3. - Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung NRW
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<strong>3.</strong> Wissenschaft <strong>und</strong> soziale Praxis: Perspektiven auf sexuelle <strong>und</strong> geschlechtliche Vielfalt<br />
Ausmaß von Homophobie in Nordrhein-Westfalen liegt im b<strong>und</strong>esdeutschen Vergleich im Mittelfeld,<br />
gleiches gilt für Deutschland verglichen mit anderen europäischen Ländern. Dabei variiert die Zustimmung<br />
je nach Facette. Was die moralische Bewertung von Homosexualität betrifft, ist eine liberale<br />
Haltung weit verbreitet, wobei immerhin noch 14 % Homosexualität als „unmoralisch“ bewerteten.<br />
Geht es um die Sichtbarkeit von Homosexualität in der Öffentlichkeit, wird etwas mehr Ablehnung<br />
deutlich. 20 % der Befragten sind gegen die Sichtbarkeit von Homosexualität in der Öffentlichkeit<br />
<strong>und</strong> „finden es ekelhaft, wenn Homosexuelle sich in der Öffentlichkeit küssen“. Nach wie vor lehnt<br />
r<strong>und</strong> ein Viertel der Befragten in Nordrhein-Westfalen die gleichgeschlechtliche Ehe ab <strong>und</strong> verweigert<br />
damit homosexuellen Menschen die gleichen Rechte in Bezug auf Partnerschaften.<br />
Homophobie ist nicht in allen Bevölkerungsgruppen gleich weit verbreitet; dies gilt in Nordrhein-<br />
Westfalen wie im übrigen Deutschland. Von besonderer Bedeutung ist hierbei das Lebensalter. Wie<br />
auch im übrigen Deutschland sind in <strong>NRW</strong> homophobe Einstellungen bei den Jüngeren signifikant<br />
weniger verbreitet als bei Älteren, wobei die Altersunterschiede in den vergangenen zehn Jahren dank<br />
der positiven Entwicklung auch bei den Älteren hin zu weniger Homophobie deutlich abgenommen<br />
haben. Allerdings tendiert die jüngste Altersgruppe gerade in <strong>NRW</strong> etwas mehr zur Homophobie als<br />
diejenigen im mittleren Erwachsenenalter. Die Entwicklung dieser Tendenz bedürfte einer vertieften<br />
Analyse <strong>und</strong> eines weiteres Monitorings. Gleiches gilt für besser Gebildete im Vergleich zu weniger<br />
gut Gebildeten, wobei sich hier der Unterschied in <strong>NRW</strong> besonders stark verringert, berücksichtigt<br />
man, dass viele der weniger gut Gebildeten zugleich älter sind. Männer neigen in <strong>NRW</strong> wie im übrigen<br />
Deutschland etwas stärker zu Homophobie als <strong>Frauen</strong>. Befragte mit Einwanderungsgeschichte, die in<br />
<strong>NRW</strong> leben, tendieren ein bisschen mehr als Alteingesessene zu homophoben Einstellungen. Die<br />
manchmal geäußerte Unterstellung, Einwanderer seien deutlich homophober, Alteingesessene hingegen<br />
weitgehend liberal, lässt sich also durch die nur geringfügigen Unterschiede zwischen den Einstellungen<br />
der Eingewanderten <strong>und</strong> der Alteingesessenen nicht bestätigen. Deutlich wird aber zugleich,<br />
dass auch Minderheiten vor abwertenden Einstellungen anderen Minderheiten gegenüber nicht gefeit<br />
sind. In den Großstädten ist die Neigung zu Homophobie etwas weniger ausgeprägt als auf dem<br />
Land, wobei auch hier wieder die absoluten Unterschiede gering sind, Homophobie also keineswegs<br />
allein ein Problem auf dem Land ist.<br />
Neben diesen demographischen Unterschieden sind es vor allem gr<strong>und</strong>legende Werthaltungen,<br />
die das Ausmaß von Homophobie bestimmen. Religiöse bzw. konfessionell geb<strong>und</strong>ene Menschen (hier<br />
aufgr<strong>und</strong> der Stichprobe beschränkt auf Christen) neigen signifikant stärker zu Homophobie, ebenso<br />
wie jene, die kulturelle <strong>und</strong> religiöse Vielfalt ablehnen. Vor allem aber spielt eine autoritäre Gr<strong>und</strong>haltung<br />
– ausgedrückt in der eigenen Bereitschaft zu Gehorsam <strong>und</strong> Unterordnung <strong>und</strong> der Forderung nach<br />
Law-and-Order gegenüber Außenseitern – eine problematische Rolle. Mit einer autoritären Haltung<br />
nehmen homophobe Einstellungen zu. Etwas weniger stark ausgeprägt gilt dies auch für eine Orientierung<br />
hin zur sozialen Dominanz, d. h. der Befürwortung sozialer Hierarchien. Weniger bedeutsam<br />
ist eine ökonomistische Werthaltung, die Menschen nach ihrem „Nutzen“ beurteilt <strong>und</strong> unbedeutend<br />
ist das subjektive Gefühl der Orientierungslosigkeit in einer sich verändernden Welt.<br />
Die individuelle politische Werthaltung spielt für das Ausmaß von Homophobie in <strong>NRW</strong> (wie auch im<br />
übrigen Deutschland) nur eine geringe Rolle. Wenn, dann ist es vor allem die eigene Selbstpositionierung<br />
ins rechte politische Spektrum, die mit mehr homophoben Einstellungen einhergeht. Dies gilt<br />
auch für den Eindruck eigener politischer Machtlosigkeit. Unerheblich ist hingegen die Einstellung<br />
zur Demokratie.<br />
Die eigene finanzielle Situation ist für Homophobie in <strong>NRW</strong> (<strong>und</strong> im übrigen Deutschland) kaum<br />
von Bedeutung. Am wichtigsten ist noch das Einkommen. Menschen mit geringem Haushaltseinkommen<br />
neigen stärker zu Homophobie (was sich im Übrigen nicht allein auf die im Durchschnitt geringere<br />
Bildung dieser Befragten zurückführen lässt). Über eine Erklärung lässt sich auf Basis der vorhandenen<br />
Daten nur spekulieren. Wir wissen aus anderen Studien, dass homosexuelle Menschen als vergleichsweise<br />
statushöher eingestuft werden, vielleicht genährt durch das Bild der bekennenden Homosexuellen<br />
aus der politischen, kulturellen <strong>und</strong> medialen Prominenz. Aus Sicht der Befragten mit niedrigem<br />
Einkommen mag dies insofern eine Rolle spielen, als dass sie hier möglicherweise einer als exotisch<br />
eingeschätzten Gruppe nicht auch noch einen vermeintlich besseren Status zubilligen wollen, während<br />
sie selbst mit ihrem normalen Lebensalltag zu kämpfen haben. Keine Rolle spielt jedoch die subjektive<br />
Einschätzung der eigenen finanziellen Lage, das Gefühl, keinen gerechten Anteil zu bekommen, oder<br />
die Angst vor Arbeitslosigkeit. Bedeutsamer ist dann die Einschätzung der eigenen sozialen Bezie-<br />
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