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3. - Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung NRW

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Almut Dietrich, Dipl.-Sozial -<br />

pädagogin, Landeskoordinatorin<br />

der Anti-Gewalt-Arbeit<br />

für Lesben <strong>und</strong> Schwule in<br />

<strong>NRW</strong><br />

86<br />

<strong>3.</strong> Wissenschaft <strong>und</strong> soziale Praxis: Perspektiven auf sexuelle <strong>und</strong> geschlechtliche Vielfalt<br />

hungen. Wer Beziehungen nach Kosten-Nutzen berechnet <strong>und</strong> wer über mangelnde soziale Unterstützung<br />

klagt, tendiert eher zu homophoben Einstellungen.<br />

Sicherlich hat das Phänomen der Homophobie ganz eigene Facetten. Doch gehen homophobe<br />

Einstellungen ganz klar mit anderen Vorurteilen einher. Dies gilt vor allem für Sexismus, aber auch<br />

Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit <strong>und</strong> in der Tendenz sogar mit der<br />

Abwertung von langzeitarbeitslosen <strong>und</strong> obdachlosen Menschen <strong>und</strong> solchen mit Behinderung. Kurz:<br />

Wer Vorurteile gegenüber homosexuellen Menschen hat, neigt mit größerer Wahrscheinlichkeit auch<br />

dazu, andere Gruppen abzuwerten. Stets spielt hier eine Ideologie der Ungleichwertigkeit eine Rolle,<br />

die Menschen anhand ihrer zugewiesenen Gruppenzugehörigkeit in besser <strong>und</strong> schlechter, oben <strong>und</strong><br />

unten, einteilt. Homophobie ist damit Teil eines Syndroms Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.<br />

Die hier beschriebenen Einstellungen können dabei in vielen Bereichen ihre ausgrenzende Wirkung<br />

entfalten, sind es doch immer Menschen mit ihren jeweiligen individuellen Einstellungen, die auf Entscheidungen<br />

über Berücksichtigung, Gleichstellung, Förderung von sozialen Gruppen oder umgekehrt<br />

mit Ignoranz reagieren <strong>und</strong> bewusst oder unbewusst Ausschluss, Ausgrenzung <strong>und</strong> damit Diskriminierung<br />

zulassen, in Institutionen, aber auch im Alltag. 20 % der Befragten der Studie Gruppenbezogene<br />

Menschenfeindlichkeit stimmten im Erhebungsjahr 2005 <strong>und</strong> 2006 eher oder voll zu: „Als<br />

Vermieter würde ich keine Wohnung an Homosexuelle vermieten“. 30 % weisen dabei homosexuellen<br />

Menschen die Schuld für die eigene Ausgrenzung zu, indem sie der Aussage zustimmten: „Homosexuelle<br />

sind selbst schuld, wenn man was gegen sie hat.“ Diese Strategie der Täter-Opfer-Umkehr, die<br />

die Opfer von Vorurteilen <strong>und</strong> Diskriminierung selbst zum Verursacher für die eigene Ausgrenzung<br />

macht, ist auch gegenüber anderen ausgegrenzten Gruppen verbreitet, etwa wenn es um die Rechtfertigung<br />

der Abwertung von Juden oder Muslimen geht. So spezifisch die Problemlagen verschiedener<br />

Gruppen sind, die Vorurteilen <strong>und</strong> Diskriminierung ausgesetzt sind <strong>und</strong> so unterschiedlich sich die<br />

Abwertungen <strong>und</strong> Ausgrenzungen im Einzelnen manifestieren, vereint sie doch die Ablehnung als<br />

„Andere“ durch die Mehrheit, die sie als minderwertig betrachtet. Das Engagement gegen Homophobie<br />

könnte also auf viele Mitstreiter_innen zählen, wenn es gelingt, bei allen spezifischen Problemlagen<br />

einzelner Gruppen das Thema Vielfalt <strong>und</strong> Gleichwertigkeit auf eine breitere Basis zu stellen.<br />

<strong>3.</strong>5 Forschung <strong>und</strong> Praxis im Themenfeld homo- <strong>und</strong> transphobe<br />

Diskriminierung <strong>und</strong> Gewalt – Vorschläge für eine Zusammenarbeit<br />

Almut Dietrich<br />

Zusammenfassung<br />

Für meine Arbeit als Landeskoordinatorin der Anti-Gewalt-Arbeit für Lesben <strong>und</strong> Schwule in <strong>NRW</strong> ist<br />

es wesentlich, über Informationen zum Ausmaß <strong>und</strong> zur Art von Diskriminierungs- <strong>und</strong> Gewalterfahrungen<br />

sowie zum betroffenen Personenkreis zu verfügen. Deshalb beschäftige ich mich seit vielen<br />

Jahren auf unterschiedlichen Ebenen mit Daten zu Diskriminierungs- <strong>und</strong> Gewalterfahrungen von Lesben,<br />

Schwulen, Bisexuellen <strong>und</strong> Trans*Personen (LSBT*). Ich nutze die Ergebnisse von Studien für die<br />

Informations- <strong>und</strong> Öffentlichkeitsarbeit <strong>und</strong> die Vertiefung der Praxis. Im Rahmen einer jährlichen Datenerhebung<br />

von Beratungsfällen werte ich selbst Informationen zu Diskriminierung, Gewalt <strong>und</strong><br />

häuslicher Gewalt mit dem Schwerpunkt „sexuelle Identität“ aus. In der Kooperation mit Polizei <strong>und</strong><br />

Justiz beschäftige ich mich damit, wie homo- <strong>und</strong> transphob motivierte Gewalttaten im Rahmen der<br />

Strafverfolgung sichtbar gemacht werden können. Auffallend ist die starke Diskrepanz zwischen den<br />

unterschiedlichen Daten, die sich aus der Forschung, meiner Dokumentation von Beratungsfällen <strong>und</strong><br />

dem Umgang mit dem Thema „Daten“ bei der Polizei ergibt.<br />

Die unterschiedlichen Befragungen zu Diskriminierungs- <strong>und</strong> Gewalterfahrungen haben unabhängig<br />

vom Setting oder dem Bezugsrahmen einen klaren Tenor: Die Gruppe der LSBT* ist in hohem<br />

Maß von Diskriminierungs- <strong>und</strong> Gewalterfahrungen in Familie, Schule, Beruf, Nachbarschaft <strong>und</strong><br />

Öffentlichkeit betroffen. Dagegen gelingt es bisher mit dem Instrument der Datenerhebung von Beratungsfällen<br />

nur (oder immerhin?), ein kleines Spektrum des Dunkelfeldes zu erhellen. Bezogen auf<br />

die Erfassung von homophober Gewalt bei der Polizei, besteht in <strong>NRW</strong> <strong>und</strong> den meisten B<strong>und</strong>esländern<br />

ein Dunkelfeld von 100 %, da spezifische Daten zu homophober Gewalt bisher nicht erfasst<br />

werden.

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