing-Kongress<br />
8./9. November <strong>2016</strong> in Berlin<br />
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» Themenschwerpunkte<br />
Trends im Online-Marketing<br />
Wie funktioniert Retargeting? Welche neuen Methoden<br />
der Kundenansprache gibt es?<br />
Digitalisierung und ländlicher Raum<br />
Welche Chancen und Herausforderungen gibt es für kleine<br />
und mittlere Unternehmen?<br />
Design Thinking – Neue Innovationsmethoden im ÖPNV?<br />
Der digitale Wandel erfordert auch ein Umdenken in der<br />
Arbeitsmethoden und mehr interdisziplinärer Teamarbeit.<br />
Wie weit ist die ÖPNV-Branche?<br />
<strong>VDV</strong>-Akademie ∙ Kamekestraße 37-39 ∙ 50672 Köln ∙ T 0221 57979-170 ∙ akademie@vdv.de ∙ vdv-akademie.de
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