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3. - Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung NRW

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<strong>3.</strong> Wissenschaft <strong>und</strong> soziale Praxis: Perspektiven auf sexuelle <strong>und</strong> geschlechtliche Vielfalt<br />

Auf gesellschaftlicher, politischer <strong>und</strong> medizinischer Ebene konnte man in den letzten Jahren positive<br />

Veränderungen hin zu einer größeren Akzeptanz von Trans*-Menschen beobachten. Dennoch berichten<br />

viele Transsexuelle, Probleme damit zu haben, weil ihre „neue“ Geschlechtsidentität nicht anerkannt<br />

wird. Dies zeigt sich dadurch, dass die transsexuelle Person nicht als zu dem Geschlecht<br />

zugehörig verstanden wird, das nach eigener Auskunft das ihre ist, sondern direkt oder indirekt als<br />

„Frau, die ein Mann sein will, sich wie ein Mann fühlt, so tut, als sei sie ein Mann“ oder „Mann, der<br />

eine Frau sein möchte, sich wie eine Frau fühlt oder so tut, als sei er eine Frau“ klassifiziert wird. Dies<br />

kann bis hin zu aversivem Verhalten gegenüber transsexuellen Menschen (Transphobie) führen: Nicht<br />

wenige Interviewpartner berichteten von feindseligen, ausgrenzenden <strong>und</strong> abwertenden Verhaltensweisen<br />

wie Tratschen, Gaffen, Beleidigen, Lächerlich-Machen oder Tätlich-Angreifen.<br />

Der Fokus der Studie wurde schließlich darauf gelegt, was „noch zu machen“ ist; deswegen<br />

wurde das Hauptaugenmerk der Studie auf die vielfältigen Diskriminierungserfahrungen 71 transsexueller<br />

Menschen in den unterschiedlichen Bereichen, ihren Bewältigungsstrategien <strong>und</strong> den sich daraus<br />

ergebenden Desideraten an unterstützender Infrastruktur gerichtet – wie etwa spezialisierten Beratungsstellen,<br />

fachlich geschulten Ansprechpartner_innen zu rechtlichen Fragen oder auch einen besseren<br />

Informationsstand von Behörden, Schulen etc. zum Thema Transsexualität. Die Infrastruktur<br />

lässt sich nur durch die Politik herstellen.<br />

Folgende Maßnahmen schlagen die Verfasser_innen zur Verbesserung der Lebenssituation von<br />

Transsexuellen vor:<br />

• Mitdenken von Transsexualität als Querschnittsthema in den Lehrplänen von Schule, Verwaltung<br />

<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitswesen.<br />

• Ausarbeitung von Leitfäden für Mitarbeiter_innen der Verwaltung, des Ges<strong>und</strong>heitswesens<br />

<strong>und</strong> von pädagogischen Einrichtungen.<br />

• Anpassung von Verwaltungsvorgängen zur Wahrung der Rechte transsexueller Bürger_innen.<br />

• Aufklärung der Gesellschaft durch Öffentlichkeitsarbeit <strong>und</strong> Informationsmaterial.<br />

• Unterstützung der Selbsthilfegruppen, insbesondere mit Qualifizierungsangeboten im psychosozialen<br />

Bereich <strong>und</strong> mit Supervisionsangeboten.<br />

• Weiterqualifizierung der Mitarbeiter_innen in bestehenden Beratungsstellen zum Thema Trans*<br />

durch qualifizierte Betroffene.<br />

• Schulung von Polizei <strong>und</strong> Beratungsstellen im Hinblick auf transphobe Gewalt.<br />

• Verbesserung der Transparenz der Antragsverfahren <strong>und</strong> des Zugangs zu geschlechtsangleichenden<br />

Maßnahmen.<br />

• Förderung von sozialmedizinischer <strong>und</strong> kultur- <strong>und</strong> sozialwissenschaftlicher Forschung zu Transgender<br />

<strong>und</strong> Transsexualität auf Landesebene.<br />

• Engagement für eine spürbare Vereinfachung des Transsexuellengesetzes (TSG) durch das Land<br />

<strong>NRW</strong> auf B<strong>und</strong>esebene.<br />

• Maßnahmen zum Schutz der Ges<strong>und</strong>heit transsexueller Menschen.<br />

• Einrichtung einer fachübergreifenden Koordinationsstelle unter Einbeziehung Betroffener.<br />

Die Studie zeigte, dass es neben der Aufklärung vor allem hinsichtlich einer Beratung für transsexuelle<br />

Menschen, für ihre Angehörigen <strong>und</strong> für die mit dem Thema konfrontierten Institutionen <strong>und</strong> gesellschaftlichen<br />

Gruppen (Schulen, Behörden, Arbeitgeber_innen, Verbände, Ges<strong>und</strong>heitssystem usw.)<br />

große Defizite gibt <strong>und</strong> es hier an Abstimmung <strong>und</strong> Koordination fehlt. Insbesondere die interviewten<br />

Betroffenen wünschen sich dringend eine zentrale Anlaufstelle. Um dieses Defizit zu beheben, fordern<br />

die Betroffenen die Förderung des Aufbaus einer Landeskoordinationsstelle für den Bereich Trans*,<br />

bei der Informationen, Fachkompetenzen <strong>und</strong> Beratungsangebote gebündelt <strong>und</strong> Beratungssuchenden<br />

zur Verfügung gestellt werden. Die Einbeziehung Betroffener wird dabei als wichtige Voraussetzung<br />

angesehen, um den Erfolg dieser Maßnahme zu gewährleisten. Die Betroffenen selbst wünschen sich<br />

dringend eine solche Anlaufstelle.<br />

71 Der Begriff „Diskriminierungserfahrung“<br />

gestattet es,<br />

die Vielfalt von Situationen <strong>und</strong><br />

Erlebnissen in ihrer Wirkung<br />

auf Betroffene zu erfassen. In<br />

den Interviews wie auch im<br />

Fragebogen wurde ein subjektzentrierter<br />

Begriff von „Diskriminierung“<br />

verwendet; entscheidend<br />

für unsere Fragestellung<br />

war nicht, ob tatsächlich<br />

eine Diskriminierung vorgelegen<br />

hat, sondern ob man sich<br />

diskriminiert fühlt.<br />

91

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